Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)
In den letzten Wochen hat die israelische Star-Soziologin Eva Illouz, deren Bücher in 18 Sprachen übersetzt wurden, gleich zwei Vorträge in Heidelberg gehalten. Einen im Rahmen einer Ringvorlesung an der ältesten deutschen Universität, der Ruperta Carola,
und einen zweiten am Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Heidelberg, dem Haus der Kultur, im Rahmen der „Geist Heidelberg“-Vortragsreihe.
Während der erste Vortrag sehr wichtig mit der Kritik am Antisemitismus der Linken seit dem 8. Oktober 2023 einsetze, hatte er doch mitunter hölzerne oder im negativen Sinne sehr akademisch wirkende Passagen. So wandte sich Illouz in Teilen gegen 1968, weil es damals nur um „Kritik“ ging – eine für eine Marxistin ungewöhnliche Position, denn Karl Marx selbst begann ja als polemischer Gesellschaftskritiker wie in der Analyse der deutschen Ideologie – und glich sich somit dem ach-so-altehrwürdigen großen Saal der Alten Aula teils an. Ob das mit einem traditionellen, patriarchalen und auf Reproduktion basierenden, also natalistischen Familien- und Frauenbild von Illouz in Verbindung steht, wie der Politikwissenschaftler Hans-Martin Schönherr-Mann, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), in seinem Buch „Konservative politische Philosophie“ 2024 meint, sei dahingestellt. Womit er sicherlich falsch liegt, ist das Adjektiv konservativ, weil sich Eva Illouz, wie sie unterstrich, als Linke (und Marxistin) sieht, so im DAI am 15. Dezember 2024.
Erschwerend kamen gleichwohl in der Alten Aula im November 2024 durchgängig schwer erträgliche Einleitungsworte von Vertreterinnen der Universität Heidelberg hinzu. Das war akademisches Bauchpinseln ohne jeden intellektuellen Anspruch oder Tiefgang und es wurden sogar von einer Rednerin, wenn wir das richtig verstanden haben, maoistische Methoden der Bevölkerungsdezimierung in China der 1950er Jahre oder später goutiert, weil es doch gegen Teile der Elite ging… Oder das war ein Sarkasmus, der gut versteckt war, in englischer Sprache.
Also lohnte es sich definitiv, den zweiten Vortrag von Illouz in Heidelberg im Herbst 2024 zu besuchen, im DAI war sie in jeder Hinsicht deutlich lockerer und noch schärfer im Tonfall, zudem auch mal sarkastisch oder lustig und immer eloquent.
Es geht um dem 8. Oktober 2023. Das ist der Tag, an dem sich für Eva Illouz das Ende der Linken, wie sie sie kannte, offen zeigte. An diesem Tag und in den darauf folgenden Tagen haben ‚Linke‘ ihre Freude ob des Abschlachtens von 1200 Israelis, großteils Zivilist*innen, zum Ausdruck gebracht und den Antisemitismus befördert, der sich weltweit in einer Massivität zeigt, wie vermutlich noch nie seit Gründung des Staates Israel im Jahr 1948. Es geht also um den Tag nach dem genozidalen Massaker der Hamas und des Islamischen Jihad im Süden Israels, als Schadenfreude und offener Judenhass sich in einer Weise Bahn brachen, wie das selbst Kritiker*innen des Antisemitismus nur schwer für möglich gehalten hatten. Es geht nicht primär um die Reaktionen nach dem Beginn des Krieges Israels gegen die Hamas im Gazastreifen seit Ende Oktober 2023, betonte Illouz, die ja als scharfe Kritikerin von Benjamin Netanyahu seit vielen Jahren bekannt ist -, es geht um den Judenhass des 8. Oktober 2023, dem Tag, der mit dem 7. Oktober zusammen als Chiffre symbolisch steht für den heftigsten Judenhass seit dem Holocaust.
Jüdinnen und Juden sowie zionistische Aktivist*innen weltweit und andere Menschen mit Empathie sind bis heute gebrochen von diesem „Hurricane“ des 7. Oktober, dem schrecklichsten und tödlichsten Tag in der Geschichte des einzigen jüdischen Staates. Die Mörder waren palästinensische Männer, die in einer unaussprechlichen Brutalität Frauen vergewaltigten, lebendig verbrannten, ganze Familien lebendig verbrannten oder Kinder vor den Augen der Eltern massakrierten und anders herum. Muslimische Männer haben offenkundig ein besonderes Gewaltproblem und extreme Gewaltfantasien und begehen besonders häufig extrem sexualisierte Gewalttaten. Doch auch Amokläufer in den USA sind nahezu ausschließlich Männer oder Jungs – und in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Europa sind Gewaltandrohungen oder Gewalttaten zum Beispiel gegen Feministinnen, radikalfeministische Kritikerinnen der Kinderkriegen-Ideologie und Frauen von Seiten Rechtsextremer auch Ausdruck männlicher Macht, Herrschaft und Gewalt. Was es jedoch wiederum spezifisch im Islamismus gibt, sind weibliche Selbstmordattentäterinnen, was die weltweit gesehen besondere und enorme Gefahr des Jihad und politischen Islam unterstreicht.
Männliche und Jungen-Gewalt jedoch sind soziologische Phänomene und Ausdruck eines antifeministischen Backlashs (der sich auch in Memes wie der „Tradwife“ virtuell materialisiert), der sich selbstredend in neu-rechten sexistischen Tendenzen wie der Wahl Donald Trumps („grab her by the pussy“), seinem quasi Stellvertreter Elon Musk, der unbedingt der kinderfreien oder noch kinderlosen Musikerin Taylor Swift ein Kind machen oder schenken möchte und seinen Turbo-Kapitalismus mit Gewaltfantasien unterschiedlicher Art erweitert (rechtsextreme Trump-Fans faseln von „your body, MY choice“), oder dem weltweiten Trend zur Kriminalisierung und Diffamierung von Abtreibung und weiblicher Selbstbestimmung und nicht-binärem Leben von Orbán über Meloni hin zu den USA, der AfD und Putin zeigt.
Doch die Art des Massakrieren, Massenvergewaltigens, Brüste abschneidens, Gegenstände in die Vagina oder die Schenkel hämmern, durch die palästinensischen männlichen und muslimischen („Allahu Akbar“) Mörder des 7. Oktober ist nicht in Worte zu fassen und ein spezifisches Verbrechen, das schlimmste in der Geschichte des einzigen jüdischen Staates und weltweit in seiner Brutalität und genozidalen Dimension seit dem Holocaust unfassbar. Es wurden, das ist übrigens eine Taktik der palästinensischen Terrorgruppe PFLP seit Jahrzehnten, jüdische linke Friedensaktivist*innen massakriert, auf dem Nova-Festival und in den Kibbutzim, Moshavs und Städten im Süden Israels, Menschen, die zuvor den Palästinenser*innen aus Gaza bei Arztbesuchen oder Jobs behilfreich waren. Einige von denen hatten bei diesen Besuchen in Israel diese späteren Orte der Gewalt ausspioniert …
Am 8. Oktober zeigten dann auch feministische Frauen ihre antisemitische Fratze – weltweit gab es ach-so-dermaßen feministische Gruppen, die gegen den einzigen Judenstaat hetzten und das Abschlachten von jüdischen Frauen entwirklichten, nicht weil Frauen Opfer waren, sondern weil es jüdische Frauen waren!
Was nach dem nie dagewesenen genozidalen Pogrom im Süden Israels durch palästinensische Männer und Jugendliche passierte, war ein Feiern dieses Massakers, weltweit, Süßigkeiten wurden verteilt und ‚Philosophinnen‘ wie Judith Butler rationalisieren den Judenmord. Das war das Ende der Linken oder das Ende der Linken Judith Butler – so Eva Illouz in einem ihrer bedeutendsten Texte überhaupt in ihrer Karriere, den sie in der Haaretz publizierte.
Dass Butler schon lange zuvor als antisemitische linke Akteurin bekannt war, ist klar, ich schrieb 2014 über Butler und den antizionistischen Antisemitismus, mit einer Betonung auf die pro-zionistische Position der Kritischen Theorie der ersten Generation von Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Leo Löwenthal bis Herbert Marcuse, einem der bedeutendsten Aktivisten der 1960er Jahre und Symbolfigur von 1968 der philosophischen Linken. Marcuse war ein Zionist und Israelfreund.
Das ist wichtig zu betonen, weil zumal in der amerikanischen oder britischen Pro-Israel Szene Marxismus und Critical Theory synonym sind für Antisemitismus und Postkolonialismus. Und das ist historisch gesehen falsch, auch wenn heutige Fake-Vertreter*innen der Kritischen Theorie großteils Antisemit*innen sind.
Es geht Eva Illouz um die spontane Reaktion von typischen irgendwie ‚linken‘ Akademikern wie Andreas Malm von der Universität Lund im Süden Schwedens. Malm ist ein „Humanökologe“ und rabiater Öko-Aktivist, er wird in England von einem der größten sogenannten unabhängigen Verlage publiziert – Verso – und in Deutschland zum Beispiel vom Verlag Matthes & Seitz. Das genozidale Massaker an 1200 Jüdinnen und Juden und anderen Opfern sowie das Entführen von 251 Jüdinnen und Juden und anderen am 7. Oktober 2023 durch die islamistischen palästinensischen Terrorgruppen Hamas und Islamischer Jihad führten bei Malm spontan zu „Jubelschreien“, wie er in einem Text für das Blog des links-antisemitischen Verlags Verso im April 2024 hinausposaunt:
The first thing we said in these early hours consisted not so much of words as of cries of jubilation. Those of us who have lived our lives with and through the question of Palestine could not react in any other way to the scenes of the resistance storming the Erez checkpoint: this maze of concrete towers and pens and surveillance systems, this consummate installation of guns and scans and cameras – certainly the most monstruous monument to the domination of another people I have ever been inside – all of a sudden in the hands of Palestinian fighters who had overpowered the occupation soldiers and torn down their flag. How could we not scream with astonishment and joy?
Dass ein Wissenschaftler und Aktivist, der so etwas Antisemitisches schreibt, weiter an einer führenden europäischen Universität angestellt ist und in teils seriösen Verlag publiziert wird, ist ein Skandal.
Schon vor Jahren waren antisemitische Töne von Malm unverkennbar, so vergleicht er den Kampf von Öko-Aktivist*innen gegen den fossilen Kapitalismus mit dem Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto, eine widerwärtige und äußerst dümmliche Analogie, wie es angesichts einer Einladung an Malm in Österreich im Herbst 2022 heißt:
Sein Buch „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“, erschienen 2020 bei Matthes und Seitz, könnte zwar aktueller nicht sein, die Thesen Malms sind allerdings umstritten. Im Buch vergleicht Malm beispielsweise den Kampf des radikalen Umweltaktivismus‘ mit dem Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto.
Illouz konnte es sich auch nicht verkneifen, zu betonen, dass beide „Bewegungen“ – der Islamismus wie die Hamas und die Öko-Bewegung die Farbe grün gemein haben, ein Schelm der Böses dabei denke…Honny soit qui mal y pense.
Illouz ist eine scharfe Gegnerin der israelischen Regierung und von Benjamin Netanyahu – ihr ist aber auch klar, wer hier verantwortlich ist: die Hamas und die Palästinenser. Ohne den 7. Oktober hätte es den Krieg Israels gegen die Hamas nicht gegeben. Das rechtfertigt nicht jede Art der Kriegsführung, das ist völlig klar und entgegen Journalisten, die bis zum 7. Oktober noch ganz scharfe Opponenten von Netanyahu waren wie der Journalist Yaakov Katz, ist Illouz gerade hier und heute eine Kritikerin und Gegnerin von Netanyahu, während Katz jetzt die Seiten wieder gewechselt hat und primär Gutes an Netanyahu sieht, obwohl der doch bis zum 6. Oktober für die größten innenpolitischen Verwerfungen Israels seit 1948 verantwortlich war mit seiner verfassungsfeindlichen „Justizreform“ und damit zur Möglichkeit des 7. Oktober beigetragen hat. All das wischt ein Yaakov Katz jetzt vom Tisch und sieht angeblich das ganz große Bild des Nahen Ostens mit dem tollen Bibi vorneweg – solche anti-linken Pirouetten würde Eva Illouz nicht drehen.
Es hat also einen guten Grund, warum Eva Illouz in ihren beiden Vorträgen in Heidelberg jeweils mit diesem besonders obszönen und Gewalt verherrlichenden Beispiel von Andreas Malm von der Universität Lund einsetzte.
Es wäre eine sehr aufschlussreiche Studie wert, sich die Pro-Lockdown Position von Andreas Malm während der Corona-Pandemie vor Augen zu führen, da zeigte sich nämlich sein brutaler Leninismus von einer Seite, die auch dem pro-israelischen Mainstream hierzulande gefallen würde. Es waren ja nicht zuletzt die selbst ernannten Pro-Israel-Aktivist*innen, die die irrationale und antidemokratische Coronapolitik nicht nur goutierten, sondern einforderten. So auch Malm, er ist ein glühender Fan der autoritärsten Coronapolitik. Das fiel sogar der die irrationale Coronapolitik verteidigenden linken Wochenzeitung Jungle World auf.
Ein Theorieblog aus der Schweiz schwärmte von der Verbindung, die Malm zwischen der rigorosen staatlichen Coronapolitik (natürlich nicht in Schweden, aber in Deutschland z.B.) und der Klimakrise herstellt, sprich: Malm wünscht sich eine ähnlich demokratieferne Klimapolitik, wie wir sie bei der Coronapolitik erlebten. Ein leninistischer oder staatsfetischistischer Coronapolitik-Anhänger – das wäre mal eine wissenschaftliche Studie wert: der Zusammenhang von links-autoritären Aktivisten und deren Zustimmung zur Coronapolitik.
Das herkömmliche Narrativ, wie es neudeutsch heißt, also die große Erzählung lautet ja immer ähnlich reduktionistisch: wer gegen die Coronapolitik ist, ist antisemitisch, verschwörungsmythisch und irrational. Was aber, wenn antisemitische Akteure oder Klimaaktivist*innen die nicht evidenzbasierte und autoritäre Coronapolitik und den staatlichen Eingriff gegen das Kapital ganz hervorragend fanden? Diese Schnittmenge von pro-israelischen und Pro-Coronapolitik-Aktivist*innen mit antisemitischen und Pro-Coronapolitik-Aktivist*innen ist viel relevanter und frappierender als der Bezug von offenkundigen Neuen Rechten oder manchen Esoteriker*innen, die die Coronapolitik ablehnten oder antisemitische historische Vergleiche zogen.
Im Laufe ihres DAI-Vortrags von Eva Illouz, der wie gesagt deutlich lebendiger, sarkastischer und polemischer war als der in der Alten Aula, ging Illouz dann auch auf die Geschichte des Islamismus seit der Gründung der Muslimbrüder durch Hasan al-Banna im Jahre 1928 und die Ablehnung jedes Kompromisses zwischen Juden und Arabern durch die Araber (später: Palästinenser) seit den 1930er Jahren im Nahen Osten ein.
Das wirkte alles noch viel überzeugender und zionistischer, weil sich Illouz als Linke begreift und sich vehement gegen die Besatzung des Westjordanlandes engagiert und positioniert und das sogar „Siedlerkolonialismus“ nennt, was dort passiert. Sie sieht sich polit-ökonomisch als „Marxistin“, wie sie am DAI betonte, wobei sie vor allem Marx selbst meinte und weniger die Geschichte des Marxismus.
Die Bezugnahme von Illouz auf Hannah Arendt war jedoch nicht in jedem Aspekt überzeugend, da der „Samen des Kolonialismus“ eben nicht im Nationalsozialismus aufging. Nazi-Deutschland hat ganz andere Traditionslinien als den Kolonialismus, der zwar rein zeitlich und teils biographisch mit dem NS verbunden ist, aber der Antisemitismus von Martin Luther, den Befreiungskriegen gegen Frankreich Anfang des 19. Jahrhunderts und natürlich der Judenhass von Richard Wagner sowie die völkische Bewegung im Kaiserreich haben viel mehr mit dem NS zu tun als der Kolonialismus. Kolonialismus basiert auf Rassismus. Antisemitismus ist aber kein Rassismus, sondern eine genozidale Ideologie, die mit Verschwörungsmythen einhergeht.
Illouz wollte die historische Analogie der Situation von Schwarzen und Juden betonen, was aber wie gesagt nicht wirklich überzeugte, zumal nicht ihre Soziologie des Emporkommens und des Nicht-Emporkommens. Damit meinte sie die Situation der Juden und Jüdinnen in den USA nach 1945, die eine Erfolgsgeschichte gewesen sei, was bei den Schwarzen gerade nicht der Fall war und das den Antisemitismus oder das Ressentiment von Schwarzen gegen Juden erklären könne, jedenfalls in Teilen. Doch das stimmt so nicht, denn frühe schwarze Holocaust verharmlosende und somit antisemitische Autoren wie Aimé Césaire stimmten ihr – eigentlich Heideggerianisches – Lied der Unspezifik des Holocaust schon unmittelbar nach der Befreiung von Auschwitz an. Bekanntlich waren für Césaire oder den schwarzen Bürgerrechtler und Theoretiker W.E.B. Du Bois Juden nur deshalb nach 1945 weltweit als Opfer anerkannt, weil sie „Weiße“ seien – die gleichen Verbrechen im Kolonialismus hätten keine weltweite Solidarität gebracht, womit erstens das Präzedenzlose von Sobibor und Auschwitz geleugnet wurde und zweitens der Antisemitismus nach 1945, der sekundäre Antisemitismus, die Erinnerungsabwehr, gerade nicht in den Fokus rückte. Nachdrücklich betonte Illouz sodann die Differenz zwischen dem historischen Prozess der Entkolonialisierung und der Ideologie des Postkolonialismus, der damit gar nichts zu tun habe.
Doch der Kern des Vortrags von Eva Illouz war die ungemein wichtige und scharfe Abwehr des linken Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023.
Es war schließlich sehr bewegend, als in der Diskussion am DAI ein etwas älterer Mann mit einer coolen Frisur und weißen Haaren, der sich als links und jüdisch vorstellte, Eva Illouz für ihre pro-israelischen Texte seit dem 7. Oktober dankte und sie bat, doch bitte als Linke und Zionistin so weiterzumachen, er habe so viel Kraft aus ihren Texten geschöpft. Die Verzweiflung angesichts des unfassbaren Antisemitismus – auch in Heidelberg oder noch viel mehr in der Nachbarschaft wie in Mannheim oder Frankfurt am Main – und die Sehnsucht nach Kritiker*innen wie Illouz war in den Worten und dem Auftreten dieses Mannes unverkennbar.
Wenn wir uns erinnern, welch legendäre Bedeutung Heidelberg für das jüdische Leben in der Weimarer Republik hatte, waren diese beiden Vorträge von Eva Illouz vielleicht ein neuer Versuch, links und zionistisch zu sein.
Das erinnert ein wenig an Kurt Blumenfeld, den damaligen Vorsitzenden der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, der 1926 nach Heidelberg reiste, hier einen Vortrag hielt und zum Mentor und persönlichen Freund von Hannah Arendt wurde, eine Freundschaft, die aufgrund der zunehmend antizionistischen, jedenfalls gegen den politischen Zionismus gerichteten Position von Arendt, viele Bewährungsproben bekommen sollte.
Eva Illouz hatte nach ihrem vor fast ausverkauftem Haus am DAI gehaltenen Vortrag keine Zeit mehr, um vielleicht am nächsten Tag wie damals Arendt auch Gedichte rezitierend oder singend den Philosophenweg entlang zu spazieren, mit dem wundervollen Blick über den Neckar, auf die Altstadt Heidelbergs, die Universität und die Universitätsbibliothek, sowie an klaren Tagen bis fast ins Rheintal und eigentlich bis Frankreich – sie musste auf den Zug nach Paris.
Aber es war sicherlich nicht der letzte Vortrag von Eva Illouz in Heidelberg – denn selten haben diese Stadt und Europa eine linke, jüdische und zionistische Stimme nötiger gehabt, denn heute.