Von Dr. phil. Clemens Heni, 21. Dezember 2020
Der ARD-Filmregisseur und Drehbuchautor Dietrich Brüggemann kritisiert die Corona-Panikindustrie eloquent, differenziert und scharf. Brüggemann (Jg. 1976) hat u.a. die Drehbücher für die Tatorte „Stau“ (2017) und „Murot und das Murmeltier (2018) geschrieben und führte jeweils Regie. Auf seinem Blog hat er jüngst einen Text publiziert – „Brief an keinen Freund“ -, der sehr lesenswert ist und von vielen Menschen, nicht nur Tatort-Schauspieler*innen, gelesen werden sollte, weil er zum Nachdenken anregt. Brüggemann schreibt in seinem Brief:
Die jetzige Lage ist dilemmatös. Wir sitzen also wieder zwecks Virusbekämpfung zuhause. Wir wollen da aber immer noch Licht anschalten. Und duschen und heizen und was essen und im Internet einkaufen und Fernsehen gucken. Und die Müllabfuhr soll auch kommen. Und die Krankenhäuser müssen weiter funktionieren, dafür muß die Krankenschwester ihr Kind in die Kita bringen können, dafür muß die Erzieherin an den Arbeitsplatz kommen, dafür muß die U-Bahn fahren, und den Rettungswagen muß auch jemand betanken und reparieren, und der muß wiederum zur Arbeit kommen und das benötigte Material muß da sein und so weiter. Und unsere Internetbestellungen wollen wir ja auch ausgeliefert haben. Vielleicht fällt uns an dieser Stelle auf, dass all die Leute, die jetzt weiter zur Arbeit gehen müssen, eins gemeinsam haben: Sie haben größtenteils nicht studiert. Eine Schicht von Intellektuellen und (teilweise immer noch) Besserverdienenden setzt sich also in ihre Wohnungen und läßt sich von den weniger Privilegierten bedienen. Letztere tragen die ganze Infektionsgefahr. Das ist noch kein Argument für oder gegen irgendwas, aber man sollte sich es in aller Deutlichkeit vor Augen halten. Ein gewisses Element von religionstypischer Doppelmoral steckt da schon drin, würde ich sagen.
Brüggemann kritisiert diese Arroganz, diesen Zynismus und das Motto: ‚Sollen sich doch die deutsch-türkischen oder syrischen DHL-Auslieferer, deutsch-russischen Autobauer, bulgarischen Arbeiter*innen beim Knorr-Soßen-Hersteller oder die deutschen Pflegekräfte in Altersheimen mit Corona anstecken und eine Herdenimmunität aufbauen, von der dann die Reichen und ach-so-dermaßen-Gebildeten auch profitieren‘. So läuft es und das bringt auch Professor Jay Bhattacharya aus Kalifornien auf die Palme. Daher hat er mit Prof. Sunetra Gupta und Prof. Martin Kulldorff am 4. Oktober 2020 die Great Barrington Declaration verfasst, die ich als vermutlich erster Verleger weltweit am 20. Oktober 2020 in einem Buch publiziert und gedruckt habe. Es muss ausschließlich um den Schutz der Alten und Gefährdeten gehen und diese Gruppe ist sehr klein (ca. 1 Mio Pflegheimbewohner*innen plus jene Alten, die ambulant gepflegt werden). Das ist der gezielte Schutz („focused protection“), den die Great Barrington Erklärung meint – damit sofort alle Lockdowns aufgehoben werden und wir wieder ein ganz normales Leben führen können. Corona ist ein Virus, das jetzt eben dazugehört wie die Influenza, kein Grund zur Panik, so ist das Leben, nicht schlimm, nicht besorgniserregend, nicht dramatisch. Weiter heißt es in diesem bemerkenswerten Brief von Dietrich Brüggemann:
Zu meiner eigenen Position in dieser Debatte: Ich finde vieles, was gerade hierzulande geschieht, nicht gut. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Kritik an politischem Handeln selbstverständlich war. Neuerdings ist man aber, wenn man Kritik äußert, anscheinend ein Menschenfeind. Oder psychisch krank. Oder gar „rechts“. Ich bin ein wenig verwundert, mit was für Begriffen hier hantiert wird. Nur kurz zu den zwei häufigsten Vorwürfen, nämlich Verharmlosung und Verschwörungstheorie: Verharmlosung ist das Gegenstück zur Panikmache. Eine Giftschlange streicheln ist nicht gut. Vor einer Fliege schreiend davonrennen auch nicht.
Zentral ist folgende Erkenntnis:
Ich fürchte aber, die bittere Wahrheit ist: Man hat diese „focused protection“ bisher nicht umgesetzt (ganz allmählich gibt es zaghafte Ansätze), ja noch nicht mal ernsthaft diskutiert, weil die damit verbundene Aussage eine Kehrseite gehabt hätte. Und die hätte gelautet: Für die Jüngeren ist es nicht ganz so gefährlich wie für die Alten. Was ja zweifellos stimmt. Aber das auszusprechen ist undenkbar.
Natürlich sagen Merkel, Scholz und Spahn nicht die Wahrheit, dass Corona für Menschen unter 70 so unwahrscheinlich ist wie ein tödlicher Autounfall – sie wollen das nicht sagen, weil das die gesamte Panikindustrie seit Februar 2020 von heute auf morgen zusamenbrechen ließe. Angenommen, es wäre möglich (ist es nicht), dass 83 Millionen Menschen, die seit Februar 24/7 indoktriniert wurden, von heute auf morgen wieder gesunden könnten – das wird viele Jahre brauchen. Brüggemann hat aber mal ausgerechnet, wie wenige Menschen unter 70 in 10 Monaten an Corona gestorben sind:
An Corona sind bisher hierzulande 2772 Menschen unter 69 Jahren gestorben. Nehmen wir mal an, die sind alle wirklich an diesem Virus gestorben und hatten nicht außerdem noch Krebs im Endstadium. Das statistische Risiko für gesunde Menschen bis 69, an Corona zu sterben, wäre dann im Bereich eines Autounfalls (wir haben jedes Jahr ca. 3000 Verkehrstote). Das ist nicht nichts. Unfälle sind grauenhaft. Dreitausend Verkehrstote würden uns sehr unangenehm auffallen, wenn wir vorher null gehabt hätten. Diese dreitausend sind außerdem nur die Spitze eines Eisbergs von Schwerverletzten, deren Leben nie wieder so sein wird wie zuvor. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir haben es in unser psychisches Immunsystem integriert. Ob das gut oder schlecht ist, mögen andere entscheiden, aber bei Corona wird es ähnlich laufen. Die Menschen schultern das Risiko und leben ihr Leben weiter. So sind sie, die Menschen. Andere gibt’s nicht.
Wer kennt eine Person, die dieses Jahr mit dem Auto tödlich verunglückte und keine 70 Jahre alt war? Siehste! Am Ende empfiehlt er noch den auch von mir geschätzten und häufig verlinkten Prof. Matthias Schrappe und dessen Arbeitsgruppe mit Prof. Klaus Püschel. Auch folgender Gedanke von Brüggemann besticht:
Die Idee der Reinheit, also der Seuchenabwehr, steckt in vielen Religionen drin, und umgekehrt liegt man wohl nicht falsch, wenn man in unseren Seuchenabwehrstrategien auch eine religiöse Komponente sieht.
Es ist sehr bemerkenswert, dass ein anerkannter, erfolgreicher und kritischer Drehbuchautor und Regisseur wie Dietrich Brüggemann den Mut hat, öffentlich seine Kritik an der Corona-Panikindustrie kund zu tun. Danke! Es wird einige Schauspieler*innen und Mitglieder der kulturellen Elite (neudeutsch: Prekariat) geben, die ganz ähnlich denken wie Dietrich Brüggemann, aber sich nicht trauen. Jetzt ist die Zeit, sich zum Selbstdenken und zur Kritik an der Panikindustrie, die nicht evidenzbasiert ist, zu bekennen. Daher ist es eine geradezu Sensation, dass ein ARD-Tatort-Drehbuchautor und ARD-Tatort-Regisseur jetzt Klartext spricht, differenziert und radikal durchdacht, kritisch und dissident. Wer Brüggemann bislang nicht kannte, kennt ganz sicher DIE Ode an Berlin schlechthin, eine Story, wie „wir“ sie alle erlebt haben: „Drei Zimmer Küche Bad“ (2012). „Wir“, die wir alle irgendwann mal aus der Provinz, Freiburg oder Malente, nach Berlin zogen und eine Stadt erlebten, Vielfalt, Dramen, Spaß, Komik, Liebe, Umzüge, Robben (nicht der Fußballer, der Autoverleiher), Wohnungssuche, Schnee, Eltern, Geschwister, Seen, Wasser, Knatsch, Fahrradfahren, Euphorie, Fantastisches, Häuserschluchten, WG-Küchen… Berlin.