Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: Juli 2018

Antirassismus konkret oder Trevor Noah: Afrika ist Weltmeister – gemeinsam mit Frankreich

Von Dr. Clemens Heni, 21. Juli 2018

Der neue Fußball-Weltmeister der Männer heißt Afrika, genauer gesagt: Frankreich. In einem teils spielerisch begeisternden Stil haben Mbappé, Pogba oder Kanté gemeinsam mit Griezmann, Giroud und Lloris völlig verdient, mit viel Schwung und fußballerischer Klasse, technisch wie taktisch, die Weltmeisterschaft gewonnen. Es war ohnehin eine insofern wunderbare WM, als die deutsche Mannschaft endlich das klar machte, was viele seit Jahrzehnten erhoffen: das Vorrundenaus.

Dass gerade die Kroaten mit ihrer Vorliebe für faschistische Lieder und Sänger und unglaublichem Dusel (3mal mussten sie in die Verlängerung, dabei zweimal ins Elfmeterschießen) ins Finale gekommen waren – ärgerlich, aber nicht wirklich bemerkenswert.

Die politisch katastrophale Situation in Russland war kaum Thema und das wird in vier Jahren bei der geplanten WM in Qatar, die im Winter stattfinden soll, auch nicht anders sein. Die FIFA hat noch mit jedem korrupten oder möglicherweise korrupten Land kooperiert (erinnern wir uns an die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland und an unzählige weitere Beispiele…).

Es gibt nun einen aktuellen Beitrag zum WM-Sieg Frankreichs des südafrikanischen Kabarettisten Trevor Noah, Sohn einer südafrikanischen Mutter und eines deutschschweitzerischen Vaters. Noah wuchs zu Zeiten der Apartheid in Südafrika auf, die Beziehung seiner Eltern war „illegal“. 2011 zog er in die USA.

Nun bekam Trevor Noah einen Brief des französischen Botschaftes in den USA. Warum? Er hatte in seiner Sendung „Daily Show“, die er seit 2015 moderiert, gesagt, dass er es toll finde, dass Afrika Weltmeister geworden sei. Es war ein „joke“.

Das hat den französischen Botschafter in den USA und viele Franzosen auf die Palme gebracht – der Botschafter schrieb einen Brief an Noah und betont, dass alle Spieler Franzosen seien (nur zwei seien außerhalb Frankreichs geboren) und also nicht Afrika, sondern Frankreich gewonnen habe.

Nun ist Trevor Noah ein weltgereister Mann, der viel Rassismus in Südafrika erfahren hat, als kleiner Junge, und betont, warum es nicht möglich sein soll, sowohl Puerto Ricaner oder Ire und Amerikaner zu sein. So wie man Afrikaner und Franzose sein könne.

Das Video ist eine Lehrstunde in Demokratietheorie – gerade gegen die „Nazis in Frankreich“, die Trevor sehr wohl erwähnt und attackiert, die den WM-Titel ablehnen, weil ja das Team afrikanisch und nicht französisch sei.

Doch genau das möchte Noah bekämpfen, inder er sagt, Frankreich und Afrika hätten die WM gewonnen. Die Betonung des Botschafters, Frankreich habe eine „vielfältige Geschichte“ wäre eventuell noch präziser, so Noah, wenn er gesagt hätte, eine „Kolonialgeschichte“.

Trevor Noah bringt ein Beispiel, das für die Politikwissenschaft, die Demokratietheorie, die politische Kultur wie die Analyse des rassistischen Diskurses von enormer Bedeutung ist: viele erinnern sich noch an jenen malischen Flüchtling, der ohne Papiere in Frankreich lebte und einem Kind, das hilflos am Geländer eines Balkons hing, das Leben rettete, der „Spidermann“ von Paris. Wenig später erhielt er vom französischen Präsidenten Macron die Staatsbürgerschaft verliehen. Ein Held. Aber was für ein Held?

Trevor Noah macht das deutlich: als der Mann aus Mali unten stand an dem Haus, war er ein Afrikaner, als er nach 36 Sekunden oben ankam und das Kind rettete, war er plötzlich ein Franzose. Doch hätte er das Kind aus Pech tragischerweise wieder fallengelassen, wäre er weiter ein Afrikaner. So schnell kann das mit der Staatsbürgerschaft gehen.

Von daher Trevor Noah anschauen, dieser Beitrag ist Pulitzer-Preis verdächtig.

©ClemensHeni

Die letzten Zuckungen des patriarchalen, deutschen Systems? Der Fall Seehofer

Von Dr. Clemens Heni, 3. Juli 2018

Es sind die letzten Zuckungen Horst Seehofers. Für einige Tage oder Monate bleibt er Innenminister und befördert den Rassismus in diesem Land wie nur wenige Innenminister seit 1949.

Er weiß, dass die sog. Geburtenziffer seit Jahrzehnten anzeigt, dass dieses Land kleiner wird, was ja an sich sehr gut ist. Ohne verbrecherische deutsche Ingenieure gäbe es keinen „Abgasskandal“ bei der Nazi-Gründung „Volkswagen“, ohne die kapitalistische Elite weltweit und zumal in Deutschland gäbe es ein kleineres Klimawandelproblem, mehr Wohnraum für alle in den besten Lagen innerhalb und außerhalb der „Zentren“, keine Ideen für „Ankerzentren“ genannte rassistische Gefängnisse, die Menschen als ungleiche behandeln und an die Apartheid erinnern.

Es gäbe kostenlosen öffentlichen Nah- und Fernverkehr, viel bessere Bildung und sogar stabiles Internet mit mehr als 16MB Übertragungsrate, Diskussionen zur Kritik am Nationalismus und viel mehr Freiräume für antifaschistische Kritik an Nazis von AfD über Pegida bis zu Fußball-Wahnsinnigen, die in schwarzrotgoldenen Ganzkörperburkinis an den Strand gehen.

Es gäbe Diskussionen über das Ende der deutschen Nationalhymne, die doch laut Hitler das „heiligste Lied der Deutschen“ sei. Menschen mit Anstand singen sie nicht, wobei jene, die sie nicht singen, aber Islamfaschisten huldigen, ebenso zeigen, dass ihr autoritärer Charakter strunzdeutsch ist.

Es würde eine Regelung geben, dass Politiker mit 65 Jahren aufhören müssen. Punkt. Das hätte uns Trump, Schäuble, Gauland und Seehofer in ihren heutigen Positionen erspart.

Das wäre gleichwohl nur ein allererster Schritt, denn die jungen Neuen Rechten vom Österreicher Kurz über Spahn (CDU) bis nach Italien und Frankreich oder England, Ungarn, Polen etc.pp. stehen bereit und zeigen, dass es nicht nur alte patriarchale Säcke sind, die unser Problem sind.

Marine le Pen oder Julia Klöckner („Wir wollen doch alle das gleiche“ – Ausländer raus meint das) teilen doch die Abschottungsagenda der Nazis von AfD bis zum bloc identitaire um Renaud Camus.

Es geht um Europa, gegen den Nationalismus. Anfang der 1990er Jahren haben radikale Linke das Projekt EU bekämpft, weil es nur als verlängerter Arm der je nationalstaatlichen kapitalistischen Projekte betrachtet wurde.

Heute ist EUropa die mögliche Rettung zumindest vor den Horsts dieser Welt, die täglich versuchen, EU-Recht bezüglich der Einwanderung zu unterlaufen, wenn nicht zu brechen.

Es war jedem denkenden Menschen klar, wie gefährlich der Aufstieg der Nazis und der AfD ist.

Doch wie schnell das geht, dass eine sich bürgerlich nennende Partei wie die CSU (die nach 1945 auch von Nazis wie August Haußleiter in führenden Positionen mit gegründet wurde) originär wie eine rechtsextreme Partei ein ganzes Land vor sich hertreibt, das ist vom Stil doch nur Ausdruck der letzten Zuckungen des alten Patriarchats, für das Seehofer steht. Er wird untergehen, ziemlich bald. Aber es wird neue extreme Rechte geben, die das forführen wollen.

Es ist Zeit für linke Diskussionen – es gibt ein Leben jenseits Deutschlands, das europäisch sein wird und Menschen als gleiche behandelt. „Vive la France, Vive la République“, so etwas kann nur ein Fußballer wie Antoine Griezman zu seinem Mitspieler Kylian Mbappé ins Mikrofon schreien und beide sind begeistert – das ist einzigartig in Europa.

Wie schnell jedoch ein rassistischer Diskurs in Deutschland die gesamte Debatte bestimmt, zeigt wie groß die Liebe von Millionen Deutschen zum Faschismus oder zum Nationalsozialismus immer noch ist, nicht nur wegen Hitler und den damaligen Deutschen und deren „heiligstem“ Lied, sondern wegen der Reinheit und Einheit.

©ClemensHeni

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