Wissenschaft und Publizistik als Kritik

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Israel’s former Chief Rabbi Lau obfuscates the Holocaust

Von Dr. phil. Clemens Heni, 9. April 2017

Times of Israel (Blogs)

The Washington Post reported on April 6, 2017, the following statement by Israel’s former Chief Rabbi Yisrael Meir Lau:

“Of course, this is a ‘shoah’ of the Syrian people and it did not start today. For the past six years since they have been living in a Holocaust,” said Lau, using the Hebrew word for Holocaust.”

That is an outrageous claim and a distortion or obfuscation of the Shoah. Lau is a child survivor of Buchenwald. Buchenwald is close to Weimar and encapsulates what Germans believed to be their high culture during National Socialism. The idea to eradicate the earth from “the” Jew was a German idea. Anti-Semitism is based on conspiracy myths. Without finding every single Jew, even the “Jew inside,” as a leading German anti-Semitic author of the Nazi time (who later converted to Islam), Johann von Leers wrote, the world would not be “redeemed.”

There was no cui bono in the Shoah. No territorial gain, no military victory, no economic surplus was at the core of the Shoah. It was the eradication of an entire people, European Jewry, from the earth. Jews were killed because they were Jews and selected as such by the Germans (and their allies). Nothing like this happens today in Syria. Shocking war crimes are shocking war crimes – and no Holocaust. Not in the slightest.

Rubin Katz wrote on Facebook, April 6, 2017, after he had seen the statement by Lau:

“I AM IN TOTAL SHOCK!

Former Chief Rabbi Israel Meir Lau, fellow child survivor from Poland whom I had the honour of meeting in 2005 at the 60th anniversary of the end of the war, during an International gathering of survivors and rescuers at Latrun. I would have expected the eminent Rabbi with his background to have known better. It was unwise of him, of all people, to refer to the gassing of children in Syria as “another Holocaust.” It was reported that 15 children were among the Syrian victims of gassing, surely bad enough, but one simply cannot compare this with the 1.5 million innocent Jewish children who were gassed, burnt and turned into ashes, without any known resting place, simply for being born of Jewish parents. I thought that the term Holocaust was coined after the war in memory of the ferocious attempt by the German Nazis to murder every Jewish man, woman, and child in Europe.”

Distorting  and universalizing the Shoah is sports today. Post-colonialism denies the unprecedented character of the Holocaust and draws unscholarly and grotesque lines “from Windhuk to Auschwitz,” others call it “Kaiser’s Holocaust” (Aiming at German Kaiser Wilhelm II) and  journalist Henryk M. Broder wrote in summer 2016, “Aleppo is worse than Auschwitz.”

Many use the distortion of the Shoah to defame Israel. Take filmmaker Udi Aloni from Israel and his film “forgiveness,” which abuses the memory of the Holocaust to equate it to horrible events like Deir Yassin in April 1948 with some 107 mainly non-combatants killed, as Benny Morris among many others has shown. But that is not in the slightest a Holocaust, as those who equate the “Nakba” to the Shoah insidiously and intentionally insinuate.

Rabbi Lau might want to overcompensate the right-wing Netanyahu’s rejection to take Syrian refugees in.

Rabbi Lau and all other Jews and non-Jews should think twice before comparing a shocking civil war in Syria to a war of annihilation against the entire Jewish people, the Shoah, by the Germans during the Second World War.

The Holocaust was not a Holocaust among others. Now it is time for Yad Vashem to take a clear stance against Rabbi Lau. Otherwise, his distortion of the Shoah goes viral and hurts Holocaust survivors and Shoah remembrance as such.

The mass murder regime of Assad has to be toppled and ISIS defeated.

Comparing the Shoah to today’s crimes in Syria, though, will only join the activities of those who embrace hurting Holocaust survivors and who love to distort and obfsucate the Shoah.

Post-colonial and post-Orientalist anti-Zionist activists, following Edward Said, the godfather of anti-Semitic forms of post-colonialism, are happy with Rabbi Lau. They know exactly that comparing the Shoah to whatever other event in world history will hurt Zionism and the Jewish state and will obfuscate what the Shoah was.

There is a huge number of scholars and activists outside, eager to have Jewish kosher stamps on Holocaust obfuscation.

©ClemensHeni

Offener Brief an Moshe Zuckermann: Kritik, das Unheimliche und der Zeitgeist

Von Dr. phil. Clemens Heni, 12. März 2017

Die Deutschen mögen nur tote Juden, Islamisten gar keine. Das ist der Ausgangspunkt antideutscher Kritik unserer Zeit. Kein Land der Welt wird weltweit mit Vernichtung bedroht, nach doppelten Standards gemessen, dämonisiert und attackiert wie der jüdische Staat Israel. Antisemitismus, inklusive heutigem Antizionismus, ist sehr weit verbreitet, in akademischen, feuilletonistischen, aktivistischen bis hin zu jihadistischen Varianten.

Die UN verurteilt kein Land der Welt so häufig und nachgerade obsessiv, wie Israel. Hätten die Araber 1947 den UN-Teilungsplan akzeptiert, gäbe es heute einen jüdischen und einen arabischen, palästinensischen Staat in Teilen von Eretz Israel.

Doch das enthebt Israel nicht einer Selbstkritik, wie jede Demokratie sich permanent selbst hinterfragen sollte, um sich zu verbessern.

Ihr Artikel „Deutsche Befindlichkeiten. Wie eine vorgebliche Antisemitismusbekämpfung zur ideologischen Farce gerät“ bringt einige Aspekte der deutschen Linken und der sog. Israelszene (und namentlich der „Antideutschen“ darin) durchaus treffend auf den Punkt. Doch Ihre Motivation scheint keineswegs eine israelsolidarische Kritik zu sein, mit der Intention, den Zionismus zu verbessern. Eher beschleicht einen bei Ihnen das Gefühl des „Unheimlichen“ von Freud, so wie Sie es 1988/89 in Ihrer bei Saul Friedländer eingereichten Dissertation über die Rezeption der Französischen Revolution im deutschen Vormärz gegen Ende anführen:

„Freud veranschaulicht diesen Zusammenhang von Verdrängtem und Angst anhand von Beispielen und weist, unter anderem, darauf hin, daß wir ‚auch einen lebenden Menschen unheimlich [heißen], und zwar dann, wenn wir ihm böse Absichten zutrauen.’“[i]

In Ihrem Text vom 10. Februar 2017 schreiben Sie über die Israelszene und „antideutsche Kommunisten“:

„Denn nicht nur mit dem Kommunismus hatte diese Bewegung nicht sehr viel zu schaffen, auch ihr Anspruch, ‚antideutsch‘ zu sein, erwies sich als hohles Gerede: Da ihnen ihre historische Identifikationsmatrix infolge des Zusammenbruchs des Sowjetkommunismus abhanden gekommen war, fand der Antifazweig der ehemals ‚antideutschen Kommunisten‘ seine neue Identität in einem nebulösen Antideutschtum, das sich darin manifestierte, dass man sich mit ‚Juden‘ vorbehaltlos zu solidarisieren habe, weil Deutschland Schlimmstes an ihnen verbrochen hatte.“

Auch wenn die Kritik am häufig reduktionistischen Verständnis von „antideutsch“ durchaus zutreffend ist, so sind doch Leute, die sich mit Israel solidarisieren, grundsätzlich sympathischer als jene, die mit Leuten kooperieren, die das Werk Nazi-Deutschlands vollenden wollen, wie der Iran oder ungezählte arabische, islamistische Hetzer, Prediger und ihr muslimisches, BDS-mäßiges oder rechts/linksdeutsches Fußvolk.

Weiter schreiben Sie:

„Dass sie sich nicht entblöden, kritische jüdische Intellektuelle schmähend zu verfolgen, um eine vermeintliche ‚Israel-Solidarität‘ zu wahren, ist ein beredtes Zeugnis ihres eigenen neurotischen Zustands als in Deutschland lebende Juden. Dass sich deutsche Behörden und Funktionsträger von ihnen einreden lassen, wer und was ‚antisemitisch‘ sei, macht darüber hinaus evident, zu welch bedenklicher Neuralgie der offizielle Umgang mit Juden im heutigen Deutschland inzwischen geronnen ist.“

Man könnte meinen, Ihnen ginge es um eine tatsächliche und nicht nur eine „vermeintliche“ „Israelsolidarität“. Aber stimmt das?

Grundsätzlich haben Sie, denke ich, mit einer Kritik der teils abstrus einseitigen, undifferenzierten und Juden als Subjekte gerade nicht ernst nehmenden, ja sie und die israelische Realität bewusst ignorierenden deutschen Israelszene einen Kern des Problems exakt benannt. Doch nehmen Sie, geehrter Herr Zuckermann, Juden als Subjekte ernst, namentlich linke, liberale oder auch konservative politische Zionisten, die für einen jüdischen und demokratischen Staat Israel einstehen und für diesen Judenstaat kämpfen, intellektuell, mit der Waffe der Kritik oder auch mit der Waffe in der Hand?

Sie stellen sich als Verteidiger Israels vor:

„[Israel] steht vor der Wahl zwischen der (nicht gewollten) Zwei-Staaten-Lösung, deren Verwirklichung in einen innerjüdischen Bürgerkrieg münden könnte, und der sogenannten binationalen Lösung, die aber als Apartheid-Struktur vollzogen würde. Dass beide Lösungen das Ende des historischen zionistischen Projekts bedeuten könnten, mag, ja muss einen um sein Land besorgten Israeli in die Kritik, womöglich auch in die politische Agitation treiben.“

Es gibt derzeit in der Tat nicht wenige Israelis und Vertreter*innen der „Israelsolidarität“, die kein Problem mit US-Präsident Trump und seinem aus dem Munde eines US-Präsidenten nie da gewesenen Kokettieren mit der Ein- oder Zweistaatenlösung haben. Manche Israelis sehen in Trump eine Art Messias und sehen die Besatzung nicht als Problem, sondern als prophetisches Siedeln. Viele linke oder liberale und auch konservative, zionistische Israelis sind jedoch weiter für eine Zweistaatenlösung.

Ihr Text erschien in dem nationalbolschewistischen Agitationsblatt junge Welt, was es unwahrscheinlich macht, dass Sie es mit Ihrer Sorge um den Erhalt Israels ernst meinen könnten. Die Schenkelklopfer der jw-Abonnent*innen gegen vermeintliche „Antideutsche“, die Ihr Text ausgelöst hat, sind eklig, um es ganz vornehm auszudrücken.

Viele Islamisten, Muslime, Nazis und erhebliche Teile des Mainstreams verabscheuen, ja hassen Israel. Das mag sich die letzten Jahren evtl. etwas gewandelt haben – zumindest bezüglich gewisser Teile der Linken und mancher Medienberichte, die nicht mehr nur antiisraelisch sind –, aber nicht erst, aber verschärft seit Herbst 2000 und nach dem islamistischen Massenmord von 9/11 war und ist Israelhass ein massives Problem in Germany, Europa, USA, dem Nahen Osten und weltweit. Pro-Hitler Statements, Vergasungswünsche für Juden und viele ähnliche, schockierende Stellungnahmen wie auf Facebook von Deutsch-Türken nach der Mavi Marmara Aktion 2010 zeigen die Notwendigkeit der Antisemitismuskritik.

Walser, Grass und die AfD tun ein Übriges um die Notwendigkeit der Antisemitismuskritik zu untermauern. Dazu kommen Facetten postkolonialer Ideologie, die Universalisierung der Shoah, die Gleichsetzung von Rot und Braun und natürlich die antizionistische Ideologie, die nicht nur Yad Vashem vorwirft, den präzedenzlosen Charakter der Shoah zu betonen.

Der arabisch-israelische Konflikt ist seit 1947 ein Kernproblem des Antisemitismus wie des Nahen Ostens. Es ist ein arabisch-israelischer Konflikt und nicht ein israelisch-palästinensischer, der aber hinzukommt bzw. ersteren ergänzt. Dabei ist die Weigerung der Araber und Palästinenser, Israel als jüdischen und demokratischen Staat anzuerkennen (mit einer arabischen Minderheit, die viel größer ist, als alles, was europäische Gesellschaften an Minderheiten ertragen würden, ohne faschistisch zu werden) nicht das einzige Problem. Das zu betonen ist richtig und womöglich meinen Sie das, auch wenn Sie das unbeholfen ausdrücken oder absurde, perfide, ja extrem gefährliche (für Sie vielleicht lustige oder aufregende) Umwege über Israel-Nazi-Vergleiche gehen, wie wir gleich sehen werden.

(Pro-)palästinensischer Terror und Antisemitismus sind für Sie in gewisser Weise nur eine Reaktion auf die Besatzung. Und damit zeigen Sie auf erschreckende Weise, dass sie gerade nicht wissen, was heute Antisemitismus ist – denn Juden Verschwörungen anzudichten, sie als Söhne von „Affen und Schweinen“ zu diffamieren, ihnen Blood Libels, Brunnen- oder Kaugummivergiftung anzuhängen, ihnen die Herrschaft der Medien, der USA oder des Kapitalismus zu unterstellen, sind antisemitische Topoi, die überhaupt gar nichts mit dieser oder jener Politik Israels seit 1948 oder 1967 zu tun haben. Wer Juden ins Gas wünscht, möchte damit nicht seine oder ihre Kritik an der Besatzung ausdrücken, sondern ihren oder seinen Wunsch, Juden zu töten. Das ist der Kern des Antisemitismus. Das wissen Sie nicht, obwohl Sie doch im September 2002 sagten:

„In Deutschland treffe ich einerseits auf Antisemiten, andererseits auf Leute, die mich wegen meiner kritischen Haltung als Vorzeigejuden linker Antisemiten bezeichnen. Da kann ich nur antworten: Kinder, lehrt mich nicht, was Antisemitismus ist. Ich komme aus einem Zuhause, wo man das weiß.“[ii]

Wie kommt es dann, dass Sie Bücher als „exzellent“ belobigen, als Dissertation annehmen und sie mit einem Vorwort beglücken wie jene Studie von Joachim Nicolas Trezib,[iii] die den Nationalsozialismus und den „Generalplan Ost“ mit der israelischen Landesplanung vergleichen und im Zionismus einen Aufguss rachsüchtiger alttestamentarischer Praktiken sehen? Der Vergleich des genozidalen Generalplans Ost mit Israel ist eine Schuldabwehr und Schuldumkehr, trivialisiert den SS-Staat auf unerträgliche, aber sehr typische, deutsche Weise. Mit so einer Belobigung heutiger Forschung sind Sie mitten im Zeitgeist, Herr Zuckermann. Und dieser akademische Zeitgeist ist nicht selten und hier ganz besonders antisemitisch. Sie wissen also keineswegs was Antisemitismus hier und heute bedeutet.

Die Fragestellung Trezibs ist nicht nur einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit unwürdig, sondern indiziert vor allem den antijüdischen Ton, der heute an deutschen Universitäten wieder da ist, auch Dank Ihrer Hilfe:

„Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der im Jahre 1933 durch den deutschen Humangeographen Walter Christaller (1893–1969) in seiner Dissertationsschrift entwickelten, sogenannten Theorie der zentralen Orte (Abb. 1 und 2; Abb. 38 und 39, s. Farbabbildungsteil) und ihrer Rezeption im Rahmen der unter dem sog. ‚Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums‘ (RKF), Heinrich Himmler, nach 1939 initiierten NS‐‚Generalplanung‘ für die eroberten Ostgebiete sowie ihrer Rezeption im Rahmen des als Sharonplan bezeichneten, ersten israelischen Nationalplans, in dessen Umfeld die Grundlagen der Raumordnungstheorie und ‐praxis in Israel seit der Staatsgründung im Mai 1948 bis zum Sechs‐Tage‐Krieg im Juni 1967 ausgebildet werden.“

Es geht Trezib gar nicht primär um Beweise der Beziehung von Arieh Sharon zu jenem Walter Christaller, sondern um ein Gschmäckle: wer in Zukunft über israelische Landesplanung nachdenkt oder darüber hört, soll sich an den „Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums“ (RKF) Heinrich Himmler erinnert fühlen. Das ist die Message, die das ganze Buch durchzieht und an einer deutschen Hochschule durchgewunken wurde. Das ist der Skandal.

Alle wissen, dass Israel nicht dutzende Millionen Menschen ermorden wollte, wie es der „Generalplan Ost“ vorsah. Alle wissen auch, dass Himmler für die Vernichtung von sechs Millionen Juden hauptverantwortlich war. Ihn im gleichen Atemzug wie einen Juden, Arieh Sharon, auch nur zu nennen, ist an Obszönität nicht zu überbieten. So funktioniert heute akademischer Antisemitismus.

In Ihrem vor Lob überschäumenden Vorwort zu Trezibs Studie schreiben Sie:

„Um aber auf dies ‚Skandalöse‘ eingehen zu können, sei vorab klargestellt: Es handelt sich hier um eine Arbeit, die sowohl bei der Entdeckung, Auswertung und Verarbeitung von unbekannten Archivmaterialien als auch bei der Theorie- und Begriffsbildung sowie der durchgehenden Stringenz der Argumentation herausragt.“

Dann schauen wir uns Trezibs Arbeit mal etwas näher an.[iv] Die Trivialisierung der Shoah zeigt sich bei Trezib in ihrer Rationalisierung, einer in Deutschlands Historiographie von Hans Mommsen bis Götz Aly und bei vielen weniger bekannten Autorinnen und Autoren beliebten Strategie, weder vom Antisemitismus noch von Deutschland, dafür von ganz unspezifischen Strukturprinzipien der Moderne, von Technik und Kapitalismus zu reden:

„Schivelbusch beschreibt die psychologische Komponente des Phänomens ‚Rationalisierung‘ der 1920er Jahre als Sublimierung des ‚homo militaris‘ zum ‚homo oeconomicus‘. Mit der ‚Rationalisierung‘ des Judenmords erreichte diese nicht erfolgreiche Sublimierung dann ihren Höhepunkt.“

Die Trivialisierung des Präzedenzlosen des Holocaust geht bei Trezib einher mit einer Delegitimierung und Dämonisierung von Juden und Israel. Die ganze Motivation seiner Dissertation scheint in der Diffamierung von Juden wie Arieh Sharon zu liegen, dessen israelischer nationaler Plan zur Gliederung des Landes der frühen 1950er Jahren mit dem genozidalen Programm des nationalsozialistischen Generalplan Ost analogisiert wird.

Auch am Beispiel der sog. „Technokratie“ und des Technik- und Industriediskurses zeigt sich das auf perfide Weise. So setzt Trezib in einem Kapitel mit Walther Rathenau ein, der als gleichsam fanatischer Verfechter der bösen Technokratie via Elektrizität vorgestellt wird, und er beendet das Kapitel in einer geraden Linie beim Nationalsozialismus, für den dann in dieser Hinsicht auch noch ein 1922 von Nazis ermordeter Jude – was gar nicht der Erwähnung wert ist – mit verantwortlich gemacht wird. So läuft heute die Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik und solche kruden Texte und abstrusen Linien evozieren nicht etwa Gelächter oder Kopfschütteln sondern einen Titel.

Da verwundert es dann auch nicht, dass sich Trezib an Rainer Zitelmann, ein Apologet Hitlers in spezifisch neurechter Weise und in der wissenschaftlichen Analyse des heutigen Rechtsextremismus und der Neuen Rechten einer der bekanntesten Vertreter eines Strangs – des staatszentrierten, autoritären – der Neuen Rechten seit den 1980er Jahren, gleichsam anschmiegt:

„Wie insbesondere Rainer Zitelmann betont hat, beinhaltete Hitlers Lebensraum Ideologie eine durchaus moderne geopolitische Komponente: Sie bezweckte die Errichtung eines autarken deutschen Kontinentalreichs, dem die Energiereserven und Bodenschätze des Ostens uneingeschränkt zur Verfügung stehen würden, und das damit in den Rang einer Weltmacht aufsteigen würde.“

Im Zentrum steht hierbei die Betonung des angeblich „Modernen“ des Nationalsozialismus. Zitelmann wie auch viele andere Hitlerbewunderer (die sich natürlich meist anders nennen) möchte den Nationalsozialismus sozusagen retten und verteidigen, indem er dessen „moderne“ Elemente hervorkehrt und vom präzedenzlosen Massenmord an den europäischen Juden schweigt oder ihn als Petitesse abtut, mit der zu befassen ein Deutscher keinen Grund habe. Zitelmann war zumal in den 1990er Jahren ein führender Vertreter der Neuen Rechten und des „Geschichtsrevisionismus“.

Diese neu-rechte Ideologie fällt Trezib entweder nicht auf oder aber er teilt diese Apologie des NS-Staates. Er nazifiziert die Landesplanung Israels, da auch die Nazis, wie die Juden, das ist die Botschaft der Studie, eine „Bevölkerungsverteilung“ oder gar – wie im „Generalplan Ost – einen Massenmord an Millionen „Nicht-Lebenswerten“ im Osten planten – indem er schreibt:

„Das eindeutig dominierende, zentrale und immer wiederkehrende didaktische Leitargument, das Sharon aus diesen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen der nationalen Planung in Israel herleitete, wurde durch die sogenannte population dispersal – bzw. Bevölkerungsverteilung – konstituiert. Man kann sagen, dass sich alle Einzelargumente und Konkretisierungsschritte des Plans der didaktischen Logik dieses Leitarguments unterordneten. Zum Zeitpunkt der Staatsgründung, so die Argumentation des Architekten, habe der überwältigende Anteil (82 Prozent) der jüdischen Bevölkerung ausschließlich den schmalen Küstenstreifen zwischen Haifa und Tel Aviv besiedelt.“

Bereits im Untertitel seiner Studie setzte Trezib Israel und den Sharonplan für Landesplanung mit dem genozidalen „Generalplan Ost“ in direkte Beziehung. Diese Trivialisierung des SS-Staates und die Dämonisierung des jüdischen Staates flutscht heute an Universitäten offenbar runter wie Honig. Gegen Ende seiner Studie schreibt Joachim Trezib schließlich folgende Zeilen:

„Was auch immer an Rationalität die wirtschaftlichen und räumlichen Modelle der Planer parat hielten – am Ende erwies sich die ‚göttliche Mission‘ Hitlers als ‚Erlöser Deutschlands‘, die ‚pseudoreligiöse Verklärung von Politik [im Gewande, JT] traditioneller christlicher Formen‘ als Rückfall in den eschatologischen Fundamentalismus der Vormoderne, erwies sich der NS-Rassewahn als Neuauflage des primitiven mittelalterlichen Antisemitismus; ebenso, wie sich die zionistische Kolonisation, je länger ihr Prozess andauerte, als moderner Aufguss eines als sakrosankt definierten, rational nicht zwingend begründbaren religiösen Mythos entpuppte, eine Neuauflage der in den biblischen Überlieferungen so blumig geschilderten Unbarmherzigkeit, mit der sich einst auf Gottes Geheiß die Israeliten ‚mit der Schärfe des Schwerts‘ der ‚Vertilgung‘ der kanaanitischen Städte und der ‚Vollstreckung des Banns‘ an ihren Einwohnern befleißigten. Die biblische Rhetorik erscheint in einem solchen Zusammenhang von beklemmender Aktualität.“

Nicolas Trezib macht mit diesem Zitat noch einmal unmissverständlich deutlich, wie heute Antisemitismus funktioniert (den Sie, geehrter Herr Zuckermann, nicht erkennen können oder wollen, aber salonfähig machen): er setzt Hitler mit den Zionisten gleich bzw. in direkte Beziehung. Das ist ein Post-Auschwitz-Antisemitismus. Mehr noch: Trezib diffamiert das Judentum generell, das gleichsam die Blaupause für die „Schärfe des Schwertes“ des Zionismus gegeben habe, denn die „biblische Rhetorik“ sei von „beklemmender Aktualität“. Die Verleumdung der Religion des Judentums ist altbekannt und zählt zum klassischen Repertoire des Antisemitismus. Dass Sie das nicht nur nicht erkennen, sondern diese Studie anpreisen, ist schockierend.

Auch der verurteilte Holocaustleugner, frühere Kommunist, zum Islam Konvertierte und Antizionist Roger Garaudy benutzte wie Trezib exakt diese Stelle der „Schärfe des Schwerts“, mit der die „Israeliten“ ihre Feinde abschlachteten und bezieht das ebenso auf das heutige Israel, womit er sich Freunde nicht nur bei deutschen Neonazis machte.

In diesem Zitat ist zudem das klassische Ressentiment gegen das Judentum enthalten. Das Judentum, heute durch den Zionismus repräsentiert, beinhalte bis heute die „biblische Rhetorik“ der „Schärfe des Schwertes“, sei blutrünstig und unbarmherzig. Diese Agitation gegen das Judentum, den Zionismus und Israel ist beängstigend platt, feiert aber in manchen Kreisen seit Jahren ein Stelldichein in der Diffamierung gerade monotheistischer Religionen wie dem Judentum. Wir haben das z.B. an der in der FAZ, der Giordano Bruno Stiftung, dem Mainstream der deutschen Gesellschaft, aber selbst unter sich als angeblich „antideutsch“ und besonders israelsolidarisch fühlenden linken Israelfreunden geführten Agitation gegen die Beschneidung im Jahr 2012 erlebt , die in der jüdischen Welt wie ein Schock erfahren wurde.

Trezibs Studie steht exemplarisch für eine neue Qualität des ganz nüchtern-akademisch daherkommenden sekundären Antisemitismus, eines Antisemitismus, der sich pudelwohl fühlt, links und kritisch dünkt und gerade in der Universalisierung der NS-Ideologie und vor allem der Analogisierung von Täter und Opfer, Nazi und Jude, etwas Befreiendes zu sehen scheint, womit wir im Mainstream Deutschlands angekommen sind. Schuldabwehr und Schuldprojektion gehen hier Hand in Hand. Deutschland sieht weniger düster aus, wenn auch die Landesplanung in den USA oder Israel quasi „völkisch“ oder „ethnisch“ und exkludierend waren.

Das ist der neue Antisemitismus, jener nach Sobibor, Treblinka, Majdanek, Babi Yar und Ponary. Ein Antisemitismus, der obsessiv Juden mit Nazis analogisiert, Israel und den Nationalsozialismus. Dass so etwas nicht etwa als Text in einer judenfeindlichen Postille, sondern als Dissertation an einer Universität angenommen und von einem der renommiertesten (sprich: teuersten) Verlage des Landes gedruckt wird, ist ein Skandal, der keiner ist, weil es niemandem mehr auffällt in diesem neuen Deutschland. Angenommen wurde diese Doktorarbeit vom Historiker Günther Uhlig, Zweitgutachter waren Sie, Moshe Zuckermann, unterstützt wurde die Forschung von der Gerda-Henkel-Stiftung.

Um den Skandal, der natürlich keiner ist, in diesem Land, zu komplettieren: Publiziert wurde die Arbeit von Joachim Nicolas Trezib in der Reihe „Europäisch-jüdische Studien. Kontroversen“, herausgegeben vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Potsdam, in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg im de Gruyter Verlag.

1971 schrieb der Philosoph und Holocaustüberlebende Vladimir Jankélévitch:

„Dieses schändliche Geheimnis, das wir nicht benennen können, ist das Geheimnis des Zweiten Weltkrieges und in gewisser Weise das Geheimnis des modernen Menschen: Auf unserer Moderne lastet nämlich der ungeheure Holocaust wie ein unsichtbares Schuldgefühl, selbst wenn man nicht darüber spricht. Comment s’en débarraser? Dieser Titel eines Stücks von Ionesco mag recht gut die Beunruhigungen des sichtlich guten zeitgenössischen Gewissens kennzeichnen. Das Verbrechen war zu schwer, die Verantwortung zu schwerwiegend, bemerkt Rabi mit bitterer Klarheit. Wie werden sie sich von ihrem latenten Schuldgefühl befreien? Der ›Antizionismus‹ ist in dieser Hinsicht ein un-gesuchter Glücksfall, denn er gibt uns die Erlaubnis und sogar das Recht, ja selbst die Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist der gerechtfertigte, schließlich jedermann verständlich gemachte Antisemitismus. Er ist die Erlaubnis, demokratischerweise Antisemit zu sein. Und wenn die Juden selbst Nazis wären? Das wäre wunderbar.“

Dazu kommen wie erwähnt immer abrufbare Ressentiments gegen das Judentum wie die Beschneidung, da machen dann neben der FAZ und den veganen Tierrechtlern (nicht nur in Hamburg) auch die nicht-jüdischen Neocon-Pro-Israelis mit. Gremliza hingegen macht da nicht mit.[v]

Wenn Sie nun, geehrter Herr Zuckermann, Bände publizieren, die den Titel tragen „Wider den Zeitgeist“[vi], kann man nur laut auflachen. Eine Diffamierung der Antisemitismuskritik, bei aller berechtigten Kritik an den Trotteln wie Fanatikern in den heutigen Israelszenen in USA, Europa und in Israel selbst, ja ein Vergleich des Nationalsozialismus mit Juden und Israel ist doch absoluter Mainstream. Trezibs Arbeit bedient diesen Mainstream und die Arbeit ist für Sie „intellektuell exzellent“. Wenn es Sie angeblich ernsthaft nervt, und das völlig zu Recht, dass viele in der Israelszene die Dramatik vor und nach dem Mord an Rabin vor über 20 Jahren nicht erkennen und immer nur die Schuld bei den Palästinensern suchen, warum unterstützen Sie dann Israel dämonisierende und gerade nicht solidarisch kritisierende Arbeiten wie jene Trezibs?

Nicht nur Shoah- und Nationalsozialismusverharmloser, auch Habermasianer fühlen sich als Universalisten und Kosmopoliten pudelwohl und jedem Partikularismus wie auch Emmanuel Levinas und dem jüdischen und demokratischen Staat überlegen, ohne sich je mit Levinas näher beschäftigt zu haben. Angesichts von Pegida, AfD, Orban, Brexit, Wilders, Putin, Erdogan sind natürlich Kosmopoliten sympathische Zeitgenoss*innen. Aber dialektisch gedacht gehört eben der jüdische und zionistische Partikularismus, demokratisch, dazu, der sich gerade philosophisch gegen den Universalismus und für die Differenz einsetzt. Zu kompliziert für deutsche Linke.

Viele selbst ernannte Israelfreunde interessieren sich kaum oder gar nicht für Israel und die Juden. „Lieber Adorno lesen als Hebräisch lernen“ ist deren Motto (Grigat), dabei spricht nichts gegen Adorno, aber was spricht gegen Hebräisch, wenn man sich für Israel interessiert? (Gut, ich kann auch kein Hebräisch, für einen Schwaben ist Hochdeutsch schon schwierig genug). Ihre Behauptung, die Kritische Theorie sei „inkommensurabel“ mit dem Zionismus, ist empirisch widerlegt, ohne die intellektuellen Kämpfe gerade Max Horkheimers, das Spannungsverhältnis von Judentum und Zionismus zu ignorieren. Was jedoch häufig entwirklicht wird, auch von Ihnen, sind die pro-israelischen Statements der führenden Kritischen Theoretiker Horkheimer, Adorno, Löwenthal und Marcuse, lediglich Fromm wurde ein Antizionist.[vii]

Ich sehe nicht, wo Sie sich quellenbasiert mit Adorno oder den Positionen der Kritischen Theorie zu Israel en detail je beschäftigt hätten. Es sind meist Essaybändchen oder Interviews, die Sie publizieren (seit Ihrer Diss. 1988/89), gerade zu Israel, aber unter Forschung versteht man doch etwas mehr. Hätten Sie empirisch etwas zur Kritischen Theorie geforscht, hätten Sie folgendes entdeckt:

1967 gibt es eine der ganz seltenen Stellen im Werk Adornos, wo er auf Israel und die genozidale Gefahr für Juden im Hier und Heute des Nahen Ostens zu sprechen kommt. Das ist von großer Bedeutung, wenngleich es keine intensive Beschäftigung mit dem Zionismus ersetzt – denn im Gesamtwerk Adornos spielten der Zionismus und später Israel kaum eine Rolle. Er schreibt in einem Geburtstagsgruß für Gershom Scholem:

„Scholems würdig ist die Paradoxie seiner Wirkung: heute, da er siebzig Jahre als wird, hat der Ordinarius der Universität Jerusalem bei allen Menschen, denen nicht nur am Geist des Judentums sondern am Überleben der Juden selbst etwas gelegen ist, die Autorität des Weisen gewonnen. Großartig widerspricht sie dem antiautoritären Zug seines Lebens und des von ihm Interpretierten. Seine Nüchternheit gewinnt heilsame Kraft, nicht nur gegen ideologisches Pathos sondern auch in einer Realität, in der nach wie vor die Juden, unter den schmählichsten Vorwänden, mit Vernichtung bedroht werden. Am Ende ist es Scholems Gewalt, daß er nicht apologetisch die Kräfte der Vernichtung, drinnen und draußen, verleugnete, sondern daß er ihnen seine Erkenntnis vorbehaltlos öffnete, mit einem Mut, den nur die Allerstärksten aufbringen. Wie kein Zweiter hat er die Würde der Idee des mystischen Nihilismus hergestellt.“

Diese Einschätzung Adornos wurde am 2. Dezember 1967 in der Neuen Zürcher Zeitung publiziert und ist heute so aktuell wie damals: wem am „Geist des Judentums“ etwas gelegen ist, der oder die sollte auch „am Überleben der Juden“ interessiert sein, alles andere ist Heuchelei oder eben der Jargon der Uneigentlichkeit Judith Butlers. Diese angesichts des neuen linken Antisemitismus nach dem Sechstagekrieg geäußerte Angst Adornos vor der Gefahr der „Vernichtung“ der bedrohten Juden in Israel widerlegt die von Ihnen, geehrter Herr Zuckermann, in den antiisraelischen Raum der Susann Witt-Stahl geworfene Behauptung:

„Adorno als Apologet der IDF ist schon keine Plünderung mehr, sondern eine Vergewaltigung durch perverse intellektuelle Unzulänglichkeit.“[viii]

Da Sie das ohne Kenntnis des Werks Adornos sagen, kann man Sie einfach nicht ernst nehmen. Es gibt sehr wenige Stellen Adornos zu Israel, aber jenen öffentlichen Text vom 2. Dezember 1967 müssten Sie halt schon kennen, wenn Sie wollen, dass man Sie als Adornoforscher ernst nimmt.

Dabei gibt es vertrottelte Antifas, die tatsächlich den Zweiten Weltkrieg ihrer Großväter nachspielen wollen und jetzt die Palästinenser als Opfer auswählen, die es als Volk ja gar nicht gebe und die kein Recht auf einen Staat hätten. Die gleichen Typen sind nicht selten ignorant gegen die Kritik der Mathematisierung der Welt, die ein Kernpunkt der „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno (1944/47) und eine Kritische Theorie der Naturbeherrschung ist, und blöken nur „Beton, Beton, Beton“ wie die Antilopengang.[ix]

Wenn Sie in Ihren Text im Februar 2017 schreiben:

„Denn nicht nur konnte man nun die ‚Juden‘ noch effektiver entkonkretisieren, sondern man durfte sie sich nun als ein abstraktes politisches Kollektivsubjekt denken, das Subjekt des zionistischen Staates Israel. Und als solches Subjekt wurden sie pauschal als Überlebende des Holocaust und ihr Staat entsprechend als eine geheiligte Zufluchtsstätte apostrophiert. Die Juden also in ‚Israel‘ wissend, blieb nur noch eins zu verrichten: den ‚Antisemitismus‘ im eigenen Land zu bekämpfen, und zwar rücksichtslos“,

trifft das nicht wenige Vertreter*innen der Israelszene – wobei man sich gleichwohl die Frage stellen muss, warum man gerade da aufschreit, wo ein paar wenige Aktivist*innen „rücksichtslos“ den „Antisemitismus im eigenen Land bekämpfen“ wollen. Sollen Sie etwa rücksichtsvoll vorgehen? Gleichwohl liegt darin auch eine gewisse Ignoranz gegenüber den Realitäten in Israel. Natürlich hat die Kritik am Antisemitismus nichts mit der Realität in Israel zu tun, Antisemiten ist das egal – aber Kritiker*innen des Antisemitismus und des Antizionismus müssen sich eben auch mit der innerisraelischen Kritik am Rassismus oder religiösen, extrem rechten Fanatismus in Israel befassen, wenn sie der Wirklichkeit annähernd gerecht werden wollen und Juden als Subjekte ernst nehmen.

Zudem ist es doppelt falsch, wie nicht wenige dieser (verglichen mit der Antisemitischen Internationale selbstredend höchst sympathischen) Leute gleichwohl denken: Israel ist nicht in erster Linie ein Zufluchtsort und wurde nicht wegen, sondern trotz dem Holocaust gegründet. Bekanntlich fand der erste Zionistenkongress 1897 in Basel statt. Und auch wenn krasse jüdische Antisemitinnen – die gibt es – wie Jacqueline Rose fantasieren und insinuieren, Hitler hätte sich auf dem gleichen Konzert (!) mit Wagnermusik in Paris zu „Mein Kampf“ inspirieren lassen wie Herzl zu „Der Judenstaat“ (also spätestens im Mai 1895), so hat doch 1897 mit dem Nazismus und der Shoah rein gar nichts zu tun.

Ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben, aber jene „antideutschen Kommunisten“, sind häufig anti-antideutsch und haben sowohl die Analysen von Daniel Goldhagen 1996ff. aggressiv abgewehrt, als auch jedwede Analyse politischer Kultur diffamiert; Studien wie von Peter Viereck von 1941 (Metapolitics), Paul L. Rose oder George L. Mosse waren nur hinderlich, das allgemein Bürgerliche zu attackieren, um ja nicht von dem spezifisch Deutschen zu reden, wenn es um den Antisemitismus geht.

Lars Quadfasel schreibt in Konkret Folgendes:

„Für das Image als ehrwürdige, den Niederungen des Tagesgeschäfts entzogene Institution aber ist keine bessere Spielmarke denkbar als das permanente Durchhecheln israelischer Missetaten. Diese sind, quantitativ wie qualitativ (denn wären alle Opfer von Unrecht so wohl versorgt wie die Palästinenser, wäre die Welt wirklich ein besserer Ort), von kaum zu übertreffender Bedeutungslosigkeit für das Weltgeschehen.“[x]

Das ist an Zynismus und Desinteresse am Zionismus und den Juden Israels wie einem palästinensischen Staat und der Situation hier und heute der Palästinenser*innen in der Westbank schwer zu übertreffen. Eine Steilvorlage für Post- und Antizionisten, der Israelszene Ignoranz oder Rassismus vorzuwerfen. Für Typen wie Quadfasel wäre eine tägliche Lektüre der Times of Israel (TOI) gar nicht schlecht. Aber da müsste man sich jedoch mit Israelis, zionistischen, aber nicht selten auch kritisch-zionistischen, z.B. den Rassismus in Israel thematisierenden Autor*innen befassen und das ist mühsam und macht die Causa Israel komplizierter als das Wegschauen.

Gerade Zionisten wie der Forscher, Verfassungsrechtler, Politiker und Autor und Rabin-Verbündete Amnon Rubinstein haben doch auf die verheerenden Wirkungen des religiösen Fanatismus in Israel seit 1967 verschärft hingewiesen (in seiner auch auf Deutsch vorliegenden „Geschichte des Zionismus“) und forschen zu den zionistischen und demokratischen Aspekten Israels. Auch Fania Oz-Salzberger oder Yedidia Z. Stern, Ruth Gavison, Anita Shapira, Gadi Taub, Shira Wolosky, Yaffa Zilbershats oder Alexander Yakobson und viele andere israelische Forscher*innen sind selbstkritische, aber dezidierte liberale oder linke oder einfach Mainstream-Zionist*innen. Ihnen Undifferenziertheit oder Rassismus zu unterstellen ist grotesk.

Doch Sie befassen sich mit solchen pro-israelischen (wie pro-palästinensischen) Stimmen ja gar nicht. Israel sollte nach deren Ansicht ein jüdischer und demokratischer Staat sein und bleiben, neben einem zu gründenden palästinensischen Staat. Das ist angesichts der arabischen und palästinensischen Weigerung (von Ausnahmen abgesehen, Ägypten, Jordanien, einige weitere hohe Offizielle der arabischen Welt) Israel anzuerkennen, nicht einfach, um es harmlos auszudrücken. Kein Mensch, der an der Existenz Israels interessiert ist, vergleicht deshalb (!) diesen Staat mit dem verbrecherischsten Regime aller Zeiten, dem Nationalsozialismus. Doch genau das tun Sie, indem Sie die ungeheuerliche Studie von Trezib als Dissertation annahmen und die Buchpublikation mit einem Vorwort unterstützen. Das ist keine Kritik, sondern eine Dämonisierung Israels und eine Trivialisierung des Nationalsozialismus auf typischste, allzu deutsche Art und Weise.

Nochmal: Immer nur den ANDEREN als den Täter und das Böse zu benennen, ohne die eigenen Anteile an einem Konflikt auch nur zu thematisieren, ist falsch und verkürzt. Aber wollen Sie wirklich darauf hinaus und vergleichen deshalb Israel mit Nazideutschland?

Ein negativer, unfassbarer negativer Höhepunkt für mein Verständnis einer Pro-Israelszene war das Beten für Trump vom Simon Wiesenthal Center (ich kenne diese Leute des SWC in NYC, Paris, LA, Jerusalem). Doch schon die regelrechte Hetze gegen John Kerry und die US-Administration (die ich viele Jahre regelmäßig scharf kritisierte, und auch als jemand, der exakt 2008, als Obama gewählte wurde, ein Jahr lang in USA lebte) sowie die UNSC Resolution 2334 im Dezember 2016 indizierten, wie wenig Reflektion in der Israelszene vorhanden ist.

Eine viel pro-zionistischere Rede wie jene von John Kerry haben wir selten von einem führenden Politiker gehört. Äußerst luzide, emphatisch, sachlich, fundiert, zukunftsorientiert, pro-israelisch und pro-palästinensisch (hätte das nicht David Ben-Gurion und die Staatsgründer*innen gefreut?). Gerade um Israel zu retten und die Einstaatenlösung zu verhindern, braucht es Mut und eine Kritik der Siedlungspolitik.

Wenn ich Leute, die ich teils viele Jahre kenne, höre, die meinen, diese Rede sei antiisraelisch, kann ich nur sagen: hört euch eine offizielle iranische Rede an, um eine antiisraelische Tonlage zu hören. (Pointe: iranische Reden sind auf Persisch, aber wer kann schon Persisch? Also ignorieren, wird schon so schlimm sein wie John Kerry). Viele anti-iranische Expert*innen sind ironischerweise oder absurderweise Leute, die gar nicht Persisch sprechen, lesen oder hören können. Die Irankritik hat Besseres verdient.

Wenn wir uns dann anschauen, dass Leute Trump womöglich als „Hegels List der Vernunft“ sehen, also den gefährlichsten Irrationalismus (und Antisemitismus) rationalisieren, ist das schlichtweg unfassbar. Dass der Sexismus, gerade von männlichen Autoren, derealisiert oder goutiert wird, klar. Aber auch antisemitische Verschwörungsmythen, von denen Trump voll ist, zu entwirklichen oder als listig zu rationalisieren, das ist neu für Leute, die behaupten, mal Kritische Theoretiker gewesen zu sein wie Gerhard Scheit.

Zentral dürfte sein, dass auch Ihre Leser*innen des Drecksblattes, sorry, der jw Sie womöglich gar nicht verstehen – oder aber Ihre Kritik sehr wohl kapieren, deren Pointe darin besteht, keine innerisraelische Kritik oder inner-israelsolidarische Kritik zu sein, sondern Agitation gegen Israel zu promoten, mit Koscherstempel. Weder können junge Welt-Leser*innen mit dem Einwurf, Antideutsche seien gar nicht antideutsch, etwas anfangen. Seit wann haben Vulgärmarxisten sich mit der deutschen Spezifik der politischen Kultur und des Antisemitismus und der Shoah je befasst? Diese Typen benutzen Sie, sehr geehrter Moshe Zuckermann, für Israelhass – oder benutzen Sie die jw und deren Umfeld für Ihre Ablehnung des Zionismus? Dass Ihnen als Israeli womöglich – ich weiß es nicht – an einer bestimmten Kritik am Rassismus in Israel (den es dort gibt wie in UK, AmeriKKKa oder Germany etc.), an einer Kritik am Groß-Israel der Siedler, oder der Kritik alltäglicher Diskriminierungen in der Westbank liegt – und Ihr Ziel nicht ist, Israel (als jüdischen und demokratischen Staat) zu zerstören, will das die junge Welt wissen? Glauben Sie das ernsthaft?

Sie schreiben:

„Und da begegnet man nun im deutschen Diskursfeld der nicht nur von Juden, sondern auch von nichtjüdischen Deutschen gemachten Unterstellung, diese Sorge um den Staat Israel und seine Gesellschaft – mithin das gegen alle Widerstände hochgehaltene Streben nach der Lösung des Konflikts zwischen Juden und Palästinensern und ihrer Versöhnung – sei das Werk ‚jüdischer Antisemiten‘ bzw. ‚sich selbst hassender Juden‘.“

Doch haben Sie tatsächlich Sorge um „den Staat Israel“ oder doch eher Sorge davor, nicht mehr der Vorzeigekoscherstempelverteiler für nicht-jüdische deutsche Antisemiten zu sein? Sorge um Israel ist nachvollziehbar. Und viele aus der selbst ernannten Israelszene habe die insofern in der Tat nicht, als sie sich mit dem Rassismus oder den extrem rechten, religiös-fanatischen wie nationalistischen Tendenzen der politischen Kultur wie der Gewalt der Siedler überhaupt nicht befassen und israelische, zionistische Kritik daran seit Jahrzehnten ignorieren.

Konkret schafft es nicht, luzide Israelsolidarität mit ebenso luzider Israelkritik zu verbinden. Da sind die Quadfasels dieser langweiligen und insofern elenden linken Israelszene häufig nur nicht-jüdische Bekenntnisisraelis, die sich um die konkreten Juden und deren Sorgen gerade ob des Judenstaates nicht scheren. Und doch sind die um Welten besser als die Israelhasser der jungen Welt und sonstiger Gruppen oder Forscher, die seit Jahrzehnten Sie einladen oder als Referent und Gutachter auswählen.

Auch viele Juden und Christen-für-Israel wie säkulare Agitator*innen scheren sich mitunter nicht um das konkrete Israel, sondern hetzen gegen „den“ Islam und „die“ Muslime. Nichtjüdische linke Aktivist*innen der Israelszene sind privat vielleicht gegen Trump und die extreme Rechte, aber öffentlich sind sie für Israel ohne Wenn und Aber und wenn das SWC für Trump betet und Bibi dem Narzissten ein Stelldichein gibt, dann ist Trump Pro-Israel und somit pro-jüdisch, auch wenn er am Holocaustgedenktag absichtlich (!) Juden als die einzige Opfergruppe der Shoah nicht erwähnt.

Und ich denke, das ist der Hinter-Grund Ihres Furors, der ins Schwarze trifft, oder besser gesagt: treffen könnte – angenommen, Freuds Unheimliches meinte nicht Sie.

Könnte nämlich auch sein, dass Ihnen Israel gerade nicht am Herzen liegt und sie den jüdischen Staat in einen binationalen, auf kurze Zeit arabischen Staat umgewandelt wissen wollen, dann wären Sie jedoch mit der dümmlichsten „Linken“ à la Judith Butler wie auch der hardcore Rechten wie mit Caroline Glick, den messianischen wie nationalistischen Siedlerfanatiker*innen oder auch Trump und Bibi in einem Boot.

Und Vergleiche der israelischen Landesplanung mit dem Generalplan Ost helfen, das Land weltweit zu dämonisieren, zu isolieren und zum Abschuss freizugeben. Merken Sie das ernsthaft nicht oder kichern Sie da klammheimlich, da Sie eh einen Rückzugsort in Germany haben?

Sie geben ja zu, dass es Ihnen gar nicht um konkrete Fehler (!) israelischer Politik geht, so wie das zionistische Kritik kennzeichnet, sondern:

„Die Frage, warum sich das zionistische Israel in eine historisch ausweglose Situation manövriert hat, soll hier aus der Logik des Zionismus selbst, also von einer ihm immanenten Perspektive erkundet werden.“[xi]

Solcherart Essentialismus, negativer, ja eine solche Ontologie des Zionismus ist völlig unpolitisch, da es dabei nicht um Fehler eines Staates geht, sondern um den Fehler des Staates an und für sich. Anarchistische Kritik, by the way, hat ihr gutes Recht, aber damit gerade bei Israel anzufangen, zeigt die Obsession es dem einzigen Judenstaat zu zeigen. Mit zionistischer Kritik an bestimmen Politiken Israels befassen Sie sich erst gar nicht, jedenfalls nicht für ihr deutsches Publikum, um das es ja geht, denn dieses Publikum ist Ihre Berufsgrundlage.

John Kerry hatte wie gesagt einen zionistischen Weg gewiesen, aber der wird nur diffamiert, gerade von der deutschen Israelszene, die nur nachbetet was die israelische Botschaft verkündet. Selber denken: geht nicht, aus geistigen Kapazitätsgründen nicht. Schon als Bibi meinte, der Mufti von Jerusalem, der üble Nazihelfer, hätte Hitler erst den Holocaust schmackhaft machen müssen, merkte man doch, wie absurd, antiwissenschaftlich und gleichsam fanatisch antimuslimisch (und nicht mehr antiislamistisch) hier gedacht wird.

Und wie anti-antideutsch. Wenn nämlich der Mufti Hitler zur Shoah inspirierte, war sie also eine primär muslimische Tat und da sind wir dann bei Werbekampagnen der verschwörungsmythischen Agitatorin Pamela Geller aus New York City, die auf Bussen plakatieren ließ (Bild: der Mufti im Gespräch mit Hitler, November 1941): „It’s in the Quran“. Viel mehr anti-antideutsche Ideologie geht kaum.

Aus meiner editorischen Vorbemerkung zu „Der israelische Nationalstaat“ von Fania Oz-Salzberger und Yedidia Z. Stern (Hrsg.), Januar 2017:

„Mit einem US-Präsidenten Trump als „Freund“ – manche „Marxisten“ sehen in ihm gar Hegels „List der Vernunft“, manche Juden und gewisse Israelis (wie der israelische Innenminister Arye Dery) die Ankunft des „Messias“ und eine große amerikanisch-jüdische NGO (das Simon Wiesenthal Center, repräsentiert durch seinen Gründer und Vorsitzenden Rabbi Marvin Hier) betete für Trump auf dessen Inauguration – und der beschriebenen Gefahr der Einstaatenlösung braucht Israel seriöse, liberale, linke und demokratische Stimmen. Für die israelische Soziologin Eva Illouz, die sich an Sigmund Freuds Analyse des Unheimlichen anlehnt, indiziert die positive Reaktion auf Trump ein „Erdbeben“ in der „jüdischen Welt“. Hatten Juden bislang gegen Antisemitismus und für Menschenrechte gekämpft, so stehen sie nun, so Illouz, angesichts von Trump in nicht geringen Teilen Seite an Seite mit antisemitischen Positionen und einer Unzahl weiterer auch für die Demokratie und die Menschenrechte (für alle Bewohner*innen) in Israel gefährlichen Gruppen, Personen und Tendenzen. Umso wichtiger ist es, Israel als jüdischen und demokratischen Staat zu festigen. Möge dieser Band eine Anregung zur zivilisierten Debatte, eine Stimme der zionistischen Vernunft sein – in Zeiten von Jihad und islamistischem oder säkularem Antisemitismus (wie BDS) sowie der Kakophonie eines Philosemitismus und Philoisraelismus.“

Sie haben Recht, wenn Sie darauf zielen, dass viele Aktivist*innen in der (mini-kleinen, by the way) Israelszene Rassismus in Israel nicht sehen wollen, dabei ist das unter linken oder liberalen Israelis selbstverständlich, den zu erkennen, zu kritisieren und zu bekämpfen.

Doch da kommt wieder Freuds Analyse des Unheimlichen ins Spiel. So nachvollziehbar, aus zionistischer Perspektive als „heimlich“ im Sinne von „heimelig“, „bekannt“ oder „daheim“ Ihre Kritik an der in weiten Teilen völlig unreflektierten Israelszene ist (deren Einigeln in einem selbstreferentiellen Kokon wiederum insofern verständlich ist, da so unglaublich viele andere Gruppen antiisraelisch hetzen, von BDS über Jihadisten hin zur Mitte der Gesellschaft), so unheimlich, monstermäßig, gruselig verwandelt sie sich durch Ihr Agieren, das absichtlich wirkt.

Sie promoten anti-israelische Agitatorinnen wie Tamar Amar-Dahl, der gerade ein linker Zionist und den Ausgleich mit den Palästinensern suchender Präsident wie Shimon Peres abscheulich vorkommt, und Sie unterstützen antisemitische Ressentiments und den widerlichen Nazi-Israel-Vergleich via der Studie von Trezib, um nur diese beiden Beispiele heranzuziehen. Amar-Dahls Doktorvater war der Rechtsaußen Horst Möller, Herausgeber des Buches mit dem antisemitischen, Holocaust trivialisierenden Titel „Der Rote Holocaust“. Sie waren Zweitgutachter Amar-Dahls, wie bei Trezib. Querfront ick hör dir trapsen. Honni soit qui mal y pense.

Auf eine Frage der Internet-Zeitschrift „Hintergrund“ zur Amadeu Antonio Stiftung (AAS) sagen Sie[xii]:

„Ich bitte Sie, wozu sich überhaupt damit befassen, was die Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung unbeschwert in die Welt setzt? Ich weiß nicht wer diese Frau ist. Aber wenn ich dem folge, was Sie von ihr berichten, habe ich das Gefühl, es handelt sich um eine ehemals stramme SED-Anhängerin, vielleicht sogar noch mehr, die heute versucht, ihre Vergangenheit so zurechtzurichten, dass sie mit der Ideologie  des gerade in Deutschland wehenden Zeitgeistes vereinbar ist. Ich könnte mir denken, sie war selbst mal eine dezidierte Antizionistin, die jetzt versucht, ihre ‚Jugendsünden‘ wiedergutzumachen. Das sei ihr auch psychologisch zugestanden – ich weiß nur nie, warum diese Leute immer meinen, ihre lebensgeschichtlichen Defizite und die damit einhergehenden ‚Reuen‘ in allgemeine Kategorien fassen und durch hanebüchene Ideologien kompensieren zu sollen. Bitte sehen Sie mir nach, dass ich nicht meine, mich mit den Auslassungen der Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung befassen zu müssen.“

Da lacht der Nazi aus Oberschöneweide oder aus dem Wendland und die Junge Freiheit würde Sie sicher gerne als Autor gewinnen. Um das zusammenzufassen: Sie, Herr Zuckermann, kennen die Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, überhaupt nicht, nennen sie auch nicht mit ihrem Namen – warum sollte auch ein Mann eine erfolgreiche NGO-Aktivistin, die zudem im Gegensatz zu ihm gegen Antisemitismus aktiv ist, ernst nehmen, gell? –, insinuieren, die Ihnen nicht bekannte Frau sei womöglich früher Antizionistin gewesen und habe „lebensgeschichtliche Defizite“ und somit wollen Sie den Kampf gegen Antisemitismus quasi als kalkulierte Kompensationsmaßnahme möglicher „lebensgeschichtlicher Defizite“ unbekannter Frauen diminuieren, ja völlig lächerlich machen.

Jovial gestehen Sie der Ihnen gar nicht bekannten Frau zu, mögliche und von Ihnen in den Raum geworfene „Jugendsünden“ zu bereuen. Antisemitismus- und Islamismuskritik wie auch Kritik am Antisemitismus in der DDR (darum ging es in der Frage der Postille „Hintergrund“) also nur als vorgeschobene Gründe. Mit dieser Argumentation können Sie bei jeder rechtsextremen Gruppierung „besorgter Bürger“ mit Handkuss aufgenommen werden, nicht nur in Sachsen oder Thüringen.

Wieso werfen Sie dem Zionismus seine Grundlage vor (!), dass nämlich der Zionismus die Diaspora negiert?[xiii] Viele Juden sind Zionisten und leben doch in der Diaspora, dazu gibt es unzählige Debatten und Texte, ein einziger Besuch in einem JCC (Jewish Community Center) in USA reicht, um das zu erleben (wie in New Haven, CT). Die Diaspora und Israel ergänzen sich, das ist seit 1948 ein großes innerjüdisches Thema, das jetzt durch Trump und den neuen US-Botschafter in Israel, Friedman, der linke Zionisten als “schlimmer als Kapos” diffamiert hat, in USA enorme Aktualität bekommen hat, wie der bekannte Journalist Rob Eshman aus Los Angeles unterstreicht.

Dann sind Sie eben ein Antizionist und keineswegs ‚nur‘ ein Nichtzionist. Dabei negieren Sie, dass der Zionismus keineswegs aus dem Antisemitismus entstand, jedenfalls nicht nur, sondern ganz wesentlich eine Rückkehr darstellte und darstellt, die Sehnsucht nach einer Rückkehr zu jüdischer politischer Souveränität, die ab 1948 staatliche Realität wurde. Jede Forscherin und jeder Forscher zum Zionismus weiß das. Doch mit diesem Nichtwahrhabenwollen der Raison d’être des Zionismus stehen Sie gar nicht alleine, nicht wenige in der (antideutschen) Israelszene denken auch, Israel sei nichts als ein Zufluchtsort. Völlig falsch.

Es ist ein Wunder, dass es Israel trotz der Shoah gibt – und nicht wegen der Shoah, die sechs Millionen Juden das Leben nahm, von Deutschen organisiert und ausgeführt (sowie Helfern in ganz Europa). Viele denken auch der Holocaust sei der Grund für den Judenstaat und viele Antideutsche unterstützen Israel nur bis zur Revolution. Nach dem Kommunismus gibt’s kein Israel mehr. Tja. Insofern verständlich dass viele selbst ernannte Antideutsche sich wenig mit Israel beschäftigen bzw. primär mit dem Strand oder Nachtleben von Tel Aviv und dem Essen – da viele Israelis nicht so unbedingt super begeistert wären, nach der Revolution ohne jüdische Souveränität dazustehen und sich von den Bahamas sagen zu lassen, dass das mit der Beschneidung jetzt nicht mehr gehe.

(leicht veränderte Version, 05.09.2017).

 

[i] Mosche Zuckermann (1989): Das Trauma des „Königsmordes“. Französische Revolution und deutsche Geschichtsschreibung im Vormärz, Frankfurt a.M.: Athenäum, 373.

[ii] Moshe Zuckermann (2003): Zweierlei Israel? Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß, Hamburg: Konkret (texte 34), 137.

[iii] Joachim Nicolas Trezib (2014): Die Theorie der zentralen Orte in Israel und Deutschland. Zur Rezeption Walter Christallers im Kontext von Sharonplan und „Generalplan Ost“. Mit einem Vorwort von Moshe Zuckermann. Herausgegeben vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch‐jüdische Studien, Potsdam in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin‐Brandenburg, Redaktion: Werner Treß, Band 3, Oldenburg: De Gruyter.

[iv] Die folgenden paar Abschnitte sind aus Clemens Heni (2016): Vorwort: Zionismus und die Realität an deutschen Universitäten heute, in: Wiebke Dursthoff (2016):  Kibbutz und Bauhaus. Arieh Sharon und die Moderne in Palästina, Berlin: Edition Critic, 10–18.

[v] „Das Angebot der Deutschen, Beschneidung Unmündiger nicht als Körperverletzung verfolgen zu lassen, ist so faul wie jeder Kompromiß zwischen Tätern und Opfern. Was zu verlangen wäre, wird nicht verlangt: eine Erklärung, daß die Beschneidung nicht bestraft werden kann, weil die Deutschen das Recht, Juden Gebräuche ihrer Gemeinschaft zu untersagen, durch Auschwitz verwirkt haben, wenn nicht für immer, so doch auf eine ihren Verbrechen angemessene Zeit, sagen wir: auf tausend Jahre. So würde das besinnungslose Geschwätz vom ‚besonderen Verhältnis zu den Juden‘ endlich einmal wahr“ (Hermann L. Gremliza (2016): Haupt- und Nebensätze, Berlin: Suhrkamp, 134). Das ist der Unterschied zwischen antideutscher Kritik und den Bahamas und deren jungdeutschen Regimentern, by the way.

[vi] Moshe Zuckermann (2012): Wider den Zeitgeist. Bd. 1. Aufsätze und Gespräche über Juden, Deutsche, den Nahostkonflikt und Antisemitismus, Hamburg: Laika-Verlag.

[vii] Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin: Edition Critic.

[viii] Moshe Zuckermann (2014): ‚Antifaschismus‘ als falsches Bewusstsein. Ein ideologiekritisches Gespräch mit Moshe Zuckermann (mit Susann Witt-Stahl), in: Susann Witt-Stahl/Michael Sommer (Hrsg.): „Antifa heißt Luftangriff“. Regression einer revolutionären Bewegung, Hamburg: Laika-Verlag, 181–201, 189.

[ix] „Du kriegst Frühlingsgefühle, sind die Blumen am Blühen
Ich hingegen schiebe Krise, kriege Lust zu planieren
Hörst du die Sträucher rascheln? Hörst du die Äste knacken?
Wenn wir Bäume fällen, Platz für die Städte schaffen
Abgas, Abgas über alles, über alles in der Welt
Fick die Sonne, wir verdunkeln nun das Himmelszelt
In die Seen kippen wir Benzin
Asphalt macht Spaß, Grau ist das neue Grün“, „Das grelle Neonlicht vernichtet jede Finsternis
Ich bestelle etwas Noppenschaum im Internet
Crystal Meth, Synthetik Ästhetik
Die Natur ist mein Feind auf ewig
Tankstellendämpfe, schmelzendes Plastik
Geschmacksverstärker – ich bin ein Stadtmensch“, „Beton“, Song der Antilopengang auf dem ansonsten hörenswerten Album „Aversion“, https://genius.com/Antilopen-gang-beton-lyrics (eingesehen am 12.03.2017).

[x] Konkret 2/17, S. 31.

[xi] Moshe Zuckermann (2014): Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt, Wien: Promedia, 9.

[xii] Zuckermann 2012, 177.

[xiii] Gespräch mit Moshe Zuckermann (2002), in: Karin Joggerst (2002): Getrennte Welten – Getrennte Geschichte(n)? Zur politischen Bedeutung von Erinnerungskultur im israelisch-palästinensischen Konflikt, Münster/Hamburg/London: LIT Verlag, 111–116, 112.

©ClemensHeni

Antisemitismus und der „Israel-Nazi-Vergleich“ – nicht nur die „üblichen Verdächtigen“

Von Dr. phil. Clemens Heni, 6. März 2017

Der Vergleich und die Gleichsetzung von Juden und Nazis sowie von Israel und dem Nationalsozialismus ist eine weit verbreitete Form des heutigen Antisemitismus. Dieser Vergleich von Juden und Israel mit Nazis trivialisiert nicht nur den SS-Staat und die Shoah, er meint eine Schuldumkehr. Die ehemaligen Opfer seien zu Tätern geworden, und zwar auf dem gleichen unsagbaren Level, das die präzedenzlosen Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland kennzeichnet. Manchmal werden auch Juden oder Israelis als heutige Kollaborateure mit Nazis (die als Palästinenser, Araber oder Muslime vorgestellt werden) diffamiert und israelische politische Souveränität geleugnet.

Die Sprachwissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel von der Technischen Universität Berlin schreibt 2015 in einem Text für die Bundeszentrale für politische Bildung:

„Während Rechtsextreme sowohl formal als auch inhaltlich nahezu identisch nationalsozialistische Sprachgebrauchsmuster aufgreifen und den Holocaust leugnen, führen linke und mittige Schreiber den Holocaust als Vergleichsgröße an, um die aktuell lebenden Juden in Israel zu diffamieren, indem die Militäraktionen Israels mit dem gezielten Massenmord in der NS-Zeit gleichgesetzt werden. Die Sprachmuster des Nationalsozialismus werden der ideologisch-politischen Einstellung gemäß angepasst und über Antizionismus ausgedrückt: Die Rede ist dann von den ‚faschistischen Zionisten und ihren SS-Methoden‘.“

Auf unzähligen Anti-Israel Demonstrationen von San Francisco über Berlin, Madrid, Frankfurt, Paris, Brüssel oder London, Teheran, Kairo, Tunis und vielen weiteren Orten auf der ganzen Welt sind wir solche Diffamierungen des Judenstaates fast schon gewohnt und sehen es dann in den Nachrichten. Bei jedem größeren Konflikt werden diese antisemitischen Vergleiche intoniert, zuletzt und auf nie dagewesene Weise während des Anti-Hamas-Krieges Israels im Sommer 2014, häufig von Muslimen, aber auch anderen Antizionisten, die teils sogar die nicht vollständige Vergasung der Juden damals bedauern und den ‚Job‘ zu Ende bringen wollen.

Der Historiker Robert S. Wistrich hat viele Israel-Nazi Vergleiche in seiner umfassenden Geschichte des Antisemitism – A Lethal Obsession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad, New York: Random House, 2010 – aufgeführt, analysiert und kritisiert.

In seiner „monumentalen“ Study in History hat in den 1950er Jahren der britische Historiker Arnold Toynbee demnach die Juden in Palästina als „Abkömmlinge der Nazis“ diffamiert. Das wurde von Zeitgenossen Toynbees begierig aufgegriffen, so von Glubb Pascha, Sir Edward Grigg (Lord Altrincham) und vor allem Sir Edward Spears. Letzterer fantasierte, die Juden in Palästina hätten das Nazikonzept des „Lebensraums“ adaptiert und würden sich als „Herrenrasse“ aufspielen.

1982 sprach die britische trotzkistische Zeitung „The News Line“ von der „Endlösung“ des Palästinenserproblems. Viele linke antisemitische Gruppen und Autor*innen agitierten gegen Israel, gerade auch linksradikale (bzw. reaktionäre) Gruppierungen, wie der Historiker Thomas Haury schon vor Jahren festhielt: „Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen“ (Schwarze Ratten/Tupamaros Westberlin, 1976).

Der Holocaustüberlebende Vladimir Jankélévitch schrieb 1971:

„Der ‚Antizionismus‘ ist in dieser Hinsicht ein ungesuchter Glücksfall, denn er gibt uns die Erlaubnis und sogar das Recht, ja selbst die Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist der gerechtfertigte, schließlich jedermann verständlich gemachte Antisemitismus. Er ist die Erlaubnis, demokratischerweise Antisemit zu sein. Und wenn die Juden selbst Nazis wären? Das wäre wunderbar. Es wäre nicht länger nötig, sie zu bedauern; sie hätten ihr Los verdient. So entlasten sich unsere Zeitgenossen von ihrer Sorge.“

In einer Rede im Juli 2002 sagte der saudi-arabische Botschafter in Großbritannien, Ghazi al-Qusaibi, auf einer wissenschaftlichen Konferenz an der Universität von Westminster, die Operation Schutzschild sei „viel schlimmer als alles was die Deutschen taten, als sie Europa im Zweiten Weltkrieg besetzten.“ Die Sowjetunion, die PLO und die arabischen Staaten kreierten in unterschiedlicher Tonlage die Gleichung „Zionismus = Rassismus = Nazismus“. Am 5. Juli 1967 sagte der Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, es scheine so, als ob die Israelis „die Verbrechen der Hitlerschen Invasoren kopieren“ wollten.

Britische Muslime kooperierten mit der Schottischen Palästinasolidaritätskampagne, die den Zionismus diffamierte und behauptete, die Zionisten hätten den Nazis beim Holocaust geholfen. Ein britischer Pfarrer, Rev. Richard Spencer schrieb im Januar 2003, das was in Ramallah an „Leiden“ geschehe, könne er sich nur in „Auschwitz“ vorstellen.

Laut Wistrich war der schwedische Ministerpräsident Olof Palme der vielleicht erste westliche Staatsmann, der 1969 Israel als „Nazistaat“ verleumdete. Im August 2006 wurde der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Caracas in Venezuela in der Wochenzeitung Los Papeles de Mandinga als eine Art „SS Obergruppenführer“ dargestellt, der jede Kritik an Israels „Genozid“ als „Antisemitismus“ bezeichne. Der Präsident Venezuelas zu der Zeit, Hugo Chavez, diffamierte Israel auf einem Staatsbesuch in China im August 2006, es sei sogar schlimmer als Hitler, bei anderer Gelegenheit sprach Chavez von einem „neuen Holocaust“, den Israel verübte.

Auf einer Holocaustleugnerkonferenz im jordanischen Amman 2001 wurden die Holocaustleugner Roger Garaudy und Robert Faurisson gefeiert und es wurde antisemitisch agitiert, der Zionismus sei schlimmer als der Nazismus. Auch die islamistische Terrororganisation Hamas sieht im Zionismus eine Ähnlichkeit mit dem Nazismus, so Wistrich. Mehr noch: selbst weltberühmte Literaturwissenschaftler und Schriftsteller wie der in England lebende George Steiner haben die unglaubliche Perfidie salonfähig gemacht, Juden und Israel mit Nazis zu analogisieren. In seinem Theaterstück The Portage to San Cristobal of A.H. von 1981 wird eine groteske Story erzählt. Ein 90jähriger fiktionaler Hitler wird im südamerikanischen Dschungel von Israelis gefangen genommen. Dieser Hitler meint, er habe die Idee von der Herrenrasse von den Juden und der hebräischen Bibel gelernt, ja er führt sich als Fan von Theodor Herzls „Der Judenstaat“ auf.

Vor diesem Hintergrund sind nun weniger bekannte Formen dieses antisemitischen Vergleichs von Juden und Nazis beziehungsweise von Israel und dem Nationalsozialismus, bemerkenswert.

Kommenden Donnerstag, den 9. März 2017, wird über den neuen amerikanischen Botschafter in Israel, David Friedman, abgestimmt. Friedman schrieb im Juni 2016:

Finally, are J Street supporters really as bad as kapos? The answer, actually, is no. They are far worse than kapos – Jews who turned in their fellow Jews in the Nazi death camps. The kapos faced extraordinary cruelty and who knows what any of us would have done under those circumstances to save a loved one? But J Street? They are just smug advocates of Israel’s destruction delivered from the comfort of their secure American sofas – it’s hard to imagine anyone worse.“

Anhänger der linken, liberalen, jedenfalls nicht rechten und in jedem Falle zionistischen, pro-israelischen, aber Anti-Siedlungs-NGO J Street aus USA seien also „viel schlimmer als Kapos“ in den KZs der Nazis bzw. der Deutschen. Wie fanatisch muss man sein, wie obsessiv Fakten verdrehend, dass man eine sich als pro-israelisch definierende NGO als antiisraelisch diffamieren kann und sie mit den von den Nazis bestimmten Kapos vergleicht?

Somit werden Vertreter*innen und Anhänger*innen von J Street als Sklaven, ‚Funktionshäftlinge‘ (als Kapos fremdbestimmt wurden ja nicht nur Juden, was Friedman gar nicht zu wissen scheint) oder eben Kapos eines heutigen (!) Nazismus diffamiert – der dann wohl eine Art liberaler Zionismus ist? Also Links-Zionismus = Nazismus? Oder aber als Herrschaft der Palästinenser, Araber oder Muslime, deren Abhängige eine große NGO in USA wie J Street sei – eine Verschwörung, die keiner kennt? Ein typischer Trumpismus also?

Und wo ist der große Aufschrei in der deutschen Pro-Israel-Szene? Oder sind da nur klammheimliche Schenkelklopfer, da endlich mal einer den linken Zionisten so richtig einen vor den Latz geknallt hat und damit als Diplomat (!) durchkommt?

Das erste Mal in ihrer Geschichte hat sich die größte Gruppe der Juden in USA, die Union for Reform Judaism, gegen die Nominierung eines US Botschafters in Israel ausgesprochen. Auch der National Council of Jewish Women ist gegen Friedman. Die bekannten großen NGOs wackeln wie immer opportunistisch hin und her, um ja nicht den „Kontakt“ zum Weißen Haus zu verlieren (AIPAC, ADL, AJC) und die rechten Organisationen wie die Zionist Organization of America (ZOA) oder die Orthodox Union unterstützen Friedman.

Der religiöse jüdische Terrorist Baruch Goldstein hat am 25. Februar 1994 am Grab des Patriarchen in Hebron (Westjordanland) an Purim bzw. im Ramadan um 5 Uhr morgens mit einem Sturmgewehr 29 Palästinenser*innen ermordet und 150 verletzt und wurde danach erschlagen. Eine an Perfidie schwer überbietbare Analogie zur Shoah wird in folgender Passage deutlich:

„Rabbi Dov Lior, Rabbiner von Hebron und Kirjat Arba, einer der berüchtigtesten Extremisten unter den Rabbinern der Siedlungen, sagte unmittelbar nach dem Massaker, Goldstein sei ein Heiliger und Märtyrer; er ging sogar soweit, Goldstein als einen Märtyrer ähnlich der Märtyrer des Holocaust zu beschreiben.“

Am 4. November 1995 wurde der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin von dem rechtsextremen und religiösen Fanatiker Jigal Amir, Student an der Bar-Ilan Universität, erschossen. Die Agitation gegen Rabin war unfassbar und hat sich über einen langen Zeitraum hochgeschaukelt, wie der Professor für Rechtswissenschaft, der Politiker, Abgeordnete der Knesset und Bildungs- und Kultusminister unter Rabin, Amnon Rubinstein (geb. 1931) in seinem Buch Geschichte des Zionismus 1998 (deutsche Ausgabe 2000) eindrücklich berichtet, aus dem auch obiges Zitat zu Rabbi Lior stammt.

 

Interessant wäre jetzt, was die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), Scholars for Peace in the Middle East (SPME) German Chapter, die pro-israelische Bloggerszene, jüdische Zeitungen und sich selbst als proisraelisch vorstellende Autor*innen, die häufig und völlig zu Recht den islamistischen, linken oder Mainstream Antisemitismus wie den Vergleich von Israel mit Nazideutschland oder Juden und Nazis kritisieren und scharf attackieren, dazu sagen werden:

„Selbst vor Vergleichen mit dem Judenrat im Ghetto schreckte man nicht zurück. Bei einer Sitzung der Oppositionsparteien am 5. September 1993 entwickelte der Abgeordnete Uzi Landau dieses Konzept: ‚Auch dort unterstützte die Leitung der Ghettos die Durchführung des Liquidationsplans‘. Der Abgeordnete Benny Begin bemerkte: ‚Man sollte Vorsicht walten lassen, wenn man solche Kommentare abgibt.‘ Aber Landau antwortete: ‚Dies ist genau der Vergleich, der gezogen werden muß.‘ Ariel Scharon erklärte sogar, das, was die Rabin-Regierung tue, sei noch schlimmer als das, was die Judenräte während des Holocaust getan hätten: ‚Was ist der Unterschied zwischen dem Gemeinderat im Ghetto und der Regierung? Dort waren die Juden gezwungen, mit den Nazis zu kooperieren – hier tut die Regierung es aus eigenem Antrieb.‘“[i]

 

[i] Das ist zugleich die Auflösung des Rätsels, das ich heute Vormittag in den virtuellen Raum stellte:

Quiz am sehr frühen Montagmorgen: von wem stammt folgendes Zitat über eine israelische Regierung – richtige Antwort: ein Exemplar von Fania Oz-Salzbergers und Yedidia Z. Sterns “Der israelische Nationalstaat” (Edition Critic 2017) als Geschenk:

“Was ist der Unterschied zwischen dem Gemeinderat im Ghetto und der Regierung? Dort waren die Juden gezwungen, mit den Nazis zu kooperieren – hier tut die Regierung es aus eigenem Antrieb.”

1) Norman Finkelstein
2) Moshe Zimmermann
3) Redaktion Konkret
4) Ariel Scharon
5) Judith Butler
6) ARD Tagesthemen
7) Micha Brumlik
8) David M. Friedman (US-Botschafter in Israel unter Trump)
9) Rabbi Dov Lior
10) Steve Bannon“.

©ClemensHeni

Trump, Zionism and Antisemitism

Von Dr. phil. Clemens Heni, 22. Februar 2017

Times of Israel (Blogs)

Several Jewish and non-Jewish NGOs, scholars, activists, bloggers and authors believe, the Trump administration will fight antisemitism and will be helpful both for Jews and Israel.

Their derealization of sexism is shocking enough. But no surprise either.

Let’s have a look at Trump, antisemitism and Zionism alone.

Scholars for Peace in the Middle East (SPME) argues that Trump might consider strong anti-BDS legislation. The Simon Wiesenthal Center prayed for Trump at the inauguration and the Louis D. Brandeis Center  is hopeful that Trump will be fighting antisemitism, too.

Journalist Benjamin Weinthal (Jerusalem Post) and his colleague from SPME, Asaf Romirowsky, claim:

In late December, with just weeks left in his administration, former U.S. President Barack Obama delivered a shot in the arm to the anti-Israel Boycott, Divestment, Sanctions movement, or BDS. Obama instructed the U.S. ambassador to the United Nations, Samantha Power, to abstain instead of vetoing a U.N. Security Council resolution rebuking Israeli settlement activity.

Resolution 2334 deems Israel’s presence in disputed territories in the West Bank and East Jerusalem to be illicit. Combined five days later with a didactic anti-Israel speech from Secretary of State John Kerry, the resolution administered a body blow to Israel’s brand.

The Middle East Forum’s (MEF) director Greg Roman attacks the resolution 2334, which is no surprise, but still lacks a scholarly analysis of the resolution. The Simon Wiesenthal Center puts the Obama Administration on place one of their “Top-Ten worst global antisemitic and anti-Israel incidents 2016”:

The most stunning 2016 UN attack on Israel was facilitated by President Obama when the US abstained on a UN Security Council resolution condemning Israel for settlement construction.

What says United Nations Security Council Resolution 2334 from December 2016?

Expressing grave concern that continuing Israeli settlement activities are dangerously imperilling the viability of the two-State solution based on the 1967 lines.

That is not antisemitic. On the contrary, the UNSC again reaffirms the very existence of Israel!

John Kerry’s speech was even clearer and very pro-Zionist:

This is an issue which I’ve worked on intensely during my time as Secretary of State for one simple reason: because the two state solution is the only way to achieve a just and lasting peace between Israelis and Palestinians. It is the only way to ensure Israel’s future as a Jewish and democratic state, living in peace and security with its neighbors.

This is exactly the position of leading Zionist scholars in the field, such as Fania Oz-Salzberger, Yedidia Z. Stern, Gadi Taub, Ruth Gavison or Anita Shapira, at least in my reading of their book “The Israeli Nation-State” from 2014, which I just translated into German (with my colleague Dr. Michael Kreutz) and published the book (456 pages) this week.

John Kerry wanted to “ensure” that Israel is a Jewish and democratic state. Period.

However, the self-declared pro-Israel establishment in the US or Germany, runs riot against resolution 2334 and the Obama administration. Now they embrace Trump, more or less.

Even Kenneth Marcus from the Louis D. Brandeis Center, known for thoughtful analysis and scholarship in antisemitism, rejects any analysis of the very specific way Trump fueled antisemitism in the last 15 months or longer. Marcus rather obfuscates the very new climate in the US after the election of Trump and says:

“In today’s heated political climate Marcus said anti-Semitism is rampant in both pro-Trump supporters and anti-Trump groups, among others, and should not be attributed to one source.“

It is not news that leftists are anti-Zionist, for example, but it is news that the neo-Nazi Alt Right is now sitting in the White House (Steve Bannon, Breitbart). And the unbelievable increase of antisemitic incidents in the US has very close connection to the extrem right and not to the left. Neo-Nazis have been emboldened by Trump, no doubt about this.

Marcus concludes (this is from a report about a talk he gave) and even sees Trump as a possible ally:

“The Trump Administration could be another factor in the battle against anti-Semitism. (…) Marcus credited the Trump campaign for issuing a statement expressing concern about campus anti-Semitism, and for comments indicating that the Department of Justice would address university suppression of Jewish pro-Israel speech. Marcus doesn’t know if any of this will translate into policy, but he’s hopeful.“

Crediting Trump – unbelievable.

Then, those in the pro-Israel camp who defame Kerry should listen to a single speech by Iranian President Ayatollah Ali Khamenei in order to learn how an anti-Israel speech sounds like. Then, they should listen to John Kerry’s speech about resolution 2334 and rethink their unprofessional remarks that Kerry‘s speech was a “didactic anti-Israel speech” as Weinthal and Romirowsky frame it.

If it is anti-Israel to support the Jewish and democratic state of Israel and to be against religious and nationalist fanaticism and the settlements, read: to be for a two-state solution, than most Israelis and Jews in the US and worldwide are anti-Israel.

Palestinian rejectionism is a huge problem, of course, ever since 1947 and before.

But Israeli fanaticism is also a huge problem, just listen to the six Shin Bet directors between 1980 and 2011, who are interviewed in the Oscar nominated film “The Gatekeepers” by Dror Moreh in 2012, featuring Ami Ayalon, Avi Dichter, Yuval Diskin, Carmi Gillon, Yaakov Peri, Avraham Shalom. They emphasize that the Palestinians are not just terrorists. They are political subjects and need political acceptance by Israel (and of course, vice versa, but that is NOT news).

We need a political solution, not a military solution, that is their message – and thesse former Shin Bet directors from 1980 through 2011 might know more about the Palestinians and how to fight terrorism and how not and what is good or bad for Israel than American or European activists.

But there are also those Israeli fanatics in the 1990s, including Benjamin Netanyahu, to be sure, who agitated against Yitzhak Rabin, as the film shows, until Rabin was killed, November 4, 1995. How does Israel look like today?

A Question to all those American and other Trump supporters: Is it a sign of a particular pro-Jewish approach to omit the mentioning of Jews as the only victims of the Shoah on Holocaust Remembrance Day, January 27, 2017? Historian Deborah Lipstadt called Trump’s statement a “softcore Holocaust denial.”

Finally, and most importantly, if it is pro-Israel to destroy the Jewish state and to invoke or mention (as a result of stupidity, thoughtlessness or by intention) the “one-state solution” as President Trump did during his shocking and embarrassing press conference with Netanyahu on February 15, 2017, then things are turned upside down. Trump and his folks will call it “alternative facts.”

PRESIDENT TRUMP:  So I’m looking at two-state and one-state, and I like the one that both parties like.  (Laughter.)  I’m very happy with the one that both parties like.  I can live with either one.“

No problem for the Simon Wiesenthal Center (SWC), Scholars for Peace in the Middle East (SPME) or the Louis D. Brandeis Center and their allies?

David Horowitz from the Times of Israel concludes:

“And yet, by allowing Trump’s talk of a possible single entity between river and sea to pass without contradiction, Netanyahu himself dealt a stinging, public blow to the Israel we are living in today. For if our prime minister is unwilling to speak up, loudly and clearly, in defense of a Jewish, democratic Israel within internationally recognized borders, who else will? Certainly not President Donald Trump.”

©ClemensHeni

Haaretz embraces Trump, Arendt and the one-state solution

Von Dr. phil. Clemens heni, 17. Februar 2017

Times of Israel (Blogs)

In an article in Haaretz, February 16, 2017, Chemi Shalev invokes Hannah Arendt and her bestselling study “Origins of Totalitarianism.” Arendt introduced the highly problematic concept of “totalitarianism” in 1951, an extremely unhelpful concept, today dedicated to equate left and right, Nazis and Communists. Shalev shares her equation of right and left:

“To create the ‘artificially fabricated insanity’ on which they depend, the Nazis produced hatred of Jews, and the Communists enemies of the people, creating common ground for isolated individuals and giving them a new, unifying ‘self-definition.’”

As all know in Israel, Arendt was among the worst commentators on the Eichmann trial. In Germany, this is among the reasons, people like her so much, by the way.

Most importantly for us today is Arendt’s obsessive anti-Zionism as early as in the mid-1940s. Her article “Zionism reconsidered” from 1945 was a blast to the political Zionist movement, just months after the Shoah ended.

Among the worst things, a scholar can do, is comparing her to Critical Theory, Horkheimer, Adorno, Marcuse etc. (I never understood why my colleague Lars Rensmann, also a political scientist, embraces the analogy or relationship of Arendt and Critical Theory, although we know that both detested each other, Critical Theory Arendt and Arendt Critical Theory, for many reasons. However, it is highly fashionable topic in academia, to be sure, regardless if it is relevant or not.)

Critical Theory was Marxist and pro-Israel, despite the difficulties Horkheimer had with the Jewish STATE.

Arendt, though, was against political Zionism, she favored a “binational” solution. Like Trump!

Trump just said two days ago at the press conference with Netanyahu in the White House, he is fine with a ” two-state solution OR a one-state solution.”

Shockingly, Haaretz’s Chemi Shalev is in favor of Arendt as a forerunner of Trump in that respect — while using Arendt as a critic of Trump’s mob-elite relationship:

Trump’s most ludicrous moment of the evening, of course, came when he uttered his “one state, two state, whatever” formula, which sounded like a ham-handed effort to fulfill a request from the Prime Minister’s Office not to complicate Netanyahu’s life with his coalition back home. One can understand Trump, for whom words are not cardinal and who can simply deny he ever said them or accuse the media of distorting them, even though they were broadcast on live TV. The rest of the world however, has no choice but to take Trump’s statements seriously, irresponsible as they were because he is, unbelievable as it remains, the president of the United States.

The irony is that talk of a one-state solution can also take one back to Arendt, whose early Zionism developed into ambivalence in her later years. Arendt supported a Jewish “homeland” in Palestine and was a great admirer of the social and cultural achievements of the pre-State Yishuv, which she saw as redesigning the modern Jew. But she also supported a one-state solution, as it is defined today, that is a binational Jewish-Arab state along the lines advocated by philosopher Martin Buber and Hebrew University president Judah Magnes, and who knows, because he really doesn’t care, Donald Trump as well.

Arendt would have been fine with that! Just re-read her “Zionism reconsidered” from 1945. Kurt Blumenfeld was furious about it, like his friend Gershom Scholem. Scholem once was a binational Zionist from the Brith Shalom group in the 1920s and early 1930s, but around 1936 Scholem had become a political Zionist, fighting on the rooftops of Jerusalem with a rifle in his hands, against the Arabs and Muslims who rejected Jews to have their own state.

Arendt never understood that shift of Scholem from cultural Zionism and binationalism to political Zionism.

On January 16, 1946, Scholem visited Kurt Blumenfeld at his home in Jerusalem. He gave him a copy of the Menorah Journal from fall 1945, with Arendt’s “Zionism Reconsidered” in it. Blumenfeld, one must know, was born in 1884 and more than 20 years older than Arendt (born 1906) and what we would call today a “cool” and vibrant person in Weimar Republic’s 1920s Zionist and Jewish circles. It was Blumenfeld, who motivated Arendt to deal with antisemitism and with Zionism in the first place, and he made Arendt familiar with cigars etc. Philosopher Hans Jonas wanted Arendt to join him for a talk Blumenfeld gave in Heidelberg in 1926, and at that event, Arendt met Blumenfeld for the first time.

The following day, January 17, 1946, Blumenfeld wrote a letter to his old friend Felix Rosenblüth, who became Israel’s first Minister of Justice (he gave himself a Hebrew name, of course, Pinhas Rosen). Blumenfeld was shocked about the tone of Arendt. Her “journalist superficiality” was not news to him, but still remarkable. Her anti-Zionism combined with her arrogance and disrespectful tone towards Zionists, battling for a Jewish state, was too much for Blumenfeld.[i] He broke with Arendt (but become affiliated with her again, just to get in trouble with her after Arendt’s publication on the Eichmann trial).

I dealt with Arendt and her political father, Kurt Blumenfeld, and the way Blumenfeld criticized her in 1946 in my book about “Critical Theory and Israel” (in German), as well as the pro-Israel stance of Critical Theorists Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Leo Löwenthal. Erich Fromm, though, also an early member of the Horkheimer circle of Critical Theorists in the 1930s, became an ardent anti-Zionist.

It is a truly bad idea to invoke Arendt and to promote Trump’s indifference towards Israel as a Jewish state – and his flirt, with a binational, non-Jewish state, the one-state solution. It is shocking that an American President publicly mentions the option of a “one-state solution.” That is anti-Zionism, whether from the left, who embraces the end of the Jewish state, or the right, who wants a one-state with no rights for the new Palestinian citizens.

The extreme right and the extreme left with join Chemi Shalev in his obsession with Arendt (Judith Butler is a long-time fan of Arendt, as is her friend Seyla Benhabib, I deal with that in my study on Critical Theory and Israel).

The one-state solution is anti-Zionist. As shown, even close allies of Arendt like her political father Kurt Blumenfeld, were shocked about her tone and anti-Zionist ideology in 1945/46.

Trump is a huge threat to Jews in America and to Israel. He made a soft-core denial of the Shoah on January 27, 2017, he rejects questions about rising antisemitic attacks on synagogues in America, he employs neo-Nazi allies such as Steve Bannon, and he invoked conspiracy myths every single day, and repeats lies, lies, lies.

To embrace Trumps one-state flirt and to compare him to Arendt is not an “irony,” as Haaretz’ Chemi Shalev believes. It is anti-Zionist ideology.

What we need is criticism of racism in Israel, of the religious fanatics, the settler movement, and the possibility of an annexation of the Westbank. That would result in the end of the Zionist dream and the Jewish state.

Israel is a Jewish and democratic state. Trump will never learn that lesson, Arendt never tried to really learn it.

[i] The letter from Kurt Blumenfeld to Felix Rosenblüth from January 17, 1946, reads like follows: „Gestern abend war Gerhard Scholem bei mir mit der Herbstnummer des Menorah Journal. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Hannahs Artikel ‚Zionism Recon­sid­er­ed‘ kennen. Da ich leicht dazu neige, in meiner Kritik über das Ziel zu schießen, wartete ich Scholems Meinung ab. Sie war noch schärfer und gering­schätziger. (…) Ich be­daure meinen Brief an Hannah.[i] Nicht etwa, weil dieser Artikel ein unerträgliches Misch­masch einer in diesen Dingen Halbgebildeten ist, sondern weil sich dort Charakter­züge enthüllen, die mich schon einmal veranlaßt haben, meine Beziehungen zu Hannah abzubrechen. Dieses Mal kommt alles noch deutlicher und unschöner zum Ausdruck. Daß sie uns Sektierer nennt, ist mir unwichtig. Die Ignoranz in zionist­ischen Dingen (wobei ich nicht nur an die Bemerkung über ‚General Zionists‘ denke, die einem ernsten Forscher nicht passieren dürfen), überrascht mich auch nicht, da ich Hannahs journalistische Oberflächlichkeit und Voreiligkeit zur Genüge kenne. Furchtbar ist die Minderwertigkeit, die sich in ihren menschlichen Bewertungen manifestiert. Ein völlig unbeteiligter, herzloser Mensch, der über eine Chuzpe verfügt, zu der er nicht das geringste Recht hat, schreibt hier über unter schwersten Bedingungen sich entwickelndes Leben, über das sie sich durch Hörensagen verschnörkelte Begriffe gebildet hat. (…) Der Artikel im Menorah Journal enthüllt für mich sehr stark eine psychopathische Seite in Hannahs Wesen. Es ist ein bis zum Aberwitz übersteigertes Ressentiment zu fühlen; die sonderbare, mit Heftigkeit geführte Kontroverse, ob Judenhaß dauern oder verschwinden wird, ist dafür besonders bezeichnend. Für Hannahs menschliche Situation, nicht nur für ihre politische, ist es notwendig, das Verschwinden des Antisemitismus zu prognostizieren. Im zionistischen Bewußtsein Palästinas spielt übrigens der Judenhaß im Galuth keine entscheidende Rolle. (…) Ich würde sogar Hannahs Antizionismus noch mit Gelassenheit hinnehmen, wenn ich über die Gehässigkeit und Gemeinheit der Darstellung hinwegkommen könnte. Ich kann es nicht.“ (Kurt Blumenfeld (1976): Im Kampf um den Zionismus. Briefe aus fünf Jahrzehnten. Herausgegeben von Miriam Sambursky und Jochanan Ginat, Stutt­gart: Deutsche Verlags-Anstalt, 197–98).

©ClemensHeni

Erlösendes Gedenken – Norbert Lammert und die „wechselvolle“ deutsche Geschichte

Von Dr. phil. Clemens Heni, 15. Februar 2017

Ein Mann, dem es so verdächtig an Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit mangelt, mag zum Präsidenten der Bundesrepublik gewählt werden wie Dr. Waldheim vor kurzem zum Präsidenten von Österreich gewählt wurde. Er hat jedoch – als Zier oder als Schande – nichts bei der Abschlußfeier der Harvard-Universität von 1987 als Hauptredner verloren.

Mit diesen Worten wandte sich der Historiker Francis Loewenheim im Juni 1987 im „Boston Globe“ gegen den Auftritt von Richard von Weizsäcker in Harvard, wo der BRD-Bundespräsident eine Ehrendoktorwürde erhalten sollte. Weizsäckers Vater Ernst hatte als Staatssekretär im Auswärtigen Amt zwischen März und Juni 1942 Schreiben zur Deportation von 96.000 Juden aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden unterzeichnet. Er wurde von den Alliierten als Kriegsverbrecher und wegen „Verbrechen gegen die Menschheit“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Stolzer Hilfsverteidiger im Nürnberger Prozess war Sohnemann Richard. Norbert Lammert bezieht sich in seiner Ansprache vor der 16. Bundesversammlung am 12. Februar 2017 im Deutschen Bundestag positiv auf Richard von Weizsäcker und preist ihn als jenen Präsidenten an, der eine „denkwürdige Rede zum 8. Mai“ 1985 gehalten habe.

Was sagte Weizsäcker damals?

“Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.” Die Deutschen wurden also befreit – von wem? Wer waren die Millionen NSDAP-Mitglieder, die Polizeibataillonspolizisten oder Wehrmachtssoldaten? Waren das keine ganz normalen Deutschen, die begeistert dabei waren, von 1933 bis 1945?

Weizsäcker selbst sieht doch, dass es die Deutschen nur gut meinten:

„Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für die gute Sache des eigenen Landes zu kämpfen und zu leiden.“ Aber der Führer hat alles kaputtgemacht, insinuiert das damalige Staatsoberhaupt: „Auf dem Weg ins Unheil wurde Hitler die treibende Kraft.“

„Während dieses Krieges hat das nationalsozialistische Regime viele Völker gequält und geschändet.“ Das passiert einfach so, ohne Subjekte. Europa wurde zum Objekt eines Regimes, aber nicht der Deutschen. Das wird noch deutlicher in einer Rede Weizsäckers auf dem evangelischen Kirchentag am 8. Juni 1985. Auch in dieser Rede gibt es nur einen einzigen Täter: Hitler. „Hitler erhob die deutsche Nation zum obersten aller Werte. (…) Konsequenz waren Gewalt und Krieg mit der halben Welt. In besetzten Gebieten wurden Juden und andere zusammengetrieben und ermordet. Der Holocaust nahm seinen Lauf.“

Tja, der “Holocaust nahm seinen Lauf” – kannste nichts machen.

Und was folgte aus diesen geschichtlichen Taten ohne Täter? „Deutschland wurde zerstört, besiegt, besetzt und geteilt.“ In seiner 8. Mai-Rede hieß es wenige Wochen zuvor:

Wir gedenken heute in Trauer aller Toten des Krieges und der Gewaltherrschaft. Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. (…) Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind.

Und nochmal, ganz grundsätzlich:

Während dieses Krieges hat das nationalsozialistische Regime viele Völker gequält und geschändet. Am Ende blieb nur noch ein Volk übrig, um gequält, geknechtet und geschändet zu werden: das eigene, das deutsche Volk.

Aber es naht Rettung. Von den Juden! Denn Weizsäcker ist kein völkischer Deutscher, sondern ein Deutscher der Arbeit: „Mein Deutschsein ist also kein unentrinnbares Schicksal, sondern eine Aufgabe.“ Die Deutschen und ihre „nationale Identität“ –  das war Weizsäckers Titel seines Vortrags auf dem evangelischen Kirchentag 1985 in Düsseldorf, ein Begriff, den der rechtsextreme Ideologe und Vordenker der Neuen Rechten in der Bundesrepublik, Henning Eichberg, 1978 als erster Autor als Titel eines Buches wählte – können gerade durch die Erinnerung erlöst werden. Und dabei helfe ihnen jüdische Erinnerung:

40 Jahre sollte Israel in der Wüste bleiben, bevor der neue Abschnitt in der Geschichte mit dem Einzug ins verheißene Land begann. 40 Jahre waren notwendig für einen vollständigen Wechsel der damals verantwortlichen Vätergeneration.

Weizsäcker erklärt den Björn Höckes unserer Zeit, wie die post-nationalsozialistische Volksgemeinschaft eleganter kreiert werden kann, damit auch Norbert Lammert und die 1258 Leute der Bundesversammlung sie genüsslich goutieren können:

Viele sagen: Immer diese ewigen Vergangenheitsfragen – wir haben nichts damit zu tun, wir wollen uns nicht damit belasten. In Wahrheit, glaube ich, ist es umgekehrt. Nicht hinzusehen, das bedeutet Belastung. Aber sich der Vergangenheit zu stellen, das macht uns frei, das erleichtert uns unsere Gegenwartsaufgaben.

„Deutsche mögen nur tote Juden“ – selten passte dieser Satz besser als zur Rede Richard von Weizsäckers vom 8. Mai 1985. Die toten Juden der Antike oder auch der jüngeren Geschichte dienen dem Nazisohn und Kriegsverbrecherverteidiger als Vorlage für eine neu-deutsche Selbstversöhnung.

Deutscher Nationalstolz ist das Thema der Stunde, vulgär-nazistisch wie bei Pegida, der AfD oder der Identitären Bewegung, oder aber, viel mainstreamiger, so wie bei Richard von Weizsäcker 1985. Gedenkarbeit „macht uns frei“ meinte er. Genau das hat auch der Bundestagspräsident Lammert in seiner launischen Rede, die zwischen Auschwitz und bayerischer Gemütlichkeit oszillierte, im Sinne, als er am 12. Februar 2017 sagte:

Bequem ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nie, aber sie ist eine demokratische Tugend. ‚Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann mit Sinn gestalten. Ähnlich sehe ich das bei einem Staat.‘ Das schrieb mir nach der diesjährigen Gedenkstunde des Bundestages am 27. Januar, dem Tag der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, ein 24-jähriger Student, berührt und ‚auch stolz‘, wie er schreibt, angesichts des Willens zur Aufarbeitung unserer Geschichte. Keine Schwäche, wie manche behaupteten, sei das für ihn, betonte er, sondern ‚das exakte Gegenteil: Eine unserer größten Stärken.’

Die Leute lachen über Dragqueen Olivia Jones oder die Größenunterschiede von Gregor Gysi und Martin Sonneborn und klatschen Lammert stehend Ovationen, kurz vor der Inthronisation ihres Groko-Wunschpräsidenten, der schon vor der Wahl gewählt worden war, Frank-Walter Steinmeier.

Lammert ist ein beliebter Redner. Seine Rede zur 16. Bundesversammlung bringt den Kern der politischen Kultur der Bundesrepublik seit 1985 auf den Punkt. Weizsäcker junior mochte die toten Juden so sehr wie sein Vater, der ja mithalf, sie zu produzieren.

Lammerts Promoten Deutschlands als der einzig wahren Alternative zu Trump oder Putin, ist an Selbstbeweihräucherung schwer zu überbieten. Antifaschistische Kritik an Trump braucht keinen Lammert, der die Erinnerung an den Holocaust nur dazu nutzt, die „deutsche Identität“ als die beste aller Zeiten unserer so „wechselvollen“ Geschichte zu betrachten. Wechselvoll. Mal produzierten wir jüdische Leichen, mal erinnern wir sie. Aber niemand kann das jeweils so gründlich und durchdacht wie wir. Das ist der Tenor, 1985 wie 2017.

Selten gab es weniger Widerspruch zu dieser Selbstversöhnungsrhetorik der Deutschen.

Der Publizist Eike Geisel hat Weizsäcker kritisiert und in die politische Kultur der BRD  eingebettet:

Als erfolgreichster Arzt am Krankenbett der Volksgemeinschaft hat sich in jüngster Zeit der Bundespräsident erwiesen, dessen Reden über das neue Nationalgefühl Kinder wie Greise, Männer wie Frauen, Linke wie Rechte in eine gedämpfte Entzückung geraten lassen, wie man sie aus der Gruppentherapie kennt. Nach der Rede Weizsäckers zum 8. Mai gab es in der Bundesrepublik weder die alten Parteien, noch die neuen Betroffenen, sondern nur noch die ganz neuen Ergriffenen. Sogar die DKP war davon hingerissen, daß der Bundespräsident neben den Soldaten der deutschen Armee auch die umgebrachten Kommunisten unter die Opfer rechnete, und schickte Weizsäcker ein Glückwunschtelegramm.

 

 

Literatur:

Briegleb, Klaus, Unmittelbar zur Epoche des NS-Faschismus. Arbeiten zur politischen Philologie 1978–1988, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1990

Geisel, Eike, „Jenseits des Vorurteils – Rückblick“, in: Klaus Bittermann (Hg.), Eingriffe. 1. Jahrbuch für gesellschaftskritische Umtriebe, 45–65, Berlin: Edition Tiamat, 1988

Lammert, Norbert, „Rede von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert zur Eröffnung der 16. Bundesversammlung am 12. Februar 2017 in Reichstagsgebäude in Berlin“, https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/2017/003/492714 (eingesehen am 15.02.2017).

Schellong, Dieter, „Nationale Identität und Christentum“, in: Wieland Eschenhagen (Hg.), Die neue deutsche Ideologie. Einsprüche gegen die Entsorgung der Vergangenheit, Darmstadt: Luchterhand, 139–162, 1988

Senfft, Heinrich, Kein Abschied von Hitler. Ein Blick hinter die Fassaden des »Historikerstreits«, Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, 1990

Weizsäcker, Richard von, Von Deutschland aus, Berlin: Siedler, 1985

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Locker bleiben! Kein Grund zu Hysterie und Panik! Es ist lediglich der mächtigste Mann der Welt im Weißen Haus, der den Faschismus promotet

Von Dr. phil. Clemens Heni, Politikwissenschaftler, ehemaliger Post-Doc Associate an der YALE University in New Haven, Connecticut, New England, USA

Die Journalistin Sylke Tempel ist gegen Trump, primär besorgt ist sie aber vor allem, unser aller und ihr privater „Wohlstand“ könnten unter der neuen amerikanischen Regierung leiden, wie sie es bei ihrer wie immer rührend besorgten Kollegin Anne Will die Sendung resümierend ausplaudert. Will  lädt darüber hinaus seit langem wie gewohnt wahlweise Vertreter*innen des grünen, islamistischen (vollverschleierten) oder des ganz unverblümten braunen Faschismus in die meist gesehene Fernseh-Talk-Show ins ARD-Studio ein. Ein Fan Donald Trumps durfte so am 5. Februar 2017 bei „Anne Will“ vor laufender Kamera Trump, den „fairen“ Wahlkampf, der von „beiden“ Seiten auch unter der „Gürtellinie“ geführt wurde, anpreisen und vor allem das aktuelle Spiegel-Cover diffamieren. Er hatte eine Ausgabe des Spiegels extra mitgebracht. Für den Spiegel ist Anne Will „nicht verantwortlich“, wie sie lächelnd unterstreicht und auch auf einen Kollegen hinweist, Clemens Wergin von der WELT, der sich aggressiv gegen dieses Cover wendet.

Auf dem aktuellen Spiegel-Cover vom 4.2.2017 ist Donald Trump zu sehen, wie er DAS geköpfte Symbol amerikanischer Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie, den Kopf der amerikanischen Freiheitsstatue, die vor den Toren New York Citys im Meer auf einer kleinen Insel steht und Millionen von Einwanderern Symbol für Hoffnung und Freiheit war, in seiner rechten Hand hält, während die linke Hand das blutbeschmierte Messer zeigt. Einen ganz ähnlichen Cartoon hatte die Zeitung New York Daily News bereits zu Wahlkampfzeiten am 8. Dezember 2015 publiziert.

Das sei eine Analogie zum Islamischen Staat (IS) und ungeheuerlich. So diffamiert und diskreditiert Springers Laufbursche Clemens Wergin in der WELT den Spiegel und die ARD kuscht. Faschisten, Trump-Supporter und Mainstream-Journalist*innen greifen das gerne auf. Man solle locker bleiben, meint Wergin, es sei ja noch gar nichts wirklich Schlimmes passiert, ein Krieg gegen den Iran etwa oder ein Muslimregister. Dass Trump den Faschismus ins Weiße Haus eingeführt hat, diskutiert der Abwiegler erst gar nicht. Locker bleiben. Schließlich ist der WELT-Autor auch kein körperlich Behinderter, kein Mexikaner, kein Muslim und noch nicht mal eine Frau – um vier der bevorzugten Opfergruppen Trumps zu nennen. Das macht seinen Duktus, das immer informierte, abwägende und distanzierte „Locker bleiben!“, authentisch.

Die Freiheitsstatue ist ein Symbol aus Kupfer, Stahl und Stein und kein Mensch – als ob das Töten eines Symbols mit dem Massakrieren von Menschen, wie es der IS tut, das gleiche sei. Für viele Millionen Amerikaner*innen hat Trump die Demokratie und Freiheit geköpft, symbolisch. Niemand behauptet, er sei ein Mörder. Trump hat den amerikanischen Traum von Millionen von Menschen zunichte gemacht. Er hat das symbolisch gemacht, in der politischen (Un)Kultur und mit einer sprachlichen plus sexuellen Gewalt, die absolut schockierend sind. Trump ist die derzeit brutalste Inkarnation des patriarchal-kapitalistischen „survival of the fittest“. Flüchtlinge raus, eine Mauer zu Mexiko, Frauen missbrauchen („grab her by the pussy“) und Neonazis und den KuKluxKlan (KKK) motivieren. Verschärfte antisemitische Schmierereien in den USA sind die Folge, von körperlichen Attacken auf Minderheiten nicht zu schweigen. Daher gilt mit Green Day: „No Trump – No KKK – No fascist USA!!!“.

Noch nie seit den Protesten gegen den Vietnamkrieg gab es landesweit so viele Demonstrierende gegen eine Regierung im Weißen Haus wie beim „Women’s March“ am Samstag, den 21. Januar 2017.

Viele jüdische Frauen waren auf den Demos, wie auch als pro-israelisch bekannte Celebrities, vornweg die Queen of Pop, Madonna. Eine der Organisatorinnen ist jedoch Linda Sarsour, eine amerikanisch-palästinensische islamistische Agitatorin und Antisemitin, die die Boykottbewegung gegen den jüdischen Staat unterstützt (BDS), sich für die Scharia in USA und weltweit einsetzt und aggressiv mit Kopftuch aufläuft.

Ihr abstoßendes Beispiel wurde jedoch auf perfide Weise von extrem rechten Gruppen wie Scholars for Peace in the Middle East (SPME) benutzt, um die gesamte Anti-Trump-Bewegung und den Women’s March zu diskreditieren. Skandalös ist, dass sich SPME fröhlich hinter Trump stellt und sich von ihm eine Anti-BDS-Gesetzgebung erhofft. Kein seriöser Mensch wird die Pro-Israel-Szene mehr ernst nehmen, wenn solche Gruppen sich offen hinter Trump stellen und marginale Gruppen oder Personen wie Sarsour, die auch gegen Trump sind, aber selbst Teil des Problems, herausstellen, aber von den vielen jüdischen und pro-israelischen Gruppen, die ebenso gegen Trump sind und die übergroße Mehrheit der Proteste ausmachen, schweigen.

Entgegen dem Realitätsverlust von Springer, der ARD (wie immer um Ausgleich und Harmonie bemüht, „Medienkonsensdemokratie“) und der internationalen Trump-Bewegung, dem Trumpismus, zeigen folgende Aspekte, dass und wie Trump mit dem Faschismus in direkter Verbindung steht:

1) Trumps einzige Parole ist „America First“. Das ist eine faschistische, antisemitische und nationalistische Parole. Das ist in den USA bekannt. Daher hatte auch die jüdische NGO, die Anti Defamation League (ADL) im April 2016 während des Wahlkampfes unter ihrem Präsidenten Jonathan Greenblatt Trump vor der Verwendung dieses Slogans gewarnt.

2) Trump selbst hat auf seiner Inauguration die identitäre Demokratie intoniert. Er sei Teil des Volkes und er spreche im Gegensatz zu allen bisherigen Präsidenten der USA und dem ganzen politischen Establishment, das es jemals in den USA gab, direkt zum Volke. Keiner außer dem Milliardär ohne Steuererklärung könne so direkt und unvermittelt mit dem ganzen Volk kommunizieren. Jede „executive order“ wird damit legitimiert, dass Trump sich mit niemand abstimmen müsse, von Kompromissen zu schweigen, schließlich stehe er ja in direktem Kontakt zu seinen knapp 60 Millionen Wähler*innen. Daher ist Trump de facto auch gegen die Gewaltenteilung, wenn er einen Richter als “so-genannten” Richter lächerlich macht. Das ist die Sprache des Faschismus 2.0, via Twitter.

Die identitäre Demokratie ist ein Plädoyer für landesweite Volksabstimmungen und wird vom Rechtsextremismus und Neonazismus propagiert. Die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie, der Vermittlung, des Kompromisses, steht hinter dieser Form der Diktatur, die sich identitäre Demokratie nennt. Carl Schmitt ist ein Vordenker dieser nationalsozialistischen Ideologie und logischerweise ein Vorbild für die Nazis der Identitären Bewegung. (Ich verlinke nicht auf diese Nazis, aber Internetsuchmaschinen führen zu den entsprechenden Treffern).

3) Im Wahlkampf benutzte Trump antisemitische Stereotype und bezeichnete Hillary Clinton als „most corruptive candidate ever“ und versah das mit einem als Davidstern erkennbaren Symbol.

4) Trump diffamiert auch den „korrupten Globalismus“ (von Clinton) und benutzt obsessiv das in neonazistischen Kreisen beliebte Wort vom „Globalismus“, der die nationale Souveränität Amerikas (und anderer Staaten) unterhöhle. Das ist ein ganz klassisches antisemitisches Stereotyp. Die geheimen Mächte des Kapitalismus, der Presse, der Politik, hinter allen stehe „der“ Jude. Das meinen Neonazis oder Nazis und sie verstehen die „dog whistle“ von Trump, wenn er vom Globalismus fabuliert. Er selbst, auch das ein nationalsozialistisches Ideologem, stehe für „reine“, „saubere“, „ehrliche“ Arbeit. Das Wort vom Globalismus ist also ein Code, eine Art „dog whistle“, eine „Hundepfeife“, eine Pfeife, deren Töne Menschen nicht direkt hören, aber die Hunde reagieren darauf. So ist es auch mit den Nazis, sie hören den Unterton bei der Rede vom „Globalismus“ und verbinden das Wort mit antisemitischen Verschwörungsmythen, Rassismus und Nationalismus, wie die New York Times unter Berufung auf Experten zu amerikanischem Rechtsextremismus schreibt. Auf einer Wahlkampfrede in Florida hatte Trump Clinton mit dem Globalismus und der geheimen Macht Clintons, die nicht nur die weltweiten Kapitalströme, sondern auch die US-Presse beherrsche, ganz typische antisemitische Verschwörungsmythen hinausgeschrien, wie es die Anti Defamation League (ADL) scharf kritisierte.

5) Weitere Verschwörungsmythen sind ein Kernelement von Trumps Rede. Er behauptete im Wahlkampf, China stünde hinter den Analysen des Klimawandels, um die US-Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig zu machen, dass Obama absichtlich muslimische Flüchtlinge ins Land lasse, deren Zahl viel zu niedrig angegeben werde oder dass syrische Flüchtlinge ihre Telefonrechnung vom Islamischen Staat bezahlt bekämen. Solche und ähnliche, 58 Verschwörungsmythen hat eine Webseite bereits im Frühjahr 2016 dokumentiert. Trump war im Wahlkampf zu Gast bei dem fanatischen Verschwörungsideologen Alex Jones, der sich nach Trumps Wahl damit brüstete, Trump habe ihm persönlich per Telefon für seine Hilfe bei der Wahl gedankt.

6) Die Trump unterstützende Hetzseite „Breitbart News“ benutzte im Wahlkampf ganz analog zur extremen Rechten in Ungarn (Orban) und vielen anderen die antisemitische Verschwörungsmythologie, derzufolge der Jude George Soros, ein Multimilliardär, europäische NGOs dafür bezahlt habe, Flüchtlinge zu unterstützen, nach Europa zu kommen, damit die europäischen Grenzen aufgeweicht und die Nationalstaaten destabilisiert würden. Ein Jude würde also die nationale Identität gefährden. Das ist ein ganz typischer antisemitischer Topos und steht in der Nachfolge der gefälschten Protokolle der Weisen von Zion von Anfang des 20. Jahrhunderts.

7) Der ehemalige Chef von „Breitbart“ und jetzt Chefberater Trumps im Weißen Haus,  Steve Bannon, ist ein Idol für die Neue Rechte, die Alt-Right in USA. Wie der Historiker Norbert Finzsch herausarbeitete, ist Bannon der eigentliche Ideologe hinter Trump. Finzsch nennt Bannon einen „nationalistische[n], antisemitische[n] und minderheitenfeindliche[n] Journalist[en], der eng mit Neonazis verbunden ist“.

8) Donald Trump hat den Juristen Neil Gorsuch (49) für den vakanten Posten als Oberster Richter am Supreme Court der USA vorgeschlagen. Gorsuch war als Schüler offenkundig ein Fan des Faschismus und Gründer wie Vorsitzender einer Gruppe, die sich „Fascism Forever Club“ nannte. Ob es diese Schülergruppe am reinen Jungengymnasium in Maryland, unweit der Bundeshauptstadt, gab, oder ob es eine spätpubertäre Fantasie war, ist einerlei. Der junge Gorsuch hatte eine Vorliebe für den Rechtsextremismus und Faschismus, wie auch das Posieren beim Lesen eines Buches des Rassisten und rechtsextremen Starautors William F. Buckley Jr. zeigt.

9) Die minikleine „Israelszene“ in der Bundesrepublik bricht völlig in sich zusammen, da weite Teile mit Trump kokettieren (er sei womöglich ein Inbegriff von „Hegels List der Vernunft“, LizasWelt/Gerhard Scheit), ihn als Retter vor „dem“ Islam und den Linken sehen oder ihn gar als Messias anbeten (so der israelische Innenminister Aryeh Deri von der Shas-Partei), während das Simon Wiesenthal Center und Rabbi Marvin Hier für Trump auf dessen Inauguration betete. Wenn Juden für einen Mann beten, der von „America First“ redet und diesen antisemitischen, pro-nationalsozialistischen Topos von 1941 aufgreift, dann zeigt es eine katastrophale Veränderung der politischen Kultur.

10) Trump hat sich auf seine Weise für die massive jüdische Unterstützung bedankt, indem er am Holocaustgedenktag, dem 27. Januar, jeden Hinweis auf Juden als die Opfer der Shoah absichtlich wegließ. Das wäre nicht „inklusiv“ genug. Die Historikerin Deborah Lipstadt spricht von einer „soft-core Leugnung des Holocaust“ durch Trump.

Das alles sind Gründe, Trump als einen Antisemiten, Rassisten, Sexisten, als einen Faschisten und einen von Neonazis umgebenen US-Präsidenten zu kritisieren und zu attackieren. Doch um das F-Wort machen sie einen großen Bogen in Deutschland, Harmonie ist angesagt, nicht nur auf den Sesseln bei Anne Will.

Frau Tempel mag die Sorge haben, dass Trump die Welt in ein ökonomisches Chaos stürzt und sie sich ihren Lebensstil nicht mehr leisten kann, diese ökonomische Sorge treibt sicher einige um. Die Berliner Zeitung möchte in einem Text von Anetta Kahane in Trump hingegen auf ganz besonders paradoxe Weise eine Art „Chance sehen“, dass wir uns alle doch mehr um unsere „Lebensqualität“ kümmern sollten und nicht so sehr „maulen“.

Mit Faschisten reden möchte wiederum der Blogger Paul Simon, wie er einem Blog[i] anvertraut und sich an den Soziologen Armin Nassehi anschmiegt, der auch ganz gerne mit Nazis diskutiert und einen der Vordenker des heutigen Neonazismus und der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, auf keinen Fall ausgrenzen will. Andere Anti-Antifa-Journalisten im Mainstream (also nicht die Neo-Nazi Anti-Antifa), agieren ähnlich. Nehmen wir Toralf Staud (er sitzt im Beirat von „No-Nazis-Net“ der Amadeu Antonio Stiftung, AAS) als Exempel, er hatte schon vor über 10 Jahren angesichts von Gesprächen mit dem damaligen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, mit dem er sich gemütlich und stundenlang beim Italiener unterhalten hatte, grundsätzlich gefordert: „Seien Sie höflich, auch zu Neonazis.“ Das ist er und er plauderte auch gerne mit dem einflussreichsten Vordenker des heutigen Rechtsextremismus und der Neuen Rechten, Henning Eichberg.

Und so sprach, auf ganz anderer Ebene natürlich, im Herzen der Macht Amerikas, völlig freudentrunken Springers (mittlerweile Ex-)Bursche fürs Grobe und ganz Große, Kai Diekmann, (im Trump Tower) mit dem ersten Faschisten und von Neonazis umgebenen mächtigsten Mann der Welt im Weißen Haus. In diesem Interview durfte Trump Merkels Flüchtlingspolitik von 2015 als „katastrophal“ diffamieren und sich grundsätzlich lobend über „Deutschland“ und die deutsche „Ordnung“ (die Merkel so schrecklich verletzt hätte) äußern.

Diese neu-deutsche Volksgemeinschaft von Anne Will über Clemens Wergin und dem Springer-Konzern hin zu kleinen jüdischen oder sich als „pro-israelisch“ imaginierenden Zirkeln und marginalen Bloggern, aber vor allem Millionen von TV-Zuschauer*innen und Wähler*innen ist nichts weniger als eine Katastrophe für die politische Kultur in diesem Land.

Georg Diez von SpiegelOnline hingegen, ein Leuchtturm der Aufklärung aus Harvard bzw. Boston derzeit, nennt den Trumpismus einen „Faschismus“. Diez spricht Tacheles. Das „Absurde“ sei auf „Steroiden“, 24 Stunden am Tag, was Springers Oberschlaule Wergin umdreht, und ohne Diez zu nennen gerade die Kritiker Trumps auf „Steroiden“ wähnt, ein allzu durchscheinendes, läppisches Spielchen.

Georg Diez‘ Analyse ist dagegen durchdacht, kritisch und messerscharf. Trump lebt von den Lügen, sie machen sein Gebäude aus, so Diez. Das Chaos, der geifernde, kalkulierte Wahnsinn und das Absurde, das der neue US-Präsident tagtäglich via Twitter und auf andere Weise absondert, sind – faschistisch. Er möchte in der Tat Lügen zu „alternativen Fakten“ herbeireden, also Scheiße als Mousse au Chocolat anbieten, könnte man sagen. Oder er lässt seine Sprecherin Kellyanne Conway das „Bowling Green Massaker“ in USA erfinden, um ein Einreiseverbot der (irakischen) Muslime zu rechtfertigen.

Georg Diez resümiert:

„Like any fascism, Trump dwells in the irrational. He has to. This is his only chance. Only by creating more confusion, only by making more and more outrageous claims will he sustain his momentum. … The will of the people has to be respected. But if it is twisted into absurdity, if the distortion becomes reality, it is time to rebell.“

Selbst der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, ergänzt diese Einschätzung auf seine Weise und unterstreicht am Tag von Trumps Inauguration, am 20. Januar 2017, dieser Präsident

„redete Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Interessenkonflikte klein, schürte Ängste vor ‚dem ANDEREN‘ – vor den Zuwanderern, den Muslimen, den Homosexuellen, dem Establishment.“

Dieser Narzissmus, dieses Unberechenbare, Spätpubertäre, Aufbrausende, Undurchdachte, Aggressive, Sich-Nie-Entschuldigen und dieses Sich-niemals-Eingestehen einer Niederlage oder eines Fehlers, machen Trump zu einem unfassbaren Sicherheitsrisiko. Trump ist „eine Gefahr für sein Land und die ganze Welt“, wie es Theveßen auf den Punkt bringt.

Doch das Problem ist nicht nur Trump. Es sind seine Wähler*innen, die ihn erst zum Präsidenten machten. Diese Wähler*innen zeigen eine politische Kultur der extremen Rechten an, wie wir sie in Teilen auch in ganz Europa sehen, nicht zuletzt in Deutschland, mit Pegida, der AfD und anderen Nazis besorgten Bürger*innen.

Anne Will und ihre quasselindustriellen Kolleg*innen werden es nicht mehr lernen, dass man mit antidemokratischen Agitator*innen nicht diskutiert, weil das die Demokratie aushöhlt. Ob es die Gesellschaft insgesamt lernen wird? Wohl kaum.

Also: Locker bleiben! Es ist lediglich der mächtigste Mann der Welt, der den Faschismus promotet und dessen Ideologie zu intonieren beginnt. Kein Grund zu Hysterie und Panik.

 

[i] „Die Krautreporter haben einen etwas älteren Briefwechsel zwischen dem Soziologen Armin Nassehi und dem Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, veröffentlicht. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ebenso wie Nassehi glaube ich auch, dass es keinen Grund gibt, Positionen, wie sie von Kubitschek und seinem Kreis vertreten werden, grundsätzlich vom Diskurs auszuschließen.“ Dass ein Bubi, der so was schreibt, in Konkret schreiben kann (angenommen es ist der gleiche Paul Simon, der in Konkret zudem den Antisemitismus von Trump klein redet, Konkret 2/17, 21– 23) zeigt, wie völlig am Ende linker Journalismus, von linksradikalem ganz zu schweigen, heutzutage ist. Da helfen auch die zumeist scharfen und sicher nicht pro-deutschen Kolumnen des Herausgebers Hermann L. Gremliza nicht viel: „Integration? Ich bin so frei, von dieser Scheißkultur nichts wissen zu wollen. Deutschlands Werte gehen mir allesamt am Arsch vorbei, ich singe keine Hymne, folge keiner Flagge, werde einen Teufel tun, auf das Grundgesetz, diesen Waffenstillstandspakt im Klassenkampf (Rosa Luxemburg), einen Eid abzulegen, und wünsche mir, jeder Mensch, der hierher geflohen ist, seine Haut vor unseren Exportwaffen zu retten, wäre so frei, es zu halten wie ich“ (Hermann L. Gremliza (2016): Haupt- und Nebensätze, Berlin: Suhrkamp, 146f.).

©ClemensHeni

Amerikas 1933 und die “identitäre Demokratie” (=Faschismus)

Von Dr. phil. Clemens Heni, 20. Januar 2017

Die Rede Donald Trumps bei seiner Inauguration zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika war eine faschistische Rede. Warum? Weil sie, wie die Politikwissenschaft es nennt, die “identitäre Demokratie” beschwor, die Einheit von Führer und Volk.

Es gibt keine Parteien, Eliten und Kompromisse mehr. Nur noch den Willen des Führers, der sich im vorgeblichen Apriori des Volkes widerspiegelt. Das meint heute “identitäre Demokratie”.

Alles was er tut, der Führer, macht er nur für das Volk. Trump sieht sich nicht als Politiker, Elite oder Establishment. Sondern er ist identitisch mit dem Volk, keine Vermittlung ist nötig oder möglich. Das ist die Ideologie. Eine antidemokratische, faschistische Ideologie.

Das kennen wir aus der Geschichte, allerdings niemals aus der amerikanischen, aber der deutschen.

Der Größenwahn und der Minderwertigkeitskomplex, der aus jeder Silbe dieses narzisstischen Fanatikers spricht, sind Ausdruck wahlweise eines präbubertären oder postpubertären Entwicklungsstadiums. Darüber kann man aber nicht lachen, denn die Lobpreisung der faschistoiden bzw. faschistischen und nazistischen “identitären Demokratie” in Reinform ist das Programm von Donald Trump.

Führer und Volk als amerikanische Volksgemeinschaft, “America First” – Deutschland den Deutschen, sagt die AfD, und gegen Krieg sind auch viele linke Trumpgegner, am absurdesten in Berlin war die Teilnahme der Anti-NATO-Gruppe am Anti-AfD-Anti-Trump-Protest, die ja vielmehr Brüder und Schwestern im Geiste Trumps zu sein scheinen.

America First war die Bewegung, die einen Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg unter allen Umständen verhindern wollte. Kein Krieg gegen die Nazis und die Deutschen. Das sind die pro-nazistischen Vorbilder für Trump.

Dagegen war George W. Bush ein Freiheitskämpfer, der Freiheit und Demokratie verbreiten wollte (auch wenn das, logisch, primär die Freiheit des Kapitals ist).

Die Wortwahl und der Wortschatz des neuen US-Präsidenten sind an Primitivität nicht zu überbieten, es sind nicht mal Floskeln, eher Kampfbegriffe und Repetitionen oder das Schreien eines kleinen Jungen, der viel zu viel Macht hat. Unzivilisierter, ungebildeter, grotesker als dieser über 70jährige Mann kann man gar nicht reden. Er badet in seiner eigenen vulgären oder platten, verkümmerten Sprache und brutalen Ideologie. Er sieht sich als ersten wahren Vertreter des Volkes in Amerika jemals. Dieser Größenwahnsinn ist beängstigend, ja vollkommen schockierend.

Eine Schande für Amerika und ca. 60 Millionen Amerikaner sind für diese Schande jeweils persönlich verantwortlich. Das war zwar keine demokratische Mehrheit, aber Amerika hat eben kein demokratisches Wahlsystem.

Trumps Inaugurationsrede ist eine faschistische Rede.

Die vielleicht noch viel größere Schande oder Peinlichkeit – hier: für die Juden Amerikas und das Pro-Israel-Lager weltweit, nicht zuletzt in Deutschland – an diesem Tag war das Gebet von Rabbiner Marvin Hier vom Simon Wiesenthal Center, der Trump fast als eine Art Messias feiert, der “Zion” und “Jerusalem” retten würde.

Da hätte David Ben-Gurion aber losgeschlagen, das wäre Rabbi Hier nicht gut bekommen, auf so eine Weise den Zionismus zu diffamieren und ihn mit einem Fascho zu identifizieren und für den Faschisten zu beten. Es kam also wie erwartet.

Der neue US-Präsident ist die größte Gefahr für Amerika jemals und für den Westen und die Welt seit vielen Jahrzehnten. Trump hat von repräsentativer Demokratie nie etwas gehört, er verabscheut sie (da wird er sich mit den legalen Islamisten prima verstehen, by the way).

Er ist ein unpolitischer Kapitalist, der gerne Frauen missbraucht, Rassismus promotet und vor allem “America First” promotet. Das läuft den deutschen und europäischen Nationalisten natürlich runter wie Honig.

Trump kennt nur sich, den Führer, und die Bewegung, das Volk. Das ist Amerikas 1933.

©ClemensHeni

Der Trumpismus, die Fratze des Philoisraelismus und die Chance des säkularen Zionismus

Von Dr. phil. Clemens Heni, 19. Januar 2017

Das Simon Wiesenthal Center (SWC) aus Los Angeles wird am Freitag, den 20. Januar 2017, das Andenken an Simon Wiesenthal auf die perfideste und widerlichste Art und Weise beschmutzen. Rabbiner Marvin Hier, Gründer und Leiter des Zentrums, wird für Donald Trump auf dessen Inauguration als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sprechen und für den narzisstischen Fanatiker, sexuellen Gewalttäter, Rassisten und Superhelden amerikanischer Neonazis beten.

Simon Wiesenthal kämpfte sein Leben lang gegen Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus in Österreich. Trump ist nun ein Vorbild für die Nazis in Österreich, Deutschland, England und weiten Teilen des Westens. Wiesenthal wäre ein Hauptredner gegen Trump gewesen.

Das sehen auch viele amerikanische Rabbinerinnen und Rabbiner so und werden gegen das SWC protestieren, wie zum Beispiel der konservative Rabbiner Brent Sprodek der populären New Yorker Beacon Hebrew Alliance Synagogengemeinde. Sprodek schrieb vor wenigen Tagen einen Brief an Marvin Hier und fasste seinen Schock in Worte, dass das Simon Wiesenthal Center, das doch angeblich für Toleranz stehe, nun der puren Intoleranz, Hetze und Bigotterie den jüdischen Segen erteilen möchte. Rabbiner Sprodek kann es nicht fassen.

Die ganze Sache ist auch eine persönliche für mich als Rechtsextremismus-, Demokratie-, Antisemitismus- und Israelforscher. Ich habe Fehler gemacht und mit den falschen Leuten jahrelang gesprochen und kooperiert, ohne zu merken, was für ein falschen Spiel sie spielen. Seit 2008 habe ich die führenden Repräsentanten (alles Männer) des SWC auf vielen Konferenzen zu Israel und Antisemitismus weltweit getroffen, vom Global Forum for Combating Antisemitism, veranstaltet vom israelischen Außenministerium in Jerusalem, über Konferenzen von SPME (Scholars for Peace in the Middle East), dem Journal for the Study of Antisemitism (JSA) hin zu vielen anderen Gruppen und Initiativen, von Miami, über New York City, London, Riga, Kiew, Jerusalem, Berlin etc.

Viele Redner aus dieser Szene, der selbsternannten Pro-Israel-Szene, sprachen fast immer im klischeehaften Duktus davon, „es beginnt mit den Juden, aber es hört nicht mit ihnen auf“. Abgesehen davon, dass dies das Spezifische des Antisemitismus und nie dagewesene der Shoah kaum erfasst und zudem historisch falsch ist, da der deutsche Nationalsozialismus zuerst die Arbeiterklasse, die organisierte Arbeiterklasse ausschaltete, es also mit den Linken begann, nahm ich das mehr oder weniger ernst. Ich dachte, diese Gruppen seien tatsächlich gegen Hass, Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Verschwörungsmythen und natürlich gegen jede Form des Antisemitismus.

Doch diese Gruppen haben überhaupt gar kein Problem mit sexueller Gewalt gegen Frauen, mit Rassismus gegen Mexikaner, Agitation gegen Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 oder der auf die „Purifikation des Volkskörpers“ zielenden Ideologie von Trump, der Prostituierte mit „Keimen“ assoziiert oder sich über einen „stark schwitzenden“ Konkurrenten wie den Republikaner Rubio auslässt. Trump liebt Reinheit so sehr wie „Ordnung“ und „Deutschland“ und findet Merkels Flüchtlingspolitik „katastrophal“, wie er seinem Bruder im Geiste Kai Diekmann ins Mikrofon plauderte, der den Superhelden der US-Alt-Right im Trump-Tower für die BILD-Zeitung interviewte.

Trump zeigte die Fratze eines auf die Vernichtung von Behinderten zielenden Faschos, als er einen körperlich Behinderten, den Journalisten Serge Kovaleksy von der New York Times, nachmachte und dem Gespött preisgab und mit seinen Händen in der Luft herumfuchtelte. Das war der Moment, der nicht nur der Schauspielerin Meryl Streep das Herz brach. Ein unverzeihlicher Moment, weil er so „wahr“ war, so authentisch, der Kern des Trumpismus. Mehr survival of the fittest gab es seit 1945 nie. Das ist Faschismus in Amerika und die Punk-Rock Band Green Day protestierte kurz nach der Wahl Trumps auf dem American Music Awards 2016 mit einer Zeile „No Trump, No KKK, No fascist USA“.

Wiener Marxisten wie Gerhard Scheit und sein deutscher Adlatus Alex Feuerherdt vermögen hingegen in Trumps Wahlkampf und Wahlsieg einen möglichen Erfolg von Hegels „List der Vernunft“ zu sehen, was der Politikwissenschaftler Lars Rensmann so kommentierte:

„Dass Trump zwischenzeitlich eine härtere Politik gegen das iranische Regime angekündigt hat, nehmen selbst einige proisraelische Linke wie Gerhard Scheit zum Anlass, in dem vulgären Pöbler aus Queens potentiell einen »neuen Roosevelt« zu sehen und auf die ‚List der Vernunft‘ zu hoffen. Es ist der Wunsch nach Versöhnung einer unversöhnten Welt, in der der von Adorno und Horkheimer diagnostizierte herrschende Weltungeist mit Trump als designiertem US-Präsidenten sicher nicht kleiner geworden ist. (…) Die Verharmlosung eines autoritären Bullies zeugt von einer konformistischen Sehnsucht, der starke Mann werde es schon richten.“

Diese Sehnsucht nach dem starken Mann scheinen auch manche Juden zu haben, wie der israelische Innenminister Arye Deri, der in Trumps Wahlsieg den Beginn des messianischen Zeitalters am Horizont aufleuchten sieht. Die Teilnahme des Simon Wiesenthal Centers an Trumps Inauguration zeigt ebenso das Einverständnis weiter Teile der amerikanischen Pro-Israel-Szene mit dem Sexismus, Rassismus, Narzissmus und turbokapitalistischen Fanatismus wie kaum verstecken Faschismus des neuen US-Präsidenten.

Mehr noch: Die jährliche Liste der angeblich zehn schlimmsten antisemitischen und antiisraelischen Beleidigungen oder Beschuldigungen, die vom SWC seit einigen Jahren am Ende des Jahres publiziert wird, zeigt wie fanatisch dort agiert wird. Die Liste von 2016 hat auf Platz eins die Obama-Administration. Warum? Weil Obama sich bei einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat, bei der Resolution 2334 enthalten habe. In dieser Resolution wird Israel explizit anerkannt. Hingegen werden die Siedlungen im Westjordanland attackiert und als Friedenshindernis betrachtet.

Nun ist bekannt, dass die UN auf obsessive Weise Israel und den arabisch-israelischen bzw. israelisch-palästinensischen Konflikt thematisieren, während andere Konflikte kaum beachtet werden. Dieser doppelte Standard ist bekannt und zu kritisieren. Aber diese spezielle Resolution 2334 soll auf Platz 1 der antisemitischsten und antiisraelischsten Ausfälle des Jahres 2016 stehen – das Cover der Broschüre des SWC mit dieser Top-Ten-Liste zeigt ein Graffiti, das „Kill the Jews“ zeigt. Möchte eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, die Israel mehrfach und explizit anerkannt, wie der Journallist J.J. Goldberg vom Forward unterstreicht, Juden ermorden? Nein, das will sie natürlich nicht. Das ist ausschließlich dem Fanatismus des SWC und weiter Teile der selbst-ernannten Pro-Israel-Szene in USA, Europa und Israel geschuldet.

Die israelische Intellektuelle und Politologin Einat Wilf bringt das am 17. Januar 2017 in einem Kommentar glasklar auf den Punkt: Exakt diese Resolution 2334 zeigt an, was die Welt bereit ist, zu akzeptieren, und was nicht. Israel als souveräner jüdischer Staat wird bejaht, die Verneinung eines palästinensischen Staates wird nicht toleriert. Einat Wilf geht noch einen entscheidenden analytischen Schritt weiter: Gerade diese Resolution bekräftigt den säkularen Zionismus, den Zionismus von David Ben-Gurion und der Gründergeneration des jüdischen Staates.

Es geht um jüdische Souveränität, nicht um das Land. Die Zionisten stimmten dem Teilungsplan der UN vom 29. November 1947 zu, obwohl der Plan nur gut die Hälfte des Landes den Juden geben wollte, ohne Jerusalem. Aber der Kern für den Zionismus war eben gerade nicht die Größe des Landes oder Jerusalem, sondern die jüdische Souveränität. Juden sollten endlich einen eigenen Staat haben und nicht mehr von dem Wohlwollen der Nicht-Juden abhängig oder den Vernichtungsaktionen ausgesetzt sein. Wilf betont, es gebe derzeit einen massiven Kampf in Israel zwischen der „Zionismus-für-das-Volk“-Fraktion versus der „Zionismus-des-Landes“-Fraktion, also zwischen den weltlichen und den religiösen jüdischen Israelis. Die UN steht weiterhin hinter Israel als jüdischem Staat, wie schon am 29.11.1947. Das als Antisemitismus zu diffamieren, wie es das SWC tut, zeugt von einem Realitätsverlust.

Israel wurde in der ersten hebräischen Stadt ausgerufen, Tel Aviv.

Wie Einat Wilf nachdrücklich betont, geht es dem säkularen Zionismus, den sie selbst als ehemalige Knessetabgeordnete auch außerhalb des Parlaments lautstark vertritt, um das Land und nicht die Religion oder „heilige“ Stätten. Israel zeigt doch gerade, dass Juden eine Nation sind, und nicht primär eine Religionsgemeinschaft. Ben-Gurion und viele andere Gründerinnen und Gründer des Staates waren völlig ungläubig. Ben-Gurion hatte keine Mezuzah an seiner Tür.

Insofern war gerade die von Fanatikern wie dem Simon Wiesenthal Center und seinen Sprachrohren auch in Deutschland oder der Jerusalem Post als „antisemitische Beleidigung“ disqualifizierte Enthaltung der Obama-Administration bei der Resolution 2334 kein Fall von Antisemitismus, sondern ein Beispiel für die Bejahung des säkularen Zionismus!

Die Feinde Israels heißen Trumpismus und Philoisraelismus, wo noch jeder Nazi, alle Trumpwähler*innen oder die AfD und Politically Incorrect (PI) mit der Israelfahne wedeln können, da Israel nicht als Zeichen jüdischer Souveränität, säkular-zionistisch, sondern als Bollwerk gegen „den“ Islam gesehen wird. Viele lechzen geradezu danach, Muslime zu provozieren, den Konflikt zu einem Religionskrieg auszweiten und außer Kontrolle geraten zu lassen. Das betrifft die extrem rechten Agitatoren in Europa wie USA, aber auch die Siedler wie die Islamisten.

Es geht in Israel um jüdische Souveränität, um einen jüdischen und demokratischen Staat, nicht um die Größe des Landes und nicht um die Religion. Das zeigt die Geschichte der Gründung des Judenstaates, die weltoffene und demokratische Idee des säkularen Zionismus.

Nie wurde das Gedenken an Simon Wiesenthal so beschmutzt wie durch die Teilnahme an Trumps Inauguration von Rabbi Marvin Hier vom Simon Wiesenthal Center aus Los Angeles am 20. Januar 2017 in Washington, D.C.

Das ist ein Wendepunkt der Israelsolidarität. Entweder wir kämpfen für jüdische Souveränität und den säkularen Zionismus oder wir diffamieren pro-israelische Resolutionen und beten für sexuelle Gewalttäter und Faschisten.

©ClemensHeni

Was Hitler anti-capitalist? Are liberals fascists? Fantasies by contemporary scholars, politicians and journalists

Von Dr. phil. Clemens Heni, 29. Dezember 2016

Times of Israel (Blogs)

October 3, 2016, the German “Re-Unification Day” was held in the Saxony capital Dresden. Dresden is infamous for the right-wing extremist Pegida movement (“Patriots against the Islamization of the Occident”). On that day, one of the most pro-Nazi and anti-establishment rallies in recent decades took place in Dresden, with hundreds of aggressive “protesters,” verbally attacking and threatening the entire political and cultural elite that had gathered in that city.

One “protester” had a sign with a Nazi Party quote from Joseph Goebbels, indicating that the Nazi movement is left and against the “bourgeois national bloc.” Goebbels, in his 1929 fiction “Michael,” promoted Nazi ideology, based on anti-Semitism and unity. Self-sacrifice was a core element for him, and he wrote, “the Jew has no understanding [for the self-sacrifice for a goal].”[i] In his 1925 pamphlet “Nazi-Sozi”, Goebbels wrote, “Marxism will die, for nationalism to prosper.”[ii]

After the Holocaust, many people are eager to distort German anti-Semitism. Post-colonial theory is one crucial aspect, equating colonialism, imperialism, capitalism, and their cui bono to the senselessness of the Shoah. This Holocaust universalization is common among many people and scholars.

Others equate red and brown, like the infamous Prague Declaration, as Professor Dovid Katz from Lithuania has shown in uncounted pieces and lectures since 2008. Most recently, some people equated the horrible situation in Aleppo, Syria, to the Holocaust. Among those who did so, is the Muslim Brotherhood, like its Mahmoud Ezzat, but also the leading German-Jewish weekly Jüdische Allgemeine and its author Michael Wuliger. Leading German daily Süddeutsche Zeitung compared Stalingrad to Aleppo – Stalingrad is THE Second World War trauma for all proud ordinary German families.

Today, we can find the trope that Hitler, Stalin and Putin are equal by a leading German revisionist politician, Erika Steinbach, former head of the “Federation of Expellees,” who has not too many friends in Poland. Until the 1990s, if not later, she rejected Poland’s western border, the Oder-Neisse border. She is known for obfuscating Nazi Germany and right-wing extremism. For her, Hitler, Stalin and Putin were “socialists,” as she once tweeted. Before, Steinbach already argued that Hitler and the Nazis were “socialist” and “left.” Several scholars and authors of course rejected this absurd trope in 2012 and 2014.[iii] But Steinbach, who since 1990 is a member of Parliament (the German Bundestag) and a member of a leading body of Angela Merkel’s Christian Democratic Union, has followers in the UK and the US, or she is following them, directly or indirectly.

Take Jonah Goldberg as an example, a senior editor at the National Review. In 2008, I have seen his New York Times #1 Bestseller “Liberal Fascism” at an airport bookstore in New York.[iv] Airport bookstores usually just offer a tiny amount of books, most often bestsellers. For Goldberg, Hitler was a “man of the left” as one chapter reads. Here is a quote from the promotion for the book on the cover by the publisher Doubleday, which is a company of the world leading publishing house Random House:

“The quintessential liberal fascist isn’t an SS storm trooper; it is a female grade-school teacher with an education degree from Brown or Swarthmore.”

This sounds like Breitbart News, Trump or Frontpage Magazine, but the quote is from Goldberg. This outrageous statement is a trivialization of the Shoah. It is also a typical misogynist or antifeminist trope. It indicates that misogynist ideology has a very long history in America (and around the world) and was not an invention by Donald Trump. Comparing a female liberal to the SS is not criticism of supposedly liberal anti-Zionism or the failure to deal with jihad after 9/11 – this is claptrap and male propaganda. It obfuscates intentionally what happened in Auschwitz and Sobibor in order to defame liberals. Goldberg and his followers have done huge damage to the pro-Israel and anti-Islamism camp in our post-9/11 world by distorting Nazi Germany and the Holocaust for political, extreme right-wing purposes.

For him and many of his allies the left is more or less fascist and even Hitler and the Nazi Party were leftist, despite facts and historical accuracy. There was no party more on the extreme right-wing than the NSDAP (Nazi Party) in the Weimar Republic. If Goldberg was interested in the politics of the Nazis in Weimar Germany, he could now read the doctoral dissertation by historian Susanne Wein at Free University Berlin.[v] This groundbreaking study shows the antidemocratic, anti-Semitic and anti-leftist policies of the Nazis, particularly aiming at the Social Democrats and Democrats.

Historian Brendan Simms from Cambridge in the UK is a book author, academic advisory board member of the Human Security Center in London and is President of the Henry Jackson Society in London. He argues in a similar vein than Erika Steinbach or Jonah Goldberg. For Simms, anti-Semitism was not the core of Hitler’s ideology, but a result of his “anti-capitalism.”[vi]  In an article in International Affairs in March 2014, he wrote a summary of his approach.[vii] His outdated research becomes obvious at the beginning of his article, on page three:

“Very little is certain about Hitler’s political views before he left for the war. Given his cordial childhood personal relations in Linz with the family’s Jewish doctor Eduard Bloch, whom Hitler respected—and with several Jews in Vienna—and the absence of any other contemporary evidence, it is unlikely that he was particularly anti-Semitic.”[viii]

In another piece in 2014, Simms writes:

“Adolf Hitler, for example, came to anti-Semitism via anti-capitalism, particularly of the ‘international’ Anglo-American variety, which he accused of reducing post-First World War Germany to the status of a ‘colony’. Senior figures on the Left saw the connection to anti-capitalism: the German Social Democrat leader August Bebel referred to anti-Semitism as a form of socialism, albeit ‘a socialism of fools’.”

Brendan Simms is not just a follower of the very old fashioned Great Man Theory, which dates back to the 19th century and was never ever really fascinating, as it ignores that a society is based on much more than just one person, regardless if it is someone like Hitler or not. However, Simms completely fails to understand anti-Semitism when he claims that Hitler cannot have been too much an anti-Semite prior to 1914 because of the Jewish doctor of his family. This is ridiculous, as scholarship has shown. Ignoring the entire scholarship on German anti-Semitism and Nazi anti-Semitism — take Robert Wistrich,[ix] Daniel Goldhagen,[x] Saul Friedländer,[xi] Yehuda Bauer[xii] or Jeffrey Herf[xiii] as examples who dealt extensively with the topic of Nazi anti-Semitism – Brendan Simms writes the following:

“The ‘Gemlich letter,’ which is the first surviving political text of any length by Hitler, has been picked over by generations of historians, but they have almost invariably focused on Hitler’s presentation of the Jewish problem as a racial  issue — a ‘racial tuberculosis of the peoples’ (Rassentuberkulose der Völker) — rather than a question of mere personal distaste. They have also emphasized his belief that the Jews had been ‘driving forces of the revolution’ (die treibenden Kräfte der Revolution) that had laid Germany low. What has been almost entirely missed is the fact that Hitler’s initial anti-Semitism was profoundly anti-capitalistic, rather than anti-communist, in origin.”[xiv]

That kind of downplaying and obfuscating of anti-Semitism is remarkable. Jew-hatred and genocidal anti-Semitism as form of “personal distaste”? This is bordering to a complete denial of the genocidal dimension of anti-Semitism, the lethal obsession – for Simms just a personal distaste of Hitler?

This obfuscation of anti-Semitism might be the reason why Brendan Simms has so many fans in Germany, including daily newspapers who praised his article, like Die Welt[xv], the Frankfurter Allgemeine Zeitung[xvi] and Der Tagesspiegel[xvii]. Simms thanks several colleagues for their advice, the best known among them is German historian Wolfram Pyta. Again, Brendan Simms wants to rewrite history and to indoctrinate his students with foolish arguments like the one, Hitler was anti-capitalist, anti-British/anti-American and then anti-Semitic:

“In short, Hitler became an enemy of the British — and probably also of their American cognates — before he became an enemy of the Jews. Indeed, he became an enemy of the Jews because of his hostility to the Anglo-American capitalist powers.“[xviii]

This is not true and is again bordering to the denial of anti-Semitism as an ideology sui generis. Brendan Simms represents a substantial part of UK and America based conservatism and neo-conservatism that is so extremely full of hatred of the left that they ignore scholarship and promote the most absurd theories. Downplaying of anti-Semitism as central element of German (and Hitler’s) ideology is at the core of that right-wing ideology and a master example of how not to study anti-Semitism.

Brendan Simms‘ fantasy about England, America and capitalism being at the core of Hitler’s and therefore the National Socialist movement’s ideology can also be rejected if we look at the debates in the Weimar Reichstag in the 1920s. Susanne Wein has shown the importance of all kinds of anti-Semitic speech, whether open or coded, by the nationalist parties, the conservatives, the German National People Party (DNVP) and the Nazi Party itself (NSDAP). She has no blind eye on anti-Semitic speech and tendencies in some parts of the left-wing parties like the Communist Party (KPD) and the Social Democrats (SPD). She emphasizes, though, that the Nazis and DNVP, were the main enemy of Jews, democracy, and that Hitler was a man of the Far Right.[xix]

At the time, Social Democrats were considered and considered themselves as socialist, by the way.  The quote from the cover of Goldberg’s book indicates that he has no idea what he is talking about: the term “SS storm trooper” is a misnomer. SS storm troopers did not exist. He confuses “Sturmabteilung” (SA storm troopers) with the SS, which means “Schutzstaffel” or protection unit.

Every historian who ever studied Nazi Germany knows the difference between the SA and the SS during National Socialism. Of course this might just be a linguistic problem and Goldberg confused SA and SS — but a serious writer, let alone a historian, should not confuse the both of them, although both were of course core elements of the Nazis, before and after 1933. While the SA was imperative to kill leftists and the political enemy prior to 1933, the SS became a core opponent of the SA after 1933 and the leading organization for the Holocaust.

The SS wanted to ‘protect’ the Germans from ‘the Jew’, and Nazis indeed feared in a pathological way that “the” Jew rules the world, both capitalism and communism, and Germans and Nazis to some degree even feared that they were Jewish inside (!). Just read one of the leading Nazi anti-Semites, who later became an Egypt based Muslim, Johann von Leers, who wrote about the necessity to ‘dejudaize Germany from within’, including the mind of Nazi Germans.[xx] All this was based on a long history or extreme right-wing German and Austrian anti-Semitic and nationalistic ideology, going back to the 19th century if not before. Von Leers liked America but saw ‘the Jew’ behind all evil in America and Roosevelt driven by Jewish power.[xxi] So much about Goldberg’s fantasy that Hitler and the Germans were driven by hatred of the West, England and America, and therefore became anti-Semitic. It is vice versa.

For those interested in a serious analysis of the origins of National Socialism, I’d like to remind you to the concept of “German Socialism.” “German Socialism” was based on capitalism, private property and small business (and sometimes big German business as well, take Mercedes, Deutsche Bank, IG Farben, Krupp, Thyssen etc.) and a strong state. An essential component was anti-Semitic resentment against the international big trusts and ‘finance capital’ while embracing the “German worker” and in particular the German middle class and the German peasants of course. National Socialism was about capitalism, German way, based on anti-Marxism as Klaus Fritzsche has shown in 1976 in his study of the “Tat-Kreis” around Hans Zehrer.[xxii] One could also analyze the völkisch concept of socialism and anti-Roman thinking by Ernst Niekisch and his German-Protestant national revolutionaries, whose main enemy was ‘the Jew’ and the working class likewise.[xxiii]

In my doctoral dissertation in 2007 about today’s New Right, German political culture and Henning Eichberg, a leading theorist of the New Right since the late 1960s, I myself [xxiv] dealt with the anti-Semitic ideology of Joseph Goebbels in his Nazi pamphlet Der Nazi-Sozi from 1926, which was a major anti-Semitic booklet and portrayed Jews as “flea.”[xxv] Here you can find the eliminationist Nazi ideology even prior to National Socialism as a state.

As already said, Hitler grew up politically in his Vienna years prior to World War I. As book authors Friedrich Paul Heller and Anton Maegerle have shown in 1995,[xxvi] the völkisch occultism was a core element of Nazi ideology. Just think of people like Guido von List, who once buried several bottles in the form of a swastika at a place dedicated to remember the Germanic victory over the Romans in the year 9 CE (the Varus Battle).[xxvii] Capitalists like the owner of a Prague metal cooperation, Friedrich Oskar Wannieck, were members of the 1908 established Guido-von-List-Society. No meat, no alcohol and no smoking were essential components of Hitler and parts of the völkisch movement.[xxviii] Or recall Jörg Lanz von Liebenfels, who founded the racist Ostara journal. Hitler himself admitted in Mein Kampf that he bought one of his first anti-Semitic pamphlets during his Vienna time.[xxix] Hitler was also joining meetings of the “Ordi novi templi,” which was founded by Lanz von Liebenfels in 1900. Members were not allowed to even touch Jews without using a sword.[xxx]

This gives you a first insight view of Hitler’s anti-Semitic circles, friends, allies and ideological points of departure. Before the First World War Hitler was an anti-Semite. Brendan Simms ignores scholarship in that respect, which is remarkable for a professor at Cambridge. Looking at people like Erika Steinbach or Jonah Goldberg, though, Simms indicates a trend in contemporary distortions of anti-Semitism and the rise of anti-Semitism, Hitler’s ideology and the Nazi movement.

[i] Joseph Goebbels (1929): Michael. Ein deutsches Schicksal in Tagebuchblätter, quoted after Claus-Ekkehard Bärsch (1995): Der junge Goebbels. Erlösung und Vernichtung, Munich (Klaus Boer), 126.

[ii] Joseph Goebbels (1926)/1930: Der Nazi-Sozi. Fragen und Antworten für den Nationalsozialisten, Munich (Verlag Frz. Eher Nachf.), 23.

[iii] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/steinbach-eklat-auf-twitter-die-nazis-waren-eine-linke-partei-a-812950.html (accessed December 27, 2016).

[iv] Jonah Goldberg (2007): Liberal Fascism. The Secret History of the American Left from Mussolini to the Politics of Meaning, New York: DoubleDay (Random House).

[v] Susanne Wein (2014): Antisemitismus im Reichstag. Judenfeindliche Sprache in Politik und Gesellschaft der Weimarer Republik, Frankfurt/Main: Peter Lang.

[vi] http://www.standard.co.uk/comment/brendan-simms-antisemitism-is-an-international-threat-once-again-9087757.html (accessed May 13, 2014).

[vii] Brendan Simms (2014): Against a ‘world of enemies’: the impact of the First World War on the development of Hitler’s ideology, International Affairs, 90: 2 (2014), 317–336.

[viii] Simms 2014, 320.

[ix] Robert S. Wistrich (2016): Der antisemitische Wahn, Berlin (Edition Critic); Robert S. Wistrich (2001): Hitler and the Holocaust, New York: Modern Library Chronicles Book.

[x] Daniel Jonah Goldhagen (1996): Hitler’s Willing Executioners: Ordinary Germans and the Holocaust, New York: Knopf.

[xi] Saul Friedländer (2007): The Years of Extermination. Nazi Germany and the Jews, 1939–1945, New York: HarperCollins.

[xii] Yehuda Bauer (1978): The Holocaust in Historical Perspective. The Samuel and Althea Stroum Lectures in Jewish Studies, Seattle: University of Washington Press; Yehuda Bauer (2001): Rethinking the Holocaust, New Haven: Yale University Press; Yehuda Bauer (2010): “Remembering accurately on International Holocaust Remembrance Day,” January 25, Jerusalem Post, http://www.jpost.com/Features/InThespotlight/Article.aspx?id=166776 (accessed August 29, 2012)

[xiii] Jeffrey Herf (2006): The Jewish Enemy. Nazi Propaganda during World War II and the Holocaust, Cambridge (MA)/London: The Belknap Press of Harvard University Press.

[xiv] Simms 2014, 329–330.

[xv] Sven Felix Kellerhoff (2014): Hasste Hitler “den” Westen mehr als “die” Juden?, 14 March 2014, http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article125813854/Hasste-Hitler-den-Westen-mehr-als-die-Juden.html (accessed December 27, 2016). Kellerhof insinuates, „it might time for new questions“ concerning Hitler and antisemitism: „Thomas Weber ist denn auch vorsichtig: ‚Ob sich Simms’ Forschungsergebnisse und Hypothesen nun teilweise oder ganz bestätigen‘, schreibt er in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘, sei nicht entscheidend: ‚Sie werden grundlegend und bahnbrechend die Art und Weise verändern, wie wir über Hitler denken.‘ Gut möglich, dass sich daraus ein neuer veritabler Historikerstreit entwickelt. Denn Hitler und speziell die Ursachen seines Antisemitismus sind von entscheidender Bedeutung für die Gesamtgeschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Eine halbe Generation nach Ian Kershaws zweibändiger Hitler-Biografie könnte es Zeit sein für neue Fragen.“

[xvi] Thomas Weber (2014): Die Quellen seines Hasses, 14 March 2014, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/die-quellen-seines-hasses-woher-kam-hitlers-antikapitalismus-12845914.html (accessed December 27, 2016).

[xvii] Malte Lehming (2014): Über links, rechts, Klassen und Rassen hinweg, 14 April 2014, http://www.tagesspiegel.de/meinung/
antiamerikanismus-und-antisemitismus-ueber-links-rechts-klassen-und-rassen-hinweg/9747690.html (accessed December 27, 2016).

[xviii] Simms 2014, 330.

[xix] Wein 2014.

[xx] Johann von Leers (1941)4: Rassische Geschichtsbetrachtung. Was muß der Lehrer davon wissen, Langensalza/Berlin/Leipzig: Verlag von Julius Beltz.

[xxi] Johann von Leers (1942)3: Kräfte hinter Roosevelt, Berlin: Theodor Fritsch Verlag (first edition 1940).

[xxii] Klaus Fritzsche (1976): Politische Romantik und Gegenrevolution. Fluchtwege in der Krise der bürgerlichen Gesellschaft: Das Beispiel des ‚Tat‘-Kreises, Frankfurt/Main: Suhrkamp.

[xxiii] Michael Pittwald (2002): Ernst Niekisch. Völkischer Sozialismus, nationale Revolution, deutsches Endimperium, Cologne: PapyRossa.

[xxiv] Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970–2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum, 135–150.

[xxv] Joseph Goebbels (1930): Der Nazi-Sozi. Fragen und Antworten für den Nationalsozialisten, Munich: Frz. Eher Nachf. (first edition 1926).

[xxvi] Friedrich Paul Heller/Anton Maegerle (1995): THULE. Vom völkischen Okkultismus bis zur Neuen Rechten, Stuttgart: Schmetterling.

[xxvii] Heller/Maegerle 1995, 20.

[xxviii] Heller/Maegerle 1995, 20.

[xxix] Heller/Maegerle 1995, 22–23.

[xxx] Heller/Maegerle 1995, 23–26.

©ClemensHeni

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