Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: März 2023

LIVE: Volksaufstand gegen Netanyahu und für Israel: 700.000 auf den Straßen des ganzen Landes

Von Dr. phil. Clemens Heni, 27. März 2023

Nach der gestrigen Entlassung des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant, der doch noch Mut hatte und am Samstag in einer Video-Botschaft seine eigene Regierung aufforderte, die geplante Justizreform auszusetzen, durch Benjamin Netanyahu abends gegen 22 Uhr Ortszeit, gibt es aktuell (Montagmorgen kurz vor 1 Uhr Ortszeit Israel) einen regelrechten Volksaufstand. Es wird geschätzt, dass aktuell bis zu 700.000 Menschen – mitten in der Nacht – auf den Straßen sind, und gegen die Entlassung des Verteidigungsministers und die gesamte Politik von Netanyahu demonstrieren. Darunter sind Zehntausende Reservisten, Elitesoldat*innen, Polizist*innen, Geschäftsleute, Linke, Liberale, die breite Mitte und auch Konservative und gar einige Religiöse.

700.000 Demonstrant*innen auf den Straßen – in einem Land mit 9 Millionen Einwohner*innen!!!

Sie demonstrieren vor den Privatadressen von Ministern oder auch dem Regierungssitz von Netanyahu. Die zentrale Autobahn in Tel Aviv, der knapp 30km lange Ayalon Highway, den alle kennen, die je in Israel waren, ist blockiert. Das kam in den letzten 12 Wochen schon häufig vor, aber nie von so vielen Zehntausenden wie heute und bislang auch nicht mit brennenden Barrikaden. Es ist Volksaufstands-Zeit!

Wer diese Bilder sieht, merkt, das ist ein Volksaufstand:

Jetzt gibt es auch Feuer. Game over, Bibi.

Der ehemalige Chef des Mossad Efraim Halevy, sprach im TV-Sender CNN in scharfen Worten gegen die geplante Politik von Netanyahu. Dabei wird auch eine Stellungnahme der ehemaligen Botschafterin Israels in Frankreich Yale German, die im Februar 2023 aus Protest zurücktrat, eingespielt.

Halevi sagt, dass Netanyahu ein Lügner ist, da er vor der Wahl nichts zu dieser geplanten Justizzerstörung gesagt habe und die Wahl ganz sicher verloren hätte, wenn das als ein zentraler Programmpunkt seines Wahlprogramms bekannt gewesen wäre. Halevi wurde vor Jahren von Netanyahu als Chef des Mossad eingesetzt. In dem Gespräch mit CNN geht die Moderatorin auch auf die schockierenden Gewaltexzesse in Huwara im Westjordanland ein, als nach dem Mord an zwei Juden durch Palästinenser Häuser und Autos der Palästinenser durch Siedler angezündet wurden und ein Mensch ermordet wurde, Dutzende wurden verletzt. Der israelische Finanzminister Smotrich sprach sodann davon, man solle die Stadt von der Landkarte wischen, also zerstören. Sein späteres Dementi war lachhaft, er wurde von Netanyahu nicht entlassen. Schließlich geht es in dem faszinierenden CNN-Gespräch um den von China eingefädelten Deal von Saudi-Arabien mit dem Iran. Der Ex-Mossad Chef betont, dass Israel eigentlich gar keinen Konflikt mit dem Iran habe, keine gemeinsame Grenze etc., und dass man genauer schauen müsse, gerade als Israeli, wie die Chinesen das geschafft hätten, was der Preis war und ob es nicht für Israel eine Möglichkeit geben könnte, sich mit dem Iran zu verständigen …

Als die Leute von dem Rausschmitt Gallants aus der Regierung hörten, kamen sie aus der Philharmonie, Frauen in High-Heels und mit Stolas, Leute rannten aus Restaurants und alle strömten zum Kaplan Platz und zur Stadtautobahn Ayalon. Die Polizei versuchte anfangs, die Demonstrant*innen aufzuhalten, aber es war eine unglaublich riesige Gruppe, Zehntausende.

Es geht um jede Sekunde und Stunde. Morgen früh ab 8 Uhr möchte der rechtsextreme Vorsitzende des Justiz- und Verfassungs-Ausschusses Simcha Rothman die Gesetzgebung eines Gesetzes zur Wahl der Höchsten Richter fortführen und noch am selben Abend das Gesetz, das der Regierung die Macht geben würde, Höchste Richter nach ihren politischen und nicht juristischen Vorlieben zu bestimmen, mit aller Gewalt durch die Knesset peitschen.

Was jetzt zählt ist: Rücktritt von Netanyahu, sein Ende als Politiker, seine Anklage und dann mal sehen, ob er in Freiheit oder im Gefängnis seinen nächsten Hochzeitstag verbringt. Aber das ist egal.

Rücktritt der ganzen Regierung, die Israel in seinen Grundfesten zerstören will, intentional, sie wollen keinen Rechtsstaat, weil sie nationalistische, rechtsextreme und zumal religiöse Fanatiker sind.

Sie müssen gestoppt werden.

Es geht um den Zionismus und Israel als demokratischen Rechtsstaat.

Der ehemalige israelische Regierungschef Ehud Barak betont in aller Schärfe, dass ein bloßes Verschieben oder Aussetzen der Abstimmung die Proteste überhaupt nicht beende würde. Es geht um ein ENDE dieser Justizreform, die eine Zerstörung der Unabhängigkeit der Justiz wäre, religiösen Extremisten die Möglichkeit geben würde, eine Gender-Apartheid in Bussen durchzusetzen oder weiterhin die Sonderregelung für die Religiösen bedeuten würde, nicht zur IDF gehen zu müssen. Nun kann ich verstehen, wenn man keine Lust auf Krieg hat – aber die Begründung ist religiös, nicht rational und in Israel ist es überlebensnotwendig eine sehr starke Armee zu haben, von der auch die Religiösen profitieren, aber überhaupt nichts für die IDF leisten.

Dass es der übergroßen Mehrheit der Protestierenden nicht um die Besatzungspolitik geht und dass eine militärische Sprache überhand nimmt, die von Krieg redet und damit Bürgerkrieg meint, das ist selbst für israelische Verhältnisse neu.

Gallant, der noch am Donnerstag von Netanyahu zensiert wurde, hat zwei Tage später eben doch noch seine Meinung gesagt und berichtet, dass er noch nie eine so dramatische Stimmung in der israelischen Armee erlebt hat wie derzeit. Die Soldat*innen sind nicht bereit, für diese Regierung zu üben, geschweige denn zu kämpfen.

Eine Ironie am Rande: wann gab es zuletzt Demonstrationen gegen die aktuellen Zustände in Israel, die ausgerechnet in London mit Israelfahnen bestückt waren?

DAS Symbol des Protests ist die blau-weiße Fahne mit dem Davidstern. Es kam schon vor, dass rechtsextreme Schlägertrupps Menschen mit einer Israelfahne in Israel (!) angriffen, weil sie denken (zu Recht), dass es sich hierbei um zionistische Kritiker*innen der aktuellen Regierung handelt.

Bislang war ja die Israelfahne in Israel eher Symbol der Rechten.

Jetzt aber ist sie zu dem Symbol des Zionismus geworden, zum Symbol für Vielfalt, LGBTQ+, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und für Minderheitenrechte. Doch dass daraus eine radikale Kritik der Besatzungspolitik erwächst, ist eher unwahrscheinlich, darum geht es kaum bis gar nicht. Der extreme Rechtskurs von Netanyahu hat das Land erschüttert wie nichts seit 1973 und dem Yom Kippur Krieg, wie die Times of Israel schreibt.

Es kann jetzt nicht um ein Aufschieben dieser diktatorischen Gesetzung auf die Zeit nach Pessach, also auf Mitte/Ende April 2023 gehen, wie es jetzt selbst Netanyahu in Erwägung zieht. Es muss um ein Ende der Justizzerstörungs-‚Reform‘ gehen. Das betont auch Ehud Barak, es sein ein point of no return erreicht. Die Demonstrationen werden nicht aufhören, bis alle rechtsextremen Gesetzgebungsideen von Yariv Levin, Ben Gvir, Deri und Netanyahu und alle anderen komplett vom Tisch sind.

Yalla, es lebe der Zionismus! Nieder mit Netanyahu, korrupten, nationalistischen und religiösen Extremisten, Platz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

 

Update 9:34 Uhr:

Der Chef der Gewerkschaft Histadrut Arnon Bar-David, droht mit

einem nie dagewesenen Generalstreik, wenn die geplante Justizzerstörungsaktion von Netanyahu nicht gestoppt wird. Dieser Generalstreik würde alle Bereiche der Gesellschaft betreffen, auch Krankenhäuser etc. Schon heute könnte der Generalstreik beginnen. Schon heute kündigen Kindergärten an, zu schliessen, Einkaufszentren schließen gegen Mittag und Morgen öffnen viele Geschäfte überhaupt nicht.

Der ehemalige Minister und Ex-Netanyahu Vertraute und Vorsitzende der Partei Israel Beytenu (Unser Haus Israel) Avigdor Liberman, fordert den Likud auf, Netanyahu und Justizminister Levin auszuschließen bzw. zu entlassen. Die gestrige Blockade der Ayalon Stadtautobahn gingen laut Times of Israel bis ca. 4 Uhr am Morgen.

9:58 Uhr

Der Flughafen Ben-Gurion ist im Streik. Offenkundig hatte wenige Minuten zuvor Bar-David tatsächlich den historischen Generalstreik ausgerufen.

Schon gestern Abend berichtete Haaretz, dass der israelische Generalkonsul Asaf Zamir in der weltweit größten jüdischen Stadt (in keiner anderen Stadt leben mehr Juden) – New York City – seinen Rücktritt erklärt hat. Er gab eine Erklärung auf einer Veranstaltung im jüdischen Museum New York vor 900 Gästen ab.

10:12 Uhr:

Der Präsident Israels Isaac Herzog forderte laut Jerusalem Post heute Morgen die Regierung auf, die geplante Justizreform sofort, also HEUTE, zu stoppen. Das Land wäre am Rande eines Kollapses, weil weite Teile der Bevölkerung, der Armee und aller zentralen Einrichtungen gegen die geplante Justizreform sind und es letzte Nacht Gewalt und Barrikaden gab.

11:13 Uhr:

Die Rechtsextremen, Rassisten, Schläger und Hooligans des Beitar Jerusalem Fußballclubs von „La Familia“ („Death to Arabs“) kündigen an, heute Abend um 18 Uhr Ortszeit auf die Kaplanstraße in Jerusalem zu marschieren. Der Knessetabgeordnete und Vorsitzende des Justiz- und Verfassungsausschusses Simcha Rothman von der Partei Religiöser Zionismus forderte seine Anhänger (wie La Famlia) auf, zu demonstrieren. Schon jetzt fahren Tausende Kritiker*innen der Regierung mit Zügen und Autos in Richtung Jerusalem, um gegen die Justizzerstörung vor der Knesset zu demonstrieren. Die Kaplan Street führt am Rosengarten vorbei direkt zur Knesset. Auch in Tel Aviv gehen die Demonstrationen über die Kaplanstraße.

Ben Gvir droht, dass die Regierung platzen wird, wenn Netanyahu die Gesetzgebung stoppen sollte. Schön wär’s!

NEU Vorankündigung: Pandemic Turn – Antisemitismusforschung und Corona

Im April 2023 erscheint:

Clemens Heni

Pandemic Turn

Antisemitismusforschung und Corona

ISBN 978-3-946193-39-5 | 17 x 24 cm | Hardcover mit Schutzumschlag | Lesebändchen | xxxvi + 638 Seiten | 38€ | 202 Abbildungen |

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Antisemitismus, Band 8 |

Leseprobe Heni Pandemic Turn 2023

Ich liebte Karstadt – Die irrationale und fanatische deutsche Corona- und Ukrainepolitik zerstört die Innenstädte vollends

Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. März 2023

Die menschenfeindliche, irrationale, demokratiefeindliche und aktuell zutiefst rassistische, blutige, gegen Diplomatie gerichtete, ja geradezu Rache für Stalingrad herbeischreiende, kriegsgeile Politik der deutschen Bundesregierung und ihrer staatsfetischistischen Medien führt zum Ende der Innenstädte, wie wir sie kannten. Karstadt ist fast völlig am Ende. Nahezu jede zweite Filiale wurde durch die Politik der deutschen Bundesregierung und dem kapitalistischen Prinzip an und für sich zerstört. Das Nicht-Einkaufen-Können während Corona und die extrem gestiegenen Energiepreise seit dem deutschen Wirtschaftskrieg gegen Russland gaben dem ohnehin dem kapitalistischen Diktat von Oligarchen unterworfenen Warenhausriesen den Rest.

Karstadt, das war die BRD. Das war das Leben bis 1989.

Dabei war das Prinzip des Warenhauses fortschrittlich. Es war die Idee, unter einem großen Dach alle wichtigen Waren des Alltags kaufen zu können, Hosen, Schuhe, Knöpfe, Teller, Osterhasen aus Schokolade, Schnürsenkel, Parfüm, Jeans, Unterwäsche, Mäntel und Jacken, Schreibwaren, Glückwunschkarten, Spielzeug, Sportgeräte, Zelte – und in jedem Karstadt gab es oben ein super Restaurant.

Der Blick von der Galeria Kaufhof in Stuttgart in der Eberhardstraße ist genial. Ähnlich dem Weitblick in die rheinische Tiefebene und hin zum Neckar von der Galeria Karstadt am Bismarckplatz in Heidelberg.

Als ich wenige Tage nach dem 11. September 2001 meine alten Genossinnen und Genossen, die zu Tausenden auf einer Demonstration ihre Schadenfreude hinausbrüllten und ihre Bin Laden Cocktails schlürften, mit gelben Flugzetteln zur Kritik des islamistischen Terrorismus überschüttete, flüchtete ich danach vor diesen antisemitischen und antiamerikanischen, pro-jihadistischen Autonomen – natürlich in den Karstadt in Bremen und genoss dort die kulinarischen Köstlichkeiten.

Als ‚wir‘ Autonomen Jahre zuvor, ca. 1993 auf einer Antifa-Demo den Weihnachtsmarkt in Essen auflockerten, war der Karstadt auch ein Schutzraum.

Meine ersten Waren kaufte ich im Karstadt in Esslingen am Neckar (im gleichen Gebäude, damals noch „Hertie“), nehmen wir Zelte, Campingkocher, Badetücher, Jogginghose – das war in den 1980er Jahren.

Galeria Kaufhof, die ja vor Jahren mit Karstadt fusionierten (Monopolkapitalismus, die letzte Stufe vor dem Ende), waren das Symbol für Urbanität. Jenseits des Miefs kleiner Läden, die nicht nur um 1900 Leute nach dem Äußeren aussonderten und schief anschauten, waren Kaufhäuser kosmopolitisch, das Warenangebot riesig und es war anonym. Da war keine Einlasskontrolle, es war das kapitalistische Warenparadies, natürlich nur für jene, die Geld haben, klar. Aber man konnte auch – im Gegensatz zu den spießigen, noch viel teureren kleinen Modeboutiquen oder Kitschläden – einfach stundenlang durch die Gänge schlendern, Rolltreppe fahren, Aufzug fahren, Sachen anprobieren, an- und wieder ausziehen, sich einen Spaß machen oder natürlich als Teenager auch mal Sachen kaufen, für die man dann gar nichts bezahlen musste.

Die Karstadt-Filialen in Essen, Bremen, Regensburg am Neupfarrplatz, in Esslingen, in Reutlingen, in Stuttgart in der Eberhardstraße und Dutzende weitere schließen jetzt in wenigen Monaten. Hier ist die Liste jener Galeria Karstadt Kaufhof Filialen, die geschlossen werden – die man als Oligarchen-Kapitalismus-Liste sowie Coronapolitik- und Ukraine-Solidaritätsliste bezeichnen kann.

 

Massenproteste in Israel für Demokratie und Zionismus – Der größte inoffizielle Unterstützer der antisemitischen BDS-Bewegung heißt Benjamin Netanyahu

Von Dr. phil. Clemens Heni, 11. März 2023

Noch nie gab es in der Geschichte Israels an zehn aufeinanderfolgenden Wochen jedes Wochenende und dazu unter der Woche Demonstrationen mit über 100.000 bis zu 500.000 Teilnehmer*innen im ganzen Land, vorneweg über 100.000 jeweils in Tel Aviv.

Heute am Samstag, den 11. März 2023 sind es am Abend gegen 21 Uhr Ortszeit 250.000 Demonstrant*innen allein in Tel Aviv!!

Es herrscht Revolutionsstimmung. Das Militär, die Polizei, die Unternehmer, die Student*innen, die NGO-Szene, die Kneipenwirte – alle sind sie dabei, Linke, Rechte, Liberale.

In ganz Israel sind heute laut den Organisatoren 500.000 Menschen auf den Demonstrationen gegen die Regierung Netanyahu und die geplante „Justizreform“. Man muss sich die Dimension vorstellen: Tel Aviv, die erste hebräische Stadt, die Bauhaus-Stadt, in der am 14. Mai 1948 von David Ben-Gurion die Unabhängigkeit des jüdischen und demokratischen Staates Israel verkündet wurde, hat heute knapp 450.000 Einwohner*innen. Israel hat ca. neun Millionen.

Heute wurde der entlassene und jetzt wieder eingesetzte Polizeichef von Tel Aviv beklatscht und bejubelt auf der Demonstration.

Man muss sich das alles vorstellen, weil es so phänomenal ist. Endlich gibt es Proteste, die über das typisch linke Milieu hinausgehen!!

Hier demonstriert die Mitte der Gesellschaft. Hier demonstrieren Israelis, die für ihr Land kämpfen, für den Zionismus, für die Demokratie. Sie haben es geschafft, die israelische Fahne als das Symbol des Widerstands zu etablieren – bislang waren Demonstrationen mit der Israelfahne eher mit den Rechten oder Siedlern assoziiert.

Viele verkleiden sich als oberster Richter*innen, denen kein Gehör mehr geschenkt wird. 37 von 40 Reservisten einer Elite-Einheit der israelischen Luftwaffe hatten sich am Mittwoch geweigert, eine Übung abzuhalten. Sie erschienen zwar zum Dienst, aber diskutierten über die geplante Justizreform, die einer Zerstörung der Gewaltenteilung gleich käme, da die Knesset mit einfacher Mehrheit jedes Urteil des Obersten Gerichthofs überstimmen könnte. Das könnte das Ändern von Wahlkreisen, die Zulassung oder Nicht-Zulassung zur Wahl (wie von arabischen Parteien, von Linken etc.), Urteile über illegale Siedlungen und vieles mehr bedeuten.

Dabei war der oberste Gerichtshof bislang gar nicht sonderlich links – er hat die völkerrechtlich nicht haltbaren Siedlungen in der Westbank nicht verurteilt, sondern nur besonders eklatant illegale Außenposten. Darauf weisen Texte wie in Haaretz diese Woche hin.

Es geht vor allem um den Kampf der säkularen Mehrheit des Landes gegen die Religiösen, die in einer klaren Minderheit, aber jetzt an der Macht sind. Die Pointe: die Rechtsextremen und Religiösen wie die Mitglieder, Minister oder Knessetabgeordneten der Shas-Partei oder der Partei United Torah Judaism dienen gar nicht in der Armee. Sie tun nichts zur Verteidigung Israels gegen den Iran, gegen palästinensische Terrorist*innen oder andere Gefahren. Der Volksverhetzer, Rassist, Sexist und homophobe, vorbestrafte Schläger Ben-Gvir wurde gar nicht erst zur israelischen Armee zugelassen!

Es gab Demonstrationen von Marinesoldaten im Hafen von Haifa.

Am Frauenkampftag 8. März demonstrierten Frauen in Tel Aviv, angezogen als Richterinnen:

Red was chosen as the theme color of the “Women’s Chain for Democracy” after groups of crimson-robed “handmaids” – inspired by the Margaret Atwood novel and Hulu series “The Handmaid’s Tale” – have become staples of the weekly mass demonstrations across the country.

. Sie sehen die Gefahr dass die extrem patriarchal-religiös-rechtsextremen Männer unter Netanyahu zum Beispiel die von vielen Religiösen gefordete Separierung von Frauen und Männern in öffentlichen Bussen wie in Stadtteilen von Jerusalem und anderen Städten einführen könnten – vorne die Männer, hinten die Frauen. Eine Apartheid gegen die Frauen, wie man sie in Saudi-Arabien verorten würde.

 

Letzten Samstag demonstrierten in Tel Aviv Zehntausende gegen „Bibistan“ und forderten wie heute auf, „zu revoltieren“.

Andere demonstrierten gegen das neu-rechte Think Tank „Kohelet Policy Forum“, das ja federführend für die Ausarbeitung der geplanten Justizzerstörung verantwortlich ist.

Es wird damit gerechnet, dass eine Vielzahl von Reservisten, gerade in Eliteeinheiten, die für Einsätze gegen Terrorgruppen in Syrien oder dem Libanon etc. verantwortlich sind, nicht für Netanyahu in den Krieg ziehen werden. Ein unglaublicher Vorgang – für den niemand anderes als Netanyahu verantwortlich ist.

Am Donnerstag musste der israelische Regierungschef mit dem Helikopter zum Flughafen Ben-Gurion geflogen werden – weil die Zufahrtsstraßen von Protestierenden völlig blockiert waren. Der amerikanische Verteidigungsminister Austin konnte am Donnerstag nicht nach Tel Aviv oder Jerusalem, sondern musste sich provisorisch in Gebäuden neben dem Flughafen mit Netanyahu treffen. In Israel wird Ben-Gvir von Oppositionschef Yair Lapid als „TikTok-Clown“ lächerlich gemacht, Netanyahu wird als Chef einer „Bananenrepublik“ bezeichnet, der gegen das eigene Volk mit dem Hubschrauber zum Flughafen geflogen werden muss.

 

Es geht um den Kern des Zionismus: gleiche Rechte für alle und ein demokratischer und jüdischer Staat für die Juden UND alle anderen Bewohner*innen des Staates Israel. Es geht um Säkularismus versus religiösem Fanatismus.

Täglich verliert das Land zig Millionen Schekel von Firmen, die sich aus Israel zurückziehen und ihr Geld in den USA, Europa oder anderswo investieren.

Die High-Tech Branche ist erstmals in höchster Alarmstimmung und zentraler Teil der mittelständischen Proteste gegen die geplante Justizreform, die einer Zerstörung der Gewaltenteilung gleich käme, da Urteile des Obersten Gerichtshofs mit einfacher Mehrheit von 61 Stimmen in der Knesset von der Regierung oder einer anderen Mehrheit überstimmt werden könnten. Dazu soll die Regierung auch fünf von neun Sitzen in dem Gremium erhalten, das neue Richter im ganzen Land bestimmt. Das alles ist seit Jahrzehnten geplant, da die Neue Rechte nach der totalen Macht strebt.

Netanyahu möchte aus Israel ein nahöstliches Ungarn machen und ein homophobes, frauenfeindliches, rassistisches Klima noch verschärfen.

Täglich gibt es neue Desinvestitionsansagen von Firmen. BDS war gestern – heute ist Netanyahu derjenige, der Israel isoliert und den Boykott des Staates voranbringt. Man muss sich nur anschauen, wie in England oder USA in jüdischen Gemeinden mit Fassungslosigkeit über die aktuelle Politik diskutiert wird. Aber in Deutschland? Ein bisschen deskriptives Beschreiben der Situation in der Jüdischen Allgemeinen und die angeblichen Pro-Israel Blogger kaprizieren sich wie immer auf Muslime und den Jihad. Israel ist ihnen schlichtweg egal!!

Und aus all diesen Gründen ist Benjamin Netanyahu die aktuell größte Gefahr für Israel – er zerstört das Land von innen heraus.

Benjamin Netanyahu möchte am 16. März 2023 nach Berlin reisen.

Am Donnerstag, vorgestern, sprach der israelische Präsident Herzog in ganz scharfen Worten gegen die „Justizreform“ und sagte, die Regierung solle das Unterfangen sofort stoppen – sonst würde Israel auseinanderbrechen.

Letzteres ist ja das Ziel der Neuen Rechten, sie lieben den permanenten Ausnahmezustand. Darin ähneln sie der Hamas, die gestern wieder einen Terroranschlag in Tel Aviv verübte. Das sehen sehr viele Israelis exakt so. Sie sehen sich in einem zweiten Unabhängigkeitskrieg – dieses Mal nicht gegen die Araber, sondern gegen extremistische Juden der Regierung Netanyahu.

Nächsten Donnerstag also möchte Netanyahu nach Berlin fliegen, angenommen, er kommt überhaupt am Flughafen an und es gibt eine Crew, die ihn fliegen will – denn auch das gab es diese Woche, dass El Al Mitarbeiter*innen sich weigerten, Netanyahu nach Rom zu fliegen.

Ich habe Netanyahu im Mai 2015 in Jerusalem auf dem Global Forum for Combating Antisemitism in Jerusalem erlebt. Es war ein peinlicher Auftritt. Anfangs musste der ganze Saal sich erheben, Minuten bevor der König hereinkam. Eine Bekannte von mir aus Tel Aviv blieb sitzen. Die Arroganz dieses wegen Korruption angeklagten Mannes, der eigentlich viel für Israel geleistet hat, aber seit Jahren dabei ist, das Land zu zerstören, war schwer erträglich. Das hatte mit Zionismus und Sozialismus nichts mehr zu tun. Sicher sind auch die StartUp-Nation-Zionisten alles nur keine Sozialisten. Aber sie bekämpfen Minister wie Smotrich, der nach einem mörderischen Terrorangriff in der Westbank auf zwei Juden forderte, man sollte den Ort, wo es passierte, die Kleinstadt Huwara, „platt machen“. Wer einen solchen Typen als Minister hat, hat kein Recht, sich Demokrat zu nennen.

Und gestern bekam ich wieder mal einen Newsletter von so selbst ernannten Israelfreunden aus Deutschland, die sich primär um den Iran und den Islamismus kümmern, was natürlich wichtige Themen sind. Aber deren Schweigen zum aktuellen Rechtsextremismus in Israel, zur geplanten „Justizreform“, die auch alle amerikanischen Juden in Aufruhr versetzt – bis auf die extremen Rechten natürlich, wie AIPAC -, dieses Schweigen schadet Israel.

Wer wirklich das Gute möchte für Israel, muss jetzt protestieren. Die Times of Israel oder Haaretz tun das auch mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht.

Der Deutsche Bundestag hat sich gegen die BDS-Bewegung ausgesprochen.

Also muss er sich auch gegen Netanyahu aussprechen, keiner hat mehr zur Destabilisierung und zum Desinvestment beigetragen wie er.

Nieder mit Netanyahu und der aktuellen Regierung.

Für ein jüdisches UND demokratisches Israel.

Für die Gleichheit aller Bürger*innen in Israel.

Für Minderheitenrechte.

Für Gewaltenteilung.

Für eine israelische Verfassung.

Es lebe der Zionismus.

Am Israel chai.

 

Update 12. März 2023:

Die Times of Israel berichtet jetzt auch von Verschwörungsmythen aus Netanyahus direktem Umfeld, dass die USA – wer sonst – hinter den Protesten stehen würden und Demonstrant*innen bezahlen würden. Soviel Realitätsverleugnung gepaart mit antisemitischen Verschwörungsmythen (Juden würden nicht von sich aus gegen die Politik demonstrieren, sondern seien gekauft!!) – passen zu einem korrupten Politiker wie Bibi und seinem rechtsxtremen und religiös-fanatischen Umfeld.

Preisfrage: Warum darf Deutschland der Ukraine Waffen liefern, China Russland aber nicht?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 06. März 2023

Wer die Antwort auf die Frage im Titel dieses Artikels kennt, könnte eine Kandidatin (m/w/d) für den nächsten Friedensnobelpreis werden.

Frieden schaffen ohne Waffen ist ja das Motto der Stunde. Möchte man meinen. Doch weit gefehlt!

Denn der Glatzkopf aus Berlin meint Waffen für die Ukraine würden Frieden schaffen. Waffen für Russland von China jedoch wären ein Fall für den Weltkrieg. Das sei verboten.

Frage: Darf man Waffen nur an Länder liefern, die Plätze, Fußballstadien, Briefmarken, Straßen und so weiter nach Antisemiten und Tätern im Holocaust benennen?

Wieso durften die NATO, die USA und der Westen von 2014 bis Ende 2021 Waffen im Wert von vielen Milliarden Dollar und Euro an die Ukraine schicken, China darf aber bis heute nicht einmal eine einzige Patrone an Russland schicken?

Was ist die Antwort?

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