Wissenschaft und Publizistik als Kritik

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TV-Duell: AfD-Propaganda-Show der vier führenden TV-Journalist*innen in ARD, ZDF, RTL und Sat1

Von Dr. phil. Clemens Heni, 4. September 2017

Das „TV-Duell“ von Merkel und Schulz war eine Fragestunde der AfD an die beiden Kandidat*innen, alle vier Journalist*innen – Sandra Maischberger, Claus Strunz, Maybrit Illner und Peter Kloeppel – haben von der ersten bis zur letzten Minute die Agenda der AfD gepusht.

Der Journalist Stefan Niggemeier sprach auf Twitter aus, was der minikleine denkende Teil der Bevölkerung dachte bzw. selbst auf Facebook oder anderen sozialen Medien gepostet hatte:

„Jetzt seit 40 Minuten nonstop: Die AfD fragt, die Große Koalition antwortet. #tvduell

Einziger Feind im Land: Nicht-Deutsche. Die reale Gefahr durch den Jihad wurde zur einzigen Gefahr stilisiert.

Die seit 1989 über 150 durch Neonazis und Rechtsextreme Ermordeten? Nicht der Erwähnung wert, peanuts.

Ganz normale Bürgermeister, die eine „Hitler-Glocke“ im Kirchturm von Herxheim in Rheinland-Pfalz feiern und stolz auf sie sind? Keine Erwähnung.

Der gleiche Bürgermeister (!) dieses wohlhabenden, sehr deutschen und strunzdoofen Weindorfes, ein Ronald Becker, möchte endlich wieder betonen, dass „Hitler“ doch auch Gutes gemacht habe – das Magazin Kontraste der ARD hatte am 31. August darüber berichtet, aber für die vier Superjournalisten ist dieser unfassbare Naziskandal keine Frage wert:

Sie ist eine der letzten ihrer Art: Die ‚Hitler‘- Glocke in Herxheim. Seit 83 Jahren hängt sie in der Dorfkirche und ruft die Gläubigen regelmäßig zum Gebet. Und das soll auch so bleiben, meinen Bürgermeister und Pfarrer. Trotz Hakenkreuz und ‚Führerspruch‘ – die Glocke klingt so schön und gehört einfach zum Ort dazu. (…)

Ronald Becker, Bürgermeister Herxheim:

„Wenn man den Namen Adolf Hitler nennt, dann ist immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten als erstes oben auf. Wenn man über solche Sachen berichtet, soll man umfangreich berichten. Dass man sagt, das waren die Gräueltaten und das waren auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir heute noch benutzen.“

So ein unglaublicher Skandal, der die politische Kultur in diesem Land aufs Erschreckendste kenntlich macht, ist den vier Mainstreamjournalisten, den Systemapologeten sozusagen, völlig wurscht. Das kümmert die nicht. Das ist keine Frage für eine Bundeskanzlerin oder einen Herausforderer, ob sie sich von einem Bürgermeister und seiner ihn verehrenden, widerlichen rheinland-pfälzischen, urdeutschen Dorfbevölkerung distanzieren und sie als das bezeichnen, was sie sind: Hitler-Anhänger.

Ein anderer Bürger dieses Dorfes sagte:

„Bürger

„Ich will sie auch gern vergessen. Das ist 70 Jahre her und für mich kein Problem.“

Diese beiden Männer haben die Nazi-Zeit in Herxheim als Kinder noch miterlebt. Später saß Bernd Schmidt sogar für die SPD im örtlichen Gemeinderat. Und dennoch ist er der Meinung:

Bernd Schmidt

„Es war nicht alles schlecht. Ich will nicht sagen, wir bräuchten heute noch mal einen Adolf Hitler, das brauchen wir nicht mehr, aber es war nicht alles schlecht, was Adolf Hitler gemacht hat.“

Kontraste

„Was war denn gut?“

Bernd Schmidt

„Als der Hitler an die Macht kam, wurden die Leute beschäftigt, die Autobahnen wurden gebaut, es gab keine Arbeitslosen mehr. Die Leute waren zufrieden.“

Dieser Bernd Schmidt ist also die männliche Ausgabe von Eva Herman, der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin. Die AfD fragt sich, warum sie bislang nur in Goebbels-Manier (Björn Höcke) hetzte, den Schießbefehl auf Nicht-Deutsche an der Grenze ins Spiel brachte (Beatrix von Storch), das Naziwort „völkisch“ wieder einführte (Frauke Petry) und Deutsche zu Nicht-Deutschen machte und rassistisch erledigen („in Anatolien entsorgen“) will (Alexander GAUland), aber nicht so offen Hitler lobte!

Die AfD sollte den vier Starjournalist*innen Illner, Maischberger, Strunz und Kloeppel die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit geben. Denn diese vier Journalist*innen sind mit verantwortlich, dass die rechtsextreme Agenda der AfD weiter tief im Mainstream verankert ist und solche Skandale, die die Wahrheit über Deutschland kenntlich machen, wie Herxheim, eben nicht auf die ganz große Tagesordnung vor dutzenden Millionen Zuschauer*innen gleichzeitig in ARD, ZDF, RTL und Sat1 kommen.

Die Agenda der extremen Rechten, von Boris Palmer (Grüne) über Ulrich Greiner und Matthias Matussek (Zeit) zu den Internetportalen Achgut, Politically Incorrect (PI), unzähligen verschwörungsideologischen Portalen, allen möglichen rechtsextremen Seiten, den Zeitschriften Compact Magazin, Junge Freiheit bis hin zu Pegida und vorneweg der AfD, wurde von den vier Vorzeigejournalist*innen gewissenhaft auf die Tagesordnung gesetzt. Islam, Doppelpass, In-die-Kirche-gehen (!): das waren die Fragen.

Vernichtungsfantasien gegenüber Linken durch AfD-Politiker im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern? Peanuts.

Nazis bei der Bundeswehr oder der Polizei? Kann man ignorieren. Dabei ist das Problem so groß, dass kürzlich bei einem Polizeieinsatz in Rostock die örtliche Polizei vom BKA, Bundesanwaltschaft und anderen Einheiten nicht vorab informiert wurde, weil nicht sicher war, ob die Rostocker Polizei Nazis in den eigenen Reihen schützen und warnen würde.

Polizeigewalt und Entzug von Akkreditierungen von Journalisten beim G20-Gipfel? Peanuts, „wir“ loben die Polizei und wollen sie besser ausstatten.

Mit der AfD wird erstmals in der Geschichte dieses Landes eine Nazipartei in den Bundestag einziehen – kein Thema für die Journalist*innen. Merkel meinte ganz am Schluss, sie würde weder mit der AfD NOCH der Linkspartei koalieren, als ob Rassismus und Nazismus das gleiche seien wie eine bescheidene linke Agenda.

Da lachen die Nazis, denn eine solche Abgrenzung ist keine: David Duke bedankte sich bei Trump, als dieser sich von BEIDEN Seiten, die in Charlottesville gewalttätig gewesen seien, den Nazis wie der Antifa, distanzierte.

Ein solches Braun=Rot-Spielchen erkennen die Nazis sofort als Weißwaschung.

Das TV-Duell zeigte, wie die AfD in wenigen Jahren dieses Land vollends zerstört hat, die politische Kultur ist eine rechtsextreme. Die Journalist*innen in diesem Land wurden durch diese vier Persönchen zu Fürsprechern der Agenda der AfD. Kein eigenes Denken, keine Kritik, sondern Affirmation des rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Diskurses der extremen Rechten.

Der einzige minikleine Lichtblick dieses unerträglichen 97-Minuten-Fernsehspektakels für die AfD war eine Rand-Bemerkung von Martin Schulz: beim Thema Jihad und Islamismus erwähnte er als einziger die Gefahr für „Israel“. Es mag ein Lippenbekenntnis sein, aber es war eines – sonst hat niemand den Judenstaat auch nur erwähnt!

Die Absurdität, Michael Müller auf die Liste des Simon Wiesenthal Centers der schlimmsten antisemitischen Äußerungen 2017 zu setzen, weil er sich z.B. nicht ausreichend von der antisemitischen BDS-Kampagne distanziert habe und gar nicht gesagt wird, dass sich seine Partei, die SPD Berlin, per Beschluss von BDS distanziert und sein Kabinett im Berliner Senat mit Klaus Lederer (Die Linke) einen der schärfsten Kritiker des Antisemitismus und pro-israelischen Redner auf Pro-Israel-Demos in seinen Reihen hat – kein Thema. Selbst die jüdische Gemeinde zu Berlin ist gegen die Aufnahme Müllers in diese Liste.

Wer darauf gehört, ist der Bürgermeister von Herxheim, Ronald Becker, mit seiner volksgemeinschaftlichen Dorfbevölkerung.

Oder Donald Trump, der sagte, bei denen, die in Charlottesville „JEWS will not replace us“ schrien, seien „fine people“ dabei gewesen. Das ist ein Top Ten Platz der schlimmsten antisemitic slurs 2017.

Auf absolut schockierende Art und Weise wurde in der ARD, dem ZDF, RTL und Sat1 am Sonntag, den 3. September 2017, ab 20. Uhr 15, also Prime Time 97 Minuten lang die Wahrheit gezeigt: so elendig ist der deutsche Journalismus, Maischberger, Strunz, Kloeppel und Illner haben das wahre Gesicht des extrem rechten Mainstreamjournalismus, der den Nazis nach dem Maul redet, gezeigt. Die Journalist*innen waren noch viel übler, angepasster an den rechtsextremen AfD-Diskurs, als die Kanzlerin bzw. Schulz, die mit ihren Plattitüden einfach nur Schlaftabletten waren wie immer (Ausnahme von Schulz siehe oben).

Die AfD war gar nicht geladen zu dem Duell und doch der einzige Sieger. Verlierer sind die Flüchtlinge, die Demokratie, linke Gesellschaftskritik und die Kritikfähigkeit des Journalismus.

©ClemensHeni

‘Jews will not replace us’ – for US-President Trump, the Alt-Right are ‘fine people’

Von Dr. phil. Clemens Heni, 17. August 2017

The Times of Israel (Blogs)

Charlottesville is the 9/11 of the political culture in America. 9/11 was an attack from the Muslim world and encouraged jihadists and scholars to embrace Islamism, to fight America, the West, Jews and Israel. Charlottesville, on the other side, is a turning point in the American history, as is comes from inside the country.

For the very first time, an American President said that people, who have flags with a swastika, who shout, “Jews will not replace us,” are “fine people.”

For Trump, part of the neo-Nazi rally included “fine people” – mainly the alt-right. In fact, every single participant de facto embraced hatred of Jews, and endorsed Nazi Germany. People who join a rally with swastika flags are pro-Holocaust.

For Trump, some of these people are “fine people.” Donald J. Trump said so on Tuesday, August 15, 2017, in his third statement on the shocking neo-Nazi and alt-right rally to fight Jews and support racism, slavery and statues in support of the Confederacy. At the rally one anti-Nazi protester, 32-year-old Heither Heyer was killed by a domestic terrorist attack by a neo-Nazi.

Even celebrities who condemned Trump are not referring to the first scandal – in terms of chronology and ideology – of the entire event: antisemitism and neo-Nazism, as Jenny Singer points out in the Forward.

The slogan “Jews will not replace us” at the “Unite the Right” rally in Charlottesville on August 11 + 12, 2017, is based on the writings of Renaud Camus in France. First, since 2010 Camus aims at the “Great Replacement” of the Europeans (and the West) by Muslim from the Middle East. However, the alt-right of course also understand the subtext here: Jews are behind all evil, also behind the refugee crisis – think about Hungarian prime minister Orban’s antisemitic attacks on George Soros, insinuating he was behind the refugee crisis to intentionally “destabilize European nation-states”.

I am wondering what those Jews, who embraced Trump and prayed for him or wrote policy papers for him, how he could fight BDS (Boycott Divestment Sanctions against Israel), restrict or end Muslim and/or Islamist immigration or stop talking about climate change, are now saying. Some credited Trump for supposedly concerns about “Campus antisemitism.”

This is also a message to those supposedly left-wingers, who love Linda Sarsour or Rachel Gilmer, leaders of Black Lives Matter, and their hatred of the Jewish state (and Sarsour’s Islamism) while speaking out against “antisemitism” (as Sarsour insidiously does after Charlottesville, as if she wasn’t a nasty antisemite herself when defaming Israel).

These left-wingers, whether in the US, Canada or England and Germany run riot against the alt-right and for good reason, for example because the alt-right is promoting Renaud Camus, the French theorist who talks about “replacement” and a possible “genocide” of the West and white people, aiming at Muslim immigration as such.

Almost all left-wingers in Germany are against Trump, but a growing number has no problem with antisemitism at all. The world famous art exhibition in the city of Kassel, the documenta 14, includes a show August 24—26 by Italian Franco “Bifo” Berardi, Fabio Stefano Berardi und Brazilian Dim Sampaio, entitled “Auschwitz at the Beach.” They equate salt water of the Mediterranean Sea to “Zyklon B” at Auschwitz, refugees who die to Jews who were murdered. Middle East expert and publicist Thomas von der Osten-SackenThomas von der Osten-Sacken criticizes this antisemitic event, as does the “Information Center on Antisemitism” and the “Sara-Nussbaum Center for Jewish Life” in Kassel.

Franco Berardi (born 1948) is a far-left Italian activist and author of many books, including one in 2016 in Germany, published by Matthes & Seitz. Will they dismiss their antisemitic author Berardi?

The event “Auschwitz on the Beach” is Holocaust denial, as if the death of refugees in the sea is the same as the industrial production of corpses, the destruction of European Jews by the Germans in Auschwitz.

These left-wing antisemites feel fine, as we know. They believe they are on the cool side of history, always antifascist, against Renaud Camus and his nasty replacement theory. Left-wing antisemitism is often based on Holocaust distortion, and even more often includes hatred of the Jewish state, like at the documenta 14, where the initial (and meanwhile slightly changed) description of the “Auschwitz at the Beach” event included the mentioning of Israel as “Gauleiter” in the fight against the refugees.

This antisemitism of “Auschwitz at the Beach” goes unchallenged, the American Embassy in Athens supports the documenta (which this year is based both in Athens, Greece, and Kassel, Germany), as does Volkswagen (the Nazi founded car company VW) and many leading publishing houses such as Random House, Fischer Verlag, Kiepenheuer & Witsch, Rowohlt, C.H. Beck Verlag, among many other institutions.

The conservatives are no better either. Most of them share Camus’ racism and neo-Nazi agenda, that the white people (or the “West,” for the more sophisticated supporters of Camus) are threatened by “replacement.” Those Camus-supporters are now silent about Charlottesville’s antisemitism. I came across a Facebook post by someone I met at the Global Forum for Combating Antisemitism in Jerusalem in 2015, a young Jew who just had made Alijah a few years ago. After Charlottesville, he shares a video by alt-right activist Mike Cernovich, who equates left-wingers in the US, who destroy racist, Confederate statues to ISIS jihadists, who destroy art and statues in the Muslim world. He compares green fascism (Islamism and Jihad) to left-wing antifascism. In just a few days, more than five million people clicked that nasty pro-Nazi and anti-Left video.

The German Jewish weekly Jüdische Allgemeine and its Michael Wuliger  are crystal clear. For them, Jews, who support Trump or right-wing extremism like the Alternative for Germany (AfD), the first right-wing extremist, antisemitic, neo-National Socialist (head of the AfD, Frauke Petry, promotes the Nazi word “völkisch”) and racist party to be elected in the German Parliament, the Bundestag, on September 24, 2017, are “perhaps even worse.” These Jews are against “Ahavat Yisrael,” love of the Jewish people.

John Podhoretz is outraged. He is a true conservative, to be sure, and was shocked when Trump did not mention Jews as victims of the Holocaust on Holocaust Remembrance Day (Jan. 27). After Trump’s third statement on Charlottesville, his Trump-Tower Press Conference in New York City, Tuesday, Aug. 15, 2017, Podhoretz, editor of Commentary, wrote in the New York Post:

The president did something absolutely horrifying in that press conference. He bristled at the use of the term ‘alt-right’ by a reporter and demanded to know from her what she meant by it. He drew a distinction between the neo-Nazis — ‘very rough’ — and the members of the alt-right who rallied with torches on Friday night, chanting ‘Jews shall not replace us.’

It was this group, these alt-rightniks, that Trump said featured ‘some very good people.’ By saying this, he was not only committing an infamy. He actually seemed to be doing constituent service for a group that supported him. (…) That such words could actually emerge from the mouth of the president of the United States is one of the most disheartening facts of my lifetime.

©ClemensHeni

Koscherstempel für faschistische Autoren und das Goutieren des Massenmords an Linken durch Breivik? Die von Israelis betriebene Berlin-Neuköllner Buchhandlung „Topics“

Von Dr. phil. Clemens Heni, 27. Juli 2017

Der Berliner Tagesspiegel (Nantke Garrelts) berichtet mit der reißerischen Überschrift „Buchladen schließt nach Attacken von links“[i] über die Schließung der Neuköllner Buchhandlung „Topics“, einer von zwei Israelis betriebenen Einrichtung in der hippen Weserstraße. Die Grüne Bezirksbürgermeisterin von Kreuzberg, Monika Herrmann, findet die Schließung demnach „verstörend“. Einer der Betreiber des Ladens, Doron Hamburger, teilte dem Tagesspiegel schriftlich mit, ein Gespräch mit „mehreren Vertretern der antifaschistischen Szene scheiterte“.

Linke gegen einen von Israelis geführten Buchladen: das ist natürlich für die Springer-Tageszeitung Die Welt (Hannah Lühmann) ein gefundenes Fressen.[ii] Lühmann schreibt unter der Überschrift „Nach Drohungen der Antifa muss Buchladen schließen“: „Die Enkel von Holocaustüberlebenden werden in Berlin von wild gewordenen Antideutschen vertrieben“ und resümiert:

„Amir und Doron wollen jedenfalls nicht mehr; sie haben sich entschieden, aufzugeben. Die beiden sind natürlich weit davon entfernt, rechts zu sein, der Vorwurf ist völlig abwegig. Man hat das Gefühl, sich mit Leuten zu unterhalten, die nach dem suchen, was intellektuell stimulierend ist, und die nicht in den langweiligen Bahnen vorgeformten Diskurshipstertums bleiben, das leider vielfach das weltanschauliche Milieu junger, linker Akademiker ausmacht. Mit Leuten, die nachdenken, neugierig sind, offen, radikal, die sich für die moralische Ambivalenz interessieren, und für das Dunkle.“

Lühmann ist total begeistert, dass das Topics „Abgründe ausloten“, also gerade nicht aufklärerisch und antifaschistisch, sondern kokettierend über Faschismus und Nazismus reden wollte.

Die neurechte Junge Freiheit berichtet ebenfalls geknickt über die Schließung des Topics, immerhin war schon mal ein JF-Autor dort Referent (wie der Freitag berichtet),[iii] und auch die Wochenzeitung Die Zeit schreibt sehr wohlwollend und mit einer Attacke auf die bösen „Antideutschen“ über die beiden israelischen Buchhändler. Der Zeit-Autor Armin Langer[iv] hingegen war bislang eher für seine Trivialisierung des Islamismus und muslimischen Antisemitismus (namentlich in Neukölln) bekannt.

Die Deutsche Welle (DW) informiert auf Englisch (Ben Knight) über das Aus des Buchladens,[v] die Berliner Zeitung (Tanja Brandes) ist ebenso entrüstet und betont die „psychischen Folgen der Hetze“ gegen die Betreiber[vi] und der Freitag (Mladen Gladic) redet von „intoleranten Linksaktivisten“.[vii]

Kritik an der geplanten Evola-Veranstaltung kam offenkundig am 27. Februar 2017 via Facebook (worüber sich die Gruppe selbstironisch lustig macht) von der Gruppe Top Berlin,[viii] die ein vielfältiges Spektrum an linker Gesellschaftskritik zu repräsentieren scheint, Kritik an der islamistischen Hamas und anderen Formen des Antisemitismus wie auch Veranstaltungen zum Gedenken an die Shoah gehören dazu.[ix]

Ob jedoch die sich radikal vorstellende Kritik von Top Berlin, die Gruppe ist Teil des bundesweiten Bündnisses „Ums Ganze“,[x] versteht, dass ihre Kritik an jeder Staatlichkeit auch Israel und den Zionismus meinen müsste und somit dem Antisemitismus Vorschub geben würde, ist unklar. Es gab anarchistische Zionisten wie Gershom Scholem, der gleichwohl erkannte, wie überlebensnotwendig (!) Staatlichkeit ist, wenn man sich nicht wehrlos von arabischen, muslimischen oder sonstigen Judenhassern abschlachten lassen möchte. So ist eines der Motti von Top Berlin „No Border, no Nation“ angesichts Israels völlig realitätsfern und selbstmörderisch. Der von Ariel Scharon initiierte Sicherheitszaun schützt Israelis vor Selbstmordattentaten und anderen (Mord)Anschlägen. Top Berlin ist also kaum eine „antideutsche“ Gruppe, sondern eher Teil der traditionellen radikalen Linken.

Die Kritik von Top Berlin bezog sich zudem ausschließlich auf Evola. Doch der Skandal ist noch viel krasser.

Der vorgesehene Topics-Referent und Freund des Betreibers Doron Hamburger, DC Miller, hätte also am 2. März 2017 in der Buchhandlung Topics in der Neuköllner Weserstraße über Evola referieren sollen. Am 28. Februar sagte der Laden die Veranstaltung ab, wie man in einer Stellungnahme auf Facebook lesen kann. Dort meldet sich auch der vorgesehene Referent DC Miller zu Wort. [xi]

In seinem Text für die Veranstaltung schreibt Miller über Evola, dieser habe zwar bekanntlich Beziehungen zu Faschisten und Nazis gehabt, er sei „aber“ halt auch „Dadaist, Philosoph, Historiker und Magiker“ gewesen, ja sei von Rechten als „unser Marcuse, nur besser“ bezeichnet worden. Theoretiker wie der Russe Alexander Dugin, ein Übersetzer Evolas ins Russische, oder der Amerikaner Steve Bannon, ein Einflüsterer Trumps und Symbol der Alt Right im Weißen Haus, seien Anhänger des faschistischen Theoretikers. Das schreibt Miller nun nicht in einem aufklärerisch-antifaschistischen Duktus oder wenigstens in einem distanziert-neutralen Text, sondern in einer euphorischen, begeisterten, affirmativen Tonlage.

Am 22. Februar hatte die englische Tageszeitung The Guardian kritisch über die Galerie LD50 und deren Bezüge zum Neonazismus berichtet.[xii] Namentlich erwähnt der Guardian Brett Stevens, der eine rechtsextreme Konferenz im LD50 im August 2016 mit vorbereitete und an eben jenem 22. Februar 2017 als Reaktion auf den Guardian-Bericht noch einmal klarstellte, was seine Position ist:

„Ich bin Anders Breivik aus anderen Gründen unendlich dankbar, als viele vermuten. Die meisten Rechten, die gewalttätig werden und sich der Gefahr eines weißen Genozids bewusst sind, tendieren dazu, den Anderen umzubringen; ich singe ein Loblied auf Breivik, weil er gerade anders handelte, er erschoss Mitglieder von UNS, die Linke geworden waren und machte klar, was für einen Preis man zahlen muss, wenn man links wird. Breivik trieb die Leute davon weg, bei dieser pathologischen, kultmäßigen Gang von Zivilisationszerstörern mitzumachen.“[xiii]

Diese Bejahung von Terror und Mord ist unfassbar und wohl nur in USA, wo er das wohl im Netz publizierte, straffrei. DC Miller jedoch möchte genau einen solchen Hetzer wie Brett Stevens reden lassen. Und das Topics wollte DC Miller reden lassen. Das ist der Skandal, der für die Welt, die Zeit und den Tagesspiegel keiner ist.

Am 25. Februar 2017 protestierte eine lautstarke Gruppe von über 100 Antifaschist*innen gegen die Galerie LD50 im Osten Londons im Bezirk Hackney, übrigens einer Partnerstadt von Haifa. Der Bürgermeister von Hackney, Philip Glanville, spricht sich gegen die Galerie aus, wie das Magazin Vice (Yohann Koshy) berichtet.[xiv] Slogans wie „Death to Nazi Hipsters“, die laut Vice Demoparolen waren, sind angesichts von Nazigewalt nachvollziehbar, aber sicher nicht sinnvoll, die Betonung der Kombination von vorgeblich apolitischen Hipstern und Nazis ist gleichwohl von einiger Bedeutung.

Vice betont, dass die Galeriebetreiberin, Lucia Diego, zugibt, Brett Stevens erlaubt zu haben, für die Konferenz zu werben. Auf die Vice-Nachfrage, warum denn dann sogar Anmeldungen zu ihrer Konferenz im August 2016 über den E-Mail Account von einem Brett Stevens aus USA gingen, der selbst Redner, aber in London nicht dabei war, gab es keine Antwort mehr.

Die New York Times (Christopher D. Shea) berichtete noch am Tag der Demonstration in London über die Proteste gegen die Galerie LD50 und zitiert die spanische Betreiberin, die seit 12 Jahren in England lebe, dass sie zwar „Antisemitismus, Homophobie und Misogynie“ nicht teile, aber die „Linken“ würden doch „Juden, Homosexuelle und Frauen“ viel zu „doktrinär“ verteidigen.[xv]

Der für Neukölln von Topics vorgesehene Referent DC Miller spielte auf der Demonstration gegen das LD50 den Helden und protestierte am Samstag, den 25. Februar 2017, alleine für die Galerie und hielt einen Pappkarton mit der Aufschrift „the right to openly discuss ideas must be defended.“[xvi] Da lacht die Internationale der Holocaustleugner.

Die allgemeine rechtsextreme Agitation, eine Ausstellung kurz nach der Wahl Trumps zu allen möglichen Pro-Trump Äußerungen der extremen Rechten während des Wahlkampfs, wie auch die rechtsextreme Konferenz im August 2016 sind der Hintergrund, vor dem die 2015 eröffnete Galerie LD50 in London so massiv in der Kritik steht. Die irische Künstlerin und Schriftstellerin Megan Nolan schreibt, dass Kunst sehr wohl ihr Recht habe, aber wenn „Faschismus im Gewand der Kunst“ daherkomme und die „Menschlichkeit von uns“ oder der „Nachbarn“ (im Osten Londons) bedrohe, dann sei Widerstand nicht nur „akzeptabel, sondern obligatorisch.“[xvii]

Was wir im Zuge der Reaktionen auf die angekündigte Schließung des Topics erleben, ist eine ganz neue Volksgemeinschaft in Deutschland: extreme Rechte (Junge Freiheit), vorgeblich liberaler Mainstream (Die Zeit), konservative, rechte Mitte (Welt) und viele andere Zeitungen und Autor*innen promoten einen von zwei Israelis betriebenen Buchladen, der einen Referenten vorgesehen hatte, der wenig zuvor eine Londoner Galerie verteidigte, die mit Leuten wie Brett Stevens kooperiert, der ganz offen den Massenmord an Jungsozialisten durch Anders Breivik im Juli 2011 feiert!

Das sind die Töne im neuen Deutschland. Wir haben es hier mit einer anti-linken Volksgemeinschaft zu tun, die Juden oder Israelis benutzt, um Kritik am Faschismus oder Nazismus und dem Massenmord an Linken in Norwegen zu diffamieren und sich hinter Unterstützer (DC Miller) von Verteidigern und Fans (Stevens) eines antilinken, neonazistischen Massenmörders (Breivik) stellt. Die bösen sind die Antifas, die den Agitator DC Miller kritisieren. Antifaschismus ist böse, nicht Faschismus. Das ist Deutschland. Never again kommt zu spät.

Dieser von zwei Israelis betriebene Laden Topics machte freudestrahlend mit, weil sie selbst mit einer Verteidigung eines Massenmords an Linken oder dem Promoten von faschistischen Autoren ganz offenkundig kein wirkliches Problem haben und alles unter die erbärmliche und gerade von Holocaustleugnern seit Jahrzehnten propagierte „freie Rede“ rubrizieren. Da lacht die Anti-Antifa deutscher Neonazis.

Es ist gut, dass ein Laden wie Topics zugemacht hat.

Das reaktionäre, antilinke, pronazistische Denken, das Liebäugeln mit historischen Faschisten wie Evola und das Goutieren des Massenmords an Jusos durch Breivik von Freunden der Topics-Betreiber indizieren hingegen eine politische Kultur in Amerika im Zeitalter des Trumpismus und in Deutschland, die bleiben wird.

Sicher ist so ein Liebäugeln und Goutieren in der Bundesrepublik mit jüdischem Koscherstempel besser zu verkaufen, so wie auch der Israelhass sich mit jüdischem Koscherstempel (vornweg: Adorno-Preisträgerin Judith Butler) besser promoten lässt, aber Deutschland hat doch reichlich Erfahrung damit, antilinke und pronazistische Ideologie gerade ohne und gegen Juden oder Israelis zu formulieren.

 

[i] Tagesspiegel, 23.07.2017, http://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-neukoelln-buchladen-schliesst-nach-attacken-von-links/20096078.html (eingesehen am 27.07.2017).

[ii] Die Welt, 24.07.2017, https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article166945195/Nach-Drohungen-der-Antifa-muss-Buchladen-schliessen.html (eingesehen am 27.07.2017).

[iii] Junge Freiheit, 24.07.2017: „‘Es ist schlimm genug, eine Veranstaltung über die Idee einer suprafaschistischen Person in deinem eigenen Geschäft auszurichten, aber es ist nochmal etwas völlig anderes, wenn sich dein Geschäft auch noch inmitten von Neukölln befindet, einem Einwandererviertel‘, beschreibt Hamburger den Grundtenor der Kritik. Er habe sich daraufhin gefragt, ob es besser gewesen wäre, in Marzahn oder Lichtenberg über Evola zu diskutieren (ls)“, https://jungefreiheit.de/kultur/gesellschaft/2017/israelischer-buchladen-muss-nach-antifa-attacken-schliessen/ (eingesehen am 27.07.2017). Link zu dieser neu-rechten Agitationsseite absichtlich deaktiviert.

[iv] Die Zeit, 25.07.2017, http://www.zeit.de/gesellschaft/2017-07/topics-berlin-neukoelln-juden-israelischer-buchladen-schliessung/komplettansicht (eingesehen am 27.07.2017).

[v] Deutsche Welle (DW), 24.07.2017, http://www.dw.com/en/berlin-bookstore-shuts-down-after-leftist-boycott/a-39818955 (eingesehen am 27.07.2017).

[vi] Berliner Zeitung, 24.07.2017, http://www.berliner-zeitung.de/berlin/neukoelln-warum-ein-buchladen-israelischer-betreiber-schliessen-muss-28022990 (eingesehen am 27.07.2017).

[vii] Freitag, 24.07.2017, https://www.freitag.de/autoren/mladen-gladic/are-the-kids-alt-right (eingesehen am 27.07.2017).

[viii] https://www.facebook.com/TOPB3rlin/posts/10154945432445256 (eingesehen am 27.07.2017).

[ix] http://top-berlin.net/de/tags/antisemitismus (eingesehen am 27.07.2017).

[x] https://umsganze.org/ueber-uns/ (eingesehen am 27.07.2017).

[xi] https://www.facebook.com/topicsberlin/posts/2005480709696833 (eingesehen am 26.07.2017).

[xii] The Guardian, 22.02.2017, https://www.theguardian.com/uk-news/2017/feb/22/art-gallery-criticised-over-neo-nazi-artwork-and-hosting-racist-speakers (eingesehen am 27.07.2017).

[xiii] Brett Stevens, 22. Februar 2017, http://www.amerika.org/politics/the-guardian-doubles-down-on-lugenpresse-narrative-about-ld50-gallery/ (eingesehen am 27.07.2017), Übersetzung vom Verfasser. Ich habe den Link zu dieser Naziseite deaktiviert.

[xiv] Vice, 28. Februar 2017, https://www.vice.com/en_uk/article/78qzpx/should-free-expression-include-normalising-far-right-ideas (eingesehen am 27.07.2017).

[xv] New York Times, 25. Februar 2017, https://www.nytimes.com/2017/02/25/arts/design/london-gallery-ld50-alt-right-show-protest.html?mcubz=0 (eingesehen am 27.07.2017).

[xvi] Man kann DC Miller mit seinem Pappkarton hier sehen: https://pics.me.me/the-right-to-openly-discuss-ideas-must-be-defended-k-20808184.png (eingesehen am 27.07.2017). Ein Bericht zur Demonstration ist hier zu finden: Hackney Gazette, 27.02.2017, http://www.hackneygazette.co.uk/news/politics/ld50-gallery-anti-fascist-protesters-march-through-dalston-1-4907083 (eingesehen am 27.07.2017).

[xvii] Megan Nolan, 3. März 2017, https://thebaffler.com/latest/ld50-nolan (eingesehen am 27.07.2017).

©ClemensHeni

Nach G20-Protesten in Hamburg: Merkel, Scholz, Gabriel und die Demokratie oder „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ (Brecht)

Von Dr. phil. Clemens Heni, 9. Juli 2017

Die Gesellschaft in diesem Land erlebte die letzten Tage in Hamburg bei dem G20-Gipfel und den Protesten dagegen ultimativ, was es heißt, unter einer Großen Koalition zu leben.

Die Demokratie wird vom Staat mit Pfefferspray, unzähligen Hundertschaften, über 20.000 uniformierten und munitionierten Polizist*innen, SEK-Einheiten mit Maschinenpistolen im Anschlag, Knüppeln, brüllenden Polizist*innen und Menschen wie Dreck vom Pflaster wegspritzenden Wasserwerfern massiv beschädigt und bekämpft.

Freie Meinungsäußerung? Pustekuchen. Freie Presse? Von wegen. Verhältnismäßigkeit bei kleineren „Vergehen“ wie Vermummung? Niemals.

Das ganze Establishment dreht völlig durch und bezeichnet nun Randalierer, Gewalttäter und kriminelle Plünderer als „Linksfaschisten“, Außenminister Gabriel vergleicht gar die Randale von Hamburg mit tödlichen Brandanschlägen von Neonazis.

Keinerlei Unterschied scheint es zu geben zwischen dem Mord an als nicht-deutsch Stigmatisierten, wie ihn Neonazis begehen, und Kritik am Kapitalismus, so sinnlos und brutal die sich auch Freitagnacht im Schanzenviertel Hamburgs gezeigt haben mag.

Es waren zudem definitiv nicht nur politisch organisierte linke Aktivisten vor Ort, wie Augenzeugenberichten festhalten. Es war eine Mischung aus brutalen Aktivisten (auch internationalen), gewaltaffinen „Partygängern“, Frustrierten (die mal nen teuren Whiskey oder ein I-Phone klauen wollten) oder schlicht Trotteln.

Die Autonomen von der Roten Flora haben sich selbst von den Exzessen distanziert.

Der Spiegel-Online-Autor Sven Becker war an jenem Freitagabend im Hamburger Schanzenviertel unterwegs und kontextualisiert die Gewalt, zeigt soziale Problemlagen auf etc. Damit rechtfertigt er keine Gewalt, relativiert sie aber. Wir reden hier nicht über „Bürgerkrieg“ oder „Terrortaten“, wie viele Durchgeknallte es nun tun. Dann hätten sie einfach mal in Aleppo oder Mossul sein sollen, bevor sie so dumm daherreden.

Der Mainstreamdiskurs läuft so: Links gleich Rechts, die Extremismus- und die Totalitarismustheorie, das Lieblingskind nicht nur von Joachim Gauck („Prager Deklaration“ von 2008), das sind die bekannten Agitationswerkzeuge derjenigen, die Kritik diffamieren wollen und für die Gewalt immer nur von den anderen ausgeht.

Ist es keine Gewaltförmigkeit jene, die Auschwitz befreiten, mit denen auf eine Stufe zu stellen, die Auschwitz bauten und betrieben? Man ist kein Stalinist und verharmlost keine Millisekunde den Stalinismus, wenn man auf dieser alles entscheidenden Unterscheidung des 20. Jahrhunderts besteht: Rot ist nicht gleich Braun.

Wer das behauptet, möchte die Deutschen entlasten und entschulden und die präzedenzlosen Verbrechen des Nationalsozialismus, der Shoah und der deutschen Volksgemeinschaft banalisieren.

Hierzulande hießen und heißen die Revanchisten Nolte, Baberowski oder Horst Möller, und in USA heißen sie eben Timothy Snyder (schade, dass er auch noch aus YALE kommt, meiner Alma Mater).

Dabei gilt es die Randale und Kritik am Kapitalismus auf eine andere Ebene zu bringen. Das pro-kapitalistische Apriori von Merkel und allen G20-Beteiligten ist ja himmelschreiend und unerträglich.

Der Suhrkamp-Verlag hat 2016 ein Büchlein mit dem Titel Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Das Brecht-Brevier zur Wirtschaftskrise publiziert.

Nun ist es wichtig und richtig, kapitalistische Vergesellschaftung zu kritisieren. Linke Zionisten tun und taten das auch, ja die Verbindung von Sozialismus und Zionismus war für die frühe zionistische Bewegung und später für die ersten Jahrzehnte des Staates Israel von enormer Bedeutung.

Es gibt aber hierzulande seit sehr langer Zeit eine höchst gefährliche Form der Banken- oder Kapitalismuskritik, die gutes („schaffendes“) vom bösen („raffendem“) Kapital unterschieden wissen möchte. Die anti-mammonistische Agitation ist da nicht weit, und die Forschung hat dazu katholische Beispiele aus der Weimarer Republik, sodann Nazipropaganda aber auch Post-Holocaust Agitation gegen Mammon von der (radikalen) Linken analysiert.

Zu dieser Form antisemitischer Kapitalismuskritik, die im Kern das Kapitalverhältnis affirmiert und nur böse Einzelne als Schuldige präsentiert, gesellt sich seit 2005 die BDS-Bewegung (Boycott Divestment Sanctions), die Israel dämonisiert, mit doppelten Standards betrachtet und delegitimiert (die 3Ds, Demonization, Double Standard, Delegitimization).

Doch diese Debatten spielten in Hamburg offenbar kaum eine Rolle.

Die Eskalation ist eine Blamage für die Demokratie“, wie es Jan Thomsen, Journalist bei der Berliner Zeitung, in Worte fasst.

Es waren polizeistaatsmäßige Festspiele der zynischen Art. Zu Beethovens Neunter und der Passage „Alle werden Brüder“ (und Schwestern) in der offenbar ausschließlich für diesen einen Anlass gebauten Elbphilharmonie werden Islamisten, Sexisten und antidemokratische Staatsoberhäupter wie Erdogan, Trump oder Putin und aus anderen Teilen der Welt wie Lateinamerika oder China getätschelt.

Sie beklatschen sich selbst während draußen Linke und Kritiker*innen mundtot gemacht werden sollen, vor Angst zittern, heulen und vor Schmerzen, brennenden Augen und Atemnot umfallen.

Und dann gibt es jene selber ernannten „Antideutschen“, die dieses Land im Kern affirmieren und feixend den live-ticker auf Facebook oder im Fernsehen die Live-Reportage sehen, genüsslich ihren Kaffee im aseptischen, ausbeutungsfreien Starbucks schlürfen und hoffen, dass noch die letzten autonomen Zentren geräumt und zerstört werden.

Diese marginale Gruppe von turbo-neoliberalen prodeutschen Antideutschen, die die G20-Proteste schon im Vorfeld diskreditierte und dabei häufig „nur“ die antisemitischen Elemente der Proteste anführte und damit ALLE Linken meinte (da lacht die BILD-Zeitung natürlich), fühlt sich umso cooler, als sie sich pro-israelisch gibt.

Dazu geben Teile der Linken, der antisemitische Flügel, seit Jahrzehnten zur Genüge Anlässe. So wie jetzt wieder (kleine?) Gruppen bei den G20-Protesten, die die „Einstaatenlösung“ für den israelisch-palästinensischen Konflikt (der ja Teil des arabisch-israelischen Konfliktes ist, was viele nicht sehen) präferieren und somit den jüdischen Staat Israel auflösen wollen und sich ironischerweise mit der extremen (nationalen, religiösen) Rechten in Israel treffen.

Polizist*innen schlugen die letzten Tage brutal und mit einer gleichsam militärischen Ausrüstung zu. Journalisten wurde von Polizistinnen und Polizisten ins Gesicht „Fuck the Press“ geschrien und wenig später Pfefferspray ins Gesicht gesprüht – staatliche Körperverletzung und Aussetzen von Grundrechten. Das ist nicht nur Istanbul, Izmir oder Ankara 2017. Das ist nicht nur Erdogan. Das ist Deutschland 2017. Das ist die Große Koalition. Das ist die SPD Hamburg. Das ist die Polizeiführung Hamburg. Das ist die Merkel-Gabriel-Regierung. Das ist G20.

Die zentrale linksradikale, autonome Demonstration „Welcome to Hell“ wurde gar nicht erst laufen gelassen und Vermummung von kleineren Teilen der Demo wurde zum Anlass genommen, mit äußerster Brutalität eine Demo regelrecht zusammenzuschlagen und das Grundgesetz außer Kraft zu setzen.

Das ist Teil des elenden Erbes von Helmut Kohl, über dessen „geistig-moralische“, ergo: nationalistische „Wende“ und Antisemitismus (Bitburg, SS-Gräber) ja so gut wie niemand redete bei dessen peinlich-monströsem EU-Staatsbegräbnis.

Unter Kohl wurde nämlich die Vermummung 1985 von einer Ordnungswidrigkeit zu einer Straftat uminterpretiert.

Der Protest an sich wurde von Seiten des Staates mit vielen Wochen Vorlauf vollständig diskreditiert. Die bekannten Agitationsplattformen wie WELT (Poschardt), Achgut (Maxeiner), die CDU und viele andere überschlagen sich nun mit „Linksfaschismus“-Gerede.

Sie wollen Nazi-Gewalt trivialisieren und Mord und Plünderung gleichsetzen.

Manche verglichen die antisemitischen Pogrome vom 9. November 1938 mit der Randale in Hamburg. Diese Verharmlosung des Nationalsozialismus läuft in Deutschland runter wie Honig. Es entlastet und die reaktionären Bürger fühlen sich wohl dabei.

Was in Hamburg passierte, wie es kommentiert und eingeordnet wird, schädigt die politische Kultur in diesem Land über viele Jahre hinweg.

Über den Suhrkamp-Band Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank von Brecht könnte man lebhaft diskutieren. Manche könnten lernen, dass es auch eine nicht antisemitische Kapitalismuskritik geben kann und dass gar viele Zionisten vor und nach der Gründung des Staates Israel antikapitalistisch drauf waren und sind.

Wären wir im Jahr 1967, würde es nächstes Jahr ein 1968 geben.

©ClemensHeni

A “pro-Israel” Propaganda Film from Germany

Von Dr. phil. Clemens Heni, 28. Juni 2017

Times of Israel (Blogs)

A new and very controversial film in Germany indicates the very low level of the pro-Israel community in Germany. The film “Chosen and Excluded – Hatred of the Jews in Europe today” by filmmakers Joachim Schröder and Sophie Hafner was finally screened on Wednesday, June 21, 2017, in the first German channel ARD after the yellow press Bild had put the film illegally online a few days before. How can we analyze that?

One can whitewash the German guilt for the Shoah by blaming others. For example by saying that the Mufti of Jerusalem, Haj Amin al-Hussaini, inspired Hitler to kill all the Jews. That is of course a lie and a grotesque distortion of German antisemitism and the Shoah. Nevertheless, some people say so. Germans are eager to get rid of their crimes, to distort history. The boulevard daily Bild from Germany, Europe’s biggest daily newspaper, was instrumental in promoting the trope of a “bomb Holocaust” by pre-publishing chapters of a book by historian Jörg Friedrich, who promotes that trope (bis book is entitled “The Fire”).

Others compare abortion to the Holocaust, animal rights activists like PETA or book authors make fun of Holocaust victims and created terms such as “For the animals it is like Treblinka” or “Holocaust on your plate.” Germans compare the expulsion of Germans from the east after 1945 to the Holocaust. The best know example of German self-victimization is of course the bombing of Dresden. Framing the RAF of England as a Nazi-like institution, Germans portray themselves as victims of the Allies in World War II. Among pseudo-intellectuals, post-colonial theory is one of the most fashionable forms of Holocaust distortion, including the equation of racism and the Shoah or dangerous and Holocaust distorting analogies (“From Windhuk to Auschwitz”).

Critical Theory, Theodor Adorno and his co-worker Peter Schönbach, therefore created the term “secondary antisemitism” around the year 1960. Secondary antisemitism means antisemitism after Auschwitz, insofar as it is related to distort history. “Traditional” forms of old anti-Judaist and modern antisemitism, like conspiracy myths, blood libels or anti-Mammonist, anticapitalist antisemitism, obviously today have the same argumentation than prior to the Shoah. Both traditional and secondary forms of antisemitism exist in Germany and Europe.

What could be better to achieve the goal (intentionally or unconsciously) of getting rid of the German crimes (as a German crime!) if one can blame Muslims and Arabs for the Shoah? Everyone knows that the Mufti indeed was a close ally of Nazi Germany. He was of course not at all initial for the Shoah, though! That is bordering to Holocaust revisionism.

***

The German-French TV channel ARTE had commissioned the film “Chosen and Excluded – Hatred of the Jews in Europe today” by filmmakers Joachim Schröder and Sophie Hafner, and they asked German TV channel WDR, which is the regional channel of North-Rhine Westphalia or Western Germany and belongs to the first channel ARD, to produce the film. J. Schröder, his company and S. Hafner then made film on behalf of the WDR. Arte rejected the film, after the WDR (or perhaps just a single representative there, Sabine Rollberg, without being checked by other co-workers there) had approved the film.

The film is overwhelming; there is no room to think about one of the many antisemitic examples. The film uses the tactics and cuts of a propaganda film, but this time for Israel, not against it. One could be happy about a pro-Israel film. However, one should be reluctant to embrace a pro-Israel propaganda film, as we will learn soon. Propaganda is propaganda, though, and the least thing Israel or the fight against antisemitism need.

Topics in the film are Abbas and a speech, including antisemitic remarks, he gave at the EU Parliament, a few neo-Nazis (some of them rather portrayed as former leftists), many leftist groups and activists, including the Protestant church, Muslim anti-Jewish activists in France, young people in Gaza  – some of them decrying corruption of the Hamas regime –, and a happy Palestinian man who is working in an Israeli manufactory for plastics in the settlement of Ariel in the Westbank (he earns 9000 Schekel, imagine!).

At least three crucial lies and mistakes in the film are obvious to every critical viewer:

1) They say, “Christian culture is the mother of all hatred of the Jews.” Ignoring Greek anti-Jewish agitators Apion or Epiphanes, the film just wants to pick the Christians, as one of their main enemy are elderly Christian females who support the Palestinian and/or anti-Zionist cause. Not a word about Christians who dealt a lot with their own antisemitic history. Also, if the authors read Robert Wistrich’s “A Lethal Obsession,”, including its subtitle “Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad” and his remarks about Greek and other pre- or non-Christian old forms of hatred of the Jews, they would never ever have claimed that Christianity is the mother of all hatred of the Jews. Obviously, they had poor scholarly advice or ignored any advice at all.

2) The film emphasizes that no Palestinian or Arab civilians were killed during the expulsion of Arabs during the War of Independence in 1948/49. Of course, it was essential that Israel did win that war! However, that may not include the denial of few, but shocking and existing crimes against the Palestinians. Take the massacre at Deir Yassin, April 9, 1948, where some 100-110 Arab civilians have been killed, as best known example. Or take massacres in Lod, Saliha or Abu Shusha. Historian Benny Morris and many others have dealt with that.

This is of course not to say that the “Nakba,” a terrible word I would not use, equals the Shoah. Never ever. There was no genocide against the Arabs or Palestinians. That is the correct part of the film, but going so far and to deny that any civilians were killed during the expulsions of Arabs – that is a historical lie.

This lie is an essential part of the film, and it is said and emphasized several times by Rafi Eitan, a veteran. By the way, in November 2016, on the occasion of the anniversary of the Nights of Broken Glass on November 9, 1938, he was invited by the right-wing extremist FPÖ party in Austria to talk about Muslim antisemitism …

3) Then, the film defames Israeli NGO B’tselem, using a statement by journalist Tuvia Tenenbom, based on a story about an antisemitic Palestinian co-worker at that NGO. After B’Tselem took notice of this Holocaust denying statements by one of their Arab co-workers in 2014, they fired him. The film does not even ask B’tselem about their opinion. Is that serious journalistic work?

The worst mistake of the film is perhaps the very fact that they flew to Israel and Gaza in order to learn about German and European antisemitism.

To analyze all kinds of antisemitic tropes one does not at all need to fly to the Middle East. Worse, that insinuates for the viewer that the behavior of Jews might indeed have an impact on how antisemitic the world is.

They film nice doctors at Hadassah hospital in Jerusalem, who treat both Arab terrorists and Jewish victims. Why did they film that in a film about antisemitism? It is a strange way of philosemitism and has nothing to do with the analysis of antisemitism.

Hatred of Israel does not stem for this or that action of the Jewish state or from this or that behavior of doctors at Hadassah hospital.

It derives from the rejection of any Jewish presence in the Middle East, a denial of the Zionist dream.

Filmmakers Schröder and Hafner confuse antisemitism and the Arab-Israeli conflict or the Israeli-Palestinian conflict. The Israeli-Palestinian conflict is obviously not only based on antisemitism. Two parties are involved here, and both sides made and make mistakes. Arab rejectionism is not the only problem here, without ignoring the huge threat deriving of UNRWA’s policies of a Palestinian right of return and the irrational and unprecedented inflation of the number of Palestinian refugees.

Many mistakes by Israel have to be mentioned, too, including the very fact of the occupation, for over 50 years now. Many Zionists were not happy in 1967, including David Ben-Gurion, about the occupation of land, a part from the existential Golan Heights and perhaps Jerusalem, as Swiss-Israeli author Carlo Strenger recalls in the Swiss Neue Zürcher Zeitung. In addition, one might add that some liberal Zionists had not been eager at all to pray in front of old stones (like the Kotel or Western Wall in the old town of Jerusalem), as the film “censored voices” by Israeli filmmaker Mor Lousy, based on original film material from June 1967, has shown in 2016.

That German film, though, is not even trying to understand that German or European antisemitism has nothing to do with the Middle East – if we talk about criticism of the conflict – that is not necessarily antisemitism. Criticism is criticism and defamation is defamation. To analyze young and not so young Muslims, Arab and Turkish antisemites who praised Hitler during the Gaza War in 2014 one does not need to travel to the Middle East to fight and “understand” that! Praising Hitler, Holocaust affirmation is antisemitic. Comparing Jews and Israel to Nazis is antisemitic, too. It is an inversion of the Shoah, of victim and perpetrator. Period. An obsession to talk about Israel while being silent about all other conflicts for sure is antisemitic as well.

On the other hand: Blaming left-wing criticism of the occupation as antisemitic is simply out of touch with reality. That damages Israel, as the neutral viewer thinks that the occupation is OK (a Palestinian earns some 9000 Schekel in a manufactory there, hey!) and that all Israelis think like this.

Why did Arte and the WDR not show the film as intended and just did so, after the public extremely pressured them? It might have been the missing of all (!) journalist standards in the film. It is for sure not a documentary.

Downplaying of antisemitism might of course also have been among the reasons, if we take a clear antisemitic film about Geert Wilders that was shown on that WDR German channel in March 2017 – it was a BBC production and included an Islamist American activist, Sheikh Khalid Yassin, known for his antisemitic against Jews. In the film, Yassin said that Wilders is a true follower of modern Zionism and its anti-Muslim and anti-Arab ideology. After the screening, the WDR understood that this is clearly antisemitic and cut these parts of the film. But they should have reacted before and should not have aired that film in the first place. Criticism of right-wing extremist agitators like Wilders is important, but why using antisemitism Muslims for that? You cannot fight brown fascism with green (=Islamist) fascism, to be sure.

***

The film by Schröder and Hafner starts with antisemitic remarks by Mahmoud Abbas at the European Parliament (a statement Abbas took back a few days later). In the film, Nazi agitator Julius Streicher is then shown as a direct precursor of Abbas. Contrary to Abbas, Streicher never stepped back after an antisemitic remark. Streicher was a leading agitator and responsible for the Shoah. To compare such a German mass murderer with Abbas is distorting the Holocaust. To make bad matters worse, Social Democrat leader Martin Schulz is then shown applauding Abbas – the German audience shall learn: left-wingers or at least Social Democrats like Schulz, who runs for German chancellor in September, Arabs and Muslims are the true Nazis of our time or at least the heirs of Nazi ideology and agitation.

According to the Jewish Chronicle in England, the film was supposed to deal with contemporary antisemitism, including anti-Zionist antisemitism, in Norway, Sweden, the UK, Hungary and Greece. The film deals with Germany, France – the Gaza strip and the Westbank. Think about it.

Arte and the WDR ordered a documentary about contemporary European antisemitism. To accuse them of censorship and of downplaying antisemitism is indicating the fanaticism of most parts of the German pro-Israel camp these days. Why should Arte and the WDR pay a lot of money for a film about antisemitism, if they are not interested in that topic at all? They are scared about the rise of antisemitism in Europe today, including hatred of Israel.

The film shows mainly hatred of Israel and hatred of Jews in France. These are important topics, of course. However, they are framed in a rather anti-Muslim and anti-Arab agenda. Left-wing Zionist groups who fight the occupation in the Westbank are defamed.

German historian Michael Wolffsohn, who advised the filmmakers, praises the film. Even his former student, journalist Sylke Tempel, though, has some criticism about the film, without really criticizing it. Head of the American Jewish Committee in Germany, Deidre Berger, compliments the film as do journalists Alan Posener or Richard Herzinger from the daily Welt. The Central Council of Jews in Germany urged the WDR TV channel to screen the film. Almost the entire German pro-Israel blogosphere is promoting that film.

Rabbi Abraham Cooper from the Simon Wiesenthal Center wrote a piece together with Manfred Gerstenfeld, and they go so far and do not even mention neo-Nazi Breivik, who killed 77 people, young socialists, in 2011 in Norway, in their paragraph about Norway and extremism in Norway in our time. As if Islamism is a much bigger threat in Norway compared to Breivik. Islamism is a huge problem all over Europe, but not to mention one of the most shocking massacres in the history of Norway is remarkable. Would they have ignored the massacre if the massacre was done by a Muslim and not by a white supremacist and neo-Nazi? The SWC wants to screen the film in their Tolerance center in Los Angeles.

Writer and journalist Mirna Funk writes in the weekly Die Zeit. She is a critic of antisemitism. However, she criticized the film as a kind of “propaganda.” The same holds for Tel Aviv based author Sarah Stricker, writing for rather right-wing monthly Cicero. Stricker wrote a diary for a leading German daily, the Süddeutsche Zeitung, in 2014 during the Gaza War. She knows what jihad sounds like.

The day, the Bild daily put the film on antisemitism online, Stricker received four text messages on her cell phone from friends who urged her to see the film, as she writes in her article. She prepared herself with a pen and some paper to take notes during the film. Later she wanted to inform other friends or family to see the film. Having seen 10 minutes of the film she realized, “that I would not send the link to the film to anybody.”

The film is too bad. It is poorly made. She frames her article “gift of doubts.” Doubts about the very seriousness of threats deriving of contemporary antisemitism may indeed come to the minds of critical viewers of the film.  It is indoctrinating. Viewers, at least those who are not anti-Zionist or antisemitic, may have doubts about the seriousness of the problem.

Antisemitism, including anti-Zionist antisemitism, is a huge problem. It is a German and European problem, too. Arte and WDR TV channels wanted a film about European antisemitism (in specific countries, not including France or Germany, as we already had many reports and documentaries about these two countries when it comes to antisemitism, including jihad). The film failed to do that.

Finally, the sharpest critique of the film comes from former Israeli ambassador to Germany, Shimon Stein, and his co-author, historian Moshe Zimmermann, who published an article on June 26 online with the weekly Die Zeit. They see a tendency to de-Germanize and Arabize or Islamize, if one can say so, the Holocaust. They take Bibi Netanyahu’s above quoted example of the Mufti who supposedly inspired Hitler to organize the Holocaust, as worst example. They are missing a serious analysis of German antisemitism in the film.

Stein has been one of the most prominent speakers at pro-Israel events in Germany in the last years. Many anti-Zionists detest him. That become obvious, for example, in 2014 during the Gaza War. Now, the reactions of the German pro-Israel camp will be silence at best, facing his sharp criticism of the most important public event the German pro-Israel camp has ever seen. THEIR film was finally aired on the first channel, imagine! And now, a former ambassador and well-known pro-Israel author and speaker, criticizes that very film in a truly harsh way.

As already mentioned, Germany has enough examples of contemporary antisemitism to be dealt with. From the defamation of the brit milah by the mainstream, the Frankfurter Allgemeine Zeitung and many others, including substantial parts of the non-Jewish pro-Israel camp in Germany in summer 2012 after a shocking court rule in Cologne, to the equation of red and brown, communism and National Socialism via the Prague Declaration (signed, for example, by former German president Joachim Gauck), to old-style antisemitism and the Protocols of the Elder of Zion by elected politicians of the right-wing extremist Alternative for Germany (AfD), and their agitator Wolfgang Gedeon. Muslim, Arab, Palestinian and Left-wing antisemitism and the rejection of the very idea of a Jewish state is also a topic, of course, but the film just deals with a tiny group (SAV, “Socialist Alternative Move On”) and not with mainstream scholarship that honored Judith Butler in 2012 with the Adorno Price, for example. Even the Jewish Museum Berlin invited and embraced Butler.

Then, instead of travelling to the Middle East, the filmmakers could have stayed in Berlin. There is the Barenboim-Said Academy in the heart of the German capital, vis-à-vis of the Foreign Ministry. Said was an outspoken enemy of the Jewish state and not just a critique of one or several policies of Israel. He fought the entire Zionist project. To name a leading institution in the heart of the German capital after an antisemite is shocking. Cultural State Secretary of the German government, Monika Grütters, who is also head of the Berlin branch of the Christian Democratic Union (CDU), the party of chancellor Merkel, pays millions for the Barenboim-Said Academy every year, not including the many millions for the establishment of the building. In Haaretz, Barenboim now promotes a distortion of the Shoah by framing Palestinians as victims of Germans (!), because in his view Israel was established because of the Holocaust. That is of course not true. Israel was created despite of the Shoah. The Zionist movement has nothing at all to do with the Second World War and the Holocaust. Historian Yehuda Bauer most recently attacked Barenboim for his Holocaust distorting trope. In Germany, Barenboim will succeed with his ideology, I am sure.

Jokes and resentment about Jews are common among the elites in Germany, too. There is truly no shortcoming here. A film about European antisemitism could – 90 minutes – could have dealt with at least  some of these forms in a serious, scholarly way, as it should have been a documentary. Instead, the filmmakers filmed themselves in ridiculous scenes in the aircraft, the car or at the Gaza border. Their narcissism might be a minor problem, but it distorts the entire project. From the very first minute, it becomes clear that this film is not intended to analyze contemporary forms of antisemitism, but to defame specific groups of people, namely Arabs, Muslims, Christians – and the left.

Shimon Stein and Moshe Zimmermann say that this film is not at all helpful to analyze and fight antisemitism in Germany today. However, I am sure, those activists in the German pro-Israel camp will find a way to defame a former Israeli ambassador to Germany as antisemitic or anti-Israel.

The fanaticism of that political scene now shows its ugly face. They are not at all interested in listening to those Israeli, Zionist voices who believe that Netanyahu and his extreme right-wing government brings Israel in huge trouble. The recent and never seen before clash between Bibi, the Israeli government and the Jewish Agency and Natan Sharansky over the Kotel is just the latest example for that. The German pro-Israel camp rejects to criticize Israel, they are not interested in Zionism at all. They are happy to defame the left, Muslims, Arabs and Christians alike. They rewrite the history of 1948, they embrace the occupation and they accuse institutions like Arte or the WDR TV channels of antisemitism – while being paid by these channels for a film on antisemitism!

The Film “Chosen and Excluded – Hatred of the Jews in Europe today” by Joachim Schröder and Sophie Hafner is not at all helpful to analyze and fight contemporary European antisemitism. It is a pro-Israel propaganda film, it defames left-wing Zionism, spreads lies about the 1948 war, embraces the occupation and compares Nazi agitators to Palestinian politicians, how bad and antisemitic they ever are.

Fighting Islamist and Muslim antisemitism looks different. A propaganda film does harm the analysis and fight of antisemitism. The reaction of the pro-Israel camp in Germany to the film indicates their fanaticism and unwillingness to deal in a serious manner with all forms of contemporary European and German antisemitism.

©ClemensHeni

ARTE, der WDR und ein Film über Antisemitismus – warum dieser Film von J. Schröder und S. Hafner Israel schaden kann

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Update, 24.06.2017: Zur Rezeption dieses Textes siehe den Faktencheck des WDR und das Neue Deutschland (ND)

Große Aufregung: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen, sein deutsch-französischer Sender ARTE im Duo mit dem WDR, hat einen Film zensiert und nicht ausgestrahlt. Die BILD-Zeitung hat ihn nun am 13. Juni 2017 einen Tag lang online gestellt. Es handelt sich um den Film „Auserwählt und Ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“ von Joachim Schröder und Sophie Hafner. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) unter der Redaktion von Sabine Rollberg hat den Film für den öffentlich-rechtlichen Fernsehkanal ARTE produzieren lassen.

ARTE weigert sich nun, den Film zu zeigen. Laut einem Bericht des Tagesspiegel sagt ARTE, den Film keineswegs deshalb nicht zeigen zu wollen, weil das Thema der antizionistische Antisemitismus sei. Im Gegenteil, sie wollten ja heutigen europäischen Antisemitismus thematisieren und explizit auch den antizionistischen oder israelbezogenen Antisemitismus.

Der Historiker Michael Wolffsohn sagt zu dem Film:

„Glückwunsch! Das ist die mit Abstand beste und klügste und historisch tiefste, zugleich leider hochaktuelle und wahre Doku zu diesem Thema“,

auch der Politologe Matthias Küntzel, der Historiker Götz Aly und der Publizist Ahmad Mansour

(„Inhaltlich ist der Film großartig und überfällig… Ich finde es merkwürdig, dass ausgerechnet ein renommierter öffentlich-rechtlicher Sender wie ARTE Probleme mit der Realität hat.“)

loben den Film überschwänglich. Die Frankfurter Rundschau (Christian Bommarius), das Blog „Salonkolumnisten“ wie der Radiosender MDR-Kultur würdigen den Film und preisen ihn an.

Ein Film, 90 Minuten gar, gegen heutigen Antisemitismus ist sehr wichtig, da weite Teile der Bevölkerungen in Europa antisemitische Ressentiments hegen.

Darunter fallen jedoch weit mehr Ideologeme als „nur“ der antizionistische Antisemitismus (man denke an die Hetze gegen die jüdische Beschneidung im Sommer 2012, die von der FAZ über die linke Wochenzeitung Jungle World und obskure Einrichtungen wie die Giordano Bruno Stiftung bis hin zu „Antideutschen“ reichte), aber sei es drum.

Den Israelhass zu thematisieren ist schon wichtig genug, in der Tat. Und das tut der Film.

Der Film möchte jedoch überwältigen, er argumentiert gar nicht, da wird keine Sekunde zum Nachdenken angeregt. Schlag auf Schlag werden antisemitische Beispiele zusammenhangslos aneinandergereiht. Von Neonazis (die teilweise eher als Ex-Linke dargestellt werden) über den Palästinenserpräsidenten Abbas und den SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz hin zu christlichen NGOs und der BDS-Bewegung und antisemitischen Rappern, die teils minutenlang mit Youtube- oder anderen Videos im Original gezeigt werden, geht der Schnelldurchlauf im antisemitischen Milieu hier und heute.

Marginale linke Splittergruppen wie die Sozialistische Alternative Voran (SAV) bekommen einen enormen Stellenwert und könnten diesen Film als Werbung für sich in Anspruch nehmen, weil er ihnen eine Bedeutung zuschreibt, die sie – zum Glück – gar nicht haben.

Der Film möchte alle möglichen antiisraelischen und antisemitischen Beispiele, wie die Ideologie von der „jüdischen Weltverschwörung“ und den Protokollen der Weisen von Zion, aneinanderreihen.

Offenkundig sollte der Film Antisemitismus in Norwegen, Schweden, Griechenland, Ungarn und Großbritannien untersuchen. Heraus kam eine Analyse von deutschem und französischem Antisemitismus, dabei hätte man ja durchaus auch norwegischen oder ungarischen (in Ungarn wurde offenbar gefilmt, so das MDR-Radio, aber nicht in den Film aufgenommen) und griechischen Israelhass untersuchen können, von anderen Formen des heutigen Antisemitismus nicht zu schweigen. Was die beiden Autoren bewog, einen anderen Weg zu gehen und primär den antizionistischen Antisemitismus zu untersuchen und das in zwei europäischen Ländern sowie den Palästinensergebieten, die offenbar aus ARTE und WDR-Sicht gerade nicht als empirische Basis dienen sollten, ist unklar.

Die Produktionsfirma von Schröder hat auch schon „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ gedreht. In dem von ARTE zensierten Film filmen sich die drei Filmemacher (darunter der Kameramann) auch selbst und zeigen sich in eher lächerlichen oder läppischen Posen im Flugzeug oder im Auto und als Teil des Teams von „Preview Productions“ (München) bzw. „Preview Enterprises“ (Ulm) wirkt auch die Hündin Wilma, die bereits bei Broders Safari mit dabei war und eine Hauptrolle spielte. Es sind solche Szenen oder die Promotion eines Hundes als Teil des „Teams“, die an der Seriosität der Filmemacher zweifeln lassen. Möglicherweise sollten sie aber auch in der Endfassung dieses Dokumentarfilms nicht zu sehen sein.

Der Kern jedoch, weshalb jede Redaktion, die einen gewissen historischen, politischen und intellektuellen Anspruch an sich hat, hellhörig werden sollte, sind folgende drei gravierende Fehler in dem Dokumentarfilm von Joachim Schröder und Sophie Hafner:

1) Das Christentum als die „Mutter allen Judenhasses“?

Gleich zu Beginn wird behauptet: „Die christliche Kultur ist die Mutter allen Judenhasses.“ Nun, dann hat wohl der Historiker Robert S. Wistrich (1945–2015) sein Hauptwerk „A Lethal Obsession“ von 2010 mit einem völlig falschen Untertitel versehen: „Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad.“ In dem Film wird ohne jedwede Differenzierung das Christentum an sich über Luther bis hin zum Evangelischen Kirchentag diffamiert und nicht etwa kritisiert.

Das ist eine Polemik und das wäre auch in einem anderen Rahmen ok, aber nicht in einem Dokumentarfilm. Denn das hat mit einer luziden Kritik am christlichen Antisemitismus rein gar nichts mehr zu tun. Die Plumpheit ist geradezu peinlich untermalt, indem ein gekreuzigter Jesus auf einem Holzkreuz, wie es an vielen Orten in Bayern und sonst wo in diesem Land herumsteht, als Beispiel für christlichen Judenhass herangezogen wird. Als ob es nicht endlich seit einigen Jahrzehnten sehr wohl eine innerchristliche Kritik am eigenen Judenhass geben würde.

Vor allem aber: der Judenhass ist keine Erfindung des Christentums, er ist älter. Schon die antiken Griechen waren teils ausgesprochen judenfeindlich, man denke an Apion oder Epiphanes.

Der Direktor des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, hat sich intensiv mit dem antiken Antisemitismus befasst, siehe seine Studie „Judenhass und Judenfurcht. Die Entstehung des Antisemitismus in der Antike“ (Berlin: Verlag der Weltreligionen, 2010). Für die Entwicklung des völkischen und zumal heidnischen deutschen Antisemitismus war es zumal seit Ende des 19. Jahrhunderts von erheblicher Bedeutung, die antiken Antisemiten wieder auszugraben und sich gerade nicht (nur) auf das judenfeindliche Christentum zu beziehen.

2) Deir Yassin, 1948

In dem Film wird postuliert, im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 seien keine Palästinenser im Rahmen der Vertreibungen getötet worden. Eine Lüge. Alleine das Massaker von Deir Yassin, bei dem am 9. April 1948 100-110 arabische Zivilisten von israelischen Einheiten ermordet wurden, wie der Historiker Benny Morris neben vielen anderen herausgearbeitet hat, steht dagegen.[i]

Dir Jassin (Deir Yassin) war ein Wendepunkt im Krieg, die Moral der Araber war vollends gebrochen. Es ist natürlich überlebenswichtig, dass Israel den Krieg gewonnen hat, da sich Israel im Gegensatz zu den Arabern nicht eine einzige militärische Niederlage leisten darf. Und natürlich sind „kleinere“ Massaker kein Genozid und schon gleich gar nicht ist die „Nakba“ mit der Shoah in einem Atemzug zu nennen, wie es Antisemiten zur Delegitimierung Israels seit Jahrzehnten tun. Aber ein Massaker oder die Ermordung von Zivilisten ist schrecklich genug und muss erwähnt werden.

Es ist völlig unangemessen, diese Verbrechen zu leugnen. Das schadet Israel. Sicher sind Israelfeinde erpicht darauf, Juden Verbrechen anzuhängen und viele machen antisemitische Vergleiche mit dem Nationalsozialismus und der Shoah. Das darf aber im Umkehrschluss nicht dazu führen, bekannte Verbrechen Israels zu leugnen.

Der Film konzediert, dass arabische Soldaten umkamen, bis zu 12.000, in Kampfhandlungen. Aber es geht an der Stelle im Film um die Vertreibung der Araber (neben dem selbst gewollten Auszug aus dem jüdischen Staat, wie er auch von arabischen Staaten und Führern gefordert wurde) und in diesem Kontext muss ein Massaker an Zivilisten erwähnt werden und Deir Yassin war ja nicht das einzige Verbrechen seiner Art.

Nochmal: das war kein Genozid, wie die palästinensische und andere antiisraelische und Holocaust verharmlosende Propaganda bis heute behauptet – aber es waren Verbrechen und viele Israelis sind darauf nicht stolz. Der damalige Palmachkämpfer Karl Pfeifer schreibt in seinen Erinnerungen („Einmal Palästina und Zurück“, Edition Critic, 2015) über Dir Jassin (Deir Yassin) und über den Schock, den er und seine Einheit darüber hatten, während sich andere zionistische Gruppen mit dem Angriff rühmten.

Ein viel bessere Vorlage für die BDS-Bewegung und andere Antisemiten könnte dieser Film an dieser Stelle kaum sein: er leugnet Massaker an Palästinensern während des israelischen Unabhängigkeitskrieges. Das stützt die Propaganda der Gegenseite, dass Israel die Wahrheit unterdrücke. Die Wahrheit ist: es gab Massaker an Palästinensern, aber die waren völlig offenkundig kein Völkermord und nicht ansatzweise mit der Shoah zu vergleichen, wie es „Nakba“-Propagandisten tun.

Erst vor wenigen Tagen zeigte ARTE einen Film von 2015, „Zensierte Stimmen“ der jungen israelischen Filmemacherin Mor Loushy, der auf Filmaufnahmen von Avraham Shapira und Amos Oz basiert, die sie wenige Tage nach dem Sechstagekrieg im Juni 1967 machten. Sie interviewten damals hunderte Kameraden der IDF. Darin zeigen sich viele junge israelische Soldaten sehr selbstkritisch.

Erst 50 Jahre nach dem Krieg werden diese Dokumente nun bekannt. Dabei waren sich die israelischen Soldaten der Notwendigkeit ihres Krieges sehr wohl bewusst. Der Judenhass wie der antizionistische Antisemitismus der arabischen Welt waren lebensgefährlich und Israel hat zu Recht präventiv die arabischen Armeen Ägyptens, Syriens und Jordaniens ausgeschaltet.

Doch die Soldaten sind eben auch sehr selbstkritisch und erwähnen ein Massaker an 15 arabischen Kriegsgefangenen, die von Frauen, Alten und Kindern getrennt und einfach erschossen wurden. Das alles spricht für eine große Verzweiflung dieser jungen Zionisten, die den Krieg verabscheuen und, nochmal, sich zugleich über die Notwendigkeit des Kampfes gegen die arabischen Staaten bewusst waren. Aber dazu gehörten keine willkürlichen Ermordungen. Einige der damaligen Soldaten sind heute alte, desillusionierte zionistische Männer.

Der Film von J. Schröder und S. Hafner kann durchaus das Vertrauen in die Israelis untergraben, das manche Palästinenser sehr wohl haben mögen, wenn solche historischen Tatsachen von 1948 (oder 1967) gerade hier und heute, 50 Jahre nach dem Sechstagekrieg und nach 50 Jahren Besatzung nicht benannt werden.

3) Die Besatzung

Die Besatzung des Westjordanlandes wird insofern in blühenden Farben gezeichnet, als dort in einer Fabrik für Plastikprodukte in der Siedlung Ariel auch Palästinenser arbeiten, die gar glücklich sind und 9000 Schekel verdienen würden. Nun könnte man das als Argument gegen die antisemitische BDS-Bewegung verstehen, die Israel boykottiert und eine zentrale Rolle in dem Film spielt. Aber warum werden dann nicht auch pro-israelische Kritiker*innen der Besatzung interviewt?

Warum wird nicht im Ansatz seriös journalistisch recherchiert, ohne gleichwohl Judenhass als verhandelbar darzustellen? Die enormen antidemokratischen und rassistischen Tendenzen und Aktionen in Israel in den letzten Jahren werden einfach ignoriert oder affirmiert. Wer weiß, wie es teilweise in Israel im Diskurs über Araber zugeht, welche Schikanen es an den Checkpoints gibt oder wie es im palästinensischen Hebron mit einigen jüdischen Siedlern, die massivst geschützt werden müssen und selber gerne provozieren bzw. Araber demütigen, zugeht – ohne den palästinensischen Judenhass, des es auch massiv gibt, zu leugnen -, kann nicht einfach alles Übel des Konflikts auf die Palästinenser und die Muslime schieben.

Diese Affirmation des Besatzung wird dadurch drastisch untermauert, dass der Journalist Tuvia Tenenbom die israelische, gegen die Besatzung des Westjordanlandes und gegen israelische Menschenrechtsverletzungen, aber gerade deshalb auch zionistische NGO B’tselem als antisemitisch diffamieren kann, weil diese NGO Fehler gemacht hat und vor Jahren einen antisemitischen Palästinenser beschäftigte. Es wird gar nicht gesagt, dass die NGO sich selbst von diesem antisemitischen Mitarbeiter distanziert hat.

Aus diesem Vorfall die ganze NGO, die 1989 von Zionisten wie Amos Oz gegründet wurde und Oz noch 2016 einen aktuellen Spendenaufruf auf der Homepage der Gruppe platziert, als antiisraelisch oder antisemitisch zu bezeichnen, ist völlig unwissenschaftlich, falsch und politisch sehr problematisch. Der Film macht sich nicht einmal die Mühe, die NGO selbst zu befragen oder Forscher zu befragen, die z.B. aus linkszionistischer Perspektive und nicht nur rechtszionistischer, wie im Film, die Thematik beleuchten. Israel hat unendlich mehr Stimmen zu bieten, als dieser Film andeutet. Der Film schadet dem Ansehen Israels, weil er Selbstkritik a priori eskamotiert. Und Amos Oz übt Selbstkritik an Israel, 1967 wie heute, aus einer zionistischen Position heraus. Und Amos Oz steht für B’tselem.

Schließlich wird ganz offenkundig, dass der Springer-Konzern eine antilinke und eine gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen gerichtete Agenda fährt und der Film bedient das auf perfide Weise. So werden marginale linke antisemitische Gruppen, wie erwähnt, aufgeführt und die Linke an und für sich als antisemitisch dargestellt. Und selbst die Erwähnung der Kritischen Theorie verpasst es, die enormen inneren Kämpfe eines Max Horkheimer anzudeuten, den Zionismus zu akzeptieren. Die Kritische Theorie war, unterm Strich, pro-israelisch, aber das Verhältnis zum Zionismus, grade bei Horkheimer, ist um ein Vielfaches gebrochener.

***

Der Film von J. Schröder und S. Hafner ist ein Film gegen Antisemitismus, Verschwörungsideologien, Islamismus und die antijüdische Indoktrination von kleinen Kindern im Jihad-Fernsehen von Hamas und anderen. Es ist pro-israelischer Film, das ist sehr gut.

Aber er ist ein pro-israelischer Propagandafilm und das ist sehr schlecht.

Er regt nicht zum Nachdenken und Selberdenken an, sondern präsentiert eine fertige Meinung. Diese Meinung hat Recht, wenn es um Antisemiten wie Ken Jebsen oder Verschwörungsanhänger*innen geht etc., aber sie ist völlig im Unrecht, wenn sie ohne jede Differenzierung israelische (!) NGOs, die ihr Land verbessern und den jüdischen und demokratischen Staat Israel retten wollen, als antisemitisch disqualifizieren.

Der Journalist Arno Frank, der noch vor wenigen Tagen auf SpiegelOnline eine Ode auf den Musiker Roger Waters publizierte und durch die Dokumentation nun hoffentlich auch weiß, wie antisemitisch und gerade nicht „humanistisch“ Waters drauf ist, schreibt gleichwohl begründet über den Film:

„Es ist von keinem richtigen Journalisten zu verlangen, über gezielten Hass und traditionelle Dummheit ‚ausgewogen‘ zu berichten. Er sollte dann aber nicht fahrlässig Lücken lassen, durch die der Zweifel einsickern kann. Was stimmt, das muss auch sitzen. Seine Unschärfen sind es, mit denen der Film im Eifer des Gefechts seine eigene Haltung schwächt. Deshalb ist es kein Verdienst, dass diese Dokumentation nun über Umwege doch gezeigt wurde. Mit ein wenig mehr Arbeit hätte sie wesentlich mehr Wucht entfalten können.

In ihrem gegenwärtigen Zustand ist sie nur etwas, das man im Internet sehen, das man glauben kann oder auch nicht. Und das ist schlimm.“

Wenn man in einer Diskussionsveranstaltung über Antisemitismus in Norwegen gefragt wird und antwortet, wie antisemitisch es in den Vororten oder Banlieus in Frankreich zugeht, ist das Thema verfehlt. Das macht die elende Situation in Frankreich nicht besser, aber man erfährt nicht, wie es um den Antisemitismus in Norwegen steht, was nun mal die Frage war.

Es ist sehr bedeutsam, im Fernsehen Antisemitismus zu analysieren und zu kritisieren, ja gerade den antizionistischen Antisemitismus zum Thema zu machen.

Ein Grundfehler des Films liegt aber in der Reise nach Israel und die Palästinensergebiete. Damit wird suggeriert, das Verhalten von Juden, ob nun gut oder böse, habe mit europäischem Antisemitismus etwas zu tun. Man muss aber nicht nach Israel fahren um in Europa lebende antisemitische Querfrontler, Neonazis, Linke, Muslime, Araber oder Palästinenser zu untersuchen.

Wenn man jedoch den arabisch-israelischen Konflikt – das ist ein Thema, das über den Komplex Antisemitismus hinaus reicht – beleuchten will, dann muss man eben auch zionistische Kritiker*innen an Israels Politik, den Kriegen wie der Besatzung interviewen. Doch das macht der Film nicht.

Eine weitere ganz erhebliche Schwäche des Films ist es, dass Antisemitismus fast nur als antizionistischer analysiert wird, inklusive dem antisemitischen Verschwörungsdenken. Was völlig fehlt, ist der Schuldabwehrantisemitismus, der postkolonial („Von Windhuk nach Auschwitz“) oder antibritisch sowie antikommunistisch und Holocaust verharmlosend („Dresden“, „Roter Holocaust“, Joachim Gauck, Prager Deklaration) strukturiert ist.

Jede Redaktion wäre gut beraten, es sich zweimal zu überlegen, diesen offenkundig noch nicht zu Ende geschnittenen Film (mitunter fehlen Untertitel zu arabischen TV-Sendungen oder es wird nicht erwähnt, warum das Gesicht einer deutschen Anti-Israel-Aktivistin gepixelt wird, das von vermutlich weit gefährdeteren Anti-Hamas-Palästinenser*innen in Gaza hingegen nicht) im Fernsehen zu zeigen. Auf vielen Ebenen werden Qualitätsstandards, wie man sie von einem professionellen Film bei einem so hochsensiblen Thema erwarten darf, unterlaufen.

Eine Kritik des ehemaligen israelischen Botschafters in Deutschland, Shimon Stein und des israelischen Historikers Moshe Zimmermann in der ZEIT vom 1. Juni 2017 an der Definition von heutigem Antisemitismus macht deutlich, um was es sehr wohl auch gehen muss:

„Nach dem Bericht des Expertenausschusses [Bericht des zweiten Unabhängigen Expertenausschusses Antisemitismus] gehört unter anderem die Zustimmung zu dem Satz ‚Es ist ungerecht, dass Israel den Palästinensern Land wegnimmt‘ zur antisemitischen Israelkritik. So gesehen sind sogar friedensbewegte Israelis ‚antisemitische Israelkritiker‘. Das ist absurd. Israelbezogene Kritik ist erst dann antisemitisch, wenn nicht die Regierungspolitik, sondern das Existenzrecht des Staates Israel infrage gestellt wird. (…) Wer ‚Antisemitismus‘ ruft, wo keiner ist, der schadet dem Kampf gegen Antisemitismus.“

Nun werden im Film, den ARTE und der WDR nicht zeigen wollen, sehr wohl hardcore antisemitische Beispiele gebracht, sehr viele sogar.

Der Fehler ist jedoch, implizit jedwede Kritik an Israel wie Verbrechen während des israelischen Unabhängigkeitskrieges oder des Sechstagekrieges zu entwirklichen, sie zu leugnen. Das spiegelt die vielfältige Diskussionskultur in Israel gerade nicht wider. Abgesehen davon, noch einmal, muss man gar nicht nach Israel fahren um neonazistischen, islamistischen oder linken Antisemitismus in Europa zu decodieren und zu attackieren.

Die Filmemacher und die Fanszene scheinen gar nicht zu merken, wie dieser Film Israel schaden wird. Wer Massaker von 1948 (oder 1967) leugnet, die Besatzung in den höchsten Tönen lobt (sie bringt doch Arbeitsplätze, hey!) und linkszionistische NGOs wie B‘Tselem, die vom bekanntesten israelischen Schriftsteller, Amos Oz, unterstützt werden, in die antisemitische Ecke rückt und keinen Hauch von Selbstkritik im arabisch-israelischen Konflikt erkennen lässt, beschädigt das Vertrauen in den israelischen Friedenswillen von Seiten jener moderaten palästinensischen Kräften, die es gibt.

Dabei hätte das  Verhalten Israels, wie gesagt, in einem Film, der sich gegen europäische Antisemiten wendet, gar nichts zu suchen – doch der Film macht diese Fässer auf, der Film möchte jede Aktion Israels rechtfertigen und gibt damit jenen Hetzern Vorschub, die immer behaupten, das Pro-Israel-Lager würde Fakten nicht anerkennen. Ja, in diesem Fall stimmt das eben, wer auf diese Weise über 1948 berichtet, und das ganz gezielt und mit dem Ton des Besserwissenden, schadet Israel, da andere israelische Stimmen, die über 1948 (und 1967) seriös und differenziert berichten, gar nicht erst befragt werden.

Die selbst ernannte oder sich so fühlende Pro-Israel-Szene preist den Springer-Verlag nun an, wie mutig er sei, den Film ohne rechtliche Grundlage online gestellt zu haben.

Eine scharfe und fundierte Kritik am Antisemitismus muss jedoch anders vorgehen als dieser Dokumentarfilm.

 

[i] Benny Morris (2005): The Historiography of Deir Yassin, Journal of Israeli History, 24:1, 79–107.

©ClemensHeni

Die FAZ, der Antisemitismus und die neue deutsche Ideologie: mit linken Juden reden wir nicht! Linkszionismus? Pfui bäbbä!

Von Dr. phil. Clemens Heni, 31. Mai 2017

Deutschland wieder gut zu machen ist das Hauptmovens jeder Zeitung für Deutschland und namentlich der Zeitung für Deutschland, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Diesen Job übernahm in den 1970er Jahren deren Feuilletonchef Günther Rühle, der unter anderem mit dem Vordenker der rechtsextremen Neuen Rechten, Henning Eichberg, kooperierte und in einem affirmativen Band zum Nazi »Thingspiel« als Autor auftauchte.

Später war Rühle es, Intendant der Städtischen Bühnen in Frankfurt, der um 1985 herum womöglich das »Ende der Schonzeit« für Juden gekommen sah, was man so aber nicht schreiben durfte, wie der damals noch kritische Journalist Henryk M. Broder erfuhr.[i]

Heute sieht Broder die Schonfrist für Kritiker des Rechtsextremismus (die es nie gab) für beendet an, wenn er einer Kritikerin der völkischen AfD-Familienpolitik wie Käßmann (deren teils grotesken Entwirklichungen der jihadistischen Gefahr auf einem anderen Blatt stehen) selbst eine Art Nazismus, ja eine Art umgekehrten Arierparagraphen vorwirft und Fakten absichtlich verdreht.

Und dann kommt so ein Text in der FAZ von Anna Prizkau vom 30. Mai 2017 daher, der mit seiner Perfidie, dem Kokettieren, Brandt wollte womöglich nur die toten Juden erinnern (um von den lebenden zu schweigen), historischen Ahnungslosigkeit, extrem rechter Agitation gegen die Linke insgesamt und intellektueller Anspruchslosigkeit in den heutigen Zeitgeist passt.

Die FAZ schreibt:

»Willy Brandt kniet. Das ist auch SPD. Vielleicht das Jetzt-Gegenteil. Sicher riskant. Denn es geht um die Ostpolitik, Brandt kniet im judenfeindlichen Osten.

Zwei Jahre zuvor hat die polnische Führung eine antisemitische Megakampagne gefeiert, nach den März-Unruhen musste sie Schuldige zeigen, Juden natürlich. Denn Kommunisten benutzten, um alle möglichen, unmöglichen Probleme zu lösen, Antisemitismus politisch.«

Riskant sei es gewesen, weil Polen antisemitisch war – nicht etwa weil Nazis und Neonazis und die breite Mitte der Gesellschaft in der BRD antisemitisch waren.

Nun gab es in der BRD im Jahr 1970 unendlich mehr ehemalige NSDAP-, SA-, SS- und BDM-Mitglieder wie auch ehemaligen Polizeibataillonsmitglieder (auch Ex-SPDler oder ganz normale deutsche Arbeiter darunter), und somit Antisemiten, als in Polen, dessen widerlicher, sowjetisch gesteuerter Antizionismus damit kein bißchen milder ausschaut.

Aber wenn eine Zeitung für Deutschland 2017 fantasiert, 1970 sei vor allem der Osten judenfeindlich gewesen, der böse »Kommunismus«, dann ist das ein Geschichtsrevisionismus wie ihn Ernst Nolte nicht treffender hätte formulieren können.

Wie war denn das Klima um 1970 herum in der Bundesrepublik Deutschland?

Sehr aussagekräftig ist ein Leserbrief eines alten ›Kameraden‹ in einer Provinzzeitung. Der SPIEGEL berichtete:

»Nachdem der Oberndorfer Schwarzwälder Bote den Berliner SDS-Ideologen Rudi Dutschke und seine Anhänger in einem Artikel als ›linke SA‹ bezeichnet hatte, protestierte Hugo Gleiter aus Horb (am Neckar) in einem Leserbrief gegen diesen Vergleich: ›Als ehemaliger alter SA-Führer verwahre ich mich schärfstens im Namen meiner Kameraden gegen Ihren Artikel Linke SA im Schwarzwälder Boten. Wir weisen es zurück, mit den Teufels, Dutschkes und anderen ungewaschenen, verkommenen LSD-Schluckern in einen Topf geworfen zu werden. Die SA war der Aufstand der Anständigen gegen den damals auf allen Gebieten zutage getretenen Zerfall. Während die frommen Bürger zu träge und zu feige waren, hat die SA allein den Kampf gegen Verseuchung und Dekadenz aufgenommen. Diese schlichten Dinge werden total verdreht und vernebelt«.

Das spiegelt das Klima von 1968 trefflich wider. Die antisemitische Purifikationsideologie brüllt aus jedem Satz.

Noch 1968 sahen sich allzu viele – nicht nur diejenigen in Baden-Württemberg, welche am 28.04.1968 der NPD 9,8% bescherten – in jenem Kampf gegen die ›Ungewaschenen‹ und ›Verseuchten‹, ja ›Dekadenten‹. 2016 wählten 15,1% in Baden-Württemberg die AfD. Einer der bekanntesten antisemitischen Autoren in der AfD, Wolfgang Gedeon, kommt aus dem Ländle, für ihn ist der Holocaustleugner Horst Mahler ein ehrbarer „Dissident“.

Der Antisemitismus der Neuen Rechten tritt schon immer auch als Antizionismus in Erscheinung. 1973, zur Zeit der Ölkrise, steht in einem Flugblatt der »Nationalrevolutionären Basisgruppe Bremen/Bremerhaven«:

»Weshalb dürfen wir bald Sonntags nicht mehr Auto fahren?

(…) weil die US-Kolonialverwaltung Brandt (…) und die mit ihr verbrüderte internationale Hochfinanz ein Volk das sich auf arabischem Boden breitgemacht hat, mit Geld vollstopft. Mit dem Geld, das das Großkapital aus uns heraussaugt und (…) die Regierung per Steuer aus den Taschen zieht und von dem der Staat Israel finanziert wird. (…) Wie können wir etwas dagegen tun? (…) Durch  den Kampf gegen die amerikanische und russische Fremdherrschaft und für die Neuschaffung Deutschlands! Solidarität mit dem arabischen Volk (…) Neue Kräfte sind im Aufbruch. Sorgen wir dafür, daß das Bonzen- und Kapitalistengeschmeiß, gleich welcher Coleur, wieder aus Deutschland und Europa verschwindet! Schmeißt sie raus!«

Anfang der 1970er Jahre engagierte sich Henning Eichberg (1942–2017) im Umfeld der AKTION WIDERSTAND, deren Aktivitäten gegen die Ostpolitik der Brandt-Regierung gerichtet und unter dem Motto »Brandt an die Wand« mit Hilfe der NPD in neonazistischen Kreisen beliebt waren.

Heutzutage agitiert nun die FAZ gegen die SPD, benutzt vordergründig eine Kritik am Antisemitismus um es den Sozis so richtig zu zeigen.

Da werden Treffen mit Oppositionellen, mit Linkszionisten wohlgemerkt, zu antisemitischen Vorgängen herbei fabuliert. Dass es grundfalsch ist, das Wort „Apartheid“ zu verwenden, das manche Linkszionisten in all ihrer Verzweiflung und ihrer Sorge (!) um den jüdischen Staat Israel benutzen, aber außerhalb Israels als Delegitimierung Israels und als Trivialisierung Südafrikas wahrgenommen wird (und es auch ist), ist das eine – denn knallharte Antizionisten verwenden das Wort ja auch und andere Antisemiten sind erpicht darauf, es zu hören.

Politiker, die sich für den jüdischen Staat einsetzen, der Seite an Seite mit einem zu gründenden palästinensischen den arabisch-israelischen Konflikt wenn nicht beenden (dafür sind der muslimische wie arabische Antisemitismus viel zu obsessiv), so doch enorm abmildern würde, wie der ehemaligen US-Außenminister John Kerry, Außenminister Sigmar Gabriel oder Bundespräsident Frank Walter Steinmeier werden diffamiert.

Die beiden letzteren werden von der FAZ attackiert, der eine träfe sich mit Israelfeinden, die angeblich die eigene Armee sowohl grundlos wie auch ganz generell diffamieren würden, der andere besuche Grabstätten von Terroristen wie Arafat – was eine FAZ-Autorin sicher nie tun würde und niemals traf sich ein Konservativer oder FAZ-Abonnent mit Antisemiten; und niemals würden die FAZ und ihr Personal Gräber von Antisemiten besuchen, nicht mal Traueranzeigen für Ex-Wehrmachtssoldaten oder andere deutsche Verbrecher der Zeit 1933–1945 schalten. Niemals.

Mehr noch: der Text der FAZ wurde massenhaft von so genannten „Israelfreunden“ in den sozialen Medien verlinkt und angepriesen. Es geht ja um linken Antisemitismus, ja um den Bundespräsidenten. Wie brüllend ruhig war es, ja wie volksgemeinschaftlich geschlossen stand hingegen ganz Doitschland hinter Joachim Gauck, der auf vielfältige Weise den Holocaust trivialisierte und nicht zuletzt via Prager Deklaration Rot und Braun gleichsetzt.

Es mag hochgradig naiv und sehr gefährlich sein, einen Deal mit dem islamistischen Regime in Teheran auszuhandeln. Doch die Reaktionen auf den für Juden nicht weniger gefährlichen enormen Militärdeal Trumps mit den säbelrasselnden und Oppositionelle öffentlich auspeitschenden (Raif Badawi) Islamisten in Riad zeigt, dass es der deutschen Israelszene gar nicht um Juden und Israel geht, sondern um sich selbst. Nur hier lebende Aktivist*innen oder Journalist*innen wissen, was gut ist für Juden.

Ein Spiegel Online Kolumnist brachte es bezüglich Sigmar Gabriel ganz ehrlich auf den Punkt: „U-Boote liefern, Klappe halten“.

Mit Juden redet man nicht, das ist die Tonlage. Denn Gabriel wollte ja mit oppositionellen Juden reden. Das geht gar nicht. Linkszionismus – never! Israel ist eine Demokratie, aber eben seit 1967 auch eine Besatzungsmacht. Das möchten viele gerne vergessen und die Schuld am Nahostkonflikt nur und ausschließlich den Palästinensern und Arabern zuschieben. Das ist einfach, da die genügend Anlass dazu bieten. Aber es ist vor allem billig und falsch. Es ignoriert die israelischen Stimmen, die für den jüdischen Staat und gegen die Besatzung sind. Ja, gerade die linken Zionisten sind häufig gegen die Besatzung, weil sie das Projekt eines jüdischen Staates in Gefahr sehen. Das ist der deutschen, selbst ernannten Israelszene so was von völlig egal!

Der Text der FAZ, der der SPD Antisemitismus unterstellt, macht sich gar nicht die Mühe zu zeigen, was die israelische NGO Breaking the Silence möchte und was sie vertritt.

Dass dort ehemalige IDF-Soldat*innen aktiv sind, die keineswegs die ganze Armee, also sich selbst, diffamieren, sondern Menschenrechtsverletzungen der eigenen Armee an Palästinensern in den besetzten Gebieten gerade deshalb skandalisieren, um den jüdischen Staat Israel zu schützen und nicht um ihn zu zerstören, wird ganz gezielt nicht thematisiert.

Es wird deutlich, dass das Gerede von Israel als „einziger Demokratie im Nahen Osten“ gar nicht so gemeint ist, denn sobald sich das Land als Demokratie zeigt, wird es ignoriert oder die demokratische Opposition beschimpft.

Dass Linkszionist*innen im Zweifel den jüdischen Staat nicht nur vor Netanyahu, sondern der noch viel extremeren Rechten schützen möchten, davon wollen die selbst ernannten Israelfreunde nichts hören.

Viel einfacher ist es doch, Geschichte umzuschreiben. Das kann die FAZ, man denke nur an die Publikation von Ernst Nolte vom 6. Juni 1986, „Vergangenheit, die nicht vergehen will“, die Leugnung der Präzedenzlosigkeit der Shoah, die Analogisierung von Rot und Braun und den Beginn des Historikerstreits.

Das ist deshalb relevant zu erinnern, weil dieser aktuelle FAZ-Text ja gezielt Willy Brandt anführt und dessen Kniefall in Warschau vom Dezember 1970 auf perfideste Weise verzerrt und so darstellt, als sei es Brandt womöglich nur um die toten Juden und nicht die lebenden gegangen:

»Was das alles mit Willy Brandt zu tun hat? Nichts, kann der aufmerksame Israelkritiker sagen, und dann: Brandts Kniefall galt den toten Juden Europas.«

Dabei war 1970 in der BRD die Existenz von Nazis in allen möglichen Ämtern Alltag, so gut wie jede Nachbarin hatte auf dem Kaminsims oder dem Wohnzimmerschrank ein Bild vom gefallenen Bruder oder Ehemann stehen, mit gut sichtbarem Hakenkreuz oder SS-Rune, wie die Autorin Esther Dischereit einmal festhielt.

Heutiger sozialdemokratischer Antisemitismus ist in der Tat ein Thema, man denke an Franz Münteferings „Anti-Heuschrecken“-Anti-Finanzkapital-Ideologie von 2005, an antizionistische Rezensionen in dem SPD-Theorieorgan »Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte« (NGFH) eines Rudolf Walther von 2007 oder Thilo Sarrazins Bemerkungen über jüdische Gene und jüdische Intelligenz.

Brandts Geste hat den Überlebenden womöglich viel mehr bedeutet als jede andere Aktivität eines deutschen Bundeskanzlers oder einer Bundeskanzlerin in der Bundesrepublik bis heute. Das nun so perfide umzudrehen – und mit dieser Umdrehung kokettiert der FAZ-Artikel –, dass Brandt ja eben für die Erinnerung an die toten Juden stehe, die es angesichts von unzähligen Nazis in der BRD gar nicht gab, und die lebenden Juden, Israel, nicht Thema gewesen seien, zeigt die Obsession nicht nur der FAZ, sondern weitester Teile der sog. „Israelszene“, es der Linken mal so richtig zu zeigen. Gerade die FAZ oder die Rechte, die extreme Rechte mithin, seien gegen Antisemitismus. Da lacht die Identitäre Bewegung und deren Vordenker Götz Kubitschek landet einen PR-Coup mit dem jüdischen Bestsellerautoren Tuvia Tenenbom in völkisch-ländlicher Idylle mit Ziegen im südlichen Sachsen-Anhalt.

Dass nun das Blatt des „Don Alphonso“, der die Amadeu Antonio Stiftung diffamiert und die identitären Neonazis scharf machte (oder vice versa), gegen die SPD agitiert, ohne zwischen einem Antizionismus, den es ja in der SPD wie jeder anderen Partei gibt, und einer linkszionistischen, immanenten Kritik an Israel zu differenzieren, ist nicht verwunderlich.

Die ganze Hilflosigkeit und Erbärmlichkeit des Diskurses über Israel zeigt sich ebenso in einem Gespräch in der linken Monatszeitschrift Konkret mit dem Blogger Alex Feuerherdt, der nicht einen Satz zur Notwendigkeit des Linkszionismus und der scharfen Attacke auf die aktuelle Regierung fertig bringt. So ein Gespräch hätte auch in der FAZ stehen können, der Erkenntnisgewinn ist gleich Null und die Ideologie die gleiche: mit linken Juden, die zionistisch aber radikal gegen die Siedlungspolitik sind, gerade weil sie Zionisten sind, redet man nicht und nimmt deren Stimmen nicht wahr. Wer es tut, wie Gabriel, ist ein Antisemit, mehr oder weniger, so tönt es.

Dabei geht es gar nicht nur um die beiden NGOs, die Gabriel traf, die teils in der Tat widerliches Personal haben, inklusive palästinensischen Antisemiten.

Es geht um die Tonlage und sehr scharfe Tonlage, die auch ein Ehud Barak anschlägt, doch dessen Kritik an der extremen Rechten wird hier von so gut wie niemand auch nur gelesen, geschweige denn rezipiert und bekannt gemacht. Und sicher denken viele Blogger und Aktivist*innen, wie auch die FAZ, dass nur sie die wahren Zionisten sind, und nicht etwa Ehud Barak. Was weiß der schon, werden die tuscheln … Dass Barak sehr wohl die israelische Regierung in der Verantwortung sieht, aktiv für den Friedensprozess sich einzusetzen und nicht immer nur die Leier von den allein verantwortlichen Palästinensern anstimmt, wird hier ignoriert.

Es gibt genug wirkliche Antisemiten, von iranischen Politikern, saudischen Predigern, deutsch-türkischen Facebookusern 2010 (Mavi Marmara) oder Linksparteipolitiker*innen hin zu AfD- und Pegida-Stolzdeutschen, die wieder »völkisch« sein wollen.

Der Kern ist hier und heute das Ignorieren der Linken in Israel. Der Linkszionismus oder alle, die nicht auf der extrem rechten Welle von Netanyahu mitschwimmen, werden als Feind stilisiert – bar jeder Realität, so als ob ein scharfer Kritiker der Besatzungspolitik Israels seit 1967 wie der ehemalige Ministerpräsident und höchst dekorierte IDF-General Ehud Barak in der israelischen Tageszeitung Haaretz am 13. Mai 2017 die Intention hätte, den Zionismus zu zerstören. Das Gegenteil ist der Fall. Er will den Zionismus und den jüdischen (!) Staat Israel retten.

Das Problem für die selbst ernannten rechten Israelfreunde sind natürlich linke zionistische Juden, die nämlich die Rechten hier wie da bekämpfen.

Jene, die auf eine binationale Einstaatenlösung hinarbeiten sind jedoch vielmehr Netanyahu und die extreme Rechte in Israel wie auch die antisemitischen Linken weltweit, die BDS-Bewegung und jener Teil der Jihadistischen Internationale, der die Juden erst nach der Einstaatenlösung ermorden möchte.

Wer mit Israelis nicht reden möchte, könnte auch von antijüdischen Motiven getrieben sein. Mehr noch: wer Israel nur Waffen liefern möchte, sich aber überhaupt nicht um den demokratischen und zionistischen Charakter des Landes, die beide in Frage stehen, kümmert, hat vielleicht gar kein wirkliches Interesse am Überleben des Judenstaates, sondern tut nur so.

Die philosemitischen Antisemiten der Rechten, die auf Israeldemos mit Israelfähnchen und deutscher Fahne am Revers antreten, schlagen sich ob dieses FAZ-Textes auf die Schenkel.

Früher einte die Vorfreude aufs Pogrom die deutsche Seele.

Heute ist bei manchen Linken (oder Ex-Linken) und Rechten die Israelfahne zu einem Fetisch und zur Gewissheit geworden, nur Waffen zu liefern, aber nicht mit Juden, Linkszionisten in Israel gar – Gott-steh-uns-bei –, reden zu müssen. Das ist deutsche Ideologie 2017.

 

 

[i] „Schon im Sommer dieses Jahres hatte das Landgericht Frankfurt auf seinen Antrag dem in Israel lebenden, deutsch-jüdischen Journalisten und Schriftsteller Henryk M. Broder per einstweiliger Verfügung untersagt, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, Günther Rühle habe im Hinblick auf seine – vor Jahresfrist getroffene und jetzt widerrufene – Entscheidung für die Aufführung des Stückes ‚Die Stadt, der Müll und der Tod‘ im Zusammenhang mit den Juden in Deutschland gesagt, das ‚Ende der Schonzeit‘ sei ‚erreicht‘. Broder hatte dies erstmals in einem von der Süddeutschen Zeitung im Januar 1986 gedruckten Artikel unter der Überschrift ‚Antisemitismus – ja bitte!‘ behauptet und das Zitat später in sein Buch ‚Der ewige Antisemit‘ aufgenommen, das im Mai im Fischer-Taschenbuch-Verlag erschien.“

©ClemensHeni

Freiheit für Deniz Yücel! Jetzt sofort! Power durch die Mauer, bis sie bricht!

Von Dr. phil. Clemens Heni, 5. Mai 2017

Hi Deniz!

67 Tage Einzelhaft in einem türkischen Gefängnis und keine Aussicht auf baldige Freilassung. Das kann einfach nicht wahr sein.

Viele von uns kriegen doch schon die Krise, wenn sie in der U-Bahn mal 30 Minuten kein WLAN oder keinen sonstigen mobilen Empfang für ihr Smartphone haben, andere lamentieren über das schlechte Wetter im Frühling (wobei ich das Lamento eines Kirschbaumes ja noch verstehen könnte) oder drehen ob Gabriels allzu demokratischer Einforderung von Gesprächen mit Regierungsgegnern fast durch – „U-Boote liefern und Klappe halten“, wie es der philosemitische Antisemitismus, dem zwar sozialdemokratische Holocaustverharmlosung völlig zurecht noch auffällt, dem aber Juden und ihr konkretes Leben wie auch Presse- und Meinungsfreiheit im jüdischen Staat Israel so was von am Arsch vorbeigehen, formuliert.

Doch die allermeisten sind vielmehr glücklich, weil sie in jedem Laden, in jedem einzelnen Geschäft der 64+ Einkaufszentren in Berlin zu jeder Zeit Max Giesinger hören können. Alle wollen nur tanzen, tanzen, tanzen, vergessen, affirmieren, dabei sein („einer von 80 Millionen“, wie die Schlagervolksgemeinschaft grölt), eben „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“. Insofern sei froh, dass du kein deutsches Radio hören musst und als Knasti nicht in Versuchung gerätst, völlig schutzlos deutschem Schlager in Einkaufsparadiesen ausgeliefert zu sein.

Die Entpolitisierung, Volkstümlichkeit, Verkitschung und superkapitalistische Selbstvermarktung sind das Kennzeichen (schon immer, aber seit Jahren völlig ohne Dissonanzen) nicht nur von Mainstream-Musik, sondern indizieren das Lebensgefühl einer ganzen Generation.

Einen Knastalltag kann man sich nicht vorstellen, wenn man ihn noch nicht erlebt hat, Einzelhaft noch viel weniger.

In den 1990er Jahren schrien wir immer: „Power durch die Mauer, bis sie bricht“ und wollten den Abschiebehäftlingen unsere Solidarität ausdrücken. Jihad und Islamismus waren damals gar kein Thema, dafür war die autonome Szene viel zu selbstverliebt (und fast alle sind es weiterhin), was den Kampf gegen den rassistischen Alltag und die Abschaffung bzw. Einschränkung des Asylrechts damals nicht weniger wichtig macht.

Ich bin sicher nicht der einzige, der deinen coolen, scharfen und natürlich alles anders als pro-deutschen Journalismus vermisst. Du, lieber Deniz, hattest damals, im Februar 2012, den besten Text zu Joachim Gauck geschrieben:

Freilich hat sich Gauck nicht erst nach seiner Wahlniederlage im Sommer 2010 ideologisch zwischen Martin Walser, Erika Steinbach und Stefan Effenberg verortet. Ein reaktionärer Stinkstiefel war er schon vorher. So mag der elfte Bundespräsident keine Stadtviertel mit ‚allzu vielen Zugewanderten und allzu wenigen Altdeutschen‘, will das ’normale Gefühl‘ des Stolzes aufs deutsche Vaterland ’nicht den Bekloppten‘ überlassen, missbilligt es, ‚wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird‘, besteht darauf, dass der Kommunismus ‚mit ausdrücklichem Bezug auf die DDR als ebenso totalitär eingestuft werden muss wie der Nationalsozialismus‘, trägt es den SED-Kommunisten nach, das ‚Unrecht‘ der Vertreibung ‚zementiert‘ zu haben, indem ’sie die Oder-Neiße-Grenze als neue deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannten‘, und fragt – nicht ohne die Antwort zu kennen –, ‚ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu beitragen, uns erschlaffen zu lassen‘.  Einem Apparatschik wie Wulff hätte man es nicht durchgehen las-sen, Leichenberge mit Aktenbergen zu verwechseln oder alleinerziehenden Stützeempfängerinnen mangelnden Schwung vorzuhalten.

Daraus wird klar, dass dein Anheuern bei Springer sicher nicht auf ideologiekritischen Übereinstimmungen basiert, gell 😉

Die Pressefreiheit in Germany ist natürlich die beste, wo gibt – nehmen wir Jürgen Trittins Reaktion auf deine Kritik an Gauck. Die deutschen Zustände zeichnen sich dadurch aus, dass er, damaliger Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, am 24. Februar 2012 in der TV-Sendung MAYBRIT ILLNER dir „Schweinejournalismus“ vorwarf.

Wir trafen uns im taz-Café in Kreuzberg und dein Text wurde Teil unseres super schnell produzierten (von der Idee bis zum Druck vergingen keine vier Wochen) „Super-GAUck. Politische Kultur im neuen Deutschland“.

Deine Kritik an Gauck war natürlich verglichen mit deinen scharfen Analysen und Kommentaren zum Autokraten und islamistischen Diktator Erdogan nicht mutig, sondern selbstverständlich, auch wenn 90% der Wahlfrauen/männer den Ossi tatsächlich zum Präsidenten wählten.

Knapp die Hälfte der türkischen Bevölkerung hat gegen Erdogan gewählt (nach den offiziellen Zahlen), du bist also nicht alleine in der Türkei. Aber sehr alleine in deiner Zelle. WTF!!!

Selbst als türkischer Deutscher oder hessischer Türke bist du vermutlich nicht alleine in der heutigen Türkei – aber alleine in dieser beknackten Zelle. Das durchzustehen, ohne durchzudrehen, ist eine Leistung, die man sich schwer vorstellen kann.

Aber du schaffst das, Deniz! Du bist mutig, schau dir alleine mal deinen Oberlippenbart (ist es noch einer?) an! („Die absolute Härte sind die Oberlippenbärte“ riefen wir damals immer, wenn wir es mit den Bullen zu tun bekamen… ) Du hast Gauck überstanden und bist gerade wegen deines „Schweinejournalismus“ besser als die anderen im Mainstream, kritischer und lustiger. Und du wirst Erdogan überstehen und bald wieder den köstlichen Nieselregen genießen dürfen und gar die Sonne – und das Coolste: die Gefahr, dabei in der Türkei an öffentlichen Plätzen Max Giesinger hören zu müssen, ist hoffentlich relativ gering.

Du willst einen „fairen Prozess“ – und zwar sofort! – und ich hoffe, das ist wahrscheinlicher als eine Bundesligameisterschaft für Leverkusen in den nächsten paar Jahrzehnten ….

Besser: Freiheit für Deniz Yücel! Freiheit für alle inhaftierten Journalist*innen in der Türkei! Für eine demokratische Türkei!

©ClemensHeni

„Bekämpft die Linkszionisten“ und andere „Verräter“ … Bibi, Gabriel und die Folgen

Wie ein Mantra trägt die deutsche Israelszene seit Jahren das Schild „Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten“ vor sich her. Nun ist Israel tatsächlich die einzige Demokratie im Nahen Osten, was angesichts von islamistischen oder/und arabischen Regimen in Teheran, Ankara, Riad oder Kairo nicht sonderlich schwer ist. Was allerding sehr schwer ist, und schwer vorstellbar aus europäischer Perspektive, ist die Tatsache, dass Israel trotz konstanter Vernichtungsdrohungen seiner arabischen und muslimischen Nachbarn seit 1948 eine parlamentarische Demokratie mit einer vielfältigen Zivilgesellschaft geblieben ist. Aber eben seit 1967 auch eine Besatzungsmacht mit klaren undemokratischen Aspekten. So können z.B. die Siedler im Westjordanland, das nicht zum Staatsgebiet Israels gehört, wählen, während das die dort lebenden Palästinenser nicht können – und auch nicht können dürfen, das ist völlig klar. Eine Einstaatenlösung mit gleichen Rechten für alle wäre eine Katastrophe und das Ende des Judenstaates. Dieses Wahlrecht der Siedler zeigt aber das „Dilemma der israelischen Demokratie“ an, wie der Politikwissenschaftler Anton Pelinka in seinem Buch „Israel: Ausnahme- oder Normalstaat“ 2015 schreibt.

‚Es gibt keine israelische Außenpolitik, nur Innenpolitik‘, sagte einmal der amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Ganz exemplarisch zeigt sich das an dem von Benjamin Netanyahu auf die Bühne der Weltpolitik gehobenen Eklat mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel. Letzterer wollte sich auf seinem Antrittsbesuch in Israel unter anderem und ohne Kameras und ohne Pressekonferenz, eben weil sich der Außenminister (mittlerweile?) offenbar sehr wohl bewusst ist, wie kritische Berichte über Israel im Ausland ankommen, mit zwei linken, kritischen NGOs treffen, Breaking the Silence und B’tselem.

B’tselem – das „israelische Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten“, wurde im Februar 1989 von Intellektuellen und Aktivisten gegründet, darunter auch Amos Oz. Die NGO wendet sich übrigens sehr wohl auch gegen palästinensischen Terror. Amos Oz, der Abraham-Geiger-Preisträger 2017, hat einen aktuellen Spendenaufruf auf der Homepage geschalten. 2016 berichtete der Deutschlandfunk über Einschüchterungen gegenüber der NGO und anderen oppositionellen Gruppen in Israel.

Netanyahu kannte das Besuchs-Programm Gabriels schon seit Wochen, davon gehen viele politischen Beobachter und Kenner diplomatischer Spielregeln aus. Es war also klar, was Gabriel vor hatte und das war auch keine Überraschung. Auch pro-israelische Politiker und Aktivisten wie der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Volker Beck, trafen sich schon mit den genannten israelischen NGOs. Beck findet die Absage des Treffens durch Netanyahu falsch, wie auch das Delegationsmitglied Gabriels, Marieluise Beck, die gleichwohl und zu Recht anmahnt, dass es „Beifall von der falschen Seite“ gibt, und damit müssen israelische NGOs, die sich kritisch mit Israel befassen, rechnen. Doch das rechtfertigt wiederum keineswegs die so unsouveräne wie undemokratische Absage durch Bibi.

Die beiden inkrimierten NGOs sind gegen die Besatzungspolitik Israels im Westjordanland, kämpfen für Menschenrechte und sehen sich, wie Breaking the Silence, selbst als zionistisch an, kooperieren explizit nicht mit der antisemitischen BDS-Bewegung, wie sie schreiben. Im Gegenteil, Breaking the Silence möchte die „Legitimität des Staates Israel bewahren“, wie sie auf ihrer Homepage unterstreichen.

Natürlich kann man jede Kritik an Israel so interpretieren, dass sie BDS in die Hände spiele. Mit dieser antidemokratischen Erpressung mach Netanyahu ja auch seit Jahren Politik und die deutsche Israelszene folgt. Als ich 2015 beim letzten Global Forum for Combating Antisemitism in Jerusalem war, gab es einen merkwürdigen Moment. Im großen Saal mussten sich alle erheben, minutenlang – bevor der große Ministerpräsident hereinkam. Eine gute Bekannte von mir, eine israelische Forscherin, wollte für Bibi nicht aufstehen, schon gar nicht wie zu einer Königszeremonie minutenlang vorher.

Aber natürlich hatte Netanyahu fast alle auf seiner Seite, es geht schließlich um den Kampf gegen Antisemitismus. Doch exakt diese mitunter obsessive Sichtweise auf mögliche oder eingebildete Feinde oder gar neue Hitlers hat der israelische Präsident Reuven Rivlin auf der offiziellen Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Shoah am 25. April scharf kritisiert.

Mehr noch: Rivlin empfing am Abend des 25. April selbstverständlich auch Gabriel, doch so selbstverständlich ist das gar nicht – wie die Haaretz berichtet, empfängt der israelische Präsident Außenminister anderer Länder nur auf Empfehlung des Außenministeriums. Und wer ist derzeit israelischer Außenminister? Netanyahu! Ein „zynisches Spiel“ treibt er also, lässt Rivlin Gabriel empfangen, weigert sich aber selbst, den deutschen Außenminister zu treffen, um somit bei der ideologisch wirklich extremen Rechten (Bennett etc.) zu punkten. Netanyahu selbst ist gar kein ideologisch extremer Rechter, er ist ein Zyniker. Er tue alles für seine Macht, so Haaretz. Mit der einen Hand lädt er Gabriel aus, um ihn mit der anderen zu Rivlin zu schicken, der politischen Nr. 1 im Land!

Ob nun die proisraelischen Proklamationen der beiden hier in Frage stehenden NGOs mit all ihren Aktivitäten in Deckung zu bringen sind, steht auf einem anderen Blatt. Die Aktivitäten sind vor allem gegen die Besatzung des Westjordanlandes gerichtet und dokumentieren anonymisiert Aktionen der israelischen Armee kritisch. B’tselem wurde zuletzt auch schon massiv und zu Recht kritisiert, da sie schon mal in führender Position einen antisemitischen Palästinenser beschäftigte, der dann später entlassen wurde.

Breaking the Silence will offenkundig Israel verbessern, ja schützen und ein Beenden der Besatzung ist für sie dazu ein essentielles Mittel.

Die beiden NGOs sind dennoch, ja gerade wegen ihrer wohl als linkszionistisch zu bezeichnenden Position auch in Israel gerade unter der politischen Rechten und extremen Rechten völlig umstritten, ja das Feindbild in Israel schlechthin. Und manche ehemaligen Mitglieder dieser NGOs mögen sich auch dessen bewusst sein, dass offenkundig die Antisemiten weltweit begierig jedwede wirkliche oder vermeintliche problematische Aktivität der IDF aufgreifen, um Israel an und für sich zu diffamieren (darauf weist Marieluise Beck hin) und seine Auflösung als jüdischer Staat zu fordern oder aber, wie es Islamisten und Jihadisten tun, zum Mord an allen jüdischen Israelis aufzurufen, um Jerusalem zu „befreien“, wie sie es nennen.

Beide NGOs sind legale Gruppierungen und Teil der (noch) sehr vielfältigen israelischen Zivilgesellschaft, so wie zum Beispiel antirassistische Autonome, die die Aushöhlung oder Abschaffung des Asylrechts kritisier(t)en und die deutschen Zustände attackieren (solange sie nicht gerade damit beschäftigt waren, antizionistische Pamphlete zu schreiben), Teil jener in der BRD waren und in marginalsten Teilen noch sind.

Nun ist Gabriel nicht gerade als Intellektueller, Forscher oder wortgewandter Kritiker bekannt, eher als volksnaher Retter kapitalistischer Lebensmittelkonzerne und als sozialdemokratischer Haudrauf, der nicht selten trifft – wie seinen eigenen Nazivater oder die Neonazis der Identitären Bewegung, die er mit einem Stinkefinger begrüßte und Pegida und dessen Umfeld zurecht als „Pack“ bezeichnete.

Er hat aber völlig unreflektiert vor fünf Jahren bei einem Besuch in der heftig umstrittenen – gerade unter linken Zionisten scharf in Frage gestellten – Stadt Hebron das Wort „Apartheid“ bezüglich Israel gebraucht, was einer Diffamierung des Judenstaates gleichkommt und gerade keine interne, israelisch-linkszionistische Kritik mehr ist. Gleichwohl wird hierzulande kaum über das wirklich Problematische auch der Situation in Hebron diskutiert, wo wenige Juden massiv durch die IDF beschützt werden müssen. Wie es überhaupt zur Wiederbesiedelung Hebrons durch einige wenige Juden kam, wäre eine eigene kleine Studie wert.

Und jetzt hatte Gabriel, im sozialdemokratischen Eifer des Gefechts, SPDler wie Juden als Opfer des Holocaust bezeichnet, wenig später wurde das natürlich korrigiert, aber so ein Satz passiert einem nicht. Es zeigt das desolate Niveau innerhalb der heutigen Sozialdemokratie („Sozialdemokraten waren wie Juden die ersten Opfer des Holocaustes. Die einen waren Opfer politischer Verfolgung, die anderen des Rassenwahns.“)

Es geht in der ganzen Affäre Ende April 2017 aber weniger um Gabriel und seine Auffassung der Geschichte, von Hebron oder der Besatzung, sondern um Netanyahu. Es geht um Israel. Und hier versagt die komplette deutsche, selbst ernannte Israelszene.

Netanyahu also setzte Gabriel ein Ultimatum und erhob somit kleine NGOs mit einem relativ überschaubaren Budget, verglichen mit dem Staatshaushalt Israels, auf die gleiche Stufe wie seine Regierung. Gabriel ging nicht darauf ein und das Treffen platzte in der Tat. Bibi wollte ein paar Punkte bei den Ultrarechten in Israel gewinnen, da er innenpolitisch massiv unter Druck steht.

Netanyahu und seine deutsche, fast vollständig nicht-hebräisch sprechende Gefolgschaft behaupten, Breaking the Silence würde israelische Soldaten als „Kriegsverbrecher“ diffamieren. Doch stimmt das? Ein Text (auf hebräisch und englisch) des preisgekrönten Journalisten Haggai Matar sagt genau das Gegenteil, die Gruppe würde vielmehr die Soldaten unterm Strich in Schutz nehmen und die Politik für deren oft nicht unproblematischen Aktionen in Haftung nehmen. Der israelische Professor für Kommunikationswissenschaft am renommierten Interdisciplinary Center in Herzliya, Gadi Wolfsfeld, verteidigt Breaking the Silence ebenso, wie auch der frühere sehr bekannte IDF Eliteeinheitskommandeur von Sayeret Matkal, Amiram Levin, wie die New York Times im Dezember 2015 berichtete. Levin wiederum ist derzeit so enorm frustriert über die rechte politische Elite und die politische Kultur in Israel, dass er, bald 71 Jahre alt, am 4. Juli für die Vorwahlen zum Kandidaten für die Arbeitspartei kandidieren wird.

Maj. Gen. (ret.) Amiram Levin.Tomer Appelbaum read more: http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.786064

Nach Netanyahus Absage an Gabriel am Dienstag, den 25. April 2017 nachmittags, passierte also das zu Erwartende: die gesamte deutsche Israelszene brüllte los, hyperventilierte, schrie und tobte, Gabriel sei unerträglich und habe als „Diplomat versagt“ (Alan Posener). Der Aktivist und Organisator des Israelkongresses von I Like Israel (ILI) und Honestly Concerned (HC), , verglich das Treffen Gabriels mit den linken Zionisten bzw. den beiden NGOs mit einem Treffen eines anderen Außenministers mit den Terroristen der RAF, den rechtsextremen Reichsbürgern oder dem Neonazi und Holocaustleugner Horst Mahler. Ähnlich die Publizistin Jennifer Nathalie Pyka, die zeigt, was sie von der Demokratie und der Zivilgesellschaft hält und schreibt:

„‘Zivilgesellschaft‘ wiederum, darunter versteht Gabriel die NGOs ‚B’Tselem‘ und Breaking the silence‘. Gruppierungen also, die sich vor allem bei kritischen Europäern, die gewöhnlich auch auf genaue ‚Herkunftsnachweise‘ von israelischem Obst und Gemüse achten, einen Namen gemacht haben. Dass beide NGOs mit der israelischen Zivilgesellschaft so viel zu tun haben wie PEGIDA und der schwarze Block mit der deutschen, muss den Außenminister nicht kümmern.“

Damit sekundiert sie die frühere Israelkongressmoderatorin Melody Sucharewicz, die zwei Tage zuvor, am 26.4.2017, eine ebenso antidemokratische und Links und Rechts extremismustheoretisch gezielt gleichsetzende Tirade in der Hamburger Morgenpost abließ:

„Und doch käme Netanjahu im Traum nicht auf den Gedanken, sich mit Vertretern der ‚regierungskritischen‘ Antideutschen oder der Pegida zu treffen.“

Angela Merkel würde aber ganz sicher Netanyahu nicht vorschreiben, dass er sich entweder mit ihr oder mit „antideutschen“ Aktivisten zu treffen habe. So eine Ab- wie Aufwertung von NGOs oder eben der Zivilgesellschaft – Demokratienachhilfe für Pyka: jede nicht staatliche Organisation oder Gruppierung ist Teil der „Zivilgesellschaft“ oder einfach der „Gesellschaft“, wie cool oder bescheuert und gefährlich eine solche Gruppe auch immer sein mag – würde Merkel wohl kaum unterlaufen.

Der ehemalige, langjährige Israelkorrespondent der ARD, Richard C. Schneider, hat die Gemengelage sehr präzise analysiert:

„Ich habe erst mal einen Tag gebraucht, um das ganze Ausmaß des Netanjahu-Gabriel Streits zu verstehen. Die Reaktionen sind ja sofort da gewesen, auf beiden Seiten. Also fangen wir erst mal mit dem Offensichtlichen an: Was Netanjahu getan hat, war unsinnig. Zunächst einmal, weil Israel eine Demokratie ist und es deswegen völlig ok ist, wenn Gabriel die beiden NGOs treffen will. Dann natürlich auch aus ganz banalen Gründen. Es ist ja immer dasselbe Schema: wenn ich meinen Gegner klein halten will, dann ‚übersehe‘ ich ihn am besten. Also: Wenn Netanjahu nichts gesagt hätte, dann hätte Gabriel B’tselem und BtS getroffen und das wär’s gewesen. Denn – er kann diese NGO’s immer sehen und sprechen, und sei’s nur, daß er Vertreter nach Berlin einlädt. Infos zu bekommen, ist heute ja nicht weiter schwierig. So aber hat Netanjahu diese Gruppierungen – im Ausland – hochgewertet, sozusagen ‚auf sein Level‘ hochgeholt. Und er hat in Kauf genommen, daß der wichtigste und engste Freund Israels innerhalb der EU, also Deutschland, erneut ‚verschnupft‘ ist, to say the least. Macht das Sinn?“

Schneider resümiert:

„Doch schlimmer noch als der Eklat mit Deutschland ist das, was in Israel tatsächlich geschieht: Der Versuch dieser Regierung, Menschen oder Gruppierungen, die andere politische Anschauungen haben als sie selbst, mundtot zu machen. Das geschieht schon lange, zumindest wird es versucht. Mittels entsprechender Gesetzesvorlagen, aber auch mittels eines öffentlichen Diskurses, der politische Gegner zunehmend desavouiert. Das allerdings ist ein Phänomen, das man in vielen westlichen Demokratien beobachten kann.“

So ist dieser Eklat ein Lehrstück in Demokratiekunde und den antidemokratischen Tendenzen, ja den Ausgrenzungstendenzen in der deutschen Israelszene. Man könnte drüber lachen, wäre es nicht ein so ernstes Thema.

Was all diese losbrüllenden Typen nicht verstehen wollen: Deutschland wie auch die USA unter Obama sind Verbündete des Judenstaates, und zwar explizit eines jüdischen Staates Israel. Gabriel als Antisemiten zu denunzieren und ihn de facto in eine Reihe mit BDS, dem Iran oder arabischen Antisemiten zu stellen, ist grotesk, infam, aber politisch gewollt.

Das Ziel der deutschen Israelszene scheint zu sein, analog zu jenem der aktuellen israelischen Regierung, die ja niemals für Israel als Ganzes steht, sondern nur für einen Teil Israels: Die (extreme) Rechte in Israel soll gestärkt werden, koste es, was es wolle. Und natürlich wissen die deutschen Aktivisten und Blogger alles viel besser als liberale oder linke Israelis.

Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hat die Ausladung Gabriels durch Netanyahu scharf kritisiert und als ein Zeichen von politischer „Schwäche“ analysiert.

Insofern möchte die deutsche Israelszene ein schwaches Israel, eines, das sich blamiert, NGOs auf Regierungsniveau hebt, sie innenpolitisch aber völlig an den Rand drängt und bedroht. Diese Szene unterstützt Israel dabei, befreundete Regierungen, von denen es nun nicht gerade viele gibt (!), als quasi antisemitisch zu diffamieren. Netanyahu und die deutsche Israelszene scheinen einen massiven Realitätsverlust zu erleiden, wenn sie nicht mehr zwischen jihadistischen Vernichtungswünschen, der iranischen Gefahr, BDS-mäßiger Diffamierung oder philosophischer, Judith Butler-mäßiger Delegitimierung des zionistischen Projektes und kritischen, aber völlig pro-zionistischen Positionen wie von John Kerry oder selbst einem Sigmar Gabriel zu unterscheiden vermögen.

Dieses Jahr jährt sich der Sechstagekrieg zum 50. Mal und somit auch der Beginn der Besatzung der Westbank, des Westjordanlandes oder von Judäa und Samaria. Das wird weltpolitisch einige Aktivitäten mit sich bringen. Und jetzt ist die Zeit, das zionistische Projekt zu verteidigen – gegen die rechte Regierung von Netanyahu, die dabei zu sein scheint, die Opposition gegen die Besatzung zu kriminalisieren und zu delegitimieren.

Nie war die Kritik an der Besatzung wichtiger als heute. Das sehen auch Hunderte ehemalige Generäle, Offiziere und andere Führungspersönlichkeiten der israelischen Armee, des Geheimdienstes oder der Polizei so. Sie haben sich 2014 in „Commanders for Israel’s Security“ zusammengeschlossen. Auf diese Organisation und deren Einsatz gegen die Besatzung und für Israels Sicherheit weist der amerikanische Journalist Rob Eshman aus Los Angeles im Jewish Journal hin.

Es geht um die Kritik an rechten Regierungen und an der israelischen Besatzung des Westjordanlandes, beides zutiefst zionistische Anliegen. Dabei muss die scharfe Attacke und Kritik des Palestinian Rejectionism, also der palästinensischen Weigerung, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, komplementär zur Seite stehen.

Diese Anliegen nicht zu erkennen, ja Netanyahu in allem was er tut zu folgen und gerade jetzt peinlichste und politisch desaströse „Liebeserklärungen“ an ihn (wie in der taz) zu publizieren, zeigt, wie desolat hierzulande über Menschenrechte, Zionismus, Israel und die Besatzung diskutiert wird.

Früher hätte man gedacht, es wäre ein Fortschritt, wenn z.B. die taz weniger antisemitische und mehr pro-israelische Artikel publizierte. Ein Pyrrhussieg, wenn dabei das Denken, die Analyse und Kritik wie das Wahrnehmen des Menschenrechtsdiskurses, die Kritik an der Besatzung und die Aktivitäten des Linkszionismus in Israel auf der Strecke bleiben.

Israel’s former Chief Rabbi Lau obfuscates the Holocaust

Von Dr. phil. Clemens Heni, 9. April 2017

Times of Israel (Blogs)

The Washington Post reported on April 6, 2017, the following statement by Israel’s former Chief Rabbi Yisrael Meir Lau:

„Of course, this is a ‘shoah’ of the Syrian people and it did not start today. For the past six years since they have been living in a Holocaust,” said Lau, using the Hebrew word for Holocaust.“

That is an outrageous claim and a distortion or obfuscation of the Shoah. Lau is a child survivor of Buchenwald. Buchenwald is close to Weimar and encapsulates what Germans believed to be their high culture during National Socialism. The idea to eradicate the earth from “the” Jew was a German idea. Anti-Semitism is based on conspiracy myths. Without finding every single Jew, even the “Jew inside,” as a leading German anti-Semitic author of the Nazi time (who later converted to Islam), Johann von Leers wrote, the world would not be “redeemed.”

There was no cui bono in the Shoah. No territorial gain, no military victory, no economic surplus was at the core of the Shoah. It was the eradication of an entire people, European Jewry, from the earth. Jews were killed because they were Jews and selected as such by the Germans (and their allies). Nothing like this happens today in Syria. Shocking war crimes are shocking war crimes – and no Holocaust. Not in the slightest.

Rubin Katz wrote on Facebook, April 6, 2017, after he had seen the statement by Lau:

„I AM IN TOTAL SHOCK!

Former Chief Rabbi Israel Meir Lau, fellow child survivor from Poland whom I had the honour of meeting in 2005 at the 60th anniversary of the end of the war, during an International gathering of survivors and rescuers at Latrun. I would have expected the eminent Rabbi with his background to have known better. It was unwise of him, of all people, to refer to the gassing of children in Syria as “another Holocaust.” It was reported that 15 children were among the Syrian victims of gassing, surely bad enough, but one simply cannot compare this with the 1.5 million innocent Jewish children who were gassed, burnt and turned into ashes, without any known resting place, simply for being born of Jewish parents. I thought that the term Holocaust was coined after the war in memory of the ferocious attempt by the German Nazis to murder every Jewish man, woman, and child in Europe.“

Distorting  and universalizing the Shoah is sports today. Post-colonialism denies the unprecedented character of the Holocaust and draws unscholarly and grotesque lines “from Windhuk to Auschwitz,” others call it “Kaiser’s Holocaust” (Aiming at German Kaiser Wilhelm II) and  journalist Henryk M. Broder wrote in summer 2016, “Aleppo is worse than Auschwitz.”

Many use the distortion of the Shoah to defame Israel. Take filmmaker Udi Aloni from Israel and his film “forgiveness,” which abuses the memory of the Holocaust to equate it to horrible events like Deir Yassin in April 1948 with some 107 mainly non-combatants killed, as Benny Morris among many others has shown. But that is not in the slightest a Holocaust, as those who equate the “Nakba” to the Shoah insidiously and intentionally insinuate.

Rabbi Lau might want to overcompensate the right-wing Netanyahu’s rejection to take Syrian refugees in.

Rabbi Lau and all other Jews and non-Jews should think twice before comparing a shocking civil war in Syria to a war of annihilation against the entire Jewish people, the Shoah, by the Germans during the Second World War.

The Holocaust was not a Holocaust among others. Now it is time for Yad Vashem to take a clear stance against Rabbi Lau. Otherwise, his distortion of the Shoah goes viral and hurts Holocaust survivors and Shoah remembrance as such.

The mass murder regime of Assad has to be toppled and ISIS defeated.

Comparing the Shoah to today’s crimes in Syria, though, will only join the activities of those who embrace hurting Holocaust survivors and who love to distort and obfsucate the Shoah.

Post-colonial and post-Orientalist anti-Zionist activists, following Edward Said, the godfather of anti-Semitic forms of post-colonialism, are happy with Rabbi Lau. They know exactly that comparing the Shoah to whatever other event in world history will hurt Zionism and the Jewish state and will obfuscate what the Shoah was.

There is a huge number of scholars and activists outside, eager to have Jewish kosher stamps on Holocaust obfuscation.

©ClemensHeni

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