Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: Oktober 2007

Entweder Broder

25.10.2007

Kritische Publizisten, Journalisten als auch Wissenschaftler zeichnet aus, dass sie eine gesellschaftliche Situation adäquat einschätzen können. Wer heute angemessen auf die Gefahren für den Weltfrieden hinweist, wird sehen, dass es solche Kritiker so gut wie nicht gibt. Wer sieht im Iran die größte Gefahr für den Weltfrieden? Wieso schmeißt die Bundesregierung nicht den Botschafter dieses Staates, welcher offiziell den Holocaust leugnet und ankündigt, eine »world without Zionism« zu erreichen, also Israel auszuradieren, hinaus? Wäre das nicht adäquat? Welcher Professor der Freien Universität Berlin, Deutschlands ›Elite‹ mithin, oder emeritierte Sozialtheoretiker aus Frankfurt am Main hat im Jahr 2003 denn nicht mitgemacht bei der Friedenshetze gegen die USA und ihre Alliierten? Die gleichen Leute, ob sie nun Jürgen Habermas, Jacques Derrida, Hajo Funke, Claudia Roth, Ulrich Wickert oder Polylux heißen, welche die toten Juden des Holocaust erinnern und so manche Schlacht gegen alte Nazis geschlagen haben, haben heute offenbar gar kein Problem mit der Gefahr eines zweiten Holocaust in naher Zukunft. Lebende Juden genießen keine Unterstützung, tote sehr wohl, man könnte auch sagen: »Deutsche lieben nur tote Juden, Islamisten gar keine«.

Es ist also wohlfeil, zurück zu schauen in Trauer oder vermeintlicher Bewegtheit und heute so kalt wie ungeniert den islamischen Faschisten in Gaza-Stadt, dem Südlibanon, Riad, Damaskus und vor allem Teheran zuzuschauen. Mit Betroffenheitsmiene am 9. November den Pogrom von 1938 erinnern ohne aktiv mitzutun, dass kein weiteres passiert, heute, morgen oder übermorgen. Deutschland unter der Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte gern einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Iran bleiben. Dessen Holocaustleugnung und Holocaustvorbereitung stören dabei gar nicht. Die Heuchelei der Deutschen ist ganz offensichtlich für jede Journalistin, jeden Publizisten und jede Politologin. Auch Analysen über die Berichterstattung der zweiten Intifada seit 2000, insbesondere im Jahr 2002, verdeutlichen die obsessive Schuldprojektion auf Israel. 2007 haben dann die deutschen Bischöfe Hanke und Mixa in antisemitischer Diktion das Warschauer Ghetto mit der Situation in der Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde verglichen, den Terrorschutzwall gegeißelt und die Israelis des Rassismus geziehen. Heute spricht derselbe Mixa, Jahrgang 1941, bezüglich der Familienpolitik der Bundesregierung von einem »staatlichen Umerziehungsprogramm«. Kritik, diesmal von Claudia Roth, einer typischen Vertreterin der oben analysierten Fraktion der ›Betroffenen‹, deren Äußerungen gleichwohl nicht alle komplett falsch sind, wenngleich ihre geradezu magnetische Anziehungskraft von Mikrofonen noch alles andere übertrifft, was sie tut, wehrt dieser Bischof nun als »faschistoid« ab.

Schon vor genau 20 Jahren schrieb Broder: »Wenn die deutschen Bischöfe die Abtreibungsregeln mit Auschwitz gleichsetzen und wenn Heiner Geißler sagt, an Auschwitz seien die Pazifisten schuld gewesen, dann sind das die rechten Komplementärfarben zum linken Gerede vom ökologischen Holocaust und der Endlösung der Palästinafrage.« Das war eine treffende Analyse, was Besseres hat man im Jahr 1987 schwerlich gefunden zwischen zwei Buchdeckeln (»Ich liebe Karstadt«). Die Analyse wäre noch heute aktuell. Wäre.

Wenn innerhalb weniger Tage eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, wie sie jüngst und sehr publikumswirksam Eva Herman oder Bischof Mixa getan haben, durch Invektiven gegen Adorno, Kritische Theorie und manche Antifas von ›liberaler‹ Seite noch unterstützt wird, wird deutlich, dass es so luzide scharf-polemische Texte wie den 1987-Broder derzeit kaum gibt. Gewiss, nichts ist billiger als eine Pappkameradin abzuschießen. Eva Braun-Herman jedoch spricht für wenigstens 20 Millionen Deutsche, die nach einer repräsentativen STERN-Umfrage meinen, der NS habe auch »gute Seiten gehabt«. Als die ehemalige Tagesschau-Sprecherin und Ex-NDR-Moderatorin beim ZDF in der Sendung des Viel-, Blöd-, und gewiss fast ausschließlich Dummschwätzers (dafür wird er ja bezahlt) Johannes B. Kerner auftrat und ihre Thesen von der guten Zeit für die Frauen in Nazideutschland nicht zurücknahm, vielmehr auch die Autobahnen als das moderne Element pries, hat sich dieser bekannte Fernseh-Talkshowmaster von ihr verabschiedet, sie wurde rausgeworfen. Was kaum erwähnt wurde: im Sendestudie haben im Publikum eine ganze Reihe Leute geklatscht, als Herman mit ihren NS-verharmlosenden bzw. lobenden Geblöke loslegte. Die 20 Millionen haben es gern gehört. Wie jedoch haben das publizistische Netzwerk »Achse-des-Guten« und Broder reagiert? Eine extrem rechte, katholische Seite im Netz fasst es so zusammen: »Berlin (http://www.kath.net)
Der Schriftsteller Martin Walser nannte 1994 die freie Rede in Deutschland angesichts des Tugendterrors der ›politischen Korrektheit‹ ein halsbrecherisches Risiko. Anlass war die gescheiterte Präsidentschaftskandidatur des sächsischen CDU-Politikers Steffen Heitmann, von dem ein paar unverdächtige Äußerungen zum Frauenbild und zum Dritten Reich solange uminterpretiert wurden, bis daraus ›verbale Brandsätze‹ wurden. (…) Broder nannte die [ZDF-Kerner-] Sendung ›die längste Antifa-Sitzung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen‹.« In einem »Gastbeitrag« von »Edgar Dahl« wurde auf jener »Achse« weiter gesagt: »Hatte ich bislang geglaubt, dass eine Autobahn einfach eine Autobahn sei, die weder gut noch schlecht sein könne, egal zu welchem Zweck sie gebaut wurde, weiß ich nun, dass die A5 rassenideologisch kontaminiert ist und ich mir besser einen nationalsozialistisch unverdächtigeren Beförderungsweg suchen sollte, um am Montag zur Arbeit zu gelangen.« Nun, es ist immer schlimm, Menschen einen Kinderglauben zu entreißen. Doch hier handelt es sich ja nicht um Kinder, vielmehr um neu-rechte Ideologie. In der Wissenschaft wird seit gut 20 Jahren von Neuen Rechten, also den ›modernen‹ Rechtsextremisten, die Auschwitz nicht direkt leugnen, vielmehr das »Positive«, »Moderne« oder das »modernisierende« Element des Nationalsozialismus suchen, proklamiert, es habe in der Zeit von 1933-45 in Deutschland ungeheuer viele Möglichkeiten gegeben. Einen »Reichtum an Facetten«. Nicht nur die Gründung der »Stadt des KDF-Wagens bei Fallersleben«, heute VW-Stadt Wolfsburg, vielmehr auch der Volksempfänger, die Naturschutzgesetzgebung, die Wohnungsbaupolitik, die Angleichung der Stellung von Arbeitern und Angestellten etc. pp. würden das illustrieren. Die toten Sklavenarbeiter, die dazu auch benötigt wurden, bleiben unerwähnt. Das Mobilisierungspotential aller Maßnahmen des Regimes für die antijüdische Volksgemeinschaft wird ebenso entwirklicht oder affirmiert. Solche Rede ist also antisemitisch. Denn wer die Totalität des verbrecherischsten Landes der Geschichte der Menschheit einfach ausblendet, möchte sagen: der Holocaust, die vorherige Ausgrenzung, Demütigung, Gefangennahme und Deportation der Juden ist mir völlig egal. Das ist nicht das Thema mehr, heute. Heute gehe es vielmehr um die »Polykratie« des NS-Staates, die vermeintliche Widersprüchlichkeit und die Machtkämpfe innerhalb des Regimes. Damit werden die präzedenzlosen Verbrechen einfach derealisiert, entschwinden aus dem Gesichtsfeld. Die Neuen Rechten Rainer Zitelmann und Michael Prinz haben das 1991 in einem breit rezipierten Buch mit dem Titel »Nationalsozialismus und Modernisierung« vorgedacht. Das war damals die Vorbereitung für die »Selbstbewusste Nation«, wie das Standardwerk dieser Richtung der Neuen Rechten von Mitte der 1990er Jahre heißt. Heute ist die Situation noch weit dramatischer. Durch den schwarzrotgoldenen Taumel des Fußball-WM-Jahres 2006 wurden die allerletzten, kleinen Reste an Anstand, Zurückhaltung oder Unsicherheit ob eines neuen deutschen Nationalismus hinweggefegt.

Der Hass auf jede substantielle Kritik an Deutschland, Kritik am Gerede um ›nationale Identität‹ beispielsweise, seit Ende der 1970er Jahre, ist so verbreitet wie billig. Dass jetzt jedoch auch Henryk Broder von »negativem Nationalismus« redet, angesprochen auf eben solche unversöhnlerische Kritik, das stimmt sehr nachdenklich. Doch weiß er, dass es die Rede vieler Linker ist, die es Intellektuellen nie verziehen haben, dass diese marginalsten Kreise für die USA, Israel, den Universalismus und gegen völkische Theorie und Praxis, ob links, rechts, querfrontig oder mainstreammäßig kämpfen? Der Großteil der Stolzdeutschen, die einen »deutschen Weg« suchen wie der antiamerikanische SPDler Egon Bahr, oder einfach wie der WELT-Feuilleton-Chef Eckhard Fuhr die »Berliner Republik« als »Vaterland« kuschlig finden und vom »Freiheits-Bolschewismus« der USA fabulieren, um nicht noch offener vom deutschen Ressentiment gegen den »jüdischen Bolschewismus« zu reden oder einfach wie der Spiegel-Kultur-Chef Matthias Matussek allen Nicht-Deutschen zuposaunt: »Ihr könnt mich gern haben«, sprich: ›am Arsche lecken‹, all diese Facetten neu-deutscher Ideologie oder der politischen Kultur sind für jeden hellen Kopf unübersehbar. Die gleichen Leute sind es zumeist, die den Iran nicht als die größte Gefahr für den Weltfrieden betrachten, Fuhr und Bahr agitieren vielmehr gerne gegen die USA.

Wer meint, die Verharmlosung des Nationalsozialismus sei nicht schlimm, Hauptsache es geht gegen den politischen Islam, wird sich noch gehörig wundern. Nur wer erkennt, welche Verbrechen die Deutschen begangen haben und nur wer erkennt, dass der Nationalsozialismus eine antijüdische Volksgemeinschaftsaktion war, wird die Kraft haben dem islamischen Faschismus adäquat zu begegnen. Eigentlich genau das, was Broder seit Mitte der 1970er Jahre gemacht hat. Eigentlich. Heute zu postulieren, der Iran sei »noch schlimmer« als der NS, weil letzterer bekanntlich nur »12 Jahre», ersterer jedoch schon jetzt »27« existier(t)e, wie es Broder auf einer Podiumsdiskussion in Berlin vor einigen Wochen getan hat, ist so grotesk wie absurd. Jedenfalls nicht ironisch, sarkastisch oder witzig, polemisch auch nicht. Wenn ein katholischer Bischof mehrfach antisemitische Ressentiments gebraucht, wahlweise die Israelis mit Rassisten vergleicht, Deutsche als Opfer einer neuerlichen ›Umerziehung‹ (das Wort ist Kernbestandteil altnazistischer wie neonazistischer Propaganda seit den 1950er Jahren) herbeifantasiert und Kritikerinnen als »faschistoid« bezeichnen lässt, ist die Salonfähigkeit neu-rechter Ideologeme offenkundig. Broder nennt nun die Kritik an Mixas rechtsextremer und antisemitischer Terminologie ein Geschwätz eines »Reichsparteitages der Guten«. Das ist wiederum noch nicht mal witzig, ironisch oder sarkastisch. Es ist vielmehr ein Echo eines allzu deutschen Musters: früher verglich nicht nur Franz Schönhuber die Antifa mit der SA, auch Franz-Josef Strauß bemühte ähnliche Vergleiche um Kritik an neuen und alten Nazis, sich selbst eingeschlossen, abzuwehren. Ein simpler Projektionsmechanismus. Broder hatte den 1987 locker durchschaut.

Die pseudo-antifaschistischen Heuchler von heute mögen sehr anstrengend sein. Aber 20 Millionen Deutsche, die offen (!) zugeben, dass sie »gute Seiten im Nationalsozialismus« sehen, sind eine breite Basis für jede Form von Judenhass und im Zweifelsfall noch schlimmer als solche Heuchler. Wer meint mit der Geschichte des NS Späßchen zu treiben, hat wenig kapiert und die Zeichen der Zeit nicht erkannt. 1987 war das noch ganz anders. Man kann heute, auch wenn das Konservative, Liberale und andere nicht erkennen wollen, nicht gegen den politischen Islam vorgehen ohne den Nationalsozialismus in all seinen Erscheinungsformen zu analysieren und zu verurteilen. Kai Diekmann jedoch, der Chefredakteur der größten Tageszeitung Europas, der BILD-Zeitung, den Broder verlinkt auf der »Achse« und dessen Hetze gegen Kritiker Deutschlands zu genießen scheint, schreit seine Lust nach Diminuierung des NS so hinaus: »Nach dem universalen Hass der NS-Ideologie herrscht nun schon seit Jahren das universale Verständnis für alles und jeden. Diese Gutmenschenattitüde«. Die heutigen ›Gutmenschen‹ als die modernen Nazis. Das ist die BILD-Version der Schuldabwehr und –projektion. Solche Stolzdeutschen wollen ein Deutschland ohne Islam und kein Wort mehr über die Grundlage der Bundesrepublik hören, die Vernichtung der europäischen Juden. Die BRD ist der selbsternannte Nachfolgestaat des NS, mitsamt seinem ›arisierten‹ Besteck, mit den von Juden gestohlenen Häusern, Fabriken, Warenhäusern etc. Ohne die Nazis würde es heute auch keinen VFL Wolfsburg geben und zumindest dort auch keine antiisraelischen Fußballer deutsch-iranischer Provenienz.

Wer heute glaubt die Neue Rechte links überholen zu können und den NS zu verharmlosen, um nur so gegen den Djihad aktiv werden zu können, täuscht sich gewaltig. Die Neue Rechte kann nur bekämpft werden mit demokratischen Mitteln und Methoden. Der Kern dabei ist die Kritik der Verharmlosung des Nationalsozialismus, eine Analyse der antisemitischen Rede vom ›modernen‹ oder ›modernisierenden‹ Charakter‹ des NS-Staates. Dazu jedoch muss man die Forschung zu diesem Thema kennen. Broder mag, wie er selbst sagt, lieber Anekdoten als Fußnoten. Wieso nicht beides?

Der Kampf gegen den islamischen Faschismus, den ›grünen‹, der hierzulande so unendlich viele Freunde, Verharmloser und Beifallspender hat, ist viel zu wichtig als ihn denen zu überlassen, die damit gleich auch die braune Grundierung Deutschlands wegwischen wollen. Nicht entweder-oder: entweder ich kritisiere katholische Antisemiten wie Mixa oder ich bin gegen den Heiligen Krieg des Islam. Nein, vielmehr hat zu gelten: weder noch! Weder stehe ich auf der Seite eines Bischof Mixa noch auf jener einer Claudia Roth, die gewiss alsbald in der ersten Reihe der ›Friedensdemonstrationen‹ stehen wird, wenn der Iran militärisch gehindert werden wird, sein Vernichtungspotential gegen Israel einzusetzen.

Der Kampf gegen den Djihad jedoch lediglich als Vorwand, gerade für die BILD-Zeitung, den Spiegel, die WELT, sich noch gemütlicher einzurichten, gerade in Deutschland, dem Land der unbegrenzten Schuldabwehrmöglichkeiten?

Wer vom verbrecherischen Alltag des Nationalsozialismus nicht mehr reden möchte, sollte vom politischen Islam schweigen.

 

Deutsche Lust Es wächst zusammen was zusammen gehört: Nation und Sozialismus – „Volkslust“

ww.hagalil.com, 14.10.2007

Alle wollen mitmachen. Seit einigen Jahren quellen die Feuilletons über, Buchtitel und Veranstaltungen sind voll mit »Deutschland denken«, »Die Berliner Republik als Vaterland«, »Wir Deutschen« oder »Der deutsche Weg«. Dem möchten natürlich die nationalrevolutionären Neuen Rechten in nichts nachstehen. WIR SELBST jedoch, das Hochglanz-Flaggschiff dieses Teils des ›modernen‹ Rechtsextremismus, das seit 1979 bevorzugt auf braun-grünen Tümpeln schipperte, hat das Erscheinen seit 2002 eingestellt. Das Nachfolgeprojekt firmiert nun seit 2004 mit bislang vier Ausgaben unter dem Namen VOLKSLUST.

Nicht nur Eva Herman treibt es Freudentränen in die Augen, wenn sie dort liest: »Unsere Kinder sollen nicht mehr verschämt zu Boden blicken, wenn sie jemand fragt, woher sie kommen und sie sollen sich im Klaren darüber sein, dass die deutsche Geschichte nicht nur aus Auschwitz und Buchenwald besteht.« Auf diesen sekundären Antisemitismus hat VOLKSLUST also keinerlei Monopol, vielmehr wird er heute von nahezu allen deutschen Dächern, Blättern, im Radio, Fernsehen, in Talkshows etc. wollüstig gepfiffen. VOLKSLUST übernimmt den zentralen Slogan von WIR SELBST: »Wer von den Völkern nicht reden will, sollte von ›dem Menschen‹ schweigen«.

Die antiindividualistische, antiliberale und antiuniversalistische, völkische Theorie nennt sich nun »linkes Nachdenken über die Nation und das Volk«, um eine »volkliche Vielfalt« zu erkämpfen, wie es einer der jüngeren Nachbeter Eichbergs, Alexander Raoul Lohoff, auf den Punkt bringt, der es sogar 2003 und 2007 mit Leserbriefen in die JUNGLE WORLD schaffte, zuletzt um seinen Praeceptor Germaniae in Schutz zu nehmen. Bemerkenswert ist die Kooperation des Sohnes von Willy Brandt, Peter Brandt, Professor für Geschichte und aktiv in der SPD, mit VOLKSLUST. Brandt fordert eine »folkelighed« ein, einem dänischen Begriff des Theologen Grundtvig aus dem 19. Jahrhundert, eine Art ›Völkischheit‹. Was er nicht unternimmt, ist die Analyse des bereits bei diesem Theologen dechiffrierbaren, exkludierenden und antijüdischen Nationalismus, der sich gegen Meïr Aaron Goldschmidt wandte.

Grundtvig dient VOLKSLUST als wichtigster Kronzeuge für eine vermeintlich harmlose Bedeutung des Wörtchens »volklich«, welches er 1848 prägte. Volklich ist jedoch nicht nur bei ihm, vielmehr auch bei den völkischen Nationalisten der Weimarer Republik und sodann im Nationalsozialismus, u.a. in der Sprachtheorie Leo Weisgerbers, verwendet worden. Volklich meint jeweils das gleiche wie völkisch. Neben Brandt tauchen PDSler wie Gerhard Brandster oder der von der DKP zum Islam konvertierte Dieter Schütt als Autoren auf, zudem der rechtsextreme Anti-Antifa-Publizist Claus Wolfschlag, der schon früher geradezu Steckbriefe von Rechtsextremismusforschern entwickelt hat. Der »Schriftleiter« Hanno Borchert wiederum wurde zuletzt dadurch einschlägig bekannt, dass er den Nazi-Barden Frank Rennicke, der in seinen Stücken die SS hochlobt und beim Nazi-Projekt Schulhof-CD aktiv war, in der letzten WIR SELBST-Nummer von 2002 in Schutz nahm vor der »Faschismuskeule«.

Das Heidnische, Antimonotheistische, vor allem das Antijüdische und Antichristliche haben traditionell eine große Bedeutung für die nationalrevolutionären Neuen Rechten, in VOLKSLUST wird regelmäßig darauf abgehoben. Ebenso kommen Noam Chomsky, Arundhati Roy oder Günther Nenning als Bezugspunkte vor, auch Robert Kurz, Roswitha Scholz oder das ›wert- und krisenkritische‹ Projekt exit werden ausführlich gewürdigt, zudem huldigen die obsessiv Völkischen »Wald und Licht«, der kosmologischen »Maja« oder publizieren Artikel der »Wertkritischen Kommunisten Leipzig«, welche die Kinderband Tokio Hotel hypen. »Antifas« sind für die volkslustigen Regimenter »Schwachköpfe«, sie werden mit »Hools« in eine Reihe gesetzt. In antisemitischer Analogie wird der Kampf gegen »›den Juden‹« mit heutiger Kritik am »›Islamofaschismus‹« gleichgesetzt. »Martin Walsers Aufruhr gegen die ›Auschwitzkeule‹« wird wohlwollend angeführt und als Zeichen für eine »volkliche Linke« registriert. Auschwitz wird zudem nur erwähnt, um es als westlich zu deklarieren, als »Fabrik«, also als »modern«, um ja nicht vom spezifisch deutschen, eliminatorischen Antisemitismus zu reden. Eine prima Entlastungsmöglichkeit für die Deutschen.

Diese Strategie ist wiederum keine genuin neu-rechte, vielmehr als postmodernistisches Syndrom zu erkennen, das immer wenn es von der ›Moderne‹, der ›Aufklärung‹ oder ›dem Menschen‹ hört, von »KZ« redet. In Eichbergs Text »antideutsch oder antiimperialistisch« zeigt er nachdrücklich, dass die gegenwärtige Rezeption von Dutschke oder Che Guevara – »Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker« – auch in der Neuen Rechten Wellen schlägt. Feindbild ist vor allem die »jungle world«, die sich anmaßte »Sherry statt Sharia« zu fordern. Heute sprüht die Volkslust, wenn zur Marx-Engels-Stiftung der DKP über »Linke und Nation« gegangen wird, wie es die Homepage der VOLKSLUSt vorschlägt. Sie zeigt sich auch darin, antizionistisch-linke Publikationsorte wie trend-online-partisan zu loben, wenn dort Eichberg vor Kritik in Schutz genommen wird.

VOLKSLUST steht für einen marginalen Kreis Neuer Rechter und Querfrontler, aber bezeichnender ist folgendes: sie bringen die politische Kultur des heutigen Deutschland mit seiner schwarzrotgoldenen Hurra-wir-sind-Deutsche-und-deshalb-so-froh-Ideologie auf einen gewissen Kulminationspunkt; Nation und Sozialismus sind im Kommen. Wer erinnert sich nicht an Friedrich Meinecke, den berühmten Historiker, nachdem in Berlin das historische Institut an der Freien Universität benannt wurde, der 1946 in seinem Pamphlet die deutsche Katastrophe Hitler als »brünstigsten Verkünder« und »Exekutor« dafür lobte, »die Verschmelzung der nationalen und der sozialistischen Bewegung« angegangen zu haben. VOLKSLUST kämpft für einen nationalen Sozialismus im 21. Jahrhundert.

Wer ist nicht stolz auf ein Land, das seiner Vergangenheit noch eine Zukunft bietet?

 

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