01. November 2020, Gastbeitrag von Johnny Schmidt-Unfried

 

Nehmen wir eine x-beliebige Schule in Rheinland-Pfalz, idyllisch, katholisch. Empfehlungen fürs Gymnasium kriegen in der Großstadt weit über 60 Prozent aller Schüler*innen. Als Bäckerin, Kfz-Mechanikerin oder als Altenpfleger und medizinisch-technischer Assistent zählt man nichts. Also das Gymnasium. Nehmen wir ganz normale deutsche Eltern einer Jahrgangsstufe 8. Ein 34-jähriger Lehrer für Sport und Gemeinschaftskunde, der schwer asthmakrank ist (einige Expeditionen in den Himalaya spielten dabei eine besondere Rolle) und ein Attest mit einer 15-prozentigen Behinderung hat und keine Maske tragen kann, ist für seinen Charme, seine lustigen Sprüche und die gute Stimmung seit Jahren bei den Schüler*innen sehr beliebt. Die Eltern, alles hochgebildete Personen, die die gesammelten Werke von Dieter Bohlen direkt neben ihrem Goethe und Kant stehen haben, fordern, dass ihre Kinder nicht von diesem Lehrer unterrichtet werden dürfen.

Die Schulleiterin ändert tatsächlich den Stundenplan und teilt eine andere Lehrerin ein. Diese wiederum schlendert mit ihrem etwas dicklichen und nicht sehr groß gewachsenen Ehemann durch die Stadt, sieht ihren Kollegen, der sie aber wegen Maske und Sonnenbrille plus Hut nicht erkennt und pöbelt ihn an: „Du Drecksack, du Mörder, zieh deine Maske auf“, wohlwissend, er ist ja ihr Kollege, der ein Attest hat, was alle wissen, da es die Schuldirektorin bekanntgemacht hatte. Im Fußball würde man sagen, es kam zur „Rudelbildung“, nur dass hier einer gegen 11 stand, nicht eine zivilisierte Person kam herbei und sagte: „Hören Sie mal, wenn Sie nicht sofort hier weggehen, zeigen wir sie wegen Nötigung und Freiheitsberaubung an. Dieser Mann hier hat offenkundig einen gewichtigen Grund keine Maske zu tragen und ein Attest. Wenn Sie nicht gehen, zeigen wir Sie an.“

Das sagte niemand, es war also keine Rudelbildung wie im Fußball, noch viel primitiver war das: 11 gegen 1. Der junge Lehrer verhielt sich völlig gesetzeskonform, a-sozial und illegal verhielt sich der Pöbel, die Kollegin, ihr Mann und die anderen Aggressoren.

Die Hauptschuldige ist aber natürlich Angela Merkel. Hätte Merkel auch nur einmal mit aller Vehemenz betont, dass Denunziation verboten und nicht etwa gewollt ist – Denunziationen, die offenkundig Söder oder die Essener Polizei und unzählige weitere Blockwartanwärter*innen wollen –, dass es Ausnahmen vom Maskenzwang gibt, gesundheitlich begründet, dann wäre Merkel wenigstens an diesem Punkt weniger schuldig. So aber ist sie die oberste Führerin eines 83 Millionen Mobs, der jede Person, die sich nicht maskiert, zum Abschuss freigibt – da ist die Analogie zu 1933 ff. nicht weit hergeholt. Das ist keine NS-Verharmlosung, weil wir wissen, dass die Nazis die Juden umbringen wollten, dass aber die Juden auch immer sagten, völlig zu Recht, sie waren nicht die einzigen Opfer und auch nicht die ersten. Zuerst waren die politischen Feinde der Nazis, Anarchisten, Sozialisten, Kommunisten, Sozialdemokraten und Liberale von den Schlägertrupps der SA massakriert oder dann von der Gestapo nach dem 30.1.33 inhaftiert, gefoltert und ermordet worden.

Das ist heute natürlich anders. Es gibt nicht den Hauptfeind wie bei den Nazis, die Juden.Wer sich als “ungeimpft” einen Judenstern auf die Brust klebt, agiert antisemitisch, das ist eine sekundär antisemitische Reaktionsweise, eine Trivialisierung des Judenmords.

Es gibt zudem Verschwörungswahnwichtel, die sehr wohl die Alleinschuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg leugnen, antisemitisch gegen George Soros hetzen, schon immer Merkel, Zuwanderung und die Mainstreammedien hassten und ressentimentgeladen und nicht rational gegen die Coronapolitik sind (bekanntes Beispiel aus der Coronaskeptiker-Szene ist Thorsten Schulte).

Und es gibt ein autoritäres Muster, das den Anderen töten oder in den Tod treiben will, und dieses Muster bezieht sich heute auf Menschen, die (aus gesundheitlichen Gründen) keine Maske tragen können. Nicht einer dieser modernen totalitären autoritären Charaktere und Täter*innen (das sind häufig SPD-, Linkspartei-, CDU/CSU- und Grünenwähler*innen) fragt nach, WARUM diese Person keine Maske trägt. Viele wussten sogar, dass jener Lehrer ein Attest hat, das war in dieser größeren Stadt in Rheinland-Pfalz sehr wohl bekannt. Das hinderte sie nicht, SA und Blockwart zu spielen. Nie gab es in dieser Stadt seit 1945 so viele totalitäre und autoritäre Charaktere, die sich als Nicht-Nazis und lediglich Merkel- und Malu-Dreyer-Fans verstehen – die aber noch viel mehr Gewaltpotential in sich tragen als „echte“ Nazis, da sie wissen, es gibt keinerlei Opposition, sie müssen keine Angst haben in den Gassen der Stadt gestoppt zu werden – vielmehr wird der Mob immer größer. „Normale“ Nazis, die altmodischen, wissen, dass die Antifa sie verfolgen würde und würden in der Innenstadt unserer Großstadt niemals so offensiv auftreten. Die modernen totalitären autoritären Charaktere und Blockwarte jedoch rekrutieren sich aus dieser Antifa und den Grünen-, Linkspartei- und SPD-Wähler*innen (und natürlich jenen der CDU/CSU, das ist eh klar).

Im Gegensatz zu den „echten“ Nazis agieren diese massenhaft auftretenden modernen totalitären autoritären Charaktere als Schlägertrupps im Auftrag der großen Politik sozusagen, sie haben gefühlt über 90 Prozent der Bevölkerung, seit letztem Mittwoch sicher nur noch 70 Prozent oder weniger, aber immer noch sehr viele Millionen hinter sich – sie setzen nur den Volkswillen durch, so brutal wie möglich, während die „echten“ Nazis ja wissen, dass sie gegen die breite Mehrheit der Bevölkerung aktiv sind.

Die Politik von Malu Dreyer, Winfried Kretschmann, Armin Laschet, Michael Müller, Markus Söder und vor allem von Angela Merkel, Jens Spahn und Olaf Scholz hat diese autoritären Charaktere motiviert, so brutal gegen Nicht-Maskenträger vorzugehen, wie noch nie eine Regierung seit 1945 zur Hatz gegen „den“ Anderen aufgerufen hat. Jeder Mensch, der behindert ist, gesundheitlich keine Maske tragen kann wie unser Lehrer und Asthmatiker, und jeder Mensch, der zudem und unabhängig davon die irrationale und viele Millionen Menschen in den Nicht-Industrieländern tötende und auch hierzulande viele gesunde Menschen tötende Coronamassenpanik-Politik kritisiert oder ablehnt, wird von der großen Politik aus aussätzig diffamiert und zum Abschuss im wörtlichen Sinne freigegeben.

Wir haben bis jetzt keinerlei Übersterblichkeit im Jahr 2020 – sprich: Es sind so viele Menschen gestorben, wie statistisch zu erwarten war, sprich: ein Großteil der Corona-Toten wäre ohnehin gestorben. Wären es nämlich viel jüngere und ganz andere Opfergruppen gewesen, dann gäbe es eine Übersterblichkeit. Da es die nicht gibt (Stefan Aust, der Herausgeber der Welt, wies schon vor Monaten darauf hin), kann es sich nicht um eine große medizinische Krise handeln. Es sind also Menschen gestorben, die ohnehin dieses Jahr gestorben wären, Ausnahmen bestätigen die Regel. Wären 9000 Menschen unter 60 an einer schlimmen Krankheit gestorben, dann wäre das besorgniserregend gewesen oder jedenfalls bemerkenswert, das wäre eine Übersterblichkeit, weil ein Großteil dieser jüngeren Menschen 2020 ansonsten nicht gestorben wäre. Doch rationale Zahlenanalyse ist seit März 2020 nicht mehr angesagt, es geht um Panik und absichtliche Panikproduktion. Es geht um antidemokratische Politik, um ein Fördern des Monopolkapitalismus, um ein Stärken der Starken und ein Schwächen der Schwachen, um eine gigantische Umverteilung von Vermögen, hin zu den ohnehin Reichen, weg von den ohnehin Armen oder Geringverdienenden.

Noch nicht mal die islamistischen Massaker und Drohungen, die derzeit Frankreich, Deutschland und Österreich und ganz Europa bedrohen, irritieren diese autoritären und brutalen Coronahysteriker, die den Anderen töten wollen und ihm Mord vorwerfen – dabei ist nicht der aus gesundheitlichen Gründen maskenfreie Mensch der Mörder, sondern die MaskenträgerInnen sind die Mörder, da sie absichtlich die Kollateraltoten hier und in den Nicht-Industrieländern hinnehmen, ja einfordern mit ihrer Agitation.

Dabei könnten Millionen Corona haben, solange sie unter 60 sind und nicht wirklich krank werden, ist das völlig egal. Es geht nur und ausschließlich darum, dass diese äußerst spezifische Krankheit nicht in Alters- und Pflegeheime kommt, nicht in Krankenhäusern wütet und alte und allein lebende Menschen geschützt werden, so sie das selbst wollen, das ist entscheidend.

Nicht mal die brutale Hetze der Islamisten gegen die westliche Lebensweise lässt diese Wahnsinnigen innehalten – sie hetzen auf ihre Weise gegen den Anderen. Jihad, Verschwörungswahnwichtel und Coronagläubige gemeinsam gegen den Anderen, für mehr Gewalt auf den Straßen und wahlweise gegen die westliche Lebensweise, gegen Aufklärung, Kritik und Dissidenz.

Der Coronawahnsinn zeigt sich besonders stark bei Karl Lauterbach, der Studien nicht richtig lesen kann und Angst verbreitet, Covid-19 könne einen gewissen IQ-Verlust von 8,5 Punkten mit sich bringen. Dabei sollte gerade der SPD-Einpeitscher doch keine Angst haben: Was man nicht hat, kann man auch nicht verlieren, oder lyrisch ausgedrückt von Janis Joplin zu einer Zeit, als Lauterbach oder Trump die Welt noch nicht mit Tweets terrorisieren konnten:

Freedom is just another word for nothing left to lose“.

 

Es gibt aber jetzt Tanzschulen, die sich ganz offensiv weigern, den Lockdown zu befolgen, es wird Restaurants geben, die sich weigern, Cafés, Kosmetiksalons und unzählige weitere. Die Panikindustrie und die Schläger auf den Straßen merken, dass sie nicht mehr unwidersprochen durchkommen mit  ihrer unwissenschaftlichen Agitation.

Das mag die immer größere Aggressivität und die immer noch irrationaleren Tweets bestimmter Politiker (meist Männer) erklären. Sie werden verlieren und die Vernunft wird siegen – doch die demokratische Gesellschaft, die sich um Minderheiten, Behinderte und Randgruppen solidarisch kümmert, die wurde von Merkel und Lauterbach in ihren Grundfesten zerstört, über 50 Jahre nach 68 haben die Reaktionäre endgültig gewonnen, es gibt keine Abweichler*innen mehr, wer die Wahrheit sagt und betont, dass Corona für Unter-70-jährige weniger schlimm ist als eine Grippe, wird als Nicht-Mensch betrachtet.

Dass sich das Mensch-Sein durch Kunst und Kultur und nicht etwa durchs Fressen und Saufen, Jagen und Töten kennzeichnet, das wurde durch Merkel, Scholz, Kretschmann und Söder negiert. Das erste was sie verbieten, ist die Kultur. Dabei wäre das einzige, was wirklich not-wendig wäre, gäbe es eine große Krise – und Corona ist gerade keine große medizinische Krise, sondern eine politische und philosophische Krise nie gekannten Ausmaßes seit 1945 –, Kunst und Kultur. Nur sie könnten helfen, mit einem Phänomen sich öffentlich, geistig und kritisch zu befassen. Nur die Kultur und die Kunst sind in der Lage, mit Ironie, Witz, Sarkasmus, Humor oder Depression, Niedergeschlagenheit, Ausweglosigkeit und Perspektivlosigkeit reflektiert umzugehen. Das einzige, was in einer Krise einer gefestigten Gesellschaft niemals schließen dürfte, sind Kunst- und Kultureinrichtungen. Dass sie als erste geschlossen werden zum zweiten Mal seit März 2020, zeigt die extreme, ja obsessive Kultur- und Kunstferne sowie Intellektuellenfeindlichkeit von Merkel, Scholz und allen anderen Politiker*innen an der Macht. Da trifft sich die Politik mit dem brutalen Mob auf der Straße. Mob und Elite, wie gehabt.