Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: Oktober 2003

Deutsche moegen nur tote Juden, Islamisten gar keine

Dieser Text wurde zuerst auf www.juedische.at am 7. Oktober 2003 publiziert.

Wolfgang Dressen und das Ausstellungsprojekt ‚Ex-oriente‘ in Aachen
protegieren Antisemiten und Israelfeinde oder Henning Eichberg meets
muslim-markt.de

Mit einem offenen Brief hat eine Initiative gegen Antizionismus und
Antisemitismus Wolfgang Dressen, 1998 Initiator der Ausstellung
‚Aktion 3. Deutsche verwerten juedische Nachbarn‘, und die anderen
Verantwortlichen fuer die geplante Gross-Ausstellung Ex-oriente in
Aachen auf die antisemitischen, volksverhetzenden und
israelnegierenden Seiten von muslim-markt.de, zu denen extra ein link
auf der Ausstellungs-homepage ex-oriente.com geschaltet worden war,
hingewiesen. Doch warum sich explizit von Israelfeinden distanzieren,
wenn man selber eine offene Flanke zu Antisemitismus hat, wie Dressens
Publikationspraxis frueherer Jahre bis heute zeigt?

„Nie geraten die Deutschen so ausser sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen“ (Tucholsky)

1) Von der Konvergenz zur Koinzidenz: Lechts und rinks gegen Israel und die Juden

Es geht mir hier darum zu zeigen, wie im 21. Jahrhundert in der BRD
die Erinnerung an die Shoah, die Vernichtung von 6 Millionen Juden
durch Deutsche im Nationalsozialismus nahtlos uebergehen kann in die
Unterstuetzung antizionistischer, israelfeindlicher Gruppen.

Es geht, wie es kuerzlich Yossef Levi, Attaché fuer
Oeffentlichkeitsarbeit der israelischen Botschaft in Berlin, gesagt
hat, darum: die Deutschen moegen die Juden des 27. Januar, keineswegs
aber die des 28. Januar. Ein Jude ist Opfer, wenn er beginnt sich zu
wehren, hoert der Spass auf. Wolfgang Dressen, einer breiteren
Oeffentlichkeit bekannter geworden durch die von ihm konzipierte
Ausstellung „Betrifft: ‚Aktion 3‘. Deutsche verwerten juedische
Nachbarn“, steht hier exemplarisch fuer die Offenheit der alt-68er
fuer sowohl neu-rechte Ideologeme als auch islamistisch,
antizionistisch-antisemitische Positionen und verbindet das mit seiner
Form der Erinnerung an den Holocaust.

Das werde ich an Hand der Publikationspraxis von Dressen waehrend der
letzten 15 Jahre und dem von ihm initiierten und fuer 2003 geplanten
neuen Ausstellungsprojekt „Ex-oriente“ in Aachen darlegen. Was
heutzutage in der BRD geschieht, ist die zunehmende Konvergenz, ja die
Koinzidenz, rechter und linker Positionen bezueglich Israel und den
Juden. Die einen hassten seit 1967 Israel, die anderen alle Juden.
Wolfgang Dressen, Linker seit Dutschkes Tagen, steht fuer diese
Konvergenz, was ich nicht nur am aktuellen Beispiel des
islamistischen, anti-israelischen muslim-markt zeigen werde, sondern
eben auch in den politischen Texten und Positionen Dressens in den
spaeten 1980er Jahren.

Zwei Exponenten nationaler Identitaet spielen die Hauptrollen: der
neu-rechte Vordenker Henning Eichberg und das volksnahe,
ressentimentgeladene schwaebisch-altfraenkische Grossmaul vom
Bodensee, Martin Walser.

2) ex-oriente.com verlinkt muslim-markt.de: „heutige Massaker viel schlimmer als Auschwitz“

Wolfgang Dressen wurde einer etwas groesseren interessierten
Oeffentlichkeit durch die von ihm zusammen gestellte Ausstellung
„Betrifft: ‚Aktion 3‘. Deutsche verwerten juedische Nachbarn“
bundesweit bekannter. Linke, antifaschistische Gruppen hatten diese
Ausstellung seit Anfang 1999 in mehreren Staedten gezeigt, oft mit
einem politischen oder kulturellen Begleitprogramm. Wichtig war den
Gruppen die voellig un-thematisierte Geschichte der oekonomischen und
massenhaft mitgemachten Entjudung Deutschlands.

In der Ausstellung werden Dokumente der Finanzbehoerden ausgestellt,
die zeigen, wie der Vernichtungsprozess der Juden bis hinein in
‚arische‘ Wohnzimmer in Koeln reichte. Dabei ist eine zentrale
Fragestellung, und das wurde ja schon zur Zeit der Goldhagen-Debatte
und der einhelligen Abwehr der Thesen Goldhagens durch die historische
Zunft der BRD und der linken Szene gleichermassen offenbar, welche
Motivation hinter der Vernichtung der Juden zu suchen ist.

Dressen jedenfalls ging einer weitergehenden Analyse des
nationalsozialistischen Antisemitismus konsequent aus dem Weg.
Wolfgang Dressen himself war es dann, der die „Initiative gegen
Antizionismus und Antisemitismus“
(Berlin/Bremen/Esslingen/Hamburg/Tuebingen) auf sein neuestes Projekt
aufmerksam machte. Das Insistieren auf einer Analyse des
Antisemitismus als dem konstitutiven Element des Nationalsozialismus
scheint ihn dennoch beschaeftigt zu haben, denn er meinte der
Initiative seine Beschaeftigung mit einem anderen toten Juden, dem
Juden Isaak, der im Auftrag Karls des Grossen Ende des 8.
Jahrhunderts u. Z. von Aachen in den Nahen Osten reiste und in Bagdad
einen weissen Elefanten geschenkt bekam, den er in Aachen ablieferte,
naeher bringen zu muessen und wies auf seine diesbezuegliche Homepage
ex-oriente.com hin.

Ob und warum sich mensch mit Karl dem Grossen in dieser Form
beschaeftigen soll, sei dahingestellt. Auffallend ist jedoch bereits
die Projektbeschreibung auf der Homepage. Es wurde anfangs
ausdruecklich davor gewarnt, Positionen fuer ‚heutige politische
Probleme zu instrumentalisieren‘, es solle ausschliesslich um das
8./9. Jahrhundert gegen. Dazu jedoch werden „KuenstlerInnen aus
Palaestina“ und dem „heutigen Israel“ eingeladen. Dass Israel
adjektivisch naeher bestimmt wird, Palaestina jedoch nicht, obwohl es
‚Palaestina‘ im Gegensatz zu Israel ja gar nicht gibt, laesst eine/n
schon hellhoeriger werden.

Soll die naehere Bestimmung Israels als heutiges andeuten, morgen
koenne Israel schon ganz anders aussehen? Z.B nicht mehr als
juedischer Staat? Oder ueberhaupt nicht mehr, was auf das Gleiche
hinausliefe? Hier also schon erste grosse Fragezeichen. Doch eine
Homepage hat noch weitere Moeglichkeiten, politische Inhalte zu
verbreiten. Z.B. die links zu anderen Pages. Davon waren 18 an der
Zahl geschaltet worden auf ex-oriente.com.

So wie es eine Strategie der Neuen Rechten ist, ihre Inhalte unter ein
moeglichst breites Publikum zu streuen, mit durchaus kontraeren
Positionen also z.B. in Sammelbaenden aufzutauchen, so ist auch diese
Homepage gebastelt. Neben wichtigen links u.a. zu hagalil.com,
zentralrat.de sind auch links geschaltet worden zu islam.de und
muslim-markt.de. Ich werde mich im folgenden ausschliesslich auf den
muslim-markt konzentrieren, da hier die antisemitische Propaganda am
deutlichsten hervortritt.

Diese antisemitischen, israelfeindlichen,
pro-Hizbollah – Seiten waren es, die die Initiatieve gegen
Antizionismus und Antisemitismus alarmierten und zu einem offenen
Brief (vom 22.03.2002) an Dressen, Frau Pfeiffer Poensgen,
Kulturdezernentin der Stadt Aachen und die anderen Verantwortlichen
der Ausstellung Ex-oriente (29.6.-28.9.2003 Aachen) mitsamt den
UnterstuetzerInnen, darunter ein NRW-Ministerium und die FH
Duesseldorf, veranlassten.

Muslim-markt.de ist eine Seite fuer Muslime von Muslime. Alles fuer
die Muslima bzw. den Muslim wird virtuell ausgebreitet: Frisoere fuer
Muslime, Essen fuer Muslime, Heiraten fuer Muslime, Buecher fuer
Muslime etc. Diesem homogen-religioesen, islamistischen Weltbild ist
nun ein politischer Impetus aeusserst wichtig: seit vielen Monaten ist
ein „Palaestina-Spezial“ zu lesen, das mit Karikaturen im
Stuermer-Stil arbeitet, und das alle antisemitischen Stereotypen fuer
das interessierte islamistische Publikum und seine anderen deutschen
Freunde bereithaelt.

Vom „Welteinfluss des Zionismus“ bis zum Juden mit Hakennase, der die
nah-oestliche Friedenstaube einfaengt, ist alles dabei. Dieses
Palaestina-Spezial, das zeitlich eindeutig vor der Page ex-oriente.com
im web online zu lesen war, spricht ausschliesslich vom „Pseudostaat
Israel“:

Muslim-markt schreibt weiter:

„Die Arbeiten richten sich ausschliesslich gegen die Verantwortlichen des Zionismus und des Pseudostaates ‚Israel‘, der auf Unrecht aufgebaut ist.“

Vor diesem Hintergrund muss die vorsorgliche Distanzierung der Anbieter vom
Nationalsozialismus und dem Antisemitismus als blosse Schutzbehauptung
vor strafrechtlichen Konsequenzen gelten, was ja auch in der rechten
Szene durchaus ueblich ist. Der „Muslim-Markt“ distanziere sich von
„Hitler, seinen Graeueltaten und jeglichem Nazi-Gedankengut“, heisst
es.

Neben den „historischen Graeueltaten“ verurteile man jedoch „viel
intensiver die Massaker unserer Zeit, die aufgrund von rassistischen
Motivationen erfolgen.“ Auschwitz, die Vernichtung von sechs Millionen
Juden durch deutsche Taeter soll also eine „historische Graeueltat“
gewesen sein, die weniger „intensiv“ zu verurteilen ist als „die
Massaker unserer Zeit“, die selbstredend den Israelis angehaengt
werden. Dieser Punkt ist zentral, denn eine Verharmlosung von
Auschwitz ist fuer Antisemiten Grundtopos und taucht auch bei der
Neuen Rechten bzw., wie gebrochen auch immer, der politischen Kultur
der BRD der letzten Jahre insgesamt sehr deutlich hervor.

Weil man „von den westlichen Medien“ nicht erwarten koenne, „dass
diese von den Demonstrationen gegen den Zionismus berichten“, stellt
‚Muslim-Markt‘ Fotos und Berichte „der Geschwister“ ins Netz, darunter
Abbildungen mit antiamerikanischen und antisemitischen Motiven. Von
dem aggressiv-militanten Hintergrund der Seiten zeugt auch die
Dokumentation eines Interviews mit dem Generalsekretaer der
terroristischen Hizbollah. Und als besonderen Service schliesslich
koennen sich die Leserinnen und Leser des „Muslim-Markt“ im
Download-Bereich den animierten Intifada-Bildschirmschoner
herunterladen, der – von Musik untermalt – zu Spenden fuer die
Intifada aufruft.

Gerade die Demo-Parolen, die auf muslim-markt zu lesen sind, erlangten
ja in den letzten Wochen, als bundesweit der voelkische Mob ‚fuer
Palaestina‘ mobilisierte, eine betraechtliche antisemitische
Aktualitaet. Doch auch dieser Hintergrund, die Tatsache, dass auch in
Aachen mit muslim-markt-Parolen wie „Israel-Kindermoerder“ auf den
Strassen agitiert wurde, aufgerufen hatten SPD, Gruene (die sich dann
distanzierten) und andere Vereinigungen der Palaestina-Solidaritaet
bzw. Israel-Feindschaft, veranlassten Dressen &Co. mit keinem Wort,
sich explizit von muslim-markt zu distanzieren, wie es die Initiative
am 22.03.202 gefordert hatte.

Seit dem 2.4.02 sind jedoch auf der Homepage von ex-oriente.com
ueberhaupt keine Links mehr geschaltet. Dies ist die Antwort der fuer
die Seite Verantwortlichen auf einen Brief des Duesseldorfer
Ministeriums fuer Staedtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes
NRW, dessen Forderungen der Initiative gegen Antizionismus und
Antisemitismus wie folgt vorab dargelegt worden waren:

„Wir haben die Organisatoren (von Ex-oriente, d.V.) mit heutigem Fax gebeten, unverzueglich missverstaendliche, antisemitische oder gar volksverhetzende Hinweise, insbesondere die von Ihnen genannten Links
aus der Homepage zur Ausstellung zu entfernen. Im uebrigen haben wir auch Herrn Prof. Dressen gebeten, zu den von Ihnen erhobenen Vorwuerfen Stellung zu nehmen“ (28.03.2002).

Die OrganisatorInnen haben auf die Link-Seite von ex-oriente.com
folgende Notiz platziert:

„Leider mussten wir dennoch erfahren, dass ein offener Umgang mit solch exponierten Positionen zum gegenwaertigen Zeitpunkt zu extremen Missverstaendnissen fuehrt. Wir wuerden uns freuen, wenn Sie uns im Forum Ihre Meinung zu dieser Entscheidung, die hier urspruenglich vorgesehenen Links nicht mehr anzugeben, mitteilen wuerden“.

Zuvor war die Link-Seite bereits mit einer Schutzklausel
versehen worden:

„Die folgenden Links sind ein Spiegel heutiger
Meinungsvielfalt, der Herausgeber der Seite ist fuer den Inhalt dieser Links nicht verantwortlich“ (28.03.2002).

Der Aufforderung, Verweise auf antisemitische und volksverhetzende
Inhalte zu loeschen, ist also 1. nur auf aeusseren Druck entsprochen
worden und 2. nur um den Preis alle Links, auch dezidiert
anti-antisemitische wie den zum Zentralrat der Juden in Deutschland,
zu loeschen. Mit der Loeschung der Links zu juedischen Seiten wird
gerade nicht Stellung bezogen zu den antisemitischen Seiten von
muslim-markt.de.

So hatte es die Initiative gegen Antisemitismus und Antizionismus dann
in einem zweiten offenen Brief (vom 16.04.2002) dargestellt und
erwartet, dass sich Dressen und die anderen Verantwortlichen von
ex-oriente.com wenigstens jetzt doch noch dazu verhalten wuerden. Doch
warum sich von Israelfeinden und Antisemiten distanzieren, wenn man
selbst mit neu-rechten, nationale Identitaet einfordernden und
Auschwitz verharmlosenden Positionen bestens vertraut ist?
Antisemitismus und Israelfeindschaft sind fuerderhin fuer Dressen &Co.
„Spiegel heutiger Meinungsvielfalt“.

3) Henning Eichbergs deutsches Deutschland in Dressens Niemandsland

Henning Eichberg ist einer der wichtigsten Vordenker der Neuen Rechten
in der BRD bzw. Europa. Er ist Schueler des SS-Hauptsturmfuehrers
Arthur Ehrhardt, der Bandenbekaempfungsspezialist im
Fuehrerhauptquartier und spaeter Begruender von Nation Europa war,
einer Nazi-Zeitung, die bis heute zu den auflagenstaerksten zaehlt.
Eichberg will in den 70er Jahren sich von der Rechten entfernt haben
und jenseits von links und rechts oder doch links engagiert sein.
Darauf sind viele reingefallen. Z.B. das bedeutende
Zeitschriftenprojekt Aesthetik und Kommunikation. Eichbergs
nationalsozialistische Theorie liegt seit 1978 in einem bekannter
gewordenen Baendchen auf dem Tisch: „Nationale Identitaet. Entfremdung
und nationale Frage in der Industriegesellschaft“.

Ohne hier das komplette Eichbergsche Modell vorstellen zu koennen,
reicht schon ein kurzer Blick hinein, zu dem auch Dressen faehig sein
muesste, um zu erkennen, wohin die Reise geht. „Wer von den Voelkern
nicht sprechen will, soll von den Menschen schweigen“ (S.13), bis
heute Slogan der rechtsextremen Zeitschrift ‚wir selbst‘, deren
wichtigster Autor Eichberg seit Jahrzehnten ist. „Ethnopluralismus
gegen Universalismus“ (S. 8), seit Jahren ein Grundtopos der Neuen
Rechten und rechtsextremistischer Parteien. Das kulminiert in dem von
der NPD und anderen organisierten Nazis seitdem gern benutzten
„Deutschland den Deutschen“, das „deutsche Deutschland“ (S. 105).

Für Dressen kein Grund, nicht jahrelang Eichberg zu veroeffentlichen,
mit Texten ueber Koerperkultur, Sport, Oekologie, neue soziale
Bewegungen etc. Genau das ist ja Strategie der Neuen Rechten in der
Folge von Alain de Benoist: den kulturellen Boden bereiten fuer die
voelkische Revolution. Gerade nicht parteilich organisiert sein, was
Eichberg natuerlich nicht hindert, gern bei der NPD bzw. deren Umfeld,
aufzutreten.

Wie soll es also noch verwundern, dass Dressen nichts
gegen islamistische Israelfeinde hat, wenn er Jahre zuvor mehrmals und
auch auf dezidierte Kritik hin einen so gefaehrlichen neu-rechten
Vordenker wie Henning Eichberg publizierte, der auf jede Art und Weise
versucht, Auschwitz zu relativieren, am besten mit der „Vertreibung
der Deutschen aus dem Osten“?

Auschwitz stehe fuer den „industriegesellschaftlichen
Volksgruppenmord“, der bis heute andauere. All diese Texte und
Hetztiraden waren bekannt, als Dressen Eichberg in der von ihm
wesentlich mit konzipierten und herausgegebenen Zeitschrift
Niemandsland, schreiben liess. Diese Zeitschrift hatte, wie spaeter
ans Tageslicht kam, mit Geldern aus dem Bundesinnenministerium (Bonn)
die Aufgabe, insbesondere die kulturelle Szene der DDR auf zu mischen
und zum Sturz der DDR beizutragen: Wiedervereinigung mit anderen
(Bundes)Mitteln. Eichberg scheint Dressen besonders am Herzen zu
liegen, laesst er ihn doch eine deftige Replik auf eine Kritik an der
Strategie und Ideologie der Neuen Rechten schreiben.

Eichberg: „Die Frage der deutschen Identitaet erhebt sich also aus dem
Niemandsland“, quasi jenseits von ‚kleinen politischen Einheiten wie
BRD oder DDR‘. Das Schlimmste an NS-Deutschland, das eine Art
„Buergerkrieg“ gewesen sein soll, ist die Mauer in Berlin:

„Die Deutschlaender sind Niemandslaender. Aus ihnen kann keine Identitaet erwachsen, die Bruechigkeit ist mitgeliefert. (…)

Die jahrhundertelangen Buergerkriege in Deutschland (Protestantismus gegen Katholizismus, Rechts gegen Links, Faschismus gegen Antifaschismus) haben sich – mit Besatzerhilfe – verstaatlicht und zu Beton verdichtet. Damit ist eine zusaetzliche Distanz zum Staat gegeben: Wer ‚Volk‘ oder ‚wir Deutsche‘ sagt, hat die herrschenden Ordnungen schon infrage gestellt. Das ist die deutsche Chance“.

Eichberg kann sein deutsches Potential voll ausschoepfen, wird er doch
von links und rechts gleichzeitig publiziert.

4) Auschwitz ist den Juden nicht zu verzeihen. Wolfgang Dressen sieht Martin Walser im TV

Ich moechte nun einen Blick werfen auf Walser, wie ihn Dressen in
Niemandsland wahrgenommen hat, im Jahr 1989. Dressen hat 1989 TV
geschaut und bei Lea Rosh den armen Martin Walser ganz allein dasitzen
sehen, wie er die DDR verfluchte und meinte, „dass seit Auschwitz noch
kein Tag vergangen sei, die Mauer sei das Ergebnis diese aktuellen
Geschichte, die durch diese Mauer jeden Tag neu bestaetigt wuerde“
. Die Deutschen als Opfer. Dressen schafft es en passant die deutsche,
nationalsozialistische Losung „Arbeit macht frei“ der Juedin Irene
Runge, die wie auch immer in dieser Sendung die DDR verteidigt hat,
unterzuschieben und verharmlost die KZs aufs Heftigste. Schon der von
Dressen wie selbstverstaendlich angefuehrte Vergleich der DDR mit dem
Faschismus in Chile seit 1973 ist totalitarismustheoretische
Propaganda. Im Vergleich mit Chile war die DDR ein Paradies. Bei
Dressen ist das jedoch, entgegen buergerlichem mainstream, nicht
wesentlich antikommunistisch motiviert sondern vielmehr
deutsch-national.

‚Nationale Identitaet‘, ganz wesentlich eine Wortschoepfung des
nationalrevolutionaeren Vordenkers der Neuen Rechten, Henning
Eichberg, ist movens fuer Dressen Geschichsklitterung.

Das was Dressen an Walser so wichtig empfunden hat, dass Auschwitz
schuld sei an der Mauer in Berlin, laesst tief blicken und ich moechte
es knapp mit Walser-Passagen von 1979 bzw. 2002 kontextualisieren.

Es ist mit keinem Wort Juergen Habermas‘ zu entschuldigen, dass er
1979 diese zwei Baende „Stichworte zur geistigen Situation der Zeit“
ediert hat. Martin Walser intoniert um was es geht: die „nationale
Frage“. Habermas Unfaehigkeit, kritische Theorie als Kritik zu lesen
und nicht als „unvollendete Moderne“ zu depotenzieren und gleichsam
mit dem Theorem der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ die nationale
Kuschelecke zu evozieren, wird von Walser, damals DKP-Sympathisant,
sekundiert:

„Schlimmer als der geschmaehte Jargon der Eigentlichkeit
kommt mir der Jargon vor, in dem da geschmaeht wurde“.

„Aber ich muss zugeben, eine rein weltliche, eine liberale, eine vom Religioesen, eine ueberhaupt von allem Ich-Ueberschreitenden fliehende Gesellschaft
kann Auschwitz nur verdraengen. Wo das Ich das Hoechste ist, kann man Schuld nur verdraengen. Aufnehmen, behalten und tragen kann man nur miteinander“.

Hier hat der Satz ‚Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie
verzeihen‘ seine vollste Wirkungsmaechtigkeit erreicht:

„Auschwitz.
Und damit hat sich’s. Verwirkt. Wenn wir Auschwitz bewaeltigen koennten, koennten wir uns wieder nationalen Aufgaben zuwenden“(ebd., 48).

Das erfuellt alle Ansprueche, die ein ganz normaler
Bildungsbuerger-Deutscher nach Auschwitz und Treblinka so hat. Die
Frage stellt sich, jedenfalls mir, ob hier nicht Dressens Motivation
erkennbar wird, sich z.B. mit der ‚Arisierung‘ im Nationalsozialismus
zu beschaeftigen. Walsers Antrieb jedenfalls wurde von Adorno an einem
anderen exemplarischen Fallbeispiel schon vor 50 Jahren analysiert:

„Man darf wohl ohne Gewaltsamkeit einen Zusammenhang konstruieren zwischen der Betonung dessen, dass die Sprecherin eine ‚echte Deutsche‘ sei, und ihrer Identifikation mit der Schuld. Sie zieht aus dem in der Sprache der Diskussion ueblichen ‚wir‘ die Konsequenz: wenn man sich schon sehr stark als Glied des Kollektivs erfaehrt und daraus Befriedigung zieht, muss man auch fuer das Negative einstehen. Der Tenor kehrt wieder n der weiter unten angefuehrten Aussage jeder Frau,
die sagt, dass sie, wenn sie stolz auf Goethe sei, ebenso auch sich
als schuldbeladen wegen der Untaten an Juden fuehlen muesse“.

Heute bringt es in einer national-sozialistischen Sprache, die einem
den Atem verschlaegt, Walser selbst auf den Punkt: er stellt, wie
immer mit bebender Stimme, ‚altfraenkisch‘ und schwaebisch zugleich,
fest, „dass wir zur Volksgemeinschaft der Taeter gehoeren“. Wenige
werden die deutsche Sehnsucht nach einem zu rettenden „wir“ nach ’45
so auf den Punkt gebracht haben. Nicht trotz sondern wegen Auschwitz
bleiben die Deutschen eine „Volksgemeinschaft“. Das ist die Umsetzung
des Mottos „Unsere Ehre heisst Treue“(SS).

5) Die SA interpretierte den nationalen Sozialismus „rassistisch“,
aber sonst…

Wen Dressen so alles veroeffentlicht, welchen Raum er Neuen Rechten
und Freunden ‚grossdeutscher Loesungen‘ gibt, ist schon skandaloes
genug. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass er sich mit
keinem Wort explizit von den antisemitischen, volksverhetzenden und
israelfeindlichen Internet-Seiten von muslim-markt.de distanziert.
Ich gehe davon aus, und Dressen hat es ja auch so formuliert, solcher
anti-israelische Affekt sei „ein Ausdruck heutiger Meinungsvielfalt“.
Wer Antisemiten gewaehren laesst, unterstuetzt sie, nein, mehr noch:
wer Antisemiten, Weltverschwoerungstheoretikern und Israel-Hasser
einen Raum gibt und sich nicht explizit davon distanziert, ist selber
antisemitisch und israelfeindlich.

Das mag Dressen nicht hoeren, hat doch auch er, wie seine
Beschaeftigung mit der Enteignung der Juden im Nationalsozialismus
zeigt, sich intensiv mit den toten Juden des nationalsozialistischen
Deutschland abgegeben. So unterscheidet Dressen im Ausstellungskatalog
tatsaechlich zwischen einen guten und einem schlechten Nationalen
Sozialismus:

„Die SA bildete vor 1933 die ‚Bewegungsbasis‘ der
Partei. In ihr waren viele sozial benachteiligte Menschen organisiert, die den nationalen Sozialismus rassistisch verstanden, sich aber nicht in die staatliche Ordnung einbinden liessen und somit die legalistischen Interessen der Partei und des Staates behinderten. (…)

Am Boykottag wurde sozialer Protest kanalisiert gegen ideologisch definierte ‚Fremde‘. Aufgrund der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit bestand die Gefahr, dass sich eine solche ‚Willkuer‘ auch gegen das ‚deutsche‘ Kapital richtete.“

Haetten die SA-Leute den Nationalen Sozialismus nicht rassistisch verstanden, dann waere Deutschland aus dem Niemandsland endlich zu sich selbst gekommen. Sozialer Protest des Volkes heiligt eben alle verbrecherischen Mittel, auch wenn sie in den
Vernichtungswahn gegen Juden muenden.

Die Vernichtung der Juden um ihrer Vernichtung Willen kann mit
interesse-geleiteten Versatzstuecken alt-marxistischer
Phrasendrescherei nicht verstanden werden, die Shoah wird in ihrer
Praezedenzlosigkeit negiert. Antisemitismus der ganz normalen
Deutschen kommt hier ueberhaupt nicht vor, nur der staatliche
Herrschaftsapparat und seine Protagonisten, deren weltanschaulicher
Antisemitismus auch nicht fokusiert wird.

Und wer schliesslich Kapitalismus als Spiel von Interessen verharmlost und nicht als sich
hinter dem Ruecken der Leute vollziehende Wertvergesellschaftung
dechiffriert; wer immer, wie verschluesselt auch immer, gegen das
‚Abstrakte‘ fuer das ‚Konkrete‘ agitiert; wer die „theologischen
Mucken der Ware“(Marx) noch nicht einmal zu erkennen versucht, wird
immer beim Ressentiment gegen ‚die Kapitalisten‘, die ‚Bonzen und
Banken‘ landen und ist immer strukturell antisemitisch.

Dressen geht es um nationale Identitaet, und da ist ihm die ‚deutsche
Revolution‘ von 1933, dieser grosse Aufbruch ins voelkische Zeitalter,
gerade recht. Leider haben Hitler und die anderen Parteifuehrer die
Interessen des ‚deutschen Kapitals‘ gewahrt und die deutsche
Revolution nicht ganz vollendet, will Dressen sagen. Gegen den Staat
und fuer das sozial benachteiligte deutsche Volk, d.h. „dem Volk
dienen“, das ist seine Utopie vom Nationalen Sozialismus.

Vom „Zivilisationsbruch“ (Diner) Auschwitz, von Erinnerungsabwehr der
Deutschen waere zu reden, doch Dressen, der exemplarisch fuer eine
ganze Generation von linken Deutschen steht, will davon nichts
wissen. In seinen oeffentlichen Projekten „ex-oriente“, „Aktion 3“ und
„Niemandsland“ schliesst sich jeweils Dressens ideologischer Horizont:
Sein Weg fuehrt von der Entschuldigung Deutschlands in der „Philippika an der Moderne“ hin zur Destabilisierung Israels und zum nationalen Projekt Deutschland.

Diese und andere Bilder aus muslim-markt.de:
Quelle:
http://www.muslim-markt.de/Palaestina-Spezial/bilder/bilder1.htm

Er meint es nur gut, ist gegen die Abbrechung voelkischer,
nationalrevolutionaerer Bewegungen und will einen nationalen
Sozialismus, der nicht wieder zu einer Mauer in Berlin fuehrt.
Deutsche meinen es immer nur gut, wenn sie zu sich kommen wollen.

„die juedische“ 07.10.2003 11:47

Wolfgang Pohrt ist tot

Wolfgang Pohrt ist tot

 Clemens Heni 

Der bekannte, ehemalige Gesellschaftskritiker und Journalist Wolfgang Pohrt ist am Dienstag Abend im Alter von 57 in Berlin im Veranstaltungszentrum Tempodrom an seinem eigenen Wort-Müll erstickt

Pohrt war Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts im vorigen Jahrtausend – um anzuzeigen, wie weit weg diese Zeit für den toten Pohrt am Dienstag Abend erschien – bekannt geworden mit Texten über „Die Wiedergeburt der Nation“ und „Von der Endlösung zu ihrer Alternative“. Mit diesen Texten war Pohrt einer der Wegbereiter einer antideutschen Linken in der BRD.

Pohrt hatte auf der Veranstaltung des Berliner Bündnisses gegen Antizionismus und Antisemitismus zusammen mit Henryk M. Broder über Deutschland 13 Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung sprechen sollen. Dabei hatte Pohrt noch zu Beginn ein paar wenige Lacher auf seiner Seite, als er meinte, er hätte seinerzeit eigentlich lieber einen Nachruf auf Fischer oder Scharping verfasst. Jetzt also ein Nachruf auf den un-erhörten Nachrufer selbst. So ist das Leben.

Pohrt rülpste zuerst – en passant – ein Bonmot heraus: demnach sei der antisemitisch-islamistische Massenmord im World Trade Center von New York ein „Kollateralschaden“ gewesen, ein quasi Rülpser der Geschichte 2 ½ Jahre nach der Bombardierung Jugoslawiens durch die Nato resp. die USA als ‚Hauptverantwortlichem‘. Bin Laden und al Quaida schockierten ihn nicht im mindesten. Schlimmer findet er, dass türkische Kinder Jugendliche in Stuttgart mitunter „Eintritt [von Deutschen]verlangten, um auf den Spielplatz zu gelangen“.

Dieser ganze „Ausländerhaß“ sei von der rot-grünen Bundesregieurng „hochgepuscht worden“, so Pohrt, promovierter Marxist. Was er von der Friedensbewegung und ihrer volksgemeinschaftlichen Dimension Anfang diesen Jahres halte, wurde er gefragt. „Welche Bewegung, welche Demonstration?“ „Ich weiß nicht wovon sie reden“.

Nachdem also geklärt war, dass „Pohrt“ neben dem Denken auch das „Zeitungslesen eingestellt hat“ (Broder) konnte Pohrt die mehreren Hundert Anwesenden von der Irrelevanz eines Antisemiten Möllemann oder Walser überraschen. Das anitsemitische Flugblatt, ca. 5 Millionen Exemplare !, kannte er nicht und hat es nie gelesen. „Rechtsradikalen“ Antisemitismus vorzuwerfen, wenn sie „Synagogen angreifen“, ist doch völlig einseitig, so Pohrt.

„Diese Jugendlichen“ wollen vielleicht „nur die Bundesrepublik treffen“. Das sei alles nicht so eindeutig mit dem Antisemitismus und sowieso überhaupt nichts „spezfisch deutsches“. Schaut doch nach „Belgien“.

Pohrt lehnt es ab, schon „Kindern den Holocaust einzubläuen (!)“. „Es muß auch mal Schluß sein“ sagte er und meinte die Erinnerung an Auschwitz. Geschichte sei Geschichte.

Auch ein Zwischenrufer „typisch links“, „Renegeat ,elender“, “Schlimmer als Walser“ konnte ihn überhaupt nicht irritieren und auch die beiden ModeratorInnen unternahmen nichts, um Pohrt vorm drohenden Erstickungstod zu bewahren.

Doch viel schlimmer als diese Selbst-Demontage war sein Angriff auf Broder: „Was machst du denn ohne Antisemiten, was schreibst du dann“? wollte der linke, nichtjüdische Deutsche wissen. Broder, innerlich wohl konsterniert aber nach außen cool und freundlich ob solchen Ressentiments, meinte „da fallen mir auch noch andere ein, über die ich schreiben kann“. Das war wirklich eine starke Leistung von Broder, er hätte nämlich Pohrt auch einfach als das bezeichnen können, als das er sich mit solch einer Bemerkung outete: als ganz normaler deutscher Antisemit.

Auch die Geschichte mit einem toten Jungen in Ostdeutschland [Sebnitz] sei eine „Zeitungsente“ gewesen, ehe Broder auf die rechtsextreme Virulenz in dieser Gegend zurecht verwies. Überhaupt überzeugte Broder mit zeitgeschichtlichem und auch literaturgeschichtlichem Wissen, noch dazu sprach Broder frei, entgegen Pohrt hatte Broder auf eine „spontaneistische“ Veranstaltung spekuliert.

Doch die ModeratorInnen waren nicht nur nicht spontan, sie waren auch peinlich schlecht vorbereitet, noch nicht einmal auf die Tatsache, dass Pohrt keine Informationen, die er nicht schon weiß (also fast alle Ereignisse) mehr aufnimmt und weder regelmässig TV schaut, noch Radio hört (entgegen Broder !) und schon gar keine Literatur zu sich nimmt, von analytischen Texten wie Büchern über „The Final Insult“ oder der Berliner Insulaner aus den Bahamas ganz zu schweigen, waren die „jungen naiven Leute“ (Broder) von der BGAA vorbereitet gewesen.

Dass beim Massenmord im WTC etwas „gedreht worden sein könnte“, sei doch „offenbar“ so Pohrt. Broder wußte solche Wort-Müll-Tiraden faktenreich zu kontern und verwies auf den Antisemiten Wisniewski und auf von Bülow.

Der promovierte Marxist Pohrt konnte sich an „keine deutsche Spezifik“ erinnern und will Auschwitz „Geschichte sein lassen“ – „alles wird mal Geschichte“…

„Doch daraus wird der Jude Broder bestimmt wieder eine – gut bezahlte – Geschichte machen.“

„die jüdische“ 01.10.2003 23:01 

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