Wissenschaft und Publizistik als Kritik

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Das idyllische Heidelberg und der Judenhass

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Gibt es eine gleichsam unterirdische Geschichte des Judenhasses von der Heidelberger Romantik um Clemens Brentano, Achim von Arnim, Joseph Görres und anderen Anfang des 19. Jahrhunderts über die Nazi-Zeit und später dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und „Palästina“-Gruppen der 1968er Zeit bis heute? Das wäre doch vielleicht eine ganz aktuelle und interessante Forschungsfrage. Ein paar wenige und vorläufige Hinweise seien im Folgenden gegeben.

Heidelberger Romantik

In Heidelberg gibt es den Wunderhorn Verlag, auf den ich jetzt nicht näher eingehen werde.

Doch in meinem Buch „Der Komplex Antisemitismus“ (2018) schreibe ich:

Zwischen 1806 und 1808 schrieben Achim von Arnim und Clemens Brentano alte deutsche Lieder unter den Titel „Des Knab­en Wunderhorn“ auf. Ahasver wird in seiner antijüdischen Diktion deutlich:

„Er trägt das Kreuz, er trägt die Welt, Er ist dazu von Gott bestellt, Er trägt es mit gelaßnem Muth, Es strömet von ihm Schweis und Blut. 7. Erschöpfet will er ruhen aus, Vor eines reichen Juden Haus,[1] Der Jude stieß ihn spottend weg, Er blickt ihn an, geht seinen Weg. 8. Herr Jesus schwieg, doch Gott der bannt Den Juden, daß er zieht durchs Land, Und kann nicht sterben nimmermehr, Und wandert immer hin und her.“[2]

Jahrzehnte vor Chamberlains antisemitischen Rassetheorien formulierte Achim von Arnim 1811 in dem Text Versöhnung in der Somm­er­frische, dass die Juden an ihre jüdische „Natur“ gebunden seien „wie eine Schnecke an die Last ihres Hauses“, denn: „Es bleibt doch immer ein Jude.“[3] Konsistent lassen Arnim und Brentano in Des Knaben Wunderhorn Ahasver auftreten als den ‚ewigen Juden‘. Und schließlich war es von Arnims Rede vor der christ­lich-deutschen Tischgesellschaft vom Frühjahr 1811 – Über die Kennzeichen des Judentums – die als „der schlimmste antisemitische Text der deutschen Romantik“ charakterisiert wurde, wie die Historikerin Susanna Moßmann festhält. Ein Blick in diese Hetzschrift macht die deutsche Kon­ti­nu­i­täts­linie zu Julius Streichers Hetztiraden deutlich.[4] In Versöhnung in der Sommerfrische spielt Arnim das alte christliche Gebot der Taufe auf offenbar deutsche Weise durch: er lässt einen Seefahrer einen schiffbrüchigen Juden aufnehmen, ihn taufen, um ihn sodann wieder ins offene Meer zu wer­fen.

Mit der Taufe hat der christliche Seefahrer seine Schuldigkeit getan, die Welt von ungetauften Juden zu befreien. Dass er danach ihn ermordet ist gleich­gültig, denn ‚der‘ Jude zählt in seinem christlichen Horizont nur als Erlösungsfaktor für ihn als Christen; als Mensch hat ein Jude kein Recht.

Katholische Nazis vom Bund Neudeutschland

An anderer Stelle in meiner Studie, im Kapitel über den katholischen Bund Neudeutschland, steht:

Rolf Fechter war der Schriftleiter der katholischen Zeitschrift Werkblätter, die diese nationalsozialistische Ideologie propagierte (Rolf Fechter, Heidelberg, Grabengasse 7/III“.[5])

(…)

Das völkische Denken und der Bezug auf deutsche Traditionen von der Romantik über die Jugendbewegung hin zu Hitler zeigen sich in einem Text von Rolf Fechter, „Volk als Begriff und Aufgabe“.

„Wer die Reden von Adolf Hitler, Goebbels u.a. verfolgt hat, der wird sogleich eine negative Abgrenzung des Begriffs, besser des Begriffs-Teils, von dem hier gesprochen wird, vornehmen können. Denn wenn von ‚Volkwerdung‘, von ‚volksverwurzelter‘ und ‚volksfremder‘ Kunst, von den ‚völkischen Auf­gab­en‘ der Wissenschaft, der Universität usw., von ‚völkischer Er­zieh­ung‘ (Krieck) die Rede ist, ist dabei ‚Volk‘ ein anderer Begriff als der, welcher in den Zusammensetzungen ‚Aufruf an mein Volk‘ oder ‚die Kunst dem Volke‘ oder ‚Volksentscheid‘ angewandt ist. ‚Volk‘ meint in dem Sinn, in dem heute das Wort wieder erwacht ist, nicht mehr ‚Untertanen‘, nicht mehr ist ‚Volk‘ polit­isches Gegenstück zur Obrigkeit, auch nicht mehr soziales Gegenstück zu den ‚oberen Zehntausend‘, – es ist weder Untertanenschaft, noch ver­fass­ungs­politische Gruppe, noch Klasse.

Zweifellos geht der wiedererwachte Volks-Begriff auf Herder (dem Winck­elmann mit seiner Kulturkreis-Theorie und Hamann mit seiner Sprach­philosophie wertvolle Vorarbeit leisteten) und auf die Romantik (Arnim, Brentano, Br. Grimm, Fichte, Arndt, Jahn) zurück. Fichte war der erste, der mit dem Begriff Widerhall und Begeisterung in der breiten Masse weckte, allerdings nur für kurze Zeit. Denn hundert Jahre durch kümmerte sich außer einsamen Denkern wie Lagarde und Langbehn niemand mehr darum. Die Jugendbewegung setzte sich dafür ein, – aber erst unsere Tage haben, nachdem die Ideologie der Jugendbewegung weithin in den National­soz­ialismus ein­ge­gangen ist, das Wort wieder so aufgegriffen, daß kein deutscher Mensch sich ihm entziehen kann. Ja, täuscht nicht alles, so enthält der neue Volks-Begriff die bisher fehlende oder wenigstens nie klar ausgeprägte ‚National-Idee‘ der Deutschen.“[6]

Wenn man sieht, welche her­vor­gehobenen Positionen be­kannte Vertreter dieses Bundes später in der Bundes­re­p­u­blik einnahmen, an Uni­versitäten, bei der Caritas, der Redaktion des Rheinischen Merkur, dem Bürg­er­meisteramt der Stadt Münster, der Bay­er­ischen Akademie der Wiss­en­schaften über das Auswärtige Amt[7] bis hin zur Regierungsbank, wird deutlich, wie stark dieser völkische Jug­end­bund auch die politische Kultur nach 1945 prägte. Der spätere Bot­schafter der Bundesrepublik Deut­sch­land in Syrien (1959–1963), Äthio­p­ien (1969–1973) und Irland (1973–1977), Rolf Fechter, führt im Duktus dieser katholischen Neudeutschen im Jahr 1934 aus:

„Die nationalsozialistische Revolution hat der von uns immer bekämpften Ver­man­sch­ung von Religion und Politik ein Ende bereitet, – darüber darf man sich nur freu­en.“[8]

„Möge die innere Erneuerung, deren Ziele sich weithin mit denen des echten Natio­nalsozialismus decken, nicht wieder zugunsten einer falschen Front­stellung hin­aus­ge­zögert werden, – die Lage ist so ernst wie schon einmal in der Geschichte der Kirche (…).“[9]

Soviel aus meiner historischen Analyse des „Komplex Antisemitismus“ und dem Bezug zu Heidelberg.

Sozialistisches Palästina-Komitee Heidelberg (SPK)

In der jüngeren Vergangenheit wie bei den 68ern war Heidelberg pointiert anti-israelisch/antizionistisch, wie die Forschung herausgearbeitet hat:

Die entscheidende Weichenstellung für einen strikt antizionistischen Kurs des SDS erfolgte auf der 22. ordentlichen Delegiertenkonferenz, welche im September 1967 im Frankfurter Studentenhaus stattfand. Insbesondere die SDS-Gruppen aus Frankfurt und Heidelberg engagierten sich für eine konsequent pro-arabische Parteinahme im Nahostkonflikt. Während der Frankfurter SDS eine Hochburg des antiautoritären Flügels war, nahmen die Heidelberger eine Sonderrolle ein: Als erste SDS-Gruppe orientierten sie sich bereits 1967 an der Ideologie des Maoismus. (…)

Besonders die maoistischen Heidelberger profilierten sich weiterhin als antizionistische Vorreiter im bedeutendsten linken Studierendenbund.

Es gibt sicher in einigen Städten eine ähnliche Entwicklung des linken Antisemitismus, aber Heidelberg scheint schon ein Vorreiter dieser neuen Form des Judenhasses gewesen zu sein: des Antizionismus, der Juden das Recht abspricht, einen eigenen Staat zu haben. Das wiederum hat mit Kritik an der Politik des Staates Israel nichts zu tun. Eine solche Kritik ist notwendig und wird in Israel und außerhalb auch permanent geführt. Doch Kritik heißt nicht Ablehnung des jüdischen und demokratischen Staates Israel, das ist und bleibt die Pointe.

In Heidelberg gibt es heute antiisraelische Gruppen „für Palästina“, die großteils gerade nicht die Zweistaatenlösung von 1947 im Blick haben, sondern Israel durch einen Staat Palästina ersetzen wollen. Gab es gar ausgerechnet in Heidelberg eine der ersten Palästina-Gruppen?

Direkt aus den SDS-Ortsgruppen gingen im Angesicht der eigenen politischen Ohnmacht die ersten „Palästina-Komitees“ hervor, welche die Unterstützung des antiisraelischen Kampfes der Palästinenser als ihre zentrale Aufgabe begriffen und sich dabei ebenfalls auf maoistische Traditionen beriefen.

Wieder nahm der Heidelberger SDS hier eine Vorreiterrolle ein und gründete 1969 mit dem Sozialistischen Palästina-Komitee (SPK) Heidelberg eine radikal-antizionistische Organisation, der Jassir Arafats Fatah zu „bürgerlich“ erschien und die deshalb eine uneingeschränkte Parteinahme für die marxistisch-leninistische Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) propagierte.

In seiner eigens zur „Unterstützung des Befreiungskampfes der Völker des Nahen Ostens“ publizierten Zeitschrift Al Djabha – Die Front zeichnete das SPK Heidelberg ein Bild des zionistischen Staates, welches dem der KPD/ML kaum nachstand. Man propagierte die „Abschaffung des rassistischen Staates Israel“ und bezichtigte die israelische Regierung der „Apartheid-Politik gegenüber der arabischen Bevölkerung“.

Ein Faktor bei der Entwicklung antizionistischer Aktionsgruppen in Heidelberg war auch die Präsenz von arabischen Studenten und Studentinnen, wie es in einer publizierten Bachelorarbeit zur Geschichte des Sozialistischen Palästina-Komitees Heidelberg heißt:

Im Sommersemester 1967 waren an der Universität Heidelberg 53 Studierende aus Syrien immatrikuliert, 38 aus Jordanien, 30 aus dem Irak, 27 aus der Vereinigten Arabischen Republik (heutiges Ägypten) und 18 aus dem Libanon. Insgesamt gab es in Heidelberg somit 166 immatrikulierte Studierende aus jenen Ländern, in die palästinensische Menschen 1947 bis 1948 geflohen waren und 1967 flüchteten. Palästinensische Studierende unterstützten Köster-Loßack zufolge die verschiedenen Widerstandsorganisationen. Mit der Mehrzahl von ihnen waren in ihren Augen Diskussionen schwer möglich, da sie der Al-Fatah zugewandt und „ideologisch […] gegenüber vielen Realitäten“ verschlossen gewesen seien. Nach dem Sechstagekrieg habe sie heftige Debatten miterlebt.

Palästinensische Studierende hatten somit früh Einfluss auf die Israelkritik in Heidelberg. Ihre israelischen KommilitonInnen traten dahingegen in Diskussionen kaum in Erscheinung, was auch an ihrer geringen Anzahl gelegen haben kann: Im Sommersemester 1967 waren vier Israelis an der Universität Heidelberg immatrikuliert, 1970 waren es neun.

Neben dem Sozialistischen Palästina-Komitee (SPK) gab es von 1970 bis 1971 auch das bekanntere Sozialistische Patientenkollektiv (SPK), das dann in Teilen in den Linksterrorismus und die Rote Armee Fraktion (RAF) mündete.

Die Verharmlosung des Holocaust und der Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus war schon damals ein Topos der linken Antizionisten des Sozialistischen Palästina-Komitees Heidelberg:

Ähnlich argumentierte wohl Mohammed Odeh, der eine wichtige Rolle im SPKH einnahm und auch die FPDLP erhob den Vorwurf, den PalästinenserInnen würde von israelischer Seite ein mit dem Holocaust gleichzusetzendes Leid angetan. Eine Doppelseite in einer Ausgabe der Zeitschrift Die Front – es könnte sich um ein abgedrucktes Plakat handeln – zeigt eindrücklich, dass SPKH-Mitglieder dieser Gleichsetzung beistimmten und eine Relativierung des Holocausts in Kauf nahmen. Unter der Überschrift „Die Nachfolger der Opfer Hitlers spielen jetzt selbst Hitler. So bekämpfen die Israelis die ‚Terroristen‘“ sind vier Fotografien abgebildet, die laut Bildunterschrift verschiedene Gewaltakte von israelischer Seite zeigen. Unter den Fotografien ist die Umwandlung eines Hakenkreuzes in einen Judenstern in acht Schritten abgebildet. Als Unterzeichner der Darstellung sind die FPDLP und das SPKH aufgeführt.

In einer anderen Ausgabe der Komitee-Zeitschrift heißt es, „die nazistische Judenverfolgung“ spiele „die Rolle des moralischen Alibis“. Dieser den Holocaust relativierende Blick des SPKH zeigt sich auch an folgendem Beispiel: Ein Al-Djabha-Artikel von 1970 kritisiert die Aufnahme Léon Degrelles in die Vereinigte Arabische Republik. Degrelle war im Zweiten Weltkrieg Anführer der belgischen Rexisten, die mit den Nationalsozialisten kollaborierten. Im Artikel geht es allerdings weniger um ihn als „Judenmörder und Faschisten“, sondern mehr um seine Aufnahme durch die Vereinigte Arabische Republik (heutiges Ägypten). Dadurch diskreditiere diese die „antiimperialistische arabische Widerstandsbewegung“ und legitimiere den Staat Israel und „seine[…] expansionistische[…] Politik“.
Der Bezug auf den Holocaust wird auch hier als reine Strategie Israels abgetan, um die eigene, ungerechte Politik zu rechtfertigen. (ebd.)

Die Heidelberger Anti-Israel Aktivisten scheinen schon damals zu den besonders ‚radikalen‘ gehört zu haben:

Am 23. Februar 1970 besuchte Abba Eban als erster israelischer Außenminister Deutschland. In Frankfurt und in München hatten die SDS-Gruppen eigentlich geplante Demonstrationen gegen seinen Besuch abgesagt. Sie begründeten ihre Absagen damit, dass am 13. Februar 1970 ein Attentat auf ein Altersheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München verübt worden war, bei dem sieben Menschen starben, die Mehrheit von ihnen Holocaust-Überlebende. Das SPKH verurteilte die Absage des AStA in München als Absage an eine „Aufklärung über den Imperialismus. Sie stünde im Widerspruch dazu, dass der palästinensischen Befreiungsbewegung die Schuld für den Anschlag gegeben würde.“

Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass Mitglieder der deutschen Terrororganisation Tupamaros München den Anschlag verübten. (ebd.) [Nach neuesten Erkenntnissen von 2025 soll es sich vermutlich doch um einen rechtsextremen Täter gehandelt haben, der mittlerweile nicht mehr lebt, CH]

Schließlich zeigt sich schon damals, wie wenig die Anti-Israel Aktivisten sich konkret mit der deutschen Geschichte und mit den jüdischen Opfern beschäftigt haben:

Burkhart Braunbehrens sagte im Gespräch, es habe in der Studentenbewegung ein Mangel an „Empathie mit den Israelis“ vorgeherrscht, Köster-Loßack meinte, der Beschäftigung mit der Geschichte des Holocausts habe es an Tiefgang gefehlt.

Angelika Köster-Loßack in einem Gespräch am 5. Mai 2016:
„Ich glaube auch, dass die Beschäftigung mit der Schreckensherrschaft im Nationalsozialismus
bei den Leuten eher eine abstrakte war und keine konkrete. Das heißt, sie haben nicht mit Überlebenden gesprochen, die haben sich mit den Eltern nicht auseinandergesetzt, nur auf so einer oberflächlichen Ebene, die haben keine direkten Anknüpfungspunkte gehabt.“ (ebd.)

Das Sozialistische Palästina-Komitee Heidelberg wurde dann 1974 zum Nahost-Komitee (ebd.).

Offener Brief aus Heidelberg zu Gaza und Israel, Juli 2025

Im Juli 2025 fordert nun ein Offener Brief aus Heidelberg von Universitätsangehörigen und vielen weiteren Aktivistinnen und Aktivisten einen „sofortigen Waffenstillstand“ im Gazastreifen.

Das fordern in der Tat auch viele Zionistinnen und Zionisten in Israel.

Was die kritischen Stimmen in Israel aber immer betonen und wissen: ohne das genozidale Massaker der Hamas, des Islamischen Jihad und ganz normaler Palästinenser am 7. Oktober 2023 im Süden Israels, als 1200 Jüdinnen und Juden auf unschilderbare Weise gefoltert, vergewaltigt und ermordet wurden sowie 251 in den Gazastreifen entführt wurden, würde es diesen Krieg nicht geben.

Die sexuelle Gewalt von muslimischen Männern an jüdischen Frauen zeigte auf unfassbare Weise, wie tief der Judenhass zumal bei bestimmten arabisch-muslimischen Männern vorherrschend ist, was sicher psychoanalytisch auch sehr viel über das Gewalt affine Verhältnis dieser Männer zu ihren eigenen Körpern und vor allem ihrem Verhältnis zu Frauen aussagte, vor allem aber zu jüdischen Frauen.

Vergewaltigungen sind immer Teil patriarchaler Kriegsführung, das ist schreckliche Realität seit Jahrtausenden, schon das wäre ein Grund, mit dem „Untier“  ein für alle Mal abzuschließen.

Aber die Art der Vergewaltigungen und unsagbar brutalen Ermordungen vom 7. Oktober sind kaum in Worte zu fassen – Täter waren palästinensische Männer, Opfer war jüdische Frauen. Punkt. Während Genozide meist nicht offensiv gefeiert werden, wurde dieses genozidale Massaker in Teilen live im Internet gestreamt, eine Verrohung und Gewaltbejahung nie dagewesener Art, weltweit. Es ging um antijüdische Gewalt gegen Opfer aller Altersgruppen und um sexualisierte Gewalt.

Der Offene Brief aus Heidelberg geht auf dieses schrecklichste Massaker an Juden seit der Shoah überhaupt nicht ein und schreibt:

„Die Freilassung aller israelischen Geiseln im Gegenzug gegen die Freilassung eines Großteils
der 10.000 palästinensischen Gefangenen in Israel und den besetzten Gebieten“.

Damit werden kriminelle Palästinenser, die häufig Blut an ihren Händen haben, Terroranschläge durchgeführt oder vorbereitet haben, mit Partygänger*innen wie vom Nova Festival oder Kibbutz-Bewohner*innen, die am 7.10. von den Islamisten entführt wurden, in einem Atemzug genannt. Offenkundig macht sich dieser Offene Brief damit die Forderungen der Terrororganisation Hamas zu eigen – denn auch die möchte ja alle ‚ihre‘ Gefangenen frei pressen, Tausende kamen ja bei den bisherigen „Geisel-Deals“ schon frei.

Israel wird indirekt mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht, wenn der Offene Brief schreibt:

Deutschland muss klarstellen, dass die großartige und zeitgemäße Losung „Nie wieder ist jetzt“ für
alle gilt. Wir müssen uns gegen Völkermord, ethnische Säuberung, Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit einsetzen, ganz gleich, wer diese Handlungen begeht.

„Nie wieder“ bezieht sich ja auf den Nationalsozialismus und den Holocaust. Hierzulande wird der Slogan meist mit dem Kampf gegen den Rechtsextremismus und neuerdings dem Kampf gegen die AfD assoziiert, so auch in Heidelberg bei einer Massendemonstration im Januar 2024. Wie gut das doch zumal der so gebeutelten deutschen Seele tut, den (ohnehin falschen) Ausdruck „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nicht nur den Nazis, sondern auch den Juden zuzuschreiben. Yeah! Jetzt sind wir quitt! Das ist die Tonlage, das schwingt da mit und wird natürlich so nie ausgesprochen, aber gefühlt.

Nur am Rande: Ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ist auch jedes Einkaufsradio im Supermarkt, aber „Verbrechen gegen die Menschheit“ sind etwas kategorial davon Verschiedenes, wiewohl dabei häufig die deutschen Täter und die jüdischen Opfer universalisierend und somit derealisierend gemeint sind.

Gab es solche Demonstrationen „Nie wieder ist jetzt“ auch gegen die islamfaschistische Terrorgruppe Hamas nach dem 7.10.? Keineswegs. Auf eine Kundgebung wenige Tage danach auf dem Universitätsplatz Heidelberg kamen nur ca. 500 Personen – zu der Massendemonstration gegen Rechts im Januar 2024 kamen ca. 18.000.

Gab es einen Offenen Brief der gleichen Leute der Uni Heidelberg und ihrer Fan-Basis zu dem Massaker an Jüdinnen und Juden vom 7. Oktober? Mir ist ein solcher Brief nicht bekannt. Erst jetzt, wenn das Re-Agieren Israels im Fokus steht, wird massive Kritik laut.

Dabei ist das Verhalten Israels, das eine rechtsextreme, national-religiöse Regierung hat, in der auch selbst erklärte Faschisten wie Smotrich sitzen, eine Katastrophe für die Palästinenser*innen, aber auch für den Zionismus. Die Kriegspolitik ist ohne jedes Ziel und wenn doch Ziele ausgegeben werden, sind das kriminelle Ziele wie die Vertreibung der Palästinenser*innen innerhalb des Gazastreifens mit der Hoffnung, dass sie auswandern.

Wer jedoch Boykotte gegen Israel fordert, wie es der Offene Brief tut – „Zielgerichtete, aber einschneidende wirtschaftliche Sanktionen, solange Israel betreibt, was Menschenrechtsorganisationen als ethnische Säuberung und Genozid bezeichnen“ -, zeigt nur, was solche Aktivist*innen wirklich umtreibt: das Verhalten von Juden und Israelis.

Wer fordert Boykotte gegen den Sudan oder den Jemen, Länder, in denen seit vielen Jahren massive Menschenrechtsverletzungen passieren und in den dortigen Kriegen Hunderttausende Menschen getötet werden und riesige Hungersnöte herrschen mit Dutzenden Millionen vom Hunger bedrohten Menschen?

Was zumal, wenn auch nicht nur, schauen wir nur nach Spanien oder Irland!, Deutsche bewegt, ihre so tiefschürfenden Offenen Briefe zu schreiben, ist meist das Verhalten von Juden und von Israel.

Zionist*innen haben das Recht und die Pflicht, sich gegen Menschenrechtsverletzungen Israels zu wehren und sie massiv zu kritisieren, was insbesondere aktuell das Verhalten der IDF im Gazastreifen betrifft. Und die Kritik in Israel an Netanyahu war vor dem 7. Oktober wegen der geplanten Zerstörung der Demokratie via Ende der Gewaltenteilung und Zerbröselung einer unabhängigen Justiz, so massiv wie kaum je zuvor in Israel. Und seit dem 7. Oktober gibt es im Laufe der immer irrationaler und brutaler werdenden Kriegspolitik auch massive Kritik an den Militäraktionen. Gerade die Angehörigen der Geiseln fordern seit 2024 ein Ende des Krieges, aber auch sie wissen, dass die Hamas den Krieg hätte beenden können, wenn sie die Waffen niederlegte und alle Geiseln freikommen.

Doch hierzulande, ob in Berlin, München, Duisburg oder eben Heidelberg, wird schon psychologisch ein ganz typisches Muster der Täter-Opfer Umkehr seit Jahrzehnten deutlich: Wenn Juden auch einen „Genozid“ verüben, dann war der tatsächliche Genozid an den Juden durch die Deutschen ja nichts so Außergewöhnliches.

Schon der erste Satz dieses Offenen Briefs aus Heidelberg zeigt, dass das Massaker an Juden diese Leute nicht sonderlich schockierte, sondern nur die Reaktion des einzigen Judenstaates:

„…die militärischen Angriffe auf den Gazastreifen und die weitgehende Verweigerung humanitärer Hilfe
für das Gebiet durch Israel dauern seit nunmehr über 20 Monaten an.“

Nochmal: So beginnt also dieser Offene Brief, der im weiteren Verlauf auf zwei Seiten nicht ein einziges Mal das genozidale Massaker der Hamas, des Islamischen Jihad und der Palästinenser vom 7. Oktober erwähnt, geschweige denn verurteilt.

Dieses Massaker mit 1200 Hingemetzelten war der Grund für diesen Krieg. Wer das vergisst, will es vergessen.

Das einzige Mal, wo die Hamas mit Verbrechen in Verbindung gebracht wird, wird das schrecklichste Massaker an Juden seit dem Holocaust wiederum nicht erwähnt und die Terrororganisation Hamas, die im ganzen Brief nicht ein einziges Mal als Terrororganisation oder als islamistische Terrorgruppe bezeichnet wird, so dargestellt:

Eine offene Sprache, die Verbrechen als Verbrechen benennt, nicht nur, wenn sie von Hamas oder anderen Gegnern, sondern auch, wenn sie von Israel begangen werden.

Bunsen-Gymnasium Heidelberg tanzt nur für Gaza – als „Pflichttermin“ für alle Schülerinnen und Schüler

Da passt es ins Bild, dass in diesem idyllischen Touristen-Hotspot Heidelberg am bekanntesten Gymnasium vor Ort, dem Bunsen-Gymnasium, für Donnerstag, den 24. Juli 2025, in der 4. bis 6. Schulstunde ein „Tanz für Gaza“ stattfinden soll, auf dem Spenden für die Kinder in Gaza gesammelt werden sollen.

Mit keinem Wort wird an diesem ganz typischen deutschen Gymnasium erwähnt, warum es diesen Krieg gibt.

Dafür heißt es:

– Tanz- und Musikauftritte (Einzelne, kleine Gruppen oder ganze Klassen)
– Informationsstand von UNICEF
– Astronomie-Show im Musiksaal
– Graffiti Streetart-Workshop in der Turnhalle
– Kreative Aktionen verschiedener Klassen in Bezug auf Tanz, Musik oder HipHop

Das Ganze ist Teil einer „UNICEF Nothilfe für Gaza“ – was ja in der Tat auch wichtig ist, aber niemals auf diese einseitige Art und Weise. Am Bunsen-Gymnasium wird in der Einladung mit keinem Wort das genozidale Massaker der Hamas, des Islamischen Jihad und der Palästinenser an 1200 Jüdinnen und Juden, Babies, Kindern, Holocaustüberlebenden auch nur erwähnt, geschweige denn verurteilt und als Grund für diesen aktuellen Krieg in Gaza erkannt.

Es wird vielmehr gar nicht mal subtil, sondern aggressiv der Bezug von Juden und dem Leiden von (muslimischen oder arabischen, jedenfalls nicht-jüdischen) Kindern hergestellt.

Der Beutelsbacher Konsens von 1976 für die formale politische Bildung wird in geradezu exemplarischer Manier von den Organisator*innen des Heidelberger Bunsen-Gymnasiums ignoriert:

I. Überwältigungsverbot.

2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.

3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren

Aufgrund der Ankündigung dieses Tages und des „Tanz für Gaza“, wozu auch extra die Schüler*innen an zwei Tagen Gelegenheit bekommen hatten, dafür zu proben, handelt es sich eindeutig um eine Überwältigung.

Es wird nur das Leid in Gaza thematisiert, das Leid der Kinder – und Juden werden logisch als Täter dargestellt und nur als Täter. Was sollen da jüdische Schülerinnen und Schüler oder Schülerinnen und Schüler, die kritisch zu so einseitigen Agitationsveranstaltungen stehen, machen, wenn es doch „verpflichtend“ ist, da mit zu machen?

Wer denkt da nicht an die DDR und ihre Indoktrination in den Schulen, nicht zuletzt was Israel betrifft?

Dass es Kontroversen über die Kriegsführung in Gaza gibt, namentlich die zionistische Kritik innerhalb der IDF und innerhalb Israels, wird komplett ausgeblendet.

Trotz seiner unerträglichen rechtsextremen und national-religiösen Regierung ist Israel weiterhin eigentlich immer noch eine Demokratie mit einer sehr starken Zivilgesellschaft und einer – auch arabischen – Opposition im Parlament, der Knesset.

Das wird einfach ignoriert oder jedenfalls nicht gesagt und die Kinder, Schülerinnen und Schüler werden nicht kritisch oder umfassend informiert, sondern sollen einseitig Partei ergreifen: für die Palästinenser. Für Kinder…

Es wird nicht einmal so getan, als ob man für beide Seiten Empathie empfinde, wie für die jüdisch-israelischen Geiseln der Hamas, und für die Bewohner*innen des Gazastreifens.

Nein, die Geiseln, ein zentraler Grund für den Krieg, werden gar nicht erwähnt in der Ankündigung für diesen „Tanz für Gaza“.

So schlimm die Situation in Gaza ist – der Täter ist die Hamas, ohne die Hamas gäbe es diesen Krieg nicht, was wiederum überhaupt nicht die konkrete Kriegsführung Israels in Schutz nimmt.

Hätte die Hamas nach dem 7. Oktober ihre Waffen niedergelegt und die Geiseln freigelassen, hätte es diesen Krieg nicht gegeben.

Dass Netanyahu wiederum diesen Krieg auf äußerst perfide Art und Weise benutzt, um sich selbst vor den anstehenden Gerichtsprozessen zu schützen, denen er sich gegenübersieht wegen Korruption etc., und die Geiseln laut vielen Beobachter*innen in Israel wie dem Hostage Forum vorsätzlich im Stich gelassen hat und mögliche Abkommen nicht unterschrieben hat bislang, das ist ein zentraler Aspekt dieses Krieges, aber nicht der Ursprung des Krieges.

Der Ursprung des Krieges war die Kriegserklärung der Hamas an Israel vom 7. Oktober 2023.

Noch weiter zurück liegt der Ursprung des ganzen Nahost-Konflikts, also auch dieses Krieges, in der Weigerung der Araber, den UN-Teilungsplan (UN Resolution 181) vom 29. November 1947 zu akzeptieren, der einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah. 33 Länder stimmten für den Teilungsplan, 13 dagegen, 10 enthielten sich. Selten wurde ein Staat wie der später gegründete jüdische Staat Israel, völkerrechtlich besser legitimiert. Dabei spielte der muslimische Antisemitismus eine zentrale Rolle, vorgebliche Gründe wie die konkrete Landaufteilung etc., sind nur Rationalisierungen dieses nicht zuletzt von der Muslimbruderschaft propagierten Judenhasses wie von Hasan al-Banna, ihrem Gründer.

Update, 15. Juli 2025, 20 Uhr:

Aufgrund von vielfältiger Kritik an diesem „Tanz für Gaza“ hat die Schulleitung des Bunsen-Gymnasiums diesen Event jetzt abgesagt bzw. in den Herbst verschoben, wo er in eine größere Spendenaktion für UNICEF ‚eingebettet‘ werden soll.

Heidelberger Kunstverein und eine BDS-Künstlerin

2024 zeigte der Heidelberger Kunstverein eine Ausstellung der pro-israelischen und gegen Antisemitismus engagierten Künstlerin Hito Steyerl. Und heute?

2022 wurde der Stuttgarter Dramatiker*innenpreis doch nicht an die britische Autorin Caryl Churchill vergeben. Plötzlich hatten die Jury oder die sonstigen Verantwortlichen doch noch erfahren, was längst in der Wissenschaft und sogar im Internet zu lesen war: Caryl Churchill ist eine Unterstützerin der antisemitischen BDS-Boykottbewegung gegen Israel.

Sie hat auch ein Theaterstück geschrieben, „Seven Jewish Children“, das der bedeutendste Antisemitismusforscher unserer Zeit, der israelische Historiker Robert S. Wistrich (1945-2015) in seiner umfassenden Geschichte des Antisemitismus – A Lethal Obsession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad – von 2010 als antisemitisch kritisierte (S. 418).

Doch vor allem ihre Unterstützung der vom Deutschen Bundestag als antisemitisch kritisierten BDS-Bewegung war offenbar zentral, ihr diesen renommierten und mit 75.000€ dotierten Preis nicht zu verleihen.

Vom 15. Juni bis zum 07. September 2025 ist im Heidelberger Kunstverein die Ausstellung „Gestual Poethics“ der britischen Künstlerin Rhea Dillon zu sehen („Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Heidelberg, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg sowie der Baden-Württemberg Stiftung“). Darin geht es um Rassismus, Kolonialismus und den weißen Blick auf Schwarze in Geschichte und Gegenwart. Ein wichtiges Thema:

In ihrer Praxis setzt sich Dillon mit den gelebten Erfahrungen Schwarzer Individuen und Gemeinschaften auseinander. Dabei verhandelt sie die existenzielle Frage nach Zugehörigkeit an der Schnittstelle fortlaufender Reflexionen über rassistisch geprägte Geschichtsbilder, strukturelle Diskriminierung und die fortwirkenden Vermächtnisse des Kolonialismus in westlichen Gesellschaften und Institutionen.

Der Südwestrundfunk (SWR) spricht gar von einer „Poetik des Widerstands„:

Wie kann Kunst koloniale Geschichte thematisieren – ohne sie zu wiederholen? Die britische Künstlerin Rhea Dillon findet in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland eine eigene, poetische Form.

Im Heidelberger Kunstverein zeigt sie minimalistische Skulpturen aus tropischem Mahagoniholz, versehen mit gezeichneten Pik-Assen – Symbole, die sie neu auflädt und ihrer kolonial-rassistischen Bedeutung entreißt. Ihre Kunst verweigert sich gängigen Erwartungen an Schwarze Kunst – sie bleibt opak, widersprüchlich, leise und doch politisch.

Wer wissen will, wie politisch oder poetisch Rhea Dillon denkt, könnte aber auch auf Folgendes stoßen:

Writers Against the War on Gaza (WAWOG) is a coalition of media, cultural, and academic workers who are committed to the horizon of liberation for the Palestinian people. We organize against Zionism and American militarism from within the imperial core. (Herv. CH)

Das ist eine Grundsatzerklärung einer Gruppe „Writers against the War in Gaza“, die sich nach dem 7. Oktober 2023 bildete. Diese Gruppe hat als Ziel, Künstlerinnen, Schriftsteller und wissenschaftliche Autorinnen gemeinsam im Kampf „gegen den Zionismus“ zu vereinen. Es geht hier nicht um Kritik an dieser oder jener Politik Israels oder dieser oder jener Kriegsführung, sondern um eine vollständige Ablehnung des Zionismus, also des einzigen Judenstaates, der als Grundlage die Ideen des Zionismus hat.

In einer Stellungnahme vom 26. Oktober 2023 („Statement of Solidarity With the Palestinian People„) wird das ebenso unumwunden deutlich. Mit keinem Wort wird das genozidale Massaker der Hamas erwähnt, geschweige denn verurteilt, als Frauen ihre Brüste geschreddert wurden oder ihnen immer noch ein Stich mit einem Messer in den Rücken gerammt wurde, wenn sie während einer Vergewaltigung zurückzuckten, so haben es Zeuginnen und Zeugen beschrieben. Es sind unschilderbar brutale Formen des Tötens von Menschen – genauer gesagt haben muslimisch-palästinensische Männer jüdische Frauen auf diese Weise massakriert.

Davon nicht ein Wort dieser internationalen Gruppe von Schriftstellern gegen den Krieg in Gaza:

Israel’s war against Gaza is an attempt to conduct genocide against the Palestinian people. This war did not begin on October 7th.

Israel wird des „Genozids“ bezichtigt, während das tatsächlich genozidale Massaker der Palästinenser an Juden und Israelis (und anderen) wenige Wochen zuvor als Akt des Widerstands gesehen wird, das ist der Tenor des Textes:

We come together as writers, journalists, academics, artists, and other culture workers to express our solidarity with the people of Palestine. We stand with their anticolonial struggle for freedom and for self-determination, and with their right to resist occupation.

Die Writers Against the War on Gaza (WAWOG) fordern:

Since 2004, the Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (PACBI) has advocated for organizations to join a boycott of institutions representing the Israeli state or cultural institutions complicit with its apartheid regime. We call on all our colleagues working in cultural institutions to endorse that boycott. And we invite writers, editors, journalists, scholars, artists, musicians, actors, and anyone in creative and academic work to sign this statement. Join us in building a new cultural front for a free Palestine.

Diese antisemitische Erklärung gegen Israel und den Zionismus sowie für die BDS-Bewegung hat auch die Künstlerin Rhea Dillon unterschrieben – jedenfalls findet sich der Name Rhea Dillon in der Liste der Unterzeichner – Rhea Dillon, die jetzt mit ihrer ersten Einzelausstellung vom Heidelberger Kunstverein präsentiert wird.

In der Ankündigung ihrer Ausstellung auf der Homepage des Heidelberger Kunstvereins werden auch andere BDS-Unterstützerinnen wie Gayatri Spivak oder der wegen Holocaustverharmlosung kritisierte Philosoph Achille Mbembe unkritisch, ja als für die Künstlerin inspirierend erwähnt. Die geplante Einladung Mbembes im August 2020 als Redner der Ruhrtriennale in Bochum hat einen Skandal ausgelöst (dabei wurde die Veranstaltung wegen einer Pandemie abgesagt). Schon 2019 hatte ich die Holocaustverharmlosung von Mbembe analysiert.

Die Universität Heidelberg und Gespräche mit den „Students for Palestine“ im August 2025

Aber ja, es ist richtig: Selbst diese Geschichte des Antisemitismus wie des muslimischen Antisemitismus, hat rein gar nichts mit der konkreten und in weiten Teilen verbrecherischen Kriegspolitik Israels im Gazastreifen zu tun.

Seit Ende der 1970er Jahre wird Israel von rechten Parteien unter Führung des konservativen Likud regiert. Die moderate und friedenswillige Position von Jitzchak Rabin („Osloprozess“) führte 1995 zu seiner Ermordung durch einen rechtsextremen und religiös-fanatischen jüdischen Israeli, wobei schon damals Benjamin Netanyahu auf der Seite der Hetzer gegen eine friedliche Lösung mit den Palästinensern war.

Seitdem wurde Netanyahu von Jahr zu Jahr noch fanatischer und rechtsextremer. Die seit Ende 2022 regierende Koalition unter Netanyahu ist die rechtsextremste Regierung in der ganzen Geschichte des Staates Israel seit 1948.

Aber nochmal: Nur Zionist*innen haben moralisch das Recht, die Aktionen der IDF zu kritisieren, Menschen, die den Judenstaat ohnehin ablehnen oder ihn nie unterstützt haben, sind denkbar ungeeignet, Kritik an der israelischen Kriegsführung zu üben.

Denn deren großteils Schweigen (oder Klatschen oder Kichern) am 7. Oktober zeigte sich ja darin, dass es keine Offenen Briefe gegen Islamismus, säkularen Antizionismus und andere Formen des Judenasses gab. Oder habe ich die alle verpasst?

Vielmehr wurde nach dem 7. Oktober das Palästinensertuch zu dem Symbol der Zustimmung zum Judenmord. Andere, wie im „Weltladen“ Heidelberg, hören im Laden lieber jüdische Lieder und tragen gleichzeitig farbige Armbändchen in den Farben Schwarz, weiß, grün und rot – mit der Aufschrift „Palästina“ (Augenzeugenbericht, 12.07.2025).

Es ist wissenschaftlich skandalös und politisch grotesk, dass die Präsidentin der Universität Heidelberg, Frauke Melchior – typisch für das hippe und heute primär von den Natur-, ‚Lebens‘- und Biowissenschaften dominierte Heidelberg, eine „Biochemikerin“ -, ankündigt, im August 2025 mal wieder mit der antizionistischen Gruppe „Students for Palestine“ zu reden:

„Melchior will sich nach Angaben der Universität Mitte August zu einem Gespräch mit Mitgliedern der Students for Palestine und der Studierendenvertretung treffen. Darin solle besprochen werden, wie auch die Universität Heidelberg den Wiederaufbau eines Bildungsangebotes in den vom Krieg betroffenen Gebieten „möglichst effektiv“ unterstützen könne.“ (Rhein-Neckar Zeitung, 11.07.2025)

Diese Gruppe ist für antisemitische Vorfälle berüchtigt wie für Camps auf dem Uniplatz in Heidelberg letztes Jahr und dieses Jahr. Auf Propaganda-Wandzeitungen am Uniplatz in Heidelberg konnte man dort zum Beispiel lesen:

„Exist Resist Return“, daneben eine Person mit einer Steinschleuder,

mit diesem Spruch ist das historisch irrationale, aber intentional antizionistische „Rückkehrrecht“ der 1948 vertriebenen oder freiwillig gegangenen Palästinenser gemeint bzw. vor allem das „Rückkehrrecht“ der Nachfahren der damals vermeintlich oder tatsächlich Vertriebenen (so wie wenn Neonazis heute noch fordern „Schlesien oder Pommern ist unser“).

Die Wandzeitung auf dem Uniplatz Heidelberg dieses Pro-Palästina Camps unterstützt auch die vom Deutschen Bundestag 2019 als antisemitisch kritisierte Boykott-Bewegung gegen Israel, BDS.

Dann gab es dort weitere Hetzparolen, die Gewaltaufrufe sind:

„One Solution Intifada Revolution“

daneben ist dann eine Landkarte von Israel und den besetzten Gebieten gezeichnet, die einheitlich in schwarz gemalt ist und einen Staat meint, wie direkt daneben steht:

„Viva Palästina.“

Bei der zweiten Intifada von 2000 bis 2005 wurden über 1000 Israelis bei islamistischen und palästinensischen Selbstmordattentaten oder Bomben in Pizzerien, auf Bahnhöfen und Straßen und in Bussen oder an der Hebräischen Universität Jerusalem am Mount Scopus zerfetzt und ermordet und viele Tausend verletzt oder verstümmelt.

„Viva Palästina“ meint so gut wie nie einen Staat Palästina neben Israel – nein, das ist de facto die Aufforderung zur Zerstörung des einzigen Judenstaates und somit zur Tötung von Juden, die ja nicht freiwillig das Land Israel verlassen werden.

All das ist für eine Universitätspräsidentin und Biochemikerin ein Grund, sich mit solchen Agitator*innen zu treffen?

Ernsthaft? Was hat die Rektorin im letzten Jahr gelernt, was den Umgang mit antisemitischen Störer*innen betrifft? Schon beim Sommerfest 2024 an der Uni Heidelberg hatte exakt diese Gruppe Students for Palestine die Veranstaltung gestört, jüdische und andere Studierende fühlten sich massiv bedroht, doch als die Polizei kam, wurde deren Eingreifen ausgerechnet von der Uni-Leitung verhindert.

Das scheint aber in Heidelberg ins Bild zu passen, das Beispiel des Offenen Briefes, den laut Rhein-Neckar-Zeitung ca. 70 Uni-Angestellte unterschrieben haben sollen, wie der geplante Tanz-Event am Bunsen-Gymnasium oder auch die aktuelle Kunstausstellung im Heidelberger Kunstverein mit einer BDS-Unterstützerin sprechen eine deutliche Sprache.

Es gibt auch große Essensauslieferer-Ketten in dieser Neckar-Idylle, die mit dem Fahrrad ihre Ware ausliefern und manch einer hat am Fahrrad wahlweise eine Palästina-Fahne oder eine Deutschland- und eine Palästinafahne hängen, das kann man in Heidelberg im Stadtbild immer wieder sehen (Augenzeugenbericht, Juni 2025).

Kein Mensch würde sich hier in der Idylle am Neckar trauen, am Fahrrad eine Israelfahne zu montieren, schon gleich gar nicht als Essensauslieferer, da man ja nie weiß, welche womöglich gewaltbereiten Antisemiten aller Geschlechter das Essen bestellt haben…

Was tun? Kritik der typischen (angeblich) „Pro-Palästina“ oder der Pro-Netanyahu Camps…

Entscheidend für einen friedlicheren Nahen Osten wäre das Ende der islamistischen Republik Iran, ein Ende der Hamas, des Islamischen Jihad, der Houthis, der Hisbollah, des Islamischen Staates, des islamistisch-diktatorischen Regimes in Ankara sowie der ganzen arabischen Monarchien, die zugunsten von Demokratien aufgelöst gehörten.

Dazu kommt selbstredend auch ein notwendiges Ende der religiös-fanatischen wie rechtsextremen Regierung Israels, was durch Neuwahlen ja nicht unmöglich ist, während es in den genannten arabischen Staaten, der Türkei wie dem Iran jeweils keinerlei freien Wahlen gibt.

Was sollen wir in einem Land wie Deutschland als Nationalismuskritiker tun, wenn jetzt auch bei Frauen-Fußballspielen der widerwärtige deutsche Nationalismus sein Unwesen treibt (aktuell während der EM in der Schweiz)?

Was sollen wir von einem Land wie D-Land erwarten, in welchem entgegen dem laizistischen Frankreich die Kritik am Schleier und Kopftuch als „Muslim- oder Islamfeindlichkeit“ interpretiert wird?

Das ist eine gezielte Übernahme des islamistischen Narrativs – das exakt am Dienstag, den 11. September 2001 – nachdem islamistische Terroristen oder Jihadisten 3000 Menschen im World Trade Center in New York City, im Pentagon und in vier Flugzeugen ermordet und pulverisiert hatten – losging, mit dem Motto:

„Der Islam ist eine Religion des Friedens“ (George W. Bush, damaliger US-Präsident, Republikaner).

Es ist in der Tat von entscheidender Bedeutung, zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden, aber logischerweise haben beide eine nicht geringe Schnittmenge, gehen aber nicht ineinander auf. Es gibt Hunderte Millionen moderate Muslime – nur, wo sind sie? Wo sind deren Demonstrationen gegen Jihad und Islamismus?

Dabei ist die Kritik am Kopftuch eine notwendige zur Befreiung der Frauen, ja eine Forderung gerade auch von Millionen weltlicher muslimischer Frauen.

Wissenschaftlich, gesamtgesellschaftlich wie politisch gilt: Weg mit dem Kreuz in Schulen und öffentlichen Gebäuden und weg mit dem Kopftuch in Schulen, an Universitäten, in Krankenhäusern, Altenheimen und so weiter und so fort. Religion ist eine Privatsache und hat im öffentlichen Raum nichts zu suchen.

Warum hat es exakt eine missionarische Weltreligion so nötig, sich aggressiv und religiös fanatisch in der Öffentlichkeit mit Kopftuch (oder gar Burka oder Niqab) zu zeigen und dabei Frauenrechte mit Füßen zu treten (es ist ein Menschenrecht, das Haar im Wind wehen zu lassen)?

Warum wird hierbei auf geradezu pathologische Weise halluziniert, Männer würden ganz grundsätzlich erregt auf das Haupthaar einer Frau reagieren, aber nackte Füße, Augen oder Hände etc. hätten keinerlei mögliche erotische Bedeutung oder Anziehungskraft, von den inneren Werten (auch wenn die bei den allermeisten Menschen aller Religionen und den Nicht-Religiösen ja eher super selten vorhanden sind) ganz zu schweigen?

Die angeblichen „Pro-Palästina“-Demonstrationen sind fast alle antisemitische Demonstrationen und schaden den Palästinenser*innen – das sieht auch die Wochenzeitung Die Zeit Ende Mai 2025 in einer differenzierten Analyse:

Die Radikalität der propalästinensischen Wortführer schadet der Unterstützung für die palästinensischen Opfer dieses Krieges. Es wäre höchste Zeit für eine andere, für eine breitere und zivilere Solidaritätsbewegung mit den Opfern auf beiden Seiten, gerade in Deutschland.

Long Live the Resistance“ – mit „Resistance“ ist die Hamas gemeint. „There is only one Solution – Intifada Revolution.“ „Zionisten sind Faschisten.“ „Globalize the Intifada.“ „Zios töten.“ „Make Zionists afraid.“ – Das sind einige der terrorverharmlosenden Slogans, die zwar nicht von allen Unterstützern der Protestbewegung mitgetragen, aber von den meisten toleriert werden. Die als Schriftzüge an Universitätstoiletten, Wänden und Litfaßsäulen auftauchen, massenhaft im Internet geteilt und auf Demonstrationen gerufen werden.

Doch solche durchaus differenzierten, im Kern gleichwohl zionistischen wie pro-palästinensischen Stimmen wie in der Zeit (in diesem Text jedenfalls, was ja nicht die ganze Zeitung bestimmt) sind sehr sehr selten, wie Die Zeit schreibt:

Zwischen den Fronten finden sich Menschen, die für ein Ende des Krieges und der Besatzung einstehen, für eine Rückkehr der israelischen Geiseln und den Kampf gegen islamistischen Terrorismus. Die vor der teils genozidalen Rhetorik der israelischen Regierung erschrecken (wenn beispielsweise der Polizeiminister wörtlich von „auslöschen“ spricht), aber auch vor den Vernichtungsfantasien der Hamas. Die Druck auf die israelische Regierung ausüben wollen, ohne Israel als Ganzes zu dämonisieren.

Jenseits linker Identitätspolitik

Doch was sollen wir von Linken erwarten, die in anderen Städten auf Holzbänke „gegen Kapitalismus und Patriarchat“ schreiben und wenige Tage später (mit der gleichen Handschrift) an eine Häuserwand gegenüber „Death to the IDF“ sprühen?

Das ist ein extrem gewaltsamer Spruch des Volksverhetzers und ‚Musikers‘ Bob Vylan, der diese Mordaufrufe – in der IDF dienen ja Menschen, die er offenkundig töten möchte – auf dem riesigen Musikfestival in Glastonbury in England verbreitete, was die BBC live im Fernsehen übertrug (jede seriöse TV-Anstalt hätte das nach wenigen Sekunden abgeschalten).

Es ist notwendig, sich für einen sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Krieg einzusetzen und die sofortige Freilassung aller Geiseln.

Es gilt die kleine, aber existente palästinensische Demokratiebewegung gegen die Hamas zu unterstützen, wobei die Politik Israels unter Netanyahu gerade die Hamas begünstigt hat und jetzt ganz neue islamistische Milizen unterstützt, im Irrglauben, ausgerechnet mit Islamisten gegen Islamisten kämpfen zu können.

Es gibt gar keinen Grund anzunehmen, dass nicht auch im Nahen Osten die Demokratie eine Chance haben könnte. Doch das müsste bedeuten, schon immer verfehlte Clan-Politiken, „Großfamilien“-Denken aufzulösen und zu lernen, Menschen als Individuen zu sehen und nicht als Teil einer Religion, eines Clans, einer Großfamilie oder einer bestimmten und festgelegten Kultur.

Diese Art von Deradikalisierung, die Gaza so nötig hätte, braucht realistisch gesehen sicher locker ein paar Hundert Jahre. Doch diese Zeit haben wir nicht … Dann wenigstens realpolitisch ein paar Jahre Deradikalisierung und dann Wahlen einer demokratischen Regierung ohne Hamas, die zuvor ausgeschalten werden muss als militärische und politische Kraft, was nicht heißt, alle Hamas-Kämpfer zu finden, das kann bei einer Guerilla-Gruppe nicht gehen. Aber als militärische und politische Kraft kann man die Hamas ausschalten, auch mit Hilfe der arabischen Nachbarn.

Doch sexualisierte patriarchale Gewalt, die Klimakatastrophe, Wasserarmut, wie die Gefahr durch Atomwaffen, der Militarismus und Nationalismus (Ukraine-Krieg, die weiter schwelende iranische Gefahr, zudem Nordkorea, Pakistan, extreme Aufrüstung in Ländern wie Deutschland), die weltweite Gefahr durch die Gain-of-Function-Forschung und Gentechnik sind die Themen unserer Zeit, die alle betreffen.

Doch so akut diese Gefahren sind, so weit entfernt von demokratischen Lösungen sind wir.

Vor allem: gerade jene, die diese Gefahren jedenfalls teilweise erkennen, die Ach-so-Zärtlichen, Ach-so-Nachdenklichen, Ach-so-Woken, sind hier und heute häufig die allergrößten Judenhasser (und waren oft auch die ZeroCovid-Wahnsinnigen oder sind bis heute die Waffen-für-die Ukraine-Anti-Diplomatischen).

Alles kompliziert und ausweglos, wenn man nicht einfache Antworten haben möchte?

Was bleibt?

„Wenn ich verzweifelt bin, was geht’s mich an?“ (Günther Anders)

 

[1] Hier wird der Schuster nicht nur als Feind von Christus sondern auch als reich imaginiert, Mammon trifft Ahasver.

[2] http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/christdh.html (11.07.2025).

[3] Achim von Arnim (1812), Die Versöhnung in der Sommerfrische, zitiert nach: Susanna Moßmann (1996): Das Fremde ausscheiden. Antisemitismus und Nationalbewußtsein bei Ludwig Achim von Arnim und in der „Christlich-deutschen Tischgesellschaft“, in: Hans Peter Herrmann/Hans-Martin Blitz/Dies. (1996), Macht­phantasie Deutschland. Nationalismus, Männlichkeit und Fremdenhaß im Vat­erlandsdiskurs deutscher Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 123–159, hier S. 139.

[4] Der „schlüpfrig-heitere Ton der Rede mit ihrer Berufung auf Aristophanes und Eulenspiegel“, Moßmann 1996, S. 152, zeigt an, wie aggressiv Arnim denkt. Er üb­er­legt, ob es nicht sinnvoll wäre Juden zu pulverisieren, um zu ermitteln, wie ihre Körper reagierten, vgl. Achim von Arnim (1811): Über die Kennzeichen des Judentums, in: Ders. (1992), Werke in sechs Bänden. Band 6, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 362–387.

[5] Siehe Umschlag des Heftes (S. 2) der Werkblätter von Neudeutschland-Ält­er­en­bund, 6. Jg., Heft 9/10, Dez. 33/Jan. 34.

[6] Rolf Fechter (1933): Volk als Begriff und Aufgabe, in: Werkblätter, 6. Jg., Heft 7/8, Okt./Nov., S. 160–169, hier S. 161.

[7] Vgl. die Angaben am Ende des Bandes, Rolf Eilers (1998): Konfession und Lebenswelt. 75 Jahre Bund Neudeutschland 1919–1994, Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag.

[8] Rolf Fechter (1934b): Kulturkampf oder innere Erneuerung?, in: Werkblätter, 7. Jg., Heft 2, Juli, S. 55–58, hier S. 55.

[9] Ebd., S. 58.

 

Der legendäre Jurist Irwin Cotler sieht die Demokratie in Israel in sehr großer Gefahr

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Ein Gespräch mit dem legendären Juristen, Rechtswissenschaftler und Public Intellectual Irwin Cotler mit der Times of Israel (TOI) vom 6. Juli 2025 ist von großer Bedeutung. Darin heißt es:

„Israel musste sich der Hamas nicht allein stellen. Es hätte eine internationale Koalition mobilisieren und den Krieg abwenden können“, sagt Cotler.

„Es hat nie einen integrierten rechtlichen, diplomatischen, politischen und militärischen Strategieplan aufgestellt. Stattdessen verließ es sich ausschließlich auf eine militärische Strategie – ohne einen Plan für den Tag danach zu haben. Und selbst diese militärische Lösung hat ja offenkundig nicht wirklich funktioniert“. (Übersetzung aus dem Englischen von CH)

Das ist von großer Bedeutung. Cotler, kanadischer Zionist, Professor für Rechtswissenschaft an der McGill University in Kanada und seit 1966 regelmäßig in Israel, weiß, wovon er spricht. Er war am 7. Oktober 2023 in Israel und hat die unschilderbaren Verbrechen der Muslimfaschisten der Hamas und anderer Palästinenser mit erlebt, sie wurden ja von den Jihadisten teils live übertragen, auf Social-Media-Accounts von massakrierten Opfern gepostet und so weiter und so fort. Es waren unschilderbare Verbrechen, die Cotler nicht einmal von Berichten von den genozidalen Massakern in Ruanda her kannte, womit er sich als Jurist viel beschäftigt hat.

Cotler war vermutlich schon im Oktober 2023 weitsichtiger als wir alle – mit „wir alle“ meine ich die zionistische Fraktion, die sich hinter Israel stellte und stellt und den Krieg gegen die Hamas wenigstens am Anfang für richtig hielt.

Doch das Zitat von Cotler eingangs dieses Textes meint ja etwas anderes. Er meint, mit diplomatischen Mitteln wäre es ab Oktober 2023 möglich gewesen, international so starken Druck auf die Hamas, die Palästinenser und die arabische Welt wie auf den Finanzier der Islamfaschisten in Gaza oder dem Libanon und Syrien, den Iran, aufzubauen, dass es pro-israelisch ausgegangen wäre. Ob das stimmt?

Womöglich ja, denn selbst jetzt wird ja über die Erweiterung der Abraham Verträge verhandelt, von Washington aus. Doch Israel hat sich international gleichwohl so stark isoliert wie wohl noch nie in seiner Geschichte. Und das liegt an Benjamin Netanyahu und seiner rechtsextremen Regierung.

Sie wollten 2023, vor dem 7. Oktober, die Gewaltenteilung in Israel aushebeln und wollen das bis heute. Die geplante Entlassung der Generalstaatsanwältin schockiert Cotler bis ins Mark. Denn er, der links-liberale Jurist, den ich auf Konferenzen in den letzten 20 Jahren mehrmals persönlich getroffen habe, hat international in Diskussionen immer darauf bestanden, dass Israel eine stabile Demokratie sei, in der die Rechtsprechung und die Gewaltenteilung funktionierten würden.

Aktuell plant Israel „Auffanglager“ für 600.000 Palästinenser*innen in Rafah im Gazastreifen. Nach einer Sicherheitsprüfung, dass es sich nicht um Hamas-Kämpfer handelt, dürfen die Menschen danach dieses Lager nicht mehr verlassen und sollen zudem zur Auswanderung ‚bewegt‘ werden. Das sind offenkundig völkerrechtswidrige Vorhaben, die bekämpft gehören.

Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten? Das alles steht seit Jahren in Frage, aber noch nie so extrem wie aktuell. Und das liegt exakt an einer Person: Benjamin Netanyahu.

Es gibt die neue Partei der Demokraten, Gilad Kariv zum Beispiel, Politiker und Rabbiner, der alle paar Tage in der Knesset oder wo anders eine scharfe Rede gegen Netanyahu hält, für Frieden und für ein sofortiges Endes des Gazakrieges, die sofortige Freilassung aller Geiseln und die Zerstörung der Hamas plädiert. Das ist widersprüchlich, aber so reden Politiker eben und es ist um Äonen besser als die antidemokratische und kriminelle Politik von Benjamin Netanyahu, der im Leben nichts außer sich kennt und für nichts kämpft, außer für sein eigenes politisches Überleben.

Gilad Kariv sprach am 4. Juli auf dem Parteitag der Demokraten und plädierte in scharfen Worten für ein Ende des Krieges und betont, dass militärische Siege ohne politische Strategie, also einen Plan nach der Hamas, höchst gefährlich sind und Israel dem Nationalismus verfallen wird, wie es schon nach dem Sechstagekrieg von 1967 befürchtet wurde und ja auch so kam.

Kariv ist für einen liberalen oder linken Zionismus, für Israel als jüdischer und demokratischer Staat, gegen die jüdische Siedlergewalt im Westjordanland, für eine Einbeziehung der wohlgesonnenen arabischen Nachbarn für einen umfassenden Frieden – das ist nicht „naiv“, wie er betont, sondern folgt einer klaren „Strategie“: „Sicherheit UND Frieden“, für eine friedliche Trennung von Juden und Palästinensern, womit er sich für die Zweistaatenlösung, aber gegen die israelfeindliche Einstaatenlösung ausspricht.

Cotler und Kariv sind zwei wichtige Stimmen für Frieden, Rechtsstaatlichkeit und für den wahren Kern des Zionismus: Gerechtigkeit und Frieden.

 

Der Militärstratege Maxim Biller, eine Hungersnot und Waffengewalt in Gaza

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Viele Deutsche und vor allem die kulturelle Elite des Landes, die sich doch sonst zu allem sofort und wortgewaltig äußern, haben am 7. Oktober 2023 geschwiegen oder gelacht – es ging ja auch nur um Juden, die massakriert wurden. Die Täter waren Palästinenser, nicht nur die Hamas und der Islamische Jihad, auch Zivilistinnen machten mit und feierten das Abschlachten von Jüdinnen und Juden oder kochten einen Hirsebrei für die verschwitzten und blutverschmierten Söhne und Brüder – in den Häusern der massakrierten jüdischen Israelis in den Kibbutzim, zum Beispiel in Nir Oz.

Wir haben es täglich mit Antisemitismus im Alltag zu tun, seien es verschleierte muslimische Frauen, die sich ein Palästinensertuch um die Schulter legen, wenn sie in den Bus einsteigen, säkulare linksradikale Antisemiten, die mit ihren Graffiti „Free Gaza“ Tod den Juden und Israel meinen, oder aber verdruckster und erinnerungsabwehrender im deutschen Mainstream, wie die Jüdische Allgemeine am 29. Mai 2025 berichtet:

Endlich ist die Vergangenheit Geschichte oder die Geschichte Vergangenheit. Das jedenfalls erklärt Gabor Steingart, Ex-Handelsblatt-Chefredakteur und Gründer von Media Pioneer, in seinem jüngsten Kommentar im Nachrichtenmagazin »Focus«. Denn »Deutschland war Gefangener der Hitlerzeit«, so behauptet er, und mit den kritischen Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz an Israels Kriegsführung im Gazastreifen »hat diese Haltung ein Ende«.

Das ist der Ausgangspunkt.

Es muss darum gehen, Israel zu unterstützen und den Zionismus zu verteidigen.

Israel muss als jüdischer und demokratischer Staat erhalten bleiben.

Kampf gegen Antisemitismus heißt logisch auch Kampf gegen den Antizionismus.

Daher ist es auch so eine Katastrophe, dass ein Linker und Antizionist jetzt beste Chancen hat, Bürgermeister der Stadt mit den meisten Juden weltweit zu werden – in New York City.

Worum geht es? Der Schriftsteller Maxim Biller hat in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit eine seiner Kolumnen publiziert – Morbus Israel. Warum regen sich die Deutschen immer so über die Juden des Nahen Ostens auf?

Darin rechtfertigt er die Strategie, dass Palästinenser*innen in Gaza Hunger leiden und nimmt achselzuckend zur Kenntnis, ja verteidigt, dass immer wieder Palästinenser von israelischen Soldaten offenbar willkürlich erschossen werden.

Maxim Biller schreibt (Die Zeit, 26. Juni 2025, Feuilleton, S. 44):

Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß.

Dass auch die israelischen Geiseln dann hungern – was juckt das den Superstrategen und Kolumnisten Biller? Hat er sich je mit den Angehörigen der Geiseln unterhalten, die seit über einem Jahr einen Deal fordern und panische Angst haben um ihre Liebsten, die durch die Hungersnot noch zusätzlich leiden?

Es gibt in der Tat Millionen ganz normale Deutsche, die wie ihre Großväter gegen ‚den‘ Juden kämpfen oder Israel mit den Nazis vergleichen, man schaue sich die täglichen Leserbriefe in jeder ganz normalen deutschen Tageszeitung an.

Das hat aber exakt gar nichts mit der internationalen Kritik an den vermuteten Kriegsverbrechen in Gaza oder der Siedlergewalt im Westjordanland zu tun und der religiös-extremistischen Ideologie und Praxis der israelischen Regierung.

Aktuell kritisieren zumal Zionisten in Israel ihr eigenes Land und die Kriegsführung.

Es geht um die Verteilung von Essenspaketen im Gazastreifen. Dazu schreibt die Haaretz, die links und zionistisch ist, am 27. Juni 2025 (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

„Es ist ein Schlachtfeld“, sagte ein Soldat. „Wo ich stationiert war, wurden jeden Tag zwischen einem und fünf Menschen getötet. Sie werden wie eine feindliche Macht behandelt – keine Maßnahmen zur Kontrolle der Menschenmenge, kein Tränengas – nur scharfes Feuer mit allem, was man sich vorstellen kann: schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser. Sobald das Zentrum geöffnet wird, hören die Schüsse auf, und sie wissen, dass sie sich nähern können. Unsere Art der Kommunikation ist das Gewehrfeuer“.

Der Soldat fügte hinzu: „Wir eröffnen frühmorgens das Feuer, wenn jemand versucht, sich aus einigen hundert Metern Entfernung zu nähern, und manchmal stürmen wir einfach aus nächster Nähe auf sie zu. Aber es besteht keine Gefahr für die Truppen.“ Ihm zufolge „ist mir kein einziger Fall von Gegenfeuer bekannt. Es gibt keinen Feind, keine Waffen.“

Was schreibt Maxim Biller nur einen Tag zuvor in der Zeit?

Kommt ein Israeli zum Arzt und sagt: »Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?« »Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollten«, sagt der Arzt, »aber raten würde ich es Ihnen nicht. Auch nicht nach unserer Therapie.«

Das ist nicht lustig oder ‚scharf‘, sarkastisch oder polemisch, das ist zynisch und menschenverachtend.

Biller verachtet nicht ’nur‘ palästinensische Zivilist*innen (so übel die in weiten Teilen sein mögen und am 7. Oktober mitgemacht haben auf die eine oder andere Weise), sondern auch israelische Soldaten, die das nicht mehr aushalten und mit der Haaretz darüber sprachen.

Er verachtet noch mehr die Palästinenser*innen in Gaza, die ja schon zuvor zu Zehntausenden Opfer von israelischen Angriffen wurden, wovon offenbar sehr wohl auch bis zu 20.000 Hamas-Kämpfer waren, aber darüber hinaus ca. 30.000 Zivilist*innen.

Die Redaktion der Zeit hat diese Abgründe des Textes nicht erkannt und der Text wurde gedruckt.

Dann gab es einen Aufschrei von einigen Leser*innen der Zeit und die Redaktion hat auf lächerliche Weise den auch online publizierten Text wieder depubliziert – nachdem er Hunderttausendfach gedruckt in jedem Kiosk vorliegt.

Das ist lachhaft und zeigt die doppelte Unprofessionalität der Zeit.

Wer von einer „strategisch richtigen Hungerblockade“ schreibt, ist ein Zyniker, kein Kritiker des Antisemitismus der Deutschen, den es ja ohne Ende in der Tat gibt.

Der Text von Maxim Biller schadet Israel und den Juden.

Biller ist keineswegs ein Polemiker wie es zum Beispiel Eike Geisel war, der den Antisemitismus der ganz normalen Deutschen zumal der frühen 1990er Jahre luzide attackierte und offenlegte.

Doch Biller ist kein Polemiker, er ist ein Zyniker, der im Kern die schlimmen Zustände, womit hier die israelische Kriegsführung gemeint ist, affirmiert und nicht aufheben oder bloßlegen möchte.

Er lebt offenkundig in einer Zeitschlaufe der Jahre 1998 bis 2002, als der antisemitische Schriftsteller Martin Walser im Oktober 1998 in seiner Paulskirchenrede die Abwehr der Erinnerung an den Holocaust im deutschen Mainstream fest verankerte und dafür vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Bundeskanzleramt eingeladen wurde, am 8. Mai 2002.

Zwar ist die Abwehr der Erinnerung weiterhin sehr weit verbreitet und hat mit dem Postkolonialismus noch ein weiteres linkes Muster des Antisemitismus hinzubekommen.

Doch heutzutage, nach 25 Jahren Pro-Israel-NGO-Szene, haben wir einen konservativen Kanzler, der sich bei Israel bedankt, das islamfaschistische Regime in Teheran in seine Schranken gewiesen zu haben, und „die Drecksarbeit“ für uns gemacht zu haben, einmal abgesehen davon, dass militärisch noch gar nicht klar ist, was genau erreicht wurde mit den israelischen und amerikanischen Militärschlägen im Iran. Ein Ende des islamistischen Regimes in Teheran ist leider nicht absehbar – doch Israel hat die Möglichkeit, jederzeit dort militärisch einzugreifen, was sehr wichtig ist.

Was Biller nicht erwähnt, weil es nicht passt: Der Bundestag, der den Ukraine-Krieg nicht diplomatisch beendet sehen möchte, sondern ihn weiter anfachen tut und auch die unerträgliche Aufrüstung beschlossen hat und Deutschland zu einem Militärstaat machen wird, der 20 bis 30 Prozent des gesamten Bundeshaushalts für Kriegsvorbereitung („Verteidigungshaushalt“) ausgeben wird die nächsten Jahrzehnte, hat die letzten Jahre Resolutionen gegen die antisemitische Boykottbewegung gegen Israel BDS sowie für den Schutz jüdischen Lebens verabschiedet.

Gleichzeitig haben wir eine aggressive zumal linke antisemitische Szene, die am 7. Oktober 2023, als Palästinenser und die Hamas 1200 Jüdinnen und Juden in einem genozidalen Massaker im Süden Israel, in Kibbutzim, Moshavs und auf einem Musikfestival auf unschilderbare Weise abschlachteten, lachte, kicherte, klatschte oder aber großteils schwieg. Es wurden von der Hamas und den Palästinensern 251 Geiseln genommen, viele wurden in „Geiseldeals“ freigelassen – im Gegenzug zum Freilassen von kriminellen und blutbeschmierten palästinensischen Terroristen, die aus israelischen Gefängnissen freikamen – von denen vermutlich nur noch 20 leben.

Der Krieg, den die Hamas am 7.10.23 begann und den Israel einige Wochen später als Abwehrkrieg gegen den Jihad, Islamismus und antizionistischen Palästina-Kult als Abwehrkrieg fortführte, war notwendig und berechtigt. Es wurde aber seit langer Zeit klar, dass ein Krieg gegen eine in der Zivilbevölkerung vernetzte Terrororganisation nicht zu gewinnen ist. Die Angehörigen und Freund*innen der Geiseln, das Hostage Forum, sind seit 2024 in höchster Alarmbereitschaft, weil sie der israelischen Regierung vorwerfen, nicht genug zur Freilassung der Geiseln zu tun.

Die rechtsextreme israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu, der selbst eher ein Opportunist war, konservativ, aber nicht rechtextrem wie Ben Gvir oder der selbst ernannte Faschist Smotrich, hat mehrere Geiseldeals offenbar vorsätzlich nicht gemacht, weil das das Ende des Gaza-Krieges bedeutet hätte. Das Ziel ist aber nach der Zerstörung von Gebäuden (50 Prozent aller Gebäude sind vollständig zerstört), auch die mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen zu vertreiben oder zur Emigration zu bewegen.

Biller schreibt:

Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß. Das Drama, das sie dann aufführen, begleitet von der bigotten Beschwörungs-
formel »Das Völkerrecht! Das Völkerrecht!«, mit der sie niemals Leute wie Sinwar oder Ali Chamenei belegen würden, hat nichts mit einer zivilisierten politischen Auseinandersetzung zu tun.

Richtig. Aber: Nur weil Antisemiten mit dem Wort „Völkerrecht“ herumfuchteln, gerade und fast immer nur, wenn es um Israel und die Juden geht, heißt das nicht, dass es kein Völkerrecht gibt!

Der Springer-Konzern und Andreas Rosenfelder von der Tageszeitung Die Welt stellen sich hinter Biller:

Wer auch nur ein paar Zeilen von Maxim Biller gelesen hat, der weiß, dass dieser tragische Sarkasmus, der die jüdische Literaturtradition von der deutschen mit ihrer auftrumpfenden Thomas-Mann-Ironie unterscheidet, ein Wesensmerkmal seiner Texte ist. Anstatt zu vertuschen und zu verschleiern, spricht der Witz die unerträgliche Realität aus, dass der Kampf gegen den Hamas-Terror im Alltag der Soldaten konkret bedeutet, „auf Araber zu schießen“. Und in der Antwort des Arztes benennt der Witz die noch brutalere Wirklichkeit, dass es für diese Unerträglichkeit keine Therapie gibt. Denn sie betrifft die Existenz jedes Juden in Israel.

Das ist eben Ideologie und faktenfrei. Das Erschießen von nach Nahrung anstehenden Zivilist*innen ist ein Verbrechen – wenn der Haaretz-Bericht so stimmt und es gibt außer Dementi der IDF keinen Grund, ihm nicht zu glauben – und hat mit der „Existenz jedes Juden in Israel“ nichts zu tun – abgesehen von dem ethischen und moralischen Schaden für Juden in Israel, die durch solche IDF-Aktionen entstehen.

Die Berliner Zeitung hingegen schreibt:

Ausführlich hat sich auf Instagram der Autor und Verleger Dinçer Güçyeter zu Billers Text geäußert. Der 2023 für seinen Roman „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnete Schriftsteller wendet sich direkt an Maxim Biller: Kollegen öffentlich zu diffamieren gehöre eigentlich nicht zu seinem Geschäftsmodell, schreibt Gücyeter. „Gestern, beim Lesen deiner Kolumne, habe ich mich gefragt, wie ein Autor so über seine Wut stolpern kann. Die ganze Nacht habe ich nach einer Antwort gesucht. Dieser Zynismus, dieses Gemetzel unter dem Schleier des Wortes ist genauso schmerzhaft wie die Meinung von Ahnungslosen, die sich für Nahostexperten halten, weil sie mal eine Shisha von unten gesehen haben.“

Die kapitalistische Weltwirtschaft verstößt tagtäglich seit Jahrzehnten gegen das „Völkerrecht“. Das juckt von den Eliten kaum jemand, das ist klar. Weltweit hungern aktuell ca. 735 Millionen Menschen. Das ist aber kein Grund, auch die mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen in Gaza vorsätzlich und perfide hungern zu lasen – und die jüdischen Geiseln somit auch.

Das Institut für Menschenrechte hält fest:

Nach Angaben der Vereinten Nationen hungern weltweit 735 Millionen Menschen. Und das, obwohl jeder Mensch ein Recht auf Nahrung hat. Warum ist das so?

Sarah Luisa Brand: Gleich vorab: Im Jahr 2024 müsste kein Mensch mehr hungern, denn es wird genug Nahrung für alle produziert. Hunger ist also vor allem die Folge ungleichen Zugangs zu Nahrung. Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht genug zu essen haben, beispielsweise Armut, Diskriminierung oder soziale Benachteiligung. Kriege und bewaffnete Konflikte führen dazu, dass Menschen ihr Zuhause und ihr Einkommen verlieren und landwirtschaftliche Flächen, Betriebe oder Infrastruktur zerstört werden.

(…)

Das Menschenrecht auf Nahrung besagt, dass Nahrung für jeden Menschen angemessen, verfügbar, zugänglich und bezahlbar sein muss. Völkerrechtlich verbindlich ist es in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 verankert. 2004 verabschiedete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom „Freiwillige Leitlinien zur Unterstützung der schrittweisen Verwirklichung des Rechts auf Nahrung im Kontext nationaler Ernährungssicherung“.

In der Berliner Zeitung heißt es weiter zu Maxim Biller, dem großen Strategen ohne Empathie und Ethik:

Die Kolumne, die in ihrer Drastik einen Einblick in das Denken vieler Unterstützer Israels erlaubt, mag sich zwar vor allem an vielen Deutschen und ihren Doppelstandards etwa bei der Kritik an Israels Regierung abarbeiten und mit der Wucht des durchaus nachvollziehbaren Hasses Punkte treffen. Dieser rhetorische Angriff Billers geht aber vor allem auf die Kosten der Palästinenser. Und deshalb kommt nun vehementer Widerspruch.

Das ist die Pointe. Es geht Biller nur um die deutschen Befindlichkeiten, die Schuldabwehr und Schuldumkehr. Dieses Muster gibt es, aber es greift hier nicht, weil man sieht, wie wenig Biller im internationalen Diskurs über den sinnfreien Krieg in Gaza drinsteckt. Er ignoriert offenkundig die von IDF-Soldaten beschriebenen und nicht widerlegten Verbrechen.

Zudem schreibt die Berliner Zeitung in dem zitierten Text:

Auf Instagram hat sich auch der 1987 in Haifa geborene Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus geäußert, der seit 2010 in Berlin lebt und 2023 mit seinem Romandebüt „Birobidschan“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand, ein Buch, das auch im Feuilleton der Zeit sehr gut besprochen worden ist. Nicht nur, dass Dotan-Dreyfus sein Zeit-Abonnement aufgrund von Billers Text gekündigt hat und zum Boykott der Zeitung aufruft. Er schreibt:„Das Problem, liebes Zeit-Team, ist nicht ein Text von Maxim Biller. Das Problem ist, dass ihr eine Atmosphäre kreiert habt, in der ein solcher Text entstehen kann.“

Die bekannte Journalistin der Times of Israel, Sarah Tuttle-Singer, eine wortgewaltige wie zarte Zionistin, eine der bekanntesten Stimmen der Times of Israel von Anbeginn, schreibt angesichts des Haaretz-Berichts, von dem sie hofft, dass er nicht stimmt, auf Facebook:

Es tut weh, dies zu schreiben. Aber es muss gesagt werden.

Ich liebe mein Land.

Ich liebe Israel in all seiner unmöglichen, widersprüchlichen Schönheit. Ich liebe den Klang der hebräischen Sprache im Wind und den Jasmin, der in den Ritzen dieses zerbrochenen, heiligen Landes blüht. Ich liebe die Menschen, die hier leben – Menschen, die der Gefahr entgegenlaufen, nicht vor ihr weglaufen.

(…)

Es gibt keine Sicherheit beim Abschlachten.

Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn man die Hungernden ins Visier nimmt.

Es gibt keinen Sieg, wenn wir auf dem Weg dorthin unsere Seelen verlieren.

Und ja, wir begraben immer noch unsere Toten vom 7. Oktober. Wir beten immer noch – jeden einzelnen Tag – für unsere Geiseln. Wir sind immer noch voller Angst und Wut. Aber diese Schrecken geben uns nicht das Recht, unsere eigenen zu begehen.

Ich glaube immer noch an unsere Soldaten. Ich glaube immer noch an dieses Land. Aber Glaube ohne Verantwortlichkeit ist blinde Loyalität. Und blinde Loyalität ist gefährlich.

Wenn Haaretz Lügen veröffentlicht hat, dann sollten sie einen hohen Preis für die Verleumdung unserer Soldaten und unseres Landes zahlen.

Aber wenn diese Berichte wahr sind – und ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie es nicht sind – dann müssen alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Von jedem Soldaten, der das Feuer auf Zivilisten eröffnet, über die gesamte Befehlskette bis hin zum Premierminister selbst.

Denn auch das alles ist Liebe. Kämpferische, fordernde Liebe, die sagt: Ihr müsst es besser machen. Wir müssen es besser machen. Oder all dies bedeutet überhaupt nichts.

Schließlich ist ganz Israel füreinander verantwortlich.

Das ist Zionismus. Das ist eine „kämpferische, fordernde Liebe“ zu Israel und kein zynisches Geschwätz.

Sarah Tuttle-Singer möchte die IDF vor sich selbst retten, Maxim Biller, der Schaukelstuhl-Zionist aus Deutschland mit Laptop, möchte offenkundig eher noch mehr Verbrechen, weil es anders nicht gehen würde.

Richtig: Ohne die Islamfaschisten der Hamas gäbe es diesen Krieg gar nicht. Punkt.

Aber ohne Netanyahu und seine ignorante Fan-Basis wäre es vermutlich gar nicht zum 7.10 gekommen – Warnungen wurden absichtlich ignoriert, unter anderem weil sie von weiblichen IDF-Sicherheitsexpertinnen kamen und die patriarchale Führungsstruktur der IDF das lächerlich machte; es war zu wenig Militär vor Ort und der Grenzzaun war alles nur nicht unüberwindbar –  und zumal dieser Krieg vermutlich längst beendet und die Geiseln endlich befreit.

Die Zerstörungen im Gazastreifen, das Zerstören von Tausenden von Häusern sind militärisch nicht zu begründen, die Rückkehr der Geiseln haben sie nicht gebracht. Das offen ausgesprochene Ziel der israelischen Regierung ist die Vertreibung oder Zusammenpferchung der Palästinenser auf ca. 25 Prozent der Fläche des Gazastreifens und die Wiederbesiedelung mit jüdischen/israelischen Siedlern.

Es gibt also eine rechtsextreme Regierung in Jerusalem, die alles dafür tut, die Zweistaatenlösung – die seit 1947 von den Arabern und Palästinensern abgelehnt wird! – unmöglich zu machen.

Wenn die von Israel bewaffneten islamistischen Gruppen wie die Shabab-Miliz und andere in Gaza für dieses Töten von Zivilist*innen auch mitverantwortlich sein sollten, liegt auch hierbei die Verantwortung bei der Besatzungsmacht, Israel.

Das ist der ethische Grundgedanke des Philosophen Emmanuel Levinas, auf den ich ja die letzten Monate schon hinwies, da er 1982 in Beirut bei dem (christlichen) Massaker an Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila die Besatzungsmacht Israel verantwortlich machte, da sie es hätte verhindern können und müssen:

„Aber es gibt auch eine ethische Grenze dieser politischen Existenz, eine ethisch notwendige“ sagt er am 28. September 1982 in dem Gespräch mit Shlomo Malka und Alain Finkielkraut, wenige Tage nach dem Massaker an einigen Hundert bis zu Tausenden Palästinensern in Sabra und Schatila.

Levinas wendet sich auch gegen den „Messianismus“ und betont die Bedeutung der Verinnerlichung von Gewalt durch den (so überlebensnotwendigen) Sieg im Sechstagekrieg 1967, wovon 1970 auch der Linkszionist Amos Oz in einem Gesprächsband mit israelischen Soldaten berichtet hat („Man schießt und weint“). Von diesem Leiden ist Biller weit entfernt, er schreibt auch nicht „sarkastisch“, wie viele seiner rechten Freund*innen (von express.at bis Nius etc. pp.) meinen, sondern wie gesagt: zynisch. Und Zynismus ist mit dem Bestehenden – hier der Gewalt der IDF in Gaza – einverstanden.

Sarah Tuttle-Singer hofft, dass die Verbrechen, von denen die Haaretz berichtet, so nicht stattgefunden haben. Dass es die über 500 Toten jedoch gibt, ist unbestritten, fast täglich berichten ja die Medien darüber wie die Times of Israel. Doch Biller stellt nicht mal in Abrede, dass die Verbrechen passieren, sondern behauptet, im Witz verkleidet, dass sie notwendig seien wie das Aushungern von über zwei Millionen Menschen.

Und das ist nicht mehr eine freie Meinungsäußerung, sondern das ist Affirmation und Agitation und hat mit einer Kritik am deutschen Antisemitismus rein gar nichts zu tun.

Natürlich hat Biller mit seiner Attacke auf Markus Lanz grundsätzlich Recht:

Neulich zum Beispiel, bei Lanz, der politischen Talkshow für politische Anfänger, das war noch kurz vor dem Israel-Iran-Krieg. Gerade ging es um die EU, Flüchtlinge und den opaken Minister Dobrindt, als sich im entspannt fragenden Gastgeber plötzlich alles zusammenzog. Denn jetzt war der Nahe Osten dran! Er ging in seinem Moderatorenstuhl in eine raubtierhafte Angriffshocke, er zischte und fauchte, statt zu sprechen, und versuchte immer wieder, von seinen Gästen die Aussage zu erpressen, dass Israel im Gazastreifen der Al-Kassam-Brigaden »Kriegsverbrechen« begehe. Und während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ihm erklärte, wie selbstkritisch und demokratisch die israelische Gesellschaft sei und dass er dieses Land nie aufgeben würde, rollte der nervlich stark angegriffene Moderator mit den Augen wie Elon Musk auf Ketamin.

Nur weil ein deutscher Dampfplauderer, der von allem und nichts wirklich eine Ahnung hat, von möglichen Kriegsverbrechen in Gaza redet, heißt das doch nicht, dass es die nicht geben kann! Wo lebt denn Maxim Biller? In Berlin, alles klar.

2019 schrieb ich:

Am Dienstagabend, 5. März 2019, hatte sich der gebührenfinanzierte Dampfplauderer vom Dienst, Markus Lanz, neben Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT, den ehemaligen Bundesminister und das SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi zum Plausch in die nach ihm benannte Sendung im ZDF geladen. Was der Gast dabei von sich gab – und der Moderator durchgehen ließ, ohne nachzufragen, ließ tief blicken und indiziert, wie die politische Kultur in diesem neuen Deutschland funktioniert, auch ganz ohne AfD.

Für einen ganz normalen Deutschen ist Wissenschaft unnötig. Er oder sie weiß es aus eigener Anschauung ohnehin besser. Jeder gute Deutsche hat einen „gesunden Menschenverstand“, was Kritiker als ungesund oder krank dastehen lässt. Dohnanyi machte in der Sendung den Austritt der SPD aus der Reichsregierung 1930 für den Aufstieg der NSDAP verantwortlich. Widerstand habe es massenhaft in Deutschland gegeben, nach 1933, fast jeder und jede hatte einen Juden, der versteckt oder versorgt wurde, das war der Tenor des SPDlers. So klang dieser mit vollem Kalkül vorgetragene Schrei gegen die heutige Schonzeit für Juden aus dem Munde eines SPD-Vordenkers. Es müsse Schluss sein mit der Erinnerung an die „Judenvernichtung“, die Zukunft rufe, so sprach er.

Da wird der zapplige, nie den Status des pubertierenden Strebers loswerdende Lanz, der sich quasi freut wie Oskar, der seinen ehemaligen verknöcherten autoritären Schulleiter wiedertrifft und der alleine für das Wackeln mit seinen aalglatten Schuhen einen Werbevertrag einer großen Schuhfirma erhalten sollte, ganz hellhörig. Er habe jüngst ein Interview mit dem Historiker Götz Aly gelesen, der darauf abheben würde, dass „Hitler den Sozialstaat aufgebaut habe“. Hitler und Sozialstaat, da werden Deutsche ganz wuschig, das ist spannend und irgendwie doch fast verboten. Sind eventuell gar Juden im Publikum? Oder vor den TV-Geräten? Wurden die Juden von einem ganz modernen Sozialstaat ermordet? War es gar nicht böse gemeint?

Wenn Maxim Biller Lanz so oder ähnlich kritisiert hätte, warum nicht? Hat er aber nicht, sondern er affirmiert eine nicht mehr zu rechtfertigende Kriegsführung, die den Palästinensern und Israel extrem schadet, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die einen sind tot, die anderen psychisch traumatisiert und diplomatisch isoliert.

Und nochmal, an die ganzen Biller-Fans, die jetzt heulen: Es ist klar, ohne die Hamas gäbe es diesen Krieg nicht.

Hat sich Biller mit den Berichten aus Israel mit dem offenkundig willkürlichen Feuern auf Zivilisten, die verzweifelt Nahrung von den LKWs erwarten, überhaupt näher beschäftigt?

Ist es ihm vollkommen egal, was real auf der Welt passiert, solange es nicht in sein Weltbild passt? Offenkundig hat er sich erkundigt, er weiß, dass die IDF auf Araber schießt – und er behauptet auf unerträgliche, zynische Weise, dass es halt nicht anders gehen würde.

Amos Oz dreht sich im Grab um.

Es muss um ein „neues Sprechen“ gehen, um ein Reflektieren innerhalb der völlig eingeigelten und fanatisierten Pro-Palästina- und Pro-Israel-Camps – so fordert es die pro-israelische, gegen Antisemitismus anschreibende Volontärin bei der Zeit, Anastasia Tikhomirova, vor einigen Wochen („Raus aus dem Freund-Feind-Schema„). Das wäre mal eine Lektüre gewesen für Maxim Biller.

Aber hätte Die Zeit wenigstens ein paar linkszionistische Redakteur*innen, wäre diese Kolumne von Maxim Biller, so wie sie da gedruckt steht, nicht erschienen.

 

 

 

 

 

Ein linker muslimischer Feind des jüdischen und demokratischen Staates Israel als nächster Bürgermeister von New York City? Geht’s noch?

Von Dr. phil. Clemens Heni, ehemals Post-Doc, YALE University, New Haven, CT, USA

Die folgenden Worte sprach der Bürgermeister-Kandidat von New York City von November 2025 Zohran Mamdani, den bis vor einem Jahr nahezu niemand kannte, im Mai 2025 in einer Talkrunde in New York City, als er gefragt wurde, ob er die Existenz Israels als jüdischer Staat akzeptiere:

Israel has a right exist. It has a right to exist with equal rights for all.

Man kann sich das hier anschauen (ab Min. 32). Und das ist der wirklich ganz neue Antisemitismus – der natürlich in der taz in der ganzen Euphorie vergessen oder goutiert wird („Lichtblick in New York„), die wie alle Medien jetzt über diesen linkspopulistischen Star schreibt, ohne seinen Israelhass zu erwähnen -, in zwei Sätzen.

Warum ist das der wirklich ganz neue Antisemitismus?

Er lehnt Israel als „zionistisches Gebilde“ zwar ab, aber viel raffinierter als die meisten bisherigen Antisemiten, da er ja so tut, als ob er Israel anerkenne. Der Trick geht exakt so:

In einem ersten Schritt wird so getan, als ob Israel akzeptiert würde.

Doch in einem zweiten Schritt wir sofort klar gemacht, dass Israel nicht als jüdischer Staat akzeptiert wird – also die Zerstörung des jüdischen Staates gemeint ist.

Mamdani wurde explizit gefragt, ob er Israel als jüdischen Staat akzeptiere – und er lehnt das ab. Aber er lächelt dazu und wirkt nicht unbedingt wie ein Totschläger oder Jihadist, trotz identitärem Bart.

Und so ein Typ wird vermutlich Bürgermeister der größten und mächtigsten Stadt des mächtigsten Staates dieser Erde. Zudem ist New York City die Stadt mit der größten jüdischen Bevölkerung weltweit, viel größer als Tel Aviv oder Jerusalem.

Dieser extrem schmierige, aalglatte, aber doch auch äußerst aggressive junge, muslimische, sozialistische „Demokrat“ möchte den einzigen Judenstaat, die einzige Demokratie im ganzen Nahen Osten, offenkundig durch einen binationalen Staat ersetzen, also den jüdischen Staat zerstören.

Er machte auch mit Kopftuch tragenden, also islamistischen Frauen Wahlkampf, wie man auf Bildern sehen kann.

Das schmierige und wirklich ekelerregende philosemitische Herumeiern um zentrale Fragen im Leben – wie die Anerkennung von Israel als jüdischer Staat – bei gleichzeitiger geheuchelter Trauer ob zweier massakrierter Zionist*innen am Abend zuvor in Washington, D.C., hat dieser Bubi mit seinen 33 Jahren schon mega drauf.

Aus so einem wird etwas, er hat ein aggressives Sendungsbewusstsein wie Donald Trump.

Gleich zu Beginn des Interviews betont dieser das Volk aufstachelnde Liebling der New Yorker, dass er total entrüstet sei ob des Mordes an den zwei jungen Zionist*innen, die von einem linken Antisemiten, der auch gegen den jüdischen und demokratischen Staat Israel ist, am Abend zuvor massakriert worden waren.

Vor Beginn des Gespräches möchte der Linkspopulist in einem Statement so tun, als sei er ein Freund der Juden und natürlich gegen Gewalt. Schon da wird klar: hier hat einer die Schleimspur eines großen Politikers schon von frühauf gelernt zu produzieren.

Das kommt gut an: Sich für Juden einsetzen, Krokodilstränen vergießen ob zweier Opfer des antiisraelischen Antisemitismus, aber zugleich Israel als jüdischen Staat ablehnen.

Seine offensive Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung, die er auch in diesem Gespräch im Mai 2025 zum Ausdruck bringt, die ja keineswegs ’nur‘ den Boykott von israelischen Institutionen meint, sondern vor allem das „Rückkehrrecht“ von Millionen von Palästinenser*innen, die keine Sekunde in Palästina (bis 1948) lebten, sondern Urenkel von damals tatsächlich vertriebenen oder gegangenen arabischen Palästinensern sind, zeigt seinen antiisraelischen Fanatismus.

Zohran Mamdani ist eine große Gefahr für Juden in den USA und eine riesige Gefahr für New York City.

Es ist noch viel abstoßender und vor allem gefährlicher, wirklich gemeingefährlich und linkspopulistisch, dass er sein antijüdisches Programm mit sozialistischen Markern garniert wie einem günstigen oder kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, einem Einfrieren von Mietpreisen, staatlichen Supermärkten mit günstigen Preisen – also Sozialismus, Religion (heute: Islam) und Antisemitismus/Antizionismus koppelt.

Oh Amerika, wenn die gesamtgesellschaftliche Alternative zum Fascho und Autokraten Trump, der jetzt auch noch in die unabhängige Justiz in Israel eingreift und seinen Buddy Netanyahu freischießen möchte von einem gerechten Prozess, ein solcher antiisraelischer und somit antisemitischer Linkspopulismus ist, dann ist das Ende jedenfalls des amerikanischen Traums wirklich nah.

Und vermutlich macht „The Boss“ kein Lied gegen die Mamdamis dieser Welt, sondern nur gegen Trump…

 

 

„Das musste getan werden“ – Yossi Klein Halevi, GBU-57 und das Ende einer Uhr in Teheran

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Die lebende Leiche Khamenei, totalitärer Führer des islamistischen Terrorstaats Iran, hat 2015 prophezeit, dass der einzige jüdische Staat bis 2040 zerstört werden wird. Dafür haben seine islamfaschistischen Gefolgstruppen im Juni 2017 eine Uhr in Teheran auf einem Platz installiert, die anzeigte, wie viele Tage es noch dauern würde, bis der größte aller Träume totalitärer Islamisten in Erfüllung gehen wird. Diese Uhr wurde jetzt von der israelischen Armee bei einem der vielen Luftangriffe auf Teheran zerstört. Ebenso wurde heute das Foltergefängnis Evin in Teheran von Israel aus der Luft angegriffen, um die Solidarität des Judenstaates mit den Verfolgten, Gefolterten und Gedemütigten im Iran zum Ausdruck zu bringen.

Seit Freitag, den 13. Juni 2025, ist Israel dabei, das iranische Atomprogramm so gut es geht auszuschalten. Dazu fliegen Pilot*innen der IAF (Israeli Air Force) Angriffe auf die bekannten Atomanlagen sowie auf terroristische Wissenschaftler des iranischen Atomprogramms, auf Angehörige der jihadistischen Revolutionsgarden und einige Ziele mehr.

Nun haben auch erstmals die USA in den antifaschistischen Kampf gegen den Islamismus im Iran militärisch eingegriffen und am letzten Samstag früh morgens mit der GBU-57 die Atomanlage im Berg bei Fordo so gut es ging in Schutt und Asche gelegt. Ob die 400 kg auf 60 Prozent angereichertes Uran dabei getroffen wurden, ist allerdings unklar, es steht zu befürchten, dass die Islamisten das Material mittlerweile wo anders hingebracht hatten, da ein Angriff auf Fordo ja absehbar war. Gleichwohl ist die Anlage wie auch jene in Natanz und Isfahan entscheidend, um auch eine Bombe zu bauen. Das dürfte nach allem militärtechnischen Stand, den wir heute haben, aktuell nicht mehr möglich sein.

Dafür bedankt sich nun auch der liberale Zionist und eigentlich scharfe Netanyahu-Kritiker und einer der bedeutendsten Publizisten Israels, Yossi Klein Halevi. In seinem Blog-Text auf der Times of Israel schreibt er:

Macht ist nicht die Antwort auf alle Probleme. Aber Zurückhaltung ist es auch nicht. Wenn man die Macht hat, den weltweit größten Exporteur von Terrorismus an der Entwicklung nuklearer Immunität zu hindern, sie aber nicht nutzt, dann sollte man abrüsten, sich dem Pazifismus verschreiben und sich darauf vorbereiten, die Konsequenzen zu tragen. (Übersetzung CH)

Ganz grundsätzlich gilt: Wir Zionisten sind keine Pazifisten, weil wir den Frieden wollen, der auch für Juden gilt. Und da die ganze Welt die Juden hasst, hilft es nicht, Däumchen zu drehen oder Gedichte zu schreiben. Ist so. Zwar ist Däumchen drehen, auf dem Wasser liegen, Tretboot fahren oder Gedichte schreiben und lesen etwas durchaus Schönes, aber es hilft nicht mal indirekt, den Jihad und Islamismus von seinem Fanatismus, den einzigen Judenstaat zu zerstören, abzuhalten. Dazu braucht es die GBU-57 und die israelische Armee.

Der Iran hat seit 1979 die Jihadistengruppen der Palästinenser in Gaza (Hamas), die Hisbollah im Libanon, das ehemaligen Regime in Syrien, die Terrorgruppen im Irak und weltweit weitere Terrorzellen und -gruppen finanziert, ausgebildet und in vielfacher Hinsicht unterstützt.

Gleichzeitig haben zumal die Deutschen und Europa immer brav gelächelt, die Iraner empfangen, ihnen erlaubt, bis heute, Botschaften in ihren Ländern zu unterhalten und niemand hat jemals diesen Muslimfaschisten eine Ohrfeige vor laufender Kamera gegeben, wie es die mutige antifaschistische Beate Klarsfeld mit dem Nazi Kurt Georg Kiesinger getan hat. Selbstredend hat der Iran keinen Holocaust verbrochen wie die Deutschen, ihre Vorbilder. Aber der Iran hat einen Massenmord an Juden geplant und angekündigt. Doch selbst diese Ankündigung war den Deutschen und ihren europäischen Freunden kein Grund, den Iran zu isolieren und wenigstens diplomatisch fertig zu machen. Im Gegenteil, der Iran wurde permanent hofiert und Mini-Sanktionen wurden als echte Maßnahme hochgejazzt.

Das hat jetzt ein Ende. Man sieht die völlige Bedeutungslosigkeit der EU-Politik.

Das ist keineswegs gut, weil die USA ja selbst ein autokratisches Regime sind unter Trump und die größte Gefahr für die Demokratie in den USA überhaupt darstellen.

Doch leider leider brauchte es zwei super üble Regierungschefs in Israel und den USA, die diesen Job jetzt machten.

Für Yossi Klein Halevi sieht es so aus:

Die Transparente, die an den Autobahnen von Tel Aviv hängen – „Danke, Präsident Trump“ – sprechen für die meisten Israelis. Was Premierminister Netanjahu betrifft, so gebührt ihm unsere Dankbarkeit für seine jahrzehntelange mutige Kampagne gegen einen atomaren Iran, für seinen Widerstand gegen Spott und den Vorwurf der „Kriegstreiberei“ und dafür, dass er diese Bemühungen nun zum Erfolg geführt hat.

Diese historische Leistung entbindet ihn nicht von seiner Verantwortung für die Korrumpierung der Seele der israelischen Politik. Erschreckenderweise hat er es versäumt, irgendeine Verantwortung für den 7. Oktober zu übernehmen, hat sich geweigert, eine Untersuchungskommission zu den Ereignissen einzusetzen, die zu der Katastrophe geführt haben, oder die endlose Aufwiegelung seiner glühendsten Anhänger gegen politische Gegner sogar während des Krieges einzudämmen. Die Geschichte wird ihn als Retter und Zerstörer zugleich einordnen.

Auch die Verbrechen in Gaza werden damit nicht verschwinden. Viele Angriffe der IDF, die Zivilist*innen trafen und nicht im Ansatz begründet werden konnten und können. Das gezielte und sehr perfide Hungernlassen von Millionen Menschen, inklusive der ca. 20 noch lebenden jüdischen Geiseln der Hamas.

Auch die rechtsextreme Innenpolitik von Trump wie von Netanyahu ist nicht vergessen, sondern muss weiter tagtäglich kritisiert werden.

Aber Geschichte und Politik sind komplexe Vorgänge. Und angesichts von Islamfaschisten, die seit Jahrzehnten ankündigen, den einzigen Judenstaat auszulöschen und sechs, sieben oder acht etc. Millionen Juden zu ermorden (plus die mehr als 20 Prozent Araber in Israel und andere, kleinere Minderheiten, die alle auch bei einem Atomschlag der Muslimfaschisten aus Teheran ermordet worden wären), war es ein historischer Akt, jetzt aller Voraussicht nach das Atomprogramm des Iran – für jetzt! – zerstört zu haben.

Solange natürlich die Verbrecher wie Khamenei, der iranische Außenminister und alle anderen Vertreter des Regimes am Leben sind und weiter ihre zumal innenpolitischen Verbrechen an der unverschleierten weiblichen und der männlichen Opposition fortführen, ist es nur eine Frage der Zeit, wann das nächste Atomprogramm angefangen wird oder der Iran auf andere Weise an eine Bombe kommen könnte.

Eine einzige würde ja ausreichen, da wir jetzt tagtäglich sehen, dass der Iran es technisch-militärisch schafft, die israelische Luftabwehr zu überwinden. Nie gab es in der Geschichte Israels seit 1948 so viele massive – und nicht Gaza-like, was schrecklich genug war!!! – Raketentreffer im Land wie in den letzten Tagen.

Der „Jewish Insider„, ein täglicher Newsletter der Jewish Federations of North America, schreibt zur Skepsis der Demokratischen Partei angesichts der US-Luftangriffe auf die Atomanlagen in Iran:

In Bezug auf die nationale Sicherheit wird dies zu einem Moment der Wahrheit für die Demokratische Partei insgesamt. Die Partei versucht ja irgendwie, ihre Bilanz zu mäßigen, um die Macht in Washington zurückzugewinnen, aber ist immer noch ihrer Aktivistenbasis verpflichtet ist. Die Tatsache, dass Zohran Mamdani, ein radikaler Anti-Israel-Kandidat, der den Slogan „Globalisierung der Intifada“ vertritt, bei den morgigen Vorwahlen der Demokraten zum Bürgermeister von New York City so konkurrenzfähig antritt, ist ein Zeichen dafür, wohin sich die Partei entwickeln könnte, wenn sich nicht mehr führende Politiker zu Wort melden.

Das passt zu den 12.000 Demonstrant*innen am letzten Samstag in Berlin, die gegen den Gazakrieg, aber doch primär gegen den Judenstaat sind und am 7. Oktober kicherten, jubelten, klatschten oder – schwiegen.

Während in Berlin jetzt angesichts eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts das frauen- wie männerverachtende Kopftuch für Lehrerinnen wieder erlaubt werden soll, geht es im Iran gerade darum, das frauen- wie männerverachtende Moment eines jeden Kopftuchs zu verdeutlichen. Was für eine Ungleichzeitigkeit. Die Opposition im Iran ist weiter als deutsche Juristen!

Und nein, ein dümmliches Kreuz an der Halskette ist sicher peinlich und kein Zeichen von Weltoffenheit oder intellektuellem Esprit, aber es ist eben nun wirklich nicht im Ansatz das Gleiche wie ein Kopftuch. Ein Kreuz ist ein Religionssymbol, ein Kopftuch ist kein Religionssymbol, sondern ein Zeichen des Fanatismus, einer extremistischen Auslegung einer Religion, ja mehr noch: ein Kopftuch möchte ja den Millionen Musliminnen, die keines tragen, unterstellen, keine Musliminnen zu sein. Und das ist doch ein weiterer Skandal dieses Wahnsinns mit dem Namen Kopftuch.

Es ist jetzt die Zeit, die iranische Opposition zu unterstützen und das iranische Regime zu schwächen, wo es nur geht. Die GBU-57 hat dabei massiv geholfen.

 

Mit Kojak gegen die Rot=Braun-Ideologie

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Die Bundeswehr, die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen und wie das kanadische Parlament einem ukrainischen Nazi-Kollaborateur stehenden Applaus zollte und wie das mit der Rot=Braun-Ideologie zusammenhängt…

 

Am Montag, 9. Juni 2025, zeigte das Karlstorkino in der Heidelberger Südstadt in Kooperation mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge in Hemsbach e.V. den bemerkenswerten geschichtspolitischen Film „Liza ruft!“ – Doch wie steht es um die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen? Und was geschah am 22. September 2023 im kanadischen Parlament?

 

Der Film Liza Ruft! 

In dem knapp zweistündigen Dokumentarfilm geht es um die Holocaustüberlebende und jüdische Partisanin Fania Brantsovskaya (1922-2024), geborene Jocheles, aus Litauen. Der Film des Filmemachers Christian Carlsen ist aus dem Jahr 2015 und zeichnet in Gesprächen mit Brantsovskaya ihren Lebensweg nach.

Fania Brantsovskaya wurde in Kaunas geboren und zog mit ihren Eltern später nach Vilnius. Dort gab es eine sehr große jüdische Gemeinde, fast 50 Prozent der Bevölkerung waren Juden. Sie ging auf ein jüdisches Gymnasium, andere Überlebende, die im Film vorkommen, bevorzugten das Hebräisch sprachige Gymnasium. Nach dem Abitur arbeitete sie kurz als Dorflehrerin. Dann kam der Zweite Weltkrieg mit dem Angriffskrieg Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 („Unternehmen Barbarossa“) zwei Tage später auch in Vilnius an. Ab September 1941 zwangen die Deutschen Fania und alle Jüdinnen und Juden im Ghetto zu leben. Im Frühjahr 1942 schloss sich Fania einer Partisanengruppe an und schmuggelte Waffen und anderes in das Ghetto. Im September 1943, in einer dramatischen Nacht, floh sie mit einer Mitkämpferin und Freundin aus dem Ghetto.

Eine weitere Freundin und Genossin von Fania war schon vor ihrer Flucht aus dem Ghetto von den Deutschen ermordet worden, im Gedenken an sie nannten sie dann ihre Gruppe: „Liza ruft!“

Doch schon vor Ankunft der Deutschen am 24. Juni 1941 in Litauen begann der Holocaust schon einen Tag zuvor, am Montag, den 23. Juni 1941, wie der Holocaust- und Antisemitismusforscher Professor Dovid Katz als Kritik an der offiziellen litauischen Geschichtsschreibung in einem Text für das jüdische Tablet Magazine aus Amerika 2018 schreibt (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

Die erste große dynamische historische Episode, auf die man im Völkermordmuseum [in Vilnius, CH] stößt, ist eine Reihe von Exponaten, die sich ausgiebig mit den Faschisten der Litauischen Aktivistenfront (LAF) von 1941 mit ihren weißen Armbinden befassen. Deren „zentrale Planung“ vor dem Nazi-Einmarsch kam aus Berlin kam und zu ihr gehörte auch eine Gruppe hochrangiger litauischer Nazis, Anhänger der ethnischen Säuberung (um es höflich auszudrücken), die in den Monaten vor dem Nazi-Einmarsch in der damaligen Sowjetunion am 22. Juni 1941 dort stationiert waren. Doch als die sowjetische Besatzung am Tag des Nazi-Einmarsches und vor allem am darauffolgenden Montag, dem 23. Juni 1941, in sich zusammenbrach, schlossen sich viele nationalistische junge Männer rasch den „LAF“-Milizen an, oft indem sie eine weiße Armbinde anlegten und einfach „LAFler“ wurden oder sich nach Belieben verwandten Milizen und Banden anschlossen. Ob mit oder ohne Armbinde, ob mit oder ohne dokumentierte Zugehörigkeit zur LAF, sie alle sind in den lokalen Sprachen als „White Armbanders“ bekannt geworden (litauisch Baltaraiščiai, polnisch Białe opaski, russisch Bielorukavniki, jiddisch Di Váyse Órembendlakh usw.). Begleitet von einer vorgetäuschten „Unabhängigkeitserklärung“ per Radioansprache (die den Treueeid auf Adolf Hitler enthielt – ach, diese „Unabhängigkeit“), übernahmen sie Postämter, Polizeistationen und Rathäuser, die sie von den fliehenden sowjetischen Streitkräften übernommen hatten, bevor sie sie nach einigen Tagen den eintreffenden Deutschen in aller Ruhe und mit üppiger Dienstbarkeit überließen.

Und diese Antisemitenbande wird heute in Litauen immer wieder als Gruppe von „Helden“ und „Freiheitskämpfern“ gefeiert.

Die Mutter, der Vater und die Schwester von Fania wurden im Holocaust ermordet. Insgesamt sind ca. 50 Personen aus ihrer direkten Verwandtschaft Opfer im Holocaust geworden, wie sie im Film erzählt. Viele wurden in Ponar ermordet, wo 100.000 Menschen massakriert wurden, darunter 70.000 Juden. Der Film begleitete Fania und andere zu einer Gedenkveranstaltung in Ponar, wo Fania auf Jiddisch eine Ansprache hielt. Die mit damals fast 90 Jahren enorm lebendig wirkende Fania war auch als junge Frau und Partisanin schon sehr aktiv, voller Energie und Kampfeskraft, wie andere ehemalige Partisaninnen im Film erinnern.

Nach der Befreiung von den Deutschen durch die Rote Armee im Juli 1944 hatte Fania große Hoffnungen. Doch das autoritäre Sowjetregime verweigerte selbst die Erinnerung an die jüdischen Partisaninnen und Partisanen, der Holocaust war kein Thema. Das änderte sich nach dem Ende der UdSSR 1991 auch nicht. Ja jetzt wurde der litauische Nationalismus sehr stark und führte wiederum zu einer Abwehr der Erinnerung an den Holocaust.

Im Mai 2008 suchte plötzlich die Polizei nach Fania Brantsovskaya – weil sie verdächtig wurde, als Partisanin ‚Kriegsverbrechen‘ begangen zu haben! Ein Opfer wird zum Täter gemacht. Nur Dank des enormen diplomatischen Drucks in Litauen, den unter anderem eben oben zitierte ehemalige Jiddisch-Professor der YALE Universität und Holocaustforscher Dovid Katz organisierte, wurde Fania juristisch nicht belangt, das Verfahren dann doch nicht weiter verfolgt. Dabei geht es historisch auch um Differenzen oder unterschiedliche, verschobene Erinnerungen anderer Partisaninnen wie Rachel Margolis, die darüber auch ein autobiographisches Buch geschrieben hat.

Der Film fängt diese belastende Situation gut ein und hakt nach, warum Fania plötzlich in ihren Äußerungen bezüglich des litauischen Antisemitismus zurückhaltender wurde, was auch Vertretern der jüdischen Gemeinde in Vilnius auffiel. Der Film „Liza ruft!“ bettet das alles kritisch ein. Zumal die geschichtspolitische Ideologie gerade in Osteuropa wird problematisiert. Demnach habe es zwei Holocausts gegeben – einen wirklichen und einen „des Kommunismus“. Das nennt sich Rot=Braun-Ideologie oder eben „Revisionismus“, wie ein Abschnitt des Films bezeichnet ist. Dazu gibt es seit vielen Jahren gar staatliche Kommissionen gegen den „Totalitarismus“ im 20. Jahrhundert in Litauen – International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania –, die genau diese Verharmlosung des Holocaust befördern, wie im Film deutlich wird. Auch gegen den ehemalige Partisanen und späteren israelischen Holocausthistoriker Yitzhak Arad (1926-2021) wurden 2008 perfide Ermittlungen aufgenommen wegen „Kriegsverbrechen“.

Im Anschluss an die Filmvorführung stand der Filmemacher per Zoom zum Gespräch zur Verfügung, wobei Christian Carlsen nochmals verdeutlichte, dass ihnen als Team, die diesen Film machten, die heutigen innerjüdischen wie gesamtgesellschaftlichen Debatten über Erinnerung und Erinnerungsabwehr am Beispiel Litauen sehr wichtig waren und bis heute sind. Wie in der Diskussion mit dem Regisseur deutlich wurde, bekommt das nun angesichts der Stationierung deutscher NATO-Soldaten in Litauen, die offenbar unweit der damaligen Stellungen der Partisan*innen stationiert werden sollen – 5000 deutsche Soldaten – eine hohe Aktualität. Hat sich jemand von der Bundesregierung damit beschäftigt, was es für Jüdinnen und Juden heute in Litauen bedeuten könnte, wenn sie wieder Deutsche im Befehlston herumbrüllen hören (was ja in jeder Armee Usus ist)?

Es wurden so extrem viele litauischen Juden wurden in der Shoah vernichtet, weil auch sehr viele lokale litauische Antisemiten, die heute teils als Helden (im Kampf gegen die Rote Armee) in dem EU-Land gefeiert werden, beim Holocaust mitmachten, wie die Wehrmacht schon zu Beginn des Krieges auf Fotografien festhielt, wie der Regisseur Carlsen in der Diskussion betonte.

Deutsche Soldaten wieder in Litauen…

Vor diesem Hintergrund ist die Kritik an der Militarisierung in Deutschland, wie sie jetzt einige Bundestagsabgeordnet der SPD und Dutzende weitere Aktivist*innen in einem Manifest üben, von großer Bedeutung. Es ist kriegstreibend, aufzurüsten, was die NATO-Aktivitäten in der Ukraine von 2014 bis 2021 zeigen. Das entbindet Russland nicht von seiner Verantwortung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine – aber ohne Analyse der Vorgeschichte und des Imperialismus der NATO ist das Bild unvollständig.

Es ist schockierend, wie nahezu unwidersprochen und völlig schamlos deutsche Politiker wie der „Verteidigungs“minister Pistorius nun deutsche Soldaten in Divisionsstärke in ein Land schicken, wo der Holocaust stattfand. Unweit jener Verstecke im Wald, wo Fania und die anderen Partisan*innen lebten und kämpften sollen wieder deutsche Soldaten stationiert werden?

So berichtet zum Beispiel die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) aus Heidelberg in infantiler und schamloser Sprache wie folgt über deutsche Soldaten in Litauen:

Deutsche Soldaten reisen nach Litauen

Wenn du schon einmal umgezogen bist, weißt du: Da muss man ganz schön viel organisieren. Erst recht, wenn man in ein anderes Land zieht. Man braucht zum Beispiel eine Wohnung und einen Schulplatz. Ein bisschen Vorbereitungszeit schadet also nicht.

Die NATO hat sich seit 1991 imperialistisch ausgebreitet, anders kann man das ja gar nicht sagen. Und sie hat Wort gebrochen, denn es wurde ausgehandelt und im Protokoll im Februar 1990 von Gorbatschow, Baker, Bush Senior und Helmut Kohl ausgehandelt:

not one inch

werde sich die NATO ostwärts ausbreiten, wenn BRD und DDR sich irgendwie zusammen täten. Und? Was passierte wirklich?

Doch die hiesigen Ideologen aller Geschlechter nennen es eine soldatische Reise nach Litauen… Das soll Journalismus sein? Das ist Hofberichterstattung der deutschen Bundesregierung.

Die litauische Publizistin Ruta Vanagaite hat 2016 mit ihrem Buch „Die Unsrigen“ eine breitere Debatte über den Judenhass in Litauen damals wie heute ausgelöst. Das, was der Historiker Dovid Katz seit Jahrzehnten erforscht, der Holocaust in Litauen und der Geschichtsrevisionismus in Litauen wie in anderen vor allem osteuropäischen Ländern, ist Folgendes:

Die Analogie von Rot und Braun, die Holocaust verharmlosende Rede von den „zwei Holocausts“. Damit wird Auschwitz und damit werden die Holocaustmassengräber und Todesgräben wie in Ponar geleugnet oder eben in eine x-beliebige Geschichte von Verbrechen einsortiert.

Die Abwehr der Erinnerung an die Shoah wird umso lauter und brutaler verlaufen, wenn deutsche Soldaten wieder schießen – und sei es als „Übung“ – in unmittelbarer Umgebung, wo die Großväter oder Urgroßväter heutiger deutscher Soldaten wüteten.

Und jetzt besteht die große Gefahr, dass sogar das unterirdische Fort im Wald, wo die jüdischen Partisan*innen sich versteckten und dann gegen die Deutschen und die litauischen Kollaborateure zwischen Herbst 1943 und Juli 1944 kämpften, als Litauen von der Roten Armee von den Deutschen befreit wurde (litauischen Antisemiten und Nationalisten sahen das natürlich als Niederlage), beschädigt oder zerstört wird, da es womöglich in unmittelbarer Nähe liegt zu dem Ort wo jetzt der aggressive deutsche Militarismus wieder Stellung bezieht. Dovid Katz schreibt am 26. Mai 2025 aus Litauen:

Es scheinen sich alle Befürchtungen zu bewahrheiten, dass das der Litauischen Brigade Deutschlands für militärische Zwecke zugewiesene Gebiet an die Überreste einer der wichtigsten Stätten des Holocaust in Litauen angrenzt oder in unmittelbarer Nähe liegen wird: die jüdische Partisanenfestung, wie sie unter den Veteranen des Zweiten Weltkriegs und den Überlebenden des Holocaust hier allgemein bekannt war, wo etwa hundert Flüchtlinge aus dem Wilnaer Ghetto, die alle oder fast alle jüdisch waren, in unterirdischen Holzbunkern im Waldlager lebten, als Teil des antinazistischen Netzwerks von Partisanen, das von der Sowjetunion während ihres Bündnisses mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Alliierten in den großen Kriegsanstrengungen zum Sturz Hitlers unterstützt wurde. Schauplatz ist der Truppenübungsplatz Rūdninkai in der Region des Rūdninkai-Waldes  (Rudnicki forest, Lithuanian — Rūdninkų giria, Yiddish — Rudnítsker vald).

Man muss sich das vorstellen: ‚Zufällig‘ zerstören deutsche Kampfpanzer bei einer Übung 2026, 2028 oder 2031 das Fort einer jüdischen Partisanengruppe in Litauen, oder manche machen sich einen Spaß und zerstören es absichtlich, die Bundeswehr ist ja nicht gerade bekannt dafür, besonders geschichtssensibel zu sein oder solche Männer (und Frauen) anzuziehen, die vorsichtig mit der Welt umgehen, um das mal ganz diplomatisch zu formulieren. Machismus ist in jede Armee ein Riesenthema, dazu kommt der Rechtsextremismus in der Bundeswehr und die deutschen Kontinuitäten seit der Nazi-Zeit.

Täter-Opfer Umkehr in Litauen: Kampf gegen die Partisaninnen

Als 2008 diese unglaubliche Kampagne von Revisionisten in Litauen gegen ehemaligen Partisaninnen und Partisanen losging, stellten sich viele Botschaften hinter Fania und andere Partisan*innen, Dovid Katz erinnert:

Alle diese Diplomaten waren stolz darauf, mit Fania dieses Partisanen-Fort zu besichtigen und sich über den mutigen Widerstand der jüdischen Partisaninnen und Partisanen gegen die Nazis zu informieren. Darüber hinaus organisierte der irische Botschafter Denham, der die gesamten Bemühungen des westlichen diplomatischen Korps inspirierend initiiert und geleitet hatte, ein Bankett, um Fania zu ehren und ihr eine Urkunde für ihr Lebenswerk zu überreichen. Der amerikanische Botschafter John A. Cloud stellte ihr seine eigene Urkunde aus, die er bei einem von der Botschaft gesponserten Mittagessen überreichte. In der Geschichte der Diplomatie war dies das erste Mal seit dem Zusammenbruch der UdSSR, dass westliche Diplomaten in diesen Ländern energisch und öffentlich gegen den Missbrauch staatsanwaltschaftlicher Befugnisse zur Verunglimpfung und Delegitimierung von Personen protestierten, die bei den Staatsorganen in Ungnade gefallen waren. Ein Jahr später gab der deutsche Botschafter Hans-Peter Annen einen Empfang für Fania, bei dem er ihr das Bundesverdienstkreuz des deutschen Bundespräsidenten überreichte.

Die antisemitische Täter-Opfer Umkehr und Agitation gegen ehemalige Partisaninnen und Partisanen wie Fania Brantsovskaya oder Yitzhak Arad wird von dem Historiker Saulius Sužiedelis in seinem 2025 erschienen Buch Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania erkannt.[1] Der emeritierte Professor an der Millersville University of Pennsylvania schreibt in seinem Buch eine umfassende Geschichte des Holocaust in Litauen. Den Antisemitismus der Litauischen Aktivistenfront (LAF) nennt er auch beim Namen.[2]

Rot=Braun Ideologie

Vor diesem Hintergrund ist jedoch seine aggressive Abwehr der Kritik am Antisemitismus und der Holocaustverharmlosung durch die Rot=Braun-Ideologie von Dovid Katz oder Efraim Zuroff bemerkenswert. Ja, Sužiedelis macht sich – als amerikanisch-litauischer Professor – gar nicht die Mühe, sich mit der wissenschaftlichen Analyse und Kritik wie von Dovid Katz zu befassen und schreibt faktenfrei:

In ihrem Angriff auf die Vermischung von Kommunismus und Nationalsozialismus wurde jedoch die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema nicht erwähnt (…).[3]

Dabei zitiert er zwar zwei journalistische Beiträge von Dovid Katz von 2009 sowie von Efraim Zuroff, aber nimmt das nicht als wissenschaftliche Kritik wahr und ernst. Hätte Sužiedelis, der lediglich 30 Jahre an diesem Buch arbeitete,[4] sich etwas näher mit der Thematik der Holocaustverharmlosung und der Analogie von Rot und Braun beschäftigt, hätte er einige wissenschaftliche Artikel von Dovid Katz finden müssen.[5]

Doch Sužiedelis ignoriert diese Forschung einfach und behauptet dann, Katz würde die wissenschaftliche Literatur nicht rezipieren, dabei ist Sužiedelis ganz offenkundig der Ignorant, da er keine einzige der von mir hier zitierten wissenschaftlichen Arbeiten von Dovid Katz rezipiert hat und Katz wiederum bezieht sich ja auf viele andere wissenschaftliche Texte und bettet das jeweils in eine luzide Analyse und Kritik der Rot=Braun- oder Holocaustverharmlosungs-Ideologie ein.

Da Sužiedelis jedoch mit der umstrittenen litauischen staatlichen Kommission, der bereits oben zitierten International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania zusammenarbeitet, ist das kein Wunder. Er bedankt sich in seiner Studie sogar bei Ronaldas Račinskas, der jene Internationale Holocaust Kommission leitet, sowie bei Emmanuel Zingeris aus Litauen.[6]

Es ist eine Mischung aus Perfidie und Unkenntnis, wenn Sužiedelis Dovid Katz vorwirft, diese Holocaust verharmlosende Kommission zu kritisieren, da doch deren Vorsitzender ein Jude sei, Emmanuel Zingeris.[7] Was soll das aussagen? Dovid Katz hatte offenkundig, seine Seite Defending History zeugt davon, guten und engen wissenschaftlichen, politischen und persönlichen Kontakt zum damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Vilnius, Shimon Alperovich, zu Milan Chersonski, dem Herausgeber der (viersprachigen) Zeitung der jüdischen Gemeinde in Vilnius, zum Holocaustüberlebenden Pinchos Fridberg aus Vilnius, zu Fania Brantsovksaya, zu Rachel Margolis, zu Yitzhak Arad und vielen weiteren Juden und Jüdinnen.

Sodann bezieht sich Sužiedelis in diesem Kontext bzw. der dazugehörigen Fußnote auf Timothy Snyder, ohne mit einem Hauch auf die massive wissenschaftliche Kritik an der Holocaust verharmlosenden Dimension von dessen Buch „Bloodlands“, wo er ganz typisch Rot und Braun analogisiert, einzugehen.

Neben Dovid Katz[8] waren viele weitere Historiker*innen in die Debatte involviert und haben Snyder teils massiv und scharf kritisiert, darunter waren Dan Diner[9] vom Simon Dubnow Institut in Leipzig, Yehuda Bauer[10] (1926-2024) und Dan Michman[11] von Yad Vashem aus Israel, Jürgen Zarusky[12] (1958-2019) vom Institut für Zeitgeschichte in München, der rumänische Holocaustforscher Michael Shafir (1944-2022)[13] sowie der Verfasser dieses Textes[14] und weitere Kritiker*innen.

Doch ideologisch ist eben keineswegs nur Litauern, vielmehr auch Deutschland seit vielen Jahren auf dem Kurs der antisemitischen Rot=Braun-Ideologie. Die Prager Deklaration steht dafür exemplarisch, der spätere Bundespräsident Joachim Gauck ist einer ihrer Unterzeichner. Der Kern der Prager Deklaration ist folgender:

Dabei geht es um die am 3. Juni 2008 im Prager Senat von mehreren, teils international recht bekannten Politikern, Wissenschaftlern und Aktivisten angenommene „Prager Deklaration“. Darin wird in einem 19 Punkte umfassenden Programm der Stalinismus bzw. „der Kommunismus“ mit dem Nationalsozialismus gleich gesetzt. Gleich in Punkt eins heißt es, es solle an ein „gesamteuropäisches Verstehen“ appelliert werden, dass die „nationalsozialistischen und kommunistischen totalitären Regime jedes nach seinem Wert“ beurteilt werden mögen, beide „Regime“ hätten gleichermaßen „aggressive Kriege angefangen“ (!) als „untrennbarer Teil ihren Ideologien“, beide hätten „ganze Nationen deportiert und vernichtet“ (!) und dass somit diese beiden Regime die „Hauptkatastrophen“ des „20. Jahrhunderts“ darstellten.

Zweitens sollen die vielen „Verbrechen“, welche „im Namen des Kommunismus“ begangen wurden als „Verbrechen gegen die Menschheit“ betrachtet werden, „genauso wie die Nazi Verbrechen vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal beurteilt“ wurden. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 9 der Deklaration, worin gefordert wird, den „23. August“ 1939, den Tag an dem der „Hitler-Stalin Pakt“ unterzeichnet wurde, als „Gedenktag an die Opfer von nationalsozialistischem und kommunistischen Regimes“ einzurichten, „in genau der Art wie Europa die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert“. In Punkt 17 wird schließlich gefordert, alle „europäischen Textbücher anzupassen und zu überarbeiten, damit die Kinder lernen und vor dem Kommunismus und seinen Verbrechen gewarnt werden können, auf die gleiche Weise wie sie gelernt haben die Nazi-Verbrechen zu beurteilen.“

Damit ist der Kern der Prager Deklaration eindeutig: der Holocaust war demnach kein präzedenzloses Verbrechen, der Antisemitismus der Deutschen und ihrer Helfer war nichts Besonderes, vielmehr ‚typisch‘ für ‚totalitäre Regime‘ wie dem Nazismus und Kommunismus. Der Holocaustgedenktag soll abgewertet bzw. ersetzt werden! [15]

Deutsche Panzer wieder in Litauen: Stoppt die Militarisierung Europas

Es ist absolut notwendig, dass das jüdische Partisanen-Fort erhalten bleibt und als Gedenkort des Widerstands gegen den Holocaust in diesem EU-Land gewürdigt wird.

Dovid Katz fordert:

Es ist bedauerlich, dass Bundeskanzler Merz über die Geschichte des Holocaust-Widerstandes unweit des neuen deutschen Truppenübungsplatz vielleicht nicht richtig informiert war, weshalb er am vergangenen Donnerstag bei den Eröffnungsfeierlichkeiten schwieg. Aber das kann jetzt schnell korrigiert werden durch die Entschlossenheit des deutschen Verteidigungs- und Außenministeriums und auch der Partnerstreitkräfte im NATO-Bündnis, ein Projekt zur Wiederherstellung der jüdischen Widerstandsfestung in enger Zusammenarbeit mit den litauischen Behörden und internationalen Holocaust-Gedenkorganisationen anzukündigen. Angesichts der Ungeheuerlichkeit des Holocaust-Völkermordes verdient die einzige erhaltene jüdische Festung auch den Schutz der UNESCO und anderer Organisationen.

Die völlig absurde Vorstellung, Russland würde ‚einfach so‘ Länder überfallen, weil es ein imperialistisches Land sei, könnte die kritische Politikwissenschaft detailliert widerlegen. Der Ukraine-Konflikt ist sehr vielschichtig, beide Seiten tragen hierbei Schuld, Russland für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die Ukraine und die NATO für jahrelange Provokationen inklusive Rassismus gegenüber der starken Russisch sprachigen Minderheit zumal im Osten und Südosten der Ukraine.

Aber wer ist heutzutage schon an Wissenschaft und Reflektion oder Kritik interessiert, wenn sage und schreibe 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung und somit Kriegsvorbereitung ausgegeben werden sollen von allen NATO-Staaten?

Eine Auflösung der NATO wäre viel friedensfördernder. Sie wurde als Reaktion auf die Sowjetunion 1949 gegründet, 1955 wurde dann der Warschauer Pakt gegründet, der aber nur bis 1991 bestand. Warum gibt es die NATO weiterhin?

Und welches Militärbündnis hat sich nochmal seit 1991 extrem ausgebreitet in Europa, ist also eine imperialistische Macht?

Das macht Putin nicht weniger schlimm und autokratisch, er ist eine extreme Gefahr für die demokratische Opposition in Russland und weltpolitisch mit seiner Unterstützung des Iran (allerdings aktuell kaum, die Angriffe Israels führten zu keiner militärischen Unterstützung Russlands für den Iran), der Hamas oder auch Chinas.

Wobei sich ja bekanntlich China mit seiner äußerst brutalen, antidemokratischen, irrationalen und gesundheitsgefährdenden Corona-Politik in die Herzen aller linken und sonstigen ZeroCovid-Fanatikerinnen (oder auch von Angela Merkel, die begeistert war, wie maskiert China war und vor allem wie wenig Proteste es dort gegen die Corona-Politik anfangs gab oder geben konnte, im Gegensatz zu Deutschland!) gebrannt hat.

Autorinnen oder Verleger, die sich für eine vielfältige oder auch kinderfreie Zukunft aussprechen und die Normalfamilie (bzw. die Produktion von Kanonen- und Drohnenfutter) in Frage stellen, werden bekanntlich in Russland per Gesetz diskriminiert, ja strafrechtlich verfolgt! Russland hat Besseres verdient als Putin, so wie die USA Besseres verdient haben als Trump, by the way (siehe dazu die aktuelle Bruce Springsteen Tour in Deutschland und die No King-Proteste am 14. Juni 2025 in den ganzen USA mit ca. 5 Mio. Demonstrant*innen im ganzen Land auf ca. 2100 Demonstrationen angesichts einer unerträglichen, Nordkorea-Style Militärparade für Trumps Geburtstag).

Dazu kommt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach, wie es selbst die New York Times mittlerweile sieht, das Virus SARS-CoV-2 vermutlich bei einem Laborunfall in Wuhan (China) freigesetzt wurde. Stichwort: BSL 2 statt BSL-3 oder 4. Wer nicht weiß was BSL heißt, hat die Jahre 2020 bis 2025 verschlafen und sieht gar nicht was für Gefahren aus solchen Laboren für die ganze Welt entspringen können. Die Gain-of-Function-Forschung ist ein weiteres Stichwort.

Der Krieg in der Ukraine muss sofort beendet werden. Doch dieser Krieg hätte ohne Gebietsverluste für die Ukraine bekanntlich im April 2022 beendet werden könne, doch fanatische NATO-Mitgliedsländer und Politiker wie Boris Johnson wollten lieber Hunderttausende Soldaten sterben sehen in der Ukraine, weil sie mit Putin nicht verhandeln. Es wird jetzt in der Ukraine auch auf eine diplomatische Lösung hinauslaufen – aber mit massiven Gebietsverlusten und Zehntausenden oder Hunderttausenden Toten für die Ukraine und noch mehr Toten für Russland, die 2022 noch verhindert hätten werden können mit einem Autonomiestatus für die östlichen Provinzen in der Ukraine.

Deutschland könnte Litauen vielmehr diplomatisch und politisch, zivilgesellschaftlich helfen, sich mit der eigenen verbrecherischen Geschichte im Zweiten Weltkrieg und während der Shoah zu beschäftigen. Doch in Litauen passiert das exakte Gegenteil. Viele litauische Täter im Holocaust waren Teil der Litauischen Aktivisten Front (LAF), Katz berichtet von einem Skandal von 2025, der keiner wurde, weil das fast niemanden interessiert, wer wie wo Nazitäter verharmlost oder feiert:

Der renommierte Harvard- und an der Universität von Chicago ausgebildete amerikanisch-litauische Professor und Analyst für öffentliche Angelegenheiten, Kęstutis Girnius, versuchte vor anderthalb Jahrzehnten, Unterstützung für eine rechtsextremistisch inspirierte Exkulpation der „Litauischen Aktivistenfront“ (LAF, Lietuvių aktyvistų frontas, „Weiße Armbänder“) zu bekommen. Das war jene Organisation von 1941, die kein einziges Kaninchen schoss [was schlimm genug gewesen wäre, CH], als die Sowjets an der Macht waren (1940-1941), aber in dem Moment, als die sowjetische Armee ihre panische Flucht nach Osten begann und es keine Behörde gab, die sie aufhalten konnte, begann, Tausende unschuldiger jüdischer Nachbarn zu ermorden.

Hitlers örtliche Schergen erklärten eine „Unabhängigkeit“, die den Treueeid auf Adolf Hitler, die Verpflichtung, Litauen von allen Juden zu befreien, und die Entfesselung eines barbarischen Mordes beinhaltete, noch bevor die Deutschen eintrafen oder ihre Kontrolle einrichteten. Jeder wahre Freund Litauens wird verstehen, dass dies die Art von pro-faschistischem Revisionismus ist, die das schöne, moderne, tolerante, demokratische Litauen wie ein Loch im Kopf braucht.

Aber wie gesagt: Wer interessiert sich schon für Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Diplomatie, Reflektion oder Kritik am Antisemitismus? Das betrifft ja sogar sehr viele Leute aus der Pro-Israel Community, die für andere Formen des Antisemitismus wie der Holocaustverharmlosung nicht nur keinen Blick haben, sondern sich lieber mit dem Bild von Selenskyi als Profilbild auf den a-sozialen Medien ‚schmücken‘ und keine rationale Analyse des Krieges in der Ukraine wollen. Denn das würde zeigen, dass es in der Ukraine exakt wie in Litauen auch Holocausttäter gab, die heute als „Helden“ erinnert werden.

Das ist ja der Grund, warum die Ukraine das Land ist – weltweit – mit den vermutlich meisten Denkmälern, Straßennamen, Plaketten etc. pp. für Holocausttäter und Nazi-Kollaborateure, wie der Journalist Lev Golinkin schon vor dem Ukraine-Krieg zeigen konnte. Und auch in Deutschland gibt es ja noch sehr viele Straßen, die nach Nazis benannt sind – bis heute, erst äußerst mühsam entscheiden sich manche Kommunen, die eine oder andere Straße umzubenennen.

Von Kojaks The Belarus File zu Standing Ovations für einen ukrainischen SS-Mann 2023 in Kanada

Dazu passt Folgendes: Eine schockierende Live-Übertragung aus dem kanadischen Parlament in Ottawa ereignete sich am 22. September 2023. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi war eingeladen, um im Parlament zu sprechen, neben dem damaligen kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der ja eher dem „woken“ oder links-liberalen Lager zuzuordnen ist. Gegen Ende der Veranstaltung im vollbesetzten kanadischen Parlament erwähnte der Parlamentssprecher Anthony Rota, dass jemand auf der Tribüne sitzen würde, ein „kanadisch-ukrainischer Kriegsveteran aus dem Zweiten Weltkrieg“, der „die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen“ erkämpft habe „und bis heute die Truppen“ – die ukrainischen Truppen – unterstützen würde. „In seinem Alter von 98 Jahren“. Das wurde damals live im Fernsehen übertragen, man kann das Video hier anschauen (ab Min 1:10:00).

Dann zeigt sich der 98 Jahre alte Kanada-Ukrainer und alle zollen ihm frenetischen stehenden Applaus und der Sprecher des Parlaments lacht dazu.

Sein Name ist Yaroslav Hunka. „Er ist ein ukrainischer Held“. „Ein kanadischer Held“. „Und wir danken ihm für all seine Dienste. THANK YOU!

Und wieder tosender stehender Applaus des gesamten Parlaments und aller Gäste, inklusive natürlich Selenskyi.

Presseagenturen nannten die Einheit, in der Hunka diente, die „erste ukrainische Division“. Das ist jedoch nur ein anderer Name für die „1. galizische SS Division“ und zugleich die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS. Lev Golinkin vom jüdischen Forward schreibt am 24. September 2023 :

Die 1943 gegründete SS Galizien setzte sich aus Rekruten aus der Region Galizien in der Westukraine zusammen. Die Einheit wurde von den Nazis bewaffnet und ausgebildet und von deutschen Offizieren befehligt. 1944 wurde die Division von SS-Chef Heinrich Himmler besucht, der von der „Bereitschaft der Soldaten, Polen abzuschlachten“ sprach.

Drei Monate zuvor verübten Untereinheiten der SS Galizien das so genannte Massaker von Huta Pieniacka, bei dem 500 bis 1.000 polnische Dorfbewohner lebendig verbrannt wurden.

Der kanadische Parlamentssprecher Rota hatte sich offenkundig mit Hunka vor dieser Veranstaltung näher befasst – aber schlichtweg ignoriert, was im Zweiten Weltkrieg „Widerstand“ oder „Befreiungskampf“ von Ukrainern hieß. Die SS organisierte den Holocaust, auch in der Ukraine. Die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS ist bekannt für ihre Morde im Holocaust und genozidale Verbrechen an Polen.

Jeder Mensch mit einem Hauch von Geschichtsbewusstsein weiß, dass gerade ehemalige Holocaust-Täter in die USA oder Kanada emigrierten nach 1945. Einer der bekanntesten und besten Filme dazu ist der Kojak Krimi „The Belarus File“. Darin geht es exakt um solche Hunkas, die in den USA untertauchten und dann mitunter auf die wenigen überlebenden Juden trafen. Am Ende wird der Nazi-Kollaborateur ausgeschaltet – von Kojak. Ein absolut beeindruckender Film, den offenbar kein Mensch dieser versammelten kanadischen Elite an jenem 22. September 2023 vor Augen hatte.

Sie applaudierten einem SS-Mann. Im Jahr 2023. Das zeigt, zu was der schier unschilderbare Pro-Ukraine Fanatismus führen kann.

Weniger später, am 26. September 2023 hat dann der bis dahin völlig naive oder historisch ungebildete kanadische Parlamentssprecher Anthony Rota Konsequenzen gezogen und trat zurück. Trudeau oder Selenskyi traten jeweils nicht zurück und die versammelte kanadische parlamentarische Elite trat auch nicht zurück. Jeder und jede Einzelne wird erinnert werden als eine Person, die einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur, der in einer SS-Division und im Holocaust aktiv war, frenetischen Applaus zollte.

Im Jahr 2023.

Weil ja die wenigsten Menschen seit 1945 Zeit hatten, sich mit der Geschichte des Holocaust zu befassen.

1988 wurde 20 Meilen vor Toronto in Kanada auf den Oak Memorial Gardens ein Denkmal für exakt jene 14. Waffen-SS-Division (1. Galizische) errichtet. Dieser Garten ist Teil des St. Volodymyr Ukrainian Friedhofs in Oakville. Man muss sich das vorstellen: Mehr als 40 Jahre nach dem Holocaust wurde im Jahr 1988 in Kanada, einer westlichen Demokratie, für diese Nazi-Kollaborateure ein Pro-Holocaust Denkmal errichtet!

Dieses Denkmal für die ukrainischen SS-Nazis wurde jetzt endlich nach vielen Jahrzehnten im März 2024 von dem Friedhof entfernt. Jahrzehntelange Proteste jüdischer Organisationen hatten nie etwas bewirkt – waren ja nur Juden, die protestierten, oder Überlebende. Aber jetzt, angesichts des Skandals mit den stehenden Ovationen für den 98-jährigen Nazi bzw. Nazi-Kollaborateur und SS-Mann Yaroslav Hunka im kanadischen Parlament am 22. September 2023 gab es doch eine kleine Schockwelle in Kanada.

1985 lief der erwähnte Kojak-Kinofilm „The Belarus File“. Darin geht es nicht nur um einen Holocausttäter, sondern insbesondere auch um US-amerikanische Direktive, juristisch nicht gegen diese Verbrecher vorzugehen. Die USA unterstützten viele Nazis und Nazi-Kollaborateure nach 1945, die Wernher-von-Braun Memorial Lecture in den USA („Die Karriere des Wernher von Braun. Von den Nazis zur NASA“), die 1978 das erste Mal veranstaltet wurde, ist ein typisches und obszönes Zeichen dafür. Da die USA wie damals die Nazis, die Polemik ist gar keine, weil sich die USA ja von sich aus in die Tradition des Nazis Wernher von Braun stellen!, der Expansion widmen, geht es heutzutage vor allem um das Weltall. Das zeigt sich im Expanding Exploration: From Vision to Reality. The 2024 von Braun Space Exploration Symposium im Oktober 2024 in Huntsville.

Wer die wirklich völlig fanatisch-euphorischen, enthusiastischen Gesichter dieser kanadischen Parlamentarier*innen sah, die mehrfach wie durchgedreht einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur Beifall klatschten, WEIL er ja gegen „den“ Russen kämpfte – der sieht, wie wenig aus der Geschichte des SS-Staates weltweit bis heute gelernt wurde. Es ist auch ein direktes Resultat der jahrzehntelangen Agitation der Propagandist*innen der Prager Deklaration und insgesamt der Gleichsetzung von Rot und Braun.

Sowjets schlimmer als Nazis: Litauen heute

Der jüdische Publizist aus Vilnius Arkady Kurliandchik, der auch den antizionistische Antisemitismus im heutigen Litauen kritisiert, bringt es im November 2024 so auf den Punkt:

Litauen hat im zwanzigsten Jahrhundert bekanntlich zwei Besatzungen erlebt: Die sowjetische und die deutsche. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 und vor allem in jüngster Zeit hat sich die allgemeine Auffassung durchgesetzt, dass die sowjetische Besatzung „schlecht“ und die deutsche Besatzung „gut“ gewesen sei. Diese Unterscheidung wird durch Denkmäler deutlich gemacht: Statuen von Persönlichkeiten aus der Sowjetzeit, auch von solchen, die in keiner Weise mit der Unterdrückung in Verbindung stehen, werden abgebaut, während Gedenktafeln für Naziverbrecher, die für die Massenvernichtung der litauischen Bevölkerung verantwortlich sind, aufgestellt und Straßen und Schulen nach ihnen benannt werden.

Man könnte sogar zeigen, dass zwei der bekanntesten Leugner der Präzedenzlosigkeit der Shoah nahezu zeitgleich 1949/1950 aktiv wurden und sagten, dass der Holocaust gerade nichts Einzigartiges oder nie Dagewesenes sei: Martin Heidegger und Aimé Césaire.

Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit der Shoah ist also keineswegs den postkolonialen Linken überlassen, wie viele vermuten und viele konservative bis neu-rechte und rechtextreme Publizist*innen, Parlamentarier*innen und Aktivist*innen, aber auch viele mehr oder weniger linke Wissenschaftler*innen behaupten oder zumindest insinuieren.

Deshalb mehr Geschichtsbewusstsein und weniger Militarismus wagen.

Besser Institute gründen in Litauen und überall für mehr zivile Lösungen, mehr Holocausterinnerung, mehr Diplomatie und Stopp der Aufrüstung.

Und gleichzeitig geht es um die Sicherung der jüdischen Orte des Widerstands gegen den Holocaust und die deutschen wie litauischen Antisemiten und Mörder, die die Juden im Holocaust in Litauen in einer ‚Effektivität‘ massakrierten wie an keinem anderen Ort der Welt – 95 Prozent der litauischen Juden wurden im Holocaust ermordet.

Antisemitismus ist also ein viel komplexeres Thema, als es viele wahrhaben wollen, gerade auch solche, die so tun oder immer so taten, als ob ihnen die Erinnerung an die Shoah wichtig sei.

Antizionismus ist die heute gefährlichste Form des Judenhasses. Aber viele, die diesen erkennen, sind häufig unfähig, andere Formen des Antisemitismus zu erkennen – und gerade Konservative in West- wie Osteuropa und Nordamerika, ja überall, die sich häufig pro-israelisch geben, sind mit die Schlimmsten, wenn es um die Umschreibung der Geschichte geht, von den postkolonial argumentierenden Linken abgesehen, die die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz leugnen und den Unterschied von Sklaverei und Gaskammern nicht im Ansatz begriffen zu haben scheinen.

Das Beispiel aus Kanada von 2023 sagt eigentlich alles über das komplette westliche Versagen, die Geschichte des Holocaust und der Täter und Kollaborateure aufzuarbeiten. Im Osten Europas wird in weiten Teilen nicht nur nicht oder verzerrt aufgearbeitet, sondern die Nazi-Kollaborateure werden geehrt, gerade auch nach solchen Skandalen wie in Kanada:

Der Gebietsrat von Ternopil [in der Ukraine, CH] zeichnete mit der Anordnung Nr.22 vom 6. Februar 2024 Hunka mit dem Jaroslaw-Stezko-Ehrenabzeichen „Für Verdienste um die Region Ternopil“ aus.

Wer war Jaroslaw-Stezko? Der Journalist Golinkin schreibt:

1941 stand Stetsko an der Spitze der mit den Nazis kollaborierenden Regierung der OUN-B, die den deutschen Einmarsch in die Ukraine begrüßte und Hitler die Treue hielt. Er war ein völkermordender Antisemit, der geschrieben hatte: „Ich bestehe auf der Ausrottung der Juden und der Notwendigkeit, die deutschen Methoden zur Vernichtung der Juden in der Ukraine zu übernehmen.“

Diesen Mann also würdigt und feiert die heutige Ukraine, die WIR – gerade wir Deutschen – doch mit allen, wirklich allen Mitteln verteidigen müssen.

 

[1] Saulius Sužiedėlis (2025): Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania, Boston: Academic Studies Press (in Kooperation mit dem United States Holocaust Memorial Museum), S. 532-536.

[2] Ebd., S. X.

[3] Ebd., S. 539.

[4] Ebd. S. X.

[5] Dovid Katz (2009): “On Three Definitions:  Genocide; Holocaust Denial; Holocaust Obfuscation”, in: Leonidas Donskis (Hg.), A Litmus Test Case of Modernity. Examining Modern Sensibilities and the Public Domain in the Baltic States at the Turn of the Century [=Interdisciplinary Studies on Central and Eastern Europe 5], Bern u.a: Peter Lang, S. 259-277 ; Dovid Katz (2016): “Is Eastern European ‘Double Genocide’ Revisionism Reaching Museums?”, in: Dapim: Studies on the Holocaust, vol. 30.3, S. 1–30, 18. Nov. 2016; Dovid Katz (2017): “Free Trade Awry? The Westward Export of Double Genocide”, in: Danielle Buschinger u.a. (Hg.), Mélanges offerts à Jeff Richards par ses amis à l’occasion de son 65e anniversaire, Amiens: Centre d’Etudes Médiévales de la Picardie, S. 413-443; Dovid Katz (2018): “The Baltic Movement to Obfuscate the Holocaust” in: Alex J. Kay/David Stahel (Hg), Mass Violence in Nazi-Occupied Europe: New Debates and Perspectives (Indiana University Press: Bloomington, Indiana), S. 235-261.

[6] Sužiedėlis 2025, S. XII.

[7] Ebd., S. 538.

[8] Dovid Katz (2009a): “Prague’s Declaration of Disgrace,” 21. Mai 2009, http://www.thejc.com/comment/comment/prague%E2%80%99s-declaration-disgrace.

[9] Dan Diner (2012): “An Auschwitz vorbei. Timothy Snyder erhält für sein Buch ‘Bloodlands’ den diesjährigen Leipziger Buchpreis. Zu Recht? Jedenfalls weist seine angeblich wegweisende Arbeit Mängel auf,” March 17, 2012, http://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article13927362/An-Auschwitz-vorbei.html.

[10] Yehuda Bauer (2010): Remembering accurately on International Remembrance Day, Jerusalem Post, 25.01.2010.

[11] Dan Michman (2012): Bloodlands and the Holocaust, in: Journal of Modern European History / Zeitschrift für moderne europäische Geschichte / Revue d’histoire européenne contemporainem Vol. 10, No. 4, Eugenics after 1945 (2012), S. 440-445.

[12] Jürgen Zarusky (2012): Timothy Snyders „Bloodlands“. Kritische Anmerkungen zur Kon­struktion einer Geschichtslandschaft, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 60. Jg., Nr. 1, S. 1–31.

[13] Siehe z.B. „Papers by Professor Michael Shafir (1944-2022)“, https://defendinghistory.com/papers-by-professor-michael-shafir-1944-2022/112393.

[14] Siehe das Kapitel Ernst Nolte’s ‘grandson,’ the new German President and the Prague Declaration, in: Clemens Heni (2013), Antisemitism:  A Specific Phenomenon. Holocaust trivialization – Islamism –Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin: Edition Critic, S. 313-373.

[15] Clemens Heni (2010): Die Prager Deklaration. Antisemitismus im neuen Europa, Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Jg. 49, Nr. 194 (2010), S. 106–112, hier S. 106 f.

Die Zerstörung von Gaza im Schatten des Iran-Krieges und die Pulverisierung der jüdisch-zionistischen Ethik

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Das islamistische Regime in Teheran muss fallen. Es hätte nie an die Macht kommen dürfen und ist ein frauenverachtender Terrorstaat, der primitive Beweggründe – fanatische Religion – zu einer Staatsdoktrin gemacht hat. Der Hass auf Juden und Israel ist zentral für alle iranischen Politiker. Schon seit Jahrzehnten hätten alle Botschaften des Iran geschlossen gehört und das Land komplett isoliert – was natürlich nicht geschah, weil zumal der Kapitalismus mit dem Regime viel Geld verdient und der Welthandel von dem Land mit abhängt.

Doch jetzt sieht Israel die schrecklichen Folgen des Krieges vor Ort. Zerstörungen von Häusern, Wohnungen, ja ganzen Straßenzügen wie in Rehovot, Bat Yam, Haifa, Tel Aviv und vielen anderen Orten, schon über Dutzende Tote und Hunderte Verletzte.

Der linke Israeli, ehemalige Elitesoldat der IDF, Publizist und bekannte Menschenrechtsanwalt Michael Sfard schreibt heute in der Haaretz:

Wir müssen zugeben, dass dieses Phänomen so alt ist wie die Menschheit – gewalttätiger männlicher Tribalismus, der geradezu vor Stolz über die Fähigkeit, den stärksten Schlag auszuführen, platzt.

Ich bin kein Pazifist; manchmal ist die Anwendung von Gewalt notwendig. Aber Israel hat sich eine Weltanschauung zu eigen gemacht, nach der jedes Problem mit Gewalt gelöst werden sollte, und das israelische Volk ist zu einem Kollektiv geworden, das Gewalt und Brutalität bewundert, während es den Dialog und Kompromiss verachtet.

Sfar ist schockiert, wie die israelische Gesellschaft verroht und das völlige Plattmachen – im wörtlichen Sinne – des Gazastreifens propagiert, durchführt und feiert.

Verzeihen Sie mir also, wenn meine größte Befürchtung im Hinblick auf den Krieg mit dem Iran darin besteht, dass der geringe internationale und nationale Widerstand gegen die ethnische Säuberung und das Massenmorden im Gazastreifen vollends in sich zusammenbrechen wird.

Sfar ist Israeli, sein kurzes, einjähriges Leben in England war eine „Tragödie“ für ihn, er will in Israel leben – und kämpfen. Kämpfen gegen Rassismus, Ungerechtigkeit und Verbrechen wie die gezielte Vertreibung von Palästinenser*innen im Westjordanland und jetzt auch im Gazastreifen.

Und es ist wiederum der jüdische Philosoph Emmanuel Levinas, der einen Tag nach dem Massaker von christlichen Milizen an Palästinensern in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila in Beirut im Libanon – das die israelische Armee und Besatzungsmacht hätte verhindern können und müssen! – mit einigen Hundert bis zu 3000 Massakrierten im September 1982 in einem Radiogespräch vom 28. September im Radio-Communauté mit Shlomo Malka und Alain Finkielkraut Folgendes sagte:

Niemand hat den ‚Holocaust‘ vergessen, es gibt keine Möglichkeit, diejenigen Sachverhalte zu vergessen, die zur unmittelbarsten und persönlichsten Erinnerung eines jeden an seine Verwandten, bezüglich derer man sich bisweilen anklagt, überlebt zu haben, gehören. Das rechtfertigt keineswegs, daß man sich der Stimme der Menschen verschließt, in der ebenso die Stimme Gottes erklingen kann. Sich auf den ‚Holocaust‘ berufen, um zu sagen, daß Gott unter allen Umständen mit uns ist, ist ebenso verabscheuenswert, wie das ‚Gott mit uns‘, das sich auf den Gürtelschnallen der Henker befand.

(Emmanuel Levinas (2007): Verletzlichkeit und Frieden. Schriften über die Politik und das Politische, Zürich/Berlin: Diaphanes, S. 240.)

Sfard bezieht sich auf eine Analyse in der Haaretz vom 12. Juni 2025, worin es heißt:

Am Vorabend des Krieges hatte der Großraum Rafah im Gazastreifen 275.000 Einwohner. Das Flüchtlingslager Jabalya hatte 56.000 Einwohner. Beit Lahia hatte 108.000 Einwohner.

Da wurden ganze Städte einfach nahezu komplett zerstört. Die Gebäude wurden zerstört zu einem Zeitpunkt als alle Bewohner*innen bereits vertrieben waren. Es ist also kein Genozid. Es ist aber ein Kriegsverbrechen, gezielt die Infrastruktur eines bestimmten Volkes zu zerstören, damit dieses Volk keine Lebensgrundlage und keinen Ort zum Zurückkehren mehr hat.

Es geht Michael Sfard und vielen linkszionistischen Jüdinnen und Juden in Israel darum, dass diese Kriege die jüdische und zionistische Ethik beschädigen. Emmanuel Levinas würde massiv protestieren gegen das aktuelle Israel und die Politik im Westjordanland und in Gaza.

Der Zionismus hat mit religiösen Bedürfnissen rein gar nichts zu tun und „heilig“ ist dem Zionismus nicht das Land, schon gleich gar nicht das Westjordanland, ja nicht einmal die Klagemauer. Zionismus hieß für die Gründungsmütter und -väter: jüdische Souveränität!

Sfard findet es unerträglich, dass angebliche Verhandlungen über die Geiseln von Netanyahu nur benutzt wurden, um den Iran abzulenken. Doch die meisten Israelis scheinen das zu mögen, er ist deprimiert:

Leider weiß ich, dass diese Fragen die meisten Israelis nicht beunruhigen. Dass es hier fast niemanden gibt, mit dem man reden kann. Dass wir auf Drogen sind, voll von schwadronierenden Slogans und in militaristischer Ekstase schwebend.

Wir haben auch hier in Deutschland kaum jemanden, mit dem „wir“ – also die Linkszionist*innen – reden können. Die „Israel-Szene“ ist in einem bunkerfesten Kokon gefangen und sieht in nahezu jeder Stimme gegen „Bibi“ einen Antisemiten und die Palästina-Szene ist voll von blutlüsternen Antisemiten aller Geschlechter.

Das ist die Lage am 4. Tag des Israel-Iran Krieges und des 619. Tages des Krieges gegen die Hamas.

Es ist eine Lage, die viel tiefer blicken lässt, wenn man es sehen will, als es diese Fakten andeuten. Es geht um Millionen völlig kaputter Menschen im Gazastreifen, die Jahre oder Jahrzehnte brauchen werden, um ihre Häuser wieder aufzubauen. Damit züchtet Israel die nächste Hamas-Generation heran – das wiederum weiß die Elite in Israel, die militärische und geheimdienstliche und politische und will deshalb wie Trump alle Gaza-Palästinenser*innen zum Verlassen der Gegend zwingen („freiwillige“ Flucht).

Damit sie in Ägypten oder Jemen oder Jordanien die nächste Terrororganisation gegen die Juden aufbauen können?

Es braucht eine Allianz für den Zionismus und die Abraham Verträge waren ein wichtiger Schritt in diese Richtung, doch Israel verspielt dieses Vertrauen spätestens seit den nicht mehr nachvollziehbaren Aktionen in Gaza von Anfang 2024 bis heute.

Es muss um Angebote an Demokratie und Kooperation gehen, um die ganz konkrete Perspektive eines Staates Palästina, der nur existieren wird, wenn er Israel anerkennt. Wenn aber Israel einen solchen Staat Palästina nicht anerkennt, wird es keinen Frieden geben und weiter in regelmäßigen Abständen Bombenalarm, Tod und Verzweiflung. Auch ökonomisch wird Israel das nicht lange aushalten, zumal viele Junge dann doch auswandern werden, weil sie nicht von Rechtsextremen regiert werden wollen, von der Kriegssituation nicht zu schweigen.

Es kann auch sein, dass Israel sich Sympathien in Iran mit der dortigen eigentlich scharfen Anti-Mullah-Bevölkerung verspielt, weil die nicht sieht, ob all diese Angriffe nachvollziehbar sind und der Opposition im Iran auch helfen.

Natürlich muss das iranische Atomprogramm gestoppt werden – aber ob es gestoppt werden kann, ist offenkundig völlig unklar. Was ist dann das Ziel von Netanyahu? Hat er für Iran so wenig ein klares UND erfüllbares Ziel wie in Gaza? Will er wieder nur seine eigene Haut retten und die Geiseln dabei vergessen, wie schon so oft seit Oktober 2023?

In jedem Fall sieht die Zukunft für Israel und die ganze Region ohne eine starke linkszionistische Regierung in Israel trübe aus. Es wird weiter männliche Stärke, Gewalt und Brutalität geben und die jüdische und zionistische Ethik „des Anderen“ von Emmanuel Levinas, dem großen Zionisten, wird weiter im Geröllstaub von Gaza nicht zu sehen sein.

Der Haaretz-Text auf den Michael Sfar sich bezieht, betont die rechtsextreme Ideologie hinter der Zerstörung von Gaza:

In rechten Kreisen macht ein neuer Begriff die Runde: „Zarbiving“ Gaza, benannt nach Rabbi Avraham Zarbiv, einem Richter am Rabbinatsgericht in Tel Aviv und in der städtischen Siedlung Ariel sowie einem Reservisten in der technischen Einheit der Givati-Infanteriebrigade. Zarbiv hat mehrmals in Interviews auf dem Bibi-istischen Kanal 14 mit der Zerstörung geprahlt, die er und seine Kameraden mit den D9-Bulldozern in Gaza anrichten. „Wir haben begonnen, fünf-, sechs- und siebenstöckige Gebäude abzureißen. Das System wird immer besser, und es funktioniert.“

Viele „Pro-Palästinenser“, die gar nicht Pro-Palästina sind meistens, sondern primär den Judenmord und die Auslöschung des einzigen Judenstaates meinen, können solche Berichte wie in Haaretz auch zitieren – das darf aber niemals ein Grund sein, sie nicht zu zitieren, weil davon die jüdisch-zionistische Ethik wie im Sinne von Emmanuel Levinas abhängt.

Es geht um eine gemeinsame Zukunft und gegen den Hass, wie ihn einige in Israel jetzt schüren oder gar Schadenfreude empfinden, als eine iranische Rakete ein israelisch-arabisches Haus traf und vier Menschen tötete. Entgegen den Hetzern muss es um Koexistenz, gegenseitigen Respekt und Frieden gehen – das alles betont heute in einem kurzen Video der Knessetabgeordnete Rabbi Gilad Kariv und teilte das mit seiner WhatsApp-Gruppe. Kariv ist Mitglied der im Juli 2024 gegründeten Partei „Die Demokraten“.

Wir brauchen exakt solche Stimmen in und aus Israel.

Denn solange „Free Free Palestine“ heißt: Tod den Juden, ist kein Frieden möglich.

Sobald die Parole heißt „Palästina neben Israel in Frieden“ wird es endlich klappen.

Doch solange „Am Israel Chai“ heißt, das Leiden in Gaza oder dem Westjordanland oder die rechtsextreme Innenpolitik zu ignorieren oder zu feiern, ist auch das nicht immer ein zielführender Slogan.

So komplex ist die Welt – zu kompliziert für beide Seiten, fast immer.

 

P.S.:

Wenige Stunden nach meinem Text kommt jetzt ein Kommentar der Soziologin Eva Illouz in der ZEIT, der ziemlich exakt meine Position untermauert:

„Macht es euch nicht zu einfach. Anmerkungen zur großen Frage, wie man den israelischen Angriff auf den Iran beurteilen soll“.

P.P.S.:

Und noch ein Text aus der ZEIT von heute, ein Inteview mit dem Historiker Moshe Zimmermann, der aktuell in Berlin ist:

„Es wird nur besser werden, wenn sich Israel auf Verständigung mit der Umwelt einstellt und gleichzeitig auch die arabische Welt sich mit der Idee versöhnt, dass auch eine jüdische Minderheit in der Region leben und einen Staat haben kann.“

Endlich: Das Ende des Atomprogramms der islamistischen Diktatur in Teheran?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Das islamistische oder islam-faschistische Regime in Teheran konnte nur tatenlos zuschauen, als Freitag Nacht 200 israelische Kampfflugzeuge über das Land flogen und militärische Einrichtungen, Terroristen und Anlagen zur Anreicherung von atomwaffenfähigem Material angriffen. Es ist der größte Angriff Israels auf den Iran überhaupt. Die Vernichtungsdrohungen Irans seit Jahrzehnten, seitdem die Mullahs 1979 die Macht an sich rissen, haben es unabdingbar gemacht, dass Israel wenigstens versucht, militärisch den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern.

Iranische Oppositionelle wie die Journalistin Masih Alinejad jubeln:

Removing a terrorist is not a tragedy, it is a step toward justice for all the innocent lives they destroyed. Israel strikes deep into Iran: Hossein Salami, the commander-in-chief of the IRGC, was reportedly killed by Israel، an outcome rooted in the Islamic Republic’s own actions: exporting terror, provoking wars, and pursuing nuclear weapons instead of answering the demands of its own people.

Freitag der 13. ist ein Tag der Freude – die selbstredend getrübt ist dadurch, dass ganz Israel sich unweit der Schutzräume und Bunker aufhalten muss, weil nicht klar ist, mit was für Drohnen oder Raketen die Islamisten zurückschießen. Doch insgesamt war die Gefahr erst einmal einschätzbar, die ersten 100 Drohnen wurden allesamt von Israel abgefangen, die meisten bevor sie überhaupt Israel erreichten.

Jedoch: In der Nacht von Samstag auf Sonntag gab es besonders brutale Raketenangriffe des Iran auf Wohngebiete in Israel, bislang sind dabei 11 Menschen gestorben und Dutzende verletzt worden. Es gab Treffer in Hochhäusern mit 33 Stockwerken, wie durch ein Wunder ist nicht das ganze Haus kollabiert und hat Hunderte Bewohner*innen in den Tod gerissen. Kleinere Häuser jedoch wurden teils komplett zerstört und Menschen dabei ermordet, auch arabische Israelis sind unter den Ermordeten.

Ob Israel den Iran mit den Angriffen tatsächlich von dem Bau einer Atombombe abhalten kann, ist wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. Speziell die Atomanlage in Fordo, die teils Hunderte Meter unter der Erde liegt, ist nicht leicht zu zerstören. Die ganz schweren Bunker zerstörenden Waffen haben nur die USA bzw. die können nur mit großen Bombern der US-Air Force transportiert werden.

Es hat jedenfalls ein Ende mit dem Herumlavieren, was das iranische Atomprogramm betrifft. Es muss und wird ausgeschalten werden. Die Vernichtungsdrohungen des islamistischen Regimes seit Jahrzehnten sind unerträglich.

Vor allem aber braucht es einen Regime Change im Iran – eine Revolution gegen die das Kopftuch und ihren Hass auf Frauen und Juden täglich zum Ausdruck bringenden Mullahs und ihrer Mittäter im ganzen Iran.

Fast alle Israelis, Juden wie Araber und alle anderen, mussten die letzten beiden Nächte konstant oder immer wieder in Sicherheitsräumen oder Bunkern verbringen.

Manche wie die ZDF-Fernsehgarten-Journalistin, Jüdin und Israelin Andrea Kiewel sitzen im Land fest und können nicht hinausfliegen, da der Flughafen Ben-Gurion geschlossen ist, ja der ganze Luftraum über Israel ist gesperrt.

Israelis können nicht einfach mit dem Auto in Nachbarländer fahren und von dort losfliegen, wie wir es zum Beispiel in der Bundesrepublik gleich in neun Nachbarländern tun könnten (Dänemark, Polen, Tschechische Republik, Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Niederlande). Die Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien helfen im Fall der Fälle überhaupt nicht und kein Israeli kann einfach so nach Syrien oder in den Libanon fahren.

Militärisch und atomtechnologisch waren die Angriffe vermutlich gerade jetzt wichtig, auch wenn wir das noch nicht wirklich gesichert wissen, da die letzten Jahrzehnte schon zu oft davon die Rede war, dass der Iran in einigen Wochen oder Monaten in der Lage gewesen sei, die Bombe zu bauen.

Dazu kommt das schreckliche Schicksal der Geiseln in Gaza. Haben sie noch eine Chance? Dazu müsste die IDF ihren Plan aufgeben, 70 Prozent des Gazastreifens zu beherrschen und diese Gegenden menschenleer (!) zu machen, also alle Palästinenser*innen in die mini-kleine Gegend von 25 Prozent des Gazastreifens zu zwingen.

Viele liberale und linke Israelis sind schockiert über diesen Plan, vorneweg IDF-Soldat*innen und Forscher*innen am Institute for National Security (INSS) der Tel Aviv University. Pnina Sharvit Baruch und Tammy Caner schreiben schon im Mai 2025, dass die Operation Gideon’s Chariots der IDF im Gazastreifen vermutlich „rote Linien“ überschreiten wird und sie sehen die Gefahr von „ethnischer Säuberung“, was nicht den Massenmord an Palästinenser*innen bedeuten muss, aber die Vertreibung einer ganzen ethnischen Gruppe zähle zu einem solchen Verbrechen.

Das also passiert zeitgleich, neben den innenpolitischen Verwerfungen wegen Rechtsextremismus in der Regierung und der weiterhin geplanten „Justizreform“, die sich primär gegen die Gewaltenteilung ausspricht.

Doch das wohl größte Thema für Israel seit ca. dem Jahr 2000 war die iranische Gefahr einer islamistischen Atombombe. Und diese Gefahr scheint jetzt aktuell und vielleicht für sehr lange Zeit und bei einem Regime Change gar für immer gebannt zu sein!

Eine säkulare Revolution im Iran gegen Islamismus, Kopftuch und religiösen Wahn sowie anti-westliche Propaganda und Antisemitismus wäre das Allerbeste, was den Iranerinnen und Iranern, der ganzen Region und der Welt passieren könnte.

 

P.S.:

Der Korrespondent in New York der israelischen Tageszeitung Haaretz, Etan Nechin, ist pessimistisch, er schreibt am 14. Juni 2025 angesichts der Angriffe auf den Iran bzw. des Iran auf Israel:

The days roll on. From one protest to the next, from hostage to hostage, another soldier killed, four more, cease-fire talks begin and end, delegations arrive in and depart from Doha, missiles shot at and from Yemen, and nothing changes.

We may again be saved by an Iron Dome. But not by a god from the sky. If anything is going to end us, it won’t fall like fire from above. It will rot from beneath: from the tunnels where the hostages sit, from the scorched roots of olive trees, from the silence we’ve taught ourselves to live with.

If this is victory, why does it feel like collapse?

Was den einen die Paraglider sind, ist den anderen die Drohne

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Angriff der Ukraine auf russische Kampfflugzeuge, die Atomsprengköpfe tragen können, zu dem sich der ukrainische Präsident mit Stolz bekannt hat, ist ein extremer Schritt in Richtung Drittem und letztem Weltkrieg.

Das hat mit einer Abwehr des russischen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs, der diplomatisch im April 2022 hätte beendet werden können, wie wir alle wissen, nichts mehr zu tun.

Ist jetzt auch Selenskyi ein Kriegsverbrecher? Diese Frage stellt sich.

Telepolis schreibt:

Die Operation wirft schwerwiegende völkerrechtliche Fragen auf. Die Nutzung ziviler Lastkraftwagen zur Tarnung militärischer Drohnen durch ukrainische Streitkräfte könnte gegen fundamentale Prinzipien des humanitären Völkerrechts verstoßen.

Das Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen aus dem Jahr 1977 verbietet in Artikel 37(1)(c) ausdrücklich perfide Kriegshandlungen, zu denen auch „das Vortäuschen eines zivilen, nichtkombattanten Status“ zählt. Durch die Tarnung von Kampfdrohnen unter zivilen LKW-Dächern könnte genau dieser Tatbestand erfüllt sein.

Nun ist es ganz grundsätzlich ein Verbrechen, Atomwaffen herzustellen, sie zu besitzen und zu lagern.

Die größten Verbrecher in dieser Kategorie sind bekanntlich die Amerikaner, die laut dem Philosophen Günther Anders die letzte Etappe der Menschheit exakt am 6. August 1945 eingeläutet haben. Mit dem Angriff auf Hiroshima und dem Abwurf der ersten Atombombe haben diese Existenzen gezeigt, dass sie in der Lage sind, die ganze Menschheit auszulöschen. Eine Atombombe ist keine Waffe – es ist die Drohnung vollständiger Vernichtung allen Lebens, von Pflanzen, Tieren und den Menschen, was so schlimm wiederum nicht wäre.

Es ist ja kein Zufall, dass Putin gegen linke Ansätze eines queeren, selbstbestimmten Lebens oder eines Lebens ohne Mini-Me gesetzgeberisch vorgeht und Bücher, die zu kinderfreiem oder homosexuellem oder jedenfalls nicht der Normfamilie entsprechenden anregen können, verbietet. Kein Wunder auch, dass viele Männer im Alter von 18 bis 65 aus der Ukraine geflohen sind, weil sie nicht Kanonfutter werden wollen.

Doch unterm Strich reüssiert doch meistens, bei Rechten, AfDlern wie Linken und der EU-Elite oder syrischen Flüchtlingen und so weiter und so fort das „wahnwitzige Gebärenmüssen“, wie der Philosoph Ulrich Horstmann in den 1980er Jahren analysierte:

Alles Existierende ist nach Schopenhauer Objektivation eines grundlosen und vorvernünftigen Willens, verdankt sich einem zwanghaften und blindwütigen Lebensdrang, dem wahnwitzigen Gebärenmüssen von Organischem, das, sobald es ins Leben getreten ist, übereinander herzufallen beginnt, um sich eben dieses Leben für Augenblicke zu erhalten. Und das Untier macht keine Ausnahme, steigert sich vielmehr schon gattungsimmanent in die Krämpfe und Konvulsionen, in die delirierende Agonie des sich zerfleischenden Vitalen.

(Ulrich Horstmann 1983/85: Das Untier. Konturen einer Philosophie der Menschenflucht, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 47).

Den ganzen Paraglider- und Drohnen-Anhänger*innen ist eine solche philosophische und anti-natalistische Kritik selbstredend zu schwer, zu kritisch, zu viel hinterfragend. Dann doch lieber noch ein paar Runden ungeschützten Geschlechtsverkehr, damit die Drohnen und Paraglider auch weiter produziert, verfeinert und bedient werden können in Zukunft, auf die ja alle so erpicht sind.

Wenige Jahre nch 1945 zogen die Sowjets nach und bauten auch Atombomben, haben sie aber noch nie in einem Krieg eingesetzt.

Es gibt jetzt viele, sehr viele in der Pro-Israel oder auch der Anti-Rechtsextremismus-Szene, die feixen und feiern, dass tief im Herzen Russlands das ukrainische Regime so raffiniert, perfide und allem Anschein nach gegen das Völkerrecht agiert hat. Über 1,5 Jahre haben sie diese Aktion vorbereitet, Tiny Houses gekauft, unweit der Militäranlagen platziert und dann Drohnen hineingebracht oder dort zusammengebaut, das wird sich alles noch zeigen. Die dortige russische Bevölkerung war völlig arglos und konnte nichts davon wissen, dass hier Staatsterroristen aus der 3000 oder 4000 km entfernten Ukraine am Werke sind.

Und ganz normale Deutsche feiern diesen Angriff. Sie posten in den a-sozialen Medien Bilder von Drohnen, die offenkundig in Russland umherfliegen – zwinker, zwinker, selten sooo lustig gelacht.

Halt, doch, viele andere lachten exakt auch soooo lustig, und zwar am 7. Oktober 2023, als palästinensische Jihadisten mit Paraglidern nach Israel flogen und an den schlimmsten Massaker an Juden und Jüdinnen seit der Shoah mit beteiligt waren.

Den Russenhassern, Geschichtsrevisionisten, die endlich gegen „den“ Russen gewinnen wollen und dafür die für ihre Nazi-Kollaboration beliebte ukrainische Nation instrumentalisieren, sind die Drohnen so lieb wie dem links-antisemitischen Mob in Berlin-Neukölln das Paragliden.

Der Telepolis-Artikel stellt wichtige Fragen. Wenn die NATO involviert war, wovon jeder halbwegs informierte Militärexperte ausgehen dürfte, dann war das wie eine Kriegserklärung Deutschlands, Englands oder Amerikas gegen Russland.

Und wenn die NATO nichts davon wusste – ja dann ist es doch ein Zeichen, wie gefährlich die Ukraine ist, denn wenn sie 3000 oder 4000 km im tiefsten Russland eine solche Operation an gut gesicherten Militäranlagen einer Atommacht durchführen kann, dann kann sie das auch in Frankreich oder England (Atommächte) oder in jedem anderen europäischen Land oder in Nordafrika oder in Israel.

Telepolis schreibt:

Die völkerrechtliche Bewertung hängt letztlich von den konkreten Umständen ab. Sollte sich bestätigen, dass ukrainische Einheiten systematisch zivile Fahrzeuge zur Tarnung von Waffensystemen nutzten, läge ein klarer Verstoß gegen mehrere Bestimmungen des Kriegsvölkerrechts vor – mit gefährlichen Präzedenzwirkungen für künftige Konflikte.

Die Operation öffnet zudem eine gefährliche Büchse der Pandora. Wenn kostengünstige Drohnenschwärme strategische Militäranlagen erreichen können, sind auch zivile Infrastrukturen verwundbar. Ein ähnlicher Angriff könnte beispielsweise Israels zivile Luftfahrt dauerhaft lahmlegen oder kritische Energieinfrastruktur in Europa treffen.

Schließlich, militärstrategisch gedacht:

Für die russische Führung ist dies bereits der zweite systematische Angriff auf die nukleare Infrastruktur nach den Attacken auf die Über-Horizont-Radarsysteme. Aus russischer Sicht fügt sich dies zu einer koordinierten Kampagne zur systematischen Entnuklearisierung zusammen.

Besonders brisant ist die Nato-Reaktion. Sollte sich bestätigen, dass die Ukraine ohne westliches Wissen handelte, stellt dies ihre Zurechnungsfähigkeit als Partner in Frage. Ein Verbündeter, der eigenständig Angriffe auf die nukleare Triade einer Atommacht durchführt, gefährdet die Sicherheit aller NATO-Staaten. Logisch wäre eine sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen – doch diese Reaktion wird vermutlich ausbleiben, was aus russischer Sicht die systematische westliche Unterstützung für eine Entnuklearisierung Russlands bestätigt.

Wer diesen Angriff der Ukraine feiert oder begrüßt, handelt fanatisch, kriegstreiberisch und geschichtsrevisionistisch, weil bei Deutschen oder Österreichern, die derart obsessiv hinter die Ukraine sich stellen, nicht trotz, sondern wegen den vielen Denkmälern für antisowjetische und Pro-Nazi-Kriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg und während der Shoah, sich unwillkürlich der Eindruck aufdrängt, endlich eine ganz alte Rechnung begleichen zu wollen: es „dem“ Russen heimzuzahlen, der uns 1945 besiegt hatte.

Viele dieser heutigen Ukraine-Fans waren in den 1990er Jahren vielleicht noch zu schüchtern und nicht bereit dazu, Renegat zu werden, anders wie jene französischen Ex-Maoisten, die vom „Schwarzbuch des Kommunismus“ fabulierten, damit doch der Holocaust endlich im Orkus der Geschichte verschwinde.

Viele wurden dann 1999 Renegat und feierten Bomben auf Belgrad.

Doch allerspätestens seit Februar 2022, mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russland in der Ukraine, sind die letzten Hemmungen verflossen, jetzt wird zurückgeschossen mit allem, was deutsche Intelligenz, KI und Drohnen- wie Panzer- und Munitionstechnik zu bieten hat.

Die Analogie von den antisemitischen Paraglider- und Hamas-Fans und den heutigen Fans ukrainischer Drohnen ist evident.

Der Unterschied ist, dass sich die Drohnen-Fans als cool, weltoffen und westlich imaginieren, dabei sind sie einfach nur moralisch am Ende, wollen Deutschland wieder gut machen und Russland besiegen, endlich, endlich, und schweigen zu dem Land mit dem meisten Pro-Nazi-Kollaborateuren-Denkmälern auf der ganzen Welt, ja feiern es und wollen es weiter militärisch unterstützen – bis zum Ende, dem Ende der ganzen Welt, denn:

Als eine ukrainische Sängerin im Bundeskanzleramt auf einer Veranstaltung im März 2022 unwidersprochen sagen durfte: „Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen, dann soll es halt so sein!“, zeigte sich der Fanatismus des Mainstream exemplarisch: lieber sterben, als denken, lieber töten als verhandeln.

Wem kommt da nicht das Lied „Deutschland muss sterben“ in den Sinn, dass sich genau gegen diese nihilistische Ideologie und den Deutsch-Nationalismus wendet:

Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen
Inschrift auf einem 1934 errichteten
Kriegerdenkmal am Hamburger Dammtorbahnhof

Deutschland muss sterben, damit wir leben können
Slime: »Deutschland muss sterben«, 1981

Mir kommt es vor allem deshalb in den Sinn, weil mir ein Freund am 8. Mai schrieb:

Slime statt Weizsäcker.

Doch der Mainstream liebt Deutschland und die Haubitzen und die Drohnen und das Tätscheln von Selenskyi und das Kichern ob dieser Drohnen jetzt in Sibirien.

Und angesichts dieser ukrainischen Autorin, die im Bundeskanzleramt sagte: „Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen, dann soll es halt so sein!“, verbeugen sich 2022 die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und heute auch Autoren linker Publikumszeitschriften und unzählige andere – ja der gesamte Mainstream –  vor Ehrfurcht und genießen den Kitzel des Schauers vor dem letzten Tag, nach diesem Drohnenagriff auf atomare Infrastruktur so sehr wie nie zuvor.

DAS ist die Zeitenwende.

 

 

 

Was, wenn auch zionistische Journalistinnen, Tausende israelische Akademikerinnen oder Pro-Israel Politiker für ein sofortiges Ende des Krieges in Gaza sind?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Der Krieg in Gaza muss beendet werden. Sofort. HEUTE.

Alle Geiseln müssen freikommen.

Ausschließlich die Hamas ist verantwortlich für den Ausbruch dieses Krieges.

Die unschilderbaren Massaker durch Palästinenser, nicht nur durch die Hamas und den Islamischen Dschihad, im Süden Israels am 7. Oktober 2023 mit 1200 Ermordeten, lebendig Verbrannten, vergewaltigten, zerhackten, gefolterten, erschossenen Jüdinnen und Juden und anderen waren das schrecklichste Ereignis jüdischer Geschichte seit dem Holocaust.

Die wenigen noch lebenden Geiseln, vielleicht 23 oder auch nur 10 oder gar keine –  wir wissen es nicht – haben offenkundig nach 19 Monaten Krieg nur und wirklich nur eine Chance, wenn Israel ankündigt, dass der Krieg zu Ende ist – nicht nur für 60 oder 90 Tage, sondern komplett beendet wird.

Warum? Weil nur Irrationalisten und Fanatiker meinen, eine Terrororganisation, die eng mit der Bevölkerung verwoben ist wie die Hamas, auslöschen zu können. Offenbar gibt es in Israel zu viele Militaristen, die weder von der Niederlage der USA in Vietnam je gehört haben – das war 1975 – noch von jener der Sowjetunion in Afghanistan, das war 1989. Die Feinde waren jeweils viel größer und stärker als die Hamas – aber strukturell ähnlich, Guerilla- und Terrortruppen, die eng mit der Bevölkerung verwoben waren. Der Vietcong hat sich 1977 aufgelöst. Der Islamismus und Jihadismus wie die Taliban bekamen gerade nach 1989 noch mehr Auftrieb, was auch zum 11. September 2001 führte.

Viele moderatere arabische Staaten wollen keineswegs eine Weiterführung der Herrschaft der Hamas. Vielmehr sind diese arabischen Staaten, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko, aber auch und zunehmend Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten (deren Friedensverträge ja nur auf dem Papier existieren) oder Katar, ja sogar muslimische Staaten am Ende der Welt – von Nahost aus betrachtet – wie Indonesien bereit, Frieden zu schließen mit Israel – Frieden und diplomatische Beziehungen! -, wenn der Krieg aufhört UND ein Staat Palästina entsteht. Indonesien hat das diese Woche angekündigt: Anerkennung Palästinas heißt dann für das mit Abstand größte muslimische Land der Erde, Anerkennung Israels!

Ich war nach dem 7. Oktober gegen eine Anerkennung „Palästinas“, wie viele andere auch. Das wäre ja wie ein Entgegenkommen gewesen, ein Preis für die schrecklichsten Massaker an Juden seit der Shoah.

Doch die Situation hat sich geändert. Der Krieg hat kein Ziel mehr, anfangs war es das Zerstören der Raketen in Gaza, auch wenn bis heute immer wieder mal Raketen nach Israel abgefeuert werden – es sind nur noch sehr wenige, verglichen mit dem Raketenterror die vielen Jahre bis zum 7. Oktober 2023 und noch die Wochen danach.

Das veränderte Klima und die veränderte Situation zeigen sich auch an den Aktionen und Reaktionen in den letzten Tagen. So schreibt eine Feuilleton-Redakteurin der FAZ, Tania Martini, am 30. Mai über eine Resolution von israelischen Akademiker*innen mit dem Titel „An Urgent Call to the Heads of Academia in Israel“, die sich für ein sofortiges Ende des Krieges in Gaza aussprechen, weil sie nicht länger mitschuldig sein wollen. Ihr Schweigen bedrückt diese mittlerweile über 1400 Unterzeichnenden massiv. Sie betonen, dass sie es für unerträglich halten, dass gerade jene – eher links-liberalen oder linken – Wissenschaftler*innen, die zumal 2023 und bis heute gegen die geplante Justizreform demonstrierten, jetzt schweigen oder abwiegeln würden.

Martini hat auch ein Buch zum 7. Oktober mit herausgegeben – Klaus Bittermann/Tania Martini (Hg.) (2024): Nach dem 7. Oktober. Essays über das genozidale Massaker und seine Folgen, Berlin: Edition Tiamat -, sie weiß ob des linken, islamistischen wie postkolonialen oder des Mainstream-Antisemitismus.

Aber sie schreibt jetzt, im Mai 2025, gegen den Krieg, der Israel nämlich selbst beschädigen würde:

Im Aufruf „An Urgent Call to the Heads of Academia in Israel“ bezeichneten sie die Tötung von 53.000 Menschen, darunter 15.000 Kinder und mindestens 41 israelische Geiseln, die Verwandlung des Gazastreifens in ein unbewohnbares Gebiet sowie die Ideen zur Vertreibung der Palästinenser als „Kriegsverbrechen und sogar Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

(…)

Der israelische Soziologe Natan Sznaider stellte kürzlich in einem Artikel eine entscheidende Frage: „Wie viel Leid von anderen kann man rechtfertigen, um selbst nicht mehr zu leiden?“ Eine Frage, die freilich für beide Seiten gelte. Dass jedoch oft nur eine gesehen wird, ist tatsächlich auch ein moralischer Zusammenbruch.

Ganz ähnlich argumentiert eine Volontärin der ZEIT, Anastasia Tikhomirova. Sie hat viele Texte über den 7. Oktober und den grassierenden Antisemitismus in Deutschland und anderswo publiziert. Doch sie sieht eine zunehmende Fanatisierung nun beider Seiten: Der ohnehin schon fanatischen Pro-Palästina-Szene, die sich fast nie als Pro-Palästina UND Pro-Israel positioniert, sondern fast immer antisemitisch ist und Israel zerstören sowie Juden töten möchte, und der Pro-Israel-Szene, die das Leid in Gaza entweder nicht sehen möchte, oder aber es herunterspielt nach dem Motto: „Selbst schuld, nur die Hamas ist Schuld“.

Sie möchte raus aus diesem Freund-Feind-Denken und zitiert in ihrem Text „Raus aus dem Freund-Feind-Schema“ vom 31. Mai 2025 moderate palästinensische Stimmen wie Hamza Howidy oder Ahmed Fouad Alkhatib, der „Realign for Palestine“ mitgründete. Ich habe beide, Howidy wie Alkhatib, im März 2025 auch schon als sehr bedeutende Stimmen für eine moderate und pro-israelische wie tatsächlich pro-palästinensische Position zitiert.

Tikhomirova schreibt:

Ein neues Sprechen lernen

Zwischen den Fronten finden sich Menschen, die für ein Ende des Krieges und der Besatzung einstehen, für eine Rückkehr der israelischen Geiseln und den Kampf gegen islamistischen Terrorismus. Die vor der teils genozidalen Rhetorik der israelischen Regierung erschrecken (wenn beispielsweise der Polizeiminister wörtlich von „auslöschen“ spricht), aber auch vor den Vernichtungsfantasien der Hamas. Die Druck auf die israelische Regierung ausüben wollen, ohne Israel als Ganzes zu dämonisieren. Die auch die große Mitverantwortung der Islamischen Republik Iran sehen, die die Hamas mit Waffen versorgt. Sowie der Türkei, die der Hamas Geld gibt und ihre Anführer mit türkischen Pässen ausstattet. Auch zu diesen Ländern unterhält Deutschland wirtschaftliche und politische Beziehungen.

Solche differenzierten, zionistischen und Anti-Kriegs-, Pro-Palästina-Positionen sind aber weiterhin die Ausnahme, doch sie gewinnen an Kraft.

In der typischen Pro-Israel-Szene dominiert eher die Position der Jüdischen Allgemeinen wie von Michael Thaidigsmann, der am 30. Mai 2025 festhält:

Es wirkt wie ein Paradoxon: 600 Tage nach den Massakern der Hamas scheint Europa sich doch noch auf eine gemeinsame Haltung verständigen zu können. Und die lautet: Israel ist zu weit gegangen und muss gestoppt werden. Zur Not auch mit Sanktionen.

Dabei gibt es viele ganz normalen Deutschen, welche sich in der Tat von Juden und Israel abwenden und hinausbrüllen, dass jetzt endlich, na klar, Hitler überwunden sei. So im Focus der Journalist Gabor Steingart:

Deutschland war Gefangener der Hitlerzeit – mit Merz hat diese Haltung ein Ende.

Auf Gabor Steingart hat die Jüdische Allgemeine mit Ralf Balke die treffende Antwort:

Da ist von der ‚Unterwerfung‘ die Rede, die jetzt vorbei sei, weshalb Deutschland ‚Selbstbewusstsein‘ demonstriere. So wird die Kritik von Merz an Israel zu einer Art Zeitenwende hochgejazzt, die man sehnsüchtig erwartet habe, um aus dem ‚langen Schatten der Geschichte‘ heraustreten zu können. Auch das ist eigentlich wenig originell – schließlich forderten das viele Deutsche schon seit dem 9. Mai 1945. Schluss sei nun jedenfalls mit der ‚Leisetreterei‘, ‚Israel erfährt eine Behandlung ohne Samthandschuhe‘. Oder anders formuliert: Endlich zeigt jemand den Juden, was eine Harke ist.

Die Pointe ist darüber hinaus: die neu-deutsche Frechheit und Unverschämtheit setzte exakt am 9. November 1989 ein, als sie alle im Deutschen Bundestag in BONN die deutsche Nationalhymne sangen, auch und gerade die SPD.

Das war der Tag, als Hermann L. Gremliza, den nicht nur ich hier und heute vermisse, aus der SPD ausgetreten ist.

 

Danach kam die von den Steingarts so geliebten anschwellenden Bocksgesänge des neuen Deutschland, die „selbstbewusste Nation“, wie die Neuen Rechten es hinausposaunten.

Es kamen die Neonazis und die Brandanschläge in Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und so weiter. Später kam dann – unter Rot-Grün – der erste Bundeswehr-Kriegseinsatz, der erste Einsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg, gegen – na klar, ein Opfer des Zweiten Weltkriegs – Jugoslawien. Damals sahen Deutschlandnormalisierer ein „Auschwitz“ in Kosovo, wo es doch eine brutale nationalistische Politik war – aber nie im Leben auch nur im Ansatz mit Auschwitz in einem Atemzug zu nennen. Aber spätestens seit 1999 kämpft Deutschland wieder – diesmal gegen ein imaginiertes Auschwitz.

Dazu kommt die militaristische „Zeitenwende“, die – so der Professor für Erwachsenenbildung Klaus Ahlheim (1942-2020) – seit Herbst 2012 im Schloss Bellevue, von der damaligen Bundesregierung und Thinktanks geplant wurde. Mehr Militär, mehr Militarismus, ja, sich „der Welt zuwenden“, darum geht es seit dem Kosovo-Krieg 1999, aber noch expliziter, als außenpolitische Strategie, seit 2012/2014, so Ahlheim:

Auch unser Bundespräsident und Prediger der Nation Joachim Gauck mischte eifrig mit im Konzert der Kriegsbefürworter, aber, gelernt ist gelernt, er sagte es auf gehobene, getragene Weise. Ende Januar 2014 verkündete er bei der Münchener Sicherheitskonferenz ohne das Wort ‚Krieg‘ zu benutzen, Deutschland müsse sich ‚früher, entschiedener und substantieller einbringen‘ und forderte die Deutschen auf, ’sich der Welt zuzuwenden‘.
(Klaus Ahlheim (2014): Ver-störende Vergangenheit. Wider die Renovierung der Erinnerungskultur. Ein Essay, Hannover: Offizin, S. 60).

Also schon nach 1989, nach 1999 und seit 2012/14 war Deutschland wieder gut gemacht.

Schon in den 1990er Jahren schrieb der Publizist Eike Geisel, den nicht nur ich hier und heute ebenso vermisse:

Die Deutschen wollen aus dem Exil, aus der Kälte der Gesellschaft in die Wärme, in die Gemeinschaft, sie wollen zu sich kommen. So ist aus der Asche der Ermordeten der Stoff geworden, mit dem sich der neue Nationalismus das gute Gewissen macht, jetzt können die Landsleute statt Menschen Deutsche sein.
(Eike Geisel (1998): Triumph des guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer. Die Nationalisierung der Erinnerung, Berlin: Edition Tiamat, S. 60)
***

Neu sind im Frühsommer 2025 die schon zuvor pro-israelischen, aber jetzt auch Anti-Kriegs-Stimmen wie Martini oder Tikhomirova sowie der massive Aufschrei israelischer Akademiker*innen, darunter sind sicher auch antizionistische Stimmen, aber vor allem zionistische und einflussreiche Stimmen wie von der Soziologin Eva Illouz oder der Historikerin Fania Oz-Salzberger.

Der Aufruf der israelischen Akademiker*innen ist sprachlich gleichwohl problematisch, da er zwar nicht von „Genozid“ spricht, der in Gaza passiere, aber das Wort von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verwendet, was ja bekanntlich „Verbrechen gegen die Menschheit“ heißt und sich historisch auf den Holocaust bezieht.

Es passiert nichts ansatzweise Vergleichbares zum Holocaust in Gaza. Das sind keine „Verbrechen gegen die Menschheit“ – es sind befürchtete oder tatsächliche Kriegsverbrechen. Punkt. Das ist schrecklich genug!

Dazu zählen das gezielte Aushungern, was nicht dadurch relativiert wird, dass die Jihadisten immer wieder die nun wieder aufgenommenen Hilfslieferungen stehlen und zu horrenden Preisen weiterverkaufen – das zeigt nur die abgrundtiefe Verachtung der Palästinenser*innen – durch die Hamas. Aber es gab und gibt diese Hungersnot.

Es geht aber exakt so wie es Anastasia Tikhomirova schreibt, um die moderaten Stimmen für Israel und für Palästina. Meine Rede. Nur wird es hier niemals Israelfahnen auf angeblichen Pro-Palästina-Demos geben. Dafür müsste nahezu das gesamte Personal dieser Szene ausgetauscht werden, worunter ja häufig Terroranhänger*innen der Hamas sich befinden.

Doch das gilt eben auf ganz andere Weise auch für die Pro-Israel-Szene, die sehr häufig, nicht immer!, keinen Blick hat für die Situation in Gaza oder im Westjordanland.

Kaum jemand erkennt in diesen Kreisen, dass Netanyahu ein mittlerweile ganz gewöhnlicher neu-rechter Politiker geworden ist, der mit Faschisten und religiösen Fanatikern kooperiert UND deren Ziele in zentralen Teilen wie der Kriegsführung in Gaza oder der Besiedelung und Annektierung (!) des Westjordanlandes teilt.

Und dann gibt es noch etwas Wichtiges. In einem Gespräch des Journalisten Henryk M. Broder und seinem Freund, dem Publizisten Hamed Abdel-Samad mit der Jüdischen Allgemeinen vom 27. Mai 2025 zeigt sich, wie Dialog gehen kann. Die beiden sind seit 15 Jahren befreundet und trafen sich erstmals in Kopenhagen, ausgerechnet in der Kommune Christiania, wo Leute offen Drogen verkaufen und fotografieren verboten ist. Als Broder trotzdem Bilder machte, trotziger Junge bleibt trotziger Junge, obwohl Hamed das für keine wirklich gute Idee hielt, wurde ihm von sechs oder sieben kräftigen jungen Männern doch die Kamera schließlich abgenommen und in eine brennende Tonne geworfen, wo sie Broder herausholen wollte, die Geschichte erzählt Abdel-Samad ganz lustig.

Denn die beiden sind Freunde und Broder betont, dass er diese Freundschaft wegen Abdel-Samads Rede vom „Genozid“, der in Gaza passiere, nicht aufs Spiel setzen werde.

Entgegen Leuten wie Jakob Augstein, Günter Grass oder Martin Walser sei Abdel-Samad ein Kritiker, keiner, der Ressentiments habe oder gegen die Existenz Israels anschreibe:

Ja, Hameds Kritik war nie fundamental, immer nur punktuell, bezogen auf das, was Israel tut oder unterlässt. Ganz anders als bei Leuten wie Martin Walser, Jakob Augstein oder Günter Grass.

Später sagt er:

Es hat eine andere Wertigkeit, wenn Studenten ‚From the River to  the Sea‘ schreien oder ‚Free Gaza from German Guilt‘. Das hat Hamed nie getan. Er hat bei mir ein Guthaben – und das ist nicht aufgebraucht.

Eine solche Offenheit und das Ertragen von in Teilen unterschiedlichen Positionen sieht man in der heutigen Zeit, speziell seit – ja – Corona UND der Ukraine, sehr selten.

Ich kenne viele Ex-Freund*innen oder Ex-Bekannten, die nicht in der Lage sind, ihren eigenen Irrationalismus zu überdenken und die selbst auf Diskurs-Angebote nicht eingehen, weil sie auf ihrer irrationalen, antidemokratischen, medizinisch absurden oder bezüglich der Ukraine antidiplomatischen (seit März 2022! und schon zuvor) Position beharren.

Während ich diese Positionen kritisiere, aber trotzdem einige solcher Menschen kontaktierte oder auch weiter in Kontakt bin, wo ich weiß, dass sie mitunter irrational oder unwissenschaftlich sind, ist es die Gegenseite speziell bei Corona oder der Ukraine sehr häufig nicht.

Bei Israel wiederum ist es anders: Wer am 7. Oktober kicherte oder schwieg, ist kein Freund oder Bekannter mehr. Punkt.

Doch Abdel-Samad hat nicht geschwiegen, er war nach dem 7. Oktober so pro-israelisch wie zuvor. Aber er sieht die aktuelle Situation in Gaza und die ist unerträglich und mörderisch und schadet auch den Tätern.

Das gesteht auch Broder zu:

Und ich glaube, dass du leider recht hast mit der belasteten jüdischen Seele. Die Frage wäre nur, was nach dem 7. Oktober eine adäquate Reaktion gewesen wäre. Also sicher nicht die Bitte, das Musikfestival jetzt gemeinsam fortzusetzen. Was wäre adäquat gewesen?

Abdel-Samad wiederum führt – ganz ähnlich wie Eva Illouz – die Ermordung von Rabin durch einen israelischen Rechtsextremen an, der zur Ausweglosigkeit führte:

Ich bin kein großer Fan von Joe Biden gewesen. Ich hielt ihn für einen unfähigen Präsidenten. Aber er hat Netanjahu nach dem 7. Oktober eingeladen, nach Amerika, und hat gesagt: Macht nicht den Fehler, den wir im Irak gemacht haben. Wir waren nach dem 11. September so schockiert, dass wir um uns geschlagen haben, und das hat die Sache nur noch schlimmer gemacht. Sowohl in Afghanistan als auch im Irak. Und ich fürchte, es wiederholt sich genau das.

Sodann:

Es gab viele verpasste Chancen, von beiden Seiten. Die größte Chance war damals, als Rabin dieses Angebot gemacht hatte. Und die Palästinenser waren bereit. Und du weißt ja, was danach kam. Rabin wurde ermordet, und keine andere israelische Regierung hat sich erneut getraut.

Dass es natürlich auch später noch Angebote gab, ist bekannt, aber die Ermordung des Friedensnobelpreisträgers Rabin war für die politische Kultur Israels schon prägend. Danach kam Netanyahu – bis heute mit wenigen Unterbrechungen …

Das Gespräch von Broder mit Abdel-Samad ist ein gutes Zeichen, dass man miteinander reden kann, wenn die Basis klar ist: Gegen Jihad und Islamismus, für Israel und für einen Staat Palästina (für den jedenfalls Abdel-Samad plädiert). Es ist aber bitter, wenn die jüdische Gemeinde Düsseldorf Abdel-Samad nun ausgeladen hat und er von anderer Seite gar als „Antisemit“ diffamiert wird, so falsch das Wort vom Genozid auch ist.

Man kann nicht sehen, dass die IDF gezielt ein ganzes Volk ermorden möchte, was Genozid wäre, auch wenn das Aushungern, wäre es weitergegangen, sicher in die Kategorie Genozid fallen würde, da es gezielt gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen gerichtet war (oder wieder sein wird). Aber so weit kam es nicht und darf es niemals kommen. Auch eine Trump’sche Vertreibung aller Palästinenser*innen darf es niemals geben – auch das wäre kein Genozid, aber eine ethnische Säuberung, wobei auch dieser Begriff unsauber ist, da damit meist Massenmord und Massaker assoziiert werden, was eine Abschiebung oder Vertreibung ja nicht ist.

Diese Beispiele zeigen: Es braucht neuen Mut zu Diskussionen, die über die ausgetrampelten Pfade der bisherigen Pro-Israel wie der ach-so-pro-palästinensischen (de facto fast immer: antisemitischen) Gruppen hinausreichen. Letztere wollen die Zerstörung Israels und nur wenige tatsächlich ein Palästina Seite an Seite mit dem einzigen Judenstaat (also noch ein arabischer Staat, aber so ist es halt).

Natürlich kann man die Hamas klein halten, kein Geld mehr aus Katar und sonst wo her, kein Waffenschmuggel mehr, was eine ganz enge Kooperation mit Ägypten voraussetzte. Das wäre möglich, weil zum Beispiel Saudi-Arabien, trotz seiner völlig grotesken und mörderischen Ideologie und Praxis, ja bereit wäre, Frieden mit dem einzigen Judenstaat zu schließen, weil sie merken, dass internationale Anerkennung on the long run nur geht, wenn sie keinen Terror mehr finanzieren und sich von der Hamas distanzieren. Der tatsächliche Feind sitzt in Teheran – das war vor dem 7. Oktober auch den arabischen Ländern klar, sowie Israel war das klar – aber diese Klarheit hat eine völlig fanatische Politik von Benjamin Netanyahu vernebelt und Israel wie seit Monaten beschrieben, so stark isoliert, wie das kein Regierungschef seit 1948 geschafft hat.

Wenn selbst zionistische Akademikerinnen, Politiker oder Journalistinnen, die nicht ansatzweise im Verdacht stehen, den Jihad oder den 7. Oktober klein zu reden, sondern alle als Kritiker des Antisemitismus einen Namen haben, ein sofortiges Ende des Krieges in Gaza fordern, dann braucht es ein Ende des Krieges in Gaza sofort.

Im Sinne Israels und des Judentums – und im Sinne der Palästinenser.

Wenn die FAZ in dem zitierten Text erkennt, dass

Die unsäglichen Taten in Gaza zerstörten die israelische Gesellschaft von innen heraus

und sich dabei auf Stimmen aus Israel bezieht, sollte man das wahr und ernst nehmen und endlich über die Fehler der Regierung Netanyahu diskutieren. Seine rechtsextreme Koalition muss zerbrochen werden, sonst hat Israel kaum noch eine diplomatische Zukunft und viele Israelis werden abwandern, da ja nicht alle rechtsextrem sind.

Zionismus heißt nicht nur sich pro-israelisch zu positionieren.

Zionismus heißt nicht nur Kritik am Antisemitismus und Antizionismus.

Zionismus heißt auch Kritik an der israelischen Politik zu üben, wenn sie Kritik verdient hat.

 

 

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