Liebe Freundinnen und Freunde, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

die „Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums“ hat in ihrer aktuellen Ausgabe 1/2010 einen Artikel von mir über

Antisemitismus in den USA seit 1945“ publiziert.

Während die Freie Universität Berlin Akadedmikerinnen wie Judith Butler hofiert, der Tagesspiegel applaudiert und die „Ethik“ von Butler total berauschend findet, Kritik am Antisemitismus von Butler dabei gleichsam apriori eskamotiert (das Ergebnis des Artikels im Tagesspiegel stand nämlich quasi schon vorab fest, Butler sei doch selbst Jüdin, also kosher – was mit seriösem Journalismus wenig zu tun hat und den Stand der Forschung über jüdischen Antisemitismus einfach ausblendet) und Tausende Studierende, Wissenschaftlerinnen und Interessierte der pseudo-philosophisch getarnten Hetze von Butler gegen den jüdischen Staat Israel lauschen, wird sie von mir in eine Reihe mit anderen jüdischen Antisemiten wie Norman Finkelstein oder Noam Chomsky gestellt. Judith Butler steht für einen Zweig des akademischen Kulturrelativismus: sie kämpft vorgeblich für Frauenrechte und gegen sexualisierte Gewalt, agitiert aber gegen die einzige westliche Demokratie im Nahen Osten und kuschelt dafür mit misogynen, islamistischen, jihadistischen oder auch arabisch-nationalistischen Gruppen, die gegen Israel kämpfen. Arabische Lesben oder Schwule jedoch ziehen es vor, ins Nachbarland Israel zu gehen, namentlich nach Tel Aviv, anstatt im Gaza-Streifen, in Syrien oder Saudi-Arabien gedemütigt, verfolgt, geschlagen, vergewaltigt oder ermordet zu werden.

Wer je in USA gelebt oder/und geforscht hat, kennt die ubiquitäre politische Kultur des Antizionismus aber auch den die Shoah relativierenden obsessiven Zug der „vergleichenden Genozidforschung“, an den großen Universitäten jedenfalls, sei es in Berkely in Kalifornien, in New York City an der Columbia University oder natürlich in New Haven an der Yale University.

Hier drei Auszüge aus meinem Text:

„Die heute wohl einflussreichste etablierte Gruppe von Antisemiten in den USA sind Wissenschaftler und Publizisten wie der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter.17) Mehrere weltberühmte Universitäten stehen in mancher Hinsicht sinnbildlich für den neuen Antisemitismus, die Kritik daran ist jedoch nur marginal.18) Der New Yorker Professor Tony Judt drückt es ganz plastisch aus, was viele Akademiker zumal der Linken/Liberalen/Progressiven heute propagieren: »Israel ist schlecht für die Juden«.19) Ähnlich sind die antizionistischen Texte von einflussreichen oder/und teils weltweit renommierten Forschern wie Judith Butler, Norman Finkelstein, Noam Chomsky oder Daniel Boyarin gelagert. Letzterer sagte, ebenso wie »das Christentum in Auschwitz gestorben« sei, so fürchte er, dass »sein Judentum« in »Nablus « oder »Hebron« »sterben könne«. In diesem Kontext gibt es eine Debatte über jüdische Antisemiten, da viele Protagonisten des neuen Antisemitismus bzw. Antizionismus in den USA Juden sind.20) Die Ablehnung des Zionismus geht in den Staaten zudem einher mit althergebrachten Ängsten der »Überfremdung« und Einflussnahme von außen. Das Buch »Die Israel-Lobby« der beiden (nicht-jüdischen) Professoren John Mearsheimer und Stephen Walt argumentiert im Sinne einer antisemitischen Verschwörungstheorie, die auf diesen amerikanischen Stereotypen aufbauen kann.21) Die letzten Jahre zeigen einen erschreckenden und in dieser Intensität zumindest in den vergangen Jahrzehnten nicht da gewesenen, offenen Antisemitismus, zumeist von Muslimen, Linken und anderen Antizionisten im Mainstream der Gesellschaft, von marginalisierten Rechtsextremen gar nicht zu reden.

(…)

Im Sommer 2009 machte die Yale University Press Schlagzeilen, als der renommierte Verlag die weltbekannten Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung »Jylland Posten« aus einem Buch, das sich mit diesen Karikaturen befasst, zensierte. Das wurde unter anderem als möglicher vorauseilender Gehorsam gegenüber arabischen Geldgebern interpretiert, da bekanntermaßen Saudische Prinzen massiv Geld in den akademischen Betrieb in USA investieren, meist im Bereich Nahostforschung, Islamforschung oder »christlich-muslimischer Dialog«.23) Der Antisemitismus z. B. Saudi-Arabiens und seiner Schulbücher etc. stellt für die Verantwortlichen dabei kein Hindernis dar. Und sodann schließt sich ein Kreis, wenn der Antisemitismus der 1930/40er Jahre, der zumal in der New York Times zu einer grotesken Berichterstattung über den Holocaust führte24), ein Echo erhält: Ende März 2009 publizierte die »New York Times« zusammen mit anderen Zeitungen wie der »Washington Post«, einen Cartoon des Zeichners Pat Oliphant, dem wohl weltweit berühmtesten und einflussreichsten Karikaturisten. Dieser Cartoon zeigt einen kopflosen Kämpfer mit Schwert und Nazi-Stiefeln, der einen großen Davidstern vor sich schiebt. Der Davidstern hat ein fürchterliches Gebiss, das nach einer in der unteren rechten Ecke stehenden Frau mit Kind, die mit »Gaza« identifiziert werden, giert. Der blutleckende, monstermäßige Zionstern – in der Tradition des SS-Staates sowie der »Kreuzzügler « (für die das Schwert stehen mag) – ist zum Symbol für »den Juden« geworden. Wenige Tage später übernahm die Terrororganisation Hezbollah im Libanon diese Karikatur auf ihre Internet-Seite für antisemitische Cartoons …25)

Die Verlagerung eines früher, vor allem seit 1967, stark linken Antisemitismus hin zu einem Antisemitismus des Mainstream zeigt sich auch am Beispiel des Historikers Tony Judt: »Das Mainstreaming von Antizionismus und Israelphobie: das sich Wegbewegen von seinem linken Stamm und Ausbreiten auf verschiedensten Ästen« ist der Kern des Problems.26)

(…)

Die neue amerikanische Außenpolitik wurde bislang weniger durch Außenministerin Hillary Clinton, vielmehr durch den Präsidenten selbst formuliert. Nach seiner Kairoer Rede hat Obama u. a. Israels Premierminister Benjamin Netanyahu in Washington getroffen. Doch auch ihm gegenüber beharrte der Präsident auf vollständigem Siedlungsstopp28), was auch Gebiete in Jerusalem betrifft, in welchen Juden seit Jahrtausenden siedeln bzw. siedelten. Seine Israel-Politik hat Obama einen Beliebtheitsschwund in Israel gebracht, von stolzen 70 Prozent Zustimmung zu fünf Prozent im Zeitraum von Januar bis Oktober 2009. Manfred Gerstenfeld vom israelischen Think-Tank »Jerusalem Center for Public Affairs« sieht gefährliche historische Parallelen in der derzeitigen Außenpolitik Obamas bzw. der USA: «Selbst wenn wir ihm konzedieren, dass unsere heutige Situation sich von jener im Jahr 1938 in vielen Punkten unterscheidet, gibt es vielfache Ähnlichkeiten und gemeinsame Motive. Wie ich gesagt habe, der größte ist die Tatsache, dass das machtvollste Land der Welt von einer Person geführt wird, welche bislang als ›Appeaser‹ agiert. Gleichzeitig sind westliche Gesellschaften häufig von moralischem Relativismus und Pazifismus getränkt.«29) Die Verharmlosung des Antisemitismus 1938 kann in der Tat mit der heutigen Verharmlosung, ja Umarmung des islamischen Antisemitismus und namentlich des Iran gleichgesetzt werden. Methodisch liegt der gleiche Fehler zugrunde: Hitler und den Deutschen wurde einfach nicht geglaubt, dass sie ihren Judenhass wörtlich meinten, so wenig wie heute Ahmadinejad geglaubt wird, wenn er ankündigt, Israel von der Landkarte zu tilgen. Eine nähere Analyse könnte zeigen, wie auch Antisemitismus in den USA in den 1930er Jahren das politische Establishment beeinflusste, so wie heute in Amerika Antizionismus in bestimmten Kreisen wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, was als herausragendes Beispiel aus dem Mainstream der USA die Publikationen des ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter beweisen.30)