14. Januar 2023, von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)
Israel steht auf gegen die rechtsextreme und religiös fanatische aktuelle Regierung unter Benjamin Netanyahu. Heute Abend findet eine riesige Kundgebung auf dem Habima Square gegen die geplante Justizreform und die Regierung statt. Laut Times of Israel nehmen daran aktuell 80.000 Menschen teil.
Sehr viele Israelfahnen sind zu sehen – die Aktivist*innen kämpfen für Israel und gegen die unerträgliche, turbo aggressive, reaktionäre, patriarchale und rechtsextreme Regierung unter – wieder einmal – Benjamin Netanyahu. Diesmal könnte es sein letztes Spiel sein, denn die USA werden diesen Wahnwitz vermutlich nicht unkommentiert lassen. Und auf die Unterstützung Amerikas ist Israel im Kampf gegen den Iran angewiesen.
Diese „Justizreform“ wird nicht als Reform, sondern als Ende der Demokratie betrachtet. Geplant ist vom Justizminister Levin, der an dieser Regelung seit 20 Jahren arbeitete, dass Urteile des Obersten Gerichtshofs von der Knesset überstimmt werden können – und das mit einfacher Mehrheit von 61 Stimmen der 120 Sitze. Neue Richter*innen sollen von der Knesset aus politischen und nicht professionellen Gründen ernannt werden, was uns allerdings an die USA oder an Karlsruhe erinnert…
Dazu kommen eine Vielzahl von anderen Vorhaben, die den Religiösen noch mehr Privilegien zuspräche und den zionistischen Charakter des Landes in Frage stellt. Zionismus heißt gleiche Rechte für alle in einem demokratischen und jüdischen Staat. Und das will Netanyahu beenden.
Der Journalist Yossi Klein Halevi ist in tiefer Sorge um sein Land, in das er vor 40 Jahren einwanderte. Dabei muss man die rechtsextreme Tendenz in Israel als weltweiten Backlash sehen, die Frauen- und LGBTQ+-Rechte werden auch in den USA in Frage gestellt, Stichwort Abtreibung oder Agitation gegen Transmenschen, ich habe berichtet, dass auch in der internationalen Szene der Antisemitismusforscher (m/w/d), worunter auch deutsche und österreichische Vertreter*innen fallen, auf einer Konferenz in London im September 2022 transphobe Ideologie Thema eines Vortrags war. Die Referentin hat zudem in Journalen publiziert, die das Blockieren der American Nazi Party auf Twitter als schlimm betrachtet.
Wer sich als Freund Israels sieht, hat jetzt die Pflicht, sich gegen die aktuelle Regierung zu positionieren. Wer schweigt, stimmt zu und lässt Netanyahu den Zionismus zerstören und gefährdet die Existenz des Staates Israel, oder genauer gesagt: die Demokratie Israel. Sollte u.a. diese Justizzerstörungs-Reform durchgehen, dann wäre Israel keine Demokratie mehr. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die Unabhängigkeit von Bundesrichtern auch in Deutschland wie in der Corona-Krise nicht erkennbar war.
Yossi Klein Halevi, den ich persönlich kenne, da er seinerzeit an unserem Institut in YALE sprach (Yale Initiative for the Interdisciplinary Study of Antisemitism), ist einer der eloquentesten und schärfsten Essayisten Israels. Er vergleicht die antisemitische Attacke auf Israel und die Juden in Entebbe 1976 – wo linke deutsche Terroristen der Revolutionären Zellen beteiligt waren und bei der heroischen Rettungsaktion der Bruder von Benjamin Netanyahu, Yonathan Netanyahu getötet wurde – mit Bibis Angriff auf Israel:
Those who love Israel, who know a third destruction of Jewish sovereignty would be a decisive blow from which we as a people may not recover, are unconditionally committed to playing out this story. In honor and dishonor, whether Israel makes us proud or ashamed. When heroic commandos rescue hostages at Entebbe, and when a cowardly prime minister holds the state hostage to his own needs and ambitions.