Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Antizionismus Seite 2 von 4

Die „Heidelberger Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“ – und der Antisemitismus

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

In einer „Heidelberger Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“ vom 01. Februar 2024 heißt es salbungsvoll:

„Eine notwendige Verantwortung ergibt sich in besonderer Weise durch die historischen Erfahrungen geschehenen Unrechts in unserer Stadt. Aber auch aktuelle Auswüchse gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit fordern eine Positionierung und ein Engagement, das sich gegen Ausgrenzung und Herabwürdigung von einzelnen Menschen und Gruppen stellt, wie sie beispielsweise in rassistischen, sexistischen und homophoben Diskriminierungen wirksam werden.“

Badische Anzeigen-Zeitung, 16./17. Februar 2024, Foto: privat

Diese Heidelberger Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt ist keine Erklärung für Vielfalt, weil die Gruppe, der historisch „Unrecht“ – ein typisch deutscher Euphemismus für den Holocaust – passierte, hier als heutiges Opfer gar nicht auftaucht. Während es ganz typisch gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie geht, wird Antisemitismus einfach vergessen. Die Dutzenden Stadträte haben die Jüdinnen und Juden einfach vergessen. Dabei ist das die einzige Gruppe, die von der gesamten Gesellschaft tatsächlich immer und immer wieder diskriminiert wird, es gibt schwule Judenhasser, lesbische Israelhasserinnen, migrantische Antisemiten aller Geschlechter.

Nie fühlten sich Juden und Jüdinnen in Deutschland seit der Shoah so alleine und vergessen wie aktuell.

Heidelberg lädt den Pianisten Igor Levit zum beliebten „Heidelberger Frühling“ ein, aber wer geht mit ihm auf Demos für Israel und für jüdisches Leben in der BRD? Wer?

Diese Heidelberger Erklärung zeugt von diesem Vergessen. Es muss gar kein böser Wille zwingend dahinter stehen, keine BDS-Agitator*innen im Stadtrat, es reicht schon die ganz normale deutsche Ignoranz gegenüber jüdischem Leben. Wer zudem Ja zu Juden sagt, aber Nein zu Israel, ist ein Antisemit. Punkt.

In einem Kommentar in der Jerusalem Post vergleicht ein Autor den Antisemitismus in Heidelberg der 1930er Jahre mit dem heutigen Antizionismus in Harvard. Darauf sollte auch mal der Stadtrat Heidelberg reflektieren – man kann nicht der toten Juden gedenken und guten Gewissens die heute lebenden Juden und Jüdinnen ignorieren oder direkt oder indirekt bekämpfen, soft-core oder hard-core Formen des Antizionismus intonieren, wozu auch brüllendes Schweigen nach dem 07. Oktober 2023 gehört.

Und dieses ‚Vergessen‘ des Antisemitismus, während Rassismus wie selbstverständlich erwähnt wird, das ist typisch und indiziert die politische Kultur in diesem Land. Ein additives Hinzufügen von Antisemitismus wäre auch nicht wirklich besser, aber diese Erklärung ist sozusagen noch desolater, als üblich, ganz nach dem alten jüdischen Witz: „Antisemitismus ist, wenn man Juden mehr hasst, als nötig ist“.

Gibt es in Heidelberg irgendein Institut für Geschichte, Gender Studies, Postkolonialismus, Anglistik, Germanistik, Politikwissenschaft, Medizin, Chemie oder Rechtswissenschaft, das Polizeischutz bedarf? Nein, das gibt es nicht.

Gibt es in Heidelberg eine Hochschule für Jüdische Studien, die Polizeischutz bedarf? Ja, die gibt es.

Die Hochschule für Jüdische Studien muss vor gewaltbereiten Antisemiten geschützt werden, seien es Muslime oder Nazis oder linke Extremist*innen oder andere.

Nach dem präzedenzlosen Massaker an über 1200 Jüdinnen und Juden durch palästinensische Männer, Islamisten und Muslime am 07. Oktober 2023 im Süden Israels gab es in Heidelberg eine Kundgebung zur Solidarität mit Israel auf dem Universitätsplatz. Ca. 500 Menschen kamen.

Was haben all die Routine-Gedenkveranstaltungen zum 09. November, der Reichspogromnacht, oder dem 27. Januar 1945, als die Rote Armee der Sowjetunion Auschwitz und einige wenige Überlebende befreite, oder symbolische Besuche mit Fototermin bei der Jüdischen Gemeinde oder einem Besuch in einer KZ-Gedenkstätte für solche Repräsentant*innen gebracht, wenn doch die nicht-jüdischen Deutschen, wenn es darauf ankommt, Judenhass und alle Formen des Antisemitismus einfach ‚vergessen‘, aber Rassismus, Sexismus oder Homophobie explizit nennen?

Im Unterschied zu Rassismus, Sexismus oder Homophobie ist Antisemitismus eine genozidale Ideologie, eine weltweite Ideologie und der „längste Hass“, wie es der wichtigste Antisemitismusforscher unserer Zeit, Professor Robert S. Wistrich (1945–2015) vor Jahrzehnten in Worten fasste.

Es gibt exakt eine Gruppe von Menschen auf Erden, die sich weltweit Vernichtungswünschen gegenübersieht, und das sind die Juden. Der antisemitische Staatspräsident Brasiliens Lula hat vor wenigen Tagen Israels Verteidigungskrieg gegen die Hamas mit dem Holocaust verglichen und von einem „Genozid“ in Gaza gleichsam gefaselt.

Wo bleiben da Demonstrationen in Heidelberg von 18.000 Leuten gegen brasilianischen Antisemitismus, gegen Israelhass und die Verharmlosung der Verbrechen der Deutschen, ja der doppelten Holocaustleugnung aus dem Munde dieses ach-so-linken Lateinamerikaners oder Brasilianers, der den Holocaust leugnet, wenn er die industrielle Vernichtung der Juden durch die Deutschen in direkte Beziehung setzt zu Israel und zweitens indem er das genozidale Massaker der Hamas und der Palästinenser nicht schockiert kritisiert, sondern nur die Reaktion darauf als schrecklich empfindet? Wo sind da die Massendemonstrationen oder Stellungnahmen des Kanzlers?

Irgendwo las ich jüngst en passant, dass einer schrieb, dass das Treffen von Nazis mit anderen Nazis (in Potsdam, AfD) so schockierend und überraschend sei, wie ein Treffen des Papstes mit Katholiken…

Aber dieses gar nicht überraschende Treffen führte zu Millionen, die plötzlich zeigen müssen, dass sie ganz weltoffen und tolerant sind und für Vielfalt natürlich. Doch fast alle jener, die gegen die AfD, die Neue Rechte und den Rechtsextremismus auf die Straße gehen, haben ganz offenkundig kein wirkliches Problem mit Judenhass und Antisemitismus, sonst wären zum Beispiel in Heidelberg nicht läppische 500 Leute nach dem Massaker an Juden durch Muslime, Palästinenser und Jihadisten auf die Straße gegangen, aber 18.000 anlässlich eines Treffens von Katholiken mit dem Papst Nazis mit anderen Nazis.

In einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen betont der Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg (HfJS), Werner Arnold, dass die Hochschule keinerlei Sympathie- oder Solidaritätsadressen von Universitäten in Deutschland bekommen habe.

Die „Heidelberger Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“ ist sicher total gut gemeint, wie so vieles in diesem Land.

Sie ist aber vor allem ein klebriger Fetzen Papier voller Plastikwörter, also beliebig einsetzbaren Wörtern, inhaltlich hohl und politisch völlig irrelevant, weil sie die gefährlichste und tödlichste Ideologie nicht benennt: den Antisemitismus.

Das mag auch ein Zeichen dafür sein, was an der Universität Heidelberg für relevant erachtet wird und was nicht. Die Erforschung des Antisemitismus und des Antizionismus scheint definitiv nicht dazuzugehören. Oder aber die Stadträtinnen und Stadträte in Heidelberg sind dermaßen ignorant, dass sie Antisemitismus als zentrale Form von Diskriminierung und einzige Ideologie, die nach der Vernichtung eines Staates und dessen Bewohner*innen giert – „Free Free Palestine“, „from the River to the Sea“ – nicht sehen wollen oder können. Denn wir wollen doch sicher nicht davon ausgehen, dass in der Heidelberger Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt Antisemitismus deshalb nicht auftaucht, weil die Verfasser*innen selbst antisemitische Ressentiments hegen? Das wäre ein zu schrecklicher Gedanke, den wir lieber wieder fallen lassen…

Bis die Menschen kapieren, dass Antisemitismus etwas kategorial anderes ist als bloßer Rassismus, bloße Diskrimnierung oder Herabwürdigung, nämlich eine genozidale Ideologie, die nach der Tat schreit wie wir es am 07. Oktober 2023 erlebten, wird es noch eine halbe Ewigkeit dauern. Doch diese Zeit haben wir nicht.

 

Pro-Palästinensische Antisemiten und der Bürgermeister von Chicago haben gestern eine antisemitische Resolution durchgeboxt: „Waffenstillstand jetzt“

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Am 31. Januar 2024 wurde im Stadtparlament von Chicago in den USA mit der entscheidenden Stimme des Bürgermeisters eine symbolische Resolution für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen angenommen. Die Wahl selbst ging zuvor 23 zu 23 aus, also die Hälfte der gewählten Vertreter*innen hatte die über Wochen promotete antisemitische Resolution abgelehnt, die andere Hälfte hatte sie angenommen.

Viele Dutzende antisemitische Palästinenser und ihre Freunde (m/w/d) hatten zuvor im Parlament herumgeschrien, wurden dann von ihrem Kumpel, dem Bürgermeister Chicagos, zwar nach einiger Zeit aus dem Saal verbannt, doch Dutzende durften in einer Art VIP-Lounge hinter Glasfenstern weiterhin ihre judenfeindliche Hetze lautstark hinausbrüllen und ihre antisemitische Verkleidung wie das PLO-Tuch zeigen.

Zuvor, vor dem Ausschluss aus dem Versammlungssaal, war die einzige jüdische Abgeordnete Chicagos Debra Silverstein antisemitisch beleidigt und ein typischer antisemitischer Verschwörungsmythos intoniert worden, sie würde ihr „zionistisches Geld“ dafür verwenden „Verbrechen von ihrem Schreibtisch zu wischen“.

Auch die moderne Form der Holocaustleugnung kommt hier zum Vorschein, die unsagbaren Verbrechen der Hamas werden negiert oder gefeiert und Israel angeklagt, ganz so wie es auch die antisemitische Regierung aus Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag betreibt. Die Täter-Opfer Umkehr ist ein ganz typisches Muster des Antisemitismus, wie die Forschung seit Jahrzehnten herausgearbeitet hat.

Silverstein betonte in ihrer Rede, dass es unerträglich sei, einen Waffenstillstand zu fordern und nicht die komplette Zerstörung der Hamas.

Die Palästinenserorganisation hatte in einem genozidalen Rausch am 07. Oktober 2023 über 1200 Juden im Süden Israels massakriert und über 240 entführt, von denen bis heute ca. 130 weiterhin in Geiselhaft gehalten werden.

Der Abgeordnete Byron Sigcho-Lopez aus Chicago hatte Flyer mitgebracht und in seiner Rede die New York Times beschuldigt, ohne Belege die genozidalen Pogrome der Hamas, inklusive der unschilderbaren Vergewaltigungen von jüdischen Frauen durch muslimische und palästinensische Schlächter, zu dokumentieren. Sigcho-Lopez feierte danach mit antisemitischen Kumpeln den Sieg gegen Israel, auch wenn das nur symbolisch war – Chicago jedoch ist nach New York City und Los Angeles die drittgrößte Stadt der USA.

Schülerinnen und Schüler von staatlichen Schulen bekamen extra Freistunden, um an Demonstrationen für einen permanenten Waffenstillstand und somit zur Unterstützung der genozidalen, islamistisch-terroristischen Organisation Hamas teilzunehmen, wie das Wall Street Journal berichtet:

In the Windy City, the resolution was helped along by the Chicago Public Schools system, which offered students grace time to join Tuesday walk-outs supporting the cease-fire. Mr. Johnson said he was “incredibly proud” of students for “exercising their constitutional rights” and “speak(ing) up for righteousness.”

An diesen Hassdemonstrationen gegen Israel am Dienstag, 30. Januar 2024, demonstrierten Hunderte Schülerinnen und Schüler von Gymnasien und anderen Schulen für die antisemitische Terrorbande Hamas, für Palästina und gegen Israel.

Der Bürgermeister war mächtig stolz auf die jungen Leute, die sich für die Hamas und eine permanente Waffenruhe einsetzen, sich also für den Erhalt der Hamas und gegen eine komplette Entwaffnung dieser nazimäßigen Monster aussprechen.

Hier sieht man die Antisemiten (m/w/d) nach der entscheidenden Stimme für einen permanenten Waffenstillstand und somit für die Hamas durch den Chicagoer Bürgermeister Brandon Johnson jubeln.

Chicago hat die größte palästinensische Gemeinde in den USA. Der 82-jährige „Bürgerrechtler“ Jesse Jackson bekam für seine bloße Anwesenheit und Unterstützung der anti-israelischen Resolution begeisterten Beifall.

Mindestens zwei Antisemiten haben gestern in Chicago eine palästinensische Fahne mit dem Bild des Sprechers der Hamas getragen, wie die Times of Israel (TOI) berichtet.

Sie sind also Fans der Muslim-Nazis der Hamas und dürfen offenkundig frei in den USA herumlaufen und antisemitische Propaganda betreiben, ganz ähnlich wie es antisemitische Pro-Palästina Leute kürzlich in Mannheim auf einer ach-so-Anti-AfD-Demo getan haben. Solche Leute mit solchen Fahnen wie in Chicago gehören angeklagt wegen Terrorunterstützung und Genozid-Bejahung, ganz analog zu Neonazis die den Holocaust leugnen oder feiern.

Mitglieder der „demokratischen Sozialisten“ in Chicago haben 2023 für Johnson Wahlkampf gemacht und ihn unterstützt, wie das Magazin Politico berichtet. Reaktionäre, antisemitische, aber in der woken Sprache des Mainstream als „Progressive“ bezeichnete antizionistische (m/w/d) Angestellte der Stadt Chicago haben demnach seit Herbst 2023 für einen permanenten Waffenstillstand agitiert, analog zu Mitarbeiter*innen im Weißen Haus von Joe Biden, der ein Zionist und enger Freund des einzigen Judenstaates ist.

Nach dem schlimmsten Massenmord an Juden seit der Shoah am 07. Oktober 2023 betreibt die antisemitische Organisation „Democratic Socialists of America“ eine typische Täter-Opfer-Umkehr und fordert keine militärische Hilfe für Israel aus den USA und ein Ende der „Massaker“, womit sie Israels Selbstverteidigung meint.

Die Anti-Defamation League (ADL) hat mehrere Beispiele für Antisemitismus der „Demokratischen Sozialisten von Amerika“ dokumentiert und kritisiert. So hetzt die Gruppe in Salt Lake City gegen die „siedler-kolonialistische Apartheid“ Israels, in San Francisco redet sie von der „Dekolonisierung Palästinas“ und fordert einen weiteren Massenmord an Juden mit der Parole „from the river to the sea“, also die Zerstörung des jüdischen und demokratischen Staates Israel. Die Ortsgruppe der Demokratischen Sozialisten von Amerika in Denver, Colorado, fordert nur wenige Tage nach dem 07. Oktober die völlige Zerstörung Israels – „from the river to the sea„, wie die ADL schockiert festhält. Für Antisemiten wie diesen antidemokratischen „Sozialisten“ und „Demokraten“ ist Israel der Täter und nicht das Opfer genozidaler muslimischer und palästinensischer Gewalt.

Das jedenfalls ist auch das Milieu, das den schwarzen Bürgermeister von Chicago im Wahlkampf unterstützte. Es ist also sein „Dank“ an diese antisemitischen Hetzer aller Geschlechter, dass er jetzt auf unerträgliche Weise seine entscheidende Stimme der antiisraelischen Resolution gab. Die Zeitschriften New Yorker  und Jacobin und natürlich die Jugendorganisation der Demokratischen Sozialisten von Amerika waren 2023 ganz begeistert über ‚ihren‘ neuen Bürgermeister Johnson in Chicago, der ein Vorbild sein könne für Großstädte und andere Gemeinden in ganz Amerika. Was werden sie jetzt sagen, nachdem ihr Held einer antisemitischen Resolution mit seiner Stimme zum Durchbruch verholfen hat?

Amerika jedenfalls und somit der Westen taumeln am Abgrund. Denn angesichts der für die demokratische Partei der USA sensationellen Wahlsieges von Brandon Johnson im Frühjahr 2023 zum Bürgermeister von Chicago hat  die Partei entschieden, die Parteiversammlung für die Präsidentschaftswahl 2024 ausgerechnet in Chicago stattfinden zu lassen. Das wird für den Pro-Israeli Joe Biden die schwerste Schlacht, weil der extreme Widerstand gegen seine Pro-Israel Politik aus der eigenen Partei kommt. Dazu kommt der neu-rechte Hetzer und Populist Donald Trump, der bis heute nicht seine Wahlniederlage von 2020 eingesteht. Trumps Isolationismus und völlige Beliebigkeit könnte für Israel dramatische Folgen haben. Die antisemitische und verschwörungsmythische Wählerbasis von Trump ergänzt die antisemitische und verschwörungsmythische Wählerbasis von Teilen der Demokraten, also dem Teil, der aggressiv Pro-Palästina ist.

Johnson hat schon unmittelbar nach dem genozidalen Massaker der Hamas politisch versagt. Wenige Tage nach dem 07. Oktober 2023 verharrte er in Äquidistanz. Sein Fraktionsvorsitzender jedoch im Chicagoer Parlament, Carlos Ramirez-Rosa, hat einen Tweet der berüchtigeten Ilhan Omar, Abgeordnete der Demokraten im Repräsentantenhaus aus Minnesota, re-tweetet, worin der antisemitische Klassiker von Juden beziehungsweise Israel als „Kindermörder“ in Gaza bzw. Palästina aufgewärmt wird. Und das wenige Tage nach dem 07. Oktober 2023. Ramirez-Rosa selbst unterstützt die antisemitische BDS-Bewegung, weswegen er im September 2017 als Kandidat für den Posten des Vizegouverneurs von Daniel Biss wieder fallengelassen wurde. Doch das behinderte die Karriere des auf seinem X-Profil offen als Palästina-Anhänger auftretenden Ramirez-Rosa gar nicht.

Er musste lediglich im November 2023 von seiner Position als Fraktionsvorsitzender der Demokraten im Stadtparlament von Chicago zurücktreten, da er offenkundig ein Gewaltproblem hat – er hatte einer Kollegin seinen Körper in den Weg gestellt und daran gehindert, den Sitzungssaal zu betreten.

Das Elend besteht nicht nur in solchen Typen wie diesem „Carlos“. Das Elend besteht darin, dass überall, von Berlin über Duisburg, Frankfurt, Mannheim und selbstredend Paris oder London jene, die sich angeblich für Vielfalt, Toleranz und Diversität einsetzen, die exakt gleichen Leute sind, die Juden und Israel im Stich lassen oder hassen und offensiv bekämpfen. Es sind genau jene, die völlig zu Recht Trump oder die AfD bekämpfen und Verschwörungsmythen erkennen und kritisieren, aber sobald ein Verschwörungsmythos oder eine antisemitische Lüge und Täter-Opfer-Umkehr wie der herbei fantasierte „Genozid“ in Gaza ins Spiel kommen, schweigen die „Gutmenschen“. Das betrifft in Deutschland aktuell Millionen, die auf die Straße gingen und gehen und gegen Rechtsextremismus sind – aber zum Judenhass schweigen diese Menschen, weil der ja von Muslimen, Palästinenser*innen, Linken oder ach so dermaßen „Progressiven“ kommt.

Jene, die den Klimawandel als riesige Gefahr begreifen, sind häufig jene, die im Antisemitismus gar kein Problem sehen und selbst antisemitisch aktiv sind, siehe Greta Thunberg. Konservative wiederum, die den menschgemachten Klimawandel leugnen, sind mitunter offener für Kritik am Antisemitismus, allerdings schwingt da häufig die Note mit, dass es halt gegen Linke oder Migranten geht. Doch Linke und Migranten (m/w/d) wiederum fühlen sich komplett kritikimmun, da sie qua Definition vor Kritik immun seien. Doch der heutige Antisemitismus des 21. Jahrhunderts geht vornehmlich von Muslimen und dem Islam aus, Stichwort Iran. Auch sonst säkulare Linke stimmen seit Jahrzehnten in den Chor der Antizionisten und Islamisten mit ein.

Das war dann der größte Schock für Juden in Deutschland, den USA und weltweit, dass sie nach dem schrecklichsten Massaker, das definitiv genozidalen Charakter hat, am 07. Oktober 2023 völlig alleine gelassen wurden und in den USA wie Deutschland oder Frankreich, Belgien, Holland, England und überall in unterschiedlicher Intensität antisemitische Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen erleben.

Es war ganz typisch, dass die frisch gewählte Präsidentin der Universität Harvard nach ihrer Weigerung, den Ruf nach einem Genozid an Juden – „Palestine from the river to the sea“ ist ein genozidaler Schlachtruf – als bekämpfenswert und nicht zu tolerierend einzustufen, zurücktreten musste (was auch daran lag, dass sie unwissenschaftlich und plagiatorisch gearbeitet hat). Doch es war weltweit ein Symbol für das sogenannten woke Milieu, wo es immer um Diversität, Gleichheit und Inklusion geht, dass Diversität, Gleichheit und Inklusion Juden nicht meint. Frauengruppen weigern sich, die belegten Vergewaltigungen von jüdischen Frauen durch muslimische Männer als unerträglich und widerwärtig zu bezeichnen, so wie jede Vergewaltigung unerträglich und widerwärtig ist. Wobei selbst Genozidforscher die unglaubliche Brutalität und der Sadismus der muslimischen Männer und Palästinenser fassungslos macht. Black Lives matter – aber was, wenn es um jüdisches Leben geht? Da sind zumal Schwarze ganz vorne mit dabei, Israel zu diffamieren, Hamas zu feiern und Juden den Tod zu wünschen. Das zeigte sich, als BLM Chicago einen Paragleiter postete mit einer Palästina-Fahne. 90.000 Leute haben sich das auf X angeschaut, das diese Form des Antisemitismus und Feierns einen genozidalen Massakers nicht sofort löschte und den Account blockierte.

 

Der Kern des Antisemitismus-Problems in Chicago jedoch heißt Brandon Johnson. Von der Kooperation mit einem BDS-Unterstützer über eine äquidistante Haltung nach dem größten Massaker an Juden seit der Shoah hin zur offenen Unterstützung der Hamas mit dem gestrigen Beschluss für einen vollständigen Waffenstillstand, ohne dass die Muslim-Nazis vollständig entwaffnet wären, zeigt Johnson auf welcher Seite er steht. Er hat den Antisemiten in Chicago einen Freudentag bereitet mit seiner Stimme und hinterlässt ein tief gespaltenes Stadtparlament und eine massiv erschütterte Demokratische Partei.

Die Jewish Union Foundation und die Anti-Defamation League Midwest kritisieren die anti-israelische Resolution der Stadt Chicago und betonen, dass in den letzten Wochen jüdisches Leben dort nicht mehr sicher ist. Juden und Jüdinnen werden beleidigt, Geschäfte beschmiert und pro-palästinensische Propaganda verbreitet. Die Täter – Muslime und Palästinenser – werden zu Opfern gemacht. Das alte antisemitische Spiel der Täter-Opfer Umkehr – nur hat es das in diesem Ausmaß seit dem Holocaust nicht mehr gegeben und alle Israelis und zionistischen Juden dachten auch, dass es so etwas nach Auschwitz und Babi Yar nie mehr geben könnte. Doch Israel hat aus vielen Gründen, die noch aufgearbeitet werden, im Beschützen seiner eigenen Bevölkerung am 07. Oktober 2023 vollkommen versagt.

Die Demokratische Partei der USA jedoch wird pro-israelisch sein, oder sie wird nicht sein. Die Wahl zum amerikanischen Präsidenten 2024 wird in jeder Hinsicht dramatisch verlaufen. Der Antisemit und Sexist Trump darf nicht gewinnen. Doch Joe Biden, der aufgrund seines Alters auch völlig unqualifiziert ist für das Präsidentenamt, wird sich einer massiven antisemitischen Kampagne seiner eigenen Leute entgegensehen.

Chicago ist ein Fanal. Ein antisemitisches Fanal. Demokraten und Linke müssen endlich aufstehen gegen jede Form des Antisemitismus, mainstreamigen sowie rechten, antizionistischen und den Holocaust verharmlosenden Antisemitismus, aber auch und insbesondere, weil viel weiter verbreitet, den antijüdische Genozide feiernden, die Hamas in Schutz nehmenden, muslimischen, palästinensischen und linken Antisemitismus.

Am Israel Chai!

Gegen die AfD demonstrieren, aber Antisemitismus und Israelhass goutieren? Was ist los in diesem Land?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), 21. Januar 2024

Gestern demonstrierten Hunderttausende gegen die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD), die im November 2023 nahe Potsdam ein Treffen abhielt, an dem Neonazis und andere Rechtsextreme teilnahmen und Ideen für die „Remigration“ von in Deutschland (oder Europa) lebenden Migrant*innen diskutierten. Diese Ideen sind typisch für den Rechtsextremismus seit Jahrzehnten und sicher nichts Neues.

Vorgestern nun verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das die „doppelte Staatsbürgerschaft“ enorm vereinfacht und zur Regel macht für Migrant*innen. Es zeigt wie aussichtslos und grotesk die Pläne oder Fantasien der Neonazis und der AfD sind. Dabei ist dieses neue Gesetz der Bundesregierung sehr problematisch. Es erlaubt Menschen mit extremistischen Vorstellungen – wovon wir auch unter Migrant*innen enorm viele haben – die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen und somit alle Reisefreiheiten und sonstigen Annehmlichkeiten, die das so mit sich bringt.

Der Kern meines Problems mit diesen Wohlfühl-Demos gegen Nazis und die AfD in Heidelberg, Stuttgart, Karlsruhe etc. pp. – insgesamt über 300.000 Demonstrant*innen bundesweit, zudem die Tage zuvor weitere Hunderttausende auf Großdemos in Berlin, Hamburg, Köln, Hannover etc. – ist Folgendes:

  •  Wo waren diese Hunderttausenden Menschen nach dem 07. Oktober 2023, als auf unsagbar bestialische Art und Weise jüdische Frauen von Muslimen, Arabern und Palästinensern vergewaltigt, gefoltert, verstümmelt, ermordet oder bei lebendigem Leib verbrannt wurden?
  • Wo waren diese Hunderttausenden Menschen nach dem 07. Oktober 2023, als Babies enthauptet wurden, Männer, Alte, Behinderte, Holocaustüberlebende und Kinder massakriert, 1200 von ihnen ermordet und 240 in den Gazastreifen entführt wurden, wo bis heute 130 Geiseln festgehalten werden und viele tagtäglich unerträgliche Qualen erleiden, manche schon an nicht behandelten Verletzungen und Krankheiten qualvoll gestorben sind?
  • Wo waren diese Hunderttausenden Menschen nach dem 03. November 2023, als 3000 Islamisten und Jihadisten, darunter auch viele verschleierte junge Frauen mit Kopftuch oder/und Gesichtsschleier in Essen ein Kalifat forderten?
  • Wo waren diese Hunderttausenden Menschen, die doch angeblich gegen jede Form von Hass, Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung sind, als in Berlin und anderswo nach dem Massaker der Terrororganisation Hamas und anderer ganz normaler Palästinenser vom 07. Oktober 2023 Judensterne an Häuser und Wohnungstüren gemalt wurden?
  • Wo waren diese Hunderttausenden Menschen, als es darum ging und geht, die Freilassung der jüdischen Geiseln aus den ekligen Klauen der Palästinenser und der Hamas zu befreien?
  • Wo waren die da?
  • Sie haben geschwiegen, weil der überwältigen Mehrheit derer, die gestern gegen die AfD demonstrierten, Judenhass nicht nur völlig egal ist, sondern sie selbst antiisraelische und somit antijüdische Ressentiments pflegen. Anders ist ihr Schweigen nach dem 07. Oktober 2023 nicht zu erklären, denn es gab ja Demonstrationen und Kundgebungen, die aber waren erbärmlich schwach besucht und wurden häufig von migrantischen, muslimischen, arabischen, rechten oder linken Hetzer*innen (auch und häufig migrantischen Jugendlichen) gestört.

Rechtsextremismus ist eine große Gefahr. Der Islamismus ist eine große Gefahr und weltweit betrachtet die viel größere Gefahr, da es über eine Milliarde Muslime gibt, von denen ein Großteil antisemitisch ist, von Indonesien bis Marokko gab es nicht eine Großdemonstration mit Israelfahnen und gegen den islamistischen Terror der Palästinenser und der Hamas.

Das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust führte in Deutschland gerade nicht zu Hunderttausenden, die gegen Israelhass, Antisemitismus und Antizionismus demonstrieren. Hingegen führt ein ganz typisches Treffen von Rechtsextremen dazu, dass das Land mal wieder so tut, als sei es offen, tolerant und natürlich für Menschenrechte. Doch wo war der Aufschrei, als nicht nur die Menschenrechte, sondern das Leben von über 1200 Jüdinnen und Juden in Israel durch Muslime ausgelöscht wurde?

Wo war der Aufschrei, als Tausende im ganzen Land die Pogrome der Hamas und der Palästinenser feierten und eine typische antisemitische Täter-Opfer-Umkehr stattfand?

Wo ist der Aufschrei, wenn ein Land wie Südafrika die unsagbare Frechheit und Anmaßung an den Tag legt und den Opfern genozidaler Gewalt – Juden und Israel – „Genozid“ vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag vorwirft? Jetzt wäre es doch mal wieder an der Zeit, einen Boykott Südafrikas zu fordern, wie seinerzeit zu Apartheidzeiten.

Da war kein Aufschrei. Und da war und da ist deshalb kein Aufschrei, weil es gegen Juden geht.

Deutsche mögen weiterhin vor allem die toten Juden – Islamisten gar keine.

Und deshalb gibt es in Deutschland Massendemonstrationen gegen Nazis und die AfD und dröhnendes Schweigen und Kichern, wenn Juden durch Muslime abgeschlachtet werden und Muslime in Deutschland das dann feiern und zum Widerstand oder zu „Free Free Palestine“ aufrufen, was einem Genozid gleichkäme.

Wer gegen die AfD demonstriert, fühlt sich gut.

Wer zum Judenmord der Muslime schweigt, fühlt sich offenbar auch gut.

Die Palästinenser wollten Juden auf seit der Shoah nicht gekannte Art und Weise demütigen und ermorden, damit der Staat Israel so geschockt sein würde, dass er handlungsunfähig werden würde. Dabei wollten die Islamisten und antizionistischen Antisemiten auch die enorme innere Spaltung Israels seit Anfang 2023 ausnutzen, als wöchentlich Hunderttausende gegen die Pläne einer „Justizreform“ der rechtsextremen Regierung unter Benjamin Netanyahu demonstrierten. Doch exakt diese Anti-Bibi und IDF-Leute waren es, die sich zu Hunderttausenden als Reservist*innen meldeten. Nie war Israel geschlossener als seit dem 07. Oktober 2023 – und gerade die Friedensaktivist*innen im Süden Israels, im Negev und unweit des Gazastreifens, linke Zionist*innen, die sich für die Palästinenser einsetzten, wurden ermordet und entführt, ihre Häuser mit den Bewohner*innen niedergebrannt.

Die Hamas will ein Land vom Mittelmeer bis zum Jordan – und Israel zerstören. Doch jene, die jetzt gegen die AfD demonstrieren ignorieren das oder sie haben die gleichen antisemitischen Ressentiments.

Der Publizist Volker Weiß brachte es vor einigen Wochen so auf den Punkt:

Die liberale Mitte verharrt in ihrem Bedürfnis nach Äquidistanz – und die meisten Bürgerinnen und Bürger wollen am Sonntagnachmittag lieber einen letzten Kaffee in der Herbstsonne trinken, als auf die Demo für die Opfer der Hamas zu gehen.

Der Kampf gegen Antisemitismus jedoch ist sehr vielfältig, er ist zum Beispiel ein Kampf gegen die AfD und die Nazis auf der einen und ein Kampf gegen muslimischen Antisemitismus, gegen palästinensischen und jeden sonstigen Antizionismus auf der anderen Seite.

Wer schließlich die rassistischen Fantasien von heutigen Nazis und der Abschiebung (!) von Menschen mit der Wannsee-Konferenz, der Deportation und Vergasung/Vernichtung in Beziehung setzt, verharmlost die Shoah.

Wer den Unterschied zwischen Abschiebung und Deportation nicht kennt, sollte mit der Analyse des Nationalsozialismus und der Shoah nochmal ganz von vorne anfangen. Das betrifft auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD):

Bundesinnenministerin Nancy Faeser fühlt sich durch das kürzlich bekannt gewordene Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam an die Wannseekonferenz der Nationalsozialisten erinnert. „Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannseekonferenz“, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. Sie wolle beides nicht miteinander gleichsetzen. „Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie „Remigration“ versteckt wird, ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren.“

Hingegen analysiert der Journalist Peter Nowak:

Politisch noch absurder ist der Vergleich mit der Wannseekonferenz, auf der der Massenmord an den Juden besprochen wurde. Selbst eigentlich progressive Jurist*innenverbände schlagen in diese falsche Kerbe, in dem sie von Wannsee 2.o reden. Das ist aber ein bedeutender Rückschritt in einer linken Debatte, die sich auch etwas genauer mit der Shoah und dem mörderischen deutschen Antisemitismsu befasst hat. Die Vernichtung der Juden war ein deutsches Mordprojekt und ist in keinen Fall mit Diskussionen über Deportationen von Geflüchteten zu vergleichen. Mir ist nicht bekannt, dass jemand behauptet hat, beim Treffen in Potsdam wäre die Vernichtung von Geflüchteten besprochen worden. Die Remigrationskonzepte sind zu bekämpfen, egal, ob sie von SPD, Union oder Rechtsaußen forciert werden. Sie sind aber nicht die Vorstufe der Shoah. Hier werden einfach alle Erkenntnisse der jahrelangen Diskussion über Antisemitismus negiert.

Es gab gestern sicherlich auch seriöse Demonstrant*innen, die nicht anti-israelisch sind und die auch auf Kundgebungen für Israel und gegen die Hamas teilnahmen. Die übergroße Mehrheit aber, die gestern und die letzten Tage gegen die AfD und den Rechtsextremismus auf die Straße ging, die war empirisch verifiziert nicht auf der Straße als es um die Solidarität mit Israel und den Juden ging. Und das sagt uns alles.

Das ist ein Zeichen der politischen Kultur in diesem Land, es indiziert, was als schockierend empfunden wird und wogegen Hunderttausende demonstrieren – Treffen von Neonazis und der AfD – und was nicht als schockierend empfunden wird und wogegen nur ganz wenige in Deutschland demonstrieren – Vergewaltigungen von jüdischen Frauen und das Abschlachten von 1200 Juden am 07. Oktober 2023 im Süden Israels und das Entführen von 240 jüdischen Geiseln durch Palästinenser und die Hamas, von denen noch heute 130 festgehalten und gequält werden.

 

Kritik an „Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024“: Ist der politische Ansatz des preisgekrönten Philosophen Omri Boehm mit der Demokratie, dem Humanismus und Universalismus vereinbar?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA),

24. Dezember 2023

 

Der israelische Philosoph Omri Boehm erhält den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024.

Darüber berichtet Ralf Balke in der Jüdischen Allgemeinen und kritisiert den antiisraelischen Ansatz von Boehm:

Mit Sätzen wie »Ich denke, es ergibt wenig Sinn, tiefer in die Debatte über den ’spezifischen arabischen Antisemitismus‹ einzutauchen« oder »Ich werde Ihnen sagen, wo der Antisemitismus nicht beginnt: Er beginnt nicht damit, Israels Existenz als jüdischen Staat infrage zu stellen« hat sich Omri Boehm ohnehin schon längst in die Herzen der postkolonialen juste milieus und BDS-Fans eingeschrieben.

Ich habe 2018 in meiner Studie „Der Komplex Antisemitismus“ einen Abschnitt zu Omri Boehm, den ich hier aus Gründen der Aktualität online präsentiere.

Aus: Clemens Heni (2018): Der Komplex Antisemitismus. Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch: deutsch (=The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Antisemitismus, Band 7), Berlin: Edition Critic (764 S.),
hier S. 431-438 im Kapitel 5.3 Antizionismus

Publizistischer Antizionismus und die Querfront: Grass

Wenn Rechte sich linker Topoi und Sprache bedienen oder wenn ein sich vermutlich „links“ fühlender Autor der Rechten Futter gibt, spricht man in der Forschung von „Querfront“. Der österreichische Dichter und Schriftsteller Ernst Jandl (1925–2000) hat die Rechts-Links-Verwechslung 1966 in seinem Gedicht „Lichtung“ auf den lyrischen Punkt gebracht:

„manche meinen

lechts und rinks

kann man nicht velwechsern

werch ein illtum.“

Anfang Januar 2013 gab es eine große Aufregung, weil der bekannte Journalist Jakob Augstein, Miteigentümer und Kolumnist des Spiegel, vom Simon Wiesenthal Center (SWC) aus Los Angeles auf Platz 9 der Top Ten der „er­wähn­­ens­wertesten antisemitischen res­pek­tive antiisraelischen Ver­un­glimpf­ungen des ver­gang­en­en Jahres“ gesetzt wurde. Augstein hatte sich 2012 hinter ein anti­israel­isches Gedicht von Günter Grass von April 2012[i] ge­stellt und ge­schrieben:

„Ein großes Gedicht ist das nicht. Und eine brillante politische Analyse ist es auch nicht. Aber die knappen Zeilen, die Günter Grass unter der Überschrift ‚Was gesagt werden muss‘ veröffentlicht hat, werden einmal zu seinen wirkmächtigsten Worten zählen. Sie bezeichnen eine Zäsur. Es ist dieser eine Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: ‚Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden.‘ Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Er hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen.“[ii]

Was stört die Deutschen daran am meisten? Der Antisemitismus des Jakob Augstein und die Diffamierung, Dämonisierung und Ausgrenzung Israels? Oder eher die Kritik am Antisemitismus und an Deutschland? Lassen wir das „gesunde Volksempfinden“ zu Wort kommen – allein das Adjektiv „gesund“ sollte bei diesem Ausdruck immer skeptisch machen, von „Volksempfinden“ nicht zu schweigen:

„Mich interessieren nur die Macht-Mechanismen, die Broder mit seiner Empfehlung offenlegt: Wie kann eine Institution wie das Wiesenthal-Zentrum, das als seriös bewertet wird und großen politischen Einfluß besitzt, die persönliche Antipathie einer Revolver­schnauze aufgreifen und aus der eigenen Arbeit eine Karikatur machen? Wird durch die Nominierung Augsteins nicht die ganze Liste über­deutlich zu dem, was sie wohl zuvor schon war: eine Farce?“[iii]

So Götz Kubitschek, Autor der neu-rechten Postille Sezession, Ge­schäfts­führer des Antaios Verlages, Co-Gründer des neu-rechten Instituts für Staatspolitik und Ex-Redakteur der ebenso neu-rechten Jungen Freiheit. Selbst der Bundeswehr war sein Treiben zu bunt und er wurde 2001 vor­üb­er­gehend wegen „rechtsextremistischen“ Aktivitäten ent­lassen.[iv] Kub­i­t­schek ist ein in der rechten Szene beliebter Netzwerker, der im Ok­tob­er 2012 ein von bis zu 700 Leuten besuchtes Treffen – „Zwischentag“ – organi­sierte, auf dem sich auch die Agitationsplattform Politically Incorrect (PI) präsentierte. Am 3. Januar 2013 stellte sich Kubitschek hinter Jakob Augstein und pries ein Buch an, das im Februar 2013 in seinem Verlag erschei­n­en sollte:

„Günter Scholdt: Vergeßt Broder! Sind wir immer noch Antisemiten? 96 Seiten, gebunden, 8.50 € Schnellroda 2013.“

Der neu-rechte Aktivist Felix Strüning bewarb Kubitscheks rechtes Netzwerk-Treffen im Oktober 2012[v] und lobte auch ein Antaios-Buch von Manfred Kleine-Hartlage, Warum ich kein Linker mehr bin.[vi] Im selben Verlag er­scheint als Autor einer der Superhelden der anti-muslimischen Liga, der rechtsex­treme norwegische Blogger Fjordman, ein Vorbild des Massenmörders And­ers Breivik aus Norwegen.[vii] Antisemitismus, deutscher oder nor­weg­isch­­er Natio­nalis­mus, christlich grundiert, sowie Hass auf Muslime geben sich die Hand im Antaios Verlag, der auch mit einem weiteren Titel die Wehrmacht in ihrem „präv­entiven“ Krieg gegen die Sowjetunion preist.[viii] Schließlich, auch das ist Main­stream, wird Ernst Jünger in diesem Verlag gefeiert. Dass Broder mit diesen Kreisen dann im März 2018 mit der „Erklärung 2018“ kooperiert – die Antaios Protagonistin und Frau von Kubitschek, Ellen Kositza, war Erstunterzeichnerin der „Er­klärung 2018“, ehe sie wieder aus der Liste verschwand (siehe zur „Er­klärung 2018“ Kapitel 9) –, zeigt, wie Main­stream die Neue Rechte in­zwi­sch­en ist und wie wenig sich Broder um die Anti-Broder- und Pro-Grass/Au­g­stein-Positionen und die Wehrmacht-Nähe seiner heutigen Mit­un­­ter­zeichner*innen dieser Erklärung küm­mert.

Die Sache mit Grass geht noch weiter und nimmt eine ganz andere, linke Richtung an, näher an Augstein als an Kubitschek. 2015 publiziert der Pädagoge Micha Brumlik ein Buch mit dem Titel „Wann, wenn nicht jetzt“.[ix] Brumlik plädiert für ein Judentum in der Diaspora. Eine Kritik der rechten Regierungspolitik Benjamin Netanyahus reicht ihm nicht. Er stellt das ganze Projekt des Zionismus in Frage. Die drei Herausgeber*in­nen dieser Reihe unterstützen diesen Angriff auf Israel, auch wenn sie sich selbst womöglich für Kritiker*innen des Antisemitismus halten, was bezüglich Günter Grass, den sie in ihrem Vorwort[x] kritisieren, auch zutrifft.

Doch dieses Gedicht „Was gesagt werden muss“ von Grass vom April 2012, das gleichzeitig in drei führenden Tageszeitungen in der Bundesrepublik, in Italien und in Spanien erschien (Süddeutsche Zeitung, La Repubblica, El Pais), das die Vernichtungsdrohungen des Iran beiseiteschiebt, den Judenstaat attackiert und deshalb eine sehr große publizistische Resonanz erfuhr –

„Warum sage ich jetzt erst,

gealtert und mit letzter Tinte:

Die Atommacht Israel gefährdet

den ohnehin brüchigen Weltfrieden?

Weil gesagt werden muß,

was schon morgen zu spät sein könnte“,[xi]

– dieses Gedicht also war es, das einen israelischen Philosophen, Omri Boehm, ver­anlasste, den Sozialphilosophen Jürgen Habermas wegen seines „Schweigens“ zu Israel angesichts von Grass‘ Gedicht als zu wenig kantianisch und aufgeklärt anzugreifen. Und Brumlik wiederum zieht Boehm in seinem Band als Aufhänger für ein ganzes Kapitel heran und unterstützt dessen An­satz, deutsche Intellektuelle wie Habermas sollten Israel kritisieren.

Brumlik ist geschickt genug und erwähnt in seinem Text nicht, dass der Aufhänger von Omri Boehm das Gedicht von Grass ist.[xii] Grass hatte nicht den islam­ist­ischen Iran, der Israel vernichten will, sondern Israel als Gefahr für den „Welt­frieden“ ausgemacht und wollte das israelische Atomwaffenarsenal unter UN-Kontrolle stellen und somit den Judenstaat schwächen und angreifbar machen. In einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz äußerte Jürgen Habermas, ein Deutscher seiner Generation sage besser nichts zur israelischen Politik, er finde das Gedicht von Grass höchst befremdlich, er stelle sich gegen Grass, „sei sich aber „sicher“, „Grass sei kein Antisemit“.[xiii]

Doch das ist dem antiisraelischen Israeli Boehm ein Armutszeugnis, er möchte, dass Habermas gegen Israel lospoltert wie Grass, der das leider auch nicht wirklich tue und nur „Ressentiments“ schüre, die Boehm aber offenkundig sehr inspirierend findet. Boehm bezieht sich auf das Interview mit Habermas in der Haaretz und schreibt dazu am 9. März 2015 in der New York Times in seinem Text „The German Silence on Israel, and its Cost“.[xiv] Kurz zuvor war ein Gespräch mit Boehm im Deut­sch­landfunk unter dem programmatischen Titel „Zionismus nicht vereinbar mit humanistischen Werten“ publiziert worden, wo er Israelis und Juden gleich­sam dazu auf­for­dert, vom Zionismus Abschied zu nehmen. Die Redaktion des Deut­sch­land­funks weist schon in der Überschrift darauf hin, der „Zionismus“ sei „nicht ver­einbar mit humanistischen Werten“.[xv] Das ist natürlich ein Eye-Catcher und es ist antizionistischer Antisemitismus, der nicht etwa eine bestimmte israelische Politik kritisiert, sondern den Zionismus an und für sich als mit „humanistischen Werten“ unvereinbar verzerrt und diffamatorisch darstellt.

Boehm will Israel als jüdischen und demo­kratischen Staat auflösen, weil das für ihn ein Widerspruch ist. Wissenschaftlich beschäftigt hat sich Omri Boehm mit diesem Konzept offenkundig nicht, jedenfalls wird das nicht deutlich. Die seriöse Forschung zu Israel hat sich intensiv mit diesen Fragen zur jüdischen Dimension Israels auseinandergesetzt, namentlich Fania Oz-Salzberger von der Universität Haifa, Yedidia Z. Stern vom Israel Democracy Institute, Alexander Yakobson, Historiker an der Hebräischen Universität Jerusalem oder die Juristin, Israelpreisträgerin und emeritierte Professorin aus Jerusalem Ruth Gavison. Deren Beiträge zur Frage Israels als jüdischer und demokratischer Staat sind 2014 auf Englisch erschienen, mit meinem Kollegen Michael Kreutz habe ich das Buch übersetzt und es kam 2017 in deutscher Sprache auf den Markt.[xvi] Darin schreibt Ruth Gavison:

„Ein hier relevantes Beispiel mag diesen Aspekt verdeutlichen. Hätte Israel den arabischen Bürgern das Wahlrecht vorenthalten, weil sie Araber sind, wäre Israel keine Demokratie. Das Wahlrecht ist ein grundlegendes Men­schenrecht jedes einzelnen Mitglieds der Minderheit und es ist ein Kern­el­e­ment der Demokratie. Diese Rechte müssen von den Gerichten ge­schützt werd­­­en. Doch die Frage, ob die arabische Minderheit das Recht hat, ein Schulsystem in ihrer eigenen Sprache vom Staat finanziert zu bekommen, ist eine andere. In Israel ist das in der Tat die Realität und die meisten jungen Ara­ber besuchen Grundschulen und weiterführende Schulen, auf denen Arab­isch als Haupt­un­ter­richtssprache gesprochen wird. Wenn jedoch der Staat entscheiden würde, ein einheitliches Erziehungssystem einrichten, in dem auf Hebräisch un­ter­richt­et wird, wäre es alles andere als selbst­ver­ständ­lich, dass die arab­ische Min­d­erheit das Recht haben würde – das von den Ge­richten durchgesetzt werden müsste –, die heutige Realität in den Schulen, auf denen primär Arab­isch gesprochen wird, weiter einzufordern. Und es ist auch nicht klar, ob sie so ein Recht haben sollte.“[xvii]

Das zeigt, wie wirklichkeitsfremd die Diffamierungen sind, Israel sei ein „Apartheidstaat“ oder grundlegend rassistisch, weil ethnisch definiert. Jüdisch und demokratisch könne der Judenstaat nicht sein, ganz grundsätzlich nicht und nicht etwa wegen der derzeitigen sehr rechten und gefährlichen Politik unter Benjamin Netanyahu. Was wäre in Deutschland los, wenn Türken fordern würden, an staatlichen Schulen auf Türkisch zu unterrichten? Das ist schwer vorstellbar und absolut nicht wünschenswert. In Israel sieht das ganz anders aus, da sich viele Araber offenkundig weigern, Hebräisch als (Haupt-)Schul­unter­richts­sprache zu akzeptieren und der Staat unterstützte das bislang auch. Die Geschichtsprofessorin Fania Oz-Salzberger erläutert, wie es zu der Debatte über jüdisch und demokratisch kam:

„Die zweifache adjektivische Bestimmung ‚jüdisch und demokrat­isch‘ stam­mt von der Debatte bezüglich jener Verfassungsgerichtsentscheidung her, welche die rassistische Partei Kahane Hai zu den Knessetwahlen im Jahr 1984 zuließ. 1985 legte die Knesset mit dem neunten Zusatz zum Grundgesetz fest, dass eine politische Partei, die Israels Status als Staat des jüdischen Volkes oder seinen demokratischen Charakter ablehnt, nicht zur Wahl zugelassen wird. 1992 schrieb dann Art. 1a des Grundgesetzes im Abschnitt ‚Menschliche Würde und Freiheit‘ fest, ‚das Ziel dieses Grundgesetzes ist der Schutz menschlicher Würde und Freiheit, um in einem Grundgesetz die Werte des Staates Israel als jüdischer und demokratischer Staat festzulegen‘.“[xviii]

Auf alle diese Aspekte gehen weder Omri Boehm noch Micha Brumlik oder der Deutschlandfunk ein. Brumlik und der Neofelis Verlag gehen noch weiter und zeigen ein Sendungsbewusstsein, wenn es schon auf der Rückseite des Buchumschlags von Brumliks Band heißt:

„Micha Brumliks Essay verbindet ein Plädoyer für jüdisches Leben in der Diaspora mit einer geschichtsphilosophischen Skepsis über die Zukunft des Staates Israel als eines jüdischen Staates und erwägt erneut und zeitgemäß modifiziert die Idee eines binationalen Staates Israel/Palästina durchaus im Bewusstsein der blutigen Krise der arabischen Welt zu Beginn des 21. Jahr­hunderts. (…) Das Judentum des 21. Jahrhunderts wird – in welcher Form auch immer – ein religiöses Judentum sein oder es wird nicht sein.“

Das ist also ein Plädoyer für das Ende Israels als Judenstaat, das harmlos daherkommt und sich pro-jüdisch anhört, was der gleiche Aufruf von Seiten islamistischer Agitatoren, die auch die „Einstaatenlösung“ wollen, so nicht erreichte. Diesen Aufruf, gekoppelt mit der Forderung, das Rückkehrrecht für Juden abzuschaffen, hatte Brumlik zuvor in der linken Monatszeitung Konkret publiziert, was ich kritisiert habe.[xix] Zudem meint Brumlik das „Judentum des 21. Jahrhunderts“ werde „ein religiöses Judentum sein oder es wird nicht sein“, was nur anzeigt, wie wenig Kontakt er mit Juden in Israel hat. Ein Großteil zumindest der Intellektuellen und der gut ausgebildeten Mittelschicht ist säkular und nicht religiös.

Dass die übergroße Mehrheit aller Juden weltweit sehr weltlich und nicht sehr religiös ist, namentlich in den USA, ja viele Zionist*innen explizit atheistisch oder agnostisch oder sonst wie skeptisch und eher gottlos leben, kümmert weder den Verlag noch den Autor. Widerspruch gibt es höchstens mal von Journalisten wie in der Jüdischen Allgemeinen, die gleichwohl für die übergroße Mehrheit der Juden in Deutschland sprechen dürfte – sie ist das offizielle Organ des Zentralrats der Juden in Deutschland –, die sich Brumliks Zeuge Boehm vorknöpft:

„Wer, so lautet Boehms Botschaft im Klartext, nicht gegen eine Politik prot­est­iere, die Boehm nur nebulös – und aufs Ressentiment vertrauend – mit ‚Einsatz von Methoden gegen die israelisch-arabische Bevölkerung Jerusalems‘ um­schreibt, solle zur Schoa schweigen.Ohne es gewollt zu haben, gelingt Omri Boehm in seiner wütenden Philippika gegen Leute, die den jüdischen Staat nicht verurteilen möchten, doch noch ein bedeutendes Argument gegen Antisemitismus: Es gibt auch dumme jüdische Philosophen.“[xx]

 

[i] Günter Grass (2012): Was gesagt werden muss, Süddeutsche Zeitung, 04. April 2012, http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809 (25.05.2018).

[ii] Jakob Augstein (2012): Es musste gesagt werden, Spiegel Online, 06.04.2012, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-guenter-grass-israel-gedicht-a-826163.html (27.08.2017).

[iii] Götz Kubitschek (2013): Schreibtisch, Garten, Alltag (XIV): Vergeßt Broder!, Sezession, 03.01.2013, https://sezession.de/35505/schreibtisch-garten-alltag-xiv-vergest-broder (03.05.2018).

[iv] Andreas Förster (2017): Die Offiziere und die Neue Rechte, 12.05.2017, http://
www.fr.de/politik/bundeswehr-die-offiziere-und-die-neue-rechte-a-1276970 (13.05.2018).

[v] „Der Zwischentag – wo Bürger sich treffen“, 03.10.2012, http://www.citizen
times.eu/2012/10/03/der-zwischentag-wo-burger-sich-treffen/ (19.07.2018).

[vi] Siehe http://korrektheiten.com/2012/09/09/kleine-hartlage-rezension-felix-struening-warum-ich-kein-linker-mehr-bin/ (19.07.2018).

[vii] Tim Lister (2011): Suspect admired bloggers who believe Europe is drowning in Muslims, 27. Juli 2011, http://edition.cnn.com/2011/WORLD/europe/07/27/
norway.terror.web/index.html (29.07.2011); „Norway attacks: How far right views created Anders Behring Breivik”, 30. Juli 2011, https://www.theguardian.com/
world/2011/jul/30/norway-attacks-anders-behring-breivik (06.08.2018); „Fjordmans Selbstgespräche“, 15. Juni 2012, http://www.spiegel.de/panorama/justiz/an
schlaege-in-norwegen-blogger-fjordman-aeussert-sich-a-839069.html (13.05.2018).

[viii] https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/reihe-kaplaken/1108/praeven
tivkrieg-barbarossa.-fragen-fakten-antworten (19.07.2018).

[ix] Micha Brumlik (2015): Wann, wenn nicht jetzt? Versuch über die Gegenwart des Judentums, Berlin: Neofelis Verlag. Der Band erscheint in der Reihe „Relationen – Essays zur Gegenwart“, Band 3, herausgegeben wird die Reihe von David Jünger, Jessica Nitsche und Sebastian Voigt.

[x] David Jünger/Jessica Nitsche/Sebastian Voigt (2015): Vorwort, in: Brumlik 2015, S. 7–9, hier S. 7.

[xi] Grass 2012.

[xii] Brumlik 2015, S. 76–93.

[xiii] Noa Limone (2012): Germany’s Most Important Living Philosopher Issues an Urgent Call to Restore Democracy, 16.08.2012, https://www.haaretz.com/german
y-s-most-important-philosopher-issues-an-urgent-call-for-democracy-1.5285348 (19.07.2018), Übersetzung CH.

[xiv] Omri Boehm (2015): The German silence on Israel and its cost, New York Times, 09.03.2015, https://opinionator.blogs.nytimes.com/2015/03/09/should-germans-stay-silent-on-israel/ (25.05.2018).

[xv] Omri Boehm (2015a): „Zionismus nicht vereinbar mit humanistischen Werten“. Der Philosoph Omri Boehm im Gespräch mit Natascha Freundel, 08.02.2015, Deutschlandfunk, http://www.deutschlandfunk.de/philosoph-omri-boehm-zionism
us-nicht-vereinbar-mit.1184.de.html?dram:article_id=306399 (26.05.2018).

[xvi] Oz-Salzberger/Stern (Hg.) (2017).

[xvii] Ruth Gavison (2017): Das Wort „jüdisch“ im Ausdruck „ein jüdischer und demokratischer Staat“, in: Oz-Salzberger/Stern (Hg.), S. 161–188, hier S. 176.

[xviii] Fania Oz-Salzberger (2017): Zuerst demokratisch, dann jüdisch: Eine Grundlegung, in: Dies./Stern (Hg.), S. 91–102, hier S. 91, Anm. 1.

[xix] Clemens Heni (2013a): Ein nüchternes Strategiepapier zur Zerstörung Israels – mit Koscherstempel. Micha Brumlik, die Evangelische Akademie Arnoldshain und KONKRET, 03. Juli 2013, http://www.clemensheni.net/allgemein/ein-nuchternes-strategiepapier-zur-zerstorung-israels-mit-koscherstempel/ (26.05.2018).

[xx] Martin Krauss (2015): Dem Philosoph ist nichts zu doof, Jüdische Allgemeine, 29.10.2015, https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23710 (26.05.2018).

 

Passend dazu: Am Israel Chai

NEUerscheinung am 21. Dezember 2023: Am Israel Chai

Clemens Heni/Thomas Weidauer

Am Israel Chai

Der Antisemitismus der »Ja, aber«-Fraktion seit dem
schlimmsten Massaker an Juden seit der Shoah:
der 07. Oktober 2023

Mit einem Vorwort von Gert Weisskirchen und
einem Nachwort aus Amerika von JM Sorrell

187 S. | 38 Abbildungen | 12,5×19 cm | ISBN 978-3-946193-41-8 | 16€ | The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Nahen Osten, Band 7 | Dezember 2023

 

Das Problem heißt Islam, muslimischer Antisemitismus und seine deutschen Freund*innen (m/w/d) – doch am Ende bleibt die Sprachlosigkeit: es ist passiert

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Die ARD-Tagesschau und die ARD-Tagesthemen nehmen die schrecklichsten antisemitischen Schlächter seit Babi Yar als „Quelle“ und behaupten völlig faktenfrei, dass womöglich eine israelische Rakete ein Krankenhaus in Gaza getroffen und es bis zu 500 Opfer gegeben haben könnte. Quelle: niemand anders als die Hamas und ihre Mörderbande, die schlimmste, die es seit dem Ende des Holocaust gegeben hat.

Die ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel, die sich immer wieder angesichts des tagtäglichen Raketenterrors der muslimischen Nazis aus Gaza in Todesangst in den „Safe Room“ flüchten muss, schreibt der ARD nun Folgendes:

Ich unterstelle niemandem böse Absichten. Ich unterstelle auch niemandem Naivität. In meinem Wunschdenken arbeitet bei der ARD »Tagesschau« und bei den ARD »Tagesthemen« die Crème de la Crème der politischen Journalisten. Und wenn dem tatsächlich so ist, dann sollten sich diese Redakteurinnen und Redakteure ein für alle mal Folgendes hinter die Ohren, in die Handinnenflächen schreiben und Post-its mit genau folgendem Satz an die Computerbildschirme kleben:
»Terroristen, Schlächter, Mörder, Bestien, Geiselnehmer sind keine Quelle. Niemals!«

Das ist keine Bitte. Das ist eine Haltung. Ein Credo. Genau darum geht es jetzt. JETZT!

Die ganzen sogenannten „Faktenchecker“ der Tagesschau, die die irrationale und gesundheitsgefährdende Coronapolitik verteidigt haben und bei fast allen Kritiker*innen früher oder später Antisemitismus erahnten oder entdeckten, wo sind sie, wenn es um richtig krassen und mörderischen Antisemitismus und Terrorverharmlosung und die Berichterstattung in der Tagesschau selbst geht, die ernsthaft die Mörder der Hamas als „Quelle“ heranzieht?

Beim muslimischen und palästinensischen wie linken Mob auf der Straße ist die Propaganda der Hamas ohnehin die einzige Wahrheit und Quelle, aber auch bei noch nicht völlig fanatisierten Zuschauer*innen und Zuhörer*innen der Tagesschau bleibt natürlich in gewissem Maße hängen, dass Israel womöglich ein Krankenhaus beschossen und bis zu 500 Zivilist*innen getötet haben könnte.

Dass es sich der Fakten- und Indizienlage entsprechend vermutlich vielmehr um eine fehlgeleitete Rakete von palästinensischen Terroristen handelte und es sich selbst laut EU-Geheimdienst-Experten nicht um 500 Tote, sondern wohl eher um ein paar Dutzend Tote handelt, die Opfer des Raketeneinschlags auf einem Parkplatz vor dem Krankenhaus wurden, kümmert dann nicht mehr.

It came as a European intelligence agency told AFP: ‚There wasn’t 200 or even 500 deaths, more likely between 10 and 50.‘

Der erste Eindruck setzt sich jedoch fest und kann bei vielen durch Fakten nicht revidiert werden. Irgendwie halt zwei blöde Seiten, Araber und Juden, die jeweils Böses im Schilde führten. Das war der Tenor der Tagesschau und das kam auch bei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern exakt so an. Weltweit kam es zu Demonstrationen, Brandanschlägen auf Synagogen und Randalen durch Muslime und Palästinenser und ihre Anhängerschaft, von Berlin über Rabat in Marokko, den USA bis nach London.

Gleichzeitig lehnen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) es ab, eine Anzeigenkampagne für die Freilassung der über 200 von den Hamas- und Islamischer Jihad-Terroristen entführten Jüdinnen und Juden aus Israel zu bringen. Die BVG weiß ganz genau, wie viele Zehntausende, ja Hunderttausende widerwärtige türkische, palästinensische, arabische und sonstige muslimische wie auch ein paar rechtsextreme und links-antisemitische Fahrgäste sie hat – und die möchte sie natürlich nicht vergraulen.

Hingegen lässt sich der Bürgermeister der Stadt Göppingen in Baden-Württemberg vom antisemitisch-muslimischen Gesocks nicht einschüchtern, die Israelfahne bleibt am Rathaus hängen und wird beschützt.

Der preisgekrönte israelische Schriftsteller David Grossmann, ein scharfer Kritiker von Netanyahu und den Rechten, ist sich nicht sicher, ob man die Mörder der Hamas als „Tiere“ bezeichnen kann, aber in jedem Fall haben sie laut Grossmann alles verloren, was einen Menschen ausmacht. Man könnte in Anlehnung an Ulrich Horstmanns „Untier“ der 1980er Jahre auch davon sprechen, dass diese Mörder exakt dem entsprechen, zu was Menschen fähig sind: zu Verbrechen, zu denen kein Tier jemals fähig wäre. Es ist eine Diffamierung der Tiere, sie mit der Hamas zu vergleichen.

Gleichwohl verliert hierbei der eliminatorische Antisemitismus der Deutschen in der Shoah wie jener der muslimischen Antisemiten heute seine Spezifik, ja verschwimmt im Meer des immergleichen elenden Menschen, so elendig der Mensch an und für sich in der Tat ist. Aber es gibt Abstufungen und muslimische Antisemiten und ihre Hunderten Millionen Anhänger*innen weltweit sind aktuell die schlimmsten Menschen auf der Erde.

Grossmann betreibt eine Introspektion in die israelische und jüdische Seele, wie wird jüdisches und israelisches Leben nach diesem unsagbaren Massaker vom 07. Oktober 2023 durch die Hamas und ihre Verbündeten aussehen? Er attackiert mit voller Wucht und mit großer Kenntnis der israelischen Situation Ministerpräsident Netanyahu, der seit Jahren nur sein eigenes Ego und seine Panik, wegen Korruption ins Gefängnis zu kommen, kenne und dafür den zionistischen Traum geopfert habe: Sicherheit von Juden im eigenen Staat. Doch David Grossmann befürchtet auch, dass Israel nach diesem Krieg noch weiter nach rechts rutschen wird. Doch das ist nicht ausgemacht, wenn man sieht, wie enorm die Hilfsbereitschaft für die überlebenden Opfer und Angehörigen der über 1400 Ermordeten vom 07. Oktober 2023 ist und dass 360.000 Reservist*innen sich zur IDF gemeldet haben, ein riesiger Teil davon war zuvor über neun Monate wöchentlich auf den Demonstrationen gegen die rechtsextreme Regierung unter Netanyahu:

For months, anti-overhaul organizations such as Brothers in Arms (made up of military reserve soldiers), Building an Alternative (a women’s group founded by Moran Zer Katzenstein), and the tech worker, student and lawyer protest groups, were castigated by Prime Minister Benjamin Netanyahu, his ministers and much of the right-wing as leftist traitors who wanted to bring Israeli democracy and the country down.

But as the government scrambled to react to the Hamas invasion that it and Israel’s security establishment had failed to foresee, these groups were able to utilize their nationwide networks and organizational skills to step into the breach.

Es ist exakt das Netzwerk der Kritiker*innen der „Justizreform“, das jetzt aktiv wird für ihre Brüder und Schwestern in Israel! Das ist gelebter Zionismus, zivil und militärisch.

Die kulturelle und zumal linke Szene in Deutschland hingegen schweigt weiter. Das größte Massaker an Juden seit Babi Yar verursacht bei ihnen Schadenfreude oder Schweigen und Ignoranz. Und die Juden in Deutschland registrieren diese Eiseskälte der ganz normalen Deutschen. Es ist die exakt gleiche Eiseskälte, die die ganz wenigen Überlebenden nach der Shoah in der BRD erlebten.

Nehmen wir als typisches Beispiel für das ganz normale Verhalten der Deutschen nach 1945 die Schriftsteller der Gruppe 47. Der Literaturwissenschaftler und Germanist Klaus Briegleb hat deren subtilen und weniger subtilen Antisemitismus decodiert (Mißachtung und Tabu. Eine Streischrift zur Frage: ‚Wie antisemitisch war die Gruppe 47?‚).

Während sich die Juden in Deutschland heute einigermaßen auf die Politik verlassen können, die sich klar pro-israelisch geäußert hat (auch wenn das im konkreten Handeln wie bei Abstimmungen in den UN wieder anders aussieht), ist die kulturelle Klasse und die riesige Mehrheit der Deutschen schlichtweg ignorant oder stimmt dem antijüdischen Terror der Islamisten direkt oder indirekt zu.

Wie das Blog tw24 zeigt, hat auch der Deutschlandfunk die irrationale und in effect, if not intent antisemitische Berichterstattung über diesen Krankenhaus-Vorfall mitgemacht. Kein Zeichen von seriösem Journalismus. Die New York Times hat bezüglich des Krankenhaus-Vorfalls genauso faktenresistent, rumorend und anti-israelisch, ja Terror verniedlichend berichtet.

Der Bundesligaspieler Noussair Mazraoui darf trotz eines antisemitischen Postings, in dem er den Palästinensern angesichts des Abschlachtens von über 1400 Juden den „Sieg“ wünschte, weiter beim FC Bayern spielen. Das ist Deutschland 2023.

Von großer Bedeutung ist ein Text des israelischen Autors und Journalisten Yossi Klein Halevi. Er schreibt:

In the days immediately following the massacre, I received calls from several European journalists, asking if I saw this as a “Holocaust moment.” They were sympathetic; they meant well. But I couldn’t give them the answer they were seeking.

I don’t need Auschwitz to motivate me to defend myself against Hamas, I replied. I live in the Middle East; the fate of the Yazidis is more relevant to me than Babyn Yar. Nor do I trust European sympathy for Israel that is based on the Holocaust. That support is unstable; today it is applied to dead Jews, tomorrow to dead Palestinians.

Yossi Klein Halevi geht auf die antisemitische Fantasie ein, Israel sei ein „kolonialer Siedlerstaat“. Von wegen – Kolonialisten verlassen nach Pogromen und Aufständen das Land, wie es viele Beispiele gibt, namentlich Frankreich oder England. Israel wird bleiben, weil es das Land der Juden ist. Die Grenzen sind nicht ganz klar, das ist richtig, aber das Land Israel ist 1948 zum Staat der Juden geworden. Hätten die Araber weniger Antisemitismus in ihrer Ideologie und politischen Kultur, gäbe es seit 1948 auch einen Staat Palästina. Ob es ihn nach dem 07. Oktober jemals geben wird, ist sicher nicht nur mir völlig schleierhaft. Doch dass sich Verbrechen lohnen, zeigt selbstredend das Beispiel Deutschland …

Er schreibt also, dass die Betonung des Holocaust angesichts des Massakers der Palästinenser an Juden in Israel, für ihne keine große Bedeutung habe, wenn sie aus dem Mund von europäischen Journalisten komme. Vielmehr kämpfe er auch ohne die Erwähnung des Holocaust gegen die Hamas. Er denke vielmehr an das Schicksal der heutigen Jesiden, die vom exakt gleichen Islam und den gleichen Muslimen bedroht werden wie die Juden in Israel. Das ist zwar nicht falsch, aber auch nur die halbe Wahrheit – weil natürlich jeder weiß, dass es der gleiche eliminatorische Antisemitismus ist, der damals die Deutschen und Nazis und heute die Muslime, Palästinenser und Hamas motiviert, Juden bestialisch zu ermorden. Es war nicht nur die perfekte Todesmaschinerie der SS in Auschwitz, die Teil der Shoah war. Auch das Quälen und Massakrieren von den anderen ca. drei Millionen jüdischen Opfern der Shoah muss erinnert werden, namentlich Babi Yar. Wenn jetzt im Süden Israels palästinensische Nazis mit Autos Juden umzingelten und in einer Grube mit Gewehren massakrierten, dann ist der Babi Yar Moment Israels.

“They took dozens of children, bound them up, burned them and executed them. They beheaded soldiers, they mowed down these youngsters who came to a nature festival, you know, put five jeeps around this depression in the soil and like Babyn Yar, they mowed them down, making sure that they killed everybody,” he said, referring to a desert rave where some 260 people were massacred and others were abducted to the Gaza Strip.

Das Thema heißt Islam und es heißt muslimischer Antisemitismus. Die extreme Zunahme von Kopftüchern und verschleierten muslimischen Frauen in Deutschland, die extreme Zunahme von arabischen Flüchtlingen in Deutschland und das Massaker der muslimischen Palästinenser an Juden am 07. Oktober stehen in einem direkten und ursächlichlichen Zusammenhang. Mehr Islam heißt mehr Fanatismus, mehr Islamismus, mehr Gewalt und Mord.

Es sind die exakt gleichen Leute, die von einem „binationalen“ Israel faseln – und denen es egal ist, ob Israel ein jüdischer und demokratischer Staat ist oder halt die „Einstaatenlösung“ mit den Nazi-Palästinensern umgesetzt werden würde und damit die Ermordung von Millionen Juden in Kauf nehmen würden -, die jetzt schweigen oder kichern ob der abgeschlachteten Juden, von enthaupteten Babies, vergewaltigen und danach lebendig angezündeten Frauen oder erschossenen Holocaustüberlebenden. Es gibt unschilderbare Berichte von Forsenikern aus Israel, die von abgtrennten Köpfen, Händen und Füßen berichten. Die Antisemiten haben ihre Tagen gefilmt und live gestreamt – dieses größte antisemitische Massaker seit Babi Yar ist für alle Zeiten in Teilen im Internet zu finden und die Hunderten Millionen aktiven Antisemiten zumal in der muslimischen Welt lachen sich schief und feiern ihre Morde und Mordsgesellen der Hamas und Palästinenser. In Israel bekommt das das jüdische Israel tagtäglich mit, die Bilder und Video-Schnipsel sind nicht zu ignorieren, aber unerträglich. Es ist wie ein kleiner, aber doch eine Art Holocaust im 21. Jahrhundert, live im Netz.

Auch ganz normale palästinensische Zivilistinnen, Kinder, Jugendliche und Greise machten beim Pogrom gegen die Juden mit, sie lachten über die herumliegenden Toten und raubten Sachen aus Gebäuden.

Es sind Verbrechen an Jüdinnen und Juden, wie wir sie seit dem Ende der Shoah nicht mehr gesehen haben. Insofern verpasst es Yossi Klein Halevi in seinem sonst außerordentlich interessanten Text zu bemerken, dass hier und heute in Europa noch nicht mal die heutigen toten Juden zu Großdemonstrationen oder spontanem Mitgefühl und Schock führen. Die meisten Deutschen interessiert es doch überhaupt nicht, was mit den Juden passiert, viele haben ohnehin ihre antisemitischen Ressentiments tief im Herzen, manche plaudern sie dann auch mal wieder ganz offen aus wie Richard David Precht, der Kumpel von Markus Lanz (ZDF), und sehen primär die Juden als die Störenfriede oder „Diamantenhändler“ an. Da mag das Prechtlein zurückrudern wie es will, wir alle wissen, wie es in ihm tickt, das trifft auch auf Lanz zu, der ja in jenem Podcast seine Zustimmung zu den uralten antisemitischen Stereotypen, den ultraorthodoxen Juden und dem Diamantenhandel, ausdrückte.

Das Problem Islam und muslimischer Antisemitismus jedoch wird weit umschifft, siehe das Verhalten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).

Es braucht weniger Islam und mehr Gesellschaftskritik.

Es braucht weniger säkulare Antisemiten und mehr kritisches Reflexionsvermögen.

Keine tausendsten christlich-muslimisch-jüdischen Gesprächskreise, sondern Kritik an der brutalsten und gefährlichsten Religion unserer Zeit: dem Islam und dem Islamismus. Nicht alle Muslime sind Islamisten, ja, aber alle Islamist*innen sind Muslime und alle Hamas-Mitglieder sind Muslime.

Es geht um den Sieg Israels über die Hamas, ohne naiv zu glauben, dass damit der eliminatorische Antisemitismus der anderen Palästinenser*innen einfach so weg wäre. Es wäre lediglich eine der Infrastrukturen des muslimischen Antisemitismus weg, aber das wäre für viele Jahre wenigstens etwas.

Doch eigentlich und am Ende des Tages kann man gar nichts mehr sagen als denkender Mensch.

Adornos kategorischer Imperativ:

Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe

hat sich dementiert. Es ist Ähnliches geschehen. Es gab ein „wieder“, „nie wieder“ als Parole hat sich erledigt.

Es ist passiert.

 

Der Antisemitismus der Vereinten Nationen (UN), von TikTok, Fußballern und anderen angesichts des schrecklichsten Massakers an Juden seit Auschwitz

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Am 09. Oktober 2023 zeigte sich das wahre deutsche diplomatische Gesicht angesichts des schlimmsten Massakers an jüdischen Kindern, Babies, Frauen, Alten und Männern seit dem Ende des Holocaust. Der pakistanische Vertreter Zahman Mehdi beim UN-Menschenrechtsausschuss forderte eine Schweigeminute für den

„loss of innocent lives in the occupied Palestinian territory and elsewhere.“

Das sagte er als Vertreter der Organisation der Islamischen Konferenz, einem Zusammenschluss von 57 islamischen Staaten. Der Antisemitismus, der aus der Ansprache dieses pakistanischen Vertreters spricht, ist schockierend. Er ist schockierend in seiner blutigen Mischung aus Antizionismus und Erinnerungsabwehr an ein antisemitisches Massaker, das zwei Tage zuvor von Muslimen verübt worden war. In seiner vor Antisemitismus triefenden Ansprache sprach Mehdi von den

„more than seven decades of foreign occupation“,

womit er die gesamte Existenz Israels in Frage stellt, da nur Antisemiten von über 70 Jahren „Besatzung“ daherreden. Es gibt eine Besatzung des Westjordanlandes – doch die dauert seit 1967.

Die Eiseskälte eine solche Schweigeminute einzufordern mag für Vertreter islamischer Länder selbstverständlich und typisch sein. Doch an dieser Schweigeminute nahm auch die Vertreterin Deutschlands beim UN-Menschenrechtsausschuss teil, wie man in einem Video sehen kann. Die Eiseskälte mit der diese Frau da steht und gleichzeitig liegen über 1300 tote jüdische Körper auf dem Feld, in Häusern, in Leichensäcken – das macht sprachlos.

Das ist das wahre Gesicht der Annalena Baerbock, die für so ein Verhalten bei den UN ja hauptverantwortlich ist, neben Kanzler Scholz und der gesamten Bundesregierung unter SPD/Grünen/FDP. Alle Worte der Solidarität sind an Heuchelei nicht zu überbieten, wenn man sieht, wie ganz normale Deutsche vor der Aggression ganz normaler Muslime wie jener von diesem Pakistani kuschen.

Israel ist das einzige Land der Erde, das seit Anbeginn von Vernichtung bedroht ist. Israel ist der einzige Ort, wo Juden als Juden leben können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.

Die unglaubliche Gewalt und Aggressivität, die von Hunderten Millionen Muslimen weltweit gegen Juden und den jüdischen Staat ausgeht, ist die größte Gefahr für Juden seit dem Ende der Shoah. Und diese Gefahr gibt es seit 1948 und der Gründung des Staates Israel.

Die Vereinten Nationen sind nichts anderes als eine Ansammlung antisemitischer Staaten und Aggressoren. Dass auch Demokratien wie die USA in den UN sind und eine Schweigeminute für die jüdischen Opfer der Hamas einforderten, kann an dieser unfassbaren Übermacht des Globalen Südens und seines Antisemitismus, der sich dann auch im Westen auf den Straßen und Internetforen austobt, nichts ändern.

Und schließlich kommt dazu das ohrenbetäubend laute Schweigen der kulturellen Klasse in Deutschland, der nichts zu dem größten Massaker an Juden seit Auschwitz einfällt. Die meisten werden es insgeheim nachvollziehbar finden, ein paar wenige sind vielleicht persönlich sogar etwas betroffen, aber aus Sorge, antisemitische Bündnispartner*innen im kulturellen Milieu zu verlieren, schweigen auch sie, so ein Kommentar in der taz:

Angesichts dessen wirken Relativierungen, abstrakte Distanznahme und oftmals bemühte Beide-Seiten-Argumentationen toxisch. Vollends enthemmt zeigen sich Accounts wie @radikalbehindert, hinter dem eine österreichische Ak­ti­vis­t:in steht, bestens vernetzt in Kulturkreisen. Ihr Post, abgerufen am 9. Oktober, nur zwei Tage nach dem Beginn des Islamistenterrors, zeigt die Illustration eines Gleitschirmfliegers, auf dessen Fallschirm eine palästinensische Flagge prangt – eine Anspielung auf Hamas-Kräfte, die sich mutmaßlich per Luftweg über die gesicherten Grenzanlagen hinwegsetzten. Unter dem Bild in englischer Sprache folgender Satz: „So sieht Dekolonisierung aus. Das ist es, was eine Revolution braucht. So sieht Landverteidigung aus.“

Weiter heißt es in der taz treffend:

Dessen sollten sich eigentlich auch die Funktionäre großer Kultureinrichtungen und -institutionen bewusst sein, die 2020 im Rahmen der Initiative GG5.3 Weltoffenheit einen pathosreichen Bühnenauftritt hinlegten, der ihr allzu hilfloses Ringen mit der Israel-Boykottbewegung BDS samt dazugehörigem Bundestagsbeschluss offenbarte.

Diesen Ver­tre­te­r:in­nen sollte man für ihr aktuell mehrheitliches Stillhalten gar nicht mal eine niedere Motivlage unterstellen. Es genügt der schlichte Verweis darauf, was im Kreise von Festivalleitungen, Ku­ra­to­r:in­nen und Pro­gramme­r:in­nen gern hinter vorgehaltener Hand artikuliert wird, was dem/der Journalistin beim Bier an der Theaterbar bedeutsam zugeraunt wird, im Hintergrundgespräch oder „off the record“, wie es so schön heißt. Namentlich zitieren lassen würde sich keine:r. Israelsolidarische Positionierungen, heißt es oft, seien schlichtweg nicht möglich, da sonst der Kreis aus Mitstreiter:innen, Friends und Allies abtrünnig werde und man sich im schlimmsten Fall Boykotte einhandle, zuvorderst von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Globalen Süden.

Otto, Leo  oder Luisa Normalvergaser kriegen davon in ihrem Alltag nichts mit. Die Mainstreammedien berichten kaum darüber, zum Skandal wird so ein Verhalten einer Vertreterin Deutschlands im UN-Menschenrechtsausschuss schon gleich gar nicht.

Die ganze Täter-Opfer Umkehr, wie wir sie auch von Deutschen kennen, die nach den Luftangriffen auf Dresden oder Stuttgart, Hamburg, Köln, Heilbronn jammerten und sich bis heute als Opfer fühlen, zeigte sich in jedem Statement der Hamas oder aber auch bei den Vereinten Nationen, als deren oberster Vertreter im UN-Menschenrechtsausschuss Craig Mokhiber am 10. Oktober 2023 auf X (Twitter) schrieb:

“The unbroken wall of propaganda, bias, racism, disinformation, incitement & blood-thirst in western corporate #media covering #Palestine & Israel is disgraceful, but not surprising. But that wall is as futile as the #apartheid wall & both will eventually crumble. #HumanRights”.

Vergewaltige Frauen, gefolterte Männer und Frauen, bei lebendigem Leib verbrannte Kinder, wie sie am 07. Oktober 2023 von den palästinensischen Schlächtern im Süden Israels zugerichtet wurden, führen bei den Vereinten Nationen zu Schulterzucken. Ja an führender Stelle der UN führen diese präzedenzlosen Taten gegen Juden seit 1945 zu einem Aufruf gegen Gewalt an und für sich und vor allem gegen die lebensnotwendige Schutzmauer, die Israel gegenüber den Palästinensern errichtet, insbesondere im Westjordanland. Die UN dämonisiert Israel und kritisiert die Hamas und die Palästinenser mit keinem Wort. Diese Eiseskälte zeigt das Einverständnis mit dem Judenmord. Israel wird vom Opfer muslimischer und palästinensischer Gewalt zum Täter („Apartheid“).

Es ist eine typische Täter-Opfer-Umkehr, wie wir das aus der sozialpsychologischen und ideologiekritischen Analyse der Kritischen Theorie und des sekundären Antisemitismus kennen. Nur handelt es sich hierbei um eine bluttriefende Mischung aus Antizionismus und Verleugnung der kurz zuvor begangenen antisemitischen Taten. Eine Derealisierung, die zu den UN passt, die ja seit Jahrzehnten für ihren Israelhass berüchtigt sind, was zumal bei den Ländern des Globalen Südens nicht verwundert. Was aber schockieren sollte, ist das Mittun Deutschlands und des Westens hierbei – Ausnahme: die USA, Amerika!

Die Eiseskälte mit der hier bei den Vereinten Nationen gehetzt wird, erinnert wirklich nur an das Verhalten der Einsatzgruppen des Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg, die nach 1945 gegenüber den Allierten und im Alltag in der BRD, in jeder Kneipe, jeder Wirtschaft, jedem Betrieb, jeder Weihnachtsfeier der Kegelfreunde in Bochum, Stuttgart-Zuffenhausen oder Berlin-Wilmersdorf alle ihre Verbrechen oder die ihres Nachbarn entwirklichten oder feierten. Sie zeigt sich hier 2023 auf einer globalen Ebene, nicht nur bei Muslimen oder Islamisten.

An der Elite-Universität Harvard haben Dutzende Vereinigungen von Student*innen ihrem Antisemitismus Ausdruck gegeben, indem sie nach den Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Morden an Jüdinnen und Juden durch die Palästinenser Israel die Schuld geben am ganzen Konflikt. Auch diese Unterstützung von Terror aus der Feder von reichen jungen Leuten, deren Elten stolz sind auf ihre Harvard-Kids ist extrem gefährlich. Solche kleinen Antisemiten werden später mit Harvard-Abschluss ganz große Antisemiten bei den UN oder in der NGO-Welt etc. pp. Viele dieser Student*innengruppen sind muslimisch, aber nicht alle.

Die UN-Expertin Anne Bayefsky hat diese Rechtfertigung des Massakers der Hamas und anderer Palästinenser vom 07. Oktober 2023 in Israel detailliert rekonstruiert. Wer das liest, weiß, wie diese Welt strukturiert ist und dass die Vereinten Nationen eine der größten diplomatischen und politischen Vereinigungen von Antisemiten weltweit ist.

Mehr noch: Fast alle, die sich kritisch mit der irrationalen, wissenschafts- und demokratiefeindlichen Coronapolitik befassten, schweigen jetzt oder haben klammheimliche Schadenfreude ob des Judenmords der Palästinenser. Antizionismus ist in dieser Szene, von Ausnahmen abgesehen, sehr weit verbreitet.

Aber warum sollten das was Anne Bayefsky von den UN berichtet, ganz normale linke, mainstreamige oder rechte oder gar (so sie lesen können) migrantische Deutsche lesen? Warum nicht lieber den kommenden Herbst genießen, wieder nach Coronatests schreien (wie es die interventionistische Linke Heidelberg auf Veranstaltungsankündigungen macht)

Foto: privat

oder dem Klimawandel-Katastrophen-Sommer nachweinen, sich um die Kinder oder die Arbeit kümmern und einfach weitermachen wie bisher?

Immerhin hat das mit dem Weitermachen nach dem Holocaust sich für die Deutschen doch auch unglaublich ausgezahlt – warum sollte es sich für die Palästinenser und ihre Heerschar von Freundinnen und Freunden in Tübingen und jeder anderen (Universitäts-)Stadt mit „Palästina-Komitees“ und ähnlichen Gruppen am Ende des Tages und gerade nach dem 07. Oktober 2023 nicht auch auszahlen?

Millionen von Israelis haben die letzten Monate gegen die rechtsextreme Regierung unter Netanyahu demonstriert – sie waren die ersten, die sich als Reservist*innen zur Armee meldeten. Es war und ist ein zionistischer Protest gegen Netanyahu, der nun ganz sicher damit in die Geschichtsbücher eingehen wird, dass er das schlimmste Massaker an Juden nicht hat verhindern können, wie ein Kommentar in der Jerusalem Post unterstreicht. Darin wird analysiert, dass Netanyahu sich zwar selbst immer gern als der heutige Churchill präsentierte, aber jetzt als Appeaser-Chamberlain enden wird. Netanyahu hat entgegen Churchill, der die Gefahr der Deutschen und Nazis klarer sah als Chamberlain, die aktuelle extreme Gefahr durch die Hamas nicht gesehen, weil er so extrem mit seiner Justizreform (Zerstörung der Gewaltenteilung) beschäftigt war. Aber jetzt geht es darum, diesen Krieg zu gewinnen:

While the public is now focused on winning this war, destroying Hamas, and regaining Israel’s deterrence, there will be a day after the war. And on that day after, all the pain, frustration, and anger being felt right now will be released, reshaping the political terrain.

Exactly how it will happen is unclear, but it will happen.

Yet, as Gantz said on Wednesday night, that is all for another day. Today, the focus is on defeating Hamas and winning this war.

Es gibt Tausende von israelischen ReservistInnen, auch im Alter von 50+ und 60+, die jetzt in den Krieg ziehen, man muss sich das mal vorstellen. Diese Leute sind unendlich motiviert, diese Bestien zu erledigen, die jüdische Zivilist*innen abschlachteten, wie wir es seit dem Holocaust nicht gesehen haben.

Es gibt jetzt unglaubliche antisemitische Schmiererein mit Davidsternen an Häusern in Berlin, in denen Juden leben. Auch das erinnert an die Nazi-Zeit. Dazu gibt es vulgären Antisemitismus auf TikTok für die Jüngeren und nicht mehr ganz so jungen antisemitischen Aktivist*innen. Der Fußballer Noussair Mazraoui von Bayern München ist offenbar ein Antisemit, wie der Tagesspiegel berichtet:

Der marokkanische Fußball-Nationalspieler in Diensten der Münchner hat in den sozialen Netzwerken ein Video verbreitet, in dem den Palästinensern im Konflikt mit Israel ein Sieg gewünscht wird.

Das sagt auch viel aus über Holocausterinnerung bzw. Nichterinnerung in arabischen Ländern wie Marokko und natürlich im Milieu Fußballer generell.

Der Ersatztorwart des FC Bayern jedoch ist Jude und Israeli – er ist schockiert ob des Massakers, doch sein eigener Mitspieler in München ist ein Hamas-Sympathisant – und der Verein schweigt, dabei hat so ein Mann wie Noussair Mazraoui in Deutschland nichts zu suchen:

Münchens Ersatztorwart Daniel Peretz ist Israeli und verbreitete am Sonntagmorgen eine emotionale Botschaft bei Instagram, in der er Sportler aufforderte, sich gegen Terrorismus auszusprechen.

Die FAZ schreibt:

Für ihre Forderung, Hamas-Unterstützer nach Möglichkeit auszuweisen, erhielt Faeser Zustimmung des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil. „Wenn jemand, der auf deutschen Straßen die Hamas feiert, nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat, dann sollte er aus Deutschland ausgewiesen werden“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Man werde alle Maßnahmen ausschöpfen, die der Rechtsstaat bietet.

Wenn jemand in den a-sozialen Medien die Hamas feiert, hat er auch nichts in diesem Land zu suchen. Doch welcher ARD-Sportschau-Moderator (m/w/d) wird sich trauen, den Antisemitismus von Typen wie Mazraoui anzusprechen? Wie unerträglich muss es für Daniel Peretz sein, mit solchen Hetzern, die es gut finden, dass andere Juden und Israeli abgeschlachtet wurden und den Palästinensern den „Sieg“ wünschen, im gleichen Verein zu sein und ihn täglich beim Training zu sehen? Rausgeschmissen gehört der Marokkaner aus dem Verein!

Das typische muslimisch-antisemitisch-palästinensische Berliner Pack – es ist ein Pack! -, das Judenmord und Antisemitismus verteidigt und einfordert, konnte am 15. Oktober 2023 nicht von der Polizei daran gehindert werden, mit über 1200 antisemitischen Hetzern auf dem Potsdamer Platz in Berlin-Mitte aufzumarschieren. Die Polizeibehörde und der Berliner Senat haben in unfassbarer Naivität eine angebliche „Mahnwache“ für zivile Opfer in Nahost genehmigt, mit 50 angemeldeten Leuten. Dass Antisemiten und Terrorunterstützer sich daran nicht halten würden, war doch völlig klar – wer sich in Berlin auskennt, weiß das. Nicht weit vom Potsdamer Platz wohnen solche Antisemiten in Kreuzberg und dann in Neukölln, ja in Berlin-Mitte selbst. Wird die Polizei es schaffen, die Personalien von allen Beteiligten aufzunehmen und diese Meute an Antisemiten festzusetzen und jeden einzelnen wegen Terrorunterstützung anzuzeigen? Natürlich nicht. Die feixenden Judenhasser, Muslime und Palästinenser und ihre Freund*innen haben Berlin mal wieder zum Aufmarschgebiet für antisemitische Terrorfans gemacht.

Es gibt keinerlei Großdemonstrationen für Israel und gegen den Antisemitismus der Palästinenser, von einzelnen Demos in Berlin oder Frankfurt, Koblenz und kleinen Gegenkundgebungen in anderen Städten abgesehen. Aber wo sind die Hunderttausende, die nach 9/11 wenigstens so taten, als seien sie schockiert? Am 11. September ermordeten Jihadisten 3000 Menschen im World Trade Center, im Pentagon und in den vier entführten Flugzeugen. Die USA haben 310 Mio. Einwohner*innen. Am 07. Oktober 2023 massakrierten Palästinenser über 1300 Jüdinnen und Juden in Israel. Israel hat gut 9 Millionen Einwohner*innen.

Während in Heilbronn, Ludwigshafen oder Mainz Israelfahnen vor den Rathäusern herunterissen oder angezündet wurden, hängst sie bislang offenbar ohne Beschädigung noch am Rathaus in Heidelberg:

Foto: privat, 14.10.2023

 

Am Israel chai!

Muslimische Faschisten aus Gaza starten Krieg gegen Israel und die Juden

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Seit heute Morgen 6:30 Uhr Ortszeit tobt ein Krieg zwischen den muslimischen Faschisten und Terroristen der Hamas und Israel. Die Hamas und unzählige Terroristen wie Mitglieder des Islamischen Jihad haben den Süden Israels angegriffen, mit einem Bulldozer den Grenzzaun niedergerissen und Pogrome in Kibbutzim, Städten und Dörfern durchgeführt. Dazu wurden Hunderte oder Tausende Raketen von Gaza nach Israel abgefeuert, es gibt über 40 Tote Israelis, über 700 Verletzte, beschädigte Wohnhäuser, Straßen, Autos etc. pp.

Dazu wurden offenbar laut Medienberichten Dutzende Israelis, Zivilistinnen und Zivilisten wie auch Soldaten, von der islam-faschistischen Hamas und dem Islamischen Jihad in den Gazastreifen entführt. Es gibt Berichte, dass eine 60jährige Frau zur „Schau“ in Gaza-Stadt als Entführte herumgefahren wurde und die primitiven Islam-Nazis (Palästinenser) bejubeln die Pogrome und Morde an Juden, wie wir das in diesem Ausmaß seit dem Ende des Nationalsozialismus nirgendwo auf der Welt je erlebt haben.

Wir kennen das Lynchen von zwei Juden, israelischen Soldaten, durch islamistische und palästinensische Terroristen aus der Zeit der zweiten Intifada (2000 bis 2006), auch das waren unfassbare Bilder, die wir damals sehen mussten. Aber es waren nicht Dutzende Ermordete und es fand nicht auf dem Staatsgebiet Israels statt, sondern im Oktober 2000 in Ramallah in der Westbank.

Offizielle aus Sderot berichten heute von Bildern, die man sich nicht vorstellen kann – auf dem Staatsgebiet des jüdischen Staates Israel, massakrierte Juden, die von muslimischen Nazis bestialisch ermordert wurden.

Viele Juden haben sich in ihren „safe rooms“, bunkerähnlichen Räumen in ihren Häusern und Gemeinden, verstecken müssen, viele bis jetzt (15 Uhr Ortszeit).

Die Hamas rationalisiert ihren Judenhass mit der Situation auf dem Tempelberg und der Al-Aksa Moschee. Sie sieht das antijüdische Pogrom – vermutlich das schlimmste antijüdische Pogrom weltweit seit dem Ende des Holocaust – als Vorbote der „Rückkehr“ der Palästinenser. Dieses „Rückkehrrecht“ ist bekanntlich die zentrale Forderung der antisemitischen BDS-Bewegung, die auch in Deutschland viele FörderInnen hat, bis hin zu ForscherInnen in Jüdischen Studien, Historikerinnen von Antisemitismusforschungszentren und so weiter und so fort.

Das heutige Progrom und der heute gestartete Krieg der Muslim-Nazis der Hamas gegen Israel ist auch Resultat eines so nicht im Ansatz befürchteten Staatsversagens Israels und von Benjamin Netanyahu persönlich. Die internen israelischen Konflikte um die Justizreform, die die Abschaffung der Gewaltenteilung zur Folge hätte, seit Januar 2023 haben das Land auf eine Weise gelähmt wie nie seit 1948. Die rechtsextreme Regierung unter Netanyahu hat dabei von Anfang an die Schwächung des Militärs, der IDF, und der Geheimdienste achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Der Iran begrüßt die antijüdischen Pogrome und Morde an Israelis.

Es gilt:

– Solidarität mit Israel.

– Kampf gegen die BDS-Bewegung und das „Rückkehrrecht“ der Palästinenser, dessen blutiges Fanal heute in den schlimmsten Pogromen gegen Juden seit 1945 stattfindet.

– Verbot von pro-palästinensischen Demonstrationen, die die Pogrome feiern werden, in Deutschland, in Berlin-Neukölln/Kreuzberg, in Duisburg, in Mannheim, wo immer sie geplant werden.

– Abbruch aller diplomatischen Beziehungen zum islamistischen Terrorstaat Iran.

– Solidarität mit der anti-islamistischen Revolution im Iran.

 

Update, 16:06 Uhr:

Mittlerweile werden über 100 ermordete Israelis und über 900 Verletzte gemeldet.

Update, 16:25:

Die taz berichtet über noch nicht bestätigte Berichte, denen zufolge islamistische Terroristen (Muslim-Nazis) entführte Juden in Gaza massakrierten oder mit Motorrädern zu Tode schleiften.

Update 22:36 Uhr:

Es wird jetzt von über 250 von den Palästinensern ermordeten Israelis ausgegangen. Dutzende sind weiter verschleppt oder in Israel Geisel der muslimischen Faschisten. Hier ein sehr guter Kommentar im SPIEGEL, der sich wünscht, dass die Erschütterung über die Hamas, die man heute zumindest in Teilen Deutschlands in den Medien spürt (nicht in der Süddeutschen, klar!), in eine lang anhaltende Empathie mit Israel mündet. Und hier ein erschütterndes Tagebuch von heute des ZDF-TV Stars Andrea Kiewel.

Update 22:44 Uhr:

In Frankfurt am Main demonstrierten 200 Personen Solidarität mit Israel! Islamistisches Pack versuchte die Veranstaltung zu störne, einige Antisemiten wurden von der Polizei festgenommen.

In Berlin-Neukölln – Sonnenallee, einer der widerlichsten Straßen in ganz Deutschland! – verteilten Islamisten, Palästinenser und andere Antisemiten Süßigkeiten.

Update, 08.10.2023, 11:04 Uhr:

Es gibt bis jetzt über 350 Tote in Israel und über 1800 Verletzte. Das schlimmste Massaker an Juden weltweit seit dem Ende des Holocaust. Täter sind Muslime, islamistische Nazis der Hamas, des Islamischen Jihad und anderer Gruppen, die in Berlin von säkularen palästinensischen Terrorfans und Antisemiten in Neukölln auf der Straße gefeiert werden. Die Berliner Polizei hat diese Kriminellen nicht daran gehindert, Süigkeiten an andere verkommende Existenzen und Antisemiten zu verteilen angesichts abgeschlachteter Juden in Israel.

Update, 08.10.2023, 13:45 Uhr:

Es wird jetzt von 500 Toten Israelis ausgegangen. Es ist Israels 9/11 Moment.

Update, 08.10.2023,14:12 Uhr:

Über 600 Tote in Israel. Es sind vermutlich auch deutsche StaatsbürgerInnen entführt oder/und ermordet worden, wie z.B. eine junge Frau, deren Mutter aus Ravensburg (Baden-Württemberg) stammt, die bei der Party im Negev dabei war. Die Brutalität der Palästinener, auch von Kindern gegenüber Entführten oder Toten, ist unfassbar, Resultat der antisemitischen Indoktrination über Jahre hinweg und erinnert an die Taten der Deutschen im NS und der Shoah.

Der Elefant im Raum: Antisemitismus – Aiwanger, Mahmoud Abbas und antiisraelische Historiker*innen

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Antisemitismus ist der „längste Hass“, wie es der bedeutendste Antisemitismusforscher unserer Zeit Professor Robert S. Wistrich (1945-2015) schon vor über 30 Jahren in Worte gefasst hatte. Antisemitismus ist der längste, flexibelste und am weitesten verbreitete Hass – auch 78 Jahre nachdem Auschwitz von der Roten Armee der Sowjetunion befreit wurde. Drei aktuelle Beispiele zeigen, wie sich Antisemitismus heute zeigt, wahlweise als Erinnerungsabwehr an den Holocaust oder als Delegitimierung des Zionismus und von Israel.

1) Hubert Aiwanger und die Freien Wähler in Bayern

Im Schuljahr 1987/88 wurde im Schulranzen des Schülers Hubert Aiwanger ein antisemitisches und den Holocaust feierndes Flugblatt gefunden. Die Schulleitung wusste offenbar sehr wohl, wer das Flugblatt geschrieben hatte. Hubert Aiwanger musste als Strafe ein Referat über die NS-Zeit halten. Also ist jedem klar, wer dieses an Antisemitismus und Holocaust-Bejahung nicht zu überbietende Hetz-Flugblatt mit seiner Schreibmaschine geschrieben hatte. 2008 ließ Aiwanger durch eine Parteikollegin bei einem seiner damaligen Lehrer anfragen, ob Gefahr von ihm drohe. Also, dass bekannt würde, was für ein Antisemit oder Neonazi Aiwanger offenbar als Schüler war. 2008 schickte sich der Bierzelt-Einheizer Aiwanger an, mit der Partei Freie Wähler in den bayerischen Landtag einzuziehen. Mittlerweile ist er stellvertretender Ministerpräsident. Schon damals hätte Aiwanger ja einen Text schreiben und sich mit seiner antisemitischen Vergangenheit als Verbreiter oder/und Autor und diesem Flugblatt beschäftigen können. Doch jener Lehrer sagte offenbar, dass keine Gefahr von ihm drohe und so blieb in Bayern unter informierten Kreisen weiterhin nur das Gerücht, dass es dieses Flugblatt gab und dass es aus dem Hause Aiwanger stammt. Warum hat Aiwanger denn 2008 nachgehakt, wenn er doch gar nichts mit diesen antisemitischen Flugblatt zu tun hatte, wie er heute sagt? Wenn er es nur gefunden hätte im Klo, warum dann Panik, dass das bekannt würde? Panik kriegt einer, der als Neonazi so etwas Unfassbares schrieb.

Viele rechten Medien nahmen Aiwanger sofort in Schutz und faselten was vom „Versuch einer politischen Vernichtung“, so zum Beispiel exemplarisch der Cicero. Das Nomen „Vernichtung“ und das Verb „vernichten“ kam dann umgehend auch von Aiwanger als Vorwurf an seine Kritiker*innen in Anschlag, nicht wegen der Feier der Vernichtung der Juden in Auschwitz, wie sie das Flugblatt in jenem bayerischen Gymnasium 1987/88 kennzeichnete. Aiwanger solle politisch „vernichtet“ werden tönen die extremen Rechten jeglicher Couleur. Wie rechtsextrem war das Elternhaus von Aiwanger? Oder hat es sich von ihm distanziert? Gibt es da keine Zeitzeugen mehr? Das Flugblatt hat eine so tief gehende antisemitische Struktur, ist so tief durchdrungen von der Bejahung der Ermordung von sechs Millionen Juden in der Shoah, so etwas schreibt einer nicht einfach so an einem Nachmittag. Da gehört eine extreme Portion von antisemitischem Hass, von neonazistischem Denken und Handeln dazu. Das Flugblatt ist an Perfidie unerträglich. Doch so ein Bubi wie der junge Aiwanger lebte ja nicht im Vakuum, er hatte ein Umfeld und das wiederum war eingebettet in das Bayern des extrem rechten Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, auf den die extrem rechten Bayern so stolz sind, dass sie einen Flughafen nach ihm benannt haben.

Die Art und Weise, wie sich nicht nur das dumpfe, Bier saufende bayerische Volk grölend hinter Aiwanger stellt, sondern auch wie die Partei Freie Wähler Bayern sich wie eine Volksgemeinschaft hinter ihrem Führer versammelt, zeigt, zu was dieses Land wieder fähig ist.

Richtig böse sollen jene sein, die den armen Hubert in einer „Kampagne“ „vernichten“ wollten. Und Söder hat gar kein Problem mit dem hier völlig offen zu Tage tretenden Antisemitismus, dem sekundären Antisemitismus der Erinnerungsabwehr. Wer auch nur einen der Auftritte oder Ausschnitte davon von Aiwanger sah, weiß, dass es diesem Mann überhaupt gar nicht leid tut, dass er dieses Pro-Holocaust Flugblatt in seinem Ranzen hatte und dass er auch ganz genau weiß, wer es geschrieben hat und sich schief lacht, dass es niemand zustande bringt, zu beweisen, dass er der Autor war. Martin Walser ist tot, jetzt kommen die Aiwangers – so könnte man die katastrophale Situation für die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust beschreiben.

2) Mahmoud Abbas und die Leugnung des Antisemitismus

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas leugnet in einer Rede, die er am 24. August 23 vor dem dem 11. „Revolutionären Konziel“ der Palästinensischen Befreiungsorgansation PLO hielt, dass der Antisemitismus der Deutschen zum Holocaust führte. Für ihn war es eine mehr oder weniger verständliche Reaktion auf die Rolle, die Juden als „Geldverleiher“ gehabt hätten. Die Times of Israel berichtet über diese antisemitische Rede, die vom Middle East Media Reseach Institute (MEMRI) aus dem Arabischen ins Englische übersetzt wurde. Der Antisemit Abbas fabulierte auch davon, dass die aschkenischen Juden keine Abkömmlinge der alten Israeliten seien, also gar nichts mit Israel zu tun hätten.

3) Holocaust-Historiker*innen, denen es egal ist, ob Juden in Todesgefahr leben und Israel zerstört wird

Vor dem Hintergrund dieses palästinensischen Antisemitismus ist eine Erklärung vom Sommer 2023 von mittlerweile über 2000 Akademiker*innen in den Bereichen Jüdische Studien, Holocaustforschung und Geschichte zu sehen:

 

Die Unterzeichner*innen behaupten, dass die Besetzung des Westjordanlandes der Elefant im Raum sei, den niemand in Israel und international unter den Israelfreund*innen sehen möchte. Die aktuelle und weiter geplante Justizzerstörungs-Gesetzungebung unter Benjamin Netanyahu – die ja in Israel massiv und so stark wie kein anderes Gesetzgebungsverfahren in der Geschichte des jüdischen Staates kritisiert wird, mit wöchentlich Hunderttausenden Demonstrant*innen seit Januar 2023 – ist nur der Anlass für bereits bekannte antizionistische Aktivist*innen zusammen mit bislang noch zu schüchternen, aber ebenso antizionistischen Wissenschaftler*innen jetzt aktiv zu werden. Das Schweigen zu palästinensischem Terror und Antisemitismus ist typisch für das Dokument.

Skandalös und wirklich gefährlich ist aber vor allem folgender Satz:

Without equal rights for all, whether in one state, two states, or in some other political framework, there is always a danger of dictatorship.

Ohne „gleiche Rechte für alle, ob in einer Einstaatenlösung oder Zweistaatenlösung oder irgendeinem anderen politischen Rahmen, wird es immer die Gefahr einer Diktatur geben“. Es geht um das flapsige Kokettieren mit der Zerstörung Israels, denn das wäre die Einstaatenlösung. Schon jetzt hat Israel mit 20 Prozent Arabern eine riesige Minderheit im Land, wovon übrigens die meisten ein Leben in Israel jeder Sekunde, die sie unter Abbas oder der Hamas leben müssten, vorziehen. Doch diese Historiker*innen und Forscher*innen in jüdischen Studien spielen mit der antisemitischen Fantasie, dass es doch egal sei, ob Juden in einem jüdischen oder binationalen Staat leben. Sprich: ob Millionen Palästinenser in das Land kämen, ist ihnen egal. Das wären insgesamt ca. 4,5 Millionen Palästinenser – 2 Mio aus dem Gazastreifen und 2,5 Mio aus der Westbank -, die zu den ca. 2 Mio Arabern in Israel noch hinzukämen. Etwas mehr als 7 Millionen Juden leben in Israel.

Es gibt viele liberale und linke, ja sogar konservative Kritiker*innen der unerträglichen Besetzung des Westjordanlandes. Viele sind sich aber auch im Klaren darüber, dass der Antisemitismus der Palästinenser ein weiteres Kernproblem ist, inklusive dem zentralen Aspekt der antisemitischen BDS-Bewegung nach dem „Rückkehrrecht“ der Palästinenser, das den jüdischen Charakter des Staates vollends zerstören würde, wie jeder weiß.

Völlig zurecht kritisiert das Pamphlet der Historiker*innen, dass aktuell in Israel homophobe, frauenfeindliche und messianische Kräfte am Ruder seien. Doch was bitteschön sind denn die Palästinenser? Weniger homophob? Weniger frauenfeindlich? Weniger religiös-fanatisch? Ernsthaft? Suicide Bombing ist immer noch eine primär islamistische Form des Terrors. Der Antisemitismus ist bei der Hamas nicht weniger ausgesprägt wie bei Abbas und der PLO oder den säkularen Antisemiten von Terrorgruppen wie der PFLP. Doch von alledem schweigen diese über 2000 Akademikerinnen und Akademiker.

Diese drei Beispiele zeigen die ungeheure Virulenz des längsten Hasses, des Antisemitismus.

 

Ukraine, Holocaustverharmlosung, Transphobie und Goutieren der „American Nazi Party“ in der Pro-Israel-Szene?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 12. August 2022, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Dieses Paper erschien im Original beim AK Regionalgeschichte in Neustadt am Rübenberge, runterscrollen bis zu Debatte I Antisemitismus, Geschichtspolitik und Ukrainekrieg. Ganz herzlichen Dank an Hubert Brieden und seinen AK für die wundervolle Kooperation. Das ist gelebter Antifaschismus in unserer ver-rückten Welt. Das Paper ist beim AK Regionalgeschichte als PDF verfügbar.

Ein neues Forschungszentrum zu Antisemitismus in London, das „Fathom Magazine“, Kathleen Hayes und das antiintellektuelle „Intellectual Dark Web“ …

Inhaltsverzeichnis

 

1) Ukraine

2) Die Londoner Konferenz zu Antisemitismus im September 2022

3) Das britische Magazin Fathom

4) Quillette, das „Intellectual Dark Web“, Neue Rechte und die American Nazi Party

5) Der Fall Kathleen Hayes

6) Hoffnung: Der Zionismus von Gad Granach

 

1) Ukraine

Für September 2022 ist vom neuen „London Centre for the Study of Contemporary Antisemitism“ um den Soziologen David Hirsh eine Konferenz zu Antisemitismus angekündigt.

Es ist wichtig und sehr aktuell, sich kritisch mit den verschiedenen Facetten des Antisemitismus im 21. Jahrhundert zu befassen. Allerdings fällt auf, dass es fast ausschließlich um den antizionistischen Antisemitismus in vielen unterschiedlichen Facetten geht – postkolonial, islamistisch/muslimisch, links, rechts etc. Themen wie die Abwehr der Holocausterinnerung in der Ukraine durch Benennung von Straßen, Plätzen oder Fußballstadien nach Antisemiten und Nazi-Kollaborateuren sucht man selbstredend vergeblich. Dabei ist das eine der krassesten Formen des Antisemitismus im 21. Jahrhundert, Plätze und Straßen nach Tätern im Holocaust zu benennen. Man könnte das auch auf die Holocaustverharmlosung via der Rot=Braun-Ideologie in Lettland, Estland, Litauen, Polen, Tschechien, Ungarn oder westlichen Ländern ausweiten, wie auf die Anhänger der Prager Deklaration von 2008 – wie namentlich Vaclav Havel oder Joachim Gauck.[1]

Als kürzlich fünf osteuropäische Staaten die Europäische Union aufforderten, das „historische Gedächtnis“ zu bewahren und schrieben, dass es darum gehen solle, die „europäische Plattform für Gedächtnis und Gewissen“ zu promoten, die auf der „Prager Deklaration“ von 2008 basiert, dann konnte der Holocausthistoriker Efraim Zuroff aus Israel nur bitter lachen. Er schreibt auf der Times of Israel, die seinen Blog als besonders lesenswert anpreist:

Several days ago, I was shocked to learn that five heads of state from Lithuania, Romania, Estonia, Latvia, and Poland, all post-Communist Eastern European countries, had recently beseeched the leaders of the European Union to step up efforts to “preserve historical memory.” It was addressed to the European Council president, European Commission president, and the Czech prime minister, whose country currently holds the rotating EU presidency.

For the past three decades since their transition to democracy, these countries have excelled in grossly distorting their own respective histories of the Holocaust. Yet the quintet of leaders now maintains that the Kremlin “is seeking to rewrite history and use it to justify its aggression against sovereign states.” Thus, they urge the bodies of the EU to take a leadership role in “preserving historical memory and preventing the Russian regime from manipulating historical facts.” They contend that this concern “is particularly relevant in light of Russia’s intensive use of history for propaganda purposes in the context of the war in Ukraine.”

These heads of state know how to deal with this problem of rewriting history.[2]

Wie man Geschichte umschreibt, das wissen die Regierungen dieser Länder – Litauen, Polen, Rumänien, Estland, Lettland. Sie verharmlosen seit Jahren den Holocaust gleich doppelt, indem sie den eigenen Antisemitismus und die Nazi-Täter in ihren Ländern reinwaschen oder gar feiern und indem sie in einem zweiten Schritt die präzedenzlosen Verbrechen der Shoah auf eine Stufe stellen mit den Verbrechen des Stalinismus, die hier „Verbrechen des Kommunismus“ bezeichnet werden und bis heute andauern würden. Es ist nicht minder antisemitisch, wenn der ukrainische Präsident Selenskyi den Beginn des aktuellen Krieges in der Ukraine mit dem Tag der Gründung der NSDAP analogisiert und von einer „Endlösung“ der Ukrainer faselt. Dieser Antisemitismus kam in Israel in der Knesset, zu der er zugeschalten war und eine seiner üblen Propagandareden hielt, nicht gut an.[3]

Ich schrieb 2010 über das „Memorial der Opfer des Kommunismus“ in Washington, D.C., dessen Neueröffnung jetzt von dieser Seite, die angeblich das europäische Gedächtnis und Gewissen wachhalten will, verlinkt wird.[4] Am 15. März 2010 hielt ich in Riga, Lettland, auf einer internationalen Konferenz einen Vortrag und befasste mich mit osteuropäischem und westlichem Antisemitismus und der Umschreibung der Geschichte:

Look at www.victimsofcommunism.org memorial site in the US: they are saying that Communism was the “deadliest ideology in human history”: this is an anti-Semitic obfuscation of the Shoah![5]

Die Seite „victimsofcommunism“ pushte damals ganz ehrlich ihre Ideologie und schrieb auf ihrer Seite, dass „der Kommunismus die tödlichste Ideologie in der Geschichte der Menschheit“ sei. Das ist offenkundig eine antisemitische Leugnung der tatsächlich tödlichsten Ideologie in der Geschichte der Menschheit: des nationalsozialistischen eliminatorischen Antisemitismus. Mittlerweile hat die Homepage diesen antisemitischen Satz nicht mehr auf ihrer Seite, aber die Intention der Macher*innen ist die gleiche wie zuvor.[6]

Zuroff betont, dass Länder, die selbst auf antisemitische Weise die Geschichte umschreiben, die letzten sein sollten, die Russland Antisemitismus vorwerfen. Auch Russland lügt natürlich, wenn es von einem „Genozid“ im Donbass fabuliert, den es dort so wenig gibt, wie es einen „Vernichtungskrieg“ in der Ukraine gibt. Man stellt sich gerade in Deutschland, dem Täterland, schon die Frage, warum der irgendwie linke Politologe Lars Rensmann, der neuerdings an der Uni Passau in Bayern lehrt, ausgerechnet seinen Kollegen Herfried Münkler zu einer Veranstaltung zum Krieg in der Ukraine für Mittel Juli einlud (die Veranstaltung fiel dann aus, es wird aber voraussichtlich einen „Ersatztermin“ geben wie die Uni Passau freudig mitteilt auf ihrer Homepage),[7] ist doch Münkler berüchtigt dafür, dass er den Begriff „Vernichtungskrieg“ auf den russischen Krieg in der Ukraine anwendet und somit den Holocaust verharmlost.[8]

Es gibt keinen „Vernichtungskrieg“ in der Ukraine, wer anderes behauptet, lügt schlichtweg oder aber möchte die Deutschen von ihrer Schuld reinwaschen, weil es natürlich sehr gelegen kommt, ausgerechnet einem der Opfer der Zweiten Weltkriegs und neben den Juden Hauptfeind der NS-Ideologie, dem Bolschewismus und den Russen, jetzt Verbrechen der gleichen Dimension anzudichten, wie sie die Väter und Großväter der Münklers dieser Welt verbrochen haben.[9]

Womöglich besteht inhaltlich große Übereinstimmung zwischen Münkler und Rensmann, der auf seinem Facebook-Account als Header eine ukrainische Fahne mit dem Spruch #StandwithUkraine hat.[10]

Das spricht für wenig politikwissenschaftliches Differenzierungsvermögen. Steht er auch hinter den Straßen in der Ukraine, die in den letzten Jahren nach Holocausttätern und Antisemiten benannt wurden? Eine linke antimilitaristische Position würde niemals #StandwithUkraine oder #StandwithRussia posten, sondern sich gegen Waffenlieferungen an beide Seiten wenden, sie würde die klare Mitschuld der NATO am Fanatisierungsprozess Putins decodieren – Stichworte #notoneinch, Putins Idee vor vielen Jahren, dass Russland in die NATO aufgenommen wird, was mit einem Auslachen quittiert wurde und zuletzt der Friedensplan Putins und der Russischen Föderation vom 17. Dezember 2021, der von den USA ignoriert wurde. Hingegen planten die USA bzw. der Senat der USA bereits am 3. Januar 2022 den Krieg Russlands und verabschiedeten einige Wochen später im Februar, noch vor der völkerrechtswidrigen Invasion Russlands in der Ukraine am 24. Februar, ein Milliardenprogramm zur militärischen und sonstigen Unterstützung der Ukraine.[11] VOR Kriegsbeginn finanzierten und unterstützten die USA bereits die Ukraine und schickten Waffen und Geld, eine Ukraine, die als bereits angegriffen präsentiert wurde seit dem 3. Januar 2022 vom Senat der USA in jenem Gesetzesentwurf.

Es ist hingegen zeit- und szenetypisch für die Konferenz in London im September 2022, dass dort mehrere Vorträge zu sowjetischem Antizionismus angekündigt werden,

 

 

aber nicht ein Vortrag zu heutigem Antisemitismus in der Ukraine, der sich dort durch Ehrungen, Denkmäler, Briefmarken, Fußballstadien, Straßen, Alleen etc., die nach Nazi-Kollaborateuren, antisemitischen Hetzern oder Judenmördern wie Roman Shukhevych, Yaroslav Stetsko oder Stepan Bandera in den letzten Jahren benannt wurden, zeigt. Oder der Antisemitismus der neonazistischen Asow-Brigaden, die Teil der ukrainischen Armee waren, bevor sie in Mariupol militärisch besiegt wurden – auch dazu kein Vortrag.

Das mögen alles sehr interessante wissenschaftliche Analysen des sowjetischen Antizionismus sein – aber es geht hier darum, dass es auffällt im gegenwärtigen Diskurs, dass sehr viel über sowjetischen Antisemitismus und Antizionismus geredet wird, aber kaum über den heutigen oder historischen ukrainischen Antisemitismus.

Aktuell läuft eine Kampagne gegen David Hirsh an der University of London, wo er am Goldsmiths College Soziologie unterrichtet. Er hatte postkoloniale und offenbar Pro-BDS Tweets und Aktionen von Studierenden kritisiert und wurde daraufhin aggressiv als „weißer Rassist“ diffamiert.[12] Das ist eine typische Form von heutigen Antisemitismus und Hirsh muss dafür Unterstützung bekommen.

Doch Hirsh schreibt darüber hinaus tatsächlich auch sehr merkwürdige Sachen in Bezug auf Antisemitismus. Ein kurzer Blick auf den Twitter-Account von David Hirsh zeigt wie mitunter unwissenschaftlich und vulgär dort vorgegangen wird, was in diesem a-sozialen Medium typisch zu sein scheint und keine persönliche Marotte von Hirsh. Als Personenbeschreibung schreibt Hirsh über sich selbst (Stand 07. August 2022):

Russian warship go fuck yourself

Founder LCSCA @centre_as

Arsenal, women and men.

ADHD http://EngageOnline.org.uk http://gold.ac.uk/sociology/staf

Er wendet sich also in vulgären Worten gegen den russischen Krieg gegen die Ukraine. In einem Tweet vom 7. August 2022 um 6.28 Uhr nachmittags schreibt er dann Folgendes:[13]

Listen carefully to what antisemites say. They’re not telling you about Jews, but they’re telling you about themselves. They’re telling you what, in their imagination, evil and cunning people would do in a particular situation: their own fantasies, their own intentions.

Wen meint David Hirsh mit „Antisemiten“? Er meint die russische Mission in Genf, von der er unter seinen Tweet eine Nachricht postet, die jene botschaftsähnliche Mission auf Twitter gepostet hatte. Um was geht es in diesem Tweet der Russen? Darum, dass selbst die Mainstreammedien nicht umhin könnten zu konstatieren, dass die Ukraine häufig Waffen und Geschütze in Schulen oder Krankenhäusern verstecken und positionieren und russische Angriffe dann als Angriffe auf zivile Ziele aussehen würden.

Erstens: Was könnte an dem Statement der Kriegspartei Russland hierbei antisemitisch sein? Wieso schreibt David Hirsh, der Soziologe und Antisemitismus-Experte aus England, dass man genau zuhören solle, was die Antisemiten sagen und drunter steht dieser Tweet, der die aktuelle russische Linie widergibt? Was ist daran antisemitisch?

Denn exakt das passiert tatsächlich, wie ein Bericht von Amnesty International zeigt, der von der österreichischen Tageszeitung Der Standard am 5. August 2022 zitiert wird:[14]

Demnach positionieren die Ukrainer auf zynische und menschenverachtende Weise Waffen und Geschütze in Wohngebieten, wenn dann die russische Seite diese bombardiert, sieht es nach einem gezielten Angriff auf Zivilist*innen aus, einem Kriegsverbrechen. Dabei haben die Ukrainer die eigene Bevölkerung vorsätzlich in diese Gefahr gebracht. Übrigens eine Taktik, das sollten gerade die Pro-Israel-Szene oder David Hirsh wissen, wie sie von der islamistischen Hamas, dem Islamischen Jihad und anderen im Gazastreifen seit Jahren angewandt wird, um Israel zu diskreditieren.[15]

Anfang Juli 2022 hat auch das ZDF von einem UN-Bericht zitiert, nachdem die Ukraine gezielt zivile Orte wie ein Pflegeheim benutzen würden, um dort Soldaten zu stationieren. Überlebende eines russischen Angriffs berichteten von den ukrainischen Soldaten im Pflegeheim.[16] Nach Hirshs Logik argumentieren damit auch die Vereinten Nationen oder das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) antisemitisch. Ist das sein Ernst?

Es gibt aktuellen Antisemitismus in Russland. Zum Beispiel wenn jüngst der russische Außenminister Lawrow auf perfide Weise Hitler „jüdisches Blut“ andichtet, wofür sich dann jedenfalls inoffiziell Putin bei Bennett in Israel entschuldigte, wie die BBC aus England berichtete.[17] Der UN-Bericht zu den Zivilisten*innen als menschliche Schutzschilde jedoch betont, dass beide Seiten, die Ukrainer wie die Russen, diese perfide Taktik des zivilen Schutzschildes und der Instrumentalisierung von Zivilist*innen anwenden.[18] Die Berichte von Amnesty International und von internationalen Medien decken sich mit dem UN-Bericht und dem Tweet der russischen Mission in Genf. Aber das was David Hirsh hier am Beispiel eines empirisch verifizierten Tweets der russischen Mission in Genf als Antisemitismus herbei fantasiert ist kein Antisemitismus.

Wenn er auf solche Twitter-Wahnideen sein neues Institut – mit Dutzenden Expert*innen im Schlepptau, wie man auf der Homepage sehen kann – zur Analyse und Kritik des gegenwärtigen Antisemitismus im 21. Jahrhundert aufbaut – und dafür spricht vieles, weil er auch für sein neues Center einen Twitter-Account eingerichtet hat[19] –, dann kann er das Unterfangen gleich wieder stoppen. Weil dieser Tweet der russischen Mission in Genf ist nicht antisemitisch und hat nicht im entferntesten etwas mit Juden oder Antisemitismus zu tun. Es ist perfide, dass laut UN beide Seiten diese menschenverachtende Taktik anwenden, Russen wie Ukrainer. Natürlich erwähnt die russische Mission in Genf ihre eigene ähnliche Taktik nicht. Aber das ist nicht antisemitisch und Hirsh scheint überhaupt nicht die Faktenlage zu kennen, dass die Ukraine diese menschenfeindliche Taktik anwendet.

Der Krieg Russlands ist ein verbrecherischer, völkerrechtswidriger Angriffskrieg, der sofort enden muss.

Doch noch mehr Waffen für die Ukraine werden diesen Krieg verlängern und noch viel mehr Tote in der Ukraine fordern. Und die USA und Deutschland wollen, dass noch mehr Menschen sterben und der Krieg nicht aufhört, sonst würden sie nicht ohne Ende Waffen und Munition liefern. Und über die Mitschuld am Krieg durch die jahrzehntelange Aggression der NATO, unter anderem via NATO-Osterweiterung, obwohl es die Zusagen des US-Außenministers James Baker an Gorbatschow und die Sowjets im Februar 1990 gab, dass die NATO sich im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands keinen inch nach Osten ausbreiten würde, wird nicht diskutiert. NATO-Manöver in der Ukraine in den letzten Jahren waren eine nicht zu tolerierende Provokation, das bestätigt jeder halbwegs ausgebildete Politologe und Konfliktforscher (m/w/d).

Wie aber kommt David Hirsh darauf, dass diese offenkundig den Tatsachen entsprechende Position der russischen Mission in Genf, dass die Ukraine zivile Schutzschilde verwendet, antisemitisch sei? Das ist ein inflationäres Verwenden des Vorwurfs des Antisemitismus, wo dieser gar nicht erkennbar ist.

Sind das gute Voraussetzungen für ein neues Zentrum für Antisemitismusforschung, wenn der Gründungsdirektor David Hirsh einerseits so vulgär in der a-sozialen Twitter-Welt sich selbst vorstellt und dann solche Tweets absetzt, die mit der Realität gar nichts zu tun haben? Was meint er mit Antisemitismus, wenn die Russen nur wiedergeben, was auch der Standard oder Amnesty International, die UN und das ZDF berichten? Alles Antisemiten, wenn sie empirisch belegt zeigen, dass die Ukraine die eigene Armee, Soldaten, Waffen, Munition und Geschütze auch mal gezielt in Wohngebieten, Schulen, Altenheimen oder Krankenhäusern unterbringt?

Sind es darüber hinaus gute Voraussetzung für ein neues Zentrum für Antisemitismusforschung wenn Hirsh und sein Team gleich zu Beginn den eliminatorischen Antisemitismus des Nationalsozialismus mit dem stalinistischen, aber keinesfalls mit dem deutschen vergleichbaren Antisemitismus gleichsetzen?

It is not accidental that antisemitism was associated with both National Socialist and Stalinist totalitarianisms.[20]

Das hört sich stark nach dem „Schwarzbuch des Kommunismus“ von 1997 an, und mit dem Historiker Jeffrey Herf ist auch ein Anhänger dieses Holocaust verharmlosenden Schwarzbuchs[21] sowohl auf der Konferenz als auch im beratenden Board des neuen Zentrums mit dabei. Vielleicht ist es auch nur eine unglückliche, eine Analogie insinuierende Formulierung, aber der obsessive Russenhass, der sich bei Hirsh auf Twitter zeigt, könnte auf tiefer liegende Ideologeme hindeuten, auf einen autoritären Charakter, der zudem wissenschaftlich unsauber arbeitet und zwischen Auschwitz und stalinistischem Antisemitismus keinen kategorialen Unterschied sieht. Diese Befürchtung steht im Raum.

 

2) Die Londoner Konferenz zu Antisemitismus im September 2022

Also: Neben den üblichen Referent*innen und sehr wichtigen und aktuellen Themen wie Antizionismus, 9/11, Israelfeindschaft wie z.B. bei Linken in Norwegen, dem palästinensisch-israelischen Konflikt, muslimischem Antisemitismus, gibt es auch obskure, aber sehr trendige Themen wie Holocaustverharmlosung bei Kritiker*innen der medizinisch irrationalen Maskenpflicht. Die Maskenpflicht wird vermutlich nicht als medizinisch irrational und demokratisch desaströs betrachtet, ohne dass ich hier die womöglich mitunter vorkommenden Holocaustvergleiche und der Maskenpflicht – auch wenn mir so ein Vergleich noch nicht bekannt ist – negieren würde, dafür gibt es in der Tat zu viel sonstige antisemitische Invektiven in der Coronapolitik kritischen Szene, über die ich schon im Januar 2021 ausführlich in einem Working Paper des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) berichtet habe.[22]

Die Ankündigung des Vortrags des tschechischen Forschers Zbyněk Tarant „Holocaust Appropriation in Anti-Mask Protests – A New Challenge to IHRA Definition?“ auf der Londoner Konferenz im September 2022 liest sich wie folgt:

To our misfortune, antisemitism develops more quickly than our legal and scholarly definitions of it. Its fluidity was again aptly demonstrated during the anti-mask and anti-vaccination protests across Europe. Along with the antisemitic conspiracy myths, such as ‘plandemic’, or the belief that vaccines are meant to sterilize the world population, there were cases of abuse of Holocaust-related symbolism and iconography by the protesters, such as wearing yellow Stars of David, comparing epidemiological measures to Nuremberg laws and comparing vaccine mandate to the Nazi genocidal program. My presentation will explore the ideological and quasi-religious background of these myths, many of which have roots in the scene of Western Esotericism. As my presentation will argue, these incidents stretch our current definitions of antisemitism and some are not even covered by them. For example, the IHRA definition has no provision that would recognize such cases of Holocaust Appropriation in anti-vaxxer discourse as antisemitic, despite their harmful impact on Jewish life and tendency to banalize the horrors of the Shoah. Is it time to update the IHRA definition?[23]

Es ist bezeichnend, dass zwar problematische Tendenzen in der Anti-Impf-Szene thematisiert und vermutlich weit über deren Relevanz hinaus dargestellt werden, aber der Autor verliert kein Wort über den antidemokratischen Charakter des gesamten Impf-Diskurses und der totalitären Anmaßung von Ländern wie Australien, Neuseeland oder USA Menschen bis heute (!) nicht einreisen zu lassen, wenn sie nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft bzw. gentherapiert sind, da ja bekanntlich ein Vertreter der Pharma-Industrie von BAYER auf dem Global Health Summit im Oktober 2021 freudestrahlend und perfide, schelmisch lachend sagte, dass es sich bei der „Impfung“ um eine „Gentherapie“ handele und dass Corona ein Riesenglücksfall für die Pharmaindustrie und die Akzeptanz der Gentechnik gewesen sei, da bis Ende 2019 sicher 95 Prozent der Bevölkerung wenigstens in Deutschland klar gegen die Gentechnik eingestellt gewesen seien. Das sagte Stefan Oelrich von der Firma BAYER exakt so, man kann sich das Video von der Berliner Veranstaltung anschauen.[24]

DAS ist der Skandal unserer Zeit, Holocaustvergleiche von marginalen extremistischen esoterischen und sonstigen Gruppen sind schlimm und antisemitisch, aber eben: marginal verglichen mit der totalitären Impfpolitik führender Staaten auf der Welt und der WHO etc.

Es gibt genügend Beispiele für esoterischen Plumquatsch, für Holocaust verharmlosende Vergleiche der Coronapandemie und weitere problematische Ideologeme wie beim Juristen Füllmich, über den und seinen Corona-Untersuchungsausschuss sowie weitere problematische Protagonist*innen der Anti-Coronapolitik-Szene im internationalen Kontext ich berichtet habe.[25] Aber Masken und Antisemitismus zu thematisieren und damit das ganze Thema Corona abzudecken, das wirkt gewollt obskur und es ist nicht zu erwarten, dass dabei eine differenzierte Kritik der katastrophalen und totalitären Coronapolitik in Tschechien, Deutschland, Israel, USA, UK etc. herauskommt, die sich sowohl dem Antisemitismus von Teilen der Coronapolitik-Kritiker*innen-Szene widmet also auch dem viel brutaleren und mörderischen Mainstream, der Masken, Lockdown, Impf-Apartheid, soziale Isolation und ökonomische Katastrophen auf der ganzen Welt zu verantworten hat wegen einer völlig irrationalen und gewollt antidemokratischen Panikpolitik – siehe Panikpapier von Horst Seehofer, Merkel, Scholz und der deutschen Bundesregierung vom März 2020.[26]

Aber dass die Kritik am Maskenfetisch ein zentrales Thema für eine Antisemitismuskonferenz sein soll, das wirkt grotesk und mag höchsten dazu dienen jede Kritik am Maskenwahn zu diffamieren. Damit sollen vermutlich exemplarisch für die ganze ‚Szene‘ der Kritiker*innen der epidemiologisch, medizinisch und demokratisch höchst fragwürdigen Coronapolitik einzelne obskure Maskenmandats-Kritiker*innen präsentiert werden. Was aber wird die Konferenz zu den vielen jüdischen und israelischen Mediziner*innen sagen, die sich vehement gegen die westliche wie israelische, antidemokratische Coronapolitik gewandt haben, wie Dr. Tomer Cooks von der Abteilung für Mikrobiologie, Immunologie und Genetik der medizinischen Fakultät der Universität Ben-Gurion im Negev? Er ist wie die Professoren Udi Qimron, Ariel Munitz, and Motti Gerlic und knapp 150 weitere Mediziner*innen und Forscher*innen in Israel Unterzeichner eines „Common Sense Model“, das sich gegen Lockdowns und für eine rationale Coronapolitik einsetzte.[27] Im Oktober 2020 waren eine ganze Reihe von jüdischen und israelischen Epidemiologen und Medizinern Erstunterzeichner der legendären Great Barrington Deklaration, die sich für den Schutz der vulnerablen Gruppen einsetzt und die Millionen Tote in den Ländern des globalen Südens, die die Lockdownpolitik seit März 2020 und bis heute verursachte, verhindern wollten beziehungsweise wenigstens ab Oktober 2020, als die Erklärung geschrieben und publiziert wurde, diese „Kollateralschäden“ der Coronapolitik von Merkel, Boris Johnson, Trump, Biden & Co. in Zukunft minimieren wollten. Unter den Unterzeichnern waren nämlich auch folgende Personen, die großteils sowohl die Great Barrington Erklärung von Oktober 2020 als auch das spezifisch israelische Common Sense Model von Dezember 2020 unterzeichnet haben:

Dr. Ariel Munitz, professor of clinical microbiology and immunology, Tel Aviv University, Israel, Dr. Eitan Friedman, professor of medicine, Tel-Aviv University, Israel, Dr. Motti Gerlic, professor of clinical microbiology and immunology, Tel Aviv University, Israel, Dr. Uri Gavish, biomedical consultant, Israel, Dr. Udi Qimron, professor of clinical microbiology and immunology, Tel Aviv University, Israel.[28]

Wie antisemitisch und antiisraelisch wird eine Coronapolitik kritische Szene sein, die mit führenden israelischen Forschern im Bereich Medizin besetzt ist?

Es ist also zu befürchten, dass die Kritik an der Coronapolitik auf dieser Konferenz in London nur als Teil des heutigen Antisemitismus vorkommen wird, was eine bewusste Verdrehung der Tatsachen wäre, wenn es denn so kommen sollte.

Was in jedem Fall äußerst merkwürdig hervorsticht bei der Ankündigung der Londoner Konferenz zu gegenwärtigem Antisemitismus, ist folgender Vortrag einer bislang kaum in Erscheinung getretenen Autorin:

Kathleen Hayes “Punch a TERF’ and ‘Smash the Zionists’: Misogyny and Antisemitism“.

Damit suggeriert die Autorin, dass transphobe radikale Feministinnen Opfer seien wie Zionist*innen. Da wird man als aufgeklärter kritischer Antisemitismus-, Rechtsextremismus- und Demokratieforscher skeptisch. TERFs sind bekanntlich Trans Exclusionary Radical Feminists. Nun muss man wissen, dass 2021 so viele Transpersonen weltweit ermordet wurden, wie nie zuvor, seitdem diese Gewalttaten registriert werden. 2021 wurde demnach weltweit 375 Transsexuelle ermordet, davon 70 Prozent in Südamerika, 30 Prozent alleine in Brasilien. Wenn ich hier z.B. in Deutschland syrische oder irakische Flüchtlinge in der Innenstadt sehe, die mit ihren Blicken Transsexuelle oder als solche auf die machistischen Einfältigen so Wirkenden, begaffen und bedrohen, dann weiß ich wie nahe sich diese Migranten und die Neue Rechte, aber auch manche traditionellen linken und liberalen Feministinnen in Fragen von Religion, Familie und Gender stehen.

In vielen Ländern gibt es zunehmend eine Anti-Gender Gesetzgebung und Rhetorik, wie in Polen, Ungarn oder eben auch im ach-so-westlichen, aufgeklärten Brexit-Großbritannien, wie das Forbes Magazine berichtet:

Meanwhile, a global recession in trans rights continues, with countries from Hungary, Poland and even the U.K. seeing rising transphobia, anti-LGBTQ policies and rhetoric.

In the U.K., transphobic hate crime reports have quadrupled over the last six years.

Das ist der Hintergrund vor dem Hayes im September 2022 in London reden wird.

3) Das britische Magazin Fathom

Im Juli 2022 hat Kathleen Hayes einen Artikel im britischen Journal Fathom publiziert. Fathom wird von Alan Johnson herausgegeben.[29] Ihr Text heißt:

Fathoming the Intellectual Revolution of our Time (1) | ‘Punch a Terf’ and ‘Smash the Zionists’: Misogyny and Antisemitism in the Contemporary Western Left

Das hört sich sehr hochtrabend an. Es soll also die „intellektuelle Revolution unserer Zeit“ „ausgelotet“ werden: „Boxen wir eine TERF und Schlagen wir die Zionisten: Misogynie und Antisemitismus in der gegenwärtigen Linken im Westen“. Für Fathoms Herausgeber Alan Johnson ist der Artikel Teil einer „intellektuellen Revolution unserer Zeit“. Hayes stellt den Poststrukturalismus äußerst verkürzt und ohne tiefere Kenntnis dar:

A few decades back, without a vote being taken, a handful of intellectuals decided to roll back the Enlightenment. Holding hands and chanting ‘Down with grand narratives,’ they dismissed as hubris the paradigmatic Western belief that it was possible to know anything approximating truth. Equating the Enlightenment with slavery, colonialism and women’s subjugation, they declared positivism the greatest sin and announced they were post everything.

All die bahnbrechende Herrschaftskritik am Gefängnis, an Überwachung, an der dem Gefängnis nachempfundenen Klinik durch Denker wie Michel Foucault – der zudem pro-israelisch war – wird hier mit einem läppischen Federstrich von einer no-name Autorin hinweggefegt. Dass der Positivismus in der Tat eine gefährliche Herrschaftsideologie ist, bis heute, das diskutiert Hayes im Folgenden gar nicht. Das bloße Beschreiben und Rubrizieren ist doch ein Kernelement nicht nur des Kapitalismus und Patriarchats, sondern auch der Coronapolitik beispielsweise. Eine dialektische Sicht, marxistisch, adornitisch, ja sogar kritisch-theoretisch und poststrukturalistisch, würde anders vorgehen und die Verbindungen von kapitalistischem Weltmarkt, dem Wegbrechen von Lieferketten und Jobs von Hunderten von Millionen Tagelöhner*innen zumal in Asien, Afrika und Lateinamerika, und der irrationalen Panik vor einem Virus, das primär sehr alte und kranke Menschen angreifen kann, herstellen.

Foucault als „weißen Mann“ zu attackieren, wie es Hayes hier tut, ohne ihn beim Namen zu nennen, der das Partikulare gegen das Universelle gesetzt hätte, ist bemerkenswert reduktionistisch und zeigt erstaunlich wenig Kenntnis über die Geschichte des Poststrukturalismus. Aber man muss Hayes sicher zugute halten, dass sie von 1987 bis 2016 in einer antisemitischen Sekte aktiv war und nicht viel lesen konnte.

Foucault, Derrida, Deleuze, Guattari und wie sie alle heißen, der gesamte Poststrukturalismus sei gegen die Aufklärung gewesen und so sei auch Judith Butler zu ihrer Pro-Hamas Position gekommen, schreibt Hayes. Man kann viel und Substantielles am Poststrukturalismus kritisieren, aber Hayes möchte hier Geister austreiben, da sie selbst den antisemitischen Geist aus sich 2016 ausgetrieben hat oder meint, ihn ausgetrieben zu haben. Mit einer seriösen wissenschaftlichen Analyse des Poststrukturalismus hat das nichts zu tun, bei allen heideggerianischen und höchst problematischen Tendenzen im Poststrukturalismus ist doch die Herrschaftskritik – gerade an Polizei, Gefängnis, Überwachung, Strafen und Klinik – von Michel Foucault herausragend und für unsere Zeit von größter Bedeutung.

Ganz ähnlich wie der Gouverneur von Florida Ron DeSantis wendet sich Hayes gegen Gender-Erziehung bei Kindern:

In the US, for instance, many bills aim to prevent ‘transwomen’ from participating in women’s sport (while allowing them in other categories); some seek to end the teaching of gender woo to young children in public schools. These are legitimate goals although the devil, as always, is in the details.

Das steht also nicht in einer Broschüre der AfD, sondern im Fathom Magazine. Sicher gibt es starke antisemitische Tendenzen im Bereich Feminismus, Intersektionalität, Multikulturalismus und Antirassismus. Doch so wie Hayes hier argumentiert, ist bereits der Ausgangspunkt der heutigen Gender Studies von Judith Butler das Problem, also die Betonung des sozialen Geschlechts – und nicht erst deren antizionistischer Drive seit Anfang der 2000er Jahre.

Dass die marxistische Tradition sich nach Auschwitz nicht mit linkem Antisemitismus beschäftigt habe, wie Hayes behauptet, ist vollkommen grotesk, wenn man sich die Forschungsliteratur der letzten Jahrzehnte anschaut. Allein das Werk „Revolutionary Jews from Marx to Trotzky“ von Robert S. Wistrich aus dem Jahr 1976 ist ein Beispiel, seither[30] und schon zuvor gibt es eine breit gefächerte Forschung zu Linken und Juden sowie zu linkem Antisemitismus und das auch von linker Seite, also nicht nur von Antikommunisten, die nur ihre eigenen Vorurteile bestätigt sehen wollen. Unmittelbar zum Sechstagekrieg im Juni 1967 schrieb zum Beispiel der linke Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer über den neuen linken Antisemitismus und kritisierte dabei seinen Kollegen Peter Weiss.[31] 1976 publizierte Jean Améry einen wirkungsmächtigen Text zur Kritik des linken und „ehrbaren“ Antisemitismus.[32] 1980 publizierte der Journalist Henry M. Broder eine Abrechnung mit dem linken Antisemitismus seiner ehemaligen Freundinnen und Freunde bzw. Genossinnen und Genossen, 1986 schrieb er einen Bestseller – „der ewige Antisemit“ –, in dem es um alle möglichen grünen und linken Facetten des Antisemitismus geht.[33] Später wurde Broder bekanntlich ein konservativer Publizist mit dem nach ganz rechts offenen Portal Achse des Guten (Achgut), das der AfD Vorschub gibt, bei der er auch schon im Bundestag sprach.

Ich selbst habe mit einer linksautonomen Gruppe im Januar 2001, also vor 9/11 und vor dem Beginn dessen was wir seit 2002 nicht nur in Deutschland, sondern international als bemerkenswerte, hörbare und aktivistische Pro-Israel-Szene bezeichnen, eine Broschüre zur Kritik des linksradikalen Antizionismus der Revolutionären Zellen publiziert.[34] 2010 publizierte der britische Jurist, Anwalt und Literaturwissenschaftler Anthony Julius ein Standardwerk über die Geschichte des Antisemitismus in England, worin es auch um den heutigen linken Antisemitismus geht.[35] All das hat Kathleen Hayes natürlich verpasst, da sie bis 2016 selbst antisemitisch aktiv war.

Schließlich macht Hayes auch noch eine Beziehung auf zwischen der Kritischen Theorie und dem Postmodernismus wie dem Transsexualismus, die keine Wahrheit mehr kennen würden, sie konstruiert auf völlig abstruse Weise eine mini-kleine Gruppe von Transsexuellen zu den eigentlichen Gatekeepern und Diskursherrschern. Für sie gibt es eine direkte Beziehung von Antisemitismus und Transsexualismus, beides sei nicht der Wahrheit verpflichtet:

And yes, I’m aware the Frankfurt School played its own role, however ambivalently, in indicting the Enlightenment itself as leading inexorably to Auschwitz: a deeply pessimistic conclusion that paved the way for postmodernism, with its extreme scepticism towards material reality and truth. In a sense, reality and truth are ‘all’ that’s at issue here: the ability to recognise—and the right to say—that two plus two make four; the Earth is not flat; and a man is not a woman, no matter how artful his eyeliner.

Im letzten Absatz in ihrem Fathom-Pamphlet macht Kathleen Hayes dann eine ungeheuerliche Holocaust verharmlosende Analogie auf und schreibt:

Once truth is up for grabs, all truths are up for grabs. A mind persuaded to reject the reality of biological sex is one unlikely to recognise basic facts about the Holocaust, or about living Jews.

Wer also sein biologisches Geschlecht ablehnt und sich nicht als Frau oder Mann sieht, ist tendenziell ein Holocaustleugner oder eine Holocaustleugnerin. Und mit diesem essentialistischen doktrinären Gerede fühlt sich Kathleen Hayes auch noch als Trendsetterin, wird damit sowohl im ‚liberalen‘ Fathom Magazin als auch anderorts publiziert, wie wir noch sehen werden, alles im Jahr 2022, wo Fathom seine zwei Jahre dauernde „Intellektuelle Revolution“ einläutet, wie Alan Johnson, der ein Kumpel von David Hirsh ist, schreibt.

Kathleen Hayes war von 1987 bis 2016 eine antisemitische Aktivistin in einer trotzkistischen Partei, worüber sie in einem weiteren Fathom Text 2021 berichtet. Sie war eine linke Fanatikerin und ist seit wenigen Jahren eine Renegatin, also eine antilinke Aktivistin.

4) Quillette, das „Intellectual Dark Web“, Neue Rechte und die American Nazi Party

Claire Lehmann wiederum war nie eine Linke. Sie ist eine angepasste bürgerliche Frau aus Australien, deren erster Text als Autorin 2013 das Heiraten und dumpfe Kinderkriegen aus der Feder der damals Schwangeren anpries. Wie FamilienideologInnen der AfD oder anderer Rechtsextremer lamentierte sie, dass die Kritik des kleinbürgerlichen Familienidylls der Gesellschaft schweren Schaden zufügen würde. 2015 gründete sie die neu-rechte oder rechtsextreme Plattform Quillette, die als ein zentrales Medium des „Intellectual Dark Web“ betrachtet wird. Der Erfinder des Pendants des zwischen Waffenkauf, Prostitution, Terrorismus und Gewalt hin- und her schwankenden „Dark Web“, des Begriffs „Intellectual Dark Web“ ist Eric Weinstein, der eine zentrale Figur bei Quillette ist.

Natürlich ist das rein sprachlich ein Missverständnis, weil Rechte, Konservative, Antifeministinnen, Patrioten und Nationalisten, Anti-Gender-IdeologInnen und Anti-Political-Correctness HetzerInnen alles sind, nur nicht intellektuell. Wir sollten uns erinnern, was einen Intellektuellen ausmacht. Ich schrieb dazu 2006 in meiner Dissertation zur Kritik der Salonfähigkeit der Neuen Rechten an der Uni Innsbruck:[36]

Deutsche Konservative und Nationalisten haben verstärkt seit den 1970er Jahren versucht, die deutsche Geschichte zu rehabilitieren und sind dabei keineswegs von einer vormodernen Epoche ausgegangen, sondern haben protagonistisch den NS nicht verschwiegen, vielmehr Anschlussstellen gesucht und gefunden. Der Sozialphilosoph Hauke Brunkhorst hat sich dazu in einer Studie von 1987 geäußert.[37] Mandarine, in Europa früher gebräuchliche Bezeichnung für die hohen chinesischen Beamten der Kaiserzeit, haben in Deutschland mit einem zutiefst antiintellektuellen Ressentiment von Mitte des 19. bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die deutsche Wissenschafts-Szenerie bestimmt. Jedoch: ‚Mit der klassischen Rolle der Philosophen, Priester und Propheten, der Mandarine und Schamanen ist es vorbei.‘[38] Sodann: ‚Der Mandarin steht über den Parteien: ›Wenn es nicht gelingt, die Sache der Nation wieder über die Sache der Partei zu stellen, so sind wir verloren.‹[Eduard Spranger, C. H.]‘.[39]

Ein deutscher Mandarin hat all das nicht, was einen Intellektuellen auszeichnet:

‚Zu Kompromissen mit vorgeblich tief sitzenden metaphysischen Bedürfnissen sollten die Intellektuellen sich nicht verführen lassen. ›Ohne Leitbild‹ (Adorno), ohne höhere Legitimation sollten sie auf dem ›uneingeschränkten Gebrauch ihres Intellekts‹ bestehen, und das heißt ja nichts anderes, als auf der Macht des Negativen und dem Recht zur negativen, destruktiven Kritik. Dieser Anspruch, ›der wider die angeborene und‹, wie Kracauer ausdrücklich hervorhebt, ›die erworbene Natur ist‹, kann den Intellektuellen nicht geschenkt werden: ›die Natur zum mindesten versuchsweise außer Kraft zu setzen, soweit es nur irgend geht. Nichts anderes ist der Intellekt als das Instrument der Zerstörung aller mythischen Bestände in und um uns.‹‘[40]

Insofern sind natürlich Familienideolog*innen, Anti-Gender-Agitator*innen, Nationalist*innen und neu-rechte Protagonist*innen, die die Vorherrschaft der Weißen gefährdet sehen und dem Rassismus frönen oder aber mit antisemitischen Verschwörungsideologen wie Alex Jones und dem ganzen Trump-Umfeld, dem Trumpismus, verbunden sind, alles nur keine Intellektuellen. Es sind Gegenintellektuelle oder Anti-Intellektuelle wie Claire Lehmann, das Dark Intellectual Web und Quillette. Das sind alles Verteidiger*innen der bürgerlichen Herrschaft, die auch nicht davor zurückschrecken, Neo-Nazis wie von der American Nazi Party als bloße „Konservative“ zu rubrizieren und damit salonfähig zu machen, wie wir sogleich sehen werden.

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) brachte im Mai 2019 eine lobpreisende Hymne auf das antiintellektuelle „Intellectual Dark Web“ vom rechten Publizisten Milosz Matuschek.[41] Er konnte wissen, was im „Intellectual Dark Web“ so kursiert: Denn im Februar 2019 schrieb der Post-Doc an der Columbia University Richard Hanania einen ganz typischen Text für diese Gegenintellektuellen des „Intellectual Dark Web“ auf Quillette:

„It Isn’t Your Imagination: Twitter Treats Conservatives More Harshly Than Liberals“. Das übliche Jammern der extremen Rechten, dass der Mainstream sie dissen würde. Dieser Text zeigt allerdings noch weit mehr, nämlich die Abgründe des Geredes von „Free Speech“. Es geht in dem Quillette Text um Twitter-User, die aufgrund von Hassreden oder anderen Gründen blockiert wurden, deren Twitter-Accounts also permanent oder temporär gesperrt wurden.[42] Die These ist, dass Twitter bei Linken viel weniger harsch reagiere, verglichen mit „Konservativen“. In dem Text hat der Autor Hanania eine Excel-Tabelle verlinkt, die er mit einem Team erarbeitet hat. Dabei listen sie prominente Fälle von „Konservativen“ auf, über deren Blockieren durch Twitter die Mainstreammedien berichtet haben. Es sind 43 Personen beziehungsweise Organisationen. Was Quillette nun unter „Konservativen“ versteht schlägt jedem Fass den Boden aus. Die 43 Personen und Gruppierungen umfassen den rechtsextremen vorbestraften Schläger Tommy Robinson aus England, Gavin McInnes, Gründer der Neo-Nazi Terrorgruppe „Proud Boys“, die auch von Twitter gesperrt wurden und die eine führende Rolle beim Putschversuch im Kapitol in Washington, D.C., am 6. Januar 2021 spielen sollten und für das Zusammenschlagen von Antifas und anderen Linken berüchtigt sind. Dazu kommen der Verschwörungsmythologe Alex Jones und seine Seite Infowars, der Neonazi und Begründer des Begriffs „Alt Right“ Richard Spencer, der Rassist und Holocaustleugner David Duke, ehemals Grand Wizard des Ku-Klux-Klan (KKK). Auch die „American Nazi Party“ wird von Quillette als Teil jener „Konservativen“ gelistet, deren Twitter-Account gesperrt wurde.

Ebenfalls im Mai 2019 publizierte der extrem rechte Publizist und zeitweise Dozent an der Universität Augsburg sowie Referent bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, Eoin Lenihan, einen Anti-Antifa-Text, wo er „Netzwerke“ von Journalist*innen, die über Antifa und extreme Rechte schreiben, auf Twitter und deren vorgebliche oder tatsächliche Beziehung zu Antifa-Aktivist*innen in einer Studie untersuchte. Dabei wurden einige dieser Journalist*innen namentlich genannt und diffamiert. Er kündigte seine „Studie“ am 15. Mai 2019 auf Twitter an, am 29. Mai wurde sie auf Quillette publiziert.[43] Eine der attackierten Journalistinnen hat später darüber berichtet, wie wenige Wochen später Neonazis wie von „Stormfront“ auf YouTube Videos mit Bildern von Massenerschießungen hochgeladen haben, wo mittendrin immer wieder mal die Gesichter von Journalist*innen auftauchen, die von Lenihan in seinem Artikel denunziert worden waren.[44]

Im Juli 2019 publizierte Quillette einen weiteren Artikel, der sich gegen das Blockieren von Antisemiten, Neonazis, Neuen Rechten, Frauenhassern, Transphoben oder Islamisten, Sexisten etc. pp. wendet. Dabei nimmt der Autor namentlich den antisemitischen Verschwörungsmythologen Alex Jones als Beispiel, der ja schon im Februar in der Liste der „Konservativen“, die von Twitter gesperrt wurden, aufgelistet worden war. Dessen Aussperren bei Twitter, YouTube, Facebook, Spotify und anderen a-sozialen Medien hätte seine Popularität nur noch gestärkt. Was diese bürgerlichen Antibürgerlichen „Free Speech“-Protagonist*innen ignorieren und damit bejahen ist die Gewalt, die von Typen Alex Jones ausgeht. So hat er bis vor kurzem das Schulmassaker in Connecticut an der Sandy Hook Grundschule 2012 geleugnet. Er hat wie ein Wahnsinniger fantasiert, dass die Eltern der getöteten Kinder Schauspieler*innen seien. Die Eltern eines der ermordeten Kinder haben jetzt in Austin, Texas, eine Klage gegen Jones gewonnen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Jones mit seinen Verschwörungsmythen ein riesiges Vermögen erwirtschaftet – bis zu 300 Millionen US-Dollar im Jahr. Die Eltern leiden unter besonders schweren post-traumatischen Belastungsstörungen, ähnlich denen von Kriegsopfern oder Soldat*innen. Das Gericht in Austin verurteilte Alex Jones zu 49,3 Millionen US-Dollar Strafe, die er den Eltern zahlen muss. Dazu werden weitere Verfahren in Texas und Connecticut kommen. Die Anwälte hatten zuvor gefordert, eine besonders hohe Strafe zu verhängen, damit sie eine abschreckende Wirkung hat.

Einer der neu-rechten Agitatoren des anti-intellektuellen Dark Web ist Dave Rubin. Ihn, den „Komiker“, den Neurowissenschaftler Sam Harris und den Mathematiker Eric Weinstein traf die Aktivistin der Anti-Linken und Pro-Neuen Rechten in der New York Times, Bari Weiss, die darüber im Mai 2018 in der New York Times schrieb. Mittlerweile ist Weiss nicht mehr bei der New York Times, aber ihre Agitation für mehr traditionelle Werte und mehr Konservativismus ging viral.

Sie fand es irgendwie super prickelnd, dass Rubin auch den Antisemiten und Verschwörungsmythologen Alex Jones, der die Seite „Infowars“ betreibt und dort schon mit Trump sprach, in seine Show einlud. Da kann Weiss noch so viele Bücher gegen Antisemitismus schreiben, mit solchen Texten wie in der NYTimes hat sie dem Judenhass und der Neuen Rechten massiv Vorschub gegeben, da Irrationalismus und Verschwörungswahn essentielle Ingredienzen sind für den Antisemitismus. Dave Rubin ist wie Weiss auch jüdisch, das heißt also gar nichts – Irrationalismus und obsessiver Hass auf Linke hat damit nichts zu tun. Kritik am Sexismus und herkömmlichen Familienmodellen und namentlich Kritik am Natalismus sind Feindbilder der Neuen Rechten, die in Quillette eines ihrer Flaggschiffe hat. Bari Weiss hat ihnen den Mainstream geöffnet via der New York Times.

Warum gehe ich so ausführlich auf die Pro-Neo-Nazi Webseite Quillette ein, auf jene super turbo spannenden, ach so weltoffenen Neuen Rechten und das „intellektuelle Dark Web“, also einen Tummelplatz für Autorinnen und Autoren, die den Schlägern der Proud Boys ‚intellektuelle‘ Legitimation verschaffen?

5) Der Fall Kathleen Hayes

Nun, auf Quillette, einer Seite, man kann es nicht oft genug betonen, wo die American Nazi Party als arme „Konservative“ aufgeführt werden, die von Twitter gesperrt wurden, publiziert am 19. Mai 2022 eben jene Fathom-Autorin Kathleen Hayes einen Anti-Gender Artikel. Jene Hayes, die jetzt Mitte September 2022 in London bei dem neuen Antisemitismusforschungs-ThinkTank um den „Linken“ David Hirsh  auftreten wird und die im Juli 2022 vom liberalen, linken oder linksliberalen Magazin Fathom mit den gleichen Anti-Gender-Thesen publiziert wurde.

Im Mai 2022 schreibt Hayes den Text „Gender Ideology’s True Believers. I spent 25 years in a cultish political sect. Trans activists are giving me déjà vu“ für das neu-rechte Magazin Quillette. Erst danach, im Juli 2022, kommt ihr ähnlicher, längerer Text auf Fathom, die also wussten, dass sie für das rechtsextreme Journal Quillette schreibt. Sie verlinkt in ihrem Quillette Text von Mai 2022 einen weiteren Text von ihr im Fathom Journal von Juli 2021, wo sie mit ihrer links-antisemitischen trotzkistischen Vergangenheit, die von 1987 bis 2016 dauerte, abrechnet.

Hayes betont in ihrem autobiographischen Text in Fathom 2021, dass in ihrer trotzkistischen Splitterpartei zwei Gruppen besonders verhasst waren: Feministinnen und Zionisten. Den Hass auf Gender-Theorien hat sie locker in die heutige Zeit übernommen. Das Problem, das Kathleen Hayes – wie viele Rechtsextremen, Neue Rechte und FamilienideologInnen weltweit – mit Judith Butler hat ist nicht primär ihr Antizionismus, sondern das sind deren Gendertheorien. Dass es in der Tat ein biologisches und ein soziales Geschlecht gibt, wie Butler in ihrem wegweisenden Buch „Gender Trouble“ von 1990 analysierte, das wird hier in Abrede gestellt oder lächerlich gemacht. Demnach kommen wir nicht als Mädchen oder Jungen zur Welt, sondern werden vor allem durch Sozialisation zu solchen gemacht, ohne das biologische Geschlecht zu verleugnen. Damit lehnte sich Butler an Simone de Beauvoir an, wie der Deutschlandfunk erinnert:

Dass diese vermeintlich natürliche Ordnung weder so natürlich noch so ordentlich ist wie behauptet, hat die US-amerikanische Philosophin Judith Butler prominent herausgearbeitet: Ihr Buch ‚Gender Trouble‘ ist inzwischen ein Klassiker der Gender-Forschung. Vor genau 30 Jahren erschien es in den USA, nur ein Jahr später auf Deutsch unter dem Titel ‚Das Unbehagen der Geschlechter‘.

Darin setzt sich Butler mit Simone de Beauvoirs Werk ‚Das andere Geschlecht‘ auseinander, vor allem mit einer berühmten These: ‚Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.‘

Was es bedeutet, ‚Mann‘ oder ‚Frau‘ zu sein, sei nicht durch unseren Körper vorbestimmt (‚sex‘), sondern unterliege gesellschaftlichen Vorstellungen und Normen, die wir erst erlernen, erläutert Tatjana Schönwälder, Philosophin an der LMU:

‚Welche Bedeutung der Körper kriegt und wie Menschen sich dann fühlen, wenn sie diesen Körper haben und wie sie sich benehmen – das ist das Gender, das soziale Geschlecht.‘

Dass Judith Butler seither, vor allem nach der zweiten Intifada seit Herbst 2000, nach dem 11. September 2001 und der Gründung der anti-israelischen Boykottbewegung BDS im Jahr 2005 eine fürchterliche jüdisch-antizionistische Position in Anlehnung an Hannah Arendt einnimmt, steht auf einem anderen Blatt. Butlers Kritik an sexistischen Zuschreibungen und patriarchalen Mustern war und ist jedoch wegweisend. Nicht so für Kathleen Hayes, die neben ein paar schmierigen Lippenbekenntnissen, dass Transen irgendwie schon auch Menschen seien, die Transbewegung primär als „Kult“ beschreibt. Das erinnere sie an ihre eigene autoritäre Kult-Vergangenheit als antisemitische und antifeministische Trotzkistin. Was für eine Anti-Gender-Ideologie sie gerade bei Quillette, aber weit darüber hinaus, bedient, das erwähnt Hayes nicht. Sie erwähnt die Milliardärin und Harry Potter Romanautorin J.K. Rowling, die sich auch als TERF geoutet hat und Teil der „Gender Critical Feminists“ in UK ist[45] und für Ihre Anti-Transsexuellen Positionen schon Morddrohungen erhielt. Solche Drohungen und Gewalttaten sind schrecklich. Was Hayes aber nicht sagt, ist die Tatsache, wer sehr häufig tatsächlich wegen seinem Geschlecht ermordet wird. Neben Frauen, die von ihren Männern oder Lovern ermordet werden, sind Transsexuelle im Jahr 2021 so häufig ermordet worden, wie noch nie seitdem das statistisch erfasst wird.

Doch Hayes schreibt eben wie die AfD oder die Neue Rechten schreiben, wenn sie in Quillette formuliert:

Gender ideology is drilled into children from a young age at school; media, charities, and public institutions echo the line; critics are hounded and dismissed.

Wenn das die Ideologie von David Hirsh und seinem super tollen neuen London Centre for the Study of Contemporary Antisemitism sein soll, da ja Kathleen Hayes, die diesen neu-rechten Müll publiziert hat, auf seiner Inaugurationskonferenz Mitte September 2022 sprechen soll, dann ist da kein Unterschied zum organisierten Rechtsextremismus und der Neuen Rechten.

Es geht dann eben bei Hayes nicht mehr um konkrete Probleme, die auch von Männern, die sich  ans Transsexuelle begreifen, sehr wohl ausgehen können, vom Benutzen von Frauen-Toiletten bis hin zu Agitation in den a-sozialen Netzwerken oder auf der Straße, die sehr wohl von Pro- und anti-Transleuten befeuert werden. Nein, hier geht es Hayes um die „Genderideologie“ ganz generell und diese Sprache ist eine neu-rechte. Sie fantasiert, dass Kinder von jungen Jahren an mit der „Gender-Ideologie“ indoktriniert würden. Das ist Achgut- und AfD-Ideologie, in den USA wird das vom Trumpismus intoniert und in England von den entsprechenden antilinken und Anti-Gender Kreisen, wozu offenbar auch das pro-israelische Magazin Fathom gehört.

In aktuellen wissenschaftlichen Texten zur Kritik der Neuen Rechten und ihrer Beziehung zu Kapitalismus und Neoliberalismus geht es um die Ideologie des „Intellectual Dark Web“ und seinen weiten Kreisen von YouTubern mit Hunderttausenden oder Millionen Followern und neu-rechte Netzwerke unterschiedlichster Art. Der britische Politologe Alan Finlayson kritisiert die Neuen Rechte, das Intellectual Dark Web und analysiert:

A range of ideological currents – conservatism, nationalism, ethnonationalism, libertarianism – share a critique of the liberal state which gives to it a cultural and intellectual rather than economic class character. That critique emphasises the linguistic and discursive power of ‘new class’ intellectuals, exercised through institutions of culture, communication and legal regulation, oppressing or victimising those with contrary cultural, political and ethical orientations. Today this analysis is the basis of a broad-based systematic challenge to the technocratic politics of third-way neoliberalism and globalisation. The new class is the common enemy, under a variety of names: ‘the establishment’, ‘the swamp’, ‘the blob’, ‘the cathedral’. Because followers can characterise members of these groups variously as bureaucrats, intellectuals, civil servants, climate scientists, gender theorists, feminists, public sector workers, journalists, screenwriters, specific ethnic groups and so on, this antagonism sustains an otherwise unlikely alliance of Trump supporters, online ‘Men Going Their Own Way’, Christian Identity militias, radical libertarians, ethno-nationalists, anti-feminists, American paleoconservatives, ‘race realists’, anti-Muslims, anti-communists.[46]

Demnach agitiert die Neue Rechte gegen eine „neue Klasse“, die von den „Kulturmarxisten“ dominiert werde. Das erinnert an die Propaganda aus dem Springer-Konzern wie von Don Alphonso.[47] Finlayson schreibt:

That class is figured as the ‘Cultural Marxist’. This label for a range of perspectives in social and political theory predates the internet. Its origins lie in paleo-conservative writing from where it has developed into a conspiracy theory, holding that acolytes of the Frankfurt School are enacting a plan to undermine America by promoting feminism and anti-racism (Jamin, 2014). Online the idea has taken on new life (Richardson, 2015; Manavis, 2019), becoming shorthand for the argument that claims to racial or gender equality are a spurious invention of those with a sinister hidden ‘agenda’ (Peterson, 2017; Murray, 2019). The Cultural Marxist is a jargonising guru mesmerising impressionable students, exploiting them financially while covertly and calculatedly destroying Western culture by encouraging immigration. The idea has been taken up by Members of Parliament and circulated in magazines such as The Spectator (Walker, 2019). (…) [T]he figure is central to a political rhetoric which has emerged from the fusion of offline and online reactionary spaces, the inhabitants of which see themselves as involved in a war for hearts and minds, teaching others to see the invisible left-hand behind events, and to learn how to protect themselves by becoming part of the cultural, intellectual and moral resistance. Jordan Peterson, for instance, advises school students to leave their classes if teachers begin discussing diversity, inclusivity or equity, to video it and post it to YouTube (Peterson, 2018). Such awareness and resistance are most powerfully conveyed through the rhetoric of ‘the red pill’.[48]

Sehr treffend geht Finlayson auf Foucaults Kritik des „unternehmerischen Subjekts“ ein, das exakt zur Herrschaft des Neoliberalismus und der Neuen Rechten passt. Ich würde ergänzen, gerade gegen eher typische Guardian-Autoren wie Finlayson, dass die Coronapandemie zeigte, wie die atomisierten Menschen zu den vorgeblichen Rettern ihrer selbst gemacht wurden: Panik induziertes sich selbst Maskieren, Isolieren und „Absondern“ (ein Nazi-Wort, da lesen sich Direktiven der Exekutive exakt wie aus dem Jahr 1933 oder 1938).

Nicht mehr der Staat ist verantwortlich für ein funktionierendes Gesundheitssystem, das systematisch seit Jahrzehnten aufgrund von Profitgeilheit der Politik wie auch der Krankenkassen und Krankenhausgesellschaften kaputt gespart wurde, sondern die Einzelnen sind verantwortlich, nicht krank zu werden! Bei einer Infektionskrankheit wo kein Mensch – kein Mensch! – wissen kann, wo man sich wie ansteckt. Also werden wahlweise alle eingesperrt (2020) oder die Impf-Apartheid exekutiert (2021/22) und seit April 2020 alle Menschen gezwungen, sich zu maskieren – im öffentlichen Nah- und Fernverkehr gilt diese Regelung in Europa seit dem Frühjahr 2022 nur noch in Deutschland. Welche desaströsen Auswirkungen die medizinisch irrationale Maskierung in Krankenhäusern und Altenheimen hat, ist nicht abzuschätzen – Zehntausende Insassen bzw. Patient*innen werden deshalb früher gestorben oder überhaupt gestorben sein, weil man als Mensch ohne Empathie nicht leben kann, also ohne andere Menschen zu sehen und zu spüren. Doch diese Kollateraltoten wurden von der Politik, den Medien und der Gesellschaft gerne produziert.

Unterm Strich jedenfalls hat Schweden in den Jahren 2020 und 2021 gerade ohne jeden Lockdown und ohne jede Maskenpflicht weniger als halb so viel Übersterblichkeit als das post-nationalsozialistische und weiterhin totalitäre Deutschland, so eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO.[49]

Ein weiterer Text zur Kritik der Neuen Rechten beschäftigt sich exklusiv mit dem hier kritisierten Intellectual Dark Web Flaggschiff Quillette und resümiert:

In its political and socioeconomic dimensions, Quillette might therefore be said to further destabilize contemporary and long-held dichotomies between liberal democracy and far-right politics, variously engaging both with tenets of liberalism and exhibiting far-right and neo-fascist elements. Some Quillette writers’ various embrace of neoliberalism, along with their excuse or promotion of racism, radical traditionalism, and affirmation of pseudo-scientific hierarchies, demonstrate Landa’s observation that, far from representing liberalism’s primary antagonist, fascism can variously serve to reinforce the supremacist, elitist, and exclusivist premises of the (neo)liberal order. Liberal democracies, as demonstrated so dramatically in the 2020 US presidential election, can also provide for the emergence of far-right violence.[50]

6) Hoffnung: Der Zionismus von Gad Granach

Die Pro-Israel-Szene hingegen wird seit vielen Jahren vor allem von konservativen und neuen Rechten dominiert. Ein Exemplar ist der neokonservative englische Bestseller-Autor und Anti-Einwanderungs-Aktivist Douglas Murray, dessen Bücher wie eines über „Der seltsame Tod Europas. Einwanderung, Identität und Islam“ gerne vom extrem rechten ungarischen Präsidenten Victor Orbán gelesen werden, der ein Bild dieses Buches, wie er die ungarische Ausgabe liest, auf Facebook postete.[51] Auf ihrem neuen Twitter-Account bewirbt Kathleen Hayes am 20. Juli 2022 Douglas Murray und ist ganz begeistert von ihm, ebenso preist sie am 28. Juli 2022 die Londoner Konferenz zu Antisemitismus im September 2022 an, wo sie wie gezeigt nicht nur Teilnehmerin, sondern Rednerin sein wird, wie sie euphorisch betont.[52]

Am Beispiel von Daniel Pipes vom Middle East Forum aus Philadelphia, dem Pro-Israel Aktivisten und ehemaligen Mitarbeiter in der Regierung Donald Trump, Kenneth S. Marcus sowie am Beispiel des Publizisten Henryk M. Broder habe ich diese neu-rechten Tendenzen in der Pro-Israel-Szene in den letzten Jahren exemplarisch dargestellt und kritisiert.[53] Ich habe das auch selbst erlebt, als ich wegen meiner linken Kritik am Rechtsextremismus und Sexismus von Trump mit einstimmigem Vorstands-Beschluss von dem Verein und der Nichtregierungsorganisation (NGO) Scholars for Peace in the Middle East, die ich 2007 selbst mitgegründet hatte in Berlin, 2017 ausgeschlossen wurde, was mir eine Ehre ist. Mit solchen Menschen möchte ich nichts mehr zu tun haben.

Israel hat Besseres verdient als die Unterstützung durch Neue Rechte und von Leuten, die bis vor wenigen Jahren selbst jahrzehntelang antisemitisch aktiv waren – jahrzehntelang wie Kathleen Hayes – und heute gegen Gendertheorien agitieren und auf Seiten publizieren, die die American Nazi Party als vom bösen Twitter ausgesperrte „Konservative“ tätschelt. Nichts gegen Resozialisierung – aber so hasserfüllt wie Kathleen Hayes gegen die „Gender-Ideologie“ agitiert, sollte sie vielleicht besser erstmal einige Jahre in sich gehen, bevor sie sich als pro-israelische Aktivistin und Autorin aufspielt, die doch primär Ressentiments gegen Transsexuelle hat. Andererseits hat sie natürlich Recht, sie findet ähnliche, der Neuen Rechten ideologisch freundlich gesinnten Agitator*innen in der selbst ernannten Pro-Israel-Szene.

Was für eine Welt ist das? Was für eine Pro-Israel-Szene trifft sich da in London im September 2022? Passt sie nicht zu einem heutigen Israel, wo ein Rechtsextremer, religiöser Fanatiker und anti-palästinensischer Hetzer wie Itamar Ben Gvir sich anschickt Anfang November bei den nächsten Wahlen zur Knesset mit der Partei „Religious Zionism“ bis zu 13 Sitze zu bekommen und zur drittstärksten Fraktion zu werden? Ein Ben Gvir der als 19jähriger 1995 gegen Ministerpräsident Rabin agitierte, dessen Dienstwagen beschädigte und warnte, dass es jetzt auch bald gegen Rabin persönlich gehe – und wenige Wochen später wurde Rabin ermordet? Darüber berichtet die Times of Israel in einem langen kritischen Feature über Ben Gvir.

Die Anti-Gender Hetze in Quillette passt leider exakt zu solchen Agitatoren wie Ben Gvir.

Was waren das für schöne Zeiten, als noch Zionisten wie Gad Granach über ihr Leben in Israel schrieben:

Ich bin sowieso der Meinung, man sollte diese sogenannten ‚Siedler‘ austrocknen lassen, einfach ignorieren, sie weder unterstützen noch beschützen. (…)

Das wäre ein kurzer Prozeß, wenn man die ‚Siedler‘ auf der Westbank einfach sich selbst überließe (…). Im übrigen: Was heißt  überhaupt ‚Siedler‘? Haben die je etwas für das Land getan, auf dem sie ‚siedeln‘? Die haben doch noch keinen einzigen Strauch gepflanzt. Vorgestern waren sie noch in Brooklyn, heute wollen sie mir erklären, was Zionismus ist. Ich habe 1936 auf arabischem Boden gesiedelt, den wir den Arabern abgekauft hatten, aber wir haben ihn bearbeitet, und wir haben tatsächlich  gebaut. Avodah Jehudi, jüdische Arbeit, war damals ganz groß geschrieben, und das war auch richtig so. Uns hat kein Araber die Häuser gebaut, wie das heute üblich ist. Da gibt es doch die Geschichte von dem Israeli, der Schabbes mit seinem Sohn durch die Straßen spaziert. Er sagt: ‚Siehst du, das Haus dort, das hab ich noch gebaut. Und hier die Straße, die hab ich auch gebaut, als ich jung war. Und da drüben die Wasserleitungen hab ich verlegt‘. Da sagt der kleine Sohn erstaunt zu seinem Vater. ‚Als du jung warst, warst du da ein Araber?‘[54]

 

Das neue London Centre for the Study of Contemporary Antisemitism um David Hirsh hat sicher die sehr wichtige Intention, dem heutigen zumal antizionistischen Antisemitismus Paroli zu bieten. Doch mit seinem inflationären Gerede von Antisemitismus bezüglich russischen Tweets, die nur wiedergeben, wie menschenverachtend eben auch die Ukraine Zivilist*innen als Schutzschilde im Krieg benutzt und dieser offizielle russische Tweet sich damit auf Mainstream-Presseberichte bezieht, die faktenbasiert Papiere der Vereinten Nationen oder Amnesty International wiedergeben, macht sich Hirsh völlig unglaubwürdig als Antisemitismusforscher.

Insbesondere durch die Einladung an Kathleen Hayes als Rednerin auf dieser Konferenz, die beim Pro-Neo-Nazi-„Intellectual Dark Web“-Magazin Quillette publiziert, das die American Nazi Party als „Konservative“, die vom bösen Twitter blockiert wurden, präsentiert und Anti-Antifa-Texte publiziert, die von Neonazis als Vorlage für Aufrufe zu Gewalt genommen werden, macht sich Hirsh unglaubwürdig als kritischer Forscher.

Schließlich ist der angekündigte Vortrag von Hayes, der auf ihren beiden Artikeln auf Quillette sowie Fathom basiert, Ausdruck eines zunehmen transphoben Klimas in UK. Ihre perfide Aussage, dass Menschen, die das biologische Geschlecht nicht als gegeben annehmen würden, sicher auch offen wären, die Wahrheit über den Holocaust zu negieren, ist ungeheuerlich und transphob. Auch hier handelt es sich um einen inflationären Gebrauch des Antisemitismusvorwurfs. Solche Personen werden vom London Centre for the Study of Contemporary Antisemitism eingeladen, aber zum ukrainischen Antisemitismus und Straßenbenennungen nach Tätern im Holocaust und antisemitischen Vorbereitern der Shoah in der Ukraine ist kein Wort zu hören. Und das spricht Bände.

Die Kritik am Antisemitismus auch in London wird links und antifaschistisch[55] sein, oder sie wird nicht sein.

 

[1] Clemens Heni/Thomas Weidauer (2012): Ein Super-GAUck. Politische Kultur im neuen Deutschland, Berlin: Edition Critic, darin Clemens Heni (2012a): Die Abwehr der Erinnerung an den Holocaust und die komparatistische Obsession, in ebd., S. 7–42. Einer der Beiträger in diesem Sammelband ist der Holocausthistoriker, Publizist und Professor für Yiddish Dovid Katz aus Vilnius in Litauen. Er hat sich seit vielen Jahren als Kritiker Putins und des Putinismus gezeigt. Zum Krieg in der Ukraine schreibt er unter anderem im März 2022: „What is the upshot? That just as elsewhere in pro-Western Eastern Europe, a small but disproportionately powerful coterie of far-right pseudo-patriotic history rewriters, among them highly educated and sophisticated historians, politicians and state apparatchiks, all Holocaust revisionists in their passion to have as national heroes Hitler collaborators, have done so much harm to their own countries. It’s enough to peruse Defending History’s sections on Croatia, EstoniaHungary, Latvia, Lithuania, Ukraine, and more (see Countries). Incidentally, the motivation of these small, overly influential elites is (mis)guided by two forms of racism: inability to concede their nations’ leaders acted wrongfully during the Holocaust (what country’s history has no dark spots?), and the demented desire for a (supposedly) ethnically pure country (in other words, quiet satisfaction with the results of accomplished ethnic purification).

Each time a ‘Bandera Street’ is inaugurated in Ukraine, glorifying the World War II fascist, whose hordes murdered hundreds of thousands of Jews and Poles of all ages and both genders on an ethnic basis (i.e. genocide), Ukraine and its prestige are dealt an unfair and undeserved blow”, Dovid Katz (2022): Ottawa Citizen & N.Y. Times Break Media Silence on Self-Damage of Eastern NATO/EU Democracies by Public-Space Adoration of Holocaust Collaborators, 20. März 2022, https://defendinghistory.com/ottawa-citizen-n-y-times-break-media-silence-on-self-damage-of-eastern-nato-eu-democracies-by-public-space-adoration-of-holocaust-collaboratorsce-on-self-damage-of-eastern-nato-eu-democracies-by-pu/109618.

[2] Efraim Zuroff (2022): 5 EU countries that shouldn’t be throwing stones. Accusing Russia of rewriting the Holocaust for its current propaganda is fair – but not when you’ve always whitewashed the Holocaust for your own purposes, 27. Juli 2022, The Times of Israel (Blogs), https://blogs.timesofisrael.com/5-eu-countries-that-shouldnt-be-throwing-stones/.

[3] „Israeli lawmakers outraged after Zelensky compares Ukraine war to Holocaust“, 20. März 2022, https://www.ynetnews.com/article/hjn3nxbf5; „Zelensky compares Kremlin’s actions to Nazi ‘final solution’ in Knesset speech“, 21. März 2022, https://www.jewishnews.co.uk/zelensky-compares-kremlins-actions-to-nazi-final-solution-in-knesset-speech/: „Ukrainian President Volodymyr Zelensky has been criticised by some Israeli politicians after delivering a speech to the Knesset in which he compared the actions of the Kremlin with the Nazi ‘final solution’. In a 12 minute-long speech, in which he referenced the ‘people of Israel’ several times, Zelensky also drew flack after saying: ‘Ukrainians made their choice 80 years ago, we saved Jews, and there are among us righteous gentiles.’ After Sunday’s speech – the latest in a series of pleas made by Zelensky to politicians across the globe including the UK’s parliament – one Likud MK Yuval Steinitz said the president’s message ‘borders on Holocaust denial.’”

[4] https://www.memoryandconscience.eu/.

[5] Clemens Heni (2010): Against the equation of National Socialism and Communism – Fight the Prague Declaration, Handout, 15. März 2010, Text online am 21. März 2010, https://www.clemensheni.net/against-the-equation-of-national-socialism-and-communism-fight-the-prague-declaration/.

[6] https://victimsofcommunism.org/.

[7] https://www.uni-passau.de/internationales/ukrainehilfe/vortragsreihe/.

[8] „Judith Heitkamp: Eine Definition des Begriffs Vernichtungskrieg besagt, dass in einem solchen Krieg ‚alle physisch-psychischen Begrenzungen aufgehoben sind‘. Wenn man die Nachrichten über die russische Kriegsführung verfolgt, muss man dann von einem Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine sprechen?

Herfried Münkler: Ich glaube schon, dass man das tun kann. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die üblichen kriegsvölkerrechtlichen Einschränkungen und Begrenzungen, die im späten 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelt worden sind, in diesem Krieg eine relevante Position einnehmen. Im Prinzip handelt es sich um ein verselbstständigtes militärisches Agieren, bei dem angenommene militärische Erfordernisse dominieren und die kriegsrechtlichen Beschränkungen in den Hintergrund treten“, „Herfried Münkler über Kriegsführung in der Ukraine. Warum Russland einen Vernichtungskrieg führt“, 14.04.2022, https://www.br.de/kultur/gesellschaft/interview-herfried-muenkler-ukraine-russland-vernichtungskrieg-mariupol-kriegsverbrechen-100.html.

Im Zweiten Weltkrieg seit dem 1. September 1939 und im Vernichtungskrieg der Deutschen und der Wehrmacht 1941–1944 wurden sechs Millionen Juden und 27 Millionen Sowjets ermordet, Tausende Dörfer komplett ausgelöscht und Juden wie auch sowjetische Kommissare gezielt ermordet, Hannes Heer/Klaus Naumann (1995): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg: Hamburger Edition. Nichts auch nur annähernd Vergleichbares passiert seit dem 24. Februar 2022 in der Ukraine. Selbst die Neonazis der Asow-Brigaden, die sich wochenlang in einem Stahlwerk in Mariupol verschanzt hatten, wurden nicht etwa mit Flächenbombardements ermordet, sondern ergaben sich schließlich der russischen Armee und den pro-russischen Einheiten vor Ort. Kein Vernichtungskrieg nirgends. Krieg ist schrecklich genug! Das Wort „Vernichtungskrieg“ hat ausschließlich eine propagandistische und NS-verharmlosende Funktion. Der Historiker Hubert Brieden sagte zu Münkler in einer Sendung für Radio Flora aus Hannover: „Münkler, Massenmedien, Politikerinnen und Politiker behaupten, beim Krieg Russlands gegen die Ukraine handle es ich um einen Vernichtungskrieg. Die Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, begründete die deutschen Waffenlieferungen an die ukrainische Regierung wenige Tage nach Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine mit einem angeblich von der russischen Regierung geplanten ‚Vernichtungskrieg‘ in der Ukraine. Zu diesem Zeitpunkt meldete die ukrainische Regierung 352 getötete Zivilisten. Im Vernichtungskrieg Deutschlands kamen in der Sowjetunion mindestens 27.000.000 Menschen ums Leben, davon 14.000.000 Zivilistinnen und Zivilisten. Fester Bestandteil dieses Vernichtungskrieges war die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Im weiteren Verlauf des Krieges Russlands gegen die Ukraine ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass Russland aus rassistischen Gründen systematisch die ukrainische Bevölkerung oder Teile davon ausrotten wolle. Es ist ein Krieg mit Bomben- und Raketenangriffen, Straßen- und Häuserkämpfen und demzufolge Zerstörungen und Toten – das ist schlimm genug – ein Krieg wie im Irak, im Jemen, in Afghanistan, in Syrien usw. aber es ist kein Vernichtungskrieg. Die Assoziation mit dem Völkermordprogramm der Nazis dient der Rechtfertigung von Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet und eines seit 1945 nicht dagewesenen Aufrüstungsprogramms. Diese Art der Kriegspropaganda funktioniert nach dem gleichen Muster wie die Auschwitz-Lüge des Josef Fischer im Krieg gegen Jugoslawien. Auch der inzwischen abberufene ukrainische Botschafter Andrij Melnyk wurde nicht müde vom Vernichtungskrieg Russlands zu reden. Gleichzeitig verharmloste er die Beteiligung ukrainischer Nationalisten unter der Führung von Stepan Bandera am Holocaust. Circa 1,6 Millionen Juden wurden von den Deutschen und ihren einheimischen Verbündeten auf dem Gebiet der heutigen Ukraine ermordet. Melnik, seit Januar 2015 ukrainischer Botschafter in Deutschland, legte kurz nach seinem Amtsantritt Blumen am Grab eines der Hauptverantwortlichen für den Massenmord an Juden und Polen in der Ukraine nieder. Seine Verharmlosung Banderas führte 2022 zu Protesten der israelischen und der polnischen Botschaften und schließlich zu seiner Abberufung“, Hubert Brieden (2022): “ … wow, wir stehen nicht nur auf den Schultern von Joschka Fischer, sondern auch auf denen unserer Großväter.“ Deutsche Kriegspropaganda: Verharmlosung des NS-Vernichtungskrieges und des Holocaust, Radio Flora, 18.07.2022, https://radioflora.de/wow-wir-stehen-nicht-nur-auf-den-schultern-von-joschka-fischer-sondern-auch-auf-denen-unserer-grossvaeter-deutsche-kriegspropaganda-verharmlosung-des-ns-vernichtungskrieges-und-des-holo/.

[9] Das Netzwerk „Erinnerung + Zukunft in Hannover e.V.“ zeigt das inflationäre Gerede von „Völkermord“ ganz exemplarisch, wenn es Ende März 2022 in einem Newsletter schreibt: „Hier bei uns zeigen sich viele verstört und fassungslos ob der Tatsache, dass der russische Machthaber seinen vielfachen Ankündigungen und Taten der letzten Jahre, die einstige russisch-sowjetische Großmacht wiederherstellen zu wollen, nun weitere militärisch aggressive Aktionen folgen ließ. Fassungslos darüber, dass eine mafiös agierende, machtbesessene Nomenklatura unter der Führung eines mit Mord, Totschlag und Völkermord regierenden Tschekisten eine Jahre dauernde Selbstsuggestion zunichtemacht.“ Putin ist ein autokratischer, antiliberaler und brutaler Herrscher, aber er hat keinen Völkermord verbrochen. Von was fabulieren hier diese Netzwerkler in Hannover? Welcher Völkermord?

[10] https://de-de.facebook.com/lars.rensmann (Stand 08. August 2022). Besonders infam sind einige Ex-Autor*innen der einzigen linken Publikumszeitschrift in diesem Land – Konkret – wie Lars Quadfasel (der heißt wirklich so), Tom Uhlig, Alex Feuerherdt, Ramona Ambs, Elke Wittich, Olaf Kistenmacher, Marit Hofmann, Leo Fischer, Jan Süselbeck, Elke Wittich, Lothar Galow-Bergemann und andere – https://kontrast-mittel.org/2022/06/30/warum-wir-nicht-mehr-fur-konkret-schreiben/ –, die jetzt nicht mehr für Konkret schreiben wollen, weil Konkret kein Mitglied der NATO und der ‚westlichen Wertegemeinschaft‘ werden möchte – dabei setzen die pseudolinken Agitator*innen rechtsextreme Journale wie Compact mit Konkret in Bezug auf den russischen Ukraine-Krieg auf eine Stufe: „Für uns, Autorinnen und Autoren von Konkret, ist mit dem redaktionellen Kurs zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine rote Linie überschritten. Wir wollen und können nicht weiter in einer Zeitschrift publizieren, die sich in dieser Frage in die Nachbarschaft der AfD, des völkischen Flügels der Linkspartei oder Jürgen Elsässers Compact, von Henry Kissinger, Klaus von Dohnanyi oder den Lobbyverbänden der deutschen Industrie begibt.“ Die deutsche Industrie, by the way, jauchzt ob der 100 Milliarden, die Scholz & Co. für die Bundeswehr ausgeben wollen angesichts der historischen Möglichkeit endlich wieder Russen töten zu können, wenn auch indirekt via ukrainischen Soldaten, die aber deutsche Panzer, Haubitzen und anderes Mordswerkzeug benutzen sollen, anstatt dass die Politik Diplomatie und Geschick einsetzte. Genauso perfide agiert auch eine online Postille mit dem Namen „Kritiknetz“ um den ehemaligen Dozenten an der FH Bielefeld Heinz Gess, auch er setzt Compact und Konkret in eine Linie: Heinz Gess (2022): Stinkender Misthaufen? Zur Querfront in Putins Krieg, in: Kritiknetz – Zeitschrift für Kritische Theorie der Gesellschaft, https://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Gess_Misthaufen.pdf. Die Redaktion der Konkret hatte sich bereits am 24. Februar, dem Tag des Beginns des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, klar gegen Putin und den Krieg positioniert: „Weder hegt konkret Verständnis für Moskaus machtpolitische Ambitionen und den russischen Vorstoß, die ‚Wladimir-Iljitsch-Lenin-Ukraine‘ (Wladimir Putin) zu zerschlagen, noch ist von dieser Zeitschrift ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Weltordnung des Westens zu erwarten, der seine große Liebe zum Frieden immer dann entdeckt, wenn er selbst gerade keinen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat.“ Weiter heißt es in einer „Langfassung“ einer Erklärung (die in Heft 8/22 als Kurzfassung kam) auf der Konkret-Homepage: „Die Diskussion wird im kommenden Heft fortgeführt – unter anderem mit einem Beitrag über die Entwicklung der russischen Außenpolitik in den vergangenen 20 Jahren und zur Frage, wie und wann aus dem um Annäherung an den Westen bemühten Wladimir Putin ein chauvinistischer Kriegsherr geworden ist. (…) 3. Warum aber haben, obwohl sie dazu eingeladen waren, die Verfasser des Boykottaufrufs sich an der Diskussion in konkret nicht (mehr) beteiligt? Sie geben auf diese Frage zwei Antworten – eine unwahre und eine kindische. Die unwahre: ‚Seiner (Lars Quadfasels) Ansicht nach gab es zuletzt immer weniger Platz für Kontroversen und Austausch. Für den März-Titel habe Quadfasel selbst noch einen Kritikbeitrag zum Thema geschrieben. Danach soll das nicht mehr möglich gewesen sein‘, hieß es auf der Twitter-Seite des NDR-Medienmagazins ‚Zapp‘ im Kontext eines Interviews, das ‚Zapp‘ dort mit Quadfasel geführt hatte. konkret hat wegen dieser offensichtlichen Unwahrheit (bis einschließlich des Mai-Heftes hat Quadfasel Beiträge zum Ukraine-Krieg in konkret veröffentlicht) gegen den NDR eine Unterlassungserklärung erwirkt; der Sender hat die Passage aus dem Netz genommen. (…) Zum Schluss auch das noch: Die konkret-Boykotteure haben die Homepage, auf der sie ihre ‚Erklärung‘ veröffentlichten (kontrast-mittel.org), unter ein Motto gestellt: ‚Kontrastmittel sind Arzneimittel, die nicht der Heilung oder Linderung von Krankheiten dienen, sondern bei der Krankheitserkennung helfen.‘ Die metaphorische Verwendung des Begriffs ‚Krankheit‘ zur Etikettierung missliebiger (politischer) Meinungen, mithin die Pathologisierung des politischen Gegners, ist faschistische Redeweise“, Editorial Heft 8/22, Langfassung, https://www.konkret-magazin.de/727-editorial-heft-8-22-langfassung.

[11] Zu all diesen Aspekten siehe das Ende Juli 2022 erschienene Buch Gerald Grüneklee/Clemens Heni/Peter Nowak (2022): Nie wieder Krieg ohne uns… Deutschland und die Ukraine, Berlin: Edition Critic.

[12] „Goldsmiths asks student union to begin antisemitism probe over Jewish lecturer slurs“, 19. Mai 2022, https://www.jewishnews.co.uk/university-opens-anitisemitism-probe-as-jewish-academic-called-far-right-supremacist/.

[13] https://mobile.twitter.com/DavidHirsh.

[14] „Amnesty International wirft Ukraine Völkerrechtsbruch vor. Die Unterbringung von Truppen in Wohngebieten habe die Zivilbevölkerung gefährdet, heißt es. Russische Medien instrumentalisieren den Bericht ihrerseits“, 05. August 2022, https://www.derstandard.de/story/2000138043310/amnesty-international-wirft-ukraine-voelkerrechtsbruch-vor.

[15] „Hamas‘ use of human shields is a war crime“, 13. Mai 2021, https://torontosun.com/opinion/columnists/teich-hamas-use-of-human-shields-is-a-war-crime.

[16] „Bericht zu Pflegeheim-Angriff : Tote Zivilisten: UN machen Ukraine Vorwürfe“, 09. Juli 2022, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kriegsverbrechen-zivilisten-un-bericht-ukraine-krieg-russland-100.html.

[17] „Putin sorry for Lavrov’s claim Hitler was part Jewish – Israel PM“, 05. Mai 2022, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-61339749.

[18] „OHCHR is concerned that in the course of hostilities, both Russian armed forces and affiliated armed groups as well as Ukrainian armed forces took up positions either in residential areas or near civilian objects, from where they launched military operations without taking measures for the protection of civilians present, as required under IHL.16 OHCHR is further concerned by reports of the use of human shields, which involves seeking to use the presence or movement of the civilian population or individual civilians to render certain points or areas immune from military operations. The use of human shields is specifically prohibited by article 28 of Geneva Convention IV and article 51(7) of additional protocol I”, 29. Juni 2022, https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/countries/ua/2022-06-29/2022-06-UkraineArmedAttack-EN.pdf.

[19] https://mobile.twitter.com/centre_as.

[20] https://londonantisemitism.com/about/.

[21] „‘The authors of The Black Book of Communism are part of a welcome change in the moral-philosophical landscape in Paris, and one hopes elsewhere, as a result of which liberal and left-of-center intellectuals, scholars and politicians judge the crimes of communist regimes with the same severity they’ve applied to those of Nazism and fascism.’—Jeffrey Herf, The Washington Post Book World”, so der Blurb von Herf für das Buch auf der Seite des Verlags, Harvard University Press, https://www.hup.harvard.edu/catalog.php?content=reviews&isbn=9780674076082. Zur Kritik siehe Jens Mecklenburg/Wolfgang Wippermann (Hg.) (1998): Roter Holocaust? Kritik des Schwarzbuch des Kommunismus, Hamburg: Konkret Literatur Verlag.

[22] Clemens Heni (2021): Antisemitismus im Zeitalter von Corona (BICSA Working Paper, Januar 2021 – Jubiläum, 10 Jahre BICSA), 31. Januar 2021, http://www.bicsa.org/allgemein/antisemitismus-im-zeitalter-von-corona-bicsa-working-paper-januar-2021-jubilaeum-10-jahre-bicsa/.

[23] https://londonantisemitism.com/conference-21st-century-antisemitism/.

[24] „KEY 01 – Opening Ceremony – World Health Summit 2021“, https://www.youtube.com/watch?v=OJFKBritLlc. Dazu auch Clemens Heni (2021a): Corona-Panikorchester in großen Nöten: ARD-Faktenfinder – “Gentherapie” – Ivermectin – Spotify – Onchozerkose, 02. Februar 2022, https://www.clemensheni.net/corona-panikorchester-in-grossen-noeten-ard-faktenfinder-gentherapie-ivermectin-spotify-onchozerkose/.

[25] Clemens Heni (2021b): Jenseits der Agitation im Tagesspiegel: Antisemitismus als einigendes Band? #allesdichtmachen, die CDU (Maaßen) und die “Schwarmintelligenz” der BASIS, 12. Mai 2021, https://www.clemensheni.net/jenseits-der-agitation-im-tagesspiegel-antisemitismus-als-einigendes-band-die-cdu-maassen/.

[26] „Schwerer Vorwurf an Horst Seehofer (CSU): Politische Vereinnahmung von Forscher:innen in Geheimdokument?“, 09. Februar 2021, https://www.fr.de/wissen/schwerer-vorwurf-an-horst-seehofer-csu-politische-vereinnahmung-von-forscherinnen-in-geheimdokument-90197291.html; „Wie bekommen wir Corona in den Griff?“ Internes Papier aus Innenministerium empfahl, den Deutschen Corona-Angst zu machen“, 11. April 2020, https://www.focus.de/politik/deutschland/aus-dem-innenministerium-wie-sag-ichs-den-leuten-internes-papier-empfiehlt-den-deutschen-angst-zu-machen_id_11851227.html.

[27] „Lockdown policy ‚madness:‘ Israeli scientist tells i24NEWS“, 31. Dezember 2020, https://www.i24news.tv/en/news/coronavirus/1609424065-lockdown-policy-madness-israeli-scientist-tells-i24news; Clemens Heni (2021c): Hope is in the air: the Israeli ‘Common Sense Model’ for Corona in context, 02. Januar 2021, The Times of Israel (Blogs), https://blogs.timesofisrael.com/hope-is-in-the-air-the-israeli-common-sense-model-for-corona-in-context/.

[28] Clemens Heni (2020): Yes, we can: Celebrate the End of Trump, 08. November 2020, The Times of Israel (Blogs), https://blogs.timesofisrael.com/yes-we-can-celebrate-the-end-of-trump/.

[29] https://fathomjournal.org/about-us/.

[30] Robert S. Wistrich hat folgende Bücher zum Thema Linke und Antisemitismus publiziert: Revolutionary Jews from Marx to Trotsky (1976); Trotsky: Fate of a Revolutionary (1979); Socialism and the Jews: The Dilemmas of Assimilation in Germany and Austria-Hungary (1982); From Ambivalence to Betrayal. The Left, the Jews and Israel (2012).

[31] Wolfgang Hildesheimer (1967): Denken auf eigene Gefahr. Ein Offener Brief an Peter Weiss über den Nahost-Konflikt, Die Zeit, 28. Juli 1967, http://www.zeit.de/1967/30/denken-auf-eigene-gefahr (13.08.2017); Ders. (1999): Briefe. Herausgegeben von Silvia Hildesheimer und Dietmar Pleyer, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Zu Hildesheimers Kritik an Peter Weiss siehe Clemens Heni (2018): Der Komplex Antisemitismus. Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch: deutsch, Berlin: Edition Critic, S. 649–658. Dort zitierte ich auch Postkarten, die sich Adorno und Hildesheimer im August 1967 schrieben, die erste kam von Adorno, wo sich der kritische Theoretiker bei Hildesheimer für dessen Kritik in der ZEIT am Antizionismus von Peter Weiss herzlich bedankte, ebd., S. 654.

[32] Jean Améry (1976): Der neue Antisemitismus, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 15. Jg., Heft 59, S. 7010–7014.

[33] Henryk M. Broder (1980): Danke schön. Bis hierher und nicht weiter. Mit Beiträgen von Detlef Hartmann, Ulrich Klug, Uwe Maeffert, Ulrich Vultejus, Hamburg: Konkret Literatur Verlag; Ders. [1980]/(1982): Zur Demokratie angetreten – ein Volk macht Dienst nach Vorschrift, in: Lea Fleischmann (1982), Dies ist nicht mein Land. Eine Jüdin verläßt die Bundesrepublik. Mit einem Nachwort von Henryk M. Broder, 4. Auflage, Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag, S. 251–272; Ders. (1986): Der Ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls, Frankfurt am Main: Fischer.

[34]We don’t like your love-song. Kritik des Antizionismus der Revolutionären Zellen – und anderer Linker heute“, Januar 2001, ein Scan der Broschüre ist hier abrufbar: https://clemensheni.net/wp-content/uploads/We-don-t-like-your-love-song-linker-Antisemitismus.pdf.

[35] Anthony Julius (2010): Trials of the Diaspora. A History of Anti-Semitism in England, Oxford/New York: Oxford University Press.

[36] Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970–2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum, S. 87f. [zgl. Diss. Uni Innsbruck, Juli 2006].

[37] Hauke Brunkhorst (1987): Der Intellektuelle im Land der Mandarine, Frankfurt a. M. (Suhrkamp; edition suhrkamp). Mittlerweile ist Brunkhorst zu einem irrationalen ZeroCovid-Professor mutiert, was ich hier dokumentiere: Clemens Heni (2021d): Das Untier wird politisch – “zwei Epidemien”: “Corona und Coronarr”. Ulrich Horstmann attackiert den Coronawahnsinn, 23. Juli 2021, https://www.clemensheni.net/das-untier-wird-politisch-zwei-epidemien-corona-und-coronarr-ulrich-horstmann-attackiert-den-coronawahnsinn/.

[38] Brunkhorst 1987, S. 2.

[39] Ebd., S. 77.

[40] Ebd., S. 10.

[41] Milosz Matuschek (2019): Voltaires Erben 2.0 oder Warum das Intellectual Dark Web so sehr fasziniert. Intellektuelle Nonkonformisten um Dave Rubin und Joe Rogan haben eine alte Tugend neu entdeckt: Endlosgespräche mit furchtlosen Zeitgenossen über kontroverse Themen, Thesen und Trends zu führen. Live und ungeschnitten, also unverfälscht. Das neue Format kommt an, NZZ, 16.52019, https://www.nzz.ch/feuilleton/intellectual-dark-web-wieso-voltaires-erben-faszinieren-ld.1481641. Die Offenheit gegenüber der Neuen Rechten oder auch linken Verschwörungsmythen ist typisch für einen Aufruf von Matuschek mit seinem Kollegen, dem YouTuber (WAS für ein Wort und was für ein Geschäftsmodell) Gunnar Kaiser, „Appell für freie Debattenräume“, wo dann Dutzende Leute unterschrieben haben, die häufig in den Mainstreammedien, im Fernsehen oder Radio und auf Veranstaltungen auftauchen, unter den Erstunterzeichner*innen sind zudem auch Verschwörungsideologen zu 9/11 wie Mathias Bröckers, https://idw-europe.org/; https://idw-europe.org/liste-der-unterzeichner/. Siehe zu Bröckers Ivo Bozic (2011): Mossad, wer sonst? Verschwörungstheorien zu den Anschlägen finden immer größeren Zulauf. Je absurder, desto beliebter, 05. September 2011, Jüdische Allgemeine, https://www.juedische-allgemeine.de/politik/der-mossad-wer-sonst/:

„Die Verschwörungstheoretiker sind dabei nicht allein auf obskure esoterische Verlage, wie dem beim Thema 11. September besonders ambitionierten Kopp-Verlag, angewiesen, sie veröffentlichen ihre Schmöker auch in renommierten Häusern wie Piper, Westend und Knaur. Und sie schaffen es immer wieder auf die Bestsellerlisten, auch, weil etwa das Buch von Mathias Bröckers im deutschen Feuilleton und von Fernsehmagazinen wie ‚Titel, Thesen, Temperamente‘ (ARD) hochgejubelt wird. Verschwörungstheorien zum 11. September sind nicht nur ein Phänomen linker und rechter Amerika-Feinde und Antisemiten, sondern haben sich fest in der Mitte der Gesellschaft etabliert. Umso gefährlicher sind sie.“

[42] Siehe hierzu die informative Seite https://rationalwiki.org/wiki/Quillette. Das Kulturmagazin „Perlentaucher“ findet offenbar die neu-rechte Agitation von Quillette auch eher als „Perlen“ und berichtet begeistert, dass es schon oft aus Quillette zitiert habe, https://www.perlentaucher.de/9punkt/2018-11-13.html?highlight=Quillette#a69378, 13.11.2018: „Ideen. Amelia Lester erzählt in politico.com, was es mit dem ‚Intellectual Dark Web‘ (IDW) auf sich hat, einem losen Zusammenschluss von Intellektuellen und Silicon-Valley-Unternehmern, die sich gegen linke Identitätspolitik wenden und für sich in Anspruch nehmen, Werte der Aufklärung zu verfechten. Ihr Lieblingsmagazin ist Quillette (aus dem auch der Perlentaucher schon häufiger zitierte), das von der Redakteurin Claire Lehmann betrieben wird: Dies Magazin ‚hat zeitweise schon einen massiven Widerhall aus sozialen Medien bekommen. Seine Autoren wurden alle mögliche Namen an den Kopf geworfen, von ‚Clown‘ bis ‚Kryptofaschist‘. Aber zu den Fans der Seite gehören der Pop-Psychologe Jordan Peterson, der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, die Psychologieprofessoren Steven Pinker aus Harvard und Jonathan Haidt von der New York University und Kolumnisten wie David Brooks, Meghan Daum und Andrew Sullivan.‘“

[43] Eoin Lenihan (2019): It’s Not Your Imagination: The Journalists Writing About Antifa Are Often Their Cheerleaders, 29. Mai 2019, https://web.archive.org/web/20190529172934/https://quillette.com/2019/05/29/its-not-your-imagination-the-journalists-writing-about-antifa-are-often-their-cheerleaders/. Lenihan hat auch ein Video eines Protest-Spaziergangs von Coronapolitik-Kritiker*innen in Ulm im Februar 2022 auf YouTube gepostet – „Spaziergang/Demonstration Ulm, Germany – 25.2.22“, https://www.youtube.com/watch?v=ZopHQQXuKqs; solange sich diese Szene nicht von Rechtsextremisten oder Neuen Rechten aller Art distanziert, passiert so etwas immer wieder, wobei natürlich bei einer öffentlichen Demonstration oder Kundgebung immer Menschen mit dabei sein können, die, wenn sie nicht gerade so bekannt sind wie Jürgen Elsässer oder Horst Mahler etc., unerkannt mitlaufen und danach die Aktion für sich vereinnahmen können.

[44] „The day after it was published, the article made its way to notorious white supremacist forum Stormfront, and I soon found out what was meant by ‘further study.’ A few weeks after Lenihan had his big day out at Quillette, I got a message from a friend warning me about a weird video that had just popped up on YouTube. As the Columbia Journalism Review describes, the video showed ‘imagery of mass shooters intercut with images of the reporters mentioned by Lenihan under the heading ‘Sunset the Media.’ ’ My face was there, next to those of a dozen other writers, activists, and friends”, Kim Kelly (2019): Quillette’s “Antifa Journalists” List Could’ve Gotten Me Killed. What a harassment campaign reveals about a darling journal of the intellectual dark web, 14. Juni 2019, https://newrepublic.com/article/154205/quillettes-antifa-journalists-list-couldve-gotten-killed; Jared Holt (2019: Right-wing publications launder an anti-journalist smear campaign, 12. Juni 2019, https://www.cjr.org/analysis/quillette-antifa-journalist-smear-campaign.php. Ein äquidistant sich vorstellender, aber de facto die Neue Rechte, Quillette und Lenihans Hetze in Schutz nehmender Artikel von Cathy Young (2019): Antifa, Quillette, and Media Bias. Who got smeared?, 03. Juli 2019, https://medium.com/arc-digital/antifa-quillette-and-media-bias-a6fa7652d38a musste eine Woche später in einem Update einräumen, dass die Autorin Eoin Lenihan verharmlost hatte, es ihr aber weiter um den „Extremismus der Antifa“ gehe, den sie verurteile.

[45] Zur wissenschaftlichen Analyse und Kritik von Rowling und des aktuellen transphoben Diskurses unter linken und liberalen Feministinnen siehe eine Magisterarbeit an der FU Berlin im Fach Soziologie von Dezember 2021: Braedyn Ezra Simon (2021): „IT ISN’T HATE TO SPEAK THE TRUTH”: ANTI-TRANS (GENDER) POLITICS IN THE UK AND THE DEVELOPMENT OF THE GENDER CRITICAL FEMINIST MOVEMENT. A critical look into the colonial remnants of gender discourse, 02. Dezember 2021, https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/32780.

[46] Alan Finlayson (2021): Neoliberalism, the Alt-Right and the Intellectual Dark Web, Theory Culture Society, Special Issue „Post-Neoliberalism?“, S. 1–24, hier S. 11.

[47] Clemens Heni (2020a): Die geistigen Brüder des Neonazis in Hanau: AfD, Merkelhasser, Don Alphonsos Agitation gegen „Kulturmarxismus“, 20. Februar 2020, https://www.clemensheni.net/die-geistigen-brueder-des-neonazis-in-hanau-afd-merkelhasser-don-alphonsos-agitation-gegen-kulturmarxismus/.

[48] Finlayson 2021, S. 12.

[49] WHO (2022): „Global excess deaths associated with COVID-19 (modelled estimates)“, 05. Mai 2022 (Update), https://www.who.int/data/sets/global-excess-deaths-associated-with-covid-19-modelled-estimates.

[50] Imogen Richards/Callum Jones (2022): Quillette, Classical Liberalism, and the International New Right, in: A. James McAdams/Alejandro Castrillon (Hg.), Contemporary Far-Right Thinkers and the Future of Liberal Democracy, London/New York: Routledge, S. 121–148, hier S. 145. In dem Text charakterisieren die beiden Autoren Nietzsche in typisch vulgär-marxistischer Tradition und entgegen der Empirie als antiaufklärerisch und rechts. Dagegen war Nietzsche ein Antideutscher und Freund der Juden. Imogen Richards hat zudem einen wissenschaftlich fragwürdigen und der Empirie ebenso wenig wie seine falsche Charakterisierung Nietzsches standhaltenden Text zu Neoliberalismus und der Corona-Zeit geschrieben, wo er namentlich Schweden faktisch falsch darstellt und schlecht redet, Imogen Richards (2022a): Neoliberalism, COVID-19 and conspiracy: pandemic management strategies and the far-right social turn, Justice, Power and Resistance • vol 5 • no 1-2 • 109–126, hier S. 114. Dass Schweden gerade wegen seiner liberaleren, epidemiologisch sinnvolleren Politik weniger als halb so viel Übersterblichkeit hat wie Deutschland, ein Kernland des ZeroCovid-Wahnsinns, das steht in diesem Text natürlich nicht.

[51] Murtaza Hussain (2018): The Far Right Is Obsessed With a Book About Muslims Destroying Europe. Here’s What It Gets Wrong. Rather than declaring the continent “dead,” it might be worth considering that every generation faces unique challenges, 25. Dezember 2018, https://theintercept.com/2018/12/25/strange-death-of-europe-douglas-murray-review/.

[52] https://mobile.twitter.com/renegade_kathy.

[53] Clemens Heni (2017): Jews should stop supporting the Alt-Right and the enemies of the Jewish people, The Times of Israel (Blogs), 18. November 2017, https://blogs.timesofisrael.com/jews-should-stop-supporting-the-alt-right-and-the-enemies-of-the-jewish-people/; Clemens Heni (2018): Kenneth L. Marcus’ Oxymoron: Trump and Civil Rights, 12. März 2018, The Times of Israel (Blogs), https://blogs.timesofisrael.com/kenneth-l-marcus-oxymoron-trump-and-civil-rights/; Clemens Heni (2019): “Please give me some latkes before you kill me”: Jews and neo-Nazis in Germany, 11. Februar 2019, https://www.clemensheni.net/please-give-me-some-latkes-before-you-kill-me-jews-and-neo-nazis-in-germany/.

[54] Gad Granach (1997)/19985: Heimat los ! Aus dem Leben eines jüdischen Emigranten. Aufgezeichnet von Hilde Recher, Augsburg: Ölbaum Verlag, S. 147–149.

[55] In Zeiten der Coronapandemie und des pandemic turn hat sich die Antifa-Bewegung in der BRD als besonders aggressiv, irrational und totalitär gezeigt – Slogans wie „wir impfen euch alle“ zeugen von deren Gewaltbereitschaft. Ob international, in Australien, den USA, UK, Frankreich etc. die Antifa-Bewegung ähnlich irrational und gewaltbereit agierte, wäre eine nähere Untersuchung wert; Clemens Heni (2021e): “Wir impfen euch alle!” – Berliner Antifa zeigt ihr wahres Gesicht – ECHTE Antifas sind entsetzt, 14. März 2021, https://www.clemensheni.net/wir-impfen-euch-alle-berliner-antifa-zeigt-ihr-wahres-gesicht-echte-antifas-sind-entsetzt/.

 

Schwanengesang der Israelsolidarität, „sekundärer Analphabetismus“ oder Kritik am „linearen Denken“ von Corona über die Ukraine bis zu Israel?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 04. Juni 2022

Der Literaturwissenschaftler und Publizist Hans Mayer (1907-2001) fand das Spiel „Reise nach Jerusalem“, das fast jedes Kind irgendwann mal spielte, einigermaßen bedenklich. Einer Gruppe von zum Beispiel 10 Kindern oder auch Jugendlichen sowie Erwachsenen stehen nur neun Stühle gegenüber. Man läuft im Kreis und auf ein Signalwort oder einen Ton muss jede und jeder einen Stuhl finden. Logisch bleibt eine Person übrig. Jede Runde wird so der Kreis kleiner. Ganz am Ende gibt es noch zwei Leute und einen Stuhl, einer gewinnt. Aber der Gewinner oder die Gewinnerin ist – alleine.

Wir kommen auf Hans Mayer zurück. Alleine waren auch fast alle Menschen während der Coronamassenpanik, die gezielt von Horst Seehofer und nahezu allen europäischen und sonstigen Regierungen geschürt worden war („Panikpapier“). Die Menschen wurden isoliert, gerade die 86-jährigen Altersheimbewohner*innen, gegen ihren Willen, ob sie nun Angst hatten vor einem ganz normalen respiratorischen Virus oder nicht. Menschen wurden in ihre Wohnungen gesperrt obwohl jeder Mediziner und jede Epidemiologin weiß, dass enge Räume bei Infektionskrankheiten ungünstige Räumlichkeiten sind. Niemand durfte in Cafés, Restaurants, Veranstaltungsorte gehen, alles war geschlossen, auch die Schulen und Kitas, die Bibliotheken, die Theater, die Hallenbäder, alles. Der Wahnsinn war an Irrationalismus und medizinischem Irrsinn nicht zu überbieten. Woran lag es? Am „linearen Denken“? Kann man gewisse strukturelle Ähnlichkeiten im Umgang mit der Corona-Krise und der aktuellen Ukraine-Krise sowie dem israelisch-palästinensischen Konflikt und der Israelsolidaritäts-Szene erkennen? Kann man für Israel und gegen Antisemitismus sein, ohne dem „linearen“ oder autoritären Denken zu huldigen?

Laut einem aktuellen WHO Bericht hat es in Schweden, wo es nie einen Lockdown gab, die Restaurants, Cafés, Schulen, Geschäfte und Firmen immer geöffnet waren, weniger als halb so viel Übersterblichkeit während der ganzen Coronakrise gegeben als im turbo Panikland Deutschland. Ohne jede Maskenpflicht und ohne jede Diskussion über eine Impfpflicht hat Schweden weniger Tote zu beklagen als Deutschland, und zwar enorm viel weniger Tote.

Mit einer scharfen Kritik wendet sich der Mediziner, Professor und ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e.V. (GQMG) Matthias Schrappe gegen „das neue lineare Denken“, das „top-down“-Denken, das autoritäre, demokratiefeindliche Denken, das seit Corona die neue lingua franca in Deutschland und in fast allen Ländern Europas geworden ist. Schrappe ist bekanntlich mit seiner „Autorengruppe“ seit April 2020 einer der führenden Kritiker der Coronapolitik von Merkel und Spahn bis Scholz und Lauterbach und zumal der Medien und der Gesellschaft insgesamt. Schrappe sieht erschreckende Analogien der Coronapolitik und des aktuellen Ukraine-Diskurses.

Das „lineare Denken“, das hierarchische, ja in Teilen geradezu manichäische Denken setzt sich aktuell in der so nie dagewesenen Agitation für mehr Krieg, mehr Waffen im Lager der angeblichen Pro-Ukraine-Fans verschärft fort.

Warum wurden von den Medien wie den unerträglichen Talkshows, ihren Moderator*innen und Gästen, die sich ja gerade in Coronazeiten als quasi Regierungspolitiker*innen verstanden und Merkel oder Scholz apportierten nur, was Sonntag Nacht (oder Montag, Dienstag etc.) in den Leitmedien im Fernsehen so gebrabbelt wurde, nie, zu keinem Zeitpunkt, genau so viele – oder überhaupt welche! – Kritiker*innen der Coronapolitik in eine Sendung eingeladen, wie unreflektierte Vertreter*innen der Regierungspolitik?

Es war schon viel, wenn einer von fünf Diskutant*innen eine leicht abweichende Meinung hatte, was sehr selten vorkam. Aber drei kritische Gäste und nur zwei de facto Regierungsvertreter*innen plus die ohnehin auf Regierungskurs befindlichen Moderator*innen – das war in Coronazeiten undenkbar. Und es ist beim Krieg Russlands gegen die Ukraine auch undenkbar. Es wird nicht diskutiert, sondern agitiert. Dieses Ungleichgewicht bei den Einladungen zu diesen für die Demokratie schädlichen Talkshows attackiert Schrappe frontal. Heute ist es doch so: De facto schadet jede Waffenlieferung der Ukraine, weil sie den Krieg gegen eine Weltmacht wie Russland nie gewinnen kann – es gibt keinen Sieg gegen eine Atommacht. Es muss um Diplomatie und Verhandlungen gehen, um eine politische Lösung.

Sicher wird die am rechten populistischen Rand der Linkspartei befindliche Sahra Wagenknecht als Alibi regelmäßig in diese Shows eingeladen, sie hat sowohl zu Corona als auch zur Ukraine abweichende Meinungen. Aber niemals kam es vor und niemals wird es in Zukunft vorkommen, nach all dem was wir seit März 2020 erlebt haben, dass drei Gäste eine kritische Position haben und sich womöglich gegenseitig ergänzen oder bestärken könnten, und nur zwei Gäste plus Moderator*in vertreten wieder die Regierungslinie (Pro-Lockdown, Pro-Impfen, oder mehr Waffen für die Ukraine, Russland „ruinieren“ etc.).

All das, was eine vielfältige, moderne Gesellschaft im 21. Jahrhundert ausmacht, „Ambiguität“, all das, was in so dermaßen marginalen Fragen wie dem Geschlecht Mainstream ist, das wurde bei den Freiheitsrechten der gesamten Gesellschaft einfach über Bord geworfen. Keine Reflektion, kein Innehalten, keine evidenzbasierte Diskussion, kein lokales Handeln, sondern autoritäres, hierarchisches 19. Jahrhundert prasselte auf die Menschen herab. Gnadenlos. Schulschließungen ohne jede empirische Prüfung, was das bringen soll, Lockdown, ohne zu analysieren, dass sich die Menschen dann noch viel eher anstecken, eng zusammengedrängt zu Hause, dann Maskenzwang und sinnloses Massentesten bis heute, ohne jede medizinische Evidenz. Dazu dann vor allem in Deutschland und Österreich die Impf-Apartheid, 2G, wo doch alle wissen, die es wissen wollen, dass bei Corona jeder geimpfte wenigstens so ansteckend sein kann wie jeder ungeimpfte Mensch.

Schrappe schreibt am 17. Mai 2022 im Cicero:

In dieser Situation kam „Corona“. Im Jahr 1992 war das Bundesgesundheitsamt in ‚Robert-Koch-Institut‘ umbenannt worden, eine Hommage an den großen Forscher, aber auch ein Rückgriff, so muss man heute erkennen, auf die Strukturvorstellungen des 19. Jahrhunderts. Denn was ist (nicht) geschehen? Erste Corona-Fälle bei Webasto in München – wer war vor Ort? Cluster in Heinsberg – hat jemand 100 Leute vom RKI vor Ort gesehen, die die wichtigen Fragen bearbeitet haben (Übertragungswege, Sterblichkeit …)? Die ersten Cluster in Altersheimen in Wolfsburg und Würzburg – war jemand aus Berlin dort und hat mit modernen Konzepten der Epidemiekontrolle ausgeholfen?

Wir kennen die Antwort. 1150 Mitarbeiter, knapp die Hälfte davon Akademiker, blieben auf ihren Sesseln sitzen, sammelten Meldedaten, von denen alle Fachleute wussten, dass sie nichts taugten (außer den Meldeeifer widerzuspiegeln), veröffentlichten Appelle (und änderten sie nächtens), steigerten die Bedrohungsszenarien, statt sich kompetenter Krisenkommunikation zu bemüßigen, waren nicht in der Lage, eine Epidemie als komplexes System zu begreifen und entsprechend zu handeln.

Sehr treffend wendet Schrappe seine multiperspektivische, demokratische und heterogene Analyse einer Gesellschaft in einer Krise auch auf den erschreckenden Ukraine-Diskurs an:

Allerdings ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass sich diese Neigung zu einfachen Lösungen verstetigt und uns noch beschäftigen wird, wenn die Corona-Pandemie längst in ihre endemischen Ebenen abgetaucht ist. Das wichtigste Indiz ist das Umgehen mit der Ukraine-Krise. (…) Wenn laut Umfragen die Hälfte der Bevölkerung pazifistische Überlegungen (partiell) teilt, warum sind nicht auch die Hälfte der Talkshow-Teilnehmer aus diesem Lager? Woher der aggressive Ton der Befürworter von Waffenlieferungen gegenüber den Beteiligten von Unterschriftensammlungen, die zu mehr Vorsicht und Umsicht aufrufen?

Und das betrifft nun leider auch einen meiner Hauptarbeitsbereiche, den Nahostkonflikt und die Situation in der Pro-Israel-Szene in Deutschland und Österreich bzw. dem Westen. Auch hier gibt es seit langer Zeit einen sehr autoritären Top-down-Mechanismus. Es wird nur auf die großen Entwicklungen und Tendenzen geschaut, ohne sich detailliert mit konkreten Schritten hin zu einem Frieden und einer Zweistaatenlösung zu befassen. Das erreichte seinen negativen Höhepunkt während der US-Präsidentschaft von Donald Trump. Er setzte Zahlungen an die Palästinenser im Gazastreifen aus, ohne sich mit den konkreten Konsequenzen für die Palästinenser und auch für die Israelis zu befassen. War Trumps Präsidentschaft in dieser Hinsicht gar ein verspäteter marxistischer Einsatz, der die schon immer absurde Verelendungstheorie in Anschlag bringen wollte?

Jedenfalls gibt es sehr interessante kritische, zionistische Projekte, die ein solches Top-down-Handeln in Frage stellen. Nehmen wie die NGO Israel Policy Forum aus Washington, D.C. Das 1993 im Zuge der nahöstlichen Entspannungspolitik von Yitzhak Rabin gegründete Israel Policy Forum sieht sich seitdem als Anwalt eines jüdischen und demokratischen Staates Israel und eines Staates Palästina, Seite an Seite von Israel, wie es seit 1937 angedacht und 1947 auch von der UN beschlossen worden war („UN-Teilungsplan“). Bekanntlich lehnten die Araber bzw. die Palästinenser jeden dieser Pläne kategorisch ab. Bis heute. Sie wollten und wollen bis heute das ganze Land, „from the river to the sea“, wie es die antisemitische BDS-Bewegung auf den Straßen Berlins, Frankfurts, Hamburgs, Wiens oder New Yorks, Londons, Bostons etc. hinausschreit.

Und in der Antisemitismusforschung gibt es viel zu viele, die darin, in der BDS-Bewegung, gerade keinen Antisemitismus zu erkennen vermögen oder ihren eigenen Antizionismus nach Auschwitz mit einem Koscherstempel versehen, so sie Juden sind oder aber ganz super ausgebildete Antisemitismusforscher*innen.

Diese offenkundigen Tendenzen des antizionistischen Antisemitismus, der jedwede Existenz eines jüdischen und demokratischen Staates Israel ablehnt, verführte schon vor der 2005 gegründeten BDS-Bewegung viele aus der Israel-Solidarität dazu, selbst nicht so ganz genau hinzuschauen. Dabei war doch die Ermordung Rabins 1995 durch einen fanatisch religiösen, die Thora vorgeblich studierenden, rechtsextremen israelischen Juden das Fanal schlechthin für eine Abkehr von jeglicher Friedenslösung auch von israelischer Seite. Es kamen zwar schätzungsweise eine Million Israelis zu seiner Beerdigung nach Jerusalem, wie der Literaturwissenschaftler Hans Mayer 1997 in seinem Suhrkamp-Band „Reise nach Jerusalem“ festhält. (S. 25) Das „Schalom Chawer“, das Bill Clinton auf der Beerdigung von Rabin sprach, wie Mayer, der selbst vor Ort war, erinnert, das war auch eine Erinnerung an die Arbeiterbewegung, den Sozialismus der allermeisten Chaluzim, der jungen jüdisch-zionistischen Einwander*innen nach Israel seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung des Staates Israel 1948. Zionismus war fast synonym mit Sozialismus, so Mayer. (S. 122)

Die israelische Regierung gab jetzt bekannt, dass sie an dem seit Jahren umstrittenen „E 1“-Projekt festhält und es im Juli 2022 eine letztmalige Prüfung vom Verteidigungsministerium bezüglich Vorbehalten geben soll. Es geht um den Bau von mehr als 3400 Wohneinheiten. 2012 sollte das Projekt bereits unter dem damaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu starten, doch internationale Proteste verhinderten das. So war es auch im Januar 2022, als das Projekt bzw. die letztgültige Entscheidung auch wegen Protestes aus den USA verschoben wurde. E 1 heißt „East 1“, es geht um ein strategisch zentrales Gebiet östlich von Ost-Jerusalem. Genau liegt E1 auf einem Gebiet von ca. 12km2, westlich der 50.000 Einwohner*innen jüdischen Siedlung Ma’ale Adumin. Viele werden den Weg kennen, wer sich nach einem Blick vom Mount Scopus vergewissert hat, dass das Tote Meer noch da ist, fährt auf der Route 1 an der Siedlung, die rechts davon liegt, vorbei durch die Westbank bis man dann unten im Tal, an Eseln und Kamelen vorbei auf die Route 90 trifft, die parallel zum Toten Meer verläuft und auf locker 400 Meter unterm Meeresspiegel kommt man dann beim „Mineral Beach“ an, der allerdings jedes Jahr sich weiter entfernt vom Meer bzw. das Meer von ihm.

Das Projekt E1 würde ein palästinensisches Staatsgebiet noch komplizierter machen. Palästinenser müssten auf dem Weg von Ramallah nach Bethlehem einen großen Umweg machen. Sicher, auch in der Gegend von Tel Aviv ist das Staatsgebiet Israels sehr schmal, ca. 15km bis zur Westbank und den palästinensischen Gebieten. Aber es ist politisch desaströs jetzt und überhaupt das Projekt E1 zu planen.

Die RAND Corporation hat im Jahr 2021 in der 187-seitigen Studie „alternatives in the israeli-palestinian conflict„, an der Israel Policy Forums Shira Efron mitgewirkt hat, untersucht, wie die Chancen auf eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts stehen. Dabei haben die Autor*innen in 33 Diskussionsgruppen mit über 270 jüdischen Israelis, arabischen Israelis und Palästinenser*innen in der Westbank und im Gazastreifen jeweils in dreistündigen Seminaren die politische Zukunft des israelisch-palästinensischen Konflikts diskutiert.

Bis auf drei exklusiv männliche Gruppen mit Ultraorthodoxen waren es gleichmäßig nach Geschlechtern gemischte Gruppen. Die qualitative Sozialforschung dieses Projekts ist ziemlich interessant. Die Studie stellte die aktuell fünf in Frage stehenden Optionen den Diskutant*innen vor:

1) Beibehaltung des Status Quo

2) Zweistaaten-Lösung

3) Eine Konföderation

4) Einstaaten-Lösung

5) Annexion der palästinensischen Gebiete durch Israel.

Keine der fünf Alternativen bekam von den arabischen Israelis und den Palästinensern eine mehrheitliche Zustimmung, lediglich die jüdischen Israelis plädierten mehrheitlich für eine Beibehaltung des Status Quo – was natürlich völlig unbefriedigend ist:

For Israeli Jews, the only alternative judged as “acceptable” by a majority of focus group participants was the status quo. For the other three populations—Israeli Arabs, Gazan Palestinians, and West Bank Palestinians—none of the alternatives were acceptable to a majority of participants. (…)

The two-state solution was the preferred alternative for both the Israeli Arabs and West Bank Palestinians and the second-highest-rated alternative for Israeli Jews and Gazan Palestinians. None of the other alternatives had anything close to this breadth of support. (S. 12, PDF)

Die Zustimmung zur Zweitstaatenlösung ist von 70 Prozent vor einigen Jahren auf nur noch gut 50 Prozent gefallen.

In der sozialwissenschaftlichen Forschung werden qualitative Studien sehr wohl ernst genommen, auch wenn im Fokus der Öffentlichkeit meist nur simple „Umfrageergebnisse“ oder „Trends“ stehen. Die Ergebnisse der Studie sind insgesamt ernüchternd, wie die Autor*innen festhalten. Es gibt massive Vorbehalte auf beiden Seiten, niemand traut dem anderen oder lehnt das andere Narrativ vollständig ab (kein Staat Israel, kein Staat Palästina etc.).

In einer Studie des Israel Policy Forums über den Nahostkonflikt, die lustigerweise „The New Normal“ heißt und gerade gar nichts mit Corona zu tun hat, betonen die Autor*innen die Hoffnung, die Biden im Gegensatz zu Trump bringen könnte:

There is some room for optimism, however. The transition to a new American administration means new priorities in Washington. While the Trump administration was happy to bifurcate IsraelArab state and IsraeliPalestinian ties in service of a proannexation agenda, the Biden administration is supportive of a twostate solution.

2020 hatte das Israel Policy Forum 50 Gründe genannt, die geklärt beziehungsweise bearbeitet gehören, bevor es zu einer Lösung oder einem „Deal“ – um die patriarchale betriebswirtschaftliche Sprache Trumps zu verwenden – kommen kann. Dabei gehen sie sehr detailliert auf beide Seiten ein, die Israelis und die Palästinenser. So soll Amerika wieder humanitäre Hilfe für den Gazastreifen freigeben, Gelder, die bereits bewilligt worden waren, aber von Trump eingefroren wurden. Das ist mittlerweile von der Biden-Administration umgesetzt worden.

Dann fordert das 50-Punkte-Papier mehr Trinkwasser sowie Entsalzungsanlagen und auch bessere Elektrizität für den Gazastreifen. Zugleich fordert es, dass die Palästinensische Autonomiebehörde aufhört, Angehörigen von Terroristen und Jihadisten („Märtyrern“) Geld zu geben, ja sie für Mord an Israelis zu belohnen. Das muss aufhören. Eine solche detaillierte Liste, die sowohl Israel als auch die Palästinenser in die Pflicht nimmt, jeweils (!) aktiv für den Frieden sich einzusetzen, wird man in Deutschland oder Österreich in den Pro-Israel-Szenen kaum finden. Denn weiters fordert das Israel Policy Forum, dass die Terrororganisation Hamas auf Gewalt verzichten soll, aber Israel soll sowohl den Palästinensern in der Westbank wie im Gazastreifen mehr Arbeitserlaubnisse erteilen. Israel soll seine Verteidigungsmaßnahmen ausbauen, aber Ost-Jerusalem soll mehr Geld für Infrastruktur- und weitere Projekte bekommen. Die ganzen 50 Punkte kann man sich hier anschauen:

 

 

Der 50-Punkte Plan des Israel Policy Forum sagt, dass ein Aktivieren des E1-Projekts eine „rote Linie“ überschreiten würde, was die USA zum Handeln zwingen sollte:

Some areas of the West Bank are particularly sensitive ones because of their importance in preserving the territorial contiguity of a future Palestinian state. E1, for instance, sits outside of Ma’ale Adumim and contains the Bedouin village of Khal al-Ahmar, which has been slated for demolition and was the scene of protests and violence last week before the Israeli High Court enjoined the government from demolishing it. Building in E1 would separate the northern West Bank (Samaria) from the southern West Bank (Judea), turning what is now a 45 minute journey between Ramallah and Bethlehem into a two hour one, and rendering a future Palestine dependent on a patchwork of tunnels and bypass roads.

Israel should maintain the current status of places like E1 and Givat Hamatos (which would cut off Jerusalem entirely from the southern West Bank), and the U.S. should maintain its long-standing policy that any new Israeli construction in these areas is a redline that cannot be violated without consequences.

Sehr interessant ist der 50. Punkt: „Support separation, oppose annexation“. Hört sich geradezu dialektisch an. Israelis (jüdische und arabische) sollen sich von den Palästinensern weiter separieren, aber gleichzeitig wendet sich das Israel Policy Forum gegen die Annexion des Westjordanlandes. Leider ist gerade Letzteres in Israel voll im Kommen. Das E1 Projekt ist nichts anderes als die Annexion eines sehr zentralen Teils der Westbank. Denn mit dem Projekt E1 und einer direkten Verbindung von Ma’ale Adumin mit Ost-Jerusalem wird die Wahrscheinlichkeit, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas wird, massiv geschmälert.

Ohne eine Teilung Jerusalems wird es nicht gehen. Das sagt die linkszionistische und feministische Politikerin, ehemalige Knesset-Abgeordnete und Publizistin Einat Wilf aus Tel Aviv. Sie ist eine vehemente Verteidigerin Israels und des Zionismus. Sie ist gegen ein palästinensisches Rückkehrrecht, das völlig absurd ist, da es nur noch einige wenige Zehntausend tatsächlich 1948 im Unabhängigkeitskrieg vertriebene Araber bzw. Palästinenser gibt – die sich mit der gesamten arabischen Welt einvernehmlich und aus purem Antisemitismus geweigert hatten, den UN-Teilungsplan anzunehmen -, die damals tatsächlich vertrieben wurden. Doch die Palästinenser und die UN-Flüchtlingsorganisation für sie, die UNRWA, sprechen von ca. 5 Millionen palästinensischen Flüchtlingen, da alle Nachkommen, also Palästinenser, die eigentlich als Franzosen oder Ameriker oder Deutsche 1974 oder 1987 etc. geboren wurden, als „Flüchtlinge“ gelten.

Der Backlash den wir in westlichen Demokratien und anderen Staaten seit vielen Jahren erleben, Trump in Amerika, Bolsonaro in Brasilien, Orbán in Ungarn, das Erstarken oder Erscheinen von extrem rechten Parteien im Parlament wie die AfD, dazu der Brexit in UK, aktuell die Anti-Abtreibungsdebatte am Supreme Court in den USA, antifeministische und reaktionäre Familienideologien allüberall, gerade auch bei jungen Frauen, dazu ein Erstarken der religiösen Parteien und Strömungen wie in Israel: All das hat z.B. die ehemalige und seinerzeit jüngste Knesset-Abgeordnete, die Linke Staff Shavir in ihrer Kritik am Status Quo betont. Sie ist bei der Kampagne #ourfutureIsrael des Israel Policy Forums mit dabei. Bei dieser Kampagne wenden sich „Millenial Zionists against Annexation“. In einem Videobeitrag, wo sie in ihrer Wohnung mit Klavier und Fahrrad mit ihren Kolleg*innen vom Israel Policy Forum spricht, betont sie diese rechten Tendenzen.

 

Ähnlich ist die linke Position der Politologin Einat Wilf. Sie möchte nur einen kleinen Teil Land der Westbank via Gebietsaustausch mit den Palästinensern annektieren (4 Prozent), die anderen Siedler*innen sollten ohne jede israelische Unterstützung bleiben oder eben – warum denn nicht, es leben auch ca. 2 Millionen Araber in Israel! – Bürger*innen des zukünftigen Staates Palästina werden. Doch aktuell ist das sehr weit weg, die Palästinenser müssten lernen, jüdische Bürger*innen zu akzeptieren. Und die Siedler*innen müssten die Palästinenser als Bürger*innen akzeptieren. Da ist viel antirassistische Arbeit vonnöten, die politische Kultur müsste sich hüben wie drüben ganz massiv ändern. Das ist ein langwieriger Prozess, der seit der Ermordung Rabins 1995 in die exakt falsche Richtung abbog.

Doch die Pro-Israel-Aktivist*innen in Deutschland, der Schweiz oder Österreich berichten darüber, über den gefährlichen Nationalismus und Rassismus in Israel kaum. Die innerisraelische bzw. israelisch-amerikanische Debatte wie beim Israel Policy Forum oder auch bei der Times of Israel wird weitgehend ignoriert.

Daher zitiere ich Einat Wilf zu diesem so heftig umstrittenen Fragenkomplex Siedlungen:

If I were tsar of Israel, I would immediately delineate Israel’s final eastern border in the following way: I would annex 4% of the West Bank—the 4% that includes large settlement blocs adjacent to the Green Line that are home to 75% of settlers, including Jewish neighborhoods of East Jerusalem (that is, not Ariel, Ofra, Bet El, nor Hebron). I would declare that this is Israel’s final eastern border and there are no territorial claims beyond it. I would acknowledge that we have a legal right and emotional historical connection to the area, but recognize that a competing collective has a similar claim, and I would renounce our territorial claim to that. East of that border, the military would stay as long as the Palestinians are at war with Zionism and the idea that the Jewish people have a legitimate right to self-determination in the land.

Einat Wilf ist vehement gegen das heutige, „vereinigte“ Jerusalem! Die beiden größten Gruppen in Jerusalem seien die Ultraorthodoxen und die Araber – beide Gruppen lehnen den Zionismus ab. Die wirklich coolen Leute wie Einat Wilf würden Gegenden in Israel bevorzugen, wo weniger gelogen wird – „vereinigtes Jerusalem“ ist wirklich eine Lüge, die meisten Ost-Jerusalemer*innen nehmen ja gar nicht an den Wahlen teil, was wäre, wenn sie es täten, ca. 40 Prozent der Bevölkerung von ca. 900.000?:

There is no more transparent political lie than that of “the united city of Jerusalem.” This statement may reflect the desires of certain Jerusalemites (and of some who don’t bother to live there), but it certainly has no relation to the reality of life. The city was, and remains, divided. Had Israel opted to annex the part of Jerusalem that was under Jordanian occupation between 1949-1967, an area six square kilometers in size, we might have had a unified city today. But the colossal mistake of annexing dozens of villages of the West Bank to create the huge jurisdiction of the Jerusalem municipality as it is today, guaranteed that there would be no “unification” between Jerusalem as it was pre-1967 and these villages.

The desperate efforts to create a façade of unification meant that Jerusalem descended into poverty and neglect. Jerusalem went from being a magnet to a “welfare town” in need of ever-growing assistance just to keep the lie of its failed unification from being exposed. The city got bigger, poorer and uglier, and remained stubbornly divided. Jerusalem today is a symbol and metaphor for a nightmare future for Israel – one in which too much territory is annexed in the name of an ideological lie. Then, partly due to this annexation, the two groups that reject Zionism – the ultra-Orthodox and the Arabs – become the majority, while the creative and productive Zionist forces flee to places where there is more openness and freedom, and less lying.

Ich kenne so viele Gruppen in Israel, den USA oder Deutschland und Europa, die aus sicher guten Motiven heraus für ein geeintes Jerusalem aktiv sind, aber kaum jemand von denen wurde in Jerusalem geboren, so wie Einat Wilf, und kennt die Situation ganz konkret vor Ort. Das heißt gar nicht, dass Wilf nicht auch Jerusalem auf ihre Weise liebt, das Herz der israelischen Demokratie, die Knesset, steht in Jerusalem, ebenso der Oberste Gerichtshof, die israelische Nationalbibliothek, die Hebräische Universität.

Die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem liegt in Jerusalem.

Das Klima in Jerusalem ist durchaus angenehmer als in Tel Aviv oder der Küste, weniger schwül, dafür trocken und heiß, Jerusalem liegt auf ca. 800 Metern Höhe.

Begeistert teilte Gershom Scholem immer wieder mit, er habe seit Anfang Februar jeden Morgen seine geliebten frischen Erdbeeren genießen können. (Mayer 1997, S. 53)

Hans Mayer betont aber auch, dass er niemals auf den Tempelberg gegangen ist, der von den Römern im Jahr 70 zerstört worden war:

Den Tempelberg betrat ich nicht, auch später nicht bei den folgenden Besuchen in Jerusalem. Da gab es ein inneres Widerstreben. Das tut man nicht als Jude. Es bedarf keines ausdrücklichen Verbots. Ich hätte es auch niemals auf dem römischen Forum über mich bringen können, gleichzeitig durch den Triumphbogen des Titus zu spazieren, weil die römischen Bildhauer dort gezeigt hatten, wie man den siebenarmigen Leuchter aus dem zerstörten Tempel abtransportierte. (S. 19)

Bei den Israeli Policy Forum Broschüren, Texten und Kampagnen, bei Staff Shavir, der RAND-Studie zum israelisch-palästinensischen Konflikt oder auch bei den Texten von Einat Wilf oder schon zuvor bei einigen Passagen von Hans Mayer kann man einen Schwanengesang des Linkszionismus hören. Sicher wird Israel überstehen, militärisch ist es jeder Gefahr gewachsen, auch der iranischen. Aber die politische Kultur nimmt seit Jahren enormen Schaden, vom Nationalstaatsgesetz 2018 über die aktuelle Situation wie dem Tod von Abu Akleh und der Polizeigewalt auf ihrer Beerdigung in Jerusalem bis hin zum E1-Projekt in der Westbank.

Es muss weiter darum gehen, für ein zionistisches Israel zu kämpfen, für ein Israel Seite an Seite mit einem Israel akzeptierenden Palästina, damit wir weiterhin die trockene Hitze Jerusalems und die kühle Brise selbst im Sommer am Abend, den Duft des frischen Gebäcks nach dem Schabbes (Samstag Abend) und das wilde Tanzen auf dem Zion Square und seit einigen Jahren sogar eine Tram in Jerusalem – West-Jerusalem – genießen können.

Und doch kommen immer wieder und verschärft „Ausgrenzungs- und Verhetzungsstrategien“ zum Einsatz, wie Schrappe am Beispiel Corona und der Ukraine sagt. Das gilt auch für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Kürzlich gab es in Israel die Diskussion über das Zeigen der palästinensischen Flagge. Dieses Zeigen war ja einer der Gründe, warum die Polizei so dermaßen aggressiv und würdelos auf die Sargträger am Tag der Beerdigung von Abu Akleh losgingen. Daraufhin betonten zionistische, gerade zionistische Publizist*innen, dass es doch absurd ist, wenn Israel überall in Israel seine Fahne zeigen darf – aber nicht in Ramallah oder den palästinensischen Gebieten. Wenn aber Israel eine Demokratie sein möchte, muss es eben dieses Zeigen einer palästinensischen Fahne aushalten, da ja das Ziel für jeden rationalen, im Sinne Israels denkenden Menschen weiterhin und ausschließlich die Zweistaatenlösung ist.

Ähnlich lief es bei der Corona-Krise. Die israelische Regierung reagierte so irrational, panisch und medizinisch nicht evidenzbasiert wie fast überall – und das entgegen den vielfältigen Ratschlägen von israelischen Epidemiolog*innen und anderen medizinischen Fachleuten. So wie in Deutschland die große und differenzierte Expertise von Prof. Matthias Schrappe und seiner Arbeitsgruppe gezielt von der Bundesregierung ignoriert, ja bekämpft wurde – und fast alle Medien machten dabei mit, Ausnahmen wie ZDF-Sendungen oder WELT-Artikel bestätigen nur die Regel -, so wurde in Israel z.B. das „Common Sense“-Modell im Januar 2021 abgelehnt und diffamiert.

Die zitierten „50 facts before the deal“ des Israel Policy Forums sind ein sehr interessanter und wichtiger Beitrag für eine reflexive, kritische, zionistische Israelsolidarität, die ebenso pro-palästinensisch ist.

Die Paradoxie oder geradezu Tragik könnte nun darin bestehen, auch darauf weisen die Autor*innen der zitierten Studien der RAND Corporation wie des Israel Policy Forums hin, dass durch die geradezu „tektonische Verschiebung“ (so Shira Efron) des Verhältnisses der arabischen Welt zu Israel mit der geplanten Aufnahme diplomatischer Beziehungen von den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE), Bahrain und Annäherungen auch an Marokko und andere arabische Staaten durch die „Abraham Verträge“ von 2020 die konkreten Friedenschancen Israels mit Palästina eher geschwunden sind.

Das mag am wachsenden Desinteresse der arabischen und muslimischen Welt (wie der Türkei, die sich Israel auch wieder annähert) an den Palästinensern liegen. Es wäre fatal, wenn die konkreten Vorschläge wie vom Israel Policy Forum, die ja sehr stark auf die amerikanische Israelpolitik zielen, ignoriert oder nur bruchstückhaft umgesetzt würden.

Es ist also mitunter gar nicht so schwer zu definieren, was Antisemitismus in Bezug auf Israel ist und was nicht:

  • es ist antisemitisch, Juden das Recht auf Selbstbestimmung im eigenen Staat Israel zu bestreiten.
  • es ist antisemitisch ein angebliches „Rückkehrrecht“ der Palästinenser zu vertreten, wie es die BDS-Bewegung tut, wobei so gut wie keiner der als „Flüchtling“ Kategorisierten ein Flüchtling ist (sondern syrischer, libanensischer, jordanischer, ägyptischer, deutscher, österreichischer, amerikanischer etc. Staatsbürger, de facto oder de jure).
  • es ist aber nicht antisemitisch, zu fordern, dass Israel einen Großteil der Westbank unverzüglich räumt, z.B. so wie es Einat Wilf vorschlägt – 4 Prozent annektieren und keinen Zentimeter mehr. 96 Prozent gehören den Palästinensern, plus Gaza.
  • es ist ebensowenig antisemitisch auf den Rechtsextremismus und anti-arabischen Rassismus in bestimmten Teilen Israels hinzuweisen, wie wir ihn zuletzt bei den schockierenden Parolen am Jerusalem Tag von extremistischen Juden („Death to Arabs„) im muslimischen Viertel der Altstadt Jerusalems hörten (danach forderten führende Politiker in Israel, die entsprechenden Gruppen als Terrorgruppen zu deklarieren). Die patriarchale Peinlichkeit, dass bei diesem Marsch Zehntausende jüdische Männer ohne Frauen laufen, wird in der vorgeblichen Pro-Israel-Szene auch kaum diskutiert.
  • es ist auch nicht antisemitisch, die Einseitigkeit und „lineare“ oder autoritäre, patriarchale Herangehensweise von Deals im Sinne Trumps und der israelischen Politik zu betonen.
  • schließlich ist es nicht antisemitisch, palästinensische Flaggen auch in Isreal zu erlauben, da dies einem starken und stolzen zionistischen, jüdischen und demokratischen Staat gut zu Gesichte steht. Nur weil in Ramallah keine israelischen Fahnen geweht werden können ohne in richtig große Schwierigkeiten zu geraten, kann das nicht heißen, dass Israel palästinensische Fahnen verbieten kann.
  • es ist hingegen sehr wohl antisemitisch, zu behaupten, wie es islamistische wie säkulare Antizionisten nicht selten tun, dass Juden keinen Bezug zum Land Israel hätten und als „Siedler“ angekommen seien, die dort imperialistische Politik betrieben. Juden waren offenkundig vor den Christen und noch viel früher als Muslime in Jerusalem und im heiligen Land.

Das ist nur eine sehr kleine Auswahl an aktuellen Beispielen, wie man den antizionistischen Antisemitismus in einigen Detailaspekten definieren könnte.

Die Analyse und Kritik des antizionistischen Antisemitismus wie von BDS wie aller anderen Formen des Antisemitismus wie der Holocaustleugnung oder -trivialisierung, aber auch dem Antijudaismus und der auch in linken wie bürgerlichen, konservativen und rechtsextremen Kreisen weit verbreiteten Ablehnung der Brit Mila, ist also weiterhin und seit einigen Jahren von ganz enormer Bedeutung.

Die Zunahme von antisemitischen Verschwörungsmythen gerade im Zuge der Coronapandemie ist ein Warnzeichen. Allerdings ist es auch üblich geworden, jedwede Kritik an der häufig irrationalen und medizinisch nicht evidenzbasierten Coronapolitik als antisemitisch oder von „Schwurblern“ herrührend, zu diskreditieren und diffamieren.

Es muss um eine Kritik am „linearen“, einfachen, widerspruchsfreien Denken gehen – sei es Corona, die Ukraine oder Israel. Das Leben ist zu widersprüchlich und kompliziert, als dass wir uns weiter von obsessiven Vereinfacher*innen und Nachbeter*innen in den genannten Bereichen beherrschen lassen sollten.

Am Beispiel Israel sollte es neben der Kritik am antizionistischen Antisemitismus gleichzeitig tatsächlich um das Wohlergehen des jüdischen und demokratischen Staates Israel und eine Zukunft für die Palästinenser gehen. Dazu muss man sich mit den aktuellen politischen Tendenzen in Israel kritisch befassen. Die zitierten 50 Punkte des Israel Policy Forum aus Washington, D.C., die erledigt werden sollten, bevor ein „Deal“ – eine Friedenslösung mit den Palästinensern – möglich ist, mögen dabei eine facettenreiche und am Alltagsleben der Menschen orientierte Option sein.

Ansonsten werden die Abraham Verträge von 2020 und viele weitere Fortschritte im internationalen Standing Israels leicht zu einem Schwanengesang werden, da die Lösung des Konflikts mit den Palästinensern, also das Ende der permanenten Bedrohung durch palästinensischen Terror und die Bedrohung der Palästinenser durch fortdauernde Siedlungspolitik und religiösen und maximalistischen politischen Fanatismus, in weite Ferne rücken.

Und wie Sie alle wissen:

Nach den Gesetzen einer antiken Rhetorik hat eine öffentliche Rede mit einer exhortatio zu enden, einer Ermahnung. (Mayer 1997, S. 171).

Und so hören wir angesichts der Corona-Krise, der Ukraine-Krise, dem „linearen“, autoritären, apportierenden ‚Denken‘ und angesichts von Israel Hans Mayer mit seinen letzten Worten aus seinen „Reisen nach Jerusalem“ von 1997 (S. 173):

Es gibt eine einzige Lehre, die man rückblickend für uns alle ziehen kann. Jeder von uns muß zu sich selbst finden. Zu seiner eigenen Identität. Er darf sich nicht willenlos und geistlos den Informationen und Desinformationen überlassen. Er muß, mit Immanuel Kant zu sprechen, die neue und diesmal verschuldete Unmündigkeit in sich bekämpfen.

Der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, Literaturpreisträger der Stadt Köln, hat vor zehn Jahren im Kölner Rathaus in seiner Dankrede von der allgemeinen Gefahr eines ’sekundären Analphabetismus‘ gesprochen. Diese Gefahr ist ständig größer. Sie bedroht bereits die Grundlagen des demokratischen Systems, weil immer weniger rationale Wahlen stattfinden, sondern statt dessen verlogene Bilder und Reizsprüche angeboten werden.

Manches mag man einwenden können gegen die These von Theodor W. Adorno, wonach wahres Leben überhaupt nicht mehr möglich sei in einem ‚Unwahren Ganzen‘. Eines aber ist sicher: keine Bilderflut einer Wegwerfgesellschaft und kein Fundamentalismus heiliger Krieger oder selbsternannter Propheten können jemals das Prinzip Hoffnung in uns allen widerlegen. Dieses Prinzip Hoffnung ist sehr einfach zu beschreiben:

Es ist einfach die Sehnsucht nach einem menschenwürdigen Leben.

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