Die Revolte in Ägypten ist eine demokratische, gut und rein. Glaubt man Rainald Becker vom ARD-Hauptstadtstudio, ist jetzt die Zeit reif für einen Regimewechsel in Kairo, sind Zweifel an der demokratischen und freiheitlichen Gesinnung der Bewegung „Blödsinn, vorgeschoben, etwas für politische Hasenfüße“.
„Es gibt Politiker für den friedlichen Übergang, und die haben alle nichts mit den Islamisten im Sinn.“
Dumm nur, laufen die Fußtruppen der „Politiker für den friedlichen Übergang“ mit gar nicht schönen Plakaten herum und halten sie auch noch demonstrativ in die Kamera von Rainald Beckers Sender. Hosni Mubarak ist da zu sehen mit Davidstern, das Gesicht mit ein paar flotten Strichen ergänzt, so daß es an Adolf Hitler erinnert.
In der Tagesschau um 20 Uhr, der Hauptnachrichtensendung in Deutschland, wurde am 8. Februar 2011 ein Bericht von Jörg Armbruster aus Ägypten gebracht. Man kann die Sendung im Internet („Situation in Ägypten“) nochmal anschauen.
Ungefähr bei Minute 9:06 sieht man einen Demonstranten mit einem Plakat, auf welchem der ägyptische Präsident Hosni Mubarak abgebildet ist. Das Portraitbild ist durchgestrichen, Mubarak bekommt ein Hitlerbärtchen, zu sehen sind die auf Arabisch geschriebenen Worte „Nein, Nein, Nein, Lügner, großer Agent, Kreuzritter“ und dazu sind zwei Davidsterne zu sehen. Hat sich die ARD das nicht übersetzen lassen? Kreuzritter steht in Ägypten meist für Amerika und Christen, Agent für Juden und Israel, was durch die beiden Davidsterne ja auch offensichtlich noch untermalt wird. Dieses ikonographische Arrangement sollte also analysiert werden.
Der Araber und Muslim Mubarak wird als Jude oder als von den Juden eingesetzter Verbrecher, ja als Nazi zum Abschuss freigegeben (Davidstern auf der Stirn), wie anders soll man das interpretieren?
Im Tagesschau-Beitrag von Armbruster kann man sehen, dass dieses Plakat nicht zufällig und am Rande, vielmehr gezielt von der Kamera und dem ARD-Team eingefangen wurde. Eine ruhige Kameraführung zeigt das Plakat recht scharf.
Die ARD kommentiert jedoch dieses antisemitische Plakat nicht. Es wird goutiert, um sodann im Bericht euphorisch über die „Opposition“ zu berichten und wie selbstverständlich einen Vertreter der islamistischen Muslimbrüder – Ikhwan – zu interviewen und wiederum kritiklos zu senden. Armbruster fordert und unterstützt explizit den „Durchhaltewillen“ der Regime-Gegner. Dabei ist die Ideologie der Islamisten der Muslimbrüder seit Jahrzehnten erforscht und bekannt.
Antisemitische Plakate waren schon am 30. Januar 2011 in Ägypten zu sehen. Der israelische Journalist und Deutschland-Korrespondent Eldad Beck berichtet auch von antisemitischen Slogans auf dem Tahrir-Platz in Kairo seither.
Man stelle sich eine Neo-Nazi Demo in Dresden oder Köln vor, wo unwidersprochen ein Neonazi ganz nah an der Kamera ein antisemitisches Plakat hochhält und der Bericht sich mit keiner Silbe davon distanziert, vielmehr die Neo-Nazi Demo vehement unterstützt.
Doch in Kairo handelt es sich ja nach Volksmeinung um gute, demokratische und nach Freiheit strebende Kräfte, nicht wahr? Da wird dann Antisemitismus und Hass auf Israel gern goutiert, promotet und in seiner Aggressivität entwirklicht. „Mehr Demokratie wagen“ heißt bei diesen Leuten auf dem Tahrir-Platz jedenfalls „mehr Antisemitismus“ propagieren.
Es ist in jedem Fall bemerkenswert, dass ein deutscher Fernsehsender ohne Kommentar ein antisemitisches Plakat zeigt und dem antisemitischen Hetzer, der dieses Plakat stolz hochhält, somit ein Millionenpublikum verschafft.
Das Problem bringt der algerische Schriftsteller Boualem Sansal in der Welt am 9. Februar 2011 auf den Punkt:
„Die Frage des Islam ist der eigentliche Stein des Anstoßes. Doch sie wird nie angegangen, ganz im Gegenteil: Alle – Demokraten wie Laizisten – beziehen sich auf die Religion. Mohammed al-Baradei, der sich als Demokrat internationalen Zuschnitts positioniert, wählte als seine erste Geste das gemeinsame Gebet mit den Islamisten auf offener Straße (er hätte auch mal in eine Kirche zu den Kopten gehen sollen), anstatt vor allem seine oppositionellen ideologischen Positionen zu betonen. Unter den aktuellen Bedingungen auf der Straße zu beten ist kein neutraler oder unverfänglicher Akt, es ist ein politisches Zeichen der schlechtesten Sorte. Es zeigt, dass viele von der Zukunft und der Demokratie sprechen, während sie sich zugleich ausgerechnet auf die Kräfte beziehen, die für das Gestern und die Ablehnung der Demokratie stehen. Der arabische Nationalismus, der ein großes Hindernis ist auf dem Weg zur Demokratie, wird immer noch als ein Grundwert angesehen. Keiner wagt, ihm den Prozess zu machen und klar zu benennen, was ihn so gefährlich und ausgrenzend macht: Er ist eine rassistische, antidemokratische, antiwestliche, antisemitische und antiisraelische Ideologie.“
Vor diesem Hintergrund und der Persistenz einer über Jahrzehnte entwickelten und gepflegten antisemitischen, antizionistischen, islamistischen, stolz-arabischen politischen Kultur sollten viele deutsche Medien, NGOs und selbst Aktivisten des eigentlich pro-israelischen Spektrums mit Euphorie endlich zurückhaltender um sich werfen. Skepsis, Angst und Nachdenklichkeit sind angesichts solcher Tagesschau-Berichte, welche offenbar die Stimmung in Ägypten widerspiegeln, eher angebracht.
Das von der Tagesschau gezeigte Bild mit Mubarak und zwei Davidsternen sowie Hitlerbärtchen ist ein antisemitischer Angriff auf Juden weltweit. Mit so einem Plakat wird das Judentum als hitleristisch und Mubarak als von den Juden gesteuert imaginiert.
Der ARD fehlen die Worte.