Wissenschaft und Publizistik als Kritik

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Enttäuscht, aber nicht überrascht …

Von Dr. phil. Clemens Heni

Update, 30. Juli 2024

Wer frühzeitig Nietzsche, Montaigne, Horkheimer, Günther Anders („Wenn ich verzweifelt bin, was geht’s mich an?“) oder Adorno gelesen hat, sagen wir mit 18 oder 19 Jahren, wird vom Leben zwar enttäuscht sein können, aber nicht überrascht.

So ergeht es womöglich auch diesem Hund auf einem Aufkleber in der Heidelberger Weststadt:

Disappointed, but not surprised.

Foto: privat

Drei Mega-Krisen der letzten Jahren mögen die Gemütslage des kleinen Hundes verdeutlichen: Die Corona-Pandemie/Corona-Politik, der Ukraine-Krieg und der weltweite antisemitische Krieg gegen Israel und die Juden.

Wer vor einigen Wochen den Vortrag von Prof. Michael Wolffsohn in Heidelberg am Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) über die 3000jährige Geschichte des Antisemitismus hörte, war ob des heutigen Antisemitismus enttäuscht, wütend und angewidert, aber nicht überrascht.

Der Antisemitismus der UN-Palästinenserbeauftragten Francesca Albanese, die jüngst mit zwei Bildern Hitler mit Netanyahu verglich, ist widerlich und politisch höchst gefährlich, aber er überrascht nicht, da die Vereinten Nationen eine Ansammlung auch vieler antisemitischer Staaten und übelster Mitarbeiter*innen ist und das seit Jahrzehnten.

Es ist widerlich und politisch höchst gefährlich, dass ein antisemitischer und islamistischer Terrorstaat wie der Iran bei den Olympischen Spielen in Paris dabei sein darf, aber es überrascht nicht bei einer Sport-Weltgemeinde, die auch die FIFA umfasst, die 2022 die Fußball-WM im islamistischen Terrorstaat Katar durchführte, wo einige der führenden Hamas-Terroristen ein Luxusleben führen.

Moderate und anti-islamistische Palästinenser wie Hamza Howidy spielen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle, Antisemiten hingegen wird immer wieder Raum gegeben, es wird äquidistant bis wohlwollend über sie berichtet und Universitäten sind äußerst zurückhaltend, Doktoranden oder Studentinnen, die als Hamas-Freund*innen oder -Verharmloser*innen berüchtigt sind, von der Universität zu werfen und zwar hochkant.

Doch auch hier gilt, dass unser enttäuschter Hund zwar angewidert sein mag von solchen anti-israelischen Hetzer*innen, die alles sind, nur nicht „Pro-Palästina“, aber nicht überrascht.

Doch es geht noch viel weiter, denn die Welt hat noch viele andere Konflikte, ja existentialistische Grundfragen zu bieten, die zu stellen vielen schon schwer fällt. So sind viele, die gegen Antisemitismus und Antizionismus aktiv sind, plötzlich blind, was den komplexen Krieg in der Ukraine betrifft und verwerfen seit dem Frühjahr 2022, als eine diplomatische Lösung und ein kompletter Rückzug Russlands greifbar waren, jedwede Kritiker*in an Waffenlieferungen an Kiew als „Putinversteher“, denn das Motto ist zwar nicht bei der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, aber bei den Herrschenden ganz klar: „Nie wieder Krieg ohne uns…„.

Dabei ist die Kritik am Putinismus von höchster Bedeutung, nicht zuletzt für meinen Verlag, die Edition Critic. Die FAZ schrieb im Dezember 2023:

In den Lehrmitteln für das neue Hochschulpflichtfach „Grundlagen der russländischen Staatlichkeit“ wird die Entscheidung zur Kinderlosigkeit als „Todeskult“ bezeichnet. Präsident Putin selbst kritisiert regelmäßig die Haltung des „Für-sich-Lebens“ als Ausdruck westlichen Egoismus, der der sozial orientierten Zielsetzung des Staatsaufbaus widerspreche. Das Aufbrechen des binären heterosexuellen Rahmens ohne reproduktive Verantwortung wird als „Bedrohung“ für die nationale Sicherheit angesehen. LGBTQ-Vertreter und Feministen werden als „Agenten des Westens“ und „fünfte Kolonne“ stigmatisiert und zu Extremisten erklärt.

Das betrifft somit auch die Edition Critic und die Autorin Verena Brunschweiger mit ihrem wegweisenden Band „Kinderfreie aller Länder, vereinigt Euch!„:

Ironischerweise treffen sich bei der rabiaten Abwehr kinderfreier Intellektueller oder unorthodoxer und weltlicher künstlerischer Darstellungen, wie einer lockeren Interpretation des Bildes „das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris am 26. Juli 2024, der Vatikan, rechtsextreme französische Politiker*innen, spanische Reaktionäre, Victor Orbán („moralische Leere des Westens„), Magazine wie „Tichys Einblick“, die russische Orthodoxe Kirche und viele andere Traditionalisten, Reaktionäre oder Rechte.

Update: Laut Aussagen des künstlerischen Direktors der Olympia-Eröffnungsfeier war gar nicht jenes Bild von da Vinci gemeint, sondern eine antike griechische Analogie:

Thomas Jolly, der künstlerische Direktor der Eröffnung, hat inzwischen bestätigt, dass die kritisierte Szene ein antikes griechisches Bacchanal darstellen sollte und äußert sich verwundert über den Mangel an Bildung, der sich in der Kritik daran spiegelt. Kurienerzbischof Vincenzo Paglia hatte von der „blasphemischen Verspottung eines der heiligsten Momente des Christentums“ gesprochen, und der deutsche Sportbischof Stefan Oster fuhr auf X (ehemals Twitter) noch schwereres Geschütz auf.

Gleichwohl machen sich reaktionäre Katholiken und Christen sehr lächerlich mit ihrer Diffamierung dieser lustigen Szenerie.

Es ist frappierend, wenn Ungarn oder Russland den „Untergang des Westens“ verspüren angesichts einer weltoffenen und dem französischen Ideal der Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit verpflichteten Eröffnungsfeier der Olympiade.

1968 wurde die linke Analyse des Kapitalismus und einer herrschaftsförmigen Angepasstheit, die sich revolutionär dünkte, breit diskutiert, auch wenn solche SDS-Protagonisten (Männer) oft selbst Tyrannen wie Mao oder antiisraelischen 68ern wie Rainer Langhans huldigten und von Feminismus so was von gar keine Ahnung hatten und Frauen an den Rand drängten oder benutzten. Themen waren damals und sollten es bis heute sein, „repressive Toleranz“ (Herbert Marcuse) oder „repressive Entsublimierung“ (Reimut Reiche aus Esslingen am Neckar).

Der Spiegel (Rudolf Augstein persönlich) schrieb 1968:

Wenn die Unzucht mit gleichgeschlechtlichen oder mit beliebig vielen Erwachsenen oder auch mit Tieren nicht länger strafbar, wenn die Pille rezeptfrei, die Ehescheidung Formsache, die Abtreibung erlaubt wäre, wenn Verhütungsmittel überall angepriesen und Sex-Partys ohne Furcht vor dem Staatsanwalt veranstaltet werden dürften; wenn die Arbeitszeit auf vier Stunden täglich verkürzt, der Arbeitslohn verdoppelt und die Sexual-Aufklärung zum beliebtesten — oder auch langweiligsten — Schulfach avanciert wäre: hätte die sexuelle Befreiung dann stattgefunden, oder, anders herum, könnte von einer »sexuellen Unterdrückung im Spätkapitalismus« dann noch die Rede sein?

Liest man die Schrift von Reimut Reiche, dem heute 27jährigen SDS-Vorsitzenden von 1966 auf 67, so möchte man daran zweifeln. Sie betitelt sich »Sexualität und Klassenkampf — Zur Abwehr repressiver Entsublimierung«.

Die Gesellschaft in der Bundesrepublik, so erklärt uns Reiche, ist, solange kapitalistisch, notwendig eine. die verhindert, daß die Menschen je die Freiheit erlangen, ihre sexuellen Anlagen und Fähigkeiten zu entwickeln. Vielmehr bleibt diese Freiheit, wenn auch in recht verstümmelten Erscheinungen, ein Privileg der Herrschenden.

Die Boulevard-Presse im Jahr 2024 fabuliert angesichts der frivolen oder aber freiheitlichen Darstellung des „Abendmahls“ auf der Pariser Olympiaeröffnung dann auch vom „Woke-Wahnsinn“, hier ist keinerlei Dialektik oder Kritik mehr vorhanden:

 

Im Gegensatz zu frauenverachtenden Ländern ist es in Frankreich verboten, als Sportlerin ein Kopftuch zu tragen, was Amnesty International so was von auf die Palme bringt.

Ein Kopftuch ist kein Recht, sondern eine frauen- wie männerverachtende Zwangsmaßnahme. Nur Frauen mit extrem wenig Selbstbewusstsein und vor allem mit reaktionären Vätern, Ehemännern, Brüdern, Cousins und natürlich reaktionären Müttern haben Panik, dass Männer oder Frauen (lesbische!, bisexuelle!) Ihr Haar sehen und dadurch durchdrehen oder sich sexuell nicht im Griff hätten, wenn sie das Haupthaar einer Frau sehen.

Selbstredend wäre es noch besser gewesen, wenn die Organisator*innen der Eröffnungsfeier eine scharfe öffentliche Kritik am Islamismus geübt hätten, der in Frankreich ja überall zu finden ist wie auch der muslimische Antisemitismus.

Doch – nächste Paradoxie, enttäuschend, aber nicht überraschend -, gerade viele Aktivist*innen aus dem Pro-Israel Lager haben auch ein Problem mit Gender oder Religionskritik oder „woke“. Dabei wissen sie, dass es doch viele LGBTQI-Aktivist*innen gibt, die zionistisch sind und Unterstützung dringend nötig haben, da eben Queers for Palestine (=Selbstmord) immer noch sehr stark und super aggressiv sind, wie ein antisemitischer Mob in Berlin auf einer Soliparty vor wenigen Wochen zeigte:

Allerdings zeigt der Vorfall auf der Soliparty, wie tief sich miefiger antisemitischer stalinistischer Sowjet-Agitprop festgefressen, queeren Aktivismus gar gekapert hatnicht nur in der Berliner Szene. Auch beim Dyke March in New York fühlen sich jüdische Lesben nicht mehr sicher und machen nun getrennte Veranstaltungen, wie das Portal „Mena-Watch“ berichtete. Die Organisatorinnen des US-Pendants solidarisierten sich offen mit antisemitischen Gruppen und sammelten gar Geld für diese.

Sehr viele Leute schaffen es nicht, mehrere gefährliche Tendenzen in der Gesellschaft gleichzeitig zu hinterfragen. Viele waren entweder für Israel oder gegen die irrationale Coronapolitik und ignorierten die israelische Kritik an der Coronapolitik, die es unter Fachwissenschaftler*innen wie Aktivisti*innen 2020 bis 2023 sehr wohl gab, Stichwort „Pandemic Turn„.

Wieder andere hatten ein klares Gespür für die Absurdität der Coronapolitik, aber badeten dafür jeden Morgen bauchnabeltief in antisemitischer Brühe und prahlten damit auch noch.

Und nochmal andere sind zwar gegen Antisemitismus und sogar gegen den konservativen Backlash, aber hegen doch tiefe Ressentiments gegen ihre kinderfreien Nachbarn, vor allem gegen die Frauen, dabei gibt es derer immer mehr – vorneweg Kamala Harris. Das wäre eine Überraschung, wenn auch Amerika endlich einmal eine Frau als Präsidentin hätte und noch dazu eine unkonventionelle, jedenfalls was die doch lebensprägende Frage nach einem eigenen Kind, der narzisstischen Delegation betrifft.

Trump dreht schon jetzt durch und wütet gegen Abtreibung und setzt die Lüge in den Raum, dass Harris Kinder töten wollen würde. Er hat aber gleichwohl und seit Jahren auch in der Pro-Israel Szene viele Freund*innen, nicht zuletzt in der Bundesrepublik.

Und wieder andere sind kinderfrei und gegen Waffen für die Ukraine, aber auch ohne jede Moral und Ethik und schließen sich dem säkularen Jihad gegen den Judenstaat an, während manche Schwule sich für $100.000 eine Leihmutter in den USA kaufen (aus Kolumbien zum Beispiel) oder Lesben die Pointe des Lesbisch-Seins verpassen und selbst unbedingt Mama werden wollen… Da würde unser Hund dann wohl schon sagen:

enttäuscht und überrascht.

Schließlich gilt es in Zeiten von Gentechnik und Klimawandel, fehlendem klarem Wasser für Millionen Menschen, KI-Überwachungskapitalismus, der auch auf der Eröffnungsfeier der Olympiade gefeiert wurde, eine zukünftige Gesellschaftskritik zu antizipieren.

Eine solche Gesellschaftskritik würde sich sowohl gegen Antizionismus und Antisemitismus in all seinen Formen einsetzen. Zugleich würde sie Herrschaftstendenzen wie die herkömmliche Familienideologie, den Natalismus wie auch den autoritären Glauben an technische und posthumanistische Lösungen, KI und High-Tech in Frage stellen.

Darüberhinaus würde eine solche Gesellschaftskritik den Irrationalismus der Corona-Politik wie Lockdowns, Maskenpflicht, das totalitäre 2G oder gar das geradezu religiöse Anbeten eines ‚Impfstoffs‘, der gar keiner ist, sondern eine „Gentherapie“ (so die Firma Bayer ganz ehrlich), attackieren und eine scharfe und luzide unabhängie Aufarbeitung der Corona-Vergangenheit einfordern. Denn was nicht aufgearbeitet ist, kann sich wiederholen …

Und natürlich würde eine solche zukünftige Gesellschaftskritik die brüllenden (Talkshow-) Absagen an eine diplomatische Lösung wie beim Ukraine-Krieg scharf kritisieren und sich gegen Putin, gegen Waffen für die Ukraine und allgemein für Emanzipation, Individualität und Freiheit einsetzen, ohne naiv pazifistisch herum zu dümpeln, da zum Beispiel Waffen für Israel existentiell wichtig sind. Man kann gegen die NATO-Osterweiterung sein und für Israel, dazu braucht man nur etwas Fantasie und rationales Denkvermögen.

Eine Welt ohne Waffen und ohne Militär wie ohne Grenzen ist in vielen Teilen der Welt vielleicht eine Utopie, doch in Nahost würde es den Genozid an den Juden bedeuten („Die Juden ins Meer treiben“, wie viele Araber nicht nur früher immer dachten und sagten).

Die Welt ist also schlecht und die Menschheit übel. Und doch liegt in solcher Anthropologisierung immer auch die Entpolitisierung, da es egal sei, ob mann oder frau was macht oder nicht. Doch das ist ein Trugschluss.

Denn schließlich hat sicher jeder Hund auch solche Momente:

glücklich und überrascht…

 

 

Der „Duft von Druckerschwärze“ und die digitale Welt oder: wann wurde Jürgen Habermas zu einem autoritären Demokraten?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der intellektuelle Charme versprühende „Duft der Druckerschwärze“, den man morgens in U-Bahnen zu riechen vermochte – wenn man in einer Ortschaft wohnte, wo es eine U-Bahn gibt, also eigentlich in der BRD nur Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart – ist für den Historiker und Kolumnisten der Süddeutschen Zeitung Norbert Frei dem digitalen Publizieren gewichen. In seiner allerletzten Kolumne für die SZ, die in der Wochenendausgabe vom 16./17. März 2024 publiziert wurde, lamentiert der bekannte Historiker, dass der vom Sozialphilosophen Jürgen Habermas analysierte „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1962) sich zu einem „Strukturbruch der Öffentlichkeit“ radikalisiert habe.

Frei bringt Beispiele wie von AfD-nahen YouTubern, die von fast einer Million Followern bzw. Zuschauer*innen verfolgt würden. Dabei hatten noch mehr Leute den AfD-Chef Tino Chrupalla live im öffentlich-rechtlichen TV sehen können (bei Markus Lanz), was nur zeigt, wie wenig Mainstream-Journalisten aus dem von der ARD und dem ZDF mit beförderten Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag im Jahr 2017 gelernt haben. Auch Norbert Frei findet das sehr ungeschickt vom ZDF, den AfD-Führer in wenigen Wochen gleich zweimal als Talkgast zu hofieren.

Frei geht auf den dramatischen Rückgang der Zeitungsauflagen ein, die haben sich von 1991 bis 2023 von 27 Millionen Ausgaben pro Tag auf schlappe 11 Millionen reduziert. Gleichzeitig hat sich seit der Erfindung des Internets Mitte der 1990er Jahre die Medienlandschaft komplett verändert. Komplett? Nun ja, Leitmedien sind für viele weiterhin das Fernsehen oder der Spiegel, die Zeit, die Süddeutsche, die FAZ etc. Aber es gibt, da hat Norbert Frei zweifelsohne Recht, eine riesige Anzahl an neuen Medienmacher*innen, in den digitalen Medien vorneweg, die eigentlich ja eine Demokratisierung bedeuten könnten. Aber jetzt kann sich jede und jeder irgendwo äußern. Die größten Trottel bekommen Hunderttausende oder Millionen Follower bei den entsprechenden Portalen.

Die Gefahr des Rechtsextremismus ist sehr groß. Das zeigen Verschwörungsmythen aller Art, autoritäres Verhalten und selbstredend der Mob in den wirklich a-sozialen Medien.

Doch kommt die Gefahr nur von den Nazis und Rechten oder jenen Trotteln?

Keineswegs.

Das ist mir viel zu selbstverliebt und unreflektiert.

Und von daher wurde ich stutzig über die im März 2024 völlig ungebrochene Vorliebe des Historikers Norbert Frei für Jürgen Habermas. Denn es war kein anderer als Habermas, der während der Corona-Pandemie zeigte, wie aus einem mehr oder weniger liberalen Demokraten ein illiberaler, irrationaler und autoritärer Denker wurde. Habermas wurde während Corona zu einem autoritären Demokraten.

Frei geht auf Habermas‘ Einlassungen während der Corona-Pandemie überhaupt nicht ein und das ist ein schwerwiegender Fehler. Denn Historiker*innen zukünftiger Generationen werden sich sehr wohl mit dem Versagen der Demokraten und der Wissenschaft in den Jahren 2020 bis 2023 befassen. Auch Jürgen Habermas wird ganz bestimmt dann nochmal ins Visier wissenschaftlicher Analyse von Irrationalismus, Unwissenschaftlichkeit und autoritärem Denken geraten. Doch steckte nicht schon früher dieses autoritäre, ja dezisionistische Denken in Habermas drin?

Was meine ich genau? Nun, Folgendes:*

„Und es gibt DOCH ein Leben vor dem Tod!“[1]

Da weder die Grippe von 1969/70 noch Corona die Pest oder Cholera sind und auch nicht annähernd so gefährlich wie Tuberkulose, hat der Großaffirmator staatlicher Politik wie Jürgen Habermas die Grippe 1969/70 ohne jede gesellschaftliche, staatliche ‚Maßnahme‘ überstanden. Er kommt jedoch im hohen Alter endlich ganz explizit zu sich selbst. Das zeigt ein Artikel von ihm in den Blättern für deutsche und internationale Politik vom September 2021.[2] Darauf weist der Feuilletonchef der Tageszeitung Die Welt Andreas Rosenfelder hin.[3] Was schreibt Habermas in der September 2021 Ausgabe der Blätter? Schon die ersten Sätze seines Artikels zeigen, dass er nicht weiß, worüber er schreibt:

„Seit Beginn der Corona-Pandemie stellt sich demokratisch verfassten Nationalstaaten – als den in erster Linie handlungsfähigen Akteuren – unter rechtsphilosophischen Gesichtspunkten vor allem eine Frage: Welche Pflichten erlegen die Grundsätze einer liberalen Verfassung der Regierung in einer solchen Situation auf und welche Handlungsspielräume haben sie dabei gegenüber ihren Bürgern?

Die durch das Virus Sars-CoV-2 ausgelöste Pandemie ist, wie der Name bereits besagt, ein Naturgeschehen, das sich global ausgebreitet hat, also Leben und Gesundheit von Angehörigen der species homo sapiens überall auf dem Erdball bedroht. Unter biologischen Gesichtspunkten lässt sich die Bekämpfung der Pandemie als eine (freilich mit ungleichen Waffen geführte) Kriegführung von Species gegen Species verstehen.“[4]

Wie der irrationale französische Präsident Macron sieht auch der deutsche Großaffirmator des herrschenden Systems ein Virus als einen Kombattanten an. Wir seien also im „Krieg“, ja es gebe eine „Kriegführung von Species gegen Species“. Da schüttelt jeder Biologe und auch jede Sozial- und Geisteswissenschaftlerin nur den Kopf: Ein Virus möchte sich verbreiten, was es nur kann, wenn es Wirte gibt. Wollte Corona alle Menschen töten, hätte es keinen Wirt mehr bzw. nur die Tiere, aber das Leben der Menschen ist für ein Virus wie Corona viel spannender. Nur sind nicht alle Menschen gleichermaßen gesund und immunstark.

Habermas hat die gesamte empirische und analytische Forschung zu Demokratie, Menschenwürde, Grundrechten und Epidemiologie seit März 2020 ver­schlaf­en. Er wägt nicht zwischen Kosten und Nutzen ab, sondern spielt den autoritären Macker, der er offenbar schon immer war, denn kaum einer wird mit 92 Jahren plötzlich autoritäre Charakterzüge entwickelt haben, die schlummerten nur in ihm. Jürgen Habermas ein Schläfer, der jetzt erwacht ist? Wie medizinisch und epidemiologisch ungebildet Habermas ist, zeigt sich hier:

„Bis zum Zeitpunkt der – letztlich nur durch Impfung erreichbaren – ‚Herden­imm­unität‘ erstrecken sich die strategischen Optionen in diesem Kampf über einen breiten Spielraum.“[5]

Man fragt sich, was für ungebildete Berater*innen Habermas hat und wer in der Redaktion der Blätter für deutsche und internationale Politik einen so unwissenschaftlichen Schmarrn lektoriert und redigiert hat. Herdenimmunität bildet sich bei Viren wie Influenza oder Corona immer durch natürliche Immunität und ggf. durch eine Impfung gemeinsam aus. Es gibt Studien, die zeigen, dass ehemals mit SARS-CoV-2 infizierte, aber nicht geimpfte Personen eine höhere Immunität haben als Geim­pf­te, die sich nie infizierten.[6]

Zudem sich, auch das weiß er nicht, mit den aktuellen Coronaimpfstoffen weder eine „klinische Immunität“ (also Schutz einer geimpften Person vor dem Ausbruch der Krankheit) noch eine „sterile Immunität“ (keine Weitergabe des Virus) entwickeln kann. Geimpfte können mit der gleichen Viruslast das Virus übertragen – schon das macht die 3G oder 2G Regeln beliebig. Wer gegen Masern geimpft ist, bekommt keine Masern. Wer gegen Corona geimpft ist, kann sehr wohl Corona be­kom­m­en und das nicht selten. Habermas hat die wissenschaftliche Forschung konsequent ignoriert, er weiß nicht, dass wir es mit einer Infektionssterblichkeit (IFR) von unter 0,10 bis 0,23 Prozent zu tun haben, was die ca. 4 Prozent Fallsterblichkeit, von denen an­fangs auch die WHO oder das RKI panisch und evidenzlos ausgingen, ganz enorm relativiert und die Fakten auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Über 99 Prozent aller Toten „an“ oder doch nur „mit“ Corona sind über 50 Jahre alt und fast alle waren vorerkrankt. Wobei wir über die Vorerkrankungen noch viel mehr wissen könnten, wenn die Zahlen vorliegen würden und wenn es Obduktionen im großen Maßstab zu den Covid-Toten gegeben hätte. Denn ganz sicher waren nicht alle Toten, die als C-Tote zählen, an Covid gestorben, viele hatten nur bis zu 28 Tage vor dem Tod einen positiven PCR-Test, der wiederum gar nicht für die Diagnose einer Krankheit entwickelt wurde.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch an Covid-19 stirbt, ist minimal. Während richtig schlimme Krankheiten wie Pocken eine Sterblichkeit von ca. 30 Prozent haben oder AIDS in der Anfangszeit zwischen 80 und 100 Prozent Sterblichkeit, so ist eine Sterblichkeit von unter 0,10 bis 0,23 Prozent wie bei Corona sehr gering. Die unterschiedliche Infektionssterblichkeit je Altersgruppe zeigt ein Artikel im European Journal of Epidemiology, eine Fachzeitschrift, die wohl doch un­wesent­lich mehr wissenschaftliche Ahnung von Epidemiologie haben dürfte als Jürgen Habermas und die Blätter für deutsche und internationale Politik:[7]

    • 0–19: 0,0027 %
    • 20–29: 0,014 %
    • 30–39: 0,031 %
    • 40–49: 0,082 %
    • 50–59: 0,27 %
    • 60–69: 0,59 %

Doch Habermas fabuliert:

„In diesem Zusammenhang kann ich auf ein neues und für die nächste Zukunft ernstlich beunruhigendes Phänomen an dieser Stelle nicht genauer eingehen – ich meine die politisch aggressive und verschwörungstheoretisch begründete Verleugnung der pandemiebedingten Infektions- und Sterberisiken. Wegen ihres rechtsradikalen Kerns sind die scheinliberal begründeten Proteste der Corona-Leugner gegen die vermeintlich konspirativen Maßnahmen einer angeblich autoritären Regierung nicht nur ein Symptom für verdrängte Ängste, sondern Anzeichen für das wachsende Potential eines ganz neuen, in libertären Formen auftretenden Extremismus der Mitte, der uns noch länger beschäftigen wird.“[8]

Habermas hat panische, irrationale Angst vor einem Virus, nicht die Kritiker*innen. Die haben berechtigterweise Angst vor einer medizinisch sinnfreien und antidemokratischen Corona-Politik. Habermas benutzt das Stigmanomen „Corona-Leugner“ und meint damit alle Kritiker*innen der nicht evidenzbasierten Coronapolitik.

Er macht sich gar nicht die Mühe zu differenzieren zwischen den 90 oder 99 Prozent, die das Virus überhaupt nicht leugnen, aber die Politik desaströs finden und jenen 10 oder ein Prozent oder noch weniger, die tatsächlich die Existenz des Virus SARS-CoV-2 leugnen. Jürgen Habermas stellt die ganze Debatte über Demokratie, Menschen- und Grundrechte auf den Kopf und möchte in Carl Schmittscher Manier dem Staat alle Rechte für den Ausnahmezustand geben, ja es sei eine Pflicht, dass der Staat so rigoros durchgreift, wie nur möglich, ohne mit der Wimper zu zucken. Habermas ist der extreme Rechte, der Schmittianer und nicht nur ein Teil der Kritiker*innen der Coronapolitik, der auch unzweifelhaft rechts ist. Habermas schreibt in aggressiver Diktion:

„Das Ziel, die Rate der auf Corona zurückzuführenden ‚Übersterblichkeit‘ der Bevölkerung so niedrig wie möglich zu halten, deckt sich ja keineswegs mit dem Ziel zu verhindern, dass die Zahl der schwer erkrankten und behandlungsbedürftigen Corona-Patienten die Grenze der vorhandenen Betten und Beatmungsgeräte üb­er­schreitet. Das aber bedeutet faktisch eine Verschiebung der Zielbestimmung, mit der die eigentlich entscheidende Frage aus der politischen Öffentlichkeit verdrängt worden ist: ob denn ein demokratischer Verfassungsstaat bei der Verfolgung des Ziels der Pandemiebekämpfung überhaupt das Recht hat, Politiken zu wählen, mit denen er die vermeidbare Steigerung von Infektionszahlen und damit der wahrscheinlichen Anzahl von Sterbefällen stillschweigend in Kauf nimmt.“[9]

Raphael Gross hat in seiner Dissertation den Antisemitismus von Carl Schmitt detailliert untersucht und kritisiert. Im Zusammenhang mit Corona passt seine Analyse des Begriffs „Dezisionismus“, wie er bei Schmitt 1922 in „Politische Theologie“ Verwendung findet:

„Etwa ein Jahrhundert später führt Schmitt, de Maistres Thema wieder aufgreifend, Hobbes Satz gegen denjenigen von Locke an: ‚the Law gives authority.‘ In diesem Kontext führt Schmitt seinen Begriff des Dezisionismus ein; dieser wurde später zur Kennzeichnung seines eigenen Denkens verwendet: ‚Der klassische Vertreter (wenn ich dieses Wort bilden darf) dezisionistischen Typus ist Hobbes.‘ Hobbes‘ dezisionistische Formel ‚Auctoritas facit legem‘ sollte Schmitts Entscheidung gegen das Gesetz, gegen die ‚Herrschaft des Gesetzes‘ und für die Autorität stützen. Denn schließlich sage ‚das Gesetz‘ nicht, ‚wem es Autorität‘ gebe.“[10]

Exakt so handelte Kanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Coronakrise. Es wurde nicht im Parlament gestritten, debattiert und Kompromisse oder die bestmögliche Antwort auf eine Krisensituation gesucht, sondern es wurde beschlossen, dieser dezisionistische Akt war schockierend für eine parlamentarische Demokratie, die nicht mehr funktionierte.

Für Merkel und die gesamte Politik zählte nicht das Gesetz, sondern die Autorität, nicht die Legislative, sondern die Exekutive. Dass Verordnungen oder Maßnahmen von Gerichten später als illegal oder verfassungswidrig verurteilt wurden, führte weder zu Rücktritten noch zu einem grundsätzlichen Umdenken.

Das ist für die Politikwissenschaft umso bemerkenswerter, als wir es hier bei Schmitt um einen Klassiker der reaktionären deutschen Position gegen 1789 zu tun haben – gegen den Universalismus, der gerade von Politikerinnen wie Merkel oder Großdenkern der Bundesrepublik wie Habermas immer eingefordert und jetzt im Fall der Fälle im Sinne Schmitts in dessen Text „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1926) verworfen wurde:

„Schmitts Insistenz auf dem Dezisionismus ist ein Kampf gegen jedes universale Gesetz und insbesondere gegen den parlamentarischen Gesetzesbegriff, der sich in der Folge von 1789 entwickelt hat: ‚Die allgemeine Maßgeblichkeit des Gesetzes ergibt sich daraus, daß das Gesetz (im Gegensatz zum Willen oder Befehl einer konkreten Person) nur Ratio ist und keine Cupiditas [Begierde]. (…) Die Dezision, der persönliche Befehl, ist Schmitts Antwort auf das allgemein geltende Gesetz, das wesentlich entpersonalisiert ist.“[11]

Habermas hat die Cupiditas nach dem totalen Staat. Er, der anti-adornitische Zermalmer der Kritischen Theorie, die fortan, seit den 1970er Jahren „Frankfurter Schule“ heißt, droht:

„Wenn sich die Erforderlichkeit einer staatlichen Präventivmaßnahme auf das weitgesteckte Ziel bezieht, die Infektionszahlen zu minimieren, sind nicht nur strengere Verhaltensvorschriften und Auflagen gerechtfertigt als bei dem weniger anspruchsvollen Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Vielmehr drängt sich beim Vergleich dieser Ziele auch jene Grundsatzfrage auf, die tatsächlich im Hintergrund geblieben ist: ob die Verfassung eines demokratischen Rechtsstaats die Regierung im Hinblick auf das Minimierungsziel dazu verpflichtet, die Zahl der an Corona Verstorbenen so niedrig wie möglich zu halten. Nur wenn diese Verpflichtung nicht besteht, gewinnt die Regierung mit der Inkaufnahme einer vorhersehbaren Zahl grundsätzlich vermeidbarer Todesfälle auch einen gewissen Spielraum für die Berücksichtigung anderer konkurrierender Rechts­an­sprüche. Denn die alternativen Zielbestimmungen stellen auch die Weichen für die gerichtliche Kontrolle staatlich verordneter Einschränkungen.“[12]

Allein das Wörtchen „vermeidbarer“ zeigt den verfassungsrechtlichen Irrsinn und die Macht- und Herrschaftsgelüste, die Habermas an- und umtreiben. Als ob es vermeidbar wäre, ein respiratorisches Virus, das so gut wie alle Menschen am Leben lässt und nur minimal beschäftigt, zu eliminieren.

Mit solchen Sätzen wird er zum Vorbeter der weltweiten ZeroCovid-Bewegung. Habermas wird zum antidemokratischen Vordenker, der jede Kritik als „libertär“ denunziert – was für ihn mit „extremistisch“ oder rechts identisch ist und nicht auch anarchistisch oder links konnotiert:

„Die Parteigänger einer libertären Öffnungspolitik stützen sich in der öffentlichen Diskussion auf die akademischen Stimmen, die einen während der Pandemie grundsätzlich zu beachtenden Vorrang des staatlichen Gesundheitsschutzes bestreiten.“[13]

Was Habermas nicht kapieren möchte – und das liegt nicht an seinem Alter, sondern an seiner ideologischen Borniertheit oder Vorliebe für ‚harte Maßnahmen‘ generell – ist die Tatsache, dass Menschen sich sehr wohl selbst schützen würden, wenn es denn eine Gefahr gäbe, die alle gleichermaßen beträfe.

Doch es gibt keine Gefahr, die alle, die ganze Menschheit gar, bedroht. Diese Bedrohung fantasiert der autoritäre Charakter vom Starnberger See. In Nigeria, dem größten Land Afrikas und einem der größten Staaten der Erde, gibt es 14 Todesfälle pro eine Million Einwohner*innen (Stand November 2022[14]), die an oder mit Corona starben. In Deutschland sind es 1828 pro eine Million Bewohner*innen. Habermas hat einfach die empirische, epidemiologische Realität komplett aus den Augen verloren, ja sich nie mit den harten Zahlen beschäftigt.

Man erkennt vielmehr seine Vorliebe für autoritäres Handeln, was zeigt, wohin sein Projekt der „deliberativen Demokratie“ führt und offenbar führen sollte: in den technokratischen Ausnahmezustand und paternalistischen Fürsorgestaat.

Von Medikamenten gegen Covid-19 hat Habermas auch noch nie etwas gehört, aber das geht ja den meisten ignoranten und unwissenschaftlichen Deutschen so. Habermas hat von Medizin keinerlei Ahnung, was dieser Aufsatz in den Blättern zeigt, aber er hat auch von Menschenwürde und Grundrechten nicht einmal rudimentär eine Vorstellung:

„Denn normativ betrachtet, ergibt sich ein solcher Vorrang erst unter der Voraussetzung, dass es mit der Verfassung eines demokratischen Rechtsstaats unvereinbar ist, angesichts pandemischer Herausforderungen eine vermeidbare Steigerung von ‚naturwüchsigen‘ Infektions- und Todesraten in Kauf zu nehmen.“[15]

Damit wird Habermas zum Guru der ZeroCovid oder NoCovid-Bewegungen. Der Staat müsse alles tun, damit es so wenig Infektionen wie möglich gibt. Dass nur ein Bruchteil der Bevölkerung überhaupt bedroht ist und durch Isolation, Besuchsverbot oder Maskenpflicht im Alten- und Pflegeheim sowie Krankenhaus noch mehr in Gefahr geriert und gerät, das steht hier nicht. Frankfurt am Main hatte 2020 quasi keine Übersterblichkeit, ganz Deutschland hatte keine.

Das wird noch deutlicher, wenn man – auch das kennt Habermas überhaupt nicht – die Sterbezahlen altersangepasst darstellt. Denn die Bevölkerung wird immer älter, er ist ein typisches Beispiel dafür.

Laut einer Studie der Uni­versität Duisburg-Essen gab (UDE) es 2020 keine Übersterblichkeit[16] – es handelt sich laut der Panikindustrie von Tagesschau und Bundesregierung um die schlimmste Epidemie in der Geschichte der BRD –, sondern eine Untersterblichkeit:

„Forscher der Medizinischen Fakultät der UDE haben mit Kollegen die Zahl der Sterbefälle in Deutschland, Spanien und Schweden der Jahre 2016 bis 2020 analysiert. Sie wollten herausfinden, ob dort im vergangenen ‚Corona-Jahr‘ mehr Men­sch­en gestorben sind, als dies ohne den Ausbruch einer Pandemie erwartet wor­den wäre. Das Ergebnis: 2020 gab es keine Übersterblichkeit in Deutschland, auch wenn es etwa 34.000 Todesfälle gab, die mit COVID-19 assoziiert werden.

‚Durch den Fokus auf die Übersterblichkeit vermeiden wir Probleme, die sich sonst aus den beträchtlichen Unterschieden ergeben würden, die weltweit bei der Definition von COVID-19-Todesfällen gemacht werden‘, sagt Erstautor Dr. Dr. Bernd Kowall vom Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epi­demio­lo­gie (IMIBE) am Universitätsklinikum Essen. ‚Es reicht jedoch nicht aus, sich allein auf die Nettozahlen der Todesfälle zu stützen. Auch Veränderungen durch den demographischen Wandel sollten berücksichtigt werden, insbesondere die größere Zahl älterer Menschen und die gestiegene Lebenserwartung‘, betont der Epidemiologe. Berücksichtigt man die Alterung der Gesellschaft, können die Stud­ien­au­toren für Deutschland sogar eine Untersterblichkeit für 2020 nachweisen (2,4 %).“[17]

Folgender Satz des Starnberger Meisterdenkers in den Blättern ist in seiner Konsequenz juristisch, politisch und demokratisch katastrophal:

„Dementsprechend greift der Staat im Falle des ‚finalen Rettungsschusses‘ als der neutrale Hüter des Rechts in einen lebensgefährlichen Streit zwischen einzelnen Personen ein, während er heute in der Rolle eines politischen Akteurs bei der Verfolgung kollektiver Ziele die Verantwortung für mögliche Nebenfolgen des eigenen Handelns trägt; in dieser Rolle hat er die Pflicht, nach Möglichkeit alles zu vermeiden, was das Leben von Bürgern aufs Spiel setzt.“[18]

Damit möchte Habermas wie der Tugendterror der Französischen Revolution, wo er offenbar herkommt, zwischen Gut und Böse unterscheiden und nur er weiß, was gut und was böse ist. Der Staat habe „die Pflicht, nach Möglichkeit alles zu vermeiden, was das Leben von Bürgern aufs Spiel setzt“.

Was, wenn Habermas selbst vom Staat nicht stark genug reglementiert worden war im Sommer 2019 und er womöglich – um das satirisch zu überspitzen – mit seinem Gehstock am Starnberger See oder dem Öffnen eines Wohnzimmerfensters Fledermäuse aufgeschreckt hat, die dann ihren Art­genoss*innen in ganz Bayern das erzählten, die dann aus Protest eine Reise nach China machten und dort sowohl die Märkte unsicher machten, als auch mit seltenen Flugtricks Fenster im berüchtigten Wuhan-Labor beschädigten, so dass bei deren Reparatur die SARS-CoV-2-Viren entweichen konnten? Was dann?

Denn so ähnlich könnte es ja gewesen sein. Mittlerweile ist zumindest die These eines Laborunfalls als seriöse Option auch in den USA längst in den Ring geworfen worden, wie die New York Times im Mai 2021 berichtete.[19]

Das Energieministerium in den USA, das viele biologische Labore unter sich versammelt, stellt sich sogar im Februar 2023 wie die zentrale Sicherheitsbehörde FBI (Federal Bureau of Investigation) hinter die These, dass das Virus SARS-CoV-2 aus einem Labor in Wuhan, China, entwichen sei. Darüber berichten das Wall Street Journal[20] und die New York Times[21].

Es stellt sich verschärft die Frage, was für Biolog*innen, Virolog*innen, Biochemiker*innen etc. in diesem Labor arbeiten. Und es stellt sich die Frage, welche amerikanischen, deutschen, europäischen etc. Institute und Personen mit diesem Institut in Wuhan schon vor 2020 kooperiert haben.

Wie unwissenschaftlich insbesondere Christian Drosten arbeitet, zeigte auch seine frühzeitige Behauptung im April 2020, dass es kein Laborunfall gewesen sein könne, das seien Verschwörungstheorien, wie der Focus berichtete.[22] Drosten konnte das gar nicht wissen, niemand konnte es wissen – bis auf die chinesischen Verantwortlichen, die womöglich, wer möchte das in Abrede stellen, die Unwahrheit sagten, was bei einem totalitären Einparteien-Regime wie in Peking nicht verwunderte.

Wenn SARS-CoV-2 tatsächlich aus einem Labor in Wuhan und einem Projekt der Gain-of-Function-Forschung entwichen sein sollte, zeigt das die extremen Gefahren der na­tur­wissenschaftlichen Forschung auf exemplarische Weise.

Es muss in jedem Fall untersucht werden, welche internationalen Forscher*innen mit den Labors in Wuhan auf welche Art und Weise kooperierten. Indizien sprechen für einen Laborunfall in Wuhan, da dortige Forschungen an Coronaviren stattfinden, die teilweise exakt an jener „Furin-Spaltstelle“ im Virus experimentierten, die bei SARS-CoV-2 auftaucht. Ob das Virus natürlichen Ursprungs ist oder künstlich, ist also eine offene Forschungsfrage, die auch mit der These eines Laborunfalls zusammenhängt, für die in Deutschland vor allem der Nano-Physiker Roland Wiesendanger von der Universität Hamburg bekannt ist.[23]

Die Universität Hamburg schreibt:

„Die Studie wurde im Januar 2021 fertiggestellt und zunächst in Wissenschaftskreisen verteilt und diskutiert. Mit der Veröffentlichung soll nun eine breit angelegte Diskussion angeregt werden, insbesondere im Hinblick auf die ethischen Aspekte der sogenannten ‚gain-of-function‘-Forschung, welche Krankheitserreger für Menschen ansteckender, gefährlicher und tödlicher macht. ‚Dies kann nicht länger nur Angelegenheit einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bleiben, sondern muss dringend Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden‘, so der Autor der Studie.“[24]

Es ist zwar für die Analyse der politischen Kultur der Coronazeit nicht entscheidend, wenn auch sehr wichtig zu wissen, woher das Virus kommt und seit wann es existiert, denn ein Laborunfall im Herbst 2019 würde doch vieles verändern, was die Einschätzung von Corona betrifft. Damals gab es keine Tests auf das Virus, es wäre also weltweit völlig unbemerkt monatelang zirkuliert und Menschen wären auch daran erkrankt und teilweise verstorben.

Entscheidend ist aber in jedem Fall die Reaktion auf das Virus, die Veränderung der politischen Kultur oder die antidemokratische Theorie wie von Jürgen Habermas, den Blättern und weiten Teilen des Main­stream. „Alles zu vermeiden, was das Leben von Bürgern aufs Spiel setzt“, wie Habermas schreibt, hieße alle Autobahnen sofort zu schließen, da dort hundertprozentig jeden Tag Menschen sterben. Das hieße, von heute auf morgen den Tabakkonsum nicht etwa zu besteuern – wie es der Staat tut und somit davon profitiert –, sondern ihn zu verbieten. Sonst könnte man meinen, der Staat profitiert via Ta­bak­steuer oder via Erdöl- und Gassteuer, Alkoholsteuer, ja via Mehrwertsteuer vom Verkauf der unglaublichsten Dinge, wie Zucker, Waffen, Panzer, Panz­er­fäust­e, Kampfjets, Schokopudding oder Gummibärchen.

Will Habermas ernsthaft behaupten, dass all dies nicht töd­lich ist, namentlich die Waffen- und Zuckerindustrie? Woher kommt die Fettleibigkeit? Von zu vielem Sport? Woher kommen die Toten in den Krisengebieten dieser Welt? Sie werden in Oberndorf am Neckar von Heckler & Koch oder von Rheinmetall aus Düsseldorf produziert.

Andreas Rosenfelder von der Welt kritisiert Habermas:

„Jürgen Habermas, einst ein Meisterdenker der liberalen Öffentlichkeit, malt in seinem Elfenbeinturm einen Staat an die Wand, der sogar die Fantasien der teuflischsten Corona-Leugner verblassen lässt. Sein biopolitischer Leviathan kann zum Zweck der Infektionskontrolle jedwede Freiheit einschränken, immer und überall, ohne Bedingung und ohne Maß. Wer darin nicht den Schattenriss der Diktatur erkennt, der ist wohl nicht mehr zu retten.“[25]

Wie hinlänglich in dieser Studie gezeigt: Ja, es gibt in der Tat nicht wenige Rechte, Nazis, Verschwörungsideologen (m/w/d, auch Linke), die gegen die Coronapolitik aktiv sind. Aber selbst die alle zu­samm­en­ge­nom­men stellen nicht annähernd eine solche Gefahr für die Demokratie dar, wie dieser Text von Jürgen Habermas in den Blättern für deutsche und internationale Politik, der ja nur besonders herausragte im Mainstream. Einer der vier Redakteur*innen von den Blättern ist Albrecht von Lucke.

Er hatte einen nur leicht unterdrückten Tobsuchtsanfall, als im März 2021 der Professor für Philosophie an der LMU München, Hans-Martin Schönherr-Mann, sich kritisch mit der Coronapolitik beschäftigte. Den Angriff auf die Demokratie, die Verkehrung Kants, dass Pflicht nicht mehr auf Freiwilligkeit, sondern auf „Zwang“ beruht, hat Schönherr-Mann für diese Veranstaltung in Ulm[26] – „Demokratie: Auslauf- oder Zukunftsmodell“ – sehr schön in Worte gefasst[27] und seine massive Kritik am Corona-Regime im Mainstream zur Sprache gebracht.

1984 schrieb meine Philosophie-Dozentin an der Uni Tübingen der frühen 1990er Jahre Heidrun Hesse in ihrer Studie „Vernunft und Selbstbehauptung. Kritische Theorie als Kritik der neuzeitlichen Rationalität“ in Anlehnung an Max Horkheimer eine Kritik des „Physikalismus“, der nur eine „positivistische Wissenschaftstheorie“ sei:

„Nur was sich aus dem farbenfrohen, vielschichtigen Spiel der Einzelheiten isolieren, auf Gesetze zurückführen und damit in sie auflösen läßt, findet Beachtung. Und weil zahllose verschiedenartige Einzelfälle sich den festgestellten Gesetzmäßigkeiten mehr oder weniger glatt zu- und unterordnen lassen, ist dieses Wissen so ungemein erfolgreich. Die Kehrseite dieser frappierenden Universalität freilich ist ihr geschichtsblinder Totalitarismus. Das Wissen von allgemeinen Naturgesetzen zehrt davon, daß es Unterschiede eliminiert oder zumindest nivelliert.“[28]

Foto: privat

Heidrun Hesse hat 1985 in einem Text die autoritäre Option oder Dimension bei Habermas bereits angelegt gesehen, wenn sie schreibt:

„Wenn etwa Jürgen Habermas die Moderne verbissen für ein ‚Projekt‘ ausgibt, das unbedingt verteidigt und schließlich vollendet werden müsse, so beabsichtigt er zugleich, sie von ihren ‚Verirrungen‘ und angeblichen Verstiegenheiten zu kurieren. Nicht nur die technisch verblendeten Modernisierungszwänge des kapitalistischen Systems erscheinen in dieser Sicht als gefährliche Exzesse, sondern gleichermaßen die tastenden, aber unwiderruflich ver­nunft­kritischen Gegenbewegungen. Beide sollen exorziert werden, um die Moderne auf den vermeintlich einzig richtigen Weg zurückzubringen. (…)

Auf den versteckt-totalitären Charakter dieses Projekts kann uns jedoch gerade die ästhetische Revolte der Moderne aufmerksam machen, wenn wir ihre Widersprüche ernst nehmen und reflektierend zu durchdringen versuchen. Garantiert es nicht vielleicht einzig dem genormten Glück der Anpassung öffentliche Anerkennung, dem Lebenselixier jener blinzelnden letzten Menschen also, vor dem Nietzsche so graute, während widerspenstiger Subjektivität allenfalls ein eingezäuntes Reservat ohnmächtiger authentischer Künste zugewiesen wird?“[29]

Und noch ein Tübinger Buch gegen Habermas hat das autoritäre Moment von Habermas schon 1986 erkannt, der Autor Gerd Kimmerle schreibt:

„Anzumerken ist allerdings, daß auch die Theorie des kommunikativen Handelns das Verhältnis von Theorie und Praxis als Vormundschaftsverhältnis auslegt und sich deshalb Vorschriften zu erlassen gestattet, die veränderndes Handeln in die Grenzen der bürgerlichen Ideale und ihrer Antizipation richtiger Lebensformen einschließen wollen.“[30]

Foto: privat

Diese „richtige Lebensform“ hat Jürgen Habermas jetzt in der ZeroCovid-Ideologie gefunden: alles, wirklich alles muss vom Staat getan werden, damit keine „Infektion“ und kein Todesfall mit oder an Corona passiert. Wer sonst dabei stirbt, Millionen im Trikont zumal, ist irrelevant. Das ist wie bei einem Kabarettisten, der in einem Sketch über Vater und Sohn im Brustton der kommunikativen Vernunft posaunte:

„Ich hab dich immer zu Frieden und Gewaltfreiheit erzogen, aber wenn du nicht hören willst, dann schlag ich dir den Schädel ein!“

Das ist die Philosophie von Jürgen Habermas in Zeiten von Corona in Kurzform. Habermas bringt die Vernunft zur Raison, tötet sie ab.

Foto: privat

Gerd Kimmerle analysiert:

„Folgt man diskursethischen Erklärungen, muß man annehmen, der allgemeine Wille erzeuge sich (aus sich) selbst. Ihnen zufolge entsteht er nämlich als gesetzmäßige Selbstbeurteilung des individuellen Willens innerhalb diskursiver Willensbildungsprozesse, deren teleonome Reproduktionsmechanismen dem Einzelnen form­bildend vorausgesetzt sind.

Also stellt er eine zirkuläre Wechselbegründung von gesellschaftlichen und moralischen Notwendigkeiten dar, deren gemeinsame Intersubjektivitätsform im moralischen Bewußtsein ihren intrapsychischen Abdruck findet. Ihre Normen erheben, wie Habermas in der Nachfolge Kants darlegt, einen argumentationslogisch uneinlösbaren Universalitätsanspruch. Habermas bejaht die These, jede moralische Beurteilung sei durch moralische Grundsätze auf Unparteilichkeit verpflichtet. Dennoch verstößt er gegen sie. Seine vorgefaßte Meinung, nur diejenigen Normen seien verallgemeinerungsfähig, die gemeinsa­me Interessen verkörpern und insofern intersubjektive Anerkennung verdienen, enthält eine parteiliche Hin­sicht: die Einheit von moralischer und selbsterhaltender Sinnlichkeit des Interesses, die gegenüber allen anderen Existenzmöglichkeiten ausgezeichnet, ja als einzig mögliche Spiegelung von erlebter Sinnlichkeit in zeitübergreifend objektivierender Erfahrung gerühmt wird. Im sinn­de­ter­mi­nierenden Wechselverhältnis von Norm und Interesse wird Freiheit zur Vernunft gebracht.[31]

Jetzt, im pandemic turn und zu Zeiten Coronas, exorziert Habermas die Demokratie und will ganz konkret, quasi als rechtsphilosophische Handlungsanleitung für die Politik und die gesamte Richterschaft, vorneweg für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, die „Freiheit zur Vernunft bringen“: sie auslöschen. Jürgen Habermas kommt zu sich selbst[32] und wird der Vorbeter der Zeugen Coronas. Eine rationale Analyse der Coronakrise, von „Überwachen und Strafen“, der „Geburt der Klinik“ und der Medizinisierung der Welt wird eher Heidrun Hesse zitieren.[33]

***

Und so komme ich zurück auf den Historiker Norbert Frei, der mit Habermas im Gepäck von einem „Strukturbruch der Öffentlichkeit“ redet. Nun: was Sie hier gelesen haben, können Sie nur hier lesen oder natürlich gedruckt in dem Band „Pandemic Turn“. Aber in ganz normalen Mainstreammedien können Sie so etwas nicht lesen. Ja, gerade auch Anti-Habermas Intellektuelle haben angesichts von Corona großteils versagt und wurden zu irrationalen Verfechtern von Merkel, Scholz, Klabauterbach und Drosten.

Und das alles setzte sich dann mit der Ukraine-Krise fort, bis heute. Nur regierunstreue Autor*innen kommen zu Gehör, die ganz wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.

Der Islamismus kommt spätestens seit 9/11 als extremes Problem noch dazu, immer verbunden mit linkem Antisemitismus, die rot-grüne Achse, wie es der Historiker Robert S. Wistrich (1945-2015) nannte.

Die Reaktionen auf den präzedenzlosen Massenmord von Palästinensern an Jüdinnen und Juden am 7. Oktober 2023 im Süden Israels sind bis heute schockierend.

Jene, die sich gerade in der Corona-Zeit als die über allem Erhabenen vorstellten, die „Guten“, sind häufig auch Pro-Israel, obwohl es da krasse Ausreißer gibt und nach dem 7. Oktober fast alle im Mainsteam einen Ja, Aber-Antisemitismus vertreten.

Doch selbst jene, die gegen Antisemitismus sind, sind sehr häufig das Problem, warum? Das waren und sind die gleichen Leute, die irrational und fanatisch die unwissenschaftliche und antidemokratische Coronapolitik verteidigt haben und zwar mit einer Verve, dass einem schwindlig wurde und übel.

Viele haben auch den Ruf nach Waffen für die Ukraine und den aktiven Kampf gegen eine diplomatische Lösung mitgemacht, bis heute.

Schließlich sind sehr viele Leute – ich hab unzählige davon erlebt, früher als Leser*innen meines Blogs oder privat – die gegen die Corona-Maßnahmen waren oder sich gegen die irrationale und gemeingefährliche Ukraine-Politik wenden, gegen Israel oder verstehen nicht, was für einen Bruch im Leben Israels und der Juden der 7. Oktober war und ist. Während diese Leute bei Corona oder der Ukraine Irrationalismus, Fanatismus und das Antidemokratische erkennen, sind sie beim Thema Jihad und Antizionismus unfähig, Kritik zu üben. Beim Thema Israel sind sie antisemitisch oder ignorant, was de facto auf das Gleiche hinausläuft.

Doch die andere Seite, jene ach-so-Gebildeten, die überall Antisemitismus erkennen und gleichzeitig die zionistische und israelische Kritik an der irrationalen Coronapolitik ignorierten, die sind die eigentlichen menschlichen Wracks.

Jene, die Sarah Bosetti, die ZEIT, die SZ und Böhmermann abonniert haben.

Jene, die gerade zu Coronazeiten zeigten, dass sie nicht selbst denken können, nicht wissenschaftlich argumentieren wollen, sondern nur apportierten und bis heute apportieren, was der Staat sagt.

Jene, die den Millionen nicht gegen SARS-CoV-Gentherapierten ‚Schwurblerei‘ vorwarfen und das bis heute als soziales Todesurteil weiterhin vollstrecken, sind das eigentliche Problem. Für sie, nicht anders denn für die Rechten und Nazis, ist denunzieren ein Volkssport, gerade in meinem beruflichen Umfeld, der Pro-Israel Szene und der Antisemitismusforschungs-Szene.

Die a-sozialen Medien sind eine riesige Gefahr für die Demokratie, gerade von den Zeugen Coronas, die denunzierten und Menschen das Recht zu leben absprachen – Kritiker*innen der verfassungsfeindlichen Coronapolitik wurden als „Blinddarm“ geframt und somit zum Töten und ‚Herausschneiden‘ aus dem deutschen ‚Volkskörper‘ bestimmt. Andere faselten von „Madagaskar“, wohin man die Kritiker*innen der irrationalen Impf- und Coronapolitik leider nicht deportieren könnte. So etwas wurde auf Twitter, Facebook, Instagram oder in Podcasts im Mainstream publiziert.

Aber auch Nazis haben die a-sozialen Medien für sich entdeckt. Rechtsextremismus und Irrationalismus sind eine große Gefahr.

Doch wie gezeigt ist der staatstragende und viel gewalttätigere Irrationalismus der Zeugen Coronas und von deren Vorbetern wie Jürgen Habermas um ein vielfaches Gefährlicher und viel weiter verbreitet.

Niemand stört sich daran im Mainstream, weil doch nahezu alle mitmachen und eine Aufarbeitung zum Beispiel jenes hier analysierten Textes von Habermas bis heute ausbleibt. Dabei habe ich meine Studie „Pandemic Turn“ im Frühjahr 2023 publiziert, aber es hat im wörtlichen Sinne niemanden interessiert, was nicht wundert.

Und so bleibt mensch als linkszionistischer Kritischer Theoretiker im 21. Jahrhundert das, was Kritische Theoretiker, die auf der Höhe der Zeit sind, immer sind: alleine.

 

* Der folgende Abschnitt ist aus Clemens Heni (2023): Pandemic Turn. Antisemitismusforschung und Corona, Berlin: Edition Critic, S. 311-325.

[1] Eduard Moriz (Hg.) (1983): Nimm’s leicht, nimm Mich. Sponti-Sprüche No. 3, Frankfurt a.M.: Eichborn Verlag, o.P.

[2] Jürgen Habermas (2021): Corona und der Schutz des Lebens. Zur Grundrechtsdebatte in der pandemischen Ausnahmesituation, September 2021, https://www.blaetter.de/ausgabe/2021/september/corona-und-der-schutz-des-lebens#_ftn3.

[3] Andreas Rosenfelder (2021): Die Habermas-Diktatur, 11. Oktober 2021, https://www.welt.de/kultur/plus234125124/Corona-Politik-Die-Habermas-Diktatur.html.

[4] Habermas 2021.

[5] Ebd.

[6] „It’s a matter of quality, not quantity. That’s the gist of a new Israeli study that shows that unvaccinated people with a prior SARS-CoV-2 infection create antibodies that are more effective in the long run compared with others who were vaccinated but never infected“, Damian McNamara (2022): New Study Shows Natural Immunity to COVID Has Enduring Strength, 15. Februar 2022, https://www.medscape.com/viewarticle/968553.

[7] Cathrine Axfors/John P.A. Ioannidis (2022): Infection fatality rate of COVID-19 in community-dwelling elderly populations, European Journal of Epidemiology, Vol. 37, S. 235–249, https://link.springer.com/article/10.1007/s10654-022-00853-w.

[8] Habermas 2021.

[9] Ebd.

[10] Raphael Gross (2000): Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 164 f.

[11] Ebd., S. 166.

[12] Habermas 2021.

[13] Ebd.

[14] https://www.worldometers.info/coronavirus/.

[15] Habermas 2021.

[16] Martin Rolshoven (2021): Keine erhöhte Sterberate durch COVID-19, 21. Oktober 2021, https://www.uni-due.de/2021-10-21-keine-uebersterblichkeit-durch-corona.

[17] Ebd.

[18] Habermas 2021.

[19] David Leonhardt (2021): The Lab-Leak Theory. We have an explainer, 27. Mai 2021, https://www.nytimes.com/2021/05/27/briefing/lab-leak-theory-covid-origins.html.

[20] Michael R. Gordon/Warren P. Strobel (2023): Lab Leak Most Likely Origin of Covid-19 Pandemic, Energy Department Now Says U.S. agency’s revised assessment is based on new intelligence, 26. Februar 2023, https://www.wsj.com/articles/covid-origin-china-lab-leak-807b7b0a?mod=hp_lead_pos1.

[21] Julian E. Barnes (2023): Lab Leak Most Likely Caused Pandemic, Energy Dept. Says. The conclusion, which was made with “low confidence,” came as America’s intelligence agencies remained divided over the origins of the coronavirus, 26. Februar 2023, https://www.nytimes.com/2023/02/
26/us/politics/china-lab-leak-coronavirus-pandemic.html.

[22] „Wo liegt der Ursprung des Coronavirus? Diese Frage ist neben der Suche nach einem Impfstoff wohl der zentrale Punkt in den Forschungen rund um den SARS-CoV-2-Erreger. Hartnäckig halten sich Gerüchte und Vermutungen, wonach das Virus nicht natürlichen Ursprungs ist, sondern künstlich in einem Labor erzeugt worden wäre. Professor Christian Drosten, der Leiter der Virologie der Berliner Charité, kann da nur mit dem Kopf schütteln. Im NDR Podcast ‚Das Coronavirus-Update‘ erklärt er, warum diese Vermutungen und Gerüchte falsch sind“, „‘Kompletter Unsinn‘: Drosten widerlegt Labor-Theorie und bügelt Nobelpreisträger nieder“, 14. Mai 2020, https://www.focus.de/gesundheit/news/unsinn-drosten-widerlegt-labor-theorie-und-buegelt-nobelpreistraeger-nieder_id_11983555.html.

[23] Roland Wiesendanger (2021): Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie. Leiter der Studie und Verantwortlicher für den Inhalt: Prof. Dr. Dr. h.c. Prof. h.c. Roland Wiesendanger Universität Ham­burg, https://www.researchgate.net/publication/349302406_Studie_zum_Ursprung_der_Coronavirus-Pandemie/link/6029266592851c4ed56e5476/download. International wird die Lab Leak Theorie und die Gain-of-Function-Forschung kritisch diskutiert: „Later we found out that Dr Peter Daszak of the EcoHealth Alliance submitted a grant proposal in 2018, in collaboration with Wuhan colleagues, that included a plan to insert furin cleavage sites into novel Sars-like viruses for the first time. Something he forgot to tell us, incidentally. For about a year, scientists who had secretly thought that the virus could have escaped from a lab, and who had relied on inaccurate information to reject that hypothesis, colluded in telling the media that this was a debunked conspiracy theory. Despite instructing the rest of us to ‘follow the science’, these scientists were not doing so themselves. It is a scandal“, Matt Ridley (2022): Top virologists betrayed science with their Covid lab leak cover-up. Despite instructing the rest of us to ‚follow the science‘, these scientists were not doing so themselves. It is a scandal, 24. November 2022, https://www.telegraph.co.uk/news/2022/11/24/top-virologists-betrayed-science-covid-lab-leak-cover-up/.

[24] „Breit angelegte Diskussion als Ziel. Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie veröffentlicht“, 18. Februar 2021, https://www.uni-hamburg.de/newsroom/presse/2021/pm8.html.

[25] Rosenfelder 2021.

[26] „Ulmer Denkanstöße 2021: Prof. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann“, https://www.youtube.com/watch?v=nVLEUfXGJOw.

[27] „Prof. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann. Impulsreferate und Diskussionsrunde | 12. MÄRZ 2021, 14.00 – 16:30 UHR“, https://ulmer-denkanstoesse.de/hans-martin-schoenherr-mann/.

[28] Heidrun Hesse (1984)/1986: Vernunft und Selbstbehauptung. Kritische Theorie als Kritik der neuzeitlichen Rationalität, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 71.

[29] Heidrun Hesse (1985): Widersprüche der Moderne. Einwände gegen Habermas’ Konzept kommunikativer Rationalität, in: Gerhard Gamm (Hg.): Angesichts objektiver Verblendung. Über die Paradoxien kritischer Theorie, Tübingen: Konkursbuchverlag, S. 252–281, hier S. 253 f.

[30] Gerd Kimmerle (1986): Verwerfungen. Vergleichende Studien zu Adorno und Habermas, Tübingen: Konkursbuchverlag, S. 10, Herv. CH.

[31] Ebd., S. 179 f., Herv. CH.

[32] Auch Nachtwey und Amlinger – Carolin Amlinger/Oliver Nachtwey (2022): Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus, Berlin: Suhrkamp (Kindle Version) – stimmen Habermas‘ Staatsfetischismus zu und zeigen abermals, dass sie mit Gewalt, Autoritarismus, Grundrechtsaussetzungen und Zwang nicht nur keinerlei Problem haben, sondern sie sehr wohl begrüßen: „Jürgen Habermas hat argumentiert, Einschränkungen der Grundrechte seien gerechtfertigt gewesen, um das Leben der Bürger:innen zu schützen. Der Staat habe ‚schon aus funktionalen Gründen‘ Solidarität ‚erzwingen dürfen‘. So richtig Habermas hier aus unserer Sicht liegt [!!, CH], berücksichtigt er doch zu wenig, dass Solidarität seit dem Neoliberalismus nur noch in Spurenelementen zum impliziten Gesellschaftsvertrag gehört. In der Gesellschaftsvergessenheit der verdinglichten Freiheit hat sie kaum Platz“, Amlinger/Nachtwey 2022. Der Professor für Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) Mattias Kumm argumentierte gleich zu Beginn der Coronakrise exakt wie Habermas, er behauptete einfach, dass es nicht etwa verfassungswidrig sei, einen Lockdown zu machen, sondern ihn nicht zu machen, und das ohne jede epiedemiologische Kenntnisse, aber einer juristischen Anmaßung, Freiheitsrechte zu beschränken, die bezeichnend ist für den Zustand auch der Rechtswissenschaft in diesem Land: „Die Grundentscheidung vor über vier Wochen, der Corona-Pandemie mit einem weitgehenden Lockdown zu begegnen, war trotz der für die Nachkriegszeit präzedenzlosen Grundrechtseinschränkungen – bei aller berechtigter Kritik an Formalitäten (…) und auch einiger Einzelmaßnahmen (…) – grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Mehr noch, hätten die Bundes- und Landesregierungen einen Kurs verfolgt, der auf Grundrechtsbeschränkungen verzichtet hätte und der Pandemie freien Lauf gewährt hätte, um schnellstmöglich weitreichende Immunität und damit das relativ schnelle Ende der Pandemie bei möglichst geringem wirtschaftlichen Schaden zu erreichen, wäre eine solche Lösung auf der Basis der zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Datenlage möglicherweise eine verfassungswidrige Verletzung der staatlichen Schutzplicht gegenüber dem Recht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit potentieller Opfer der Kran­k­heit. Eine Fundamentalkritik des eingeschlagenen Kurses auf verfassungsrechtlicher Grundlage ist insoweit nicht nur verfehlt, es ist sogar umgekehrt so, dass jedenfalls die Grundrichtung des eingeschlagenen Weges verfassungsrechtlich geboten war“, Mattias Kumm (2020): Gegen obrigkeits­staatliche Tendenzen in der Krise. Massive Freiheitseingriffe und deren Grundrechtliche Rechtfertigung, 20. April 2020, https://verfassungsblog.de/gegen-obrigkeitsstaatliche-tendenzen-in-der-krise/. So etwas wird da auf dem Verfassungsblog publiziert, dabei wendet sich der Verfasser ja gegen die Verfassung und die Grundrechte, aber das ist natürlich Interpretationssache, wie so vieles bei Jurist*innen, womit sie sich auch herausreden. Aber die Anmaßung, zu wissen (!), was richtig und „geboten“ war, die ist zutiefst schockierend.

[33] Hesse 1985.

Grenzte die Coronapolitik ans „Totalitäre“? Der Direktor des Sozialgerichts Fulda kritisiert deutsche Richterinnen und Richter

Von Dr. phil. Clemens Heni, Politologe und Verleger, 22. Februar 2024

In Frankreich wird aktuell ein Gesetz geplant, das es Kritiker*innen und skeptischen Bürger*innen bei der Beurteilung von Impfstoffen oder vermeintlichen Impfstoffen bei Strafe untersagt, eine solche Kritik zu üben, ausgenommen ist die Presse. Das wird in Frankreich gemeinheim als „Pfizer“-Gesetz verschrien, doch im Parlament bekam es letztlich eine Mehrheit. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Es zeigt jedoch, dass die Aufarbeitung der juristischen, sozialen, demokratischen, psychologischen und demokratischen Folgen der Coronapolitik noch ganz am Anfang steht. Viele wollen da weitermachen, wo sie 2023 aufgehört hatten: beim nicht evidenzbasierten ‚Durchregieren‘ und Kaltstellen aller Kritiker*innen.

Dass Schweden laut der Weltgesundheitsorganisation von Mai 2022 in den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie weniger als halb so viel Übersterblichkeit zu verzeichnen hat als Deutschland, das Maskenwahnland versus dem maskenfreien Schweden, das erinnert niemand. Während laut WHO in Schweden 56 Personen pro 100.000 mehr starben, als zu erwarten war, waren es in Deutschland 116.

Dabei hätte wenigstens ausgebildeten Jurist*innen Folgendes in den Sinn kommen müssen, schon im Frühjahr 2020:

Wer im Herbst 2019 in einem juristischen Staatsexamen vertreten hätte, dass die Rechtseinschränkungen, die seit März 2020 durch allein exekutive Entscheidungen auf derart unbestimmten Ermächtigungsgrundlagen wie denjenigen des Infektionsschutzgesetzes vorgenommenen wurden, verfassungsgemäß sind, wäre durchgefallen. Völlige Verkennung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips sowie der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Parlamentsvorbehalt und zum Verhältnismäßigkeitsprinzip hätte der Korrektor moniert.

 

Das Zitat stammt aus einem Text des Direktors des Sozialgerichts Fulda Prof. Dr. Carsten Schütz vom 26. Oktober 2020 in der Fuldaer Zeitung.

Wenn wir heute die AfD in Sachsen in Umfragen als stärkste Partei mit über 30 Prozent sehen, dann zeigt das, was für ein Potential in Ostdeutschland der Rechtsextremismus und Populismus hat. Doch es geht noch darüber hinaus.

Eine grundfalsche Politik der letzten vier Jahre hat erheblich dazu beigetragen, immerhin bekam die AfD bei der letzten Bundestagswahl 2021 (die ohne Wahlkampf auskam wegen der Corona-Panik) ‚nur‘ etwas mehr als 10 Prozent der Stimmen (was schon katastrophal viel ist), aktuell liegt sie bundesweit in Umfragen bei ca. 20 Prozent.

Und das liegt auch an der Coronapolitik von Merkel und später Scholz. Dass in der Tat sehr viele rechtsextreme Portale die Kritik an der Coronapolitik zum Vehikel machten, um Massendemonstrationen zu organisieren, aber auch im Kleinen die politischen Kultur nach rechts, gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ‚das System‘ verschieben konnten, ist hinlänglich analysiert und zurecht kritisiert worden. Ich selbst habe viele Aspekte des Antisemitismus und Rechtsextremismus beziehungsweise Populismus und der Neuen Rechten wie der Querfront in Kreisen der Coronapolitik-Kritik analysiert und kritisiert, von Anbeginn (siehe Dutzende Texte sowie meine diesbezüglichen Bücher hier).

Dazu kommt dann die antidiplomatische Kriegs- und Ukraine-Politik. Dass es im März/April 2022 eine diplomatische Lösung zwischen Russland und der Ukraine hätte geben können, bestätigen viele aktiv Beteiligte, darunter auch führende ukrainische Verhandlungspartner, wie der Politikwissenschaftler, AfD- und Antisemitismus-Experte Professor Hajo Funke jüngst nochmal betont. Entscheidend für ein Fortführen des von Russland angefangenen Krieges waren jedoch England, namentlich Boris Johnson, die USA und die NATO. Die Ukraine selbst wäre an einer Erklärung ihrer Nicht-NATO-Mitgliedschaft bei Rückzug der russischen Truppen auf die Linien vor dem 24. Februar 2022 sehr wohl eingegangen, wie auch amerikanische Journalist*innen und diplomatische Kreise betonen, die Funke zitiert.

Der Glaubwürdigkeitsverlust der deutschen Bundesregierung hängst sehr stark mit dieser irrationalen und in weiten Teilen rassistischen, anti-russischen (und keineswegs nur und zu Recht Anti-Putin-) Linie zusammen. Viele wollen es ‚dem Russen‘ heimzahlen, dass die Rote Armee die Nazi-Wehrmacht besiegte und Auschwitz befreite.

In der Folge der irrationalen und brutalen Kriegsbegeisterung Deutschlands gab und gibt es eine Energiekrise nie geahnten Ausmaßes, die anhält und viele Millionen Bürger*innen konsterniert und fassungslos macht. Nicht alle heutigen AfD-Wähler*innen waren schon immer Rechtsextreme, soziale Umstände haben manche erst in die Hände einer ganz üblen Partei getrieben, die ja – wenn das nicht ironisch ist – gerade stolzdeutsch ist, aber Sympathien für autoritäre Regime aller Art hegt, inklusive Russland, obwohl doch ‚Opa‘ gegen ‚den Russen‘ kämpfte bis zur allerletzten Patrone.

Doch der Ukraine-Krieg, der ja bekanntlich schon im Frühjahr 2014 auf dem Maidan de facto losging, ist nicht der Kern des aktuellen Demokratieverlusts in Deutschlands oder Europas und dem Westen. Dazu kommt ein genuiner, ideologischer, neu-rechter, nationalistischer, antifeministischer, den menschgemachten Klimawandel leugnender Fanatismus von vielen, häufig männlichen Politikern und Aktivisten, weltweit. Sie beklagen vorgeblich Bürokratien, supranationale Organisationen oder aber Oligarchen auch im Westen, doch im Kern haben sie ein Problem mit Vielfalt, Demokratie und Dissens. Das erleben wir seit den 1990er Jahren.

Diesen neu-rechten Backlash haben wir also seit Jahrzehnten, mit einem Höhepunkt beim britischen Brexit 2016 und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ebenfalls im Jahr 2016.

In Deutschland führte der deutsch-nationale und schwarzrotgoldene Overkill des „Sommermärchens“ 2006 zu einer Stimmung, die sehr wohl die „Salonfähigkeit der Neuen Rechten“ (so der Titel meiner Dissertation an der Universität Innsbruck) anzeigte und einen wichtigen Schub für die Gründung der AfD im 2013 gab.

Dass Protest übrigens auch pfiffig, lustig und erfolgreich sein kann und eher links und Ultra-mäßig, zeigt am 21. Februar 2024 die Niederlage der Deutschen Fußball Liga (DFL) und ihrem Vorhaben, mit externen Investoren das ohnehin extrem durchkapitalisierte Fußballgeschäft noch weiter zu monetarisieren.

Tennisbälle, Goldtaler aus Schokolade, oder ferngesteuerte Autos auf dem Fußballrasen bis hin zu kleinen Flugzeugen, die im Stadion flogen, eingerahmt in Transparente aller Art, waren seit Wochen für unzählige Unterbrechungen von Bundesligaspielen verantwortlich. Dieser Protest hatte einen scharfen, aber auch lustigen und witzigen, humorvollen Drive. Und er war erfolgreich.

 

Doch die Pointe ist, dass auch die angeblichen Super-Demokraten wie die demokratischen Parteien im Bundestag und den Landtagen ein Problem mit Vielfalt und Dissens haben – das zeigte sich ab März 2020, als jeder Dissens und jede vielfältige Stimme, die nach Verhältnismäßigkeit oder Abwägen rief, auf brutale Weise niedergebrüllt wurde, von allen Politiker*innen, Talkmaster*innen und allen, wirklich allen Massenmedien und linken Postillen aller Art.

Dass es gerade auch in Israel Kritik an der Coronapolitik gab, wird bis heute so gut wie nirgendwo diskutiert, auch nicht in den pro-israelischen Kreisen. Weil das „Narrativ“ nicht passt, denn Kritik und Coronapolitik ergeben hierzulande Antisemitismus, das ist die reduktionistische Gleichung, auf die sich alle geeinigt haben, von der Wissenschaft bis zur gewaltbereiten Antifa („Wir impfen Euch alle!“).

Autoritarismus, Sexismus, Verschwörungsmythen, Antisemitismus, Nationalismus („Patriotismus“), Rassismus, männliche Gewalt und eine reaktionäre Familienideologie im Westen, Europa und Nordamerika, sind nur ein Spiegelbild des weltweiten muslimischen Extremismus und des Islamismus speziell seit dem 11. September 2001. Dabei ist das Ignorieren der riesigen Gefahr des illegalen, jihadistischen, wie des legalen Islamismus – wie Verschleierung, Beten an öffentlichen Orten wie Bibliotheken etc. pp. – auch Teil des Problems, weil gerade vorgebliche Linke sich nie um die Rechte anti-islamistischer Forscher*innen, Aktivist*innen, von Frauen oder Schwuler gekümmert haben, da jede – wirklich jede! – substantielle Kritik am politischen Islam als rechts schubladisiert wurde und wird.

Dabei ist die Kritik am Islamismus, dem Kopftuch, der Burka oder dem Ramadan zutiefst links. Emanzipation heißt nicht, dass Drogerie- und Supermärkte Ramadan-Kalender verkaufen (!), sondern dass die große Gefahr von Parallelgesellschaften und religiösem Fanatismus exakt mit dieser Ausbreitung des Islam zu tun hat. Es ist purer Wahnsinn, wenn Jugendliche in Schulen oder auf der Ausbildung vier Wochen tagsüber nichts konsumieren und dadurch gewalttätig, unkonzentriert und vor allem islamistisch werden, weil es ja ihre Religion ist, die ihnen diesen Verlust an Lebensqualität aufzwingt und sie das als freie Entscheidung missverstehen wollen. („Die Lehrenden sollten keine Rücksicht auf den Ramadan nehmen“, fordert die Berliner Anwältin und Moschee-Gründerin Seyran Ates im Interview mit n-tv.de.).

Das hat mit einem säkularen Islam, der im Westen angekommen ist, nichts zu tun. All das von linker Seite zu kritisieren, wäre endlich an der Tagesordnung, was viel mehr bringt als jeder „interreligiöse Dialog“. Das alles nicht zu sehen, treibt nicht nur dumpfe, sondern auch nicht mehr repräsentierte Bürger*innen mitunter zu den Nazis und den Rechten, was eine solche Wahl oder Parteipräferenz niemals entschuldigt, aber sozial und politisch in Beziehung setzt zu Entwicklungen in diesem Land.

Das alles spielt sich also auch in der Bundesrepublik ab und nicht nur in Frankreich oder Großbritannien. Aber der Kern des Demokratieverlusts in Deutschland war eindeutig der Pandemic Turn und die Coronapolitik von Angela Merkel, Olaf Scholz und nahezu der kompletten politischen, kulturellen, wissenschaftlichen und medialen Elite in diesem Land sowie weiten Teilen der Bevölkerung.

Die Corona-Krise war in erster Linie die größte Demokratiekrise seit Beginn der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949.

Der Pandemic Turn besagt, dass von heute auf morgen alles Leben stillgestellt werden kann, ohne jeden empirischen Grund dafür, ohne Beweise, ob diese oder jene „Maßnahme“ sinnvoll sind. Es wurde einfach totalitär gehandelt, anders kann man das nicht bezeichnen.

Der Jurist Carsten Schütz hat es im Herbst 2020 kommen sehen, im oben zitierten Text von Oktober 2020 schreibt er weiter:

Und letztlich: Die Spaltung der Gesellschaft gewinnt aktuell weiter an gefährlichem Nährstoff. Dies liegt auch daran, dass sich nicht unwesentliche Teile der Bevölkerung kaum mehr repräsentiert sehen. Diese Menschen mag man als „Spinner“ oder „Verschwörungstheoretiker“ abtun. Doch macht man es sich damit zu einfach, denn es gibt durchaus berechtigte, rationale Kritik an den aktuellen politischen Entscheidungen. Vor allem aber birgt es die Gefahr, dass diese Menschen von demokratiefeindlichen Gruppen vereinnahmt werden, weil ihre Positionen bei den anderen Parteien gar nicht mehr vorkommen. Das gilt es dringendst zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund ist ein Gedanke des Wiener Kunsttheoretikers Helmut Draxler von Interesse, den er in Heft 1/2024 der Zeitschrift Merkur (S. 17–27) zu Papier brachte.

In seinem Text über „Polarisierung und Ressentiment“ geht es aus psychoanalytischer und linker Sicht um eine Kritik an den üblichen links-liberalen und linken Ansätzen der Kritik am Trumpismus, der AfD oder dem Populismus. Auf Corona geht Draxler gar nicht ein, dabei würde seine Kritik gerade hier auch sehr gut treffen, wenn er ausführt:

Das heißt, das Ressentiment ist dort am stärksten, wo wir es nicht als ein solches erkennen können, wo es sich in den Formen der Askese, der Liebe, der Sympathie, des Mitleids, des Engagements für die moralisch gute Sache verbirgt. (S. 24)

Denn eine ganz große Volksgemeinschaft meinte ja 2020 bis 2023, die „moralisch gute Sache“ zu vertreten, also Abstand, Isolation, Atomisierung, Abschließung, Ausgrenzung, Maskenpflicht und Impfpflicht. A-soziales Verhalten wurde als „solidarisch“ verkauft, Unfreiheit als Freiheit, Zwang als Freiwilligkeit.

Das Motto war eindeutig, wie ich es in Worte fassen würde:

‚Wenn ich schon nicht maskenfrei herumlaufen will (!), dann soll das auch sonst niemand dürfen. Wenn ich nicht ins Theater, Kino, Stadion gehen will, weil ich panikzerfressen bin, dann soll auch sonst niemand ins Theater, Kino oder Stadion gehen dürfen.‘

Vor diesem Hintergrund fand am 21. Februar 2024 in Fulda die Veranstaltung „Die Corona Pandemie – ein Resümee, Akademieabend“ statt. Die rein männliche Runde, moderiert von zwei weiteren Männern der Fuldaer Zeitung, bestand aus Prof. Dr. med. Peter M. Kern, Immunologe, Chefarzt am Klinikum Fulda, Prof. Dr. Carsten Schütz, Direktor des Sozialgerichts Fulda, Generalvikar Prälat Christof Steinert, Bistum Fulda, Frederik Schmitt, Erster Beigeordneter und Gesundheitsdezernent des Landkreises Fulda.

Wer Texte von Carsten Schütz kennt, konnte sich einiges erhoffen. Doch die Hoffnung starb schnell.

Die unerträglichen, apologetischen und von Plastikwörtern der Verwaltungsbürokratie überlaufenden Auslassungen des Gesundheitsdezernenten (CDU) machten ein Zuhören schwer möglich, doch im Livestream konnte man im Gegensatz zur Veranstaltung einfach die „mute“ Taste drücken, sobald er zu Wort kam, was viel zu oft und viel zu lange der Fall war.

Ganz am Ende meinte dann noch Professor Schütz, dass es ihm beim Thema Verhältnismäßigkeit um richtig wichtige Dinge wie das Schließen von Geschäften, also Lockdowns, ohne jede empirische Basis gegangen sei und nicht um „Banalitäten“ wie die „Maskenpflicht“. Das zeigte leider, dass auch Carsten Schütz nicht wirklich ein Kritiker aller Maßnahmen war, denn die Kritik an der empirisch völlig evidenzfreien Maskenpflicht ist eine der allerersten und wichtigsten Kritiken.

Es gibt Menschen, die wegen dem Nicht-Aufziehen einer sinnfreien Maske ihren Job verloren haben, die Tausende Euro Disziplinarstrafen wegen Kritik am Irrationalismus von Staatsregierungen und am Maskenwahn bekamen. Manchen wurden wegen Asthma und schweren Vorerkrankungen Atteste ausgestellt, die dann von völlig fanatischen Richterinnen nicht anerkannt wurden, um ein Gerichtsgebäude zu betreten. Insofern war die Kritik am deutschen Maskenwahn alles, nur nicht eine „Banalität“, sondern überlebensnotwendig als soziales Wesen.

Zudem kommt hier das philosophische Von-Angesicht-Zu-Angesicht zu tragen, eine Gesellschaft von Maskierten ist ein durchgeknallter Maskenball einer homogenen pampigen Masse, aber keine heterogene und demokratische Gesellschaft.

Ohne Maske viel weniger Panik in der Öffentlichkeit, darum geht es. In Holland oder Schweden ging es auch ohne Maske und dort gab es weniger Panik und in Schweden weniger Tote an oder mit Corona (dass zumal Schweden bzw. seine kulturelle Elite aktuell wegen widerlicher antiisraelischer Hetze auffällt und Israel vom Song-Contest ESC ausschließen möchte, steht auf einem anderen, noch zu schreibenden Blatt).

Der regelrechte Hirnriss kannte schon zu Coronazeiten keine Grenzen – wenn eine Maske schützt, warum dann Angst vor maskenfreien Menschen? Weil die Maske eben gerade nicht schützt?

Wenn die Impfung schützt, warum dann Panik vor Ungeimpften? Weil die Impfung eben gerade nicht schützt? Und so weiter und so fort. Das ist das beliebte Regenschirm-Syndrom, wir alle kennen und lieben es.

Die Veranstaltung in Fulda jedoch war meines Erachtens ziemlich sinnlos, da die Zusammensetzung der Moderation – zwei affirmative Journalisten einer Lokalzeitung – und des Podiums es nicht ansatzweise zuließen, dass die Tendenz zum „Totalitären“, die Schütz noch in seinem Text in der Fuldaer Zeitung attackierte, zum Thema gemacht worden wäre.

Dafür hätten da wenigstens drei intellektuelle und scharfe Kritiker*innen sitzen müssen, um die beiden aalglatten, langweiligen Journalisten und den stellvertretenden Landrat auflaufen zu lassen. Aber so war es ein Heimspiel der Zeugen Coronas.

Wenn der Professor Kern meinte, anfangs sei gar nicht klar gewesen, wie hoch die Sterblichkeit sein würde, ist das eben nicht richtig.

Seit Anfang April 2020 (09. April 2020) wussten wir das und zwar aus der Studie von Prof. Streeck in Gangelt im Kreis Heinsberg, der mit seinem Team die Infektionssterblichkeit (in einem sog. Hotspot) mit 0,37 Prozent empirisch (!) gesichert erforschte. Gleichzeit hat ein Team in Kalifornien um Prof. Jay Bhattacharya die Infektionssterblichkeit in Santa Clara County mit 0,12 bis 0,20 Prozent erforscht (17. April 2020).

Zu diesem Zeitpunkt – April 2020 – sprachen die Panikindustrie wie das Robert Koch-Institut (RKI) oder die WHO von einer angeblichen Sterblichkeit von 3-4 Prozent. Unwissenschaftlicher, irrationaler und geradezu panikgeiler als das RKI oder die WHO konnte man zu diesem Zeitpunkt gar nicht arbeiten. Und alle Richter*innen, Medien und die Antifa klatschten!

Das hätte Prof. Kern aus Fulda sagen müssen – vier Jahre später, doch das hat er nicht gesagt, sondern insinuiert, man hätte es damals nicht wissen können, wie niedrig die Sterblichkeit liegen wird. Doch man konnte es wissen, wenn man sich die Anzahl der Infizierten anschaute und dann die Zahl der Toten, zudem derjenigen, die nicht nur mit einem positiven Test, sondern wirklich an dem Virus SARS-CoV-2 starben. Und diese Infektionssterblichkeit war von Anfang an in Deutschland extrem niedrig, siehe Gangelt in NRW. Die Grippe – Influenza – im Winter 1969/70 hatte laut RKI eine  Infektionssterblichkeit von 0,29 Prozent.

Die ungeheuren „Kollateralschäden“ auch der deutschen Coronapolitik im Globalen Süden waren kein Thema auf der Veranstaltung in Fulda, mit keinem Wort. Dabei reden wir hier von vielen Millionen Toten, die nicht hätten sterben müssen, wären nicht Lieferketten unterbrochen, Tourist*innen ausgeblieben, Grenzen und Schulen geschlossen und sogar wichtige herkömmliche Impfungen wie gegen Masern ausgeblieben. Doch das war wie gesagt überhaupt nicht auf dem Radar dieser Koryphäen aus Fulda in Hessen im Herzen dieser tollen Republik.

Dabei hatte Prof. Schütz vom Sozialgericht Fulda gleich zu Beginn einer demokratischen und juristischen, ja gesamtgesellschaftlichen Kritik viel Futter gegeben, als er meinte, zu Recht sei 2017 die NPD vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten worden, u.a. wegen GG Art. 20, Absatz 3, worin die Rechtsstaatlichkeit geregelt ist. Bekanntlich hatte das BVerfG geurteilt, dass V-Männer innerhalb der NPD ein rechtsstaatliches Verfahren unmöglich gemacht hätten. Doch Schütz interpretiert das nun so, dass ein funktionierendes Bundesverfassungsgericht die Coronapolitik der Bundesregierung wegen exakt diesem Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz hätte stoppen müssen. Die Coronapolitik war nicht rechtmäßig und nicht verfassungsmäßig. Doch das sei nicht passiert. Das war doch mal eine im besten Sinne polemische Steilvorlage!

Aber diese coole und interessante juristische Kritik wurde jedoch von niemand von der völlig überforderten Runde aufgegriffen. Insofern sprach Schütz in eine Leere – wäre da nicht das Publikum gewesen, das ihn großteils sehr wohl verstand und er bekam auch im Laufe der Veranstaltung den bedeutendsten Applaus. Hätte er einen auch nur ansatzweise ebenbürtigen Gesprächspartner (m/w/d) gehabt oder gleich zwei oder drei, hätte es eine interessante Veranstaltung werden können.

So bleibt sein jüngster Text in der Fuldaer Zeitung vom 10. Februar 2024, worin er schreibt:

Das in der ‚Corona-Zeit‘ zum Volkswissen gewordene ‚Verhältnismäßigkeitsprinzip‘ wurde genau für diese Differenzierung entwickelt. Damit steht das Recht schon im Grundsatz querdenkend zu den heutigen öffentlichen Diskussionen, die von einseitiger Verkürzung leben. Idealtypisch dafür war die ‚Pandemie‘: Handverlesene ‚Virologen‘ trafen Entscheidungen aus ihrer naturgemäß beschränkten Perspektive, die von den Regierungen unter dem Applaus nahezu sämtlicher Medien mit drakonischen Maßnahmen machtberauscht durchgesetzt wurden.

Screenshot, Fuldaer Zeitung, 10. Februar 2024

Er hatte weiter treffend in der Fuldaer Zeitung geschrieben:

Es genügte die spekulative oder falsche Behauptung, irgendeine Maßnahme sei sinnvoll (etwa die glatte Lüge, die Impfung bewirke den Schutz anderer). Es reichten hohle Schlagworte und die Erwähnung des zum legitimationslosen Alleinherrscher über die Freiheit des Individuums avancierten Herrn Drosten – damit blieb jede noch so absurde Freiheitsvernichtung bis hin zum Bundesverfassungsgericht unbeanstandet.

Und auch Aktivistinnen und Aktivisten gegen Nazis, die AfD, ja sogar die besonders kritischen und sensiblen, die auch gegen alle Formen des Antisemitismus, inklusive dem Antizionismus aktiv sind, haben bei der Corona-Pandemie jede irrationale, unwissenschaftliche und die Demokratie zerbröselnde „Maßnahme“ nicht nur bejubelt, sondern Kritiker*innen ganz pauschal ohne individuelle Evidenzprüfung als „Nazis“, „Schwurbler“ oder schlicht „Coronaleugner“ diffamiert. Das geht bis heute so.

Die Richterschaft in Deutschland hat in der Coronakrise komplett versagt. Das sagt Carsten Schütz, der ja selbst Richter ist, Direktor gar des Sozialgerichts in Fulda:

Doch gerade zu ‚Corona-Zeiten‘ wäre es richterliche Pflicht gewesen, zum Schutz des Einzelnen der Regierung Einhalt zu gebieten. Sie hatten die Aufgabe, die ‚Tyrannei der Mehrheit‘, die Alexis de Tocqueville bereits 1835 als Risiko der Demokratie beschrieben hat, zu verhindern. Dem haben sich die Richterinnen und Richter gerade dann, als sie wie nie zuvor gebraucht wurden, verweigert. Ausnahmen sind zu marginal, um dieses Urteil zu relativieren – oder sie werden gar wie in Thüringen strafrechtlich verfolgt.

 

 

Der Liedermacher Danger Dan, „Kunstfreiheit“, Irrationalismus und Corona

Von Dr. phil. Clemens Heni, 28. Juni 2023

[mit einem Update zu Christine Prayons Abschied von den Hetzportalen Heute-Show, Böhmermann etc.]

Ein 635 Wörter OP-Ed Text kann kurz und knapp auf den Punkt bringen, um was es geht. Aber eine tiefergehende Analyse zumal bei komplexen Fragen ist da kaum möglich. Also ist die Form des Essays die bessere, gerade in Zeiten, wo kaum jemand noch kritische Bücher liest und Podcasts, Songs oder Videos die einzigen Medien zu sein scheinen, die noch breit rezipiert werden.

Für selbst denkende Linke waren die Konsequenzen der unwissenschaftlichen, antidemokratischen und irrationalen Coronapolitik die größte Katastrophe ihres Lebens – denn plötzlich stoppten fast alle Bekannten oder Freund*innen wie der Mainstream das kritische Nachhaken. Plötzlich herrschte eine Volksgemeinschaft der Jasager, der Mitmacher und Mitläufer (m/w/d). Exemplarisch kann man das am neuen Liebling der kapitalistischen Kulturindustrie Danger Dan zeigen.

Klar hab ich früher auch die Antilopen Gang gehört („Aversion“, 2014, „Anarchie und Alltag“, 2017), wer hat das nicht als Linker?

Screenshot, https://www.laut.de/Antilopen-Gang/Alben/Aversion-94578/antilopen-gang-aversion-158331.jpg?42d7bd

Oder war ich damals schon Teil des links-spießigen Mainstream, der meinte dissident zu sein, wenn er im Auto-CD-Player auf dem Weg von Berlin an die Ostsee, also im Ossi-Feindesland, Feine Sahne Fischfilet oder die Antilopen Gang hörte?

Aber heute geht das ohnehin nicht mehr einfach so. Warum?  Darum: Der Lieblings-‚Antideutsche‘ der kapitalistischen Kulturindustrie ist seit 2021 der Rapper, Liedermacher und Klavierspieler Danger Dan, der jetzt sowohl als Bandmitglied der Antilopen Gang auftritt wie auch eine Solokarriere verfolgt. Er ist gegen Nazis (bravo), meistens auch gegen Polizeigewalt (bravo) und er ist ganz kategorial ein richtig Guter (bravo), weil er sowohl in der Hamburger Elbphilharmonie, der Berliner Wuhlheide als auch bei Jan Böhmermann (ZDF) auftritt.

Das sind die post-pubertären Zeilen eines Bubis mit Bomberjacke, Springerstiefeln und zwei gezeigten Stinkefingern auf der Bühne, am Piano sitzend, die ihn schlagartig für ein Massenpublikum berühmt machten, seit März 2021:

Angenommen, ich schriebe mal ein LiedIn dessen Inhalt ich besänge, dass ich höchstpersönlich fändeJürgen Elsässer sei AntisemitUnd im zweiten Teil der ersten Strophe dannWürde ich zu Kubitschek den Bogen spannenUnd damit meinte ich nicht nur die rhetorische FigurSondern das Sportgerät, das Pfeile schießen kann

(Danger Dan, Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt, 26. März 2021)

Das alles hat der super coole Daniel Danger Dan mit Hilfe von Anwälten juristisch klären lassen, es ist also alles von der „Kunstfreiheit“ gedeckt. Wahnwitzig mutig der Junge. Der traut sich was.

Daniel Danger Dan hat sein Nachplappern der Ideologie der deutschen Bundesregierung zu Zeiten der Corona-Pandemie wenig später, am 3. Mai 2021 in einem Gespräch mit dem Mannheimer Morgen klar auf den Punkt gebracht:

Danger Dan: Es wird irgendwelche Antilopen Gang-Konzerte unter Corona-Bedingungen geben, falls es nicht wieder zum Lockdown kommt. Aber ich finde das Problem um einiges größer, dass es Leute gibt, die auf Intensivstationen liegen und ersticken, als dass es keine Konzerte gibt. Und wenn man das gegeneinander aufwiegt, muss ich sagen, halte ich mich erst einmal zurück, bis wir alle durchgeimpft sind.

Screenshot, https://www.mannheimer-morgen.de/leben/treffen_artikel,-treffen-neu-liedermacher-danger-dan-spricht-ueber-erfolg-und-militanz-_arid,1792260.html

Dass es epidemiologisch und medizinisch keinerlei Zusammenhang gibt zwischen einem abgesagten Konzert junger Leute und der gesundheitlichen Situation von 86-jährigen im Altersheim, das reflektiert er so wenig wie Karl Lauterbach oder damals Jens Spahn. Es geht um einen hypermodernen Hygienismus, um ein Wort der schweizer marxistischen Feministin Tove Soiland zu verwenden.

Danger Dan spielt sich als super sensiblen Typen auf, dem es so richtig was ausmacht, „dass es Leute gibt, die auf Intensivstationen liegen und ersticken“ – was wiederum im Umkehrschluss heißt, dass Leute, die gegen Lockdowns waren, offenbar in seiner Wahrnehmung und jener der Bundesregierung kein Problem damit hatten, „dass es Leute gibt, die auf Intensivstationen liegen und ersticken“. Und das ist medizinischer und epidemiologischer Bullshit. Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang von Lockdown und der Situation auf Intensivstationen. Die Beziehung gibt es zwischen Vorerkrankungen, dem viel zu geringen Pflegepersonal in deutschen, nach kapitalistischen, betriebswirtschaftlichen Kriterien geführten Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und den häufig völlig falschen Behandlungsmethoden bei Covid-19 wie der invasiven Beatmung – siehe dazu die Debatte um das Moerser Modell.

Am 17. und 18. September 2021 fand im „Nazidorf“ Jamel im Mecklenburg-Vorpommern das bekannte antifaschistische Festival statt. Dort leben in der Tat auch völkische Siedler oder Nazis, gegen die man sich wehren muss. Doch auch hier zeigte sich der Irrationalismus, die Unwissenschaftlichkeit und der Fanatismus von Danger Dan und allen anderen Beteiligten. In einem Bericht heißt es:

Alle Teilnehmenden (Besucher*innen, Ehrengäste, Festivalhelfer*innen, Cateringanbieter*innen sowie Künstler*innen und deren Begleitpersonen sowie Medienvertreter*innen) mussten ihren 2G-Status nachweisen und waren angehalten, auf dem Festivalgelände zu allen Menschen, die nicht der eigenen Kohorte angehörten, einen 1,5-Meterabstand einzuhalten und die Maskentragepflicht einzuhalten.

Screenshot, https://www.betterplace.org/de/projects/65297-jamel-rockt-den-foerster-rockfestival-fuer-demokratie-und-toleranz/news/256080

 

Also mit der Impf-Apartheid und 2G gegen Nazis. Super Idee.

Menschen, die nicht so irrational waren und sich nicht haben spritzen lassen, einfach eine in die Fresse geben und nicht reinlassen. Super Idee.

Ja, das ist ein „Demokratie-Festival“.

Mit Ausgrenzung gegen jene, die auch andere, ja den Anderen ausgrenzen. Super Idee!

Und der Andere war von der ARD über Danger Dan hin zur Amadeu Antonio Stiftung – mit der ich früher auch bei antifaschistischen Buchprojekten kooperierte oder in deren Räumlichkeiten über Kritische Theorie und Israel referierte – der Ungeimpfte, ja das waren alle Kritiker*innen der nicht evidenzbasierten Coronapolitik.

Mit dem Irrationalismus der Zeugen Coronas gegen den Irrationalismus der völkischen Siedler, Esoteriker und Nazis. Super Idee.

Erinnern wir uns: jeder Geimpfte kann exakt so lange und intensiv ansteckend sein wie jede Nichtgeimpfte, wie wissenschaftlichen Studien wie aus den USA 2021 zeigten. Das war von Anfang an zu erwarten, da Pfizer aus den USA bei den Zulassungsstudien nicht sagte, dass die ‚Impfung‘ vor Übertragung schützen würde. Von Anfang an konnte man das wissen – wenn man denn an Wissenschaft und Forschung interessiert ist, doch die Medien und die Politik liebten die Panik und den Irrationalismus und vor allem das Fertigmachen der Kritiker*innen.

Dass die Maskenpflicht, die Lockdown- und Panikpolitik der Bundesrepublik Deutschland eine mehr als doppelt so hohe Übersterblichkeit als Schweden allein in den Jahren 2020 und 2021 einbrachte – so die sicher krass nationalsozialistische, mindestens rechtsextreme und Querfront- bis Querdenker-Weltgesundheitsorganisation (WHO) -, das hat der oberschlaue Bomberjacken-Daniel offenbar nicht mitbekommen.

Sich etwa selbst wissenschaftlich bilden oder wenigstens so ein paar Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungs- oder Gewerbefreiheit betonen und einfordern? Angesichts eines unsagbaren ‚Killervirus‘? Ehrlich? Nein, die Leute hörten lieber Lieder gegen die klar als Nazis zu erkennenden Rechten, als sich mit ihrer eigenen Ideologie des Fertig-Machens von über 10 Millionen Nichtgeimpften zu befassen, die als „Blinddarm“ geframt worden waren, also unnötig für den linken ‚Volkskörper‘. Kann man töten, diese über 10 Millionen Ungeimpften, warum auch nicht? Das ist der Fall Sarah Bosetti.

DA hätte Danger Dan, wäre er ein Linker, aufschreien müssen und ein Lied dichten, dann so etwas gab es in der Geschichte der BRD noch nicht. Aber was tat er? Einen billigen Song gegen Nazis machte er, den logisch alle im Mainstream super finden, das tut nicht weh, da zu johlen und sich als mega dissident zu fühlen, als echter Antifa.

Der extrem polarisierende Diskurs in der Gesellschaft speziell seit Corona im Jahr 2020, der Nationalismus und die Familienideologie nicht nur der AfD, die Steuerentlastung für Reiche, welche die AfD fordert, der Rassismus, die Anti-Gender-Hetze und Agitation gegen Kinderfreie und Windräder, aber auch die Politik der Bundesregierung (Corona, Ukraine, Energiepolitik) seit 2021 haben die AfD aktuell laut Umfragen auf ca. 19 Prozent bundesweit gebracht (Wahlergebnis bei der Bundestagswahl im September 2021 ergab 10,3 Prozent für die AfD). In Thüringen hat jetzt erstmals ein Kandidat der rechtsextremen AfD die Wahl zum Landrat gewonnen, auch wenn Sonneberg bundesweit der zweitkleinste Landkreis ist mit 56.000 Einwohner*innen. Der Rechtsextremismus und die AfD sind eine große Gefahr. Viele Wähler*innen sagen tatsächlich, dass sie aus „Protest“ gewählt hätten und eigentlich nicht AfD-Anhänger*innen seien. 2024 und die folgenden Jahre werden zeigen, wie sich das entwickelt. Widerstand gegen Nazis und die AfD ist also auf der Tagesordnung.

Aber im März 2021 als Danger Dan sein so dermaßen dissidentes und mutiges Lied dichtete, da ging die mit Abstand größte Gefahr für die Demokratie in diesem Land von der deutschen Bundesregierung, den 16 Landesregierungen und den zur irrationalen und brutalen Coronapolitik klatschenden Medien sowie der Antifa aus. Und heute, im Sommer 2023, geht von der deutschen Bundesregierung und ihren Waffenlieferungen an das Regime in Kiew auch eine extreme Gefahr aus. Das antidemokratische, autokratische Regime von Putin ist gefährlich und der Krieg muss sofort enden – aber die deutsche Bundesregierung will ja wie die NATO und die USA, England/UK oder die Polen und baltischen Staaten, dass er so lange weitergeht, bis Russland besiegt ist. Über die Mitschuld der NATO an der Eskalation seit den 1990er Jahren und über die Straßen und Denkmäler in der Ukraine, die nach Antisemiten und Nazi-Kollaborateuren benannt werden, bis heute, spricht kaum jemand.

Andere spielten im Jahr 2021 mit der Idee, diese über 10 Millionen Menschen, die Ungeimpften, der Andere unserer Zeit schlechthin, doch nach – Achtung – „Madagaskar“ zu deportieren, was allerdings rein logistisch und überhaupt leider nicht gehen würde.

Wenn dazu Methoden nötig sein sollten, wie sie die Vorgänger der völkischen Siedler auch im Portfolio hatten, kein Problem. Es geht schließlich um das „Leben“ und die „Gesundheit“, was zählen da schon die Menschen- und Grundrechte dieser über 10 Millionen nicht gegen SARS-CoV-2 ‚Geimpften‘?

Die natürlich nicht falschen, aber gleichwohl spätpubertär-machistischen, mit Gewalt liebäubelnden Liedtexte gegen Nazis von Danger Dan wenden sich sodann gegen die Coronapolitik kritische Bewegung und reduzieren diese komplett auf ein Konglomerat aus Nazis, Antisemiten und Verschwörungsideologen. In seinem Lied „das schreckliche Buch“ geht es um antisemitische Verschwörungsmythen und Trump-Anhänger in der Anti-Coronapolitik-Szene. Dass es tatsächlich Nazis, Antisemiten und linke oder Querfront Verschwörungsideologen in dieser Szene gibt, haben wenige so detailliert analysiert und kritisiert wie ich selbst und das seit März 2020 kontinuierlich.

Aber Danger Dan argumentiert oder singt völlig reduktionistisch und macht es sich ganz einfach, weil ich keinen einzigen Liedtext seit 2020 finden konnte, wo er sich mit der von der Big Pharma Firma Bayer so bezeichneten „Gentherapie“, die die Corona-‚Impfung‘ tatsächlich darstellt, kritisch auseinandersetzt oder auch nur minimal Kritik an den vielen Facetten der antidemokratischen bis totalitären Coronapolitik übt.

Er scheint wirklich überhaupt keine Ahnung davon zu haben, was diese Coronapolik für Hunderte Millionen Menschen in Afrika oder Asien, im globalen Süden bedeutete. Und von den psychischen Verwerfungen, den Suiziden und der häuslichen Gewalt im friedlichen Deutschland hat er auch keine Ahnung oder er hat sie, aber ignoriert sie ganz bewusst, weil er sonst kein Verharmloser oder gar Anhänger von Lockdowns sein könnte.

Jeder halbwegs vernünftige Mensch konnte nicht glauben, mit welcher Obsession deutsche Polizisten in Hamburg einen Jugendlichen mit dem Polizeiwagen durch einen Park jagten, weil der Jugendliche Kumpels mit Körperberührung begrüßt hatte.

Jeder halbwegs vernünftige Mensch konnte ebenso wenig glauben, dass Restaurants und Veranstaltungsorte lachend und brüllend Menschen nicht hineinließen, die keine läppische und epidemiologisch sinnlose Maske trugen und nicht geimpft waren (oder „genesen“).

Ich habe keine einzige Äußerung von Danger Dan oder kaum einem anderen Mainstream-Liedermacher oder Musiker (m/w/d) zu all diesen antidemokratischen und medizinisch vollkommen sinnlosen Verhaltensweisen gehört. Eine der ganz wenigen Ausnahmen ist der Liedermacher Hans Söllner – das ist eine ganz andere Liga als der angebliche Linke Danger Dan, auch wenn ich entgegen Söllner für ein Verbot (wie an Schulen) von Burkini, Kopftuch, Burka und Maske wäre:

Denn Danger Dan übernimmt wie zitiert das Mainstream-Gerede von „durchgeimpft“. Klar, so kriegt man Liebesbriefe von Karl Lauterbach oder Jan Böhmermann, der seine Ressentiments gegen manche Juden und seine Vorliebe für Desinfektionsmittel

Screenshot, https://www.welt.de/vermischtes/article183145496/Neo-Magazin-Royale-Jan-Boehmermanns-lautes-Schweigen-zu-Oliver-Polak.html

schon lange vor Corona zum Ausdruck brachte, wie der Kabarettist Oliver Polak festgehalten und kritisiert hat.

Screenshot, https://www.suhrkamp.de/buch/oliver-polak-gegen-judenhass-t-9783518469842

 

Screenshot, https://www.zeit.de/2021/19/danger-dan-rapper-kunstfreiheit-politische-musik/seite-2

Es gibt epidemiologisch überhaupt keine Beziehung von abgesagten Konzerten und Menschen, die auf der Intensivstation landen mit einem positiven Test auf SARS-CoV-2 oder der Krankheit Covid-19. Keinerlei Zusammenhang. Vielmehr führten gerade der erste Lockdown, aber auch die späteren, zu vielen Tausenden Toten – alte oder kranke Menschen, die an Einsamkeit starben. Und das wäre vermeidbar gewesen, wenn die Politik und die Gesellschaft auf die kritischen Stimmen von Mediziner*innen gehört hätten. Aber sie hörten sich lieber selbst und spielten Lieder von Danger Dan.

Danger Dan hat einfach kein Interesse an evidenzbasierter Medizin und an einer rationalen Coronapolitik. Er badete wie seine Hunderttausenden Fans lieber im Irrationalismus, den sie nur bei den Nazis zu sehen vermochten – weil sie zu Hause keine Spiegel hängen haben.

Danger Dan macht keine radikale Gesellschaftskritik mehr, sondern, so der Freitag, Musik für das gute Gewissen. Wie größenwahnsinnig, irrational und lächerlich wirkte schon früher die Liedzeile der Antilopen Gang „Atombombe auf Deutschland“ – also alle töten – und jetzt im Ernstfall heult Danger Dan rum, dass zu viele Menschen auf den Intensivstationen liegen würden. Man kann diese Art von Musik also nicht ernstnehmen. Entweder sie wollen, dass möglichst viele Deutsche sterben – oder sie wollen es nicht.

Dafür wird diese Art von Verbalradikalität gefeiert und prämiert, ich selbst hörte es ja früher auch.

Dabei ist Danger Dan immerhin und das ist wirklich sehr wichtig, gegen die antisemitische BDS-Bewegung und für Israel, das ist hervorzuheben. Aber die Anti-Coronapolitik-Demonstration wie in Kassel im März 2021 hatte auch wenigstens zwei Israelfahnen bei sich. Alles Antisemiten und Nazis? Auch diese Demo war ja im März 2021, exakt zu der Zeit als Danger Dan so super toll komponierte in seiner Quarantäne.

Was für ein autoritäres Verhalten schlummerte da in Danger Dan und all den anderen affirmativen Staats- und Merkel-Lauterbach-RKI-Drosten-Fans? Das sollte mich als Linken und Antifa doch skeptisch machen, oder nicht, da ich Danger Dans Musik früher auch hörte?

Das ist der pandemic turn: aus zuvor wirklich gesellschaftskritischen Menschen wie Danger Dan wurden Menschen, die die irrationaliste, dümmste, aggressivste und perfideste massenwirksame Ideologie in der gesamten Geschichte der BRD internalisierten und als alternativlos darstellten und mitmachten. Sie wurden zu Mitläufern. Dass diese Politik gerade den alten Menschen, den Behinderten und Hunderttausenden weiteren, die regelrecht eingesperrt wurden in Alten- und Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen und anderen zivilen Gefängnissen sozusagen, dass diese Politik diesen Menschen massiv geschadet hat und viele zu Tode kamen, darüber singt Danger Dan nicht. Denn dann müsste er über sein eigenes Versagen singen, keine Kritik am totalitären Coronakurs von Angela Merkel oder Olaf Scholz und den 16 Landesregierungen geübt zu haben.

Ich habe im März 2021 viele Texte zur Coronapolitik publiziert. Es ging zum Beispiel um ein Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg in Baden-Württemberg, das eine Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg als verfassungswidrig verurteilte. Ich berichtete von einer wissenschaftlichen Studie der UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, dass in den Ländern Afghanistan, Nepal, Bangladesh, Indien, Pakistan und Sri Lanka demnach 228.000 Kinder unter 5 Jahren wegen der Lockdownpolitik an Hunger, massiv verschlechterter Gesundheitsfürsorge und weiteren Faktoren gestorben waren.

Das sind die von der Politik, den Medien und der Antifa goutierten „Kollateralschäden“ der Coronapolitik. Im gleichen Monat März 2021 berichtete ich von der stalinistisch-totalitären Kampagne der Antifa „Wir impfen euch alle!“. DAS war die Gefahr zumal für Linke im März 2021 – und nicht die Nazis oder Neuen Rechten, die im März 2021 keine besondere oder neue Gefahr darstellten.

Angesichts von nie dagewesener Gefahr für das Leben der Menschen in der BRD durch Lockdowns und Maskenpflicht und den vom World Food Programme befürchteten 270 Millionen extra Hungernden im globalen Süden, die nur deshalb in diese lebensbedrohliche Gefahr kommen konnten, weil es die unsagbar irrationale und brutale Coronapolitik Deutschlands und fast aller Länder gab, also das Wegbrechen von prekären Tagelöhnerjobs, von internationalen Lieferketten, das Schließen von Grenzen und das Ausbleiben von Tourist*innen, agitiert Danger Dan mega mutig gegen Nazis.

Dabei waren nicht Nazis für Grenzschließungen, Lockdowns und das Hineinmanövrieren von Hunderten Millionen Menschen in den Hunger verantwortlich, sondern die ach-so-demokratischen Regierungen in Europa, den USA, den hardcore ZeroCovid-Ländern Australien und Neuseeland und natürlich das totalitäre China und viele autokratische Regime in Afrika, Asien oder Lateinamerika.

Die Rechten in Deutschland waren überhaupt nicht an der Regierung und hatten keine einzige Corona-Maßnahme zu verantworten, auch wenn manche es vielleicht gerne getan hätten – denn anfangs war die AfD sehr stark für Corona-Maßnahmen und Grenzschließungen, erst als sie merkten, dass ihre Anhängerschaft gegen die Maßnahmen ist, schwenkte die Parteiführung um.

Wobei Alexander Gauland exakt so geimpft ist wie Danger Dan, der seine Impfung ja wie zitiert herbeisehnte. Gauland und Danger Dan im gleichen Boot der Geimpften, das ist mal lustig:

Screenshot, https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-alexander-gauland-gegen-covid-19-geimpft-17299099.html

In meinen Texten zur Kritik der Coronapolitik zeigte ich immer wieder positive Gegenbeispiele, wie man es hätte anders machen können, vorneweg natürlich Schweden, aber auch Beispiele von Public Health-Forscher*innen und Mediziner*innen aus Israel, den USA oder England oder verwies auf eine aktualisierte Lektüre von anti-autoritären Texten von Adorno, Horkheimer, Peter Brückner oder Ulrich Sonnemann und natürlich Ivan Illich.

Es ist kein Zufall, dass dann im April 2021, als der Hype um Danger Dan so richtig begann, die bedeutendste Aktion überhaupt, die es zur Kritik der Coronapolitik gab, die Video-Kampagne #allesdichtmachen, publik wurde. Das war Kritik, das war Kunst, das war mutig.

Exakt zu der Zeit, als Danger Dan im selbst gewollten Wachkoma lag und fantasierte, dass die größte Gefahr im Frühjahr 2021 von Nazis und der AfD ausgehen würde.

In meinem Buch „Die unheilbar Gesunden“ sind die Texte des Monats März 2021 inkludiert, im Personenverzeichnis des Bandes finden sich logisch auch Einträge zu den Neuen Rechten wie Elsässer, Kubitschek oder Gauland, auch Ken Jebsen kommt natürlich vor. Doch im Gegensatz zu Pseudo-Linken wie Danger Dan, die nur auf die Rechten schauen und zur mörderischen Lockdown- und Coronapolitik schweigen, habe ich genauso kritisch die totalitäre Coronapolitik von Angela Merkel, Olaf Scholz und allen anderen im Blick.

Diese unerträgliche Selbstverliebtheit der Linken und der Kulturszene, namentlich von Danger Dan im März 2021 und in der gesamten Zeit der Corona-Pandemie zeigt auf erschütternde Weise, wie eigentlich kritische Menschen zu völlig fakten- und kritikfreien Mundstücken des Staates mutieren konnten. Aber es ist weit mehr. Es ist eine gewollte Verweigerung, der nicht evidenzbasierten, demokratiefeindlichen und verfassungsfeindlichen Coronapolitik ins Auge zu sehen. So werden Mitläufer (m/w/d) produziert und sie produzieren sich selbst.

Es ist eine Verweigerung zu erkennen – noch 2023 und die kommenden Jahre, wie zu befürchten ist – dass sie alles falsch gemacht haben, die Zeugen Coronas. Lockdown, Quarantäne, Maske, Impfung, Impf-Apartheid, Oma zwangsisolieren im Altersheim und sich wundern, dass sie nicht an Covid-19, sondern an Erschöpfung und Einsamkeit starb. In England und Wales starben allein im Frühjar 2020 10.000 an Demenz erkrankte Menschen aus Erschöpfung und Einsamkeit, sie drehten schlichtweg durch, weil kein Mensch sie mehr besuchte.

Und diese Verbrechen hat ein Danger Dan so wenig im Blick wie nahezu 100 Prozent der deutschen linken Szene und kulturellen Elite, mit ganz ganz wenigen Ausnahmen, vorneweg NENA, die ebenfalls im März 2021 angesichts der Anti-Coronapolitik-Demo in Kassel (mit den Israelfahnen) schrieb: „Danke, Kassel“.

Screenshot, https://www.welt.de/vermischtes/article229028483/Nena-auf-Instagram-nach-Anti-Corona-Demo-Danke-Kassel.html

 

Für Linke und Intellektuelle wie mich und einige vereinzelte andere ist das Verhalten von Danger Dan, der nur besonders exponiert dasteht als Exemplar der linken Szene, eine Katastrophe, weil es kaum noch Menschen gibt, die man ernstnehmen oder mit denen man rational diskutieren kann. Beim Thema „Nie wieder Krieg ohne uns…“ und die Ukraine geht es gerade so einseitig, nun antidiplomatisch und militaristisch weiter.

Solange es keine kritische Aufarbeitung der gesamten Coronapolitik gibt, die in Deutschland von A bis Z komplett irrational, medizinisch nicht evidenzbasiert, juristisch verfassungsfeindlich und insgesamt antidemokratisch bis totalitär war, wird es keine Hoffnung auf eine Demokratie, geschweige denn eine linke Revolution in diesem Land mehr geben. Das ach-so-sozialistische Kuba ist eine Diktatur und war während Corona ein besonders brutales Regime, wie Menschenrechtsorganisationen festhalten.

Ja schlimmer noch: Solange eine solche Aufarbeitung ausbleibt, droht uns allen beim nächsten Virus oder Katastrophenfall (Hitze, Hochwasser, Krieg etc.) wieder die exakt gleiche irrationale, nicht evidenzbasierte und totalitäre Coronapolitik, von Lockdowns, Ausgangssperren, Wasser- oder Strom- und Heizspar-Aktionen, Grenz- oder Hallenbadschließungen, Reisen nur mit Impfpass (2G oder 1G) bis hin zu Masken- und Impfwahn, respektive dem Durchsetzen der Gentherapie oder Energiepässen etc. pp. Den biopolitischen Zumutungen und transhumanistischen technokratischen Fantasien sind keinerlei Grenzen mehr gesetzt.

Von daher gilt gleichwohl: auch ein total mainstreamiger Sänger wie Danger Dan kann wieder ein Linker oder Gesellschaftskritiker werden, wenn er denn endlich anfinge, sich selbstkritisch mit seiner eigenen Vergangenheit und Gegenwart als Unterstützer der brutalsten, irrationalsten und antidemokratischsten, medizinisch nicht evidenzbasierten Politik in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und den Zeugen Coronas zu beschäftigen.

Noch ist es nicht zu spät. Oder eben doch.

Update, 21:50 Uhr:

Das wäre mal was zum Nachdenken für den Böhmermann-Kumpel Danger Dan:

Es gibt sie doch weiterhin, die linke Kritik von Mainstream Kabarettistinnen, hier die Klimaflüchtlingsfrau aus Stuttgart Christine Prayon, die jetzt im Nord-Osten der Republik lebt und viele Jahre bei der Heute-Show mit dabei war und endlich Tacheles redet über die regelrechte Hetze und das staatsaffirmative Gelalle, das man spätestens seit Corona und dem Ukraine-Konflikt bei Oliver Welke, Jan Böhmermann oder der Anstalt sehen kann. In einem aktuellen Interview mit der Kontext Wochenzeitung aus Stuttgart sagt sie:

Ich habe mit der Art, wie die großen gesellschaftlich prägenden Themen seit Corona behandelt werden, zunehmend Bauchschmerzen bekommen. Ich habe auch mit den Verantwortlichen dort geredet und betont, dass ich mich nicht daran beteiligen will, Andersdenkende der Lächerlichkeit preiszugeben. Satire darf sich nicht daran beteiligen, den Diskurs zu verengen. Und jetzt findet genau dies wieder statt beim Krieg in der Ukraine. Da werden Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt und gleichzeitig wird Stimmung gegen Andersdenkende gemacht. Das hat nach meinem Dafürhalten nichts mehr mit Satire zu tun.

Screenshot, https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/639/birte-spielt-nicht-mehr-mit-8943.html

Die Fragen des Kontext-Magazins sind nicht sehr durchdacht, man merkt, dass da wenig Wissen über den Irrationalismus der Zeugen Coronas vorhanden ist. Aber Christine Prayon hat dieses Wissen und sie merkt, wie Ausgrenzung, die Diffamierung des Anderen hier und heute funktioniert:

Warum? Böhmermann ist doch mit seinem Rechercheteam gut dabei, Missstände aufzudecken.

Auch er hat die gängigen Narrative verstärkt. An eine Sendung kann ich mich noch gut erinnern. Da ging es um Nichtgeimpfte, und dann lehnte er sich zurück und zeigte zwei Stinkefinger. Ich dachte, wie kann man das machen?

Screenshot, https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/639/birte-spielt-nicht-mehr-mit-8943.html

Und für dieses Interview und das Betonen, dass man „raus ist“, wenn man luzide Kapitalismuskritik übt, ein herzliches Dankeschön an Christine Prayon!

StaatsTheater: der linke Angriff von Peter Laudenbach auf kritische Mainstream-Schauspieler:innen

Von Dr. phil. Clemens Heni, 22. Juni 2023

 

Der Berliner Theaterkritiker der Süddeutschen Zeitung, Tourismuskritiker und Buchautor Peter Laudenbach („Die elfte Plage. Wie Berlin-Touristen die Stadt zum Erlebnispark machen“, Edition Tiamat 2013) hat jüngst im Wagenbach Verlag ein kleines Buch publiziert: „VolksTheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“. Ulrich Seidler hat für die Berliner Zeitung im April 2023 das wichtige und gegen die AfD und deren „Kulturkampf“ gerichtete Buch positiv besprochen. Aber hat er womöglich etwas übersehen in dem Buch?

Foto: privat

Laudenbach hat für die Süddeutsche Zeitung seit Jahren Angriffe von Rechten auf Theater, Lesungen, Galerien und alle möglichen aus Sicht von Nazis oder Neuen Rechten als ‚links‘ oder nicht deutsch-genug kategorisierten Einrichtungen dokumentiert.

Screenshot, https://www.sueddeutsche.de/kultur/von-sz-autoren-peter-laudenbach-ueber-rechte-kunsthasser-1.5776180

In dem Buch gibt es am Ende eine ausgewählte Liste solcher Übergriffe, zum Beispiel demonstrierten Neonazis im Oktober 2021 in Zwickau mit Transparenten vor einer Vernissage des Kunstvereins „Freunde aktueller Kunst“, 2019 schon brüllten Neonazis dort, dass dies eine „deutsche Galerie“ sei und kein Platz für „Ausländerinnen“, was die Rechten dann auch ändern würden, wenn sie an die Macht kämen. Die ausgewählte Chronik schockierender Angriffe von Rechtsextremen auf die Kulturszene reicht von November 2016 bis Oktober 2021. Sprengstoffanschläge, das Anzünden einer Scheune im mecklenburgischen Jamel oder Anträge der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zur Kürzung der Zuschüsse für das Deutsche Theater Berlin werden in dem Buch aufgeführt. Es ist sehr wichtig, sich gegen die AfD zu positionieren, daher habe ich 2017 mein Buch „Eine Alternative zu Deutschland“ exakt zu dem Zeitpunkt publiziert, als die AfD erstmals in den Deutschen Bundestag einzog.

Mit Hunderten weiteren Linken, Kritiker*innen und Antifas habe ich damals unweit vom Alexanderplatz an der Ecke Otto-Braun-Straße / Karl-Marx-Alle gegen die AfD, die dort in einer Location ihren Einzug in den Bundestag feierte, demonstriert.

Meine Doktorarbeit an der Universität Innsbruck in Österreich hatte ich 2006 zur Gefahr der „Salonfähigkeit der Neuen Rechten“ geschrieben, just zum Zeitpunkt der Abgabe im Juli ereignete sich das nationalistische „Sommermärchen“ während der Fußball-WM der Männer in Deutschland. Die ARD-Sportschau kontaktierte mich daher jüngst, zitiert mich in einem Beitrag ein Jahr vor der Euro 2024 und schreibt:

‚Nationalismus und Fußball toxische Mischung‘

Dr. Clemens Heni war einer derjenigen, die sich an dem schwarz-rot-goldenen Overkill mit kleinen Flaggen an Autospiegeln, gedruckten Flaggen auf Chipstüten und Backwaren, geschminkten Flaggen im Gesicht und großen Stoffflaggen schon damals störten. Heni ist Politikwissenschaftler. Er forscht mit Schwerpunkten über Antisemitismus und die Neue Rechte.

‚Das war damals kein gesunder Patriotismus, wie immer behauptet wird. Der ist in Deutschland auch schwer denkbar, weil er immer mit einer Abwertung des Gedenkens an den Holocaust einhergeht‘, so Heni.

Screenshot, https://www.sportschau.de/fussball/uefa-euro-2024/euro-2024-sommermaerchen-wm-2006-100.html, Text von Marcus Bark, Ein Jahr vor der EM 2024 Gelingt ein zweites „Sommermärchen“? Stand: 15.06.2023 10:09 Uhr

Peter Laudenbachs jahrelanges Dokumentieren und Analysieren der rechten, neu-rechten oder rechtsextremen Angriffe auf die Kulturszene sind von daher von großer Bedeutung.

Und dennoch bleibt ein sehr bitterer Beigeschmack bei der Lektüre des Buches „VolksTheater“. Warum? Es liegt an folgender Passage auf den Seiten 92 und 93. Eingebettet in eine notwendige und richtige Kritik am AfD-Kulturpolitiker Marc Jongen und an rechten Schriftstellern wie Botho Strauß und Uwe Tellkamp sowie dem rechtsextremen Netzwerker Götz Kubitschek schreibt Laudenbach nämlich Folgendes:

Die oben erwähnten, vielleicht etwas übergriffigen Versuche, Künstler:innen als Demokratiebotschafter:innen in Anspruch zu nehmen, übersehen, dass kleine und große Künstlerpersönlichkeiten nicht aufgrund von Berufswahl und Talent automatisch vor politischer Unzurechnungsfähigkeit oder irrlichternden Einstellungen gefeit sind. In jüngerer Zeit demonstrierten beispielsweise Schauspieler:innen, die sich zu Propagandist:innen der Coronaleugner:innen machten, oder ein Teilnehmer der documenta 2022, der den Bundeskanzler als ‚faschistisches Schwein‘ beschimpfte, lautstark ihre selbstbewusste Verwirrung.

Ich habe das absichtlich komplett zitiert, damit nicht wieder jemand behaupten kann, da sei etwas „aus dem Zusammenhang“ gerissen. Mit diesem Zitat meint Peter Laudenbach offenkundig, dass Schauspieler*innen der Aktion #allesdichtmachen von April 2021 wie Nina Gummich, die jüngst sehr schön in einem ARD-Zweiteiler die Feministin Alice Schwarzer der frühen 1970er Jahre spielte oder die Tatort-Schauspieler Ulrich Tukur, Felix Klare, Jan-Josef Liefers oder Cem Ali Gültekin und Dutzende weitere keine „Demokratiebotschafter:innen“ mehr seien, sondern eben „Propagandist:innen der Coronaleugner:innen“.

Laudenbach ist raffiniert oder eben perfide und feige, er sagt nicht, welche Schauspieler*innen er genau meint. Aber ganz sicher werden seine Leser*innen exakt wissen, wen er meint, da es nur eine sehr bedeutende Aktion von Mainstream-Schauspieler*innen gab, die die ganze Republik bewegte: #allesdichtmachen von Ende April 2021.

Der Schauspieler Cem Ali Gültekin war mit einem Beitrag bei #allesdichtmachen dabei:

Meint Peter Laudenbach also auch Cem Ali Gültekin, der sich wie andere „zu Propagandist:innen der Coronaleugner:innen“ gemacht hätte?

Wie gesagt: Laudenbach ist raffiniert oder perfide genug und nennt keine Namen. Er kann nur diese Kampagne #allesdichtmachen meinen, das wissen alle seine Leser*innen von VolksTheater und das weiß der Wagenbach Verlag, und sie klatschen sich dabei auf die Schenkel und johlen: ‚Jetzt hat er es ihnen aber gegeben, sie in direkten Kontext von der AfD, Rechtsextremen und Kulturfeinden zu stellen. Gimme five!‘

Wenn das die ARD wüsste, was für angebliche Demokratiefeinde sie so beschäftigt:

Screenshot, https://www.daserste.de/unterhaltung/film/nord-bei-nordwest/nord-bei-nordwest-ho-ho-ho-gueltekin-100.html

Oder ich nehme Nina Gummich, die Peter Laudenbach ebenso meinen dürfte mit seiner Aussage:

In jüngerer Zeit demonstrierten beispielsweise Schauspieler:innen, die sich zu Propagandist:innen der Coronaleugner:innen machten, lautstark ihre selbstbewusste Verwirrung.

Auch Nina Gummich war bei #allesdichtmachen mit dabei:

Screenshot, https://www.emma.de/artikel/being-alice-339825

Screenshot, https://www.daserste.de/unterhaltung/film/filmmittwoch-im-ersten/sendung/alice-folge-1-100.html

Oder Ulrich Tukur:

Er fordert in seinem #allesdichtmachen Beitrag die Bundesregierung auf, wirklich „alle Handelsplätze“ zu schließen, nicht nur „Theater“ und „Knopfläden“, denn „sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus, samt seiner hinterhältigen Mutanten-Bagage, die Lebensgrundlage“.

Das war und ist ganz große Kunst. Eine Kunst, von der die Peter Laudenbachs dieser Welt nur träumen können.

Screenshot, https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tatort/kommissare/ulrich-tukur-100.html

Nochmal das entscheidende Zitat aus dem Buch VolksTheater von Peter Laudenbach, Wagenbach Verlag 2023:

Die oben erwähnten, vielleicht etwas übergriffigen Versuche, Künstler:innen als Demokratiebotschafter:innen in Anspruch zu nehmen, übersehen, dass kleine und große Künstlerpersönlichkeiten nicht aufgrund von Berufswahl und Talent automatisch vor politischer Unzurechnunsfähigkeit oder irrlichternden Einstellungen gefeit sind. In jüngerer Zeit demonstrierten beispielsweise Schauspieler:innen, die sich zu Propagandist:innen der Coronaleugner:innen machten, oder ein Teilnehmer der documenta 2022, der den Bundeskanzler als ‚faschistisches Schwein‘ beschimpfte, lautstark ihre selbstbewusste Verwirrung. (S. 92-93)

Und das hätte das Lektorat des Wagenbach Verlags niemals überstehen dürfen – doch vermutlich ist das exakt deren Ideologie.

„Eine eigene Meinung zu haben, ist momentan wirklich krass unsolidarisch“ sagte Nina Gummich in ihrem Beitrag für #allesdichtmachen.

Und genau solche Dissident*innen und Kritiker*innen meint Peter Laudenbach ganz offenkundig, wenn er die Schauspieler*innen diffamiert, die Kritik an der unsagbar irrationalen, demokratiefeindlichen, nicht evidenzbasierten und totalitären Coronapolitik von Angela Merkel und Olaf Scholz und der an Hetze gegen Kritiker*innen überschäumenden politischen Unkultur in diesem Land von März 2020 bis wenigstens Frühjahr 2023 äußerten, wenn wir den Maskenwahn im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie Krankenhäusern und Arztpraxen, der erst im Februar 2023 beziehungsweise Anfang April 2023 fiel, mit einrechnen.

Es gibt überhaupt nur sehr wenige Spinner, die tatsächlich das Virus SARS-CoV-2 leugnen. Doch somit  werden damit ganz normale bürgerliche Mainstream-Schauspieler*innen der von der AfD so abgrundtief verhassten ARD mit Rechtsextremen auf eine Stufe gestellt. Mir ist nicht eine einzige Schauspielerin und kein einziger Schauspieler dieser ganz offenkundig von Peter Laudenbach gemeinten Kampagne #allesdichtmachen bekannt, die oder der das Virus leugneten. Das ist infam und ein faktenfreies Denunzieren. Aber es flutscht durch, ja es ist Honig für die Anhänger der ZeroCovid-Ideologie – noch im Frühjahr 2023. Und Laudenbach meint ja mit seinem undifferenzierten Statement alle Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich kritisch mit der Coronapolitik beschäftigt haben, was er wie der Mainstream der irrationalen Coronapolitik-Anhänger (m/w/d) unter „Coronaleugner:innen“ dümmlich rubriziert.

Weder Gültekin, Gummich oder Tukur leugnen SARS-CoV-2, das ist völlig faktenfreies Gerede, das zu insinuieren. Wie gesagt: Laudenbach nennt keine Namen, dafür ist er zu feige oder perfide. Aber er meint eben sehr wohl die hier aufgeführten und zitierten Gültekin, Gummich und Tukur und all die anderen von #allesdichtmachen – das ist sozusagen ein Indizienprozess gegen Peter Laudenbach und wir, die Kritiker*innen der irrationalen und demokratiefeindlichen Coronapolitik, werden diesen Prozess gewinnen, wenn auch nicht vor einem deutschen Gericht, da deren Nicht-Unabhängigkeit in der Coronakrise hinlänglich deutlich wurde, bis hin nach Karlsruhe.

Heute gibt es veganes Fast-Food und irrationale, unwissenschaftliche, faktenfreie Richter*innen, früher hieß es noch:

Was Besseres gibt’s auf Erden nicht, als Frieden und ein gut Gericht.

Von den befürchteten bis zu 270 Millionen extra Hungernden im globalen Süden, die es wegen der Lockdown- und Coronapolitik gerade von Ländern wie Deutschland geben könnte, so das World Food Programme der Vereinten Nationen schon im Jahr 2020, kein Wort bei Laudenbach. Er schweigt zu der Fantasie eines führenden deutschen Soziologen, der für die Bundesregierung am berüchtigten „Panikpapier“ im März 2020 mitgeschrieben hat und später meinte, alle Ungeimpften doch nach „Madagaskar“ zu deportieren, was aber halt nicht gehen würde. Oder was sagt er denn zu den Hunderttausenden traumatisierten alten Menschen in Pflege- und Altersheimen, die monatelang in ihre Zimmer eingesperrt wurden 2020 oder später und dieses Trauma bis heute nicht überwunden haben, so sie sich nicht zuvor umbrachten oder an Erschöpfung  starben?

Was für Menschen waren diese Pflegekräfte, die alle immer so beklatschten, die das mitmachten, die Isolation von alten oder behinderten Menschen? Na? Die keine Ahnung hatten und haben von der sehr geringen Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR) von Covid-19, nämlich schon 2020 nur ca. 0,23 Prozent, während die Grippe 1969/70 laut Robert Koch-Institut (RKI) in der alten BRD eine IFR von 0,29 hatte?

Wer hat damit kokettiert, über 10 Millionen Menschen – „Ungeimpfte“ – nach „Madagaskar“ zu deportieren? Die AfD? Oder doch eher der Lieblingssoziologe der Deutschen Bundesregierung Heinz Bude?

Warum schweigt Laudenbach ebenso zu den Vernichtungsfantasien einer preisgekrönten Kabarettistin, die am liebsten alle Kritiker:innen der Coronapolitik wie einen „Blinddarm“ aus dem (Volks) Körper schneiden wollte? Oder warum kein Wort zu all den Theatern und Kultureinrichtungen, ja KZ-Gedenkstätten, die die Impf-Apartheid exekutierten (2G)?

Die Weltgesundheitsorganisation berichtete 2022 davon, dass in den Jahren 2020 und 2021 Schweden eine weniger als halb so hohe Übersterblichkeit hatte als das Lockdown- und Maskenland Deutschland (oder Italien, Großbritannien).

Das kann man alles in dem Band 8 der Reihe „Studien zum Antisemitismus“ des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), in dem Buch „Pandemic Turn. Antisemitismusforschung und Corona“ nachlesen.

Wenn man denn an Fakten und kritischen Analysen Interesse hat und nicht lieber faktenfrei Menschen denunziert und diffamiert, wie es ja seit 2020 zum Volkssport geworden ist, neben dem die Diffamierungen und die Hetze durch die AfD und ihre rechten Schläger ’nur‘ eine blutige Fußnote sind, was die Masse an Denunziationen und die Anzahl der Täterinnen und Täter sowie die Anzahl der Opfer betrifft.

All diese Leerstellen sowie die Diffamierung dieser herausragenden, kritischen Schauspieler:innen machen das Buch „VolksTheater“ unterm Strich zu einem höchst problematischen Beitrag. Wer zur totalitären Coronapolitik und einer so nie dagewesenen denunziatorischen und aggressiven politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland seit März 2020 schweigt, ja sie implizit glühend feiert und die wenigen Coronapolitik kritischen Schauspieler:innen auch noch perfide diffamiert, macht sich vollkommen unglaubwürdig als Anwalt der Demokratie gegen die evidente und große Gefahr von rechts und der AfD.

Es muss gegen das völkische VolksTheater der AfD und der Neuen Rechten gehen, ganz richtig. Aber ebenso muss es gegen das StaatsTheater der unwissenschaftlichen, irrationalen und aggressiven, ausgrenzenden, Diversität und Vielfalt in Fragen der Coronapolitik gerade nicht aushaltenden Coronapolitik-Fans gehen.

Man kann nicht völlig zurecht die Transphobie, die Homophobie, den Rassismus, die Anti-Flüchtlings-Agitation der AfD, das Leugnen des Klimawandels, den Sexismus von Rammstein und Lindemann, den Turbo-Kapitalismus des Neoliberalismus oder den Deutsch-Nationalismus und den schwarz-rot-goldenen „Overkill“ und manchmal sogar den Antisemitismus kritisieren, ohne gleichzeitig die irrationale und brutale Coronapolitik der Jahre 2020 bis 2023 wie auch die fortdauernde irrationale und diplomatiefeindliche, die NATO nicht nur von ihrer Mitverantwortung am Ukraine-Krieg exkulpierende, sondern sie wie in Wunstorf und der militaristischen Mega-Übung „Defender 23“ feiernde Ukraine-Politik zu kritisieren.

Kritik an Jongen und Kubitschek, Orbán, Trump oder Meloni, Kritik an SPD-Oberstudienräten oder -Schuldirektoren, die an Spieltagen der deutschen Fußballnationalmannschaft auf dem Schulgelände die deutsche Fahne hissen – wie auch Kritik an Merkel, Scholz, Baerbock, Habeck, Lindner, Lauterbach und Laudenbach: darum sollte sich eine linke Gesellschaftskritik, eine Kritische Theorie auf der Höhe der Zeit widmen.

Schließlich noch ein Lektüretipp für Peter Laudenbach und seine Fans: das Stück „Kritik“ von Adorno, einer seiner letzten Texte, erschienen in der ZEIT am 27. Juni 1969 und wiederabgedruckt z.B. in den Gesammelten Schriften Band 10/2, darin heißt es:

Man vergißt leicht in Deutschland, daß Kritik, als zentrales Motiv des Geistes, nirgends in der Welt gar zu beliebt ist. Aber man hat Grund, bei Kritikfeindschaft zumal im politischen Bereich auch an spezifisch Deutsches zu denken. Die volle bürgerliche Befreiung ist in Deutschland nicht gelungen oder erst in einer Phase, an der ihre Voraussetzung, der Liberalismus des zerstreuten Unternehmertums, ausgehöhlt war. (…) Wollte man eine Anatomie der deutschen Kritikfeindschaft entwerfen, so fände man sie fraglos mit der Rancune gegen den Intellektuellen verbunden. (…) Offensichtlich werden Menschen, die mit bestehenden Zuständen institutionell verflochten sind, im allgemeinen zögern, an diesen Zuständen Kritik zu üben.

Screenshot, https://www.zeit.de/1969/26/kritik

Die Menschen lieben den deutschen Staat und tun alles, um zum Beispiel ein „StaatsTheater“ zu werden, feiern „Identitäten“, weil man(n) ja sonst nichts hat im Leben. Es gibt das Schöne auch im „falschen Leben“ (Adorno), aber sicher nicht im völkischen VolksTheater, aber ebenso wenig im affirmativen Corona- oder Ukrainepolitik affinen StaatsTheater.

Weit entfernt davon, Genuss, das Schöne oder auch einen schmackhaften Kuchen zu perhorreszieren, schreibt Adorno gegen die „Lebkuchenworte“ und das beliebte Wort von der „konstruktiven Kritik“:

Wesentlich deutsch, obwohl wiederum nicht so durchaus, wie leicht der annimmt, der nicht Analoges in anderen Ländern zu beobachten Gelegenheit hatte, ist ein antikritisches Schema, das aus der Philosophie, eben jener, die den Raisonneur anschwärzte, ins Gewäsch herabsank: die Anrufung des Positiven. Stets wieder findet man dem Wort Kritik, wenn es denn durchaus toleriert werden soll, oder wenn man gar selber kritisch agiert, das Wort konstruktiv beigestellt. Unterstellt wird, daß nur der Kritik üben könne, der etwas Besseres anstelle des Kritisierten vorzuschlagen habe; in der Ästhetik hat Lessing vor zweihundert Jahren darüber gespottet. Durch die Auflage des Positiven wird Kritik von vornherein gezähmt und um ihre Vehemenz gebracht. Bei Gottfried Keller gibt es eine Stelle, an der er die Forderung nach dem Aufbauenden ein Lebkuchenwort nennt. Viel sei schon gewonnen, so etwa argumentiert er, wenn dort, wo ein schlechtes Gewordenes Licht und Luft versperre, der Muff weggeräumt würde.

 

Hat Christian Petzold vergessen, wie sehr er die Corona-Maßnahmen liebte? Der Film „Roter Himmel“ und die Utopie zwangfreien Lebens im Sommer

Von Dr. phil. Clemens Heni, 22. April 2023

Der Film „Roter Himmel“ spielt im mecklenburgischen Wald und an der Ostsee. Also dort, wo Berliner*innen für ein Wochenende mal hinfahren, ein Buch fertig schreiben, schwimmen gehen, Ruhe haben vom Großstadtgewimmel. Der Protagonist der filmischen „Berliner Schule“ Christian Petzold (Jg. 1960) ist Drehbuchautor und Regisseur des Films. Man könnte fast meinen, es ginge um das unbeschwerte Leben von fünf Freund*innen, vier Männer und eine Frau, die einfach so in den Tag hineinleben, eine ganz kurze Zeit im Sommer 2022. Das, was sich Linke als gemeinschaftliches Leben jenseits der affirmativ-spießigen Klein- oder der noch katastrophaleren Großfamilie so erträumen. Nachts mit fluoreszierenden Badminton-Schlägern spielen und einen Rettungsschwimmer als Kumpel oder Liebhaber zu haben, der bisexuell ist. Regisseur und Drehbuchautor Petzold insinuiert sogar, dass sein Film etwas mit einer Distanz zu den Zeugen Coronas zu tun habe. In einem Interview, das er zusammen mit einer seiner aktuellen Lieblingsschauspielerinnen und einzigen weiblichen Person im Roten Himmel Paula Beer mit dem Tagesspiegel und Christiane Peitz führte, sagt Petzold im Februar 2023:

 

Es gibt eine Vorgeschichte dazu. Paula und ich waren mit „Undine“ in Paris. Es war der 15. März 2020, wir saßen im Restaurant, plötzlich wurde die Musik leise und der Fernseher laut gestellt, weil Macron den ersten Lockdown ankündigte und sagte „Wir sind im Krieg“. Wir haben uns dann beide mit Corona infiziert. Als das Schlimmste vorbei war, trafen wir uns am Kreuzberger Engelbecken zum Boule spielen, Matthias Brandt war auch dabei. Wir spielten sechs Minuten, dann kam die Polizei. Der öffentliche Raum, der Park, das Spielen, das Spaßhaben, plötzlich war alles verboten. Das war der Anfang dieses Films, meine Wut darüber, dass alles, was Jugend, Verschwendung und Sommer ist, von der Politik immer weiter eingeschränkt wird: das Leben ohne Eltern, ohne Lehrer.

Der Familienvater Petzold als ein Anhänger eines Lebens „ohne Eltern, ohne Lehrer“? Man könnte sogar fast meinen, er hätte die Corona-„Maßnahmen“ für brutal, irrational und autoritär empfunden, zuviel Eltern (Mutti Merkel) und Lehrer (Podcast-Drosten). Doch das exakte Gegenteil ist der Fall. Man könnte ihn ebenso fast für einen Kritiker der brutalen, typischen Berliner Polizei empfinden. Doch nichts wäre falscher als das!

Der Norddeutsche Rundfunk greift diesen Mythos auf und behauptet, die restriktiven Coronamaßnahmen hätten Petzold zu dem Film Roter Himmel animiert.

Petzold war und ist ein ganz typischer Vertreter der kulturellen Elite in Deutschland, ein Zeuge Coronas, er glaubte einfach, was an Irrationalismus und Unwissenschaftlichkeit vom NDR verbreitet wurde:

In Berlin wurden wir krank. Dann hatte ich Angst. Wenn der Drosten und der NDR nicht gewesen wären. Wir wussten nicht, was aus uns wird.

Christian Petzold war ein Riesenfan der Maßnahmen, vor allem der besonders brutalen gleich zu Beginn in Italien, wie er in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt und Hanns-Georg Rodek im September 2020 im Brustton religiöser Überzeugung und fußballerischer Begeisterung von sich gibt:

Petzold: Um auf eine Fußballmetapher zurückzugreifen: Das, was die Italiener hier mit dem Virus anstellen, ist ein Catenaccio. Das Virus kommt mit seinen Angriffen nicht durch. Auch Timo Werner würde hier nicht einmal an die Strafraumnähe kommen. Es ist überlegt, durchorganisiert und sehr beeindruckend.

WELT: Ich finde es auch erstaunlich, wie sich alle Besucher – das sind vor allem Italiener – an die strengen Maskenregeln halten. Im Gegensatz zu den Nörglern in Deutschland.

Petzold: Vielleicht sitzt hier der Schock der brutalen Pandemie mit ihren vielen Toten viel tiefer. Diese „brutalen“ Maßnahmen, über die sich die Demonstranten in Deutschland beklagen, sind völlig lächerlich, wenn man sie mit den hiesigen vergleicht.

Das vollkommen absurde italienische Lockdown-Theater, das auf absichtlich falsch interpretierten Bildern aus Bergamo basierte und die totalitäre chinesische Coronapolitik auf Europa und den Westen übertrug, begeistert Petzold geradezu. In einer dümmlichen Analogie, die sich der totalitären Sprechweise von „Team Vorsicht“ versus „Team Freiheit“ mit der Übertragung des Catenaccio auf die Coronapolitik anschmiegt, zeigt Petzold, dass er außer Mainstreammedien und irrationalen Nachrichten nichts konsumiert, bis auf 1500 Filme auf DVD. Catenaccio ist zudem der grotesk falsche Terminus, da die Coronapolitik Italiens nicht „defensiv“ war, sondern extrem aggressiv und offensiv, Menschen wurden offensiv daran gehindert, sich ohne Maske oder überhaupt außerhalb der eigenen vier Wände zu bewegen. Die mörderische Lockdownpolitik war offensiv, nicht defensiv.

Dass Italien allein in den Jahren 2020 und 2021 laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als doppelt so viele Übersterblichkeits-Tote zu verzeichnen hatte wie das Anti-Lockdown- und Anti-Maskenland Schweden, das steht da nicht, er hat das bis Februar 2023 nicht mitbekommen, wie irrational die italienische, deutsche und sonstige Coronapolitik war.

Auch von der Tageszeitung Die Welt werden Kritiker*innen der irrationalen Coronapolitik als „Nörgler“ dumm geredet. Dass die WHO das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen schon im April 2020 bis zu 135 Millionen Extra Hungernde im Globalen Süden befürchtete, die es nur wegen der Lockdownpolitik wie von Italien oder Deutschland geben könnte, das steht hier nicht und das ist der kulturellen Film-Elite, um die es hier geht, auch völlig egal. Was sind schon 135 oder 270 Millionen extra Hungernde verglichen mit einem fiebrigen Superklasse Regisseur aus Deutschland, der Covid-19 hatte und deshalb fantasierte, dass SARS-CoV-2 besonders gefährlich sei? Der wegen seinem Fieber aufhörte, klar zu denken?

Klimawandel und brennende Wälder in Ostdeutschland im Sommer 2022, das ist eine Katastrophe, ja. Sie ist unausgesprochen Thema des zu dieser Zeit an der Ostsee gedrehten Films. Aber die später auf bis zu 270 Millionen erhöhte Zahl der extra Hungernden im Globalen Süden, die aufgrund der Coronapolitik Italiens oder Deutschlands von den UN und dem World Food Programme befürchtet wurden, die sind völlig jenseits des Blickwinkels. Von den psychisch Zerstörten in der BRD ganz zu schweigen. Da ist nicht der Hauch von Reflexion beim autoritären Christian Petzold. Nicht der Hauch von Selbstreflexion!

Warum hat es Christian Petzold, ein Sternchen der deutschen Filmindustrie, nötig, im Februar 2023 zur Berlinale-Zeit so zu tun, als ob er die Coronamaßnahmen kritisch gesehen hätte? Wenn er doch wie alle, wirklich nahezu alle seiner Kumpels und Fans (bis auf Dietrich Brüggemann und die Stars von #allesdichtmachen z.B., 2013 schrieb Brüggemann gegen die „Berliner Schule“ des Films: „Statt­dessen sieht man an den Film­hoch­schulen und in den Nach­wuchs­sek­tionen der Festivals hunderte von Lang­wei­lern, die gern Christian Petzold wären.“) nachweislich ein obsessiver Anhänger dieser Maßnahmen wie der Maskenpflicht in Italien war, wo sie auch im Freien galt, was virologisch und epidemiologisch besonders schwachsinnig war? Warum hat er es nötig, sich seine Geschichte zurecht zu schreiben?

Warum spricht Petzold von dem „Leben ohne Eltern und Lehrer“, wenn er doch besonders brutale Eltern und Lehrer im Jahr 2020 fantastisch fand, wie jene ‚Abwehrspieler‘ in Italien, die jeden ohne Maske mit einer Blutgrätsche lebensgefährlich verletzten? Warum hat er das nötig? Glaubt er ernsthaft, sein Interview mit der Welt vom September 2020 sei im Netz nicht mehr zu finden?

Ich habe die ganzen Würstchen auch am Engelbecken in Kreuzberg im Frühjahr 2020 und später gesehen, die mit Maske im Freien herumliefen und dachten, sie seien die Retter der Nation – dabei indizierten sie nur, wie unglaublich dumm, autoritär, gehorsamsversessen und ausgrenzend sie waren. Ohne Maske im Freien bei Kuchen Kaiser am Oranienplatz, aber ohne Maske dann aufs Clo reingehen? Undenkbar. Alle machten mit. Alle.

Wenn im Film Roter Himmel der Verleger des Schriftstellers Leon dessen zweiten Roman (der erste war wohl vor Jahren erschienen und nicht schlecht) stellenweise vorliest, wird es paradox: Denn gerade der Verleger, der hier wie ein Lektor arbeitet, macht eine Passage lächerlich, die ganz cool ist. Es geht um eine Frau, die der Ich-Erzähler Jahre nicht gesehen hatte und nicht wusste, dass jetzt aus ihrer Busen- eine Milchbar geworden war. Die ganze Wohnung stinkt  nach „Kinderkacke“. Doch diese Passage wird vom Verleger nur als Beispiel dafür zitiert, wie schlecht das Buch sei.

Dabei hatte doch Nadja, die in ihrer Film-Rolle – im Gegensatz zu mir im echten Leben – nicht das Glück hatte, Promotionsstipendiatin der Hans Böckler Stiftung aus Düsseldorf zu werden, den Roman bereits als „Bullshit“ abqualifiziert, sie die Literaturwissenschaftlerin, nach deren Profession Leon sich trottelhafter Weise als im Kokon eingesponnener Autor nie erkundigt hatte. Er wollte das wohl gar nicht wissen, wer oder was sie beruflich ist, da er sich von Anfang an in die etwas hagere, lebenslustige Frau im roten Kleid verliebt hatte. Sie fährt Fahrrad und verkauft in der Saison Eis als Jobberin eines Hotel-Restaurants am Ostseestrand. Dass sie so dünn ist, obwohl sie gerne Gulasch, das übrig blieb in der Restaurant-Küche, mitnimmt und gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen kocht, passt nicht so ganz. Dafür ist der Rettungsschwimmer doch nicht ganz so einfach oder geistig ignorant, wie man das vermuten würde bei so einer Profession, die im Gegensatz zum Eisverkaufen sogar eine Ausbildung verlangt.

Felix arbeitet an seiner „Mappe“ für die „UdK“ – Universität der Künste in Berlin-Charlottenburg, gegenüber vom Steinplatz. Er möchte Menschen fotografieren, die aufs Meer blicken. Zuerst von hinten und dann frontal von vorne – der Verleger meint, dazu müsse dann noch der Blick aufs Meer selbst kommen. Dieses wiederum kommt als türkis-grün glänzendes am Ende vor, nachdem Rettungsschwimmer Devid und Felix in den Flammen des Waldbrandes beim Versuch, das liegen gebliebene Auto, mit dem Felix und Leon in die Pampa gefahren waren, ohne zu ahnen, dass das Haus mit Nadja bereits eine Teilzeitbewohnerin hat, mit einem Traktor abschleppen wollten, umkamen.

Die Blicke von Nadja werden vom Kameramann gut eingefangen und somit bewahrt. Dass es angesichts der Klimakatastrophe die Waldbrände tatsächlich im Sommer 2022 im Osten gab, das hätte durchaus politisch und explizit Thema sein können, wenn nicht vom in sich verschlossenen Leon, so doch von Nadja oder den anderen. Das ist zu gewollt unpolitisch. Die Musik, die allerdings keine tragende Rolle spielt, erinnert etwas an „Into the Wilderness“ von Burning Hearts, bisschen Pop, bisschen seicht, das Gegenteil von Heavy Metal. Man fühlt sich im Kino fast ertappt, nach den Stechmücken zu schlagen, die mehrmals laut im Film vorkommen, aber keine Spuren bei Leon hinterlassen, was man auch als Schleichwerbung für das Mückenspray werten könnte, das er verwendet.

Roter Himmel ist ein ruhiger Film. Er möchte genau die Sehnsucht nach zwanglosem Lieben – gerade unter Freunden, nicht als Paar oder in Bezug auf Familie –, in den Blick rücken, die doch durch die von Petzold so gefeierten Blutgrätschen-Corona-Maßnahmen in Italien für unabsehbare Zeit zerstört wurde. Sie wurde auch deshalb zerstört, weil ohne eine Aufarbeitung, ohne ein Sich-ganz-grundsätzlich-Entschuldigen für ihren Irrationalismus, solche Maßnahmen jederzeit wiederkommen werden.

Eine Kernfrage bleibt: merkt Christian Petzold gar nicht, dass es vollkommen inkonsistent ist, dass er 2020 die brutale Coronapolitik in Italien feierte, aber jetzt so tut, als ob ihm zur fast gleichen Zeit eine Bullenkontrolle in Berlin-Kreuzberg dermaßen aufregte, dass er diesen Film machen wollte? Merkt er es nicht, verdrängt er es oder verwischt er absichtlich Spuren, was er als Tatort-Drehbuchschreiber ja professionell kann?

Petzold ist ein ganz typisches Beispiel, wie jetzt Leute anfangen so zu tun (vornweg Klabauterbach), als ob sie schon immer für Anarchie, Liebe und Freiheit gewesen wären und die Corona-Maßnahmen wenn nicht komplett, so doch in vielen Einzelaspekten schlimm fanden. Nein, fast alle in der kulturellen, politischen oder sonstigen Elite fanden die Maßnahmen super, mit Ausnahme der Kampagne #allesdichtmachen und einigen wenigen weiteren auch wissenschaftlichen Kritiker*innen. Und das Fußvolk war ebenso Täter und Täterin.

Wenn Petzold 2020 wie besessen die Drosten Podcasts anhörte und dafür noch 2023 dankbar ist, zeigt das, wie wenig selbstreflexiv er denken kann oder will. Denn gerade diese Podcasts machten Drosten zu einem „Menschenführer“, zu einem unwissenschaftlichen Großagitator. Auf diese sprachwissenschaftliche Kritik von Robert Niemann an Drosten beziehe ich mich in meinem neuen Buch Pandemic Turn, das nächste Woche erscheinen wird (Schleichwerbung!).

Petzold verwechselt seine persönliche Erfahrung mit Wissenschaft und lamentiert:

Es war eine sehr scheußliche Erfahrung, muss ich sagen. Deswegen – alle, die das herunterspielen, es sei ja wie Grippe: Das ist nicht richtig. Das waren zweieinhalb Wochen Fieber im Bett, ziemlich hart.

Was sagte selbst eine Kerninstitution der Zeugen Coronas wie das Robert Koch-Institut (RKI) im Februar 2021 über Covid-19?

Die Analyse der Übersterblichkeit legt aber nahe, dass die COVID-19-Pandemie am Ende des Jahres 2020 etwa das Niveau schwerer Influenzawellen erreicht hat.“

Dass die Managerin eines Luxushotels direkt am Strand Uwe Johnson, von dem ein Bild im Zimmer hängt, da er früher mal dort nächtigte und auf einer mechanischen „Rheinmetall“-Schreibmaschine schrieb – ein Hinweis darauf, dass Rheinmetall früher Schreibmaschinen, und heute Panzer baut? Fiel das jemand am Set oder bei den Zuschauer*innen auf? –, Johnson als Johnson englisch ausspricht, karikiert Leon im Telefonat mit seinem Verleger. Später geht es mit der Ironie gegenüber Ossis weiter, denn David heißt eben nicht David, sondern Devid…

Paula Beer wiederum, Nadja, hat vor Jahren ein Hörbuch zu E.M. Cioran, „Vom Nachteil, geboren zu sein“ aufgesprochen. Das mag sich mit Leon treffen, der die nach Kinderkacke stinkende Wohnung seiner ehemals guten Bekannten in seinem Roman beschreibt. Doch Petzold hat ja den Verleger gerade auch diese Stelle streichen lassen. Dabei zeigte doch nicht etwa ein relativ harmloses Virus mit einer Infektionssterblichkeit von unter 0,10 Prozent und anfänglich, April 2020 von 0,12 bis 0,37 Prozent, wie empirische Studien aus Kalifornien und Gangelt im Kreis Heinsberg gezeigt hatten, dafür hingegen die Coronapolitik, dass es in der Tat ein Nachteil sein kann, geboren zu sein und diese Monster aka Zeugen Coronas erlebt haben zu müssen.

Ansonsten gibt es sicher einige Momente, die es lohnenswert machen, geboren zu sein oder diesen Film zu sehen, wie das glitzernde Meer und der Blick vom Strand darauf, ein gutes Gulasch in ruhiger Umgebung (bis auf die Mücken) und vor allem die Blicke und die Spannung, die zwischen Leon und Nadja liegt, wobei Leon seinen männlichen Panzer, der seinem Körper ohnehin in gewissem Maße eigen ist, wirklich kaum durchlässig werden lässt, trotz vieler zarter, wie alltäglich harmloser Avancen. Nicht zuletzt die kleine Gruppe fast beliebig zusammengewürfelter Menschen, fünf an der Zahl, zeigt die alte linke Utopie eines Lebens jenseits der kleinbürgerlichen Klein- oder islamistischen oder adligen Großfamilie.

Christian Petzold hat mit Roter Himmel einen interessanten, unterhaltsamen, feinfühligen Film gedreht. Aber er sollte aufhören, von seiner Vergangenheit als Anhänger des italienischen Coronapolitik-Totalitarismus zu schweigen, sich sein irrationales und autoritäres Mitmachen oder Mitlaufen bei den Zeugen Coronas umzuschreiben und sich gar als Kritiker der „Corona-Maßnahmen“ wie in Berlin-Kreuzberg am Engelbecken zu präsentieren!

Foto: privat

Die Utopie eines Lebens mit Freund*innen, jenseits des Berliner Hipstertums und der familiären Zwänge aller Art, jenseits von Militarismus, Kapitalismus oder Patriarchat sollten wir nicht den Zeugen Coronas von 2020 und später, die jetzt so tun, als wären sie gar keine solchen fanatischen Zeugen Coronas gewesen, überlassen.

Screenshot, https://www.stern.de/kultur/film/in-christian-petzolds–roter-himmel–wird-der-urlaub-zum-existenzdrama-33385742.html

Der Krieg der deutschen Bundesregierung gegen die Vernunft

Von Dr. phil. Clemens Heni, 07. September 2022

Seit März 2020 leben wir im Kriegszustand. Ein „Krieg gegen ein Virus“, so der autoritäre französische Präsident Macron, der in Deutschland mit Fake News und schwarzer Pädagogik entfesselt wurde. Jens Spahn sagte absichtlich nicht die Wahrheit über den bevorstehenden Lockdown, den wir jetzt „ersten Lockdown“ bezeichnen. Horst der Seehofer setzte die Bevölkerung absichtlich und mit nackter Gewalt in Panik und liess dazu korrupte „Wissenschaftler“ Sachen schreiben, die nicht der Wahrheit entsprachen. Es sollte gezielt Panik erzeugt werden, damit die Deutschen sich isolieren und alles, wirklich alles und noch nie Dagewesene – in einer „Demokratie“ – tun, was Merkel oder später Scholz befehlen.

Eine Gefahr durch SARS-Cov-2, dieses neuartige und doch nicht unbekannte Corona-Virus – Stichwort T-Zellen Immunität von 81 Prozent der Bevölkerung -, war zu keinem Zeitpunkt eine besondere Gefahr für die ganze Bevölkerung. Die Infektionssterblichkeit liegt zwischen 0,1 und 0,23 Prozent – 1969/70 bei der Grippe lag sie in der alten BRD bei 0,29 Prozent und kein Mensch merkte was davon. Bei Corona liegt die Infektionssterblichkeit der Menschen unter 70 Jahren bei 0,05 Prozent, seit Omikron noch weit darunter.

Das durchschnittliche Todesalter liegt knapp über der durchschnittlichen Lebenserwartung und übersteigt 80 Jahre. Fast alle, die mit einem positiven Test auf Covid-19 starben, wären ohnehin gestorben, an einer Influenza oder den multiplen Vorerkrankungen. So ist das.

Der Krieg gegen die Vernunft geht im September 2022 mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes weiter. Die medizinisch irrationale, ja extrem schädliche Maskenpflicht in Flugzeugen soll fallen – man sitzt ja so eng und in großer Zahl und teils viele Stunden in so einem Flugzeug. Bei einem 40-minütigen Aufenthalt in einem Wartezimmer einer Arztpraxis hingegen muss man sich so als ob eine tödliche Seuche herrschen würde, weiter maskieren. Das gilt auch für Reha-Kliniken, Krankenhäuser, Altenheime. Sie sehen den Irrationalismus, den Krieg gegen die Vernunft und der oberste Kriegsherr heißt Olaf Scholz, der Kanzler. Auf dem Oktoberfest in München ab Samstag kommender Woche gilt keine Maskenpflicht, da sitzen ja auch nur Tausende grölend, kreischend, singend, schmatzend und schreiend im Bierzelt, enger beieinander als sogar im Flugzeug. Doch in Zügen, wo viel weniger Menschen in einem Abteil sitzen mit mehr Abstand zueinander, da gilt weiter die totalitäre Maskenpflicht.

Konkret: Markus Söder will ohne Maske aufs Oktoberfest gehen, mein Nachbar Bomber Harris Junior, ein über 80-jähriger cooler Antifa der old-school Sorte, darf nicht ohne Maske mit dem Zug nach Dresden fahren, um dort gegen das nach einem Nazi (wieder) benannte Rudolf-Harbig-Stadion zu demonstrieren. Auf seiner Rückfahrt will er dann unter anderem in der baden-württemberischen Provinz in Heilbronn (kein IC- oder ICE-Anschluss) gegen die Rudolf-Harbig-Straße demonstrieren, die dort im Stadtteil Kirchhausen sich befindet. Dieser Harbig war ein Nazi, NSDAP- und SA-Mitglied, die Sowjets und die Rote Armee haben ihn im Zweiten Weltkrieg in der ukrainischen Sowjetrepublik ausgeschalten.

Die ZeroCovid-Ideologen (m/w/d) der jungle world demonstrieren ja in Merkel-Manier auch nur mit Maske, bis 2020 war das noch anders.

 

Eine der Begründungen ist, dass ja auch alle anderen europäischen Länder die Maskenpflicht im Flugzeug abgeschafft haben. Doch das haben diese Länder – alle anderen europäischen Länder – auch in den Zügen und Bussen getan. Wer von Stuttgart nach Paris mit dem Zug fährt, muss bis zur Grenze die Maske tragen und setzt sie dann in Frankreich ab. Absurder, irrationaler oder totalitärer, willkürlicher geht es nicht. Es ist die Ideologie einer Religionsgemeinschaft, der Zeugen Coronas. Wer Ende Dezember 2021 in Schweden war, um dem ZeroCovid-Faschismus der Deutschen zu entfliehen, sah volle Busse und nicht eine Person hatte eine Maske auf. Schweden hat während der Krise viel weniger Tote – halb so viele, ich wiederhole mich gerne – als Deutschland. Aber die Deutschen lieben ihren Krieg gegen die Vernunft!

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf einen Text von einem meiner beiden Co-Autoren zu Corona (Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik von Mai 2020) als auch zur Ukraine (Nie wieder Krieg ohne uns… Deutschland und die Ukraine, Juli 2022) hinweisen, ein Vortrag auf der anarchistischen Buchmesse 2022 in Mannheim von Gerald Grüneklee. Ein sehr lesenswerter Text, der die religiöse Dimension der Zeugen Coronas analysiert. Solche herrschafts- und staatskritischen Stimmen geben Hoffnung.

Dass Schweden weniger als halb so viel Übersterblichkeit hat – man kann es nicht oft genug betonen – wie die Teutonen, das ist egal, weil es Scholz, Habeck und Klabauterbach nicht um die Rationalität oder Gesundheit der Bevölkerung geht, sondern um ihren Krieg gegen die Vernunft. Der wird unerbittlich weiter geführt. Unerbittlich.

Dieser Krieg ist diesmal ein Krieg gegen Russland und gegen die eigene Bevölkerung, ja gegen ganz Europa. Die Panik, die Inflation, die extrem steigenden Energiekosten, ja der kommende Energienotstand, der in Europa so gut wie jedes Land außer Russland betreffen wird, der hat jetzt schon dazu geführt, dass Firmen in Deutschland pleitegehen (ironischerweise macht den Anfang eine deutsche Klopapierfirma, Hakle aus dem schicken Düsseldorf)

und die Menschen nicht nur wegen der totalitären Corona-Politik, sondern auch wegen dem Krieg der Deutschen gegen Russland Angst bekommen. Deutschland bildet ukrainische Kämpfer aus, liefert der Ukraine Waffen und Munition und ist de facto im Krieg mit Russland. Kein Wunder, dass Russland jetzt gar kein Gas mehr durch Nordstream 1 schicken wird.

Hakle ist ein Opfer von Robert Habeck und der deutschen Bundesregierung. Klar sind das Kapitalisten, die ohnehin nicht zum Wohl der Menschheit agieren, aber diese Wirtschaftskrise, die es so noch nie gab seit 1945, die ist sehenden Auges von Habeck, Baerbock, Scholz und Lindner geplant worden, sie wollten diesen Notstand, weil „wir“ alles tun, was angeblich gut für die Ukraine ist, „egal was meine deutschen Wähler dazu sagen“ (O-Ton Baerbock in Prag). Nun, die Waffen schaden der Ukraine, da die Ukraine niemals den Krieg gegen Russland gewinnen kann. Putin ist unberechenbar und die russische Armee um Welten größer und stärker als die ukrainische. Doch der Westen will gar keinen Frieden, wie wir gleich sehen werden.

Dass ein noch fanatischerer Antikommunist und Hetzer als Scholz, der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson, womöglich den Krieg verlängert und eine frühzeitige Friedenslösung verhindert hat, das berichtet die Zeitung Responsible Statecraft aus den USA. Responsible Statecraft wird vom Quincy Institute for Responsible Statecraft herausgegeben, einem 2019 gegründeten und der politikwissenschaftlichen Schule des „Realismus“ zuzuordnenden ThinkTank, der sich am ehemaligen US-Präsidenten John Quincy Adams, der von 1825-1829 US-Präsident war, orientiert. Das Interessante am Quincy Institute ist nun Folgendes: Sowohl der von vielen antisemitischen Verschwörungsideologen (m/w/d) im Zuge der Corona-Pandemie gehasste und auch vom ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán mit antisemitischen Kampagnen beschmutzte und diffamierte George Soros, als auch die weit rechts stehenden Koch-Brüder, vor allem Charles Koch, haben sich 2019 zusammengetan und die Gründung des Quincy Institutes unterstützt. Das Ziel war tatsächlich eine weniger auf Intervention und Krieg, dafür auf Frieden (und wohl auch Diplomatie) ausgerichtete amerikanische Außenpolitik. Das Quincy Institute in Washington, D.C., nimmt keine Gelder von anderen Ländern an.

In einem Artikel auf Responsible Statecraft vom ihrem Reporter Connor Echols

erwähnt Echols

einen Bericht der ukrainischen Prawda, demzufolge es Boris Johnson war, der mit seinem Russenhass und Fanatismus, der in England und UK weit verbreitet ist, wenn man sich zum Beispiel die Hetze in der Daily Mail (=Bild-Zeitung) anschaut, dafür gesorgt haben könnte, dass Anfang April 2022, als Russland und die Ukraine kurz vor einer Einigung standen, eine Friedenslösung und ein Ende des Krieges verhindert wurden.

Wie das? Johnson, der völlig unerwartet in Kiew auftauchte und Selenskyi traf, agitierte den ohnehin fanatischen, aber zu diesem Zeitpunkt offenbar doch für Kompromisse offenen Selenskyi folgendermaßen. Johnson sagte, dass Putin ein „Kriegsverbrecher“ sei und zweitens England, das Johnson als repräsentativ für den ganzen Westen, die USA und die EU darstellte, unter keinen Umständen eine diplomatische Konfliktlösung und keine Kompromisse dulden würde.

Wurde also in London entschieden, was in der Ukraine passiert? Was hat Johnson dagegen, dass der Kompromiss vorsah, dass sich Russland auf seine Position vom 23. Februar 2022 zurückzieht, also alle seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs vom 24. Februar 2022 eroberten Gebiete aufgibt, wenn, ja wenn die Ukraine vertraglich festhält, kein NATO-Mitglied zu werden, dafür aber Sicherheitsgarantien erhält? Die Ukrainska Pravda schrieb bereits am 5. Mai 2022:

According Ukrainska Pravda sources close to Zelenskyy, the Prime Minister of the United Kingdom Boris Johnson, who appeared in the capital almost without warning, brought two simple messages.

The first is that Putin is a war criminal, he should be pressured, not negotiated with.

And the second is that even if Ukraine is ready to sign some agreements on guarantees with Putin, they are not.

Johnson’s position was that the collective West, which back in February had suggested Zelenskyy should surrender and flee, now felt that Putin was not really as powerful as they had previously imagined, and that here was a chance to „press him.“

Three days after Johnson left for Britain, Putin went public and said talks with Ukraine „had turned into a dead end“.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis ähnliche Dokumente aus den USA auftauchen (Stichwort „Victoria Nuland“), die belegen, dass Amerika überhaupt kein Interesse an einer diplomatischen Lösung des Ukraine-Konflikts hat. Dass dort Menschen sterben, ist Amerika völlig egal – seit wann interessiert sich die US-Außenpolitik für Menschenleben? Oder die deutsche? Oder die britische Außenpolitik? Nein, Amerika will Russland schwächen, Annalena B. will Russland „ruinieren“ und das Werk ihres Großvaters vollenden. Dass darüber hinaus Europa eine unglaubliche ökomomische und soziale Krise erlebt, auch das freut die USA, die ja jetzt Energie nach Europa exportieren will via LNG Flüssiggas.

Solange aber nicht wirklich massiver und vielfältiger Protest in Deutschland diese Bundesregierung und die ihr hörigen Medien in die Ecke drängt, solange wird es groteske und primär der Bevölkerung in der BRD schadende Sanktionen gegen Russland und Militärhilfe für die Ukraine geben und solange wird es die totalitärste Coronapolitik jenseits von China exklusiv nur in der Bundesrepublik Deutschland geben.

 

Ein ächtes Käpsele in Zeiten von Corona: Der Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Harald Staun

Von Dr. phil. Clemens Heni, 03. September 2022

Daddiots und mombies haben oft keinerlei Takt- und Schamgefühl. Sie schämen sich nicht mit ihrer narzisstischen Delegation hausieren zu gehen. Sie merken nicht, dass es völlig deplatziert ist, anderen von ihrem Privatleben zu erzählen, von ihren Kindern, die einen dreiwöchigen Austausch vor sich haben oder denen ein Zahn ausfiel, ein Privatleben also, das doch aus nichts als Geschrei, Kinderbrei, Fäkalien und Tumult besteht, jahrelang. Ein Kinderleben mithin, das jede und jeder, der bis hierher mitgelesen hat, selbst erlebt hat. Der Narzissmus besteht darin, dass viele das anderen auch zumuten wollen und selbstverliebt schauen, ob die Zweijährigen schon schreiben oder wenigstens ein paar Worte Französisch, Englisch und Hochdeutsch (bei den schwäbischen, türkischen, russischen oder bayerischen Eltern) können. Die Forschung nennt es narzisstische Delegation, viele wollen auch, dass die Kinder das nachholen, was sie selbst verpassten, ein eigenständiges Leben, andere verkleben genau ein solches durch Überfürsorglichkeit, die doch nur das mini-me meint.

Narzisstische Eltern sehen in ihren Kindern keine eigenständigen Individuen, sondern lediglich Objekte, die ihrem Idealbild entsprechen müssen. Ihre Kinder werden von ihnen als Erweiterung ihres Selbst angesehen und daher ausschließlich für die eigenen Zwecke instrumentalisiert.

Dass die Welt überbevölkert ist, kommt in diesem Weltbild selbstredend auch nicht vor, und zwar gerade überbevölkert mit den Kindern der wohlhabenden Menschen in Europa, Nordamerika, Japan und den anderen industriegesellschaftlichen Gegenden.

Harald Staun kann zu Kindern, ja überhaupt zu eigentlich fast allem was sagen. Er ist ja auch Journalist. Das ist sein Beruf. Er ist klug, fast ein Neunmalkluger, Schlaumeier, Klugscheißer, einfach ein Käpsele.

2021 kritisierte er das neue Format Bild-TV und den späteren Pro-Ukraine Einpeitscher Paul Ronzheimer, dazu die Protagonist*innen Claus Strunz, Nena Schink und Filipp Piatov. Putin ist ein gefährlicher Mann und der Krieg in der Ukraine muss sofort enden. Putin ist antifeministisch (Pussy riot), lässt schon mal Giftanschläge auf (ebenfalls nationalistisch-russische) Dissidenten passieren und sie danach einsperren (Nawalny), Putin ist reaktionär-großrussisch, antibolschewistisch wie antikommunistisch. Ironischerweise trifft er sich in seiner Panik vor Corona (2G, „langer Tisch“ im Kreml) mit Scholz, Lauterbach oder Joe Biden und Boris Johnson und Macron („Krieg gegen ein Virus“, wobei Frankreich jetzt – September 2022, die Pandemie für beendet erklärt hat!!).

Gerade auf einen so gefährlichen, unberechenbaren Politiker wie Putin, den der Westen seit 20 Jahren immer mehr isolierte und damit fanatisierte, nicht diplomatisch einzugehen, sondern geradezu erpicht darauf gewesen zu sein, dass er einen Krieg anfängt – das zeigen Dokumente aus den USA -, das ist gemeingefährlich und zeigt wie komplex dieser Konflikt ist. Der Antisemitismus gerade von Selenskyi, der den Holocaust trivialisiert und den ganz normalen Krieg Russlands mit der Gründung der auf die Vernichtung der Juden gerichteten NSDAP 1920 gleichsetzte, kam in Israel in der Knesset überhaupt nicht gut an. Die deutschen und amerikanischen Waffen werden noch mehr Menschen in der Ukraine töten. Daher: Schluss mit den Sanktionen, die auch russischen Staatsbürger*innen ihre verdiente Rente und andere Geldzahlungen entreißt, auf mit Nordstream 2 und zwar sofort. Jene, die am meisten unter diesen Sanktionen leiden werden, auch wenn das ein Leiden auf sehr hohem Niveau ist, werden die Menschen in der BRD und Europa sein, Inflation, Panik vor Strom- und Heizungsausfällen zeigen die Absurdität der Politik von Baerbock, Lindner und vorneweg Olaf Scholz.

Sind die Herrscher in Saudi-Arabien menschenfreundlicher als Putin? Ihr Krieg im Jemen hat bislang 200.000 bis 300.000 zivile Opfer gefordert. Keine Sanktionen nirgends, die Saudis sind unsere Freunde, das gleiche gilt von Katar.

Staun jedoch beklagte im März 2022 das angebliche „Zaudern“ der deutschen Politik und fand die ungeheuerlichen 100 Milliarden für die Bundeswehr gar nicht ausreichend, weil die ja doch Deutschland zugutekämen und nicht direkt der Ukraine (evtl. sind Staun und Ronzheimer jetzt doch Freunde, 2022?). Kein Wort der Differenzierung, wie es zum Krieg in der Ukraine kam. Keine Kenntnis von not-one-inch, dem gebrochen Versprechen der USA und der NATO, von James Baker und Helmut Kohl (es gibt die Protokolle davon, nur keinen Vertrag, alles in „Nie wieder Krieg ohne uns… Deutschland und die Ukraine“, das neue Buch von Gerald Grüneklee, Peter Nowak und mir).

Harald Staun kennt sogar den Namen Adorno und weiß detailliert, wie Andrew Breitbart lange vor Trumps Aufstieg als Politiker zu einem rechtsextremen Hetzer in den USA wurde. Er weiß, dass es kein richtiges Wohnen im falschen Leben gibt

und kauft doch gerne bei Amazon ein. Er kennt sich in Film, Kino und Literatur aus und weiß auch, dass es „Die Invasion der Blogger“ gibt, die den Journalismus bedrohen könnte. Er hat 2003 sogar Ivan Illich erwähnt, der eigentlich unter die wichtigsten 50 „Intellektuellen“ hätte kommen müssen – noch besser wäre es gewesen, Staun hätte Illich auch gelesen und verstanden, dann wären ihm katastrophale analytische, medizinische, philosophische, demokratische und menschliche Fehler in der Coronakrise, wie wir noch sehen werden, eventuell erspart geblieben.

Staun schreibt über Fußball und die Arroganz von ARD und ZDF, erzählt 2018 die Geschichte des 2010 gegründeten explizit sozialistischen Magazins Jacobin in den USA, doch 2020 hat Staun natürlich nicht gestaunt, sondern ignoriert, dass gerade in Jacobin der Epidemiologe Professor Martin Kulldorff von der Harvard University am 19. September 2020 in einem Interview mit Nicole Aschoff und der Biologin und Epidemiologin Katherine Yih von der Harvard Medical School, sich gegen die irrationalen und höchst gefährlichen Coronamaßnahmen wie Lockdowns aussprach. Kulldorff hat dann ja Anfang Oktober 2020 zusammen mit der linken Epidemiologin Professorin Sunetra Gupta von der Oxford University in England und dem Professor für Medizin an der Stanford University Jay Bhattacharya die berühmte „Great Barrington Declaration“ verfasst, die sich für den Schutz der Vulnerablen und für ein ganz normales Leben aller anderen Menschen im Zeitalter von Corona ausspricht.

Im Juni 2021 plappert Harald Staun mit dem Historiker Philipp Sarasin über Luhmann (der als Systemtheoretiker gar keinen kategorialen Unterschied zu sehen vermochte zwischen den Nazis und den Befreiern und Amerikanern, wie es sich mal in einem Interview zeigte, was aber natürlich hier nicht vorkommt), Sarasin und Staun reden über Apple Computer, über das ach-so-zentrale und willkürlich herausgegriffene Jahr 1977, das Sarasin zu einem Buch gereichte, über „Identität“ von links und rechts. Dann rubriziert Staun ein post-pubertäres Sexgeschwafel in einem Video von Charlotte Roche, die Roger Willemsen und ein paar andere Viel- oder Dummschwätzer in ihre Privatwohnung eingeladen hatte, ziemlich fasziniert unter „Kindergeburtstag“,

Staun kritisiert aber ein anderes Mal sogar eine reaktionäre Männerbewegung und befasst sich mit Gender, Aphrodite und der „Abschaffung der Geschlechter“, er befasste sich sporadisch und mehr schlecht als recht (also unterm Strich den Jihad verharmlosend) mit dem Thema Islam und Islamismus in Deutschland, zuletzt kritisierte er recht luzide eine vierteilige Filmreihe und den 90-minütigen Abendfilm, der am 5. September 2022 in der ARD zur Primetime zu sehen sein wird, zum palästinensischen Massaker an der israelischen Olympiamannschaft im September 1972, schon 2012 hatte er das Thema aufgegriffen. Staun zeigt, wie perfide dieser Film bzw. die vierteilige Serie 2022 vorgehen:

Fünfzig Jahre lang hat Mohammed Safady nicht nur darüber ge­schwiegen, was er im Jahr 1972 ge­tan hat. Er war auch dermaßen untergetaucht, dass ihn Wikipedia schon für tot hielt, für eines der Opfer der Vergeltungsaktionen des israelischen Geheimdienstes Mossad. Nun taucht er wieder auf, als Zeitzeuge in der ARD-Dokumentation „Tod und Spiele“. (…) Safady war einer der palästinensischen Attentäter der Terrorgruppe „Schwarzer September“, die am 5. September 1972 bei den Olympischen Spielen in München elf israelische Sportler ermordeten. Dass die Filmemacher Lucio Mollica und Bence Máté ihn aufgetrieben und für ein Interview für ihre Dokumentation zum 50. Jahrestag des Anschlags gewonnen haben, kann man als journalistischen Scoop be­zeichnen. Dass sie ihn wie einen Zeitzeugen unter anderen behandeln, ist schwer erträglich. (…) Und es ist höchstens die halbe Wahrheit: So sehr sich Mollica und Maté in ihrer 180 Minuten langen Doku (vier Folgen sind in der ARD-Mediathek, das Erste zeigt am 5. September um 20.15 Uhr eine 90-minütige Fassung) bemühen, den historischen Kontext, politische Hintergründe und die Folgen des Attentats zu be­leuchten, so groß ist eine Lücke, die besonders auffällt: Es kommt kein einziger deutscher Jude zu Wort.

So differenziert und kritisch geht Staun aber keineswegs immer vor, wie wir schon gesehen haben.

Vor allem in der Coronakrise hat er so Typisches wie Unglaubliches verfasst, wie wir noch ausführlich und quellengesättigt sehen werden. Staun hat sogar im Herbst 2017 ein Interview mit dem ARD-Tatort-Regisseur Dietrich Brüggemann über dessen ersten Tatort geführt, es dann aber offenbar verpasst sich weiter mit Brüggemann und dessen scharfer Kritik am Corona-Regime zu befassen, dabei hätte er ja als Bekannter von Brüggemann leicht Zugang gehabt, doch ich fand nichts dazu, auch nicht zu #allesdichtmachen, der fantastischen Kurzclip-Video-Aktion um Volker Bruch, Miriam Stein, Brüggemann und einige der bekanntesten Tatort-Schauspieler*innen wie Jan-Josef Liefers, Wotan Wilke Möhring, Ulrich Tukur oder Felix Klare. Journalisten arbeiten tagesaktuell und nicht systematisch, sie hüpfen von News zu News, kratzen an der Oberfläche und sehen selten, was darunter ist. Doch vor allem zeigt sich eine abgrundtiefe Liebe zum Staat und zum Gehorsam, der pandemic turn wird nicht nur bejaht, sondern gefeiert als historische Chance. Wir kommen darauf zurück.

Wieso aber schreiben Eltern so obsessiv über ihren Nachwuchs, erwähnen in ihrem Lebenslauf, dass sie verheiratet sind oder 2-4+ Kinder haben, stellen sich Bilder ihrer Blutsverwandten – das ist entscheidend, nur adoptierte Kinder zum Beispiel, das zählt gar nicht, es muss das eigene Blut sein – auf den Schreibtisch, hängen sie an die Wand im Treppenhaus oder Wohnzimmer oder haben Familienbilder als Bildschirmschoner auf dem Computer, Tablet oder Handy?

Wieso schreibt ein Autor in einer bundesweiten Tageszeitung über „Wir Eltern“ in Prenzlauer Berg? Gerade deshalb, wegen dem Bekenntniszwang (den hat auch Felix Klare, „Vater von mittlerweile vier Kindern“ in seinem #allesdichtmachen Beitrag), daddiot oder mombie zu sein, werden sie Redakteure und Autorinnen. Sie wollen hinausschreiben, was sie Tolles für das Patriarchat, den Kapitalismus und zumal den deutschen Staat geleistet haben. Zwei oder drei, nicht selten vier Schreihälse kommen dabei heraus, besonders patriarchale und unsoziale Wesen haben sieben davon und hohe Posten in der EU.

Ende Mai 2020 war Harald Staun schon völlig beschwipst von staatlicher Gewalt und ein Zeuge Coronas von Jens Spahn, Angela Merkel, dem RKI und Olaf Scholz geworden, mit einem Monsterbild wird der Tenor unterstrichen:

Womöglich eröffnete genau dieser Bruch die Chance, die Zweifel vor den Zweiflern zu retten: Der Ausnahmezustand hat nicht nur deutlich ökonomische und soziale Schieflagen offengelegt, sondern auch die enormen Kapazitäten politischen Handelns angedeutet. Auf der ganzen Welt haben Staaten gezeigt, dass sie bereit sind, eine globale Wirtschaftskrise hinzunehmen, um zu tun, was sie für moralisch geboten halten.

In einem Interview mit dem Soziologen Benjamin Bratton aus Kalifornien im Juli 2021 zeigt sich der irrationale Maskenwahn, der medizinisch nicht begründbar ist – Schweden hat halb so viel Übersterblichkeit wie Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 und das ohne jede Maskenpflicht, nicht in Supermärkten, Kinos, Theatern, U-Bahnen, Bussen, Zügen, Behörden, Schulen, einfach nirgends –, aber den religiösen Zeugen Coronas ein Vorwand bietet, um Dissident*innen so richtig fertig zu machen:

Ich denke, dass Menschen, die Masken demonstrativ ablehnen und sich so dagegen entscheiden, Teil der immunologischen Gemeinschaft zu sein, ein bestimmtes Verständnis von Gesellschaft zum Ausdruck bringen: Sie sehen Gesellschaft als eine Ansammlung von autonomen Akteuren, die freiwillig in einen kulturellen oder sozialen oder wirtschaftlichen Austausch treten. In diesem Fall ist das Risiko individuell und nicht kollektiv: Mein Ausatmen ist eigentlich nie dein Einatmen. Dieses verinnerlichte Gesellschaftsmodell ist aber nicht nur in der Krise falsch; eine Krise macht nur deutlich, wie falsch es grundsätzlich ist. Soziale Beziehungen werden nicht einfach durch eine Ansammlung von Individuen erzeugt.

Wie tödlich Masken für die Gesellschaft sind, auch und gerade für Alte und Kranke, das steht hier nicht und das ist den beiden auch völlig egal. Dass alte Menschen, die ohnehin nur ca. ein Jahr im Altersheim verbringen, lieber Menschen sehen wollten, als eingesperrt und isoliert, zwangsmaskiert und andere Maskierte sehend, zugrundezugehen, das wird in dieser a-sozialen Diktion nicht gesehen, ja der Maskenwahn im Altersheim oder Krankenhaus affirmiert. Fragen Sie mal Helga Witt-Kronshage, die schon im April 2020 nach Hilfe schrie („Alte Menschen wollen in Würde leben und sterben – doch Merkel und die gesamte Politik bevorzugen Isolation und Qual: Wie geht es Helga Witt-Kronshage?“).

Dass Bratton darüber hinaus im anti-israelischen Verlag Verso Press publiziert, passt natürlich. Dort wird auch Jacqueline Rose publiziert, die andernorts eine der unglaublichsten antisemitischen und antizionistischen Lügen verbreitet hat, der zufolge Hitler und Theodor Herzl sich während des gleichen Konzerts mit Wagner Musik in Paris zu ihren jeweiligen Büchern „Mein Kampf“ beziehungsweise „Der Judenstaat“ motiviert und inspiriert hätten haben lassen, also spätestens im Mai 1895, weil da Herzl sein Manuskript abschloss. Hitler kam erstmals mit der Nazi-Wehrmacht 1940 nach Frankreich („Blitzkrieg“). Doch der antizionistische Wahn von Jacqueline Rose ist typisch für England und die Linke in England. Bratton folgt dem Wahn, dass Masken schützen würden.

Der Kern der ganzen Corona-Ideologie und der autoritäre Charakter von Harald Staun wird in einem Text mit seiner Kollegin Novina Göhlsdorf im November 2021 sichtbar: „Kontrolliert uns!“ heißt das achtelgebildete, reaktionär-avantgardistische Elaborat, das ein Plädoyer für den ZeroCovid-Totalitarismus ist.

Ein Text, der ideologisch so in exakt jedem Feuilleton, auf jeder Medienseite jeder stolz- und Corona-deutschen Zeitung stand und zwar jeden Tag seit März 2020. Wer diesen Text gelesen und verstanden hat, weiß alles über die Deutschen und die ZeroCovid-Religion.

Der Text beginnt so:

Ein Freund aus Amsterdam ist zu Besuch in Berlin. Vor der Bar in Neukölln will der Türsteher Impfnachweise sehen. Der Freund hat ein zerknittertes Papier dabei. Doch nur die mit QR-Codes dürfen durch. Der Türsteher ist sehr freundlich und sehr bestimmt. Keine Ausnahmen, leider. Wie ärgerlich – und wie gut –, dass sie so streng sind hier. Wir laufen durch die Weserstraße, sie ist voller Bars, die aber voller Leute sind; es ist Freitagabend. Einige Häuser weiter winkt uns eine Frau in eine Bar, wir quetschen uns ins Gedränge vor dem Tresen. Dreißig unbehagliche Sekunden. Wieso kontrolliert uns keiner? Lieber wieder raus.

Völlig irrational sind die beiden (oder drei etc.), ja total irrational und panisch, ohne jeden Grund. Ihnen fehlt der Lockdown und der Wille zur Gewalt gegen Nicht-alle-Maßnahmen-Befolgende.

Wie gezeigt, weiß Harald Staun alles. Er ist ja ein Käpsele. Er kennt das Wort, nicht den Inhalt, von Totalitarismus, so wie er Adorno vom Namen her kennt, aber wenig vom Inhalt, auch bei Ivan Illich ist das so.

Beim Lesen des Textes „Kontrolliert uns!“ wird einem wahlweise schwindelig oder übel. Es sind ekstatische Pirouetten der Lust am Gehorchen, am Testen, Überprüfen, Mitmachen und Nicht-Denken.

Da wird gejauchzt, dass es Lehrer*innen gab, die von sich aus Masken- und Testwahn, also Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wieder eingeführt haben. Dass die zwei, drei Lehrer*innen in diesem Land, die sich kritisch, demokratisch und epidemiologisch versiert gegen die irrationalen und gesundheitsgefährdenden Maßnahmen wandten, mit Disziplinarverfahren, jahrelangen Gehaltskürzungen oder Entlassungen schikaniert und fertig gemacht wurden, das steht da nicht, ja man kann davon ausgehen, dass das von den Frankfurter Allgemeinen beklatscht wird.

Die obsessive Art von Harald Staun, seine Kinder zu instrumentalisieren und als Aufhänger für Texte von ihm in der Frankfurter Allgemeinen herzunehmen – mal ist es die Einweihung eines Spielplatzes in Berlin Prenzlauer Berg, wo die peinlichsten der peinlichen daddiots und mombies Berlins wohnen und nicht alle, aber viele sind Schwaben oder Bayern, weshalb die Rykestraße an Weihnachten ja immer so schön leer war früher („Wir Eltern von Prenzlauer Berg“, der Titel ist kein Witz und nicht in einer Elternpostille erschienen, sondern wirklich in der FAS, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, für die Staun Redakteur für die „Medienseite“ ist),

mal ist es der Bericht eines „Skiurlaubs in Liechtenstein“, der nur 2000€+ pro Woche kostet (1 daddiot, 1 mombie, zwei Schreihälse), den der FAS-Redakteur mit seinen Blutsverwandten dort unternahm und sein kleinbürgerliches Glück, das was mombies und daddiots unter „Glück“ verstehen, hinausposaunt und sich damit narzisstisch selbst lobt und überhebt–,

diese instrumentelle Art ist es, die einen hier erschaudern lässt, wie er denn mit diesen Kindern oder Jugendlichen in der Corona-Krise umgeht und umging. Hat er sie zum Impfen gezwungen oder genudged (hineingedrängt)? Hat er ihnen die Maske umgebunden, 24/7, oder sie auch hier kaum subtil gedrängt, alles, wirklich alles medizinisch Irrationale, was die totalitären Lehrer*innen und Schulleitungen von ihnen verlangten, nicht nur widerspruchslos, sondern euphorisch und dankbar mitzumachen?

Die Elternzeitung Frankfurter Allgemeine ist so schamlos wie es daddiots und mombies sind, sie versteckt ihre AfD-mäßige Befolgung des natalistisch-patriarchalen Imperativs gar nicht, sie feiert ihn. Folgender Satz aus dem FAZ-Elaborat von Göhlsdorf und Staun ist so dermaßen irrational und absurd, dass man glaubt, man sei im Twitter-Account von Karl Lauterbach gelandet:

Es gibt Lehrer, die es hinbekommen, Infektionszahlen niedrig zu halten, weil sie eine mutwillig abgeschaffte Maskenpflicht und Abstandsregeln auf eigene Faust wieder eingeführt haben.

Dieser Plädoyer für mehr Gewalt und Rücksichtslosigkeit, für mehr a-soziales Verhalten von Lehrer*innen – auch wenn da „Lehrer“ steht, sind womöglich auch die nicht weniger fanatischen nicht-männlichen Leerkräfte (ohne „h“) gemeint, es gibt ja an Schulen primär Lehrerinnen –, ist schockierend, schlichtweg. Denn da wird für gesetzeswidriges Verhalten plädiert („auf eigene Faust“). Auf eigene Faust, also am besten mit einem Punch in die Gesichter der ein, zwei Schüler*innen, die selbst denken können und unter einer Maske leiden und wissen, wie unglaublich ungefährlich Covid-19 für sie und ihr Umfeld ist, oder wie ist das gemeint? „Auf eigene Faust“ gesetzes- und verfassungswidrige Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit vornehmen. Und eine Maske ist eine Körperverletzung. Mensch bekommt weniger Sauerstoff, atmet die eigenen Abgase wieder ein, auch Viren und Bakterien, und sieht nur Monster um sich herum und ist selbst eines. Atemnot und Panik entstehen, nicht nur, aber noch verschärft bei Menschen mit Pollenallergien, Asthma oder der Erfahrung sexueller Gewalt, wo ein Täter den Mund zugehalten halt. Von alldem haben die beiden Schreiberlinge der Zeitung für Deutschland nie etwas gehört und schlimmer noch: selbst wenn sie davon gehört haben, es ist ihnen furzscheißegal, um eine Sprache zu verwenden, die auch daddiots und mombies verstehen.

Ein schwedischer Bürger (w/m/d) würde nicht glauben, dass so etwas in deutschen Zeitungen stand (oder in französischen, österreichischen, amerikanischen, israelischen etc.), das Feiern irrationaler Maßnahmen und das Beklatschen von übereifrigen ZeroCovid-Faschos wie Lehrerinnen, die ohne „Verordnung“ oder Gesetz die ihnen Untergebenen zwingen (!), sich zu maskieren, zu testen, gehorsam zu sein und nicht zu denken, niemals selbst zu denken!!

Und das folgende „man“ im nächsten Zitat ist eigentlich gar kein abstraktes Heidegger‘sches „man“, es sollte vielmehr ersetzt werden durch „Als Trottel“, „Als Zeuge Coronas“ oder „Als affirmative Existenz“:

Man lässt sich boostern, lange bevor man dazu aufgerufen wird. Ein Mitschüler der Tochter ist infiziert, und man schickt sich in Quarantäne, obwohl das niemand mehr fordert. Und man kultiviert ungewohnte Sehnsüchte. Gebt mir Anweisungen! Kontrolliert mich! Wie immer, wenn Sehnsüchte unerfüllt bleiben, kompensiert man: durch freiwillige Selbstkontrolle und die freiwillig selbstvollzogene Fremdkontrolle. Lasst mich kontrollieren, ob ihr mich kontrolliert – und die anderen.

Auch folgender Satz zeigt nur, wie unreflektiert bei der Zeitung für Deutschland wie in wirklich nahezu allen Zeitungen in Deutschland gearbeitet und geschrieben wird, ohne jede epidemiologische oder medizinische Evidenz und unter gezielter Ignoranz der internationalen Forschung in diesen Bereichen:

Aber angesichts der anhaltenden gesundheitlichen Gefährdung erzeugt nicht mehr die Preisgabe der persönlichen Daten ein schlechtes Gewissen, sondern ihre Verweigerung.

Für Kinder und Jugendliche und Menschen unter 70 bestand zu keinem Zeitpunkt – zu keinem Zeitpunkt seit März 2020 – eine „gesundheitliche Gefährdung“, die über das Risiko hinausgeht, wie wir es von der Influenza und anderen, teils seltenen, aber eben mitunter gefährlichen Infektionskrankheiten auch in diesen Altersgruppen bis 70 Jahren kennen.

Die FAZ plädiert wie fast alle in Germanien für die totale chinesische Kontrolle, technischer Totalitarismus ist für sie die coolste Mode:

Fast schon wie eine Verhöhnung der eigenen Kooperationsbereitschaft fühlt sich der bizarre deutsche Brauch an, maschinenlesbare Zertifikate auf dem Smartphone mit eigenen Augen auszulesen. Dass es längst eine App dafür gibt, die in anderen Ländern selbstverständlich benutzt wird, gehört hier sogar in der Gastronomie noch in den Bereich des Geheimwissens.

Sodann wehren sie die Kritik am „Totalitarismus“ der Überwachungsgesellschaft von der Autorin Sybille Berg zurück und kokettieren lieber mit dem ZeroCovid-Faschismus, der doch „ein Instrument von Gestaltung und Ermöglichung“ sein könne:

Man darf die Gefahr in einer solchen Gewöhnung sicher nicht unterschätzen. Und doch verspielt, wer nach der Pandemie nur schnell zurück zur Normalität einer Überwachungskritik möchte, die Chance, die die Erfahrung dieser Krise bietet. Was man nämlich in der Bewältigung der außergewöhnlichen gesellschaftlichen Aufgabe lernen konnte, ist, dass „Kontrolle“ keine Chiffre für Totalitarismus sein muss. Dass sie nicht nur eine Kraft der Restriktion und der Gängelung ist, sondern ein Instrument von Gestaltung und Ermöglichung sein kann.

Das erinnert an die zynische und häufig grün-deutsche Empowerung der „Happy Sexworker“ und der Prostitution – Frauen werden vorgeblich ermutigt, selbstbestimmt zu Waren zu werden und sich körperlich schänden zu lassen. Deutschland ist ja das Bordell Europas, die Opfer sind primär osteuropäische Mädchen und Frauen, aber auch Männer und Jungen.

Sibylle Berg ist besonders ein Feindbild für Staun, der selbst seit März 2020 im Totalitarismus keinen Totalitarismus mehr sehen will und Biopolitik entgegen jeder Forschungslage nicht auch und zentral als gegen die Einzelnen gerichtet sieht:

Dass Sibylle Bergs wütende Litanei heute so anders klingt als noch vor drei Jahren, liegt aber auch daran, dass zwischen „GRM“ und „RCE“ eine Pandemie die Welt erschütterte, nach der man durchaus Gründe haben kann, anders auf Themen wie Überwachung und digitale Kontrolle zu blicken.

Dass eine tatsächliche Infektion für Kinder und Jugendliche und Menschen unter 70, die nicht eine ganz seltene besonders schwere Krankheit oder Immunschwäche haben, überhaupt nicht dramatisch ist, dass verleugnen sie, weil sie an Medizin, Gesundheit und Verhältnismäßigkeit kein Interesse haben. Schließlich bietet Corona doch die außerhalb Chinas nie dagewesene Chance, den Kontrollwahn nicht nur zu fordern, sondern am besten zu internalisieren, sich zu freuen, nach dem Impfstatus gefragt zu werden, weil man selbst so dermaßen blöd und bescheuert ist und nicht weiß, dass gegen SARS-CoV-2 Geimpfte wenigstens so ansteckend sein können wie der denkende Teil der Bevölkerung, also die Nicht-Geimpften, wie Studien aus den USA im Herbst 2021 und alle Zahlen von „Patient*innen“ zum Beispiel aus dem Vereinigten Königreich und selbst vom Robert Koch-Institut (RKI) eindrücklich zeigen.

Staun scheint gar nicht zu wissen, dass Menschen unter 70 eine Infektionssterblichkeit bei Corona von 0,05 haben, wie die WHO schon im Herbst 2020 schrieb.

In people younger than 70 years, infection fatality rates ranged from 0.00% to 0.31% with crude and corrected medians of 0.05%.

Er ignoriert solche zentralen Fakten einfach, wie es fast alle Journalist*innen, Politiker*innen und die kulturelle Elite in diesem Land und weltweit taten und die meisten bis heute tun, weil sie nicht den Mut haben zuzugeben, dass sie Fake News verbreitet und Pro-Corona-Totalitarismus agitiert haben.

Es ist wirklich faktenfreies Gelalle – wie soll man das sprachlich anders fassen? Sagen Sie es mir! -, wenn die beiden dann von einer Unidozentin berichten, die angeblich kritisch ist und denken kann, die sich nur noch nicht traut, ihre Studierenden auf den 3G-Nachweis etc. zu kontrollieren. Eigentlich wäre das exakt richtig, ja „Fürsorge“. Dass Studierende wie alle Menschen – wie gezeigt – unter 70 überhaupt nicht vulnerabel sind und die wirklich Vulnerablen in den Altenheimen zu Tode isoliert wurden – davon nicht ein Wort in diesem an Zynismus und Affirmation schwer überbietbaren Propagandatext des Zeugen Coronas.

Wie ein ZeroCovid-Fascho aussieht, können solche Autor*innen nur deshalb nicht jeden Morgen gleich sehen, weil die Spiegel in ihren überdimensionierten Altbauwohnungen von den Quälgeistern täglich mit Fingerfarben vollgemalt oder den Teenies vollgesprüht werden, weil es ja besser und sicherer ist, nicht in die Kita oder die Schule zu gehen. Und, ja, es gibt kritische Lehrerinnen und Lehrer, aber das sind maximal eine von 100 („Die Grundschulrektorin Bianca Höltje hat ein Jahr lang die irrsinnigsten Regelungen für Grundschüler*innen an ihrer Schule mitgemacht und umgesetzt. Sie hat das widerwillig getan und kann jetzt nicht mehr. Sie kann nicht weiterhin Kinder schädigen und schlägt Alarm.“)

Und es geht weiter mit den Umdeutungen der Wahrheit, so wenn die beiden Autor*innen der Frankfurter Allgemeinen Michel Foucault gar nicht attestieren, dass es ihm sehr wohl um das Individuum ging, das biopolitisch zugerichtet und im Bentham‘schen Panoptikum 24/7 überwacht wird. Sie fabulieren:

An konkreten Übergriffen auf die Körper einzelner Bürger hat Biopolitik wenig Interesse. Das Impfen zielt nicht auf die Individuen, sondern soll eher die Mobilität der Massen und der Waren ermöglichen.

Nicht nur im pandemischen Ausnahmezustand gibt es keine Politik, die nicht Biopolitik ist, also permanente Optimierung der Bevölkerung. Aber die Bekämpfung eines Virus, der derart unflexibel über Leben und Tod entscheidet, erfordert neben der Kontrolle auch die Disziplinierung. Und eine Politik, die nicht relative Zahlen im Auge hat, sondern sich absolut dem Schutz des Lebens verpflichtet.

Und dieser Satz „Und eine Politik, die nicht relative Zahlen im Auge hat, sondern sich absolut dem Schutz des Lebens verpflichtet“ ist gegen das Grundgesetz gerichtet, das so einen absoluten Schutz nicht kennt. Aber von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat die Frankfurter Allgemeine so wenige Ahnung wie von der Würde des Menschen, des einzelnen Menschen.

Im November 2021, als dieser Pro-Totalitarismus-Text erschien, umschlich die beiden AutorInnen geradezu Panik, dass die neue Regierung unter Olaf Scholz weniger fanatisch sein könnte als die unter Merkel. Doch es kam doch ganz anders, es kam die Impf-Apartheid, 2G, wie „wir“ alle ahnten und wussten! Und der Maskenwahn von Lauterbach ist der gleiche wie der von Spahn, kein Unterschied nirgends.

Die kapitalistische und staatsfetischistische Geilheit – exakt wie die von den „blättern für deutsche und internationale Politik“, die nur sekundiert was die FAZ oder FAS schreibt und vice versa – zeigt sich schließlich hierin: Sie fragen sich, was für super tolle biopolitische Zumutungen und faschistoide Überwachungsmethoden es nicht alles geben könnte:

Zum Beispiel so: Wie eine App, auf der man mit zwei Klicks einen Impftermin buchen kann. Wie eine Datenbank, die epidemische Verläufe und Verteilungen tagesaktuell und anonym sammelt und auswertet. Wie ein Krisenmanagement, das so gut funktioniert wie ein Einkauf bei Amazon.

Dass kein Mensch unter 70 eine Impfung – in Wirklichkeit eine „Gentherapie“, wie die Firma Bayer bekanntlich ganz offen auf dem World Health Summit im Oktober 2021 in Berlin sagte – gegen SARS-CoV-2 benötigt, weil es keine tödliche Seuche ist, sondern so gefährlich oder ungefährlich wie eine Grippe, das sagt die Frankfurter Allgemeine natürlich nicht. Und ob es für ältere Menschen etwas brachte, ist auch völlig unklar, wenn wir uns die Impfnebenwirkungen anschauen, die präzedenzlos sind in Ausmaß und Qualität (Tod nach Impfung, schwere körperliche Schäden). Auch dass laut britischen Daten bzw. aus dem UK von allen angeblichen Corona-Toten nur 12 Prozent ausschließlich an Covid-19 starben, auch davon haben diese Leute der Zeitung für Deutschland keine Ahnung oder sie wissen es und verleugnen es.

Doch es ist nicht nur ein Realitätsverlust, der hier schockiert. Es ist der Wille zum Wahn, der Wille zum Gehorsam unter den Staat – exakt wie bei den blättern für deutsche und internationale Politik oder dem Suhrkamp Verlag. Denn schließlich ist es wieder das zu häufige Heidegger’sche „man“, das zuschlägt und hinter dem sich der affirmative Fanatismus und die unbedingte Liebe zur Gewalt, zum Irrationalismus, zur Willkür, zur Unverhältnismäßigkeit, zum Buckeln vor dem Chef, der Schulleitung, der Politik, den Bullen und dem Staat und somit die Freude am Treten jener, die nicht mitmachen, also ein zuschlagendes „man“, hinter dem sich Novina Göhlsdorf und Harald Staun verstecken wie das fleischliche Brät in einem Maultäschle, damit Gott nicht sieht, dass Fleisch in Maultaschen steckt:

Man ist bereit, alle Vorgaben zu befolgen.

Nicht „man ist bereit, alle Vorgaben zu befolgen“, sondern medizinisch, antiautoritär und demokratietheoretisch Ungebildete (also fast alle Deutschen) wie Novina Göhlsdorf und Harald Staun sind „bereit, alle Vorgaben zu befolgen“.

Und wie typisch und schrecklich sich ein autoritärer Charakter offenkundig vererbt, gerade in Deutschland, dem Land des autoritären Charakters schlechthin, zeigt der Russenhass von Annalena B., die nur ihrem geliebten Großvater folgt, der selbst mit der Waffe gegen „den Russen“ kämpfte, während sie dieses blutige Geschäft an 19-jährige Ukrainer delegiert, da sie selbst dann doch lieber leben und agitieren als sterben möchte für den Staat, der nach Antisemiten und Holocaustmördern Straßen, Plätze oder Fußballstadien benennt und sich sehendes Auges im Konflikt von USA, EU, NATO und Russland zerreiben lässt.

Und wie typisch und schrecklich sich ein autoritärer Charakter offenkundig vererbt zeigt sich hoffentlich nicht an dem Nachwuchs, den Harald Staun bereits in die Welt gesetzt hat – aber zu befürchten ist es dennoch. Wer je sah, wie hirnlos und gehorsam gerade Teenager im Alter von 13 bis 19 sowie Studierende in der Coronakrise agierten, weiß, dass dieses Land auch in dieser Hinsicht, dem Aufwachsen einer autoritären, staatsgeilen, irrationalen, unaufgeklärten Jugend seiner Vergangenheit wieder eine Zukunft gibt. Eine Vergangenheit, die Typen wie Harald Staun, der als Harald Staun völlig irrelevant ist und hier nur pars pro toto für das kulturelle Establishment steht, vorleben:

Man ist bereit, alle Vorgaben zu befolgen.

Die Zeugen Coronas und die Gewalt von Medizin wurden 2001 in diesem Buch antizipiert beziehungsweise kritisiert, Kritische Theorie gegen den Coronawahn und gegen den patriarchal-natalistischen Imperativ zugleich:

 

Zwei irrationale Zeugen Coronas streiten sich um die Deutungshoheit bei der Definition von Antisemitismus: Eva Biller und Maxim Menasse

Von Dr. phil. Clemens Heni, 3. August 2022

Eva Menasse ist eine in Deutschland lebende Österreicherin mit Identitätsproblemen als Jüdin – das schreibt der jüdische Einwanderer aus der damaligen Tschechoslowakei Maxim Biller in der Süddeutschen Zeitung (SZ), der zwar mitunter klarer denken und kategorial besser schreiben kann als Menasse, aber auch in Berlin lebt und so wie Menasse ein religiöser Zeuge Coronas ist.

Menasse hat kein Problem mit dem Antisemitismus aus dem Trikont („Globaler Süden“, „Dritte Welt“), weil der angeblich nicht mit „Maschinenpistolen“ in Synagogen eindringen möchte, sondern nur spielen will. Dieses rassistische Nicht-Ernstnehmen von indonesischen oder algerischen Antisemiten (m/w/d) ist ganz typisch für das Kulturestablishment. Dass Claudia Roth eine Kritikerin des Antisemitismus sei, wie Menasse behauptet, ist so lachhaft wie grotesk für eine Person, die dafür berüchtigt ist, das islamistische Regime in Teheran bei jeder möglichen Gelegenheit zu besuchen und schön zu reden.

Aber es ist noch viel krasser, was sich die Möchtegern-Schriftstellerin Eva Menasse so leistet. Denn im Spiegel vom 2. Juli 2022 schreibt sie Ungeheuerliches. Im Kern sind es drei Sätze, die zeigen, dass Eva Menasse nicht nur kaum denken und schreiben kann, sondern vor allem mit was für einem Holocaust verharmlosenden Furor und was für einem medizinischen Irrationalismus sie die Welt mit ihren Worten belästigt. Sie schreibt im Spiegel:

Deutschland hat den Holocaust erdacht und durchgeführt, einen der größten Völkermorde der Geschichte.

Das ist der erste ungeheuerliche Satz. Denn da lachen die postkolonialen Antisemiten (m/w/d) der Dirk A. Moses-Brigaden aber herzhaft! Damit leugnet Menasse den präzedenzlosen Charakter der Shoah, wenn Auschwitz nur ein Völkermord unter vielen war. Da zeigt sie also ihre linke Fratze.

Sie spielt aber auch auf der rechtextremen Klaviatur und sekundiert den Bundespräsidenten a.D. Gauck oder den heute besonders beliebten Historiker aus den USA Timothy Snyder, wenn sie deliriert:

Auf Stalins Konto gehen wahrscheinlich noch mehr Tote, aber die schiere Technik des zeit- und ressourcensparenden Massenmordes (Ersticken in Gaskammern, Verbrennen der Leichenberge in daneben gelegenen Öfen), zu deren reibungslosem Ablauf nur ganz wenige Arbeiter, infamerweise ebenfalls Juden, benötigt wurden, bleibt ein »schwarzes Loch des Verstehens« (Dan Diner).

Das ist der zweite ungeheuerliche Satz in diesem Machwerk im Spiegel. Dass Stalin zu keinem Zeitpunkt ein ganzes Volk ausrotten wollte, das steht hier nicht und davon weiß die Nicht-Wissenschaftlerin Menasse auch überhaupt nichts. Vom „Schwarzbuch des Kommunismus“ (1997) über den Vergleich von Kindergärten in der DDR und der Nazi-Autobahn in Texten Gaucks bis hin zur Prager Deklaration (2008), die die EU anweist, alle Textbücher so umzuarbeiten, dass die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen indoktriniert bekommen, dass Stalin exakt so böse war wie Hitler (bzw. Putin so schlimm wie Heydrich und Goebbels) hin zu dieser unerträglichen Passage bei Menasse ist es nur ein Mausklick. Alles Schenkelklopfer der den Holocaust verharmlosenden Internationale.

Damit intoniert die unwissenschaftliche Schriftstellerin die Rot=Braun-Ideologie, eine sehr beliebte Spielart des sekundären Antisemitismus. Sie ist so perfide wie Hannah Arendt und schafft es, gerade die Opfer der Shoah als Teil der Täter zu erwähnen! Das flutscht bei den Spiegel-Macher*innen wie -Leser*innen natürlich runter wie Honig. Dazu ein bisschen Pro-BDS-Geraune und fertig ist die antisemitische Süßspeise.

Meron Mendel zieht das Identitätsticket gekonnt, damit die SZ oder andere Medien ihn drucken, da er nicht wegen seiner herausragenden Leistungen nonstop in den Medien ist, sondern nur und ausschließlich weil er als exotischer Vogel herumgereicht wird, als in Israel geborener Jude, der in Deutschland damit Karriere macht, jeden undurchdachten Scheiß mitzumachen und wahlweise die BDS-Bewegung kritisiert oder auch mal verharmlost (wie in dem von ihm mit Astrid Messerschmidt edierten Band „Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft“ von 2017, siehe dazu meine Studie „Der Komplex Antisemitismus“ von 2018), aber vor allem in jedem Auftritt wie Menasse Hannah Arendt zitiert. Mendel ist die linke Version von Ahmad Mansour, der auch nicht primär wegen herausragender intellektueller Leistungen, sondern wegen seiner arabisch-israelisch-deutschen ach-so-super-mega-turbo spannenden Identität bei BILD-TV und dem Springer-Konzern herumgereicht wird.

Eva Menasse weiß überhaupt nicht, was die Shoah war. Sie hat auch keine Angst vor Neonazis, die mit Maschinenpistolen in Synagogen eindringen wollen – sie hat primär panische Angst davor, nicht mehr in den Headlines und News der affirmativen Kulturindustrie aufzutauchen. Daher macht sie mit Ich-will-eine-NATO-Flugverbotszone-über-der-Ukraine-Yücel einen neuen PEN-Club in Berlin auf, daher trivialisiert sie den Holocaust als schlimmen Völkermord unter anderen und kokettiert mit der BDS-Bewegung.

Eva Menasse ist Ehrenvorsitzende des Christian-Drosten-Fanclubs jener Berliner Provinztrottel, welche die Spree für einen berauschenden Fluss und Drosten für einen seriösen Forscher halten.

Doch Maxim Biller, der früher durchaus ein seriöser Kritiker des Antisemitismus war,

hat den pandemic turn genauso goutiert und Kritiker*innen des irrationalen Wahnsinns und demokratiefeindlichen Totalitarismus von Merkel über Spahn bis Seehofer, Klabauterbach, Scholz, Baerbock und Buschmann diffamiert, weshalb ich im Oktober 2021 in meinem Buch „Die unheilbar Gesunden“ schrieb:

Der scharfe und oft köstliche Kritiker der Deutschen und des Antisemitismus, der Schriftsteller Maxim Biller, steht für dieses Versagen so gut wie des gesamten Kulturestablishments in zwei ganz typischen Texten in der Süddeutschen Zeitung Ende 2020 beziehungsweise im Frühjahr 2021. Allein das Ressentiment gegen die genialste Mainstream-Kampagne gegen die totalitäre Coronapolitik von Volker Bruch, Nina Gummich, Dietrich Brüggemann und Dutzenden ARD-Tatort- und sonstigen Schauspieler*innen – #allesdichtmachen –, die Biller als „Allesdichtmachen-Clowns“ meint lächerlich machen zu können, zeigt, wie wenig ein Bestseller-Autor wie Biller von der Coronakrise begriffen hat.

Eva Menasse wiederum schreibt im Juli 2022 im Spiegel Folgendes:

Die Fachleute sind marginalisiert, die mit dem Bauchgefühl haben übernommen. Da denunziert es sich auch leichter. Mit einem Vergleich aus der Coronazeit:
Nicht die Drostens geben den Ton an, sondern solche, die empfehlen, Desinfektionsmittel zu injizieren.

Das ist der dritte ungeheuerliche Satz in diesem total durchgeknallten Text im Spiegel, der wie nichts sonst für das deutsche Kulturestablishment steht.

In Deutschland geben also Menschen „den Ton an“, „die empfehlen, Desinfektionsmittel zu injizieren“. Das zeigt, dass Covid-19 vor allem die Gehirne angreift, hier jenes von Menasse – woher hat sie solche kranken Fantasien? Von der Spiegel-Redaktion? Warum nennt sie keine Namen, wer denn in Deutschland so tonangebend ist, dass das Injizieren von Desinfektionsmitteln angepriesen wird und damit gar die unglaubliche Expertise des nach Campino und Günther Jauch drittliebsten deutschen Schwiegersöhnchens von der Charité nicht mehr vorherrschend sei?

Dass Christian Drosten zu den „Fachleuten“ gehört, ist ein Gerücht, das nur Leute wie Eva Menasse oder Maxim Biller teilen, wenn wir unter Fachleuten Demokraten verstehen, die von Public Health eine Ahnung haben und die seit Frühjahr 2020 davor warnten, dass Masken, Lockdowns und die von der deutschen Bundesregierung in Auftrag (!) gegebene Panikproduktion Millionen Menschen im Trikont in den Tod und Unzählige im Norden in die soziale Isolation, den Tod im Altersheim oder Krankenhaus getrieben haben und weiter treiben.

Biller zeigte in der Coronakrise seine antidemokratische, affirmative Fratze, Menasse zeigte ihre linke wie rechte Fratze nicht erst, aber besonders markant in diesem skandalösen Text im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Menasse mag die Pro-BDS Stellungnahme von Leuten im Umfeld der Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, SSS (Stefanie Schüler-Springorum), der Initiative GG 5.3 Weltoffenheit, des Goethe-Instituts und weiterer Antisemitismus affiner Kultureinrichtungen. Das Intonieren der Rot=Braun-Ideologie durch Menasse zeigt zudem, dass sie alles, nur nicht links ist. Sie ist nicht weniger erpicht auf Öffentlichkeit wie Biller, aber links ist sie nicht – und Biller sicher auch nicht als Zeuge Coronas und als einer, der nicht den Eindruck macht, dass er die wirklich große Gefahr, die von brutalen, jüdischen, religiösen Aktivisten in Israel ausgeht, erkennt – Hauptsache, sie haben eine jüdische Mutter, was Menasse nicht hat und was dann vom jüdischen Establishment als Manko rüberkommt. Als ob nicht Juden mit vollumfänglich jüdischen Eltern, die in Israel aber nicht zur IDF gehen, sondern sich vom Staat aushalten lassen und liberalen amerikanischen jüdischen Kids ihre Bat oder Bar Mitzwa an der Klagemauer versauen, für Israel und das Judentum gefährlicher sind als Jüdinnen, die keine jüdische Mutter haben, aber dafür zionistisch aktiv (also nicht Eva Menasse heißen)? Das war der Stand bis März 2020. Seitdem gilt:

Doch dabei sind sie doch wirklich alle, von der Jüdischen Allgemeinen über Eva Biller hin zu Maxim Menasse, Zeugen Coronas und für die Demokratie verloren.

Wer vom Irrationalismus des pandemic turn und der Zeugen Coronas nicht reden will, soll vom Antisemitismus schweigen – und wer vom Antisemitismus auch der Coronapolitik kritischen Szene nicht reden will, soll vom pandemic turn und den Zeugen Coronas schweigen.

 

 

Schwanengesang der Israelsolidarität, „sekundärer Analphabetismus“ oder Kritik am „linearen Denken“ von Corona über die Ukraine bis zu Israel?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 04. Juni 2022

Der Literaturwissenschaftler und Publizist Hans Mayer (1907-2001) fand das Spiel „Reise nach Jerusalem“, das fast jedes Kind irgendwann mal spielte, einigermaßen bedenklich. Einer Gruppe von zum Beispiel 10 Kindern oder auch Jugendlichen sowie Erwachsenen stehen nur neun Stühle gegenüber. Man läuft im Kreis und auf ein Signalwort oder einen Ton muss jede und jeder einen Stuhl finden. Logisch bleibt eine Person übrig. Jede Runde wird so der Kreis kleiner. Ganz am Ende gibt es noch zwei Leute und einen Stuhl, einer gewinnt. Aber der Gewinner oder die Gewinnerin ist – alleine.

Wir kommen auf Hans Mayer zurück. Alleine waren auch fast alle Menschen während der Coronamassenpanik, die gezielt von Horst Seehofer und nahezu allen europäischen und sonstigen Regierungen geschürt worden war („Panikpapier“). Die Menschen wurden isoliert, gerade die 86-jährigen Altersheimbewohner*innen, gegen ihren Willen, ob sie nun Angst hatten vor einem ganz normalen respiratorischen Virus oder nicht. Menschen wurden in ihre Wohnungen gesperrt obwohl jeder Mediziner und jede Epidemiologin weiß, dass enge Räume bei Infektionskrankheiten ungünstige Räumlichkeiten sind. Niemand durfte in Cafés, Restaurants, Veranstaltungsorte gehen, alles war geschlossen, auch die Schulen und Kitas, die Bibliotheken, die Theater, die Hallenbäder, alles. Der Wahnsinn war an Irrationalismus und medizinischem Irrsinn nicht zu überbieten. Woran lag es? Am „linearen Denken“? Kann man gewisse strukturelle Ähnlichkeiten im Umgang mit der Corona-Krise und der aktuellen Ukraine-Krise sowie dem israelisch-palästinensischen Konflikt und der Israelsolidaritäts-Szene erkennen? Kann man für Israel und gegen Antisemitismus sein, ohne dem „linearen“ oder autoritären Denken zu huldigen?

Laut einem aktuellen WHO Bericht hat es in Schweden, wo es nie einen Lockdown gab, die Restaurants, Cafés, Schulen, Geschäfte und Firmen immer geöffnet waren, weniger als halb so viel Übersterblichkeit während der ganzen Coronakrise gegeben als im turbo Panikland Deutschland. Ohne jede Maskenpflicht und ohne jede Diskussion über eine Impfpflicht hat Schweden weniger Tote zu beklagen als Deutschland, und zwar enorm viel weniger Tote.

Mit einer scharfen Kritik wendet sich der Mediziner, Professor und ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e.V. (GQMG) Matthias Schrappe gegen „das neue lineare Denken“, das „top-down“-Denken, das autoritäre, demokratiefeindliche Denken, das seit Corona die neue lingua franca in Deutschland und in fast allen Ländern Europas geworden ist. Schrappe ist bekanntlich mit seiner „Autorengruppe“ seit April 2020 einer der führenden Kritiker der Coronapolitik von Merkel und Spahn bis Scholz und Lauterbach und zumal der Medien und der Gesellschaft insgesamt. Schrappe sieht erschreckende Analogien der Coronapolitik und des aktuellen Ukraine-Diskurses.

Das „lineare Denken“, das hierarchische, ja in Teilen geradezu manichäische Denken setzt sich aktuell in der so nie dagewesenen Agitation für mehr Krieg, mehr Waffen im Lager der angeblichen Pro-Ukraine-Fans verschärft fort.

Warum wurden von den Medien wie den unerträglichen Talkshows, ihren Moderator*innen und Gästen, die sich ja gerade in Coronazeiten als quasi Regierungspolitiker*innen verstanden und Merkel oder Scholz apportierten nur, was Sonntag Nacht (oder Montag, Dienstag etc.) in den Leitmedien im Fernsehen so gebrabbelt wurde, nie, zu keinem Zeitpunkt, genau so viele – oder überhaupt welche! – Kritiker*innen der Coronapolitik in eine Sendung eingeladen, wie unreflektierte Vertreter*innen der Regierungspolitik?

Es war schon viel, wenn einer von fünf Diskutant*innen eine leicht abweichende Meinung hatte, was sehr selten vorkam. Aber drei kritische Gäste und nur zwei de facto Regierungsvertreter*innen plus die ohnehin auf Regierungskurs befindlichen Moderator*innen – das war in Coronazeiten undenkbar. Und es ist beim Krieg Russlands gegen die Ukraine auch undenkbar. Es wird nicht diskutiert, sondern agitiert. Dieses Ungleichgewicht bei den Einladungen zu diesen für die Demokratie schädlichen Talkshows attackiert Schrappe frontal. Heute ist es doch so: De facto schadet jede Waffenlieferung der Ukraine, weil sie den Krieg gegen eine Weltmacht wie Russland nie gewinnen kann – es gibt keinen Sieg gegen eine Atommacht. Es muss um Diplomatie und Verhandlungen gehen, um eine politische Lösung.

Sicher wird die am rechten populistischen Rand der Linkspartei befindliche Sahra Wagenknecht als Alibi regelmäßig in diese Shows eingeladen, sie hat sowohl zu Corona als auch zur Ukraine abweichende Meinungen. Aber niemals kam es vor und niemals wird es in Zukunft vorkommen, nach all dem was wir seit März 2020 erlebt haben, dass drei Gäste eine kritische Position haben und sich womöglich gegenseitig ergänzen oder bestärken könnten, und nur zwei Gäste plus Moderator*in vertreten wieder die Regierungslinie (Pro-Lockdown, Pro-Impfen, oder mehr Waffen für die Ukraine, Russland „ruinieren“ etc.).

All das, was eine vielfältige, moderne Gesellschaft im 21. Jahrhundert ausmacht, „Ambiguität“, all das, was in so dermaßen marginalen Fragen wie dem Geschlecht Mainstream ist, das wurde bei den Freiheitsrechten der gesamten Gesellschaft einfach über Bord geworfen. Keine Reflektion, kein Innehalten, keine evidenzbasierte Diskussion, kein lokales Handeln, sondern autoritäres, hierarchisches 19. Jahrhundert prasselte auf die Menschen herab. Gnadenlos. Schulschließungen ohne jede empirische Prüfung, was das bringen soll, Lockdown, ohne zu analysieren, dass sich die Menschen dann noch viel eher anstecken, eng zusammengedrängt zu Hause, dann Maskenzwang und sinnloses Massentesten bis heute, ohne jede medizinische Evidenz. Dazu dann vor allem in Deutschland und Österreich die Impf-Apartheid, 2G, wo doch alle wissen, die es wissen wollen, dass bei Corona jeder geimpfte wenigstens so ansteckend sein kann wie jeder ungeimpfte Mensch.

Schrappe schreibt am 17. Mai 2022 im Cicero:

In dieser Situation kam „Corona“. Im Jahr 1992 war das Bundesgesundheitsamt in ‚Robert-Koch-Institut‘ umbenannt worden, eine Hommage an den großen Forscher, aber auch ein Rückgriff, so muss man heute erkennen, auf die Strukturvorstellungen des 19. Jahrhunderts. Denn was ist (nicht) geschehen? Erste Corona-Fälle bei Webasto in München – wer war vor Ort? Cluster in Heinsberg – hat jemand 100 Leute vom RKI vor Ort gesehen, die die wichtigen Fragen bearbeitet haben (Übertragungswege, Sterblichkeit …)? Die ersten Cluster in Altersheimen in Wolfsburg und Würzburg – war jemand aus Berlin dort und hat mit modernen Konzepten der Epidemiekontrolle ausgeholfen?

Wir kennen die Antwort. 1150 Mitarbeiter, knapp die Hälfte davon Akademiker, blieben auf ihren Sesseln sitzen, sammelten Meldedaten, von denen alle Fachleute wussten, dass sie nichts taugten (außer den Meldeeifer widerzuspiegeln), veröffentlichten Appelle (und änderten sie nächtens), steigerten die Bedrohungsszenarien, statt sich kompetenter Krisenkommunikation zu bemüßigen, waren nicht in der Lage, eine Epidemie als komplexes System zu begreifen und entsprechend zu handeln.

Sehr treffend wendet Schrappe seine multiperspektivische, demokratische und heterogene Analyse einer Gesellschaft in einer Krise auch auf den erschreckenden Ukraine-Diskurs an:

Allerdings ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass sich diese Neigung zu einfachen Lösungen verstetigt und uns noch beschäftigen wird, wenn die Corona-Pandemie längst in ihre endemischen Ebenen abgetaucht ist. Das wichtigste Indiz ist das Umgehen mit der Ukraine-Krise. (…) Wenn laut Umfragen die Hälfte der Bevölkerung pazifistische Überlegungen (partiell) teilt, warum sind nicht auch die Hälfte der Talkshow-Teilnehmer aus diesem Lager? Woher der aggressive Ton der Befürworter von Waffenlieferungen gegenüber den Beteiligten von Unterschriftensammlungen, die zu mehr Vorsicht und Umsicht aufrufen?

Und das betrifft nun leider auch einen meiner Hauptarbeitsbereiche, den Nahostkonflikt und die Situation in der Pro-Israel-Szene in Deutschland und Österreich bzw. dem Westen. Auch hier gibt es seit langer Zeit einen sehr autoritären Top-down-Mechanismus. Es wird nur auf die großen Entwicklungen und Tendenzen geschaut, ohne sich detailliert mit konkreten Schritten hin zu einem Frieden und einer Zweistaatenlösung zu befassen. Das erreichte seinen negativen Höhepunkt während der US-Präsidentschaft von Donald Trump. Er setzte Zahlungen an die Palästinenser im Gazastreifen aus, ohne sich mit den konkreten Konsequenzen für die Palästinenser und auch für die Israelis zu befassen. War Trumps Präsidentschaft in dieser Hinsicht gar ein verspäteter marxistischer Einsatz, der die schon immer absurde Verelendungstheorie in Anschlag bringen wollte?

Jedenfalls gibt es sehr interessante kritische, zionistische Projekte, die ein solches Top-down-Handeln in Frage stellen. Nehmen wie die NGO Israel Policy Forum aus Washington, D.C. Das 1993 im Zuge der nahöstlichen Entspannungspolitik von Yitzhak Rabin gegründete Israel Policy Forum sieht sich seitdem als Anwalt eines jüdischen und demokratischen Staates Israel und eines Staates Palästina, Seite an Seite von Israel, wie es seit 1937 angedacht und 1947 auch von der UN beschlossen worden war („UN-Teilungsplan“). Bekanntlich lehnten die Araber bzw. die Palästinenser jeden dieser Pläne kategorisch ab. Bis heute. Sie wollten und wollen bis heute das ganze Land, „from the river to the sea“, wie es die antisemitische BDS-Bewegung auf den Straßen Berlins, Frankfurts, Hamburgs, Wiens oder New Yorks, Londons, Bostons etc. hinausschreit.

Und in der Antisemitismusforschung gibt es viel zu viele, die darin, in der BDS-Bewegung, gerade keinen Antisemitismus zu erkennen vermögen oder ihren eigenen Antizionismus nach Auschwitz mit einem Koscherstempel versehen, so sie Juden sind oder aber ganz super ausgebildete Antisemitismusforscher*innen.

Diese offenkundigen Tendenzen des antizionistischen Antisemitismus, der jedwede Existenz eines jüdischen und demokratischen Staates Israel ablehnt, verführte schon vor der 2005 gegründeten BDS-Bewegung viele aus der Israel-Solidarität dazu, selbst nicht so ganz genau hinzuschauen. Dabei war doch die Ermordung Rabins 1995 durch einen fanatisch religiösen, die Thora vorgeblich studierenden, rechtsextremen israelischen Juden das Fanal schlechthin für eine Abkehr von jeglicher Friedenslösung auch von israelischer Seite. Es kamen zwar schätzungsweise eine Million Israelis zu seiner Beerdigung nach Jerusalem, wie der Literaturwissenschaftler Hans Mayer 1997 in seinem Suhrkamp-Band „Reise nach Jerusalem“ festhält. (S. 25) Das „Schalom Chawer“, das Bill Clinton auf der Beerdigung von Rabin sprach, wie Mayer, der selbst vor Ort war, erinnert, das war auch eine Erinnerung an die Arbeiterbewegung, den Sozialismus der allermeisten Chaluzim, der jungen jüdisch-zionistischen Einwander*innen nach Israel seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung des Staates Israel 1948. Zionismus war fast synonym mit Sozialismus, so Mayer. (S. 122)

Die israelische Regierung gab jetzt bekannt, dass sie an dem seit Jahren umstrittenen „E 1“-Projekt festhält und es im Juli 2022 eine letztmalige Prüfung vom Verteidigungsministerium bezüglich Vorbehalten geben soll. Es geht um den Bau von mehr als 3400 Wohneinheiten. 2012 sollte das Projekt bereits unter dem damaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu starten, doch internationale Proteste verhinderten das. So war es auch im Januar 2022, als das Projekt bzw. die letztgültige Entscheidung auch wegen Protestes aus den USA verschoben wurde. E 1 heißt „East 1“, es geht um ein strategisch zentrales Gebiet östlich von Ost-Jerusalem. Genau liegt E1 auf einem Gebiet von ca. 12km2, westlich der 50.000 Einwohner*innen jüdischen Siedlung Ma’ale Adumin. Viele werden den Weg kennen, wer sich nach einem Blick vom Mount Scopus vergewissert hat, dass das Tote Meer noch da ist, fährt auf der Route 1 an der Siedlung, die rechts davon liegt, vorbei durch die Westbank bis man dann unten im Tal, an Eseln und Kamelen vorbei auf die Route 90 trifft, die parallel zum Toten Meer verläuft und auf locker 400 Meter unterm Meeresspiegel kommt man dann beim „Mineral Beach“ an, der allerdings jedes Jahr sich weiter entfernt vom Meer bzw. das Meer von ihm.

Das Projekt E1 würde ein palästinensisches Staatsgebiet noch komplizierter machen. Palästinenser müssten auf dem Weg von Ramallah nach Bethlehem einen großen Umweg machen. Sicher, auch in der Gegend von Tel Aviv ist das Staatsgebiet Israels sehr schmal, ca. 15km bis zur Westbank und den palästinensischen Gebieten. Aber es ist politisch desaströs jetzt und überhaupt das Projekt E1 zu planen.

Die RAND Corporation hat im Jahr 2021 in der 187-seitigen Studie „alternatives in the israeli-palestinian conflict„, an der Israel Policy Forums Shira Efron mitgewirkt hat, untersucht, wie die Chancen auf eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts stehen. Dabei haben die Autor*innen in 33 Diskussionsgruppen mit über 270 jüdischen Israelis, arabischen Israelis und Palästinenser*innen in der Westbank und im Gazastreifen jeweils in dreistündigen Seminaren die politische Zukunft des israelisch-palästinensischen Konflikts diskutiert.

Bis auf drei exklusiv männliche Gruppen mit Ultraorthodoxen waren es gleichmäßig nach Geschlechtern gemischte Gruppen. Die qualitative Sozialforschung dieses Projekts ist ziemlich interessant. Die Studie stellte die aktuell fünf in Frage stehenden Optionen den Diskutant*innen vor:

1) Beibehaltung des Status Quo

2) Zweistaaten-Lösung

3) Eine Konföderation

4) Einstaaten-Lösung

5) Annexion der palästinensischen Gebiete durch Israel.

Keine der fünf Alternativen bekam von den arabischen Israelis und den Palästinensern eine mehrheitliche Zustimmung, lediglich die jüdischen Israelis plädierten mehrheitlich für eine Beibehaltung des Status Quo – was natürlich völlig unbefriedigend ist:

For Israeli Jews, the only alternative judged as “acceptable” by a majority of focus group participants was the status quo. For the other three populations—Israeli Arabs, Gazan Palestinians, and West Bank Palestinians—none of the alternatives were acceptable to a majority of participants. (…)

The two-state solution was the preferred alternative for both the Israeli Arabs and West Bank Palestinians and the second-highest-rated alternative for Israeli Jews and Gazan Palestinians. None of the other alternatives had anything close to this breadth of support. (S. 12, PDF)

Die Zustimmung zur Zweitstaatenlösung ist von 70 Prozent vor einigen Jahren auf nur noch gut 50 Prozent gefallen.

In der sozialwissenschaftlichen Forschung werden qualitative Studien sehr wohl ernst genommen, auch wenn im Fokus der Öffentlichkeit meist nur simple „Umfrageergebnisse“ oder „Trends“ stehen. Die Ergebnisse der Studie sind insgesamt ernüchternd, wie die Autor*innen festhalten. Es gibt massive Vorbehalte auf beiden Seiten, niemand traut dem anderen oder lehnt das andere Narrativ vollständig ab (kein Staat Israel, kein Staat Palästina etc.).

In einer Studie des Israel Policy Forums über den Nahostkonflikt, die lustigerweise „The New Normal“ heißt und gerade gar nichts mit Corona zu tun hat, betonen die Autor*innen die Hoffnung, die Biden im Gegensatz zu Trump bringen könnte:

There is some room for optimism, however. The transition to a new American administration means new priorities in Washington. While the Trump administration was happy to bifurcate IsraelArab state and IsraeliPalestinian ties in service of a proannexation agenda, the Biden administration is supportive of a twostate solution.

2020 hatte das Israel Policy Forum 50 Gründe genannt, die geklärt beziehungsweise bearbeitet gehören, bevor es zu einer Lösung oder einem „Deal“ – um die patriarchale betriebswirtschaftliche Sprache Trumps zu verwenden – kommen kann. Dabei gehen sie sehr detailliert auf beide Seiten ein, die Israelis und die Palästinenser. So soll Amerika wieder humanitäre Hilfe für den Gazastreifen freigeben, Gelder, die bereits bewilligt worden waren, aber von Trump eingefroren wurden. Das ist mittlerweile von der Biden-Administration umgesetzt worden.

Dann fordert das 50-Punkte-Papier mehr Trinkwasser sowie Entsalzungsanlagen und auch bessere Elektrizität für den Gazastreifen. Zugleich fordert es, dass die Palästinensische Autonomiebehörde aufhört, Angehörigen von Terroristen und Jihadisten („Märtyrern“) Geld zu geben, ja sie für Mord an Israelis zu belohnen. Das muss aufhören. Eine solche detaillierte Liste, die sowohl Israel als auch die Palästinenser in die Pflicht nimmt, jeweils (!) aktiv für den Frieden sich einzusetzen, wird man in Deutschland oder Österreich in den Pro-Israel-Szenen kaum finden. Denn weiters fordert das Israel Policy Forum, dass die Terrororganisation Hamas auf Gewalt verzichten soll, aber Israel soll sowohl den Palästinensern in der Westbank wie im Gazastreifen mehr Arbeitserlaubnisse erteilen. Israel soll seine Verteidigungsmaßnahmen ausbauen, aber Ost-Jerusalem soll mehr Geld für Infrastruktur- und weitere Projekte bekommen. Die ganzen 50 Punkte kann man sich hier anschauen:

 

 

Der 50-Punkte Plan des Israel Policy Forum sagt, dass ein Aktivieren des E1-Projekts eine „rote Linie“ überschreiten würde, was die USA zum Handeln zwingen sollte:

Some areas of the West Bank are particularly sensitive ones because of their importance in preserving the territorial contiguity of a future Palestinian state. E1, for instance, sits outside of Ma’ale Adumim and contains the Bedouin village of Khal al-Ahmar, which has been slated for demolition and was the scene of protests and violence last week before the Israeli High Court enjoined the government from demolishing it. Building in E1 would separate the northern West Bank (Samaria) from the southern West Bank (Judea), turning what is now a 45 minute journey between Ramallah and Bethlehem into a two hour one, and rendering a future Palestine dependent on a patchwork of tunnels and bypass roads.

Israel should maintain the current status of places like E1 and Givat Hamatos (which would cut off Jerusalem entirely from the southern West Bank), and the U.S. should maintain its long-standing policy that any new Israeli construction in these areas is a redline that cannot be violated without consequences.

Sehr interessant ist der 50. Punkt: „Support separation, oppose annexation“. Hört sich geradezu dialektisch an. Israelis (jüdische und arabische) sollen sich von den Palästinensern weiter separieren, aber gleichzeitig wendet sich das Israel Policy Forum gegen die Annexion des Westjordanlandes. Leider ist gerade Letzteres in Israel voll im Kommen. Das E1 Projekt ist nichts anderes als die Annexion eines sehr zentralen Teils der Westbank. Denn mit dem Projekt E1 und einer direkten Verbindung von Ma’ale Adumin mit Ost-Jerusalem wird die Wahrscheinlichkeit, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas wird, massiv geschmälert.

Ohne eine Teilung Jerusalems wird es nicht gehen. Das sagt die linkszionistische und feministische Politikerin, ehemalige Knesset-Abgeordnete und Publizistin Einat Wilf aus Tel Aviv. Sie ist eine vehemente Verteidigerin Israels und des Zionismus. Sie ist gegen ein palästinensisches Rückkehrrecht, das völlig absurd ist, da es nur noch einige wenige Zehntausend tatsächlich 1948 im Unabhängigkeitskrieg vertriebene Araber bzw. Palästinenser gibt – die sich mit der gesamten arabischen Welt einvernehmlich und aus purem Antisemitismus geweigert hatten, den UN-Teilungsplan anzunehmen -, die damals tatsächlich vertrieben wurden. Doch die Palästinenser und die UN-Flüchtlingsorganisation für sie, die UNRWA, sprechen von ca. 5 Millionen palästinensischen Flüchtlingen, da alle Nachkommen, also Palästinenser, die eigentlich als Franzosen oder Ameriker oder Deutsche 1974 oder 1987 etc. geboren wurden, als „Flüchtlinge“ gelten.

Der Backlash den wir in westlichen Demokratien und anderen Staaten seit vielen Jahren erleben, Trump in Amerika, Bolsonaro in Brasilien, Orbán in Ungarn, das Erstarken oder Erscheinen von extrem rechten Parteien im Parlament wie die AfD, dazu der Brexit in UK, aktuell die Anti-Abtreibungsdebatte am Supreme Court in den USA, antifeministische und reaktionäre Familienideologien allüberall, gerade auch bei jungen Frauen, dazu ein Erstarken der religiösen Parteien und Strömungen wie in Israel: All das hat z.B. die ehemalige und seinerzeit jüngste Knesset-Abgeordnete, die Linke Staff Shavir in ihrer Kritik am Status Quo betont. Sie ist bei der Kampagne #ourfutureIsrael des Israel Policy Forums mit dabei. Bei dieser Kampagne wenden sich „Millenial Zionists against Annexation“. In einem Videobeitrag, wo sie in ihrer Wohnung mit Klavier und Fahrrad mit ihren Kolleg*innen vom Israel Policy Forum spricht, betont sie diese rechten Tendenzen.

 

Ähnlich ist die linke Position der Politologin Einat Wilf. Sie möchte nur einen kleinen Teil Land der Westbank via Gebietsaustausch mit den Palästinensern annektieren (4 Prozent), die anderen Siedler*innen sollten ohne jede israelische Unterstützung bleiben oder eben – warum denn nicht, es leben auch ca. 2 Millionen Araber in Israel! – Bürger*innen des zukünftigen Staates Palästina werden. Doch aktuell ist das sehr weit weg, die Palästinenser müssten lernen, jüdische Bürger*innen zu akzeptieren. Und die Siedler*innen müssten die Palästinenser als Bürger*innen akzeptieren. Da ist viel antirassistische Arbeit vonnöten, die politische Kultur müsste sich hüben wie drüben ganz massiv ändern. Das ist ein langwieriger Prozess, der seit der Ermordung Rabins 1995 in die exakt falsche Richtung abbog.

Doch die Pro-Israel-Aktivist*innen in Deutschland, der Schweiz oder Österreich berichten darüber, über den gefährlichen Nationalismus und Rassismus in Israel kaum. Die innerisraelische bzw. israelisch-amerikanische Debatte wie beim Israel Policy Forum oder auch bei der Times of Israel wird weitgehend ignoriert.

Daher zitiere ich Einat Wilf zu diesem so heftig umstrittenen Fragenkomplex Siedlungen:

If I were tsar of Israel, I would immediately delineate Israel’s final eastern border in the following way: I would annex 4% of the West Bank—the 4% that includes large settlement blocs adjacent to the Green Line that are home to 75% of settlers, including Jewish neighborhoods of East Jerusalem (that is, not Ariel, Ofra, Bet El, nor Hebron). I would declare that this is Israel’s final eastern border and there are no territorial claims beyond it. I would acknowledge that we have a legal right and emotional historical connection to the area, but recognize that a competing collective has a similar claim, and I would renounce our territorial claim to that. East of that border, the military would stay as long as the Palestinians are at war with Zionism and the idea that the Jewish people have a legitimate right to self-determination in the land.

Einat Wilf ist vehement gegen das heutige, „vereinigte“ Jerusalem! Die beiden größten Gruppen in Jerusalem seien die Ultraorthodoxen und die Araber – beide Gruppen lehnen den Zionismus ab. Die wirklich coolen Leute wie Einat Wilf würden Gegenden in Israel bevorzugen, wo weniger gelogen wird – „vereinigtes Jerusalem“ ist wirklich eine Lüge, die meisten Ost-Jerusalemer*innen nehmen ja gar nicht an den Wahlen teil, was wäre, wenn sie es täten, ca. 40 Prozent der Bevölkerung von ca. 900.000?:

There is no more transparent political lie than that of “the united city of Jerusalem.” This statement may reflect the desires of certain Jerusalemites (and of some who don’t bother to live there), but it certainly has no relation to the reality of life. The city was, and remains, divided. Had Israel opted to annex the part of Jerusalem that was under Jordanian occupation between 1949-1967, an area six square kilometers in size, we might have had a unified city today. But the colossal mistake of annexing dozens of villages of the West Bank to create the huge jurisdiction of the Jerusalem municipality as it is today, guaranteed that there would be no “unification” between Jerusalem as it was pre-1967 and these villages.

The desperate efforts to create a façade of unification meant that Jerusalem descended into poverty and neglect. Jerusalem went from being a magnet to a “welfare town” in need of ever-growing assistance just to keep the lie of its failed unification from being exposed. The city got bigger, poorer and uglier, and remained stubbornly divided. Jerusalem today is a symbol and metaphor for a nightmare future for Israel – one in which too much territory is annexed in the name of an ideological lie. Then, partly due to this annexation, the two groups that reject Zionism – the ultra-Orthodox and the Arabs – become the majority, while the creative and productive Zionist forces flee to places where there is more openness and freedom, and less lying.

Ich kenne so viele Gruppen in Israel, den USA oder Deutschland und Europa, die aus sicher guten Motiven heraus für ein geeintes Jerusalem aktiv sind, aber kaum jemand von denen wurde in Jerusalem geboren, so wie Einat Wilf, und kennt die Situation ganz konkret vor Ort. Das heißt gar nicht, dass Wilf nicht auch Jerusalem auf ihre Weise liebt, das Herz der israelischen Demokratie, die Knesset, steht in Jerusalem, ebenso der Oberste Gerichtshof, die israelische Nationalbibliothek, die Hebräische Universität.

Die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem liegt in Jerusalem.

Das Klima in Jerusalem ist durchaus angenehmer als in Tel Aviv oder der Küste, weniger schwül, dafür trocken und heiß, Jerusalem liegt auf ca. 800 Metern Höhe.

Begeistert teilte Gershom Scholem immer wieder mit, er habe seit Anfang Februar jeden Morgen seine geliebten frischen Erdbeeren genießen können. (Mayer 1997, S. 53)

Hans Mayer betont aber auch, dass er niemals auf den Tempelberg gegangen ist, der von den Römern im Jahr 70 zerstört worden war:

Den Tempelberg betrat ich nicht, auch später nicht bei den folgenden Besuchen in Jerusalem. Da gab es ein inneres Widerstreben. Das tut man nicht als Jude. Es bedarf keines ausdrücklichen Verbots. Ich hätte es auch niemals auf dem römischen Forum über mich bringen können, gleichzeitig durch den Triumphbogen des Titus zu spazieren, weil die römischen Bildhauer dort gezeigt hatten, wie man den siebenarmigen Leuchter aus dem zerstörten Tempel abtransportierte. (S. 19)

Bei den Israeli Policy Forum Broschüren, Texten und Kampagnen, bei Staff Shavir, der RAND-Studie zum israelisch-palästinensischen Konflikt oder auch bei den Texten von Einat Wilf oder schon zuvor bei einigen Passagen von Hans Mayer kann man einen Schwanengesang des Linkszionismus hören. Sicher wird Israel überstehen, militärisch ist es jeder Gefahr gewachsen, auch der iranischen. Aber die politische Kultur nimmt seit Jahren enormen Schaden, vom Nationalstaatsgesetz 2018 über die aktuelle Situation wie dem Tod von Abu Akleh und der Polizeigewalt auf ihrer Beerdigung in Jerusalem bis hin zum E1-Projekt in der Westbank.

Es muss weiter darum gehen, für ein zionistisches Israel zu kämpfen, für ein Israel Seite an Seite mit einem Israel akzeptierenden Palästina, damit wir weiterhin die trockene Hitze Jerusalems und die kühle Brise selbst im Sommer am Abend, den Duft des frischen Gebäcks nach dem Schabbes (Samstag Abend) und das wilde Tanzen auf dem Zion Square und seit einigen Jahren sogar eine Tram in Jerusalem – West-Jerusalem – genießen können.

Und doch kommen immer wieder und verschärft „Ausgrenzungs- und Verhetzungsstrategien“ zum Einsatz, wie Schrappe am Beispiel Corona und der Ukraine sagt. Das gilt auch für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Kürzlich gab es in Israel die Diskussion über das Zeigen der palästinensischen Flagge. Dieses Zeigen war ja einer der Gründe, warum die Polizei so dermaßen aggressiv und würdelos auf die Sargträger am Tag der Beerdigung von Abu Akleh losgingen. Daraufhin betonten zionistische, gerade zionistische Publizist*innen, dass es doch absurd ist, wenn Israel überall in Israel seine Fahne zeigen darf – aber nicht in Ramallah oder den palästinensischen Gebieten. Wenn aber Israel eine Demokratie sein möchte, muss es eben dieses Zeigen einer palästinensischen Fahne aushalten, da ja das Ziel für jeden rationalen, im Sinne Israels denkenden Menschen weiterhin und ausschließlich die Zweistaatenlösung ist.

Ähnlich lief es bei der Corona-Krise. Die israelische Regierung reagierte so irrational, panisch und medizinisch nicht evidenzbasiert wie fast überall – und das entgegen den vielfältigen Ratschlägen von israelischen Epidemiolog*innen und anderen medizinischen Fachleuten. So wie in Deutschland die große und differenzierte Expertise von Prof. Matthias Schrappe und seiner Arbeitsgruppe gezielt von der Bundesregierung ignoriert, ja bekämpft wurde – und fast alle Medien machten dabei mit, Ausnahmen wie ZDF-Sendungen oder WELT-Artikel bestätigen nur die Regel -, so wurde in Israel z.B. das „Common Sense“-Modell im Januar 2021 abgelehnt und diffamiert.

Die zitierten „50 facts before the deal“ des Israel Policy Forums sind ein sehr interessanter und wichtiger Beitrag für eine reflexive, kritische, zionistische Israelsolidarität, die ebenso pro-palästinensisch ist.

Die Paradoxie oder geradezu Tragik könnte nun darin bestehen, auch darauf weisen die Autor*innen der zitierten Studien der RAND Corporation wie des Israel Policy Forums hin, dass durch die geradezu „tektonische Verschiebung“ (so Shira Efron) des Verhältnisses der arabischen Welt zu Israel mit der geplanten Aufnahme diplomatischer Beziehungen von den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE), Bahrain und Annäherungen auch an Marokko und andere arabische Staaten durch die „Abraham Verträge“ von 2020 die konkreten Friedenschancen Israels mit Palästina eher geschwunden sind.

Das mag am wachsenden Desinteresse der arabischen und muslimischen Welt (wie der Türkei, die sich Israel auch wieder annähert) an den Palästinensern liegen. Es wäre fatal, wenn die konkreten Vorschläge wie vom Israel Policy Forum, die ja sehr stark auf die amerikanische Israelpolitik zielen, ignoriert oder nur bruchstückhaft umgesetzt würden.

Es ist also mitunter gar nicht so schwer zu definieren, was Antisemitismus in Bezug auf Israel ist und was nicht:

  • es ist antisemitisch, Juden das Recht auf Selbstbestimmung im eigenen Staat Israel zu bestreiten.
  • es ist antisemitisch ein angebliches „Rückkehrrecht“ der Palästinenser zu vertreten, wie es die BDS-Bewegung tut, wobei so gut wie keiner der als „Flüchtling“ Kategorisierten ein Flüchtling ist (sondern syrischer, libanensischer, jordanischer, ägyptischer, deutscher, österreichischer, amerikanischer etc. Staatsbürger, de facto oder de jure).
  • es ist aber nicht antisemitisch, zu fordern, dass Israel einen Großteil der Westbank unverzüglich räumt, z.B. so wie es Einat Wilf vorschlägt – 4 Prozent annektieren und keinen Zentimeter mehr. 96 Prozent gehören den Palästinensern, plus Gaza.
  • es ist ebensowenig antisemitisch auf den Rechtsextremismus und anti-arabischen Rassismus in bestimmten Teilen Israels hinzuweisen, wie wir ihn zuletzt bei den schockierenden Parolen am Jerusalem Tag von extremistischen Juden („Death to Arabs„) im muslimischen Viertel der Altstadt Jerusalems hörten (danach forderten führende Politiker in Israel, die entsprechenden Gruppen als Terrorgruppen zu deklarieren). Die patriarchale Peinlichkeit, dass bei diesem Marsch Zehntausende jüdische Männer ohne Frauen laufen, wird in der vorgeblichen Pro-Israel-Szene auch kaum diskutiert.
  • es ist auch nicht antisemitisch, die Einseitigkeit und „lineare“ oder autoritäre, patriarchale Herangehensweise von Deals im Sinne Trumps und der israelischen Politik zu betonen.
  • schließlich ist es nicht antisemitisch, palästinensische Flaggen auch in Isreal zu erlauben, da dies einem starken und stolzen zionistischen, jüdischen und demokratischen Staat gut zu Gesichte steht. Nur weil in Ramallah keine israelischen Fahnen geweht werden können ohne in richtig große Schwierigkeiten zu geraten, kann das nicht heißen, dass Israel palästinensische Fahnen verbieten kann.
  • es ist hingegen sehr wohl antisemitisch, zu behaupten, wie es islamistische wie säkulare Antizionisten nicht selten tun, dass Juden keinen Bezug zum Land Israel hätten und als „Siedler“ angekommen seien, die dort imperialistische Politik betrieben. Juden waren offenkundig vor den Christen und noch viel früher als Muslime in Jerusalem und im heiligen Land.

Das ist nur eine sehr kleine Auswahl an aktuellen Beispielen, wie man den antizionistischen Antisemitismus in einigen Detailaspekten definieren könnte.

Die Analyse und Kritik des antizionistischen Antisemitismus wie von BDS wie aller anderen Formen des Antisemitismus wie der Holocaustleugnung oder -trivialisierung, aber auch dem Antijudaismus und der auch in linken wie bürgerlichen, konservativen und rechtsextremen Kreisen weit verbreiteten Ablehnung der Brit Mila, ist also weiterhin und seit einigen Jahren von ganz enormer Bedeutung.

Die Zunahme von antisemitischen Verschwörungsmythen gerade im Zuge der Coronapandemie ist ein Warnzeichen. Allerdings ist es auch üblich geworden, jedwede Kritik an der häufig irrationalen und medizinisch nicht evidenzbasierten Coronapolitik als antisemitisch oder von „Schwurblern“ herrührend, zu diskreditieren und diffamieren.

Es muss um eine Kritik am „linearen“, einfachen, widerspruchsfreien Denken gehen – sei es Corona, die Ukraine oder Israel. Das Leben ist zu widersprüchlich und kompliziert, als dass wir uns weiter von obsessiven Vereinfacher*innen und Nachbeter*innen in den genannten Bereichen beherrschen lassen sollten.

Am Beispiel Israel sollte es neben der Kritik am antizionistischen Antisemitismus gleichzeitig tatsächlich um das Wohlergehen des jüdischen und demokratischen Staates Israel und eine Zukunft für die Palästinenser gehen. Dazu muss man sich mit den aktuellen politischen Tendenzen in Israel kritisch befassen. Die zitierten 50 Punkte des Israel Policy Forum aus Washington, D.C., die erledigt werden sollten, bevor ein „Deal“ – eine Friedenslösung mit den Palästinensern – möglich ist, mögen dabei eine facettenreiche und am Alltagsleben der Menschen orientierte Option sein.

Ansonsten werden die Abraham Verträge von 2020 und viele weitere Fortschritte im internationalen Standing Israels leicht zu einem Schwanengesang werden, da die Lösung des Konflikts mit den Palästinensern, also das Ende der permanenten Bedrohung durch palästinensischen Terror und die Bedrohung der Palästinenser durch fortdauernde Siedlungspolitik und religiösen und maximalistischen politischen Fanatismus, in weite Ferne rücken.

Und wie Sie alle wissen:

Nach den Gesetzen einer antiken Rhetorik hat eine öffentliche Rede mit einer exhortatio zu enden, einer Ermahnung. (Mayer 1997, S. 171).

Und so hören wir angesichts der Corona-Krise, der Ukraine-Krise, dem „linearen“, autoritären, apportierenden ‚Denken‘ und angesichts von Israel Hans Mayer mit seinen letzten Worten aus seinen „Reisen nach Jerusalem“ von 1997 (S. 173):

Es gibt eine einzige Lehre, die man rückblickend für uns alle ziehen kann. Jeder von uns muß zu sich selbst finden. Zu seiner eigenen Identität. Er darf sich nicht willenlos und geistlos den Informationen und Desinformationen überlassen. Er muß, mit Immanuel Kant zu sprechen, die neue und diesmal verschuldete Unmündigkeit in sich bekämpfen.

Der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, Literaturpreisträger der Stadt Köln, hat vor zehn Jahren im Kölner Rathaus in seiner Dankrede von der allgemeinen Gefahr eines ’sekundären Analphabetismus‘ gesprochen. Diese Gefahr ist ständig größer. Sie bedroht bereits die Grundlagen des demokratischen Systems, weil immer weniger rationale Wahlen stattfinden, sondern statt dessen verlogene Bilder und Reizsprüche angeboten werden.

Manches mag man einwenden können gegen die These von Theodor W. Adorno, wonach wahres Leben überhaupt nicht mehr möglich sei in einem ‚Unwahren Ganzen‘. Eines aber ist sicher: keine Bilderflut einer Wegwerfgesellschaft und kein Fundamentalismus heiliger Krieger oder selbsternannter Propheten können jemals das Prinzip Hoffnung in uns allen widerlegen. Dieses Prinzip Hoffnung ist sehr einfach zu beschreiben:

Es ist einfach die Sehnsucht nach einem menschenwürdigen Leben.

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