Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Antisemitismus

„Klaus der Woche“: Antisemitisches Video im NDR-Fernsehen

Dieser Text erschien zuerst am 28.04.2004 auf www.hagalil.com

Am 22. April 2004 wurde in der Sendung Extra 3 beim ARD-Sender NDR ein antisemitisches Video ausgestrahlt. Der „Klaus der Woche“ stellt Ariel Scharon vor. Wir möchten Sie bitten, gegen dieses Hetz-Video zu protestieren.

Scharon wird gleich zu Beginn dieses Videos im Kreise tanzender Juden gezeigt, danach: „Scharon, kennt Ihr nicht ? Erklär ich euch: Scharon ist der Chef-Boß von Israel“. „Der will da ganz viel Frieden“ und Scharon knutscht ein Tierchen auf seinem Arm. „Die Idee mit dem Frieden hat er schon damals gehabt, als er mal mit dem Panzer in Israel spazieren gefahren ist“ – 1948, Bilder von Panzern. Damit wird den ‚Kindern‘, die Extra 3 schauen, das ganze ist eine Parodie auf die Sendung mit der Maus, schon mal erklärt, nicht die arabische Seite hat den UN-Teilungsplan nicht akzeptiert und Israel nicht akzeptieren wollen, sondern die Juden, denn als solcher wurde Scharon ja im Kreis orthodoxer Juden in der ersten Scharon-Sequenz gezeigt, die Juden also fahren Panzer, merken aber plötzlich, dass da noch andere sind.

In der nächsten Sequenz sitzt der ideelle Gesamtjude, schwarz gekleidet, super lachend auf einem mit PLO-Tuch bekleideten Palästinenser, der das Schild „doof“ vor sich hin hält, auf dem Rücken. Juden quälen Palästinenser, die sind die Doofen. Das Bild vom verschlagenen, geschickten, hinterhältigen Juden, der die ‚Dummen‘ ausbeutet und benutzt, wird hier transportiert. Das ist primärer Antisemitismus.

Dem armen Arafat wurde „der Balkon vergrößert, kostenlos“ (die Mukatha angegriffen) und Siedlungen gebaut. Und was gehört zu Siedlungen dazu ? „Der größte Gartenzaun der Welt.“ Und dann mit den Bildern von in Reihe stehender suicide-bomber: „Da sind die Palästinenser vor Freude in die Luft gegangen“, und es ist eine Explosion zu sehen und zu hören. Damit wird dem antisemitischen Kindergarten, der genüßlich das NDR-Programm am Abend goutiert, erklärt, die Massenmorde an Israelis sind aus Reaktion über die Siedlungen entstanden.

Der ideologische Charakter des Islamismus und Antisemitismus/Antizionismus wird im Huldigen der suicide-bombers, die ja nur als völlig berechtigte Reaktion auf Scharon da stehen, geleugnet. Solche mediale Verkürzung hat insbesondere zu Zeiten aktueller politischer Debatten, Kongresse wie der gerade stattfindenden Konferenz des World Jewish Congress bzw. der OSZE Konferenz zu Antisemitismus eindeutig den Charakter von Aufstachelung der Bevölkerung, von Schüren von Hass auf israelische Politiker wie den israelischen Staatspräsidenten Katsav, der am Mittwoch Gast in Berlin sein wird, während das antisemitische Video des NDR bereits zur gleichen Zeit, seit dem 26.04.2004 wenigstens, online einzusehen ist.

Die Siedlungen fand nur „Meckerscheich Yassin voll Kotze“. „Und warum ? Einfach so, einer nörgelt immer“. Der Judenhasser und Freund der Nazis (vgl. Yassin Interview vom Frühjahr 2003) wird als „Meckerscheich“, der „nörgelt“, als Opfer der Israelis, als Opfer des brutalen Mörders Scharon gedacht. Der Beitrag des NDR kann geradezu als Epitaph der Hamas gelesen werden!

Den auch Rantisi wird als armes Opfer blinder Gewalt dargestellt, Scharon als der noch schrecklichere Kriegsherr wie Bush, dessen Soldaten in der vorherigen Einstellung knapp einem Bombenanschlag im Irak entkommen waren (und für diesen „Frieden selbst verantwortlich gemacht werden“, also nicht gesagt wird, daß die Freunde des Massenmörders Hussein hinter den Anschlagsserien im Irak stecken, sondern die USA selber, so der infame Bericht), was unter „Frieden im Irak“, den Scharon noch „besser“ hinbekäme, firmiert. Scharon wird als einer, der Rantisis den Kopf abschießt, was filmisch widerwärtig gemacht wird, an den Pranger gestellt, alsbald aufgehängt, zuerst als Puppe…

Es wird in diesem Video noch nicht einmal die übliche links-autonome Gleichsetzung von Bush und Bin Laden, Scharon und Yassin getrieben, sondern in der Tat gleichsam als Grabesinschrift einer ganzen Generation Hamas-Kämpfern und Ideologen wie Yassin und Rantisi gedacht, nicht als Massenmörder, sondern als Friedensfreunde, die seit 1948 von einem panzerfahrenden Ober-Boß der Israelis gedemütigt und massenhaft ermordet werden. Der Norddeutsche Rundfunk ehrt den Islamismus und seine Führer – beide eint der Hass auf Israel als jüdischem Staat.

Israelis sind Täter, die hier mehrfach in Stürmer-Manier als widerliche Juden dargestellt werden – komische Haare, schwarz angezogen, lachend auf dem palästinensischen Opfer sitzend, ihn körperlich quälend, Scharon dagegen als Tierfreund gleich in zwei Szenen ! Scharon mag Tiere und tötet Menschen, das soll rüber kommen.

Am Schluss des Videos wird ein am Baum hängender Scharon gezeigt, als Puppe (an der die Palästinenser „hängen würden“) und schließlich – jetzt ohne jede Ironie – eine Israel-Fahne verbrannt.

Das Video von Extra 3 verunglimpft die jüdische Religionsgemeinschaft, indem tanzende Juden lächerlich gemacht werden, über orthodoxe Juden und deren Frisur abwertende, geschmacklose Bemerkungen gemacht werden und die selben Juden als böse Menschen, die Palästinenser ausbeuten, auf deren Rücken sitzen und hämisch lachen.

Wir protestieren aufs Entschiedenste gegen dieses Video und rufen dazu auf, sich beim Sender zu beschweren.

Das Video ist hier zu sehen:
http://www.ndr.de/tv/extra3/

Anmerkung: Das Video wurde mittlerweile aus dem Netz genommen!

Email: fernsehen@ndr.de

hagalil.com 28-04-2004

 

Ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden: Eine retrospektive Kritik an „Aimée und Jaguar“

Dieser Text wurde zuerst am 25. April 2004 auf www.hagalil.com publiziert

Die deutsche Selbstversöhnungsrhetorik hat mit dem Film „Aimée und Jaguar“ von Max Färberböck, der auf seine Weise das Textmaterial des gleichnamigen Buches von Erica Fischer filmisch umsetzte, im Jahre 1999 einen weiteren Höhepunkt erreicht. Das wurde insbesondere von Esther Dischereit bereits zur selben Zeit klar und deutlich festgehalten.

Dischereit hat gründlich recherchiert, Akten gewälzt, die Stationen des Überlebens, des Fliehens von der Prager Straße 29 zur Claudiusstraße, vom Nollendorfplatz nach Friedenau etc. der Jüdin Felice Schragenheim in Berlin 1941-1944 erkundet, den Konnex von Deportation, Untertauchen und einer letzten Möglichkeit: einer Beziehung zu einer ganz normalen, deutschen Frau, die Schutz bieten könnte, dargestellt. Liebe als Rettungsanker. All das ist bei Dischereit auch online nach zu lesen, vgl. unten.

„Im Vorwort [von Erica Fischer] heißt es, daß die Überlebenden keinen Frieden mit Lilly Wust schließen können und wollen. Nein, können sie auch nicht, wenn da Schuld wäre, gäbe es keinen Grund, ‚Aimée‘, Lilly Wust, zu einer Retterin zu stilisieren. Die Buchautorin Erica Fischer äußerte unlängst, ihr scheine es im Film immerhin gelungen, ‚mit dem Thema nicht voller Schuld, Selbstbezichtigung und Schwere umzugehen‘. Nun ja, es gibt wohl Themen, da gibt es Schuld und Schwere und auf Selbstbezichtigung warten die Staatsanwaltschaften noch immer“( Esther Dischereit (2001): Mit Eichmann an der Börse. In jüdischen und anderen Angelegenheiten, Berlin (Ullstein), S. 71)

Denn auch gewisse Teile des interessierten Publikums, das ansonsten sehr offen ist für radikale Kritik an Deutschland und Antisemitismus, haben sich an diesem Punkt der innerdeutschen Selbstversöhnung, die von Dischereit verweigert wird, resistent gezeigt. Die Erzählungen einer Erica Fischer haben offenbar eine lange Haltbarkeitsdauer. Da selbst die Stimme einer jüdischen Überlebenden des Holocaust in diesem Fall nichts zu zählen scheint, möchte ich dieser Stimme wenigstens ein klein bißchen Raum verschaffen und an sie erinnern, sie aufwärmen.

Die aktuelle Rezension des Bildbandes „Erica Fischer: Das kurze Leben der Jüdin Felice Schragenheim „Jaguar“, Berlin 1922 Bergen-Belsen 1945. Mit Reproduktionen und Fotos von Christel Becker-Rau, dtv, München 2002″, der das Buch „Aimée und Jaguar“ (Erica Fischer), dessen Erstauflage 1994 erschienen war, Ende 2002 noch einmal publikumswirksam untermalen möchte, von Petra M. Springer, deren kleiner aber bezeichnender Artikel zuweilen über Monate hinweg auch von Online-Magazinen sehr positiv aufgenommen wurde und im Original auf http://www.neuewelt.at (Ausgabe 4/5 2003) nachzulesen ist, ist ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden. So heißt es:

„Die Liebe zueinander veränderte das Leben beider Frauen grundlegend. Lilly ließ sich scheiden, Felice gab ihre Tarnung auf und lieferte sich dadurch ihrer großen Liebe aus. Das Glück der beiden währte aber nur kurze Zeit.“

Hier wird schon festgezurrt, daß es sich um „Liebe“ gehandelt habe, primär (!), und nicht um die einzig verbliebene Möglichkeit für eine Jüdin im Berlin jener Jahre zu überleben.

Sie basiert auf den Phantasmen der Lilly Wust, die von Frau Fischer seit Jahren lanciert werden und natürlich in Deutschland, dem Land der großen Wiedergutmachung mit sich selbst, ankommen. Das Publikum ist eine Volksgemeinschaft der besonderen Art: Künstler, KulturtheoretikerInnen, Feministinnen, Berlinale-Fans und unkritische Lesben kommen gleichermaßen auf ihre identitären Kosten.

Denn es liegt ein weiterer Fall von Verwertung jüdischen Lebens in dem Film Aimée und Jaguar vor, der auf der wahrhaften Geschichte beruhen soll (!), dessen Hauptdarstellerinnen auf der Berlinale 1999 den silbernen Bären bekamen, als beste Darstellerinnen. In diesem Film wird das Leben der Jüdin Felice Schragenheim und ihrer Geliebten Lilly Wust (die noch lebt) im Berlin der Jahre 1943/44 gezeigt. Am Ende wird Felice ermordet. Die Vorgeschichte wird dabei nicht nur in dem Film entstellt. So hat sie z. B. ihrer lesbischen Geliebten Lilly Wust noch auf dem Sammelplatz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) einen Erbschein unterschrieben, den Lilly Wust, vormals stramme Nazi-Frau, nach dem Krieg bei der überlebenden Schwester und FreundInnen von Felice einlösen wollte, was in dem Film gekonnt verschwiegen wird.

„Am 28.7.44 erhält Lilly Wust eine Schenkungsurkunde von Felice Schragenheim; am 21.8.1944 wird Felice Schragenheim deportiert. Also drei Wochen später. In den Krimis kommt an dieser Stelle immer eine Lebensversicherung vor, anschließend der Tote. Das hätte uns stutzig gemacht“(Dischereit 2001: 69)

Es ist gewiß kein Zufall, daß das Material einer arischen Deutschen wie Lilly Wust nicht der Staatsanwaltschaft sondern einem Regisseur vorgelegt wurde.

Dischereit berichtet auch von vielen weiteren Geschenken, „Frauenkleidern aus Foulardseide und feinem Leinen, Abendkleid aus Taft“…

Noch der Besuch von Felice im KZ Theresienstadt, von dem alle im Untergrund lebenden Juden und Jüdinnen der arischen Deutschen mit Mutterkreuz und der Manie, ihre (jüdische) Geliebte gerade vor ihren SS-Freunden auf Parties zu präsentieren, abgeraten hatten, wird nicht in seiner Todesgefahr heraufbeschwörenden Dimension erkannt. Elenai Predski-Kramer, die jüdische Überlebende und Freundin von Felice, stellt diese Fragen. Sie ist stark enttäuscht, getäuscht und traurig ob der Geschichtsphantasmen von Wust, die von Fischer als Wahrheit angenommen wurden. Noch 1999 als Esther Dischereit ihre Recherchen veröffentlichte und als erste die Hintergründe des skandalösen Films von Färberböck beleuchtete, hatte Dischereit Elenai P.s Namen nicht ausgeschrieben. Frau Predski-Kramer wollte nicht genannt werden. Die Verletzungsgefahr ist zu hoch in diesem Deutschland. Doch Jahre später, viele Auflagen und Preise für Aimée und Jaguar später, möchte Elenai Predski-Kramer nicht länger schweigen und tritt mit großem Mut an die Öffentlichkeit. Katharina Sperber hat auf sehr einfühlende, nachdenkliche, kritische, emphatische Art und Weise aus den Gesprächen mit Elenai Predski-Kramer einen sehr wichtigen Artikel verfasst (vgl. link).

Doch selbst dieser Artikel wird z. B. von einer Petra M. Springer nicht zur Kenntnis genommen. Auch sie schlägt mir ihrer Rezension Predski-Kramer ins Gesicht. Da Springers Artikel schon über ein Jahr alt ist und sie offenbar kein Bedürfnis sah, ihn zu ergänzen, zu revidieren gar, halte ich diese harsche Kritik für unabdingbar.

Viele Ungereimtheiten (die in den unten angehängten links zu Dischereit und Sperber sehr gut nach zu lesen sind) lassen Fragen über Fragen offen, schließlich Wut:

„Die feministischen Reflexionen über nazideutsche Täterinnen waren immer recht spärlich und spät gefallen. Und Aimée wirkt entlastend, so wurde letztlich nicht die Geschichte der Felice Schragenheim geschrieben, sondern die von Lilly Wust. Die Stilisierung zur Love-Story, wie die Geschichte im Titel eines Dokumentarfilms über Jaguar und Aimée genannt wurde, und zu einem – wenn möglich – neuen deutschen Kultfilm entspräche dem fortschreitenden Wir-Gefühl. Da haben die Täterinnen schon fast so viel gelitten wie die Opfer, und die Nicht-Opfer sind den Opfern emphatisch jedenfalls beinahe gleich. Alle handelnden Personen im Film haben verdeckte Namen, nur Jaguar nicht. Sie heißt Felice. Sie kann keinen Einspruch erheben. Es fehlt nicht mehr viel, bis Auschwitz als das kollektive Massada der Deutschen in eine geläuterte nationale Selbstdefinition eingeht. Opfer sind alle und Erinnerung gemeinsam: die Toten aber könnten beiseite bleiben. Die stören. Überlebende manchmal noch mehr. Ehre, Würde, Vermögen, Leben der Opfer waren schon gestohlen, bleibt noch deren Geschichte”(Esther Dischereit 1999).

Daß es zumal in der linken Szene der Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus immer um das Suchen der eigenen Widerständigkeit ging und geht hat bis auf den heutigen Tag verhindert, die Rolle der Linken bei der Mythifizierung des guten Volkes zu hinterfragen. Noch nicht einmal die Tatsache, daß Lilly Wust, die arische Deutsche, eine Nazi-Frau war, hat die Szene, mithin und insbesondere die FrauenLesben-Szene nachhaltig irritiert. Die (vermeintlich) lesbische Liebe hat alles übertüncht und die deutsche Narzisstin konnte ihren Coup landen. Im Film mit deutscher Besetzung (Maria Schrader, Juliane Köhler) und deutschem Regisseur (Max Färberböck) wurde das mit einem silbernen Bären auf der Berlinale 1999 ausgezeichnet. Bei einer Geschichte die so grotesk und infam an der Wahrheit vorbei schrammt, die Worte einer Überlebenden denen einer deutschen „Nazi-Mitläuferin“ nicht vorzieht sondern übergeht, bei solch einer Geschichte wird mir übel.

Wer sich also kritisch und nicht links-identitär mit dem Nationalsozialismus beschäftigen möchte, dem und der seien die beiden wichtigsten Texte einer Hinterfragung der Phantastereien Erica Fischers empfohlen: erstens Esther Dischereits Artikel in der FR, der komplett bereits in der Wochenzeitung aus der Schweiz vom 20. Mai 1999 abgedruckt worden war (http://www.hagalil.com/archiv/99/10/jaguar.htm) und zweitens der auf einem Gespräch mit der Freundin von Felice Schragenheim basierende und im Gegensatz zu Erica Fischer die Stimme von Elenai Predski-Kramer sehr ernst nehmende Artikel von Katharina Sperber aus der FR vom 07. Januar 2003:

„Eine andere Version: Schmerzhafte Erinnerungen einer Überlebenden

Von Katharina Sperber

Elenai Predski-Kramer, mit der im KZ ermordeten Felice Schragenheim befreundet, erzählt eine andere Version von „Aimee und Jaguar“

Wie vor den Kopf geschlagen fühlte sich Elenai Predski-Kramer, als sie vor acht Jahren die Auslage einer Buchhandlung betrachtete. Zwischen all den Titeln, die da ausgestellt waren, entdeckte sie einen Buchdeckel mit einem großen Schwarz-Weiß-Foto. Darauf zwei Frauen im Badeanzug am Havelstrand. Beide Frauen kannte sie. Die eine ist die Jüdin Felice Schragenheim, die andere Lilly Wust, eine mit dem Mutterkreuz dekorierte Nazi-Mitläuferin“ (http://www.berlin-judentum.de/frauen/predski.htm).

Auf geradezu obszöne Weise geriert sich Erica Fischer (Ende Januar 2003) zum Opfer; auf alle Argumente, die Dischereit oder Predski-Kramer und andere KritikerInnen ihrer Geschichtsklitterung bringen, reagiert sie gar nicht, schweigt sie einfach, wie in einem hagalil-forum (des größten deutschsprachigen, jüdischen Magazins im Netz) und möchte einfach nur ihren „Erfolg“, der „gut tut“, genießen:

„Veröffentlicht am Montag, 27. Januar 2003 – 15:21 Uhr:

Betrifft: Felice Schragenheim („Jaguar“)
Beitrag 117

Sie irren entschieden, Frau Inge: An Haut und Zähnen haben die Deutschen entschieden mehr verdient. Ich finde Ihren Vergleich widerwärtig. Die Lebensgeschichte von Felice Schragenheim ist ebensowenig gefälscht wie die vielen anderen Biographien, die ohne die Möglichkeit des direkten Befragens der Betroffenen geschrieben wurden und werden. Sie ist nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Unbeweisbare Spekulationen habe ich allerdings nicht aufgegriffen. Ich weiß nicht, wer Sie sind und womit Sie sich das Leben verdienen, ich weiß nur, dass ich mit meinen Büchern gute Arbeit leiste, die von Menschen, die ebenso seriös sind wie ich selbst, als das geschätzt werden, was ich mit ihnen beabsichtige: Aufklärung.

Nur eines darf eine Frau und Jüdin in den Augen Ihresgleichen wohl nicht haben: Erfolg. Neid und Missgunst sind ihr dann gewiss. Gerade Frauen und Jüdinnen sind da besonders gnadenlos. Ich wünsche Ihnen ein wenig Erfolg. Es tut einfach gut.

Erica Fischer Berlin“

Die folgende Irritation blieb ohne Antwort der angesprochenen Erica Fischer, und diese Antwort bleibt sie notgedrungen schuldig, sie müßte der Überlebenden Jüdin Elenai Predski-Kramer noch einmal, wie schon im erwähnten Bildband, der ja ihr Buch Aimeé und Jaguar nur noch potenziert in seiner Aussage: eine tragische, lesbische „Liebe im Dritten Reich“ (so die Überschrift auf www.neuewelt.at), zum wiederholten Mal die Kompetenz absprechen über Verhältnisse und Situationen zu urteilen, die Predski-Kramer selbst erlebt hat im Berlin 1942/43 und sich als Nachgeborene Erica Fischer über die realen Erfahrungen einer Überlebenden stellen:

„Veröffentlicht am Montag, 27. Januar 2003 – 21:47 Uhr:

Hallo Erica,

als ich hörte, daß Du Dich im haGalil-Forum geäußert hast, habe ich mich erst einmal gefreut, als ich Deinen Beitrag gelesen habe – allerdings weniger.

Ich finde es schwach, die Kritik an Deinem Vorgehen auf die Ebene zu reduzieren:

„Da gönnt mir eine meinen Erfolg nicht“.

Ich finde es sogar weit unter der Gürtellinie.

Ich kann durchaus verstehen, wie es zur ersten Auflage von Aimee und Jaguar kam und daß Du seinerzeit einige Zusammenhänge noch nicht so klar hattest.

Ich verstehe allerdings nicht, daß Du in den folgenden Ausgaben und fremdsprachigen Übersetzungen so weitgehend bei Deiner vorherigen Darstellung geblieben bist. Was sagst Du denn zur Kritik von Elenai Predski-Kramer?

Als Esther Dischereit den Artikel „Zwischen Abhängigkeit, Prostitution und Widerstand“ (http://www.hagalil.com/archiv/99/10/jaguar.htm) veröffentlicht hatte, hatten wir beide ein Gespräch. Du warst ganz verwundert und meintest:

„Das habe ich doch auch schon geschrieben“.

Wenn es denn so gewesen wäre, wären die beiden Artikel von Esther Dischereit und Frau Sperber überflüssig.

Noch zum Stichwort „Erfolg“ ein Gedanke:

Kann es sein, daß Du Dich vom Erfolg verführen hast lassen?

Viele Grüße

Iris,

die sich fragt, warum Du sie permanent ignorierst, seit der Esther Dischereit Artikel bei haGalil steht.“ (http://forum.hagalil.com/board-a/messages/3320/11923.html?1044348347)

Fischers Geschichten hingegen bekamen gleich mehrere Verleger und viele Auflagen, weltweit, das betont sie auch: Sie stellt voller Genugtuung dar, wieviele Auflagen sie erreicht hat

„Aimée & Jaguar, Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1994, 1996; dtv (Neubearbeitung), München 1998; rororo (Neubearbeitung), Reinbek 2001 (übersetzt in 13 Sprachen)“
http://www.erica-fischer.de/werkverzeichnis.html

plus dem von Petra M. Springer gepriesenen Bildband vom November 2002. Springer ist für mich ein typischer Fall von links-identitärem Gerede, das sich um kritische Darstellung nicht zu kümmern scheint.

Denn – und das mag für das Motiv, sich damit überhaupt zu befassen wegweisend sein oder wieso läuft der Film Aimèe und Jaguar nicht nur immer und immer wieder im TV sondern wird auch noch auf allen möglichen AstA-Etagen bundesdeutscher Universitäten, wie der von Bremen, von jedem x-beliebigen FrauenLesben Referat für jede neue Studentinnen-Generation gezeigt ?? – das eigene Stilisieren zu einer Opfergruppe ist für die Linke in der BRD bzw. Österreich konstitutiv.

Auch die unwissendsten Interessierten haben zumindest ein Buch in ihrem kleinen Bücherregal: Erica Fischers Aimée und Jaguar. Eine allzu deutsche Geschichte, die gefällt. Der Plot hat den Fokus der arischen Frau als Ausgangspunkt. Das ist basal für Film und Buch. Im Film wird das auf eklige Weise schon zu Beginn deutlich, als in der Szene mit dem „lesbischen Blick“der Fokus von Wust die Grundlage und den ganzen Film bestimmt, somit keine Brüche, Zweifel oder Schuld aufkommen lassen. Es geht nicht um Kritik. Es geht um Identität. Und dabei geht es mir gar nicht darum und kann es auch gar nicht darum gehen die Vereinnahmung von Felice einerseits von Lesben andererseits von Jüdinnen für ihre jeweiligen Identitätspolitiken in einem Dritten – einem vermeintlichen Ort der Nicht-Identität – aufgehen zu lassen: hiermit kritisiere ich den Artikel „Of Death, Kitsch, and Melancholia – Aimée und Jaguar: ‚Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943‘ or ‚Eine Liebe größer als der Tod‚? von Anna M. Parkinson (2001), in: Helmut Schmitz (ed.): German Culture and the Uncomfortable Past, Aldershot u.a. (Ashgate), S. 143-163.

Solche ‚Dialektik‘ ist an genau diesem historischen Ort schal und schief. Parkinson argumentiert in Anlehnung an Judith Butlers Konzept von gendered Melancholie. Demnach habe Lilly nach der Deportation und Ermordung von Felice sich selbst zur Jüdin gemacht und das verlorene Objekt der Begierde verinnerlicht, eine melancholische Introversion, die Parkinson mit Freud untermauert wissen möchte.

Daß aber Lilly Wust aufgrund ihrer möglichen direkten Verantwortung für die Deportation von Felice selbst Anteil hätte – denn wie kam denn die Gestapo an eines der wenigen Fotos von Felice, die außer Lilly nur andere Jüdinnen in Besitz hatten ?? Und wieso ließ Lilly sich einen Erbschein unterschreiben ? Und wieso schließlich hat sie Felice, so denn dies stimmt, im KZ besucht, obwohl alle Jüdinnen ihr abgeraten hatten von diesem narzistisch evozierten Besuch, der sich nur die Liebe bestätigt sehen wissen wollte (im KZ!!) und evtl. selbst große Mitschuld an der baldigen Ermordung von Felice Schragenheim trägt ??? – das verschweigt Parkinson im beredten Abstrahieren von diesen realen Fragen und Fakten.

Sind das nicht alles Anhaltspunkte einer radikalen Hinterfragung der Phantasmen einer Lilly Wust ? Es sind die Fragen der jüdischen Freundin von Felice, die Fragen Elenai Predski-Kramers. Parkinsons kulturtheoretische Analyse ist somit geradezu grotesk: ohne die Frage nach all diesen Schuldanteilen auch nur zu stellen imaginiert Parkinson sich eine kultur- und gender-studies-theoretische Analyse, die in typischem Stil gegenwärtiger Sozial- und Kulturwissenschaft Täter und Opfer in einem sehen möchte. Alles im Fluß. Daß eine solche Analyse eine Derealisierung darstellt, ist offenbar. Wenn sich die arische Deutsche Wust beim Einmarsch der Roten Armee Anfang 1945 in Berlin den gelben Stern gleichsam stolz ans Revers heftet ist das doch nicht „ironically“ (Parkinson 2001: 147), weil Felice ihn nie trug !

Parkinson läßt letztlich die Geschichten von Wust/Fischer stehen und zeigt eine Empathie gleichsam eskamotierende Ferne zu der realen Überlebenden Elenai Predski-Kramer. Ich würde es ‚kulturtheoretische Derealisierung‘ nennen. Im Rekurs auf Freud kann Parkinson zwar interessante Elemente von Melancholie, Identitätsverweigerung oder –wandel konstatieren aber nicht die konkrete Historie erhellen. Denn Täter und Opfer, die konkrete Leidensgeschichte der Jüdin werden nicht aus deren Sicht oder der ihrer noch lebenden Freundin Elenai Predski-Kramer erzählt und festgehalten sondern aus der die jüdische Perspektive derealisierenden Sicht der arischen Deutschen. Wie kommt es denn zu der unglaublichen nick-name-Bildung von „Jaguar“?

Gerade die existenziell bedrohte, vom Verhalten ihrer deutschen Umwelt abhängige Jüdin wird als Jägerin tituliert, die sich eine arische Deutsche Geliebte sucht. Wäre die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt, wäre es nie zu so einer grotesken, infamen, derealisierenden Begrifflichkeit gekommen. Doch mit so einem Titel reüssieren Buch und Film. Es wird geradezu kokettiert mit der – um Parkinsons merkwürdige Verdrehung von ‚ironisch‘ aufzugreifen – ‚ironischen‘ Verkehrung von Opfer und Täter, Jägerin und Geliebter hantiert. Doch es ist natürlich keine Ironie sondern der arisch-deutsche Fokus, der hier dominiert.

Es ist schließlich im Kontext der politischen Kultur der BRD eben kein Zufall, daß genau so ein Plot, so ein Fokus reüssiert. Erinnerungsabwehr wird so in Sinne identitärer Politik fortgeführt. Die Abstraktion von der deutschen Volksgemeinschaft auch nach 1945 im Fokussieren der lesbischen Liebe läßt das von Dischereit so treffend bezeichnete „Massada der Deutschen“ Wirklichkeit werden. Zu suggerieren, weder die eine noch die andere ‚Seite‘ habe Recht wie es Parkinson tut, mag zwar der Diskursanalyse, den gender-studies mithin schmeicheln, schlägt sich jedoch subkutan zumindest auf die Seite der Siegerin, der egomanischen Nazi-Frau Lilly Wust. Es geht um deren Identität. Deutsche Identität mit Feder und Kamera im Gleichschritt.

„Das Leben der in Auschwitz getöteten Jüdin Felice Schragenheim scheint durch die Akteurin „Aimée“, real Lilly Wust, hindurch und über diese vermittelt. „Jaguar“– im Kosenamen eine grotesk absurde Verkehrung darüber, wer hier Jäger und wer hier Gejagte ist. Das ist eine Übernahme aus dem gleichnamigen Buch, in dem die Geschichte bereits so angelegt ist, daß wir letztlich erfahren, wie sehr die Nicht-Jüdin, Kosename „Aimée“, leidet. Durch den Filter ihrer Person erfahren wir von der Verfolgungsgeschichte der Jüdin, die die Deutsche „Aimée“wie in einem Mysterienspiel auf sich nimmt und posthum zu ihrem Leiden macht. In Talk-Sendungen in Deutschland verstieg sich die authentische, nun schon betagte „Aimée“, Lilly Wust, zu der Bemerkung, die Tote erscheine ihr gegen Abend. Statt Hitler-Bild ist nun ein siebenarmiger Leuchter in Betrieb. Und – mit dem jüngst zur Welt gekommenen Baby der Maria Schrader sei nun wieder eine wunderbare Felice auf der Welt“(Dischereit 2001: 63f).

hagalil.com 25-04-2004

 

Deutsche moegen nur tote Juden, Islamisten gar keine

Dieser Text wurde zuerst auf www.juedische.at am 7. Oktober 2003 publiziert.

Wolfgang Dressen und das Ausstellungsprojekt ‚Ex-oriente‘ in Aachen
protegieren Antisemiten und Israelfeinde oder Henning Eichberg meets
muslim-markt.de

Mit einem offenen Brief hat eine Initiative gegen Antizionismus und
Antisemitismus Wolfgang Dressen, 1998 Initiator der Ausstellung
‚Aktion 3. Deutsche verwerten juedische Nachbarn‘, und die anderen
Verantwortlichen fuer die geplante Gross-Ausstellung Ex-oriente in
Aachen auf die antisemitischen, volksverhetzenden und
israelnegierenden Seiten von muslim-markt.de, zu denen extra ein link
auf der Ausstellungs-homepage ex-oriente.com geschaltet worden war,
hingewiesen. Doch warum sich explizit von Israelfeinden distanzieren,
wenn man selber eine offene Flanke zu Antisemitismus hat, wie Dressens
Publikationspraxis frueherer Jahre bis heute zeigt?

„Nie geraten die Deutschen so ausser sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen“ (Tucholsky)

1) Von der Konvergenz zur Koinzidenz: Lechts und rinks gegen Israel und die Juden

Es geht mir hier darum zu zeigen, wie im 21. Jahrhundert in der BRD
die Erinnerung an die Shoah, die Vernichtung von 6 Millionen Juden
durch Deutsche im Nationalsozialismus nahtlos uebergehen kann in die
Unterstuetzung antizionistischer, israelfeindlicher Gruppen.

Es geht, wie es kuerzlich Yossef Levi, Attaché fuer
Oeffentlichkeitsarbeit der israelischen Botschaft in Berlin, gesagt
hat, darum: die Deutschen moegen die Juden des 27. Januar, keineswegs
aber die des 28. Januar. Ein Jude ist Opfer, wenn er beginnt sich zu
wehren, hoert der Spass auf. Wolfgang Dressen, einer breiteren
Oeffentlichkeit bekannter geworden durch die von ihm konzipierte
Ausstellung „Betrifft: ‚Aktion 3‘. Deutsche verwerten juedische
Nachbarn“, steht hier exemplarisch fuer die Offenheit der alt-68er
fuer sowohl neu-rechte Ideologeme als auch islamistisch,
antizionistisch-antisemitische Positionen und verbindet das mit seiner
Form der Erinnerung an den Holocaust.

Das werde ich an Hand der Publikationspraxis von Dressen waehrend der
letzten 15 Jahre und dem von ihm initiierten und fuer 2003 geplanten
neuen Ausstellungsprojekt „Ex-oriente“ in Aachen darlegen. Was
heutzutage in der BRD geschieht, ist die zunehmende Konvergenz, ja die
Koinzidenz, rechter und linker Positionen bezueglich Israel und den
Juden. Die einen hassten seit 1967 Israel, die anderen alle Juden.
Wolfgang Dressen, Linker seit Dutschkes Tagen, steht fuer diese
Konvergenz, was ich nicht nur am aktuellen Beispiel des
islamistischen, anti-israelischen muslim-markt zeigen werde, sondern
eben auch in den politischen Texten und Positionen Dressens in den
spaeten 1980er Jahren.

Zwei Exponenten nationaler Identitaet spielen die Hauptrollen: der
neu-rechte Vordenker Henning Eichberg und das volksnahe,
ressentimentgeladene schwaebisch-altfraenkische Grossmaul vom
Bodensee, Martin Walser.

2) ex-oriente.com verlinkt muslim-markt.de: „heutige Massaker viel schlimmer als Auschwitz“

Wolfgang Dressen wurde einer etwas groesseren interessierten
Oeffentlichkeit durch die von ihm zusammen gestellte Ausstellung
„Betrifft: ‚Aktion 3‘. Deutsche verwerten juedische Nachbarn“
bundesweit bekannter. Linke, antifaschistische Gruppen hatten diese
Ausstellung seit Anfang 1999 in mehreren Staedten gezeigt, oft mit
einem politischen oder kulturellen Begleitprogramm. Wichtig war den
Gruppen die voellig un-thematisierte Geschichte der oekonomischen und
massenhaft mitgemachten Entjudung Deutschlands.

In der Ausstellung werden Dokumente der Finanzbehoerden ausgestellt,
die zeigen, wie der Vernichtungsprozess der Juden bis hinein in
‚arische‘ Wohnzimmer in Koeln reichte. Dabei ist eine zentrale
Fragestellung, und das wurde ja schon zur Zeit der Goldhagen-Debatte
und der einhelligen Abwehr der Thesen Goldhagens durch die historische
Zunft der BRD und der linken Szene gleichermassen offenbar, welche
Motivation hinter der Vernichtung der Juden zu suchen ist.

Dressen jedenfalls ging einer weitergehenden Analyse des
nationalsozialistischen Antisemitismus konsequent aus dem Weg.
Wolfgang Dressen himself war es dann, der die „Initiative gegen
Antizionismus und Antisemitismus“
(Berlin/Bremen/Esslingen/Hamburg/Tuebingen) auf sein neuestes Projekt
aufmerksam machte. Das Insistieren auf einer Analyse des
Antisemitismus als dem konstitutiven Element des Nationalsozialismus
scheint ihn dennoch beschaeftigt zu haben, denn er meinte der
Initiative seine Beschaeftigung mit einem anderen toten Juden, dem
Juden Isaak, der im Auftrag Karls des Grossen Ende des 8.
Jahrhunderts u. Z. von Aachen in den Nahen Osten reiste und in Bagdad
einen weissen Elefanten geschenkt bekam, den er in Aachen ablieferte,
naeher bringen zu muessen und wies auf seine diesbezuegliche Homepage
ex-oriente.com hin.

Ob und warum sich mensch mit Karl dem Grossen in dieser Form
beschaeftigen soll, sei dahingestellt. Auffallend ist jedoch bereits
die Projektbeschreibung auf der Homepage. Es wurde anfangs
ausdruecklich davor gewarnt, Positionen fuer ‚heutige politische
Probleme zu instrumentalisieren‘, es solle ausschliesslich um das
8./9. Jahrhundert gegen. Dazu jedoch werden „KuenstlerInnen aus
Palaestina“ und dem „heutigen Israel“ eingeladen. Dass Israel
adjektivisch naeher bestimmt wird, Palaestina jedoch nicht, obwohl es
‚Palaestina‘ im Gegensatz zu Israel ja gar nicht gibt, laesst eine/n
schon hellhoeriger werden.

Soll die naehere Bestimmung Israels als heutiges andeuten, morgen
koenne Israel schon ganz anders aussehen? Z.B nicht mehr als
juedischer Staat? Oder ueberhaupt nicht mehr, was auf das Gleiche
hinausliefe? Hier also schon erste grosse Fragezeichen. Doch eine
Homepage hat noch weitere Moeglichkeiten, politische Inhalte zu
verbreiten. Z.B. die links zu anderen Pages. Davon waren 18 an der
Zahl geschaltet worden auf ex-oriente.com.

So wie es eine Strategie der Neuen Rechten ist, ihre Inhalte unter ein
moeglichst breites Publikum zu streuen, mit durchaus kontraeren
Positionen also z.B. in Sammelbaenden aufzutauchen, so ist auch diese
Homepage gebastelt. Neben wichtigen links u.a. zu hagalil.com,
zentralrat.de sind auch links geschaltet worden zu islam.de und
muslim-markt.de. Ich werde mich im folgenden ausschliesslich auf den
muslim-markt konzentrieren, da hier die antisemitische Propaganda am
deutlichsten hervortritt.

Diese antisemitischen, israelfeindlichen,
pro-Hizbollah – Seiten waren es, die die Initiatieve gegen
Antizionismus und Antisemitismus alarmierten und zu einem offenen
Brief (vom 22.03.2002) an Dressen, Frau Pfeiffer Poensgen,
Kulturdezernentin der Stadt Aachen und die anderen Verantwortlichen
der Ausstellung Ex-oriente (29.6.-28.9.2003 Aachen) mitsamt den
UnterstuetzerInnen, darunter ein NRW-Ministerium und die FH
Duesseldorf, veranlassten.

Muslim-markt.de ist eine Seite fuer Muslime von Muslime. Alles fuer
die Muslima bzw. den Muslim wird virtuell ausgebreitet: Frisoere fuer
Muslime, Essen fuer Muslime, Heiraten fuer Muslime, Buecher fuer
Muslime etc. Diesem homogen-religioesen, islamistischen Weltbild ist
nun ein politischer Impetus aeusserst wichtig: seit vielen Monaten ist
ein „Palaestina-Spezial“ zu lesen, das mit Karikaturen im
Stuermer-Stil arbeitet, und das alle antisemitischen Stereotypen fuer
das interessierte islamistische Publikum und seine anderen deutschen
Freunde bereithaelt.

Vom „Welteinfluss des Zionismus“ bis zum Juden mit Hakennase, der die
nah-oestliche Friedenstaube einfaengt, ist alles dabei. Dieses
Palaestina-Spezial, das zeitlich eindeutig vor der Page ex-oriente.com
im web online zu lesen war, spricht ausschliesslich vom „Pseudostaat
Israel“:

Muslim-markt schreibt weiter:

„Die Arbeiten richten sich ausschliesslich gegen die Verantwortlichen des Zionismus und des Pseudostaates ‚Israel‘, der auf Unrecht aufgebaut ist.“

Vor diesem Hintergrund muss die vorsorgliche Distanzierung der Anbieter vom
Nationalsozialismus und dem Antisemitismus als blosse Schutzbehauptung
vor strafrechtlichen Konsequenzen gelten, was ja auch in der rechten
Szene durchaus ueblich ist. Der „Muslim-Markt“ distanziere sich von
„Hitler, seinen Graeueltaten und jeglichem Nazi-Gedankengut“, heisst
es.

Neben den „historischen Graeueltaten“ verurteile man jedoch „viel
intensiver die Massaker unserer Zeit, die aufgrund von rassistischen
Motivationen erfolgen.“ Auschwitz, die Vernichtung von sechs Millionen
Juden durch deutsche Taeter soll also eine „historische Graeueltat“
gewesen sein, die weniger „intensiv“ zu verurteilen ist als „die
Massaker unserer Zeit“, die selbstredend den Israelis angehaengt
werden. Dieser Punkt ist zentral, denn eine Verharmlosung von
Auschwitz ist fuer Antisemiten Grundtopos und taucht auch bei der
Neuen Rechten bzw., wie gebrochen auch immer, der politischen Kultur
der BRD der letzten Jahre insgesamt sehr deutlich hervor.

Weil man „von den westlichen Medien“ nicht erwarten koenne, „dass
diese von den Demonstrationen gegen den Zionismus berichten“, stellt
‚Muslim-Markt‘ Fotos und Berichte „der Geschwister“ ins Netz, darunter
Abbildungen mit antiamerikanischen und antisemitischen Motiven. Von
dem aggressiv-militanten Hintergrund der Seiten zeugt auch die
Dokumentation eines Interviews mit dem Generalsekretaer der
terroristischen Hizbollah. Und als besonderen Service schliesslich
koennen sich die Leserinnen und Leser des „Muslim-Markt“ im
Download-Bereich den animierten Intifada-Bildschirmschoner
herunterladen, der – von Musik untermalt – zu Spenden fuer die
Intifada aufruft.

Gerade die Demo-Parolen, die auf muslim-markt zu lesen sind, erlangten
ja in den letzten Wochen, als bundesweit der voelkische Mob ‚fuer
Palaestina‘ mobilisierte, eine betraechtliche antisemitische
Aktualitaet. Doch auch dieser Hintergrund, die Tatsache, dass auch in
Aachen mit muslim-markt-Parolen wie „Israel-Kindermoerder“ auf den
Strassen agitiert wurde, aufgerufen hatten SPD, Gruene (die sich dann
distanzierten) und andere Vereinigungen der Palaestina-Solidaritaet
bzw. Israel-Feindschaft, veranlassten Dressen &Co. mit keinem Wort,
sich explizit von muslim-markt zu distanzieren, wie es die Initiative
am 22.03.202 gefordert hatte.

Seit dem 2.4.02 sind jedoch auf der Homepage von ex-oriente.com
ueberhaupt keine Links mehr geschaltet. Dies ist die Antwort der fuer
die Seite Verantwortlichen auf einen Brief des Duesseldorfer
Ministeriums fuer Staedtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes
NRW, dessen Forderungen der Initiative gegen Antizionismus und
Antisemitismus wie folgt vorab dargelegt worden waren:

„Wir haben die Organisatoren (von Ex-oriente, d.V.) mit heutigem Fax gebeten, unverzueglich missverstaendliche, antisemitische oder gar volksverhetzende Hinweise, insbesondere die von Ihnen genannten Links
aus der Homepage zur Ausstellung zu entfernen. Im uebrigen haben wir auch Herrn Prof. Dressen gebeten, zu den von Ihnen erhobenen Vorwuerfen Stellung zu nehmen“ (28.03.2002).

Die OrganisatorInnen haben auf die Link-Seite von ex-oriente.com
folgende Notiz platziert:

„Leider mussten wir dennoch erfahren, dass ein offener Umgang mit solch exponierten Positionen zum gegenwaertigen Zeitpunkt zu extremen Missverstaendnissen fuehrt. Wir wuerden uns freuen, wenn Sie uns im Forum Ihre Meinung zu dieser Entscheidung, die hier urspruenglich vorgesehenen Links nicht mehr anzugeben, mitteilen wuerden“.

Zuvor war die Link-Seite bereits mit einer Schutzklausel
versehen worden:

„Die folgenden Links sind ein Spiegel heutiger
Meinungsvielfalt, der Herausgeber der Seite ist fuer den Inhalt dieser Links nicht verantwortlich“ (28.03.2002).

Der Aufforderung, Verweise auf antisemitische und volksverhetzende
Inhalte zu loeschen, ist also 1. nur auf aeusseren Druck entsprochen
worden und 2. nur um den Preis alle Links, auch dezidiert
anti-antisemitische wie den zum Zentralrat der Juden in Deutschland,
zu loeschen. Mit der Loeschung der Links zu juedischen Seiten wird
gerade nicht Stellung bezogen zu den antisemitischen Seiten von
muslim-markt.de.

So hatte es die Initiative gegen Antisemitismus und Antizionismus dann
in einem zweiten offenen Brief (vom 16.04.2002) dargestellt und
erwartet, dass sich Dressen und die anderen Verantwortlichen von
ex-oriente.com wenigstens jetzt doch noch dazu verhalten wuerden. Doch
warum sich von Israelfeinden und Antisemiten distanzieren, wenn man
selbst mit neu-rechten, nationale Identitaet einfordernden und
Auschwitz verharmlosenden Positionen bestens vertraut ist?
Antisemitismus und Israelfeindschaft sind fuerderhin fuer Dressen &Co.
„Spiegel heutiger Meinungsvielfalt“.

3) Henning Eichbergs deutsches Deutschland in Dressens Niemandsland

Henning Eichberg ist einer der wichtigsten Vordenker der Neuen Rechten
in der BRD bzw. Europa. Er ist Schueler des SS-Hauptsturmfuehrers
Arthur Ehrhardt, der Bandenbekaempfungsspezialist im
Fuehrerhauptquartier und spaeter Begruender von Nation Europa war,
einer Nazi-Zeitung, die bis heute zu den auflagenstaerksten zaehlt.
Eichberg will in den 70er Jahren sich von der Rechten entfernt haben
und jenseits von links und rechts oder doch links engagiert sein.
Darauf sind viele reingefallen. Z.B. das bedeutende
Zeitschriftenprojekt Aesthetik und Kommunikation. Eichbergs
nationalsozialistische Theorie liegt seit 1978 in einem bekannter
gewordenen Baendchen auf dem Tisch: „Nationale Identitaet. Entfremdung
und nationale Frage in der Industriegesellschaft“.

Ohne hier das komplette Eichbergsche Modell vorstellen zu koennen,
reicht schon ein kurzer Blick hinein, zu dem auch Dressen faehig sein
muesste, um zu erkennen, wohin die Reise geht. „Wer von den Voelkern
nicht sprechen will, soll von den Menschen schweigen“ (S.13), bis
heute Slogan der rechtsextremen Zeitschrift ‚wir selbst‘, deren
wichtigster Autor Eichberg seit Jahrzehnten ist. „Ethnopluralismus
gegen Universalismus“ (S. 8), seit Jahren ein Grundtopos der Neuen
Rechten und rechtsextremistischer Parteien. Das kulminiert in dem von
der NPD und anderen organisierten Nazis seitdem gern benutzten
„Deutschland den Deutschen“, das „deutsche Deutschland“ (S. 105).

Für Dressen kein Grund, nicht jahrelang Eichberg zu veroeffentlichen,
mit Texten ueber Koerperkultur, Sport, Oekologie, neue soziale
Bewegungen etc. Genau das ist ja Strategie der Neuen Rechten in der
Folge von Alain de Benoist: den kulturellen Boden bereiten fuer die
voelkische Revolution. Gerade nicht parteilich organisiert sein, was
Eichberg natuerlich nicht hindert, gern bei der NPD bzw. deren Umfeld,
aufzutreten.

Wie soll es also noch verwundern, dass Dressen nichts
gegen islamistische Israelfeinde hat, wenn er Jahre zuvor mehrmals und
auch auf dezidierte Kritik hin einen so gefaehrlichen neu-rechten
Vordenker wie Henning Eichberg publizierte, der auf jede Art und Weise
versucht, Auschwitz zu relativieren, am besten mit der „Vertreibung
der Deutschen aus dem Osten“?

Auschwitz stehe fuer den „industriegesellschaftlichen
Volksgruppenmord“, der bis heute andauere. All diese Texte und
Hetztiraden waren bekannt, als Dressen Eichberg in der von ihm
wesentlich mit konzipierten und herausgegebenen Zeitschrift
Niemandsland, schreiben liess. Diese Zeitschrift hatte, wie spaeter
ans Tageslicht kam, mit Geldern aus dem Bundesinnenministerium (Bonn)
die Aufgabe, insbesondere die kulturelle Szene der DDR auf zu mischen
und zum Sturz der DDR beizutragen: Wiedervereinigung mit anderen
(Bundes)Mitteln. Eichberg scheint Dressen besonders am Herzen zu
liegen, laesst er ihn doch eine deftige Replik auf eine Kritik an der
Strategie und Ideologie der Neuen Rechten schreiben.

Eichberg: „Die Frage der deutschen Identitaet erhebt sich also aus dem
Niemandsland“, quasi jenseits von ‚kleinen politischen Einheiten wie
BRD oder DDR‘. Das Schlimmste an NS-Deutschland, das eine Art
„Buergerkrieg“ gewesen sein soll, ist die Mauer in Berlin:

„Die Deutschlaender sind Niemandslaender. Aus ihnen kann keine Identitaet erwachsen, die Bruechigkeit ist mitgeliefert. (…)

Die jahrhundertelangen Buergerkriege in Deutschland (Protestantismus gegen Katholizismus, Rechts gegen Links, Faschismus gegen Antifaschismus) haben sich – mit Besatzerhilfe – verstaatlicht und zu Beton verdichtet. Damit ist eine zusaetzliche Distanz zum Staat gegeben: Wer ‚Volk‘ oder ‚wir Deutsche‘ sagt, hat die herrschenden Ordnungen schon infrage gestellt. Das ist die deutsche Chance“.

Eichberg kann sein deutsches Potential voll ausschoepfen, wird er doch
von links und rechts gleichzeitig publiziert.

4) Auschwitz ist den Juden nicht zu verzeihen. Wolfgang Dressen sieht Martin Walser im TV

Ich moechte nun einen Blick werfen auf Walser, wie ihn Dressen in
Niemandsland wahrgenommen hat, im Jahr 1989. Dressen hat 1989 TV
geschaut und bei Lea Rosh den armen Martin Walser ganz allein dasitzen
sehen, wie er die DDR verfluchte und meinte, „dass seit Auschwitz noch
kein Tag vergangen sei, die Mauer sei das Ergebnis diese aktuellen
Geschichte, die durch diese Mauer jeden Tag neu bestaetigt wuerde“
. Die Deutschen als Opfer. Dressen schafft es en passant die deutsche,
nationalsozialistische Losung „Arbeit macht frei“ der Juedin Irene
Runge, die wie auch immer in dieser Sendung die DDR verteidigt hat,
unterzuschieben und verharmlost die KZs aufs Heftigste. Schon der von
Dressen wie selbstverstaendlich angefuehrte Vergleich der DDR mit dem
Faschismus in Chile seit 1973 ist totalitarismustheoretische
Propaganda. Im Vergleich mit Chile war die DDR ein Paradies. Bei
Dressen ist das jedoch, entgegen buergerlichem mainstream, nicht
wesentlich antikommunistisch motiviert sondern vielmehr
deutsch-national.

‚Nationale Identitaet‘, ganz wesentlich eine Wortschoepfung des
nationalrevolutionaeren Vordenkers der Neuen Rechten, Henning
Eichberg, ist movens fuer Dressen Geschichsklitterung.

Das was Dressen an Walser so wichtig empfunden hat, dass Auschwitz
schuld sei an der Mauer in Berlin, laesst tief blicken und ich moechte
es knapp mit Walser-Passagen von 1979 bzw. 2002 kontextualisieren.

Es ist mit keinem Wort Juergen Habermas‘ zu entschuldigen, dass er
1979 diese zwei Baende „Stichworte zur geistigen Situation der Zeit“
ediert hat. Martin Walser intoniert um was es geht: die „nationale
Frage“. Habermas Unfaehigkeit, kritische Theorie als Kritik zu lesen
und nicht als „unvollendete Moderne“ zu depotenzieren und gleichsam
mit dem Theorem der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ die nationale
Kuschelecke zu evozieren, wird von Walser, damals DKP-Sympathisant,
sekundiert:

„Schlimmer als der geschmaehte Jargon der Eigentlichkeit
kommt mir der Jargon vor, in dem da geschmaeht wurde“.

„Aber ich muss zugeben, eine rein weltliche, eine liberale, eine vom Religioesen, eine ueberhaupt von allem Ich-Ueberschreitenden fliehende Gesellschaft
kann Auschwitz nur verdraengen. Wo das Ich das Hoechste ist, kann man Schuld nur verdraengen. Aufnehmen, behalten und tragen kann man nur miteinander“.

Hier hat der Satz ‚Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie
verzeihen‘ seine vollste Wirkungsmaechtigkeit erreicht:

„Auschwitz.
Und damit hat sich’s. Verwirkt. Wenn wir Auschwitz bewaeltigen koennten, koennten wir uns wieder nationalen Aufgaben zuwenden“(ebd., 48).

Das erfuellt alle Ansprueche, die ein ganz normaler
Bildungsbuerger-Deutscher nach Auschwitz und Treblinka so hat. Die
Frage stellt sich, jedenfalls mir, ob hier nicht Dressens Motivation
erkennbar wird, sich z.B. mit der ‚Arisierung‘ im Nationalsozialismus
zu beschaeftigen. Walsers Antrieb jedenfalls wurde von Adorno an einem
anderen exemplarischen Fallbeispiel schon vor 50 Jahren analysiert:

„Man darf wohl ohne Gewaltsamkeit einen Zusammenhang konstruieren zwischen der Betonung dessen, dass die Sprecherin eine ‚echte Deutsche‘ sei, und ihrer Identifikation mit der Schuld. Sie zieht aus dem in der Sprache der Diskussion ueblichen ‚wir‘ die Konsequenz: wenn man sich schon sehr stark als Glied des Kollektivs erfaehrt und daraus Befriedigung zieht, muss man auch fuer das Negative einstehen. Der Tenor kehrt wieder n der weiter unten angefuehrten Aussage jeder Frau,
die sagt, dass sie, wenn sie stolz auf Goethe sei, ebenso auch sich
als schuldbeladen wegen der Untaten an Juden fuehlen muesse“.

Heute bringt es in einer national-sozialistischen Sprache, die einem
den Atem verschlaegt, Walser selbst auf den Punkt: er stellt, wie
immer mit bebender Stimme, ‚altfraenkisch‘ und schwaebisch zugleich,
fest, „dass wir zur Volksgemeinschaft der Taeter gehoeren“. Wenige
werden die deutsche Sehnsucht nach einem zu rettenden „wir“ nach ’45
so auf den Punkt gebracht haben. Nicht trotz sondern wegen Auschwitz
bleiben die Deutschen eine „Volksgemeinschaft“. Das ist die Umsetzung
des Mottos „Unsere Ehre heisst Treue“(SS).

5) Die SA interpretierte den nationalen Sozialismus „rassistisch“,
aber sonst…

Wen Dressen so alles veroeffentlicht, welchen Raum er Neuen Rechten
und Freunden ‚grossdeutscher Loesungen‘ gibt, ist schon skandaloes
genug. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass er sich mit
keinem Wort explizit von den antisemitischen, volksverhetzenden und
israelfeindlichen Internet-Seiten von muslim-markt.de distanziert.
Ich gehe davon aus, und Dressen hat es ja auch so formuliert, solcher
anti-israelische Affekt sei „ein Ausdruck heutiger Meinungsvielfalt“.
Wer Antisemiten gewaehren laesst, unterstuetzt sie, nein, mehr noch:
wer Antisemiten, Weltverschwoerungstheoretikern und Israel-Hasser
einen Raum gibt und sich nicht explizit davon distanziert, ist selber
antisemitisch und israelfeindlich.

Das mag Dressen nicht hoeren, hat doch auch er, wie seine
Beschaeftigung mit der Enteignung der Juden im Nationalsozialismus
zeigt, sich intensiv mit den toten Juden des nationalsozialistischen
Deutschland abgegeben. So unterscheidet Dressen im Ausstellungskatalog
tatsaechlich zwischen einen guten und einem schlechten Nationalen
Sozialismus:

„Die SA bildete vor 1933 die ‚Bewegungsbasis‘ der
Partei. In ihr waren viele sozial benachteiligte Menschen organisiert, die den nationalen Sozialismus rassistisch verstanden, sich aber nicht in die staatliche Ordnung einbinden liessen und somit die legalistischen Interessen der Partei und des Staates behinderten. (…)

Am Boykottag wurde sozialer Protest kanalisiert gegen ideologisch definierte ‚Fremde‘. Aufgrund der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit bestand die Gefahr, dass sich eine solche ‚Willkuer‘ auch gegen das ‚deutsche‘ Kapital richtete.“

Haetten die SA-Leute den Nationalen Sozialismus nicht rassistisch verstanden, dann waere Deutschland aus dem Niemandsland endlich zu sich selbst gekommen. Sozialer Protest des Volkes heiligt eben alle verbrecherischen Mittel, auch wenn sie in den
Vernichtungswahn gegen Juden muenden.

Die Vernichtung der Juden um ihrer Vernichtung Willen kann mit
interesse-geleiteten Versatzstuecken alt-marxistischer
Phrasendrescherei nicht verstanden werden, die Shoah wird in ihrer
Praezedenzlosigkeit negiert. Antisemitismus der ganz normalen
Deutschen kommt hier ueberhaupt nicht vor, nur der staatliche
Herrschaftsapparat und seine Protagonisten, deren weltanschaulicher
Antisemitismus auch nicht fokusiert wird.

Und wer schliesslich Kapitalismus als Spiel von Interessen verharmlost und nicht als sich
hinter dem Ruecken der Leute vollziehende Wertvergesellschaftung
dechiffriert; wer immer, wie verschluesselt auch immer, gegen das
‚Abstrakte‘ fuer das ‚Konkrete‘ agitiert; wer die „theologischen
Mucken der Ware“(Marx) noch nicht einmal zu erkennen versucht, wird
immer beim Ressentiment gegen ‚die Kapitalisten‘, die ‚Bonzen und
Banken‘ landen und ist immer strukturell antisemitisch.

Dressen geht es um nationale Identitaet, und da ist ihm die ‚deutsche
Revolution‘ von 1933, dieser grosse Aufbruch ins voelkische Zeitalter,
gerade recht. Leider haben Hitler und die anderen Parteifuehrer die
Interessen des ‚deutschen Kapitals‘ gewahrt und die deutsche
Revolution nicht ganz vollendet, will Dressen sagen. Gegen den Staat
und fuer das sozial benachteiligte deutsche Volk, d.h. „dem Volk
dienen“, das ist seine Utopie vom Nationalen Sozialismus.

Vom „Zivilisationsbruch“ (Diner) Auschwitz, von Erinnerungsabwehr der
Deutschen waere zu reden, doch Dressen, der exemplarisch fuer eine
ganze Generation von linken Deutschen steht, will davon nichts
wissen. In seinen oeffentlichen Projekten „ex-oriente“, „Aktion 3“ und
„Niemandsland“ schliesst sich jeweils Dressens ideologischer Horizont:
Sein Weg fuehrt von der Entschuldigung Deutschlands in der „Philippika an der Moderne“ hin zur Destabilisierung Israels und zum nationalen Projekt Deutschland.

Diese und andere Bilder aus muslim-markt.de:
Quelle:
http://www.muslim-markt.de/Palaestina-Spezial/bilder/bilder1.htm

Er meint es nur gut, ist gegen die Abbrechung voelkischer,
nationalrevolutionaerer Bewegungen und will einen nationalen
Sozialismus, der nicht wieder zu einer Mauer in Berlin fuehrt.
Deutsche meinen es immer nur gut, wenn sie zu sich kommen wollen.

„die juedische“ 07.10.2003 11:47

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