Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: NATO

Mit Kojak gegen die Rot=Braun-Ideologie

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Die Bundeswehr, die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen und wie das kanadische Parlament einem ukrainischen Nazi-Kollaborateur stehenden Applaus zollte und wie das mit der Rot=Braun-Ideologie zusammenhängt…

 

Am Montag, 9. Juni 2025, zeigte das Karlstorkino in der Heidelberger Südstadt in Kooperation mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge in Hemsbach e.V. den bemerkenswerten geschichtspolitischen Film „Liza ruft!“ – Doch wie steht es um die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen? Und was geschah am 22. September 2023 im kanadischen Parlament?

 

Der Film Liza Ruft! 

In dem knapp zweistündigen Dokumentarfilm geht es um die Holocaustüberlebende und jüdische Partisanin Fania Brantsovskaya (1922-2024), geborene Jocheles, aus Litauen. Der Film des Filmemachers Christian Carlsen ist aus dem Jahr 2015 und zeichnet in Gesprächen mit Brantsovskaya ihren Lebensweg nach.

Fania Brantsovskaya wurde in Kaunas geboren und zog mit ihren Eltern später nach Vilnius. Dort gab es eine sehr große jüdische Gemeinde, fast 50 Prozent der Bevölkerung waren Juden. Sie ging auf ein jüdisches Gymnasium, andere Überlebende, die im Film vorkommen, bevorzugten das Hebräisch sprachige Gymnasium. Nach dem Abitur arbeitete sie kurz als Dorflehrerin. Dann kam der Zweite Weltkrieg mit dem Angriffskrieg Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 („Unternehmen Barbarossa“) zwei Tage später auch in Vilnius an. Ab September 1941 zwangen die Deutschen Fania und alle Jüdinnen und Juden im Ghetto zu leben. Im Frühjahr 1942 schloss sich Fania einer Partisanengruppe an und schmuggelte Waffen und anderes in das Ghetto. Im September 1943, in einer dramatischen Nacht, floh sie mit einer Mitkämpferin und Freundin aus dem Ghetto.

Eine weitere Freundin und Genossin von Fania war schon vor ihrer Flucht aus dem Ghetto von den Deutschen ermordet worden, im Gedenken an sie nannten sie dann ihre Gruppe: „Liza ruft!“

Doch schon vor Ankunft der Deutschen am 24. Juni 1941 in Litauen begann der Holocaust schon einen Tag zuvor, am Montag, den 23. Juni 1941, wie der Holocaust- und Antisemitismusforscher Professor Dovid Katz als Kritik an der offiziellen litauischen Geschichtsschreibung in einem Text für das jüdische Tablet Magazine aus Amerika 2018 schreibt (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

Die erste große dynamische historische Episode, auf die man im Völkermordmuseum [in Vilnius, CH] stößt, ist eine Reihe von Exponaten, die sich ausgiebig mit den Faschisten der Litauischen Aktivistenfront (LAF) von 1941 mit ihren weißen Armbinden befassen. Deren „zentrale Planung“ vor dem Nazi-Einmarsch kam aus Berlin kam und zu ihr gehörte auch eine Gruppe hochrangiger litauischer Nazis, Anhänger der ethnischen Säuberung (um es höflich auszudrücken), die in den Monaten vor dem Nazi-Einmarsch in der damaligen Sowjetunion am 22. Juni 1941 dort stationiert waren. Doch als die sowjetische Besatzung am Tag des Nazi-Einmarsches und vor allem am darauffolgenden Montag, dem 23. Juni 1941, in sich zusammenbrach, schlossen sich viele nationalistische junge Männer rasch den „LAF“-Milizen an, oft indem sie eine weiße Armbinde anlegten und einfach „LAFler“ wurden oder sich nach Belieben verwandten Milizen und Banden anschlossen. Ob mit oder ohne Armbinde, ob mit oder ohne dokumentierte Zugehörigkeit zur LAF, sie alle sind in den lokalen Sprachen als „White Armbanders“ bekannt geworden (litauisch Baltaraiščiai, polnisch Białe opaski, russisch Bielorukavniki, jiddisch Di Váyse Órembendlakh usw.). Begleitet von einer vorgetäuschten „Unabhängigkeitserklärung“ per Radioansprache (die den Treueeid auf Adolf Hitler enthielt – ach, diese „Unabhängigkeit“), übernahmen sie Postämter, Polizeistationen und Rathäuser, die sie von den fliehenden sowjetischen Streitkräften übernommen hatten, bevor sie sie nach einigen Tagen den eintreffenden Deutschen in aller Ruhe und mit üppiger Dienstbarkeit überließen.

Und diese Antisemitenbande wird heute in Litauen immer wieder als Gruppe von „Helden“ und „Freiheitskämpfern“ gefeiert.

Die Mutter, der Vater und die Schwester von Fania wurden im Holocaust ermordet. Insgesamt sind ca. 50 Personen aus ihrer direkten Verwandtschaft Opfer im Holocaust geworden, wie sie im Film erzählt. Viele wurden in Ponar ermordet, wo 100.000 Menschen massakriert wurden, darunter 70.000 Juden. Der Film begleitete Fania und andere zu einer Gedenkveranstaltung in Ponar, wo Fania auf Jiddisch eine Ansprache hielt. Die mit damals fast 90 Jahren enorm lebendig wirkende Fania war auch als junge Frau und Partisanin schon sehr aktiv, voller Energie und Kampfeskraft, wie andere ehemalige Partisaninnen im Film erinnern.

Nach der Befreiung von den Deutschen durch die Rote Armee im Juli 1944 hatte Fania große Hoffnungen. Doch das autoritäre Sowjetregime verweigerte selbst die Erinnerung an die jüdischen Partisaninnen und Partisanen, der Holocaust war kein Thema. Das änderte sich nach dem Ende der UdSSR 1991 auch nicht. Ja jetzt wurde der litauische Nationalismus sehr stark und führte wiederum zu einer Abwehr der Erinnerung an den Holocaust.

Im Mai 2008 suchte plötzlich die Polizei nach Fania Brantsovskaya – weil sie verdächtig wurde, als Partisanin ‚Kriegsverbrechen‘ begangen zu haben! Ein Opfer wird zum Täter gemacht. Nur Dank des enormen diplomatischen Drucks in Litauen, den unter anderem eben oben zitierte ehemalige Jiddisch-Professor der YALE Universität und Holocaustforscher Dovid Katz organisierte, wurde Fania juristisch nicht belangt, das Verfahren dann doch nicht weiter verfolgt. Dabei geht es historisch auch um Differenzen oder unterschiedliche, verschobene Erinnerungen anderer Partisaninnen wie Rachel Margolis, die darüber auch ein autobiographisches Buch geschrieben hat.

Der Film fängt diese belastende Situation gut ein und hakt nach, warum Fania plötzlich in ihren Äußerungen bezüglich des litauischen Antisemitismus zurückhaltender wurde, was auch Vertretern der jüdischen Gemeinde in Vilnius auffiel. Der Film „Liza ruft!“ bettet das alles kritisch ein. Zumal die geschichtspolitische Ideologie gerade in Osteuropa wird problematisiert. Demnach habe es zwei Holocausts gegeben – einen wirklichen und einen „des Kommunismus“. Das nennt sich Rot=Braun-Ideologie oder eben „Revisionismus“, wie ein Abschnitt des Films bezeichnet ist. Dazu gibt es seit vielen Jahren gar staatliche Kommissionen gegen den „Totalitarismus“ im 20. Jahrhundert in Litauen – International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania –, die genau diese Verharmlosung des Holocaust befördern, wie im Film deutlich wird. Auch gegen den ehemalige Partisanen und späteren israelischen Holocausthistoriker Yitzhak Arad (1926-2021) wurden 2008 perfide Ermittlungen aufgenommen wegen „Kriegsverbrechen“.

Im Anschluss an die Filmvorführung stand der Filmemacher per Zoom zum Gespräch zur Verfügung, wobei Christian Carlsen nochmals verdeutlichte, dass ihnen als Team, die diesen Film machten, die heutigen innerjüdischen wie gesamtgesellschaftlichen Debatten über Erinnerung und Erinnerungsabwehr am Beispiel Litauen sehr wichtig waren und bis heute sind. Wie in der Diskussion mit dem Regisseur deutlich wurde, bekommt das nun angesichts der Stationierung deutscher NATO-Soldaten in Litauen, die offenbar unweit der damaligen Stellungen der Partisan*innen stationiert werden sollen – 5000 deutsche Soldaten – eine hohe Aktualität. Hat sich jemand von der Bundesregierung damit beschäftigt, was es für Jüdinnen und Juden heute in Litauen bedeuten könnte, wenn sie wieder Deutsche im Befehlston herumbrüllen hören (was ja in jeder Armee Usus ist)?

Es wurden so extrem viele litauischen Juden wurden in der Shoah vernichtet, weil auch sehr viele lokale litauische Antisemiten, die heute teils als Helden (im Kampf gegen die Rote Armee) in dem EU-Land gefeiert werden, beim Holocaust mitmachten, wie die Wehrmacht schon zu Beginn des Krieges auf Fotografien festhielt, wie der Regisseur Carlsen in der Diskussion betonte.

Deutsche Soldaten wieder in Litauen…

Vor diesem Hintergrund ist die Kritik an der Militarisierung in Deutschland, wie sie jetzt einige Bundestagsabgeordnet der SPD und Dutzende weitere Aktivist*innen in einem Manifest üben, von großer Bedeutung. Es ist kriegstreibend, aufzurüsten, was die NATO-Aktivitäten in der Ukraine von 2014 bis 2021 zeigen. Das entbindet Russland nicht von seiner Verantwortung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine – aber ohne Analyse der Vorgeschichte und des Imperialismus der NATO ist das Bild unvollständig.

Es ist schockierend, wie nahezu unwidersprochen und völlig schamlos deutsche Politiker wie der „Verteidigungs“minister Pistorius nun deutsche Soldaten in Divisionsstärke in ein Land schicken, wo der Holocaust stattfand. Unweit jener Verstecke im Wald, wo Fania und die anderen Partisan*innen lebten und kämpften sollen wieder deutsche Soldaten stationiert werden?

So berichtet zum Beispiel die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) aus Heidelberg in infantiler und schamloser Sprache wie folgt über deutsche Soldaten in Litauen:

Deutsche Soldaten reisen nach Litauen

Wenn du schon einmal umgezogen bist, weißt du: Da muss man ganz schön viel organisieren. Erst recht, wenn man in ein anderes Land zieht. Man braucht zum Beispiel eine Wohnung und einen Schulplatz. Ein bisschen Vorbereitungszeit schadet also nicht.

Die NATO hat sich seit 1991 imperialistisch ausgebreitet, anders kann man das ja gar nicht sagen. Und sie hat Wort gebrochen, denn es wurde ausgehandelt und im Protokoll im Februar 1990 von Gorbatschow, Baker, Bush Senior und Helmut Kohl ausgehandelt:

not one inch

werde sich die NATO ostwärts ausbreiten, wenn BRD und DDR sich irgendwie zusammen täten. Und? Was passierte wirklich?

Doch die hiesigen Ideologen aller Geschlechter nennen es eine soldatische Reise nach Litauen… Das soll Journalismus sein? Das ist Hofberichterstattung der deutschen Bundesregierung.

Die litauische Publizistin Ruta Vanagaite hat 2016 mit ihrem Buch „Die Unsrigen“ eine breitere Debatte über den Judenhass in Litauen damals wie heute ausgelöst. Das, was der Historiker Dovid Katz seit Jahrzehnten erforscht, der Holocaust in Litauen und der Geschichtsrevisionismus in Litauen wie in anderen vor allem osteuropäischen Ländern, ist Folgendes:

Die Analogie von Rot und Braun, die Holocaust verharmlosende Rede von den „zwei Holocausts“. Damit wird Auschwitz und damit werden die Holocaustmassengräber und Todesgräben wie in Ponar geleugnet oder eben in eine x-beliebige Geschichte von Verbrechen einsortiert.

Die Abwehr der Erinnerung an die Shoah wird umso lauter und brutaler verlaufen, wenn deutsche Soldaten wieder schießen – und sei es als „Übung“ – in unmittelbarer Umgebung, wo die Großväter oder Urgroßväter heutiger deutscher Soldaten wüteten.

Und jetzt besteht die große Gefahr, dass sogar das unterirdische Fort im Wald, wo die jüdischen Partisan*innen sich versteckten und dann gegen die Deutschen und die litauischen Kollaborateure zwischen Herbst 1943 und Juli 1944 kämpften, als Litauen von der Roten Armee von den Deutschen befreit wurde (litauischen Antisemiten und Nationalisten sahen das natürlich als Niederlage), beschädigt oder zerstört wird, da es womöglich in unmittelbarer Nähe liegt zu dem Ort wo jetzt der aggressive deutsche Militarismus wieder Stellung bezieht. Dovid Katz schreibt am 26. Mai 2025 aus Litauen:

Es scheinen sich alle Befürchtungen zu bewahrheiten, dass das der Litauischen Brigade Deutschlands für militärische Zwecke zugewiesene Gebiet an die Überreste einer der wichtigsten Stätten des Holocaust in Litauen angrenzt oder in unmittelbarer Nähe liegen wird: die jüdische Partisanenfestung, wie sie unter den Veteranen des Zweiten Weltkriegs und den Überlebenden des Holocaust hier allgemein bekannt war, wo etwa hundert Flüchtlinge aus dem Wilnaer Ghetto, die alle oder fast alle jüdisch waren, in unterirdischen Holzbunkern im Waldlager lebten, als Teil des antinazistischen Netzwerks von Partisanen, das von der Sowjetunion während ihres Bündnisses mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Alliierten in den großen Kriegsanstrengungen zum Sturz Hitlers unterstützt wurde. Schauplatz ist der Truppenübungsplatz Rūdninkai in der Region des Rūdninkai-Waldes  (Rudnicki forest, Lithuanian — Rūdninkų giria, Yiddish — Rudnítsker vald).

Man muss sich das vorstellen: ‚Zufällig‘ zerstören deutsche Kampfpanzer bei einer Übung 2026, 2028 oder 2031 das Fort einer jüdischen Partisanengruppe in Litauen, oder manche machen sich einen Spaß und zerstören es absichtlich, die Bundeswehr ist ja nicht gerade bekannt dafür, besonders geschichtssensibel zu sein oder solche Männer (und Frauen) anzuziehen, die vorsichtig mit der Welt umgehen, um das mal ganz diplomatisch zu formulieren. Machismus ist in jede Armee ein Riesenthema, dazu kommt der Rechtsextremismus in der Bundeswehr und die deutschen Kontinuitäten seit der Nazi-Zeit.

Täter-Opfer Umkehr in Litauen: Kampf gegen die Partisaninnen

Als 2008 diese unglaubliche Kampagne von Revisionisten in Litauen gegen ehemaligen Partisaninnen und Partisanen losging, stellten sich viele Botschaften hinter Fania und andere Partisan*innen, Dovid Katz erinnert:

Alle diese Diplomaten waren stolz darauf, mit Fania dieses Partisanen-Fort zu besichtigen und sich über den mutigen Widerstand der jüdischen Partisaninnen und Partisanen gegen die Nazis zu informieren. Darüber hinaus organisierte der irische Botschafter Denham, der die gesamten Bemühungen des westlichen diplomatischen Korps inspirierend initiiert und geleitet hatte, ein Bankett, um Fania zu ehren und ihr eine Urkunde für ihr Lebenswerk zu überreichen. Der amerikanische Botschafter John A. Cloud stellte ihr seine eigene Urkunde aus, die er bei einem von der Botschaft gesponserten Mittagessen überreichte. In der Geschichte der Diplomatie war dies das erste Mal seit dem Zusammenbruch der UdSSR, dass westliche Diplomaten in diesen Ländern energisch und öffentlich gegen den Missbrauch staatsanwaltschaftlicher Befugnisse zur Verunglimpfung und Delegitimierung von Personen protestierten, die bei den Staatsorganen in Ungnade gefallen waren. Ein Jahr später gab der deutsche Botschafter Hans-Peter Annen einen Empfang für Fania, bei dem er ihr das Bundesverdienstkreuz des deutschen Bundespräsidenten überreichte.

Die antisemitische Täter-Opfer Umkehr und Agitation gegen ehemalige Partisaninnen und Partisanen wie Fania Brantsovskaya oder Yitzhak Arad wird von dem Historiker Saulius Sužiedelis in seinem 2025 erschienen Buch Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania erkannt.[1] Der emeritierte Professor an der Millersville University of Pennsylvania schreibt in seinem Buch eine umfassende Geschichte des Holocaust in Litauen. Den Antisemitismus der Litauischen Aktivistenfront (LAF) nennt er auch beim Namen.[2]

Rot=Braun Ideologie

Vor diesem Hintergrund ist jedoch seine aggressive Abwehr der Kritik am Antisemitismus und der Holocaustverharmlosung durch die Rot=Braun-Ideologie von Dovid Katz oder Efraim Zuroff bemerkenswert. Ja, Sužiedelis macht sich – als amerikanisch-litauischer Professor – gar nicht die Mühe, sich mit der wissenschaftlichen Analyse und Kritik wie von Dovid Katz zu befassen und schreibt faktenfrei:

In ihrem Angriff auf die Vermischung von Kommunismus und Nationalsozialismus wurde jedoch die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema nicht erwähnt (…).[3]

Dabei zitiert er zwar zwei journalistische Beiträge von Dovid Katz von 2009 sowie von Efraim Zuroff, aber nimmt das nicht als wissenschaftliche Kritik wahr und ernst. Hätte Sužiedelis, der lediglich 30 Jahre an diesem Buch arbeitete,[4] sich etwas näher mit der Thematik der Holocaustverharmlosung und der Analogie von Rot und Braun beschäftigt, hätte er einige wissenschaftliche Artikel von Dovid Katz finden müssen.[5]

Doch Sužiedelis ignoriert diese Forschung einfach und behauptet dann, Katz würde die wissenschaftliche Literatur nicht rezipieren, dabei ist Sužiedelis ganz offenkundig der Ignorant, da er keine einzige der von mir hier zitierten wissenschaftlichen Arbeiten von Dovid Katz rezipiert hat und Katz wiederum bezieht sich ja auf viele andere wissenschaftliche Texte und bettet das jeweils in eine luzide Analyse und Kritik der Rot=Braun- oder Holocaustverharmlosungs-Ideologie ein.

Da Sužiedelis jedoch mit der umstrittenen litauischen staatlichen Kommission, der bereits oben zitierten International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania zusammenarbeitet, ist das kein Wunder. Er bedankt sich in seiner Studie sogar bei Ronaldas Račinskas, der jene Internationale Holocaust Kommission leitet, sowie bei Emmanuel Zingeris aus Litauen.[6]

Es ist eine Mischung aus Perfidie und Unkenntnis, wenn Sužiedelis Dovid Katz vorwirft, diese Holocaust verharmlosende Kommission zu kritisieren, da doch deren Vorsitzender ein Jude sei, Emmanuel Zingeris.[7] Was soll das aussagen? Dovid Katz hatte offenkundig, seine Seite Defending History zeugt davon, guten und engen wissenschaftlichen, politischen und persönlichen Kontakt zum damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Vilnius, Shimon Alperovich, zu Milan Chersonski, dem Herausgeber der (viersprachigen) Zeitung der jüdischen Gemeinde in Vilnius, zum Holocaustüberlebenden Pinchos Fridberg aus Vilnius, zu Fania Brantsovksaya, zu Rachel Margolis, zu Yitzhak Arad und vielen weiteren Juden und Jüdinnen.

Sodann bezieht sich Sužiedelis in diesem Kontext bzw. der dazugehörigen Fußnote auf Timothy Snyder, ohne mit einem Hauch auf die massive wissenschaftliche Kritik an der Holocaust verharmlosenden Dimension von dessen Buch „Bloodlands“, wo er ganz typisch Rot und Braun analogisiert, einzugehen.

Neben Dovid Katz[8] waren viele weitere Historiker*innen in die Debatte involviert und haben Snyder teils massiv und scharf kritisiert, darunter waren Dan Diner[9] vom Simon Dubnow Institut in Leipzig, Yehuda Bauer[10] (1926-2024) und Dan Michman[11] von Yad Vashem aus Israel, Jürgen Zarusky[12] (1958-2019) vom Institut für Zeitgeschichte in München, der rumänische Holocaustforscher Michael Shafir (1944-2022)[13] sowie der Verfasser dieses Textes[14] und weitere Kritiker*innen.

Doch ideologisch ist eben keineswegs nur Litauern, vielmehr auch Deutschland seit vielen Jahren auf dem Kurs der antisemitischen Rot=Braun-Ideologie. Die Prager Deklaration steht dafür exemplarisch, der spätere Bundespräsident Joachim Gauck ist einer ihrer Unterzeichner. Der Kern der Prager Deklaration ist folgender:

Dabei geht es um die am 3. Juni 2008 im Prager Senat von mehreren, teils international recht bekannten Politikern, Wissenschaftlern und Aktivisten angenommene „Prager Deklaration“. Darin wird in einem 19 Punkte umfassenden Programm der Stalinismus bzw. „der Kommunismus“ mit dem Nationalsozialismus gleich gesetzt. Gleich in Punkt eins heißt es, es solle an ein „gesamteuropäisches Verstehen“ appelliert werden, dass die „nationalsozialistischen und kommunistischen totalitären Regime jedes nach seinem Wert“ beurteilt werden mögen, beide „Regime“ hätten gleichermaßen „aggressive Kriege angefangen“ (!) als „untrennbarer Teil ihren Ideologien“, beide hätten „ganze Nationen deportiert und vernichtet“ (!) und dass somit diese beiden Regime die „Hauptkatastrophen“ des „20. Jahrhunderts“ darstellten.

Zweitens sollen die vielen „Verbrechen“, welche „im Namen des Kommunismus“ begangen wurden als „Verbrechen gegen die Menschheit“ betrachtet werden, „genauso wie die Nazi Verbrechen vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal beurteilt“ wurden. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 9 der Deklaration, worin gefordert wird, den „23. August“ 1939, den Tag an dem der „Hitler-Stalin Pakt“ unterzeichnet wurde, als „Gedenktag an die Opfer von nationalsozialistischem und kommunistischen Regimes“ einzurichten, „in genau der Art wie Europa die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert“. In Punkt 17 wird schließlich gefordert, alle „europäischen Textbücher anzupassen und zu überarbeiten, damit die Kinder lernen und vor dem Kommunismus und seinen Verbrechen gewarnt werden können, auf die gleiche Weise wie sie gelernt haben die Nazi-Verbrechen zu beurteilen.“

Damit ist der Kern der Prager Deklaration eindeutig: der Holocaust war demnach kein präzedenzloses Verbrechen, der Antisemitismus der Deutschen und ihrer Helfer war nichts Besonderes, vielmehr ‚typisch‘ für ‚totalitäre Regime‘ wie dem Nazismus und Kommunismus. Der Holocaustgedenktag soll abgewertet bzw. ersetzt werden! [15]

Deutsche Panzer wieder in Litauen: Stoppt die Militarisierung Europas

Es ist absolut notwendig, dass das jüdische Partisanen-Fort erhalten bleibt und als Gedenkort des Widerstands gegen den Holocaust in diesem EU-Land gewürdigt wird.

Dovid Katz fordert:

Es ist bedauerlich, dass Bundeskanzler Merz über die Geschichte des Holocaust-Widerstandes unweit des neuen deutschen Truppenübungsplatz vielleicht nicht richtig informiert war, weshalb er am vergangenen Donnerstag bei den Eröffnungsfeierlichkeiten schwieg. Aber das kann jetzt schnell korrigiert werden durch die Entschlossenheit des deutschen Verteidigungs- und Außenministeriums und auch der Partnerstreitkräfte im NATO-Bündnis, ein Projekt zur Wiederherstellung der jüdischen Widerstandsfestung in enger Zusammenarbeit mit den litauischen Behörden und internationalen Holocaust-Gedenkorganisationen anzukündigen. Angesichts der Ungeheuerlichkeit des Holocaust-Völkermordes verdient die einzige erhaltene jüdische Festung auch den Schutz der UNESCO und anderer Organisationen.

Die völlig absurde Vorstellung, Russland würde ‚einfach so‘ Länder überfallen, weil es ein imperialistisches Land sei, könnte die kritische Politikwissenschaft detailliert widerlegen. Der Ukraine-Konflikt ist sehr vielschichtig, beide Seiten tragen hierbei Schuld, Russland für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die Ukraine und die NATO für jahrelange Provokationen inklusive Rassismus gegenüber der starken Russisch sprachigen Minderheit zumal im Osten und Südosten der Ukraine.

Aber wer ist heutzutage schon an Wissenschaft und Reflektion oder Kritik interessiert, wenn sage und schreibe 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung und somit Kriegsvorbereitung ausgegeben werden sollen von allen NATO-Staaten?

Eine Auflösung der NATO wäre viel friedensfördernder. Sie wurde als Reaktion auf die Sowjetunion 1949 gegründet, 1955 wurde dann der Warschauer Pakt gegründet, der aber nur bis 1991 bestand. Warum gibt es die NATO weiterhin?

Und welches Militärbündnis hat sich nochmal seit 1991 extrem ausgebreitet in Europa, ist also eine imperialistische Macht?

Das macht Putin nicht weniger schlimm und autokratisch, er ist eine extreme Gefahr für die demokratische Opposition in Russland und weltpolitisch mit seiner Unterstützung des Iran (allerdings aktuell kaum, die Angriffe Israels führten zu keiner militärischen Unterstützung Russlands für den Iran), der Hamas oder auch Chinas.

Wobei sich ja bekanntlich China mit seiner äußerst brutalen, antidemokratischen, irrationalen und gesundheitsgefährdenden Corona-Politik in die Herzen aller linken und sonstigen ZeroCovid-Fanatikerinnen (oder auch von Angela Merkel, die begeistert war, wie maskiert China war und vor allem wie wenig Proteste es dort gegen die Corona-Politik anfangs gab oder geben konnte, im Gegensatz zu Deutschland!) gebrannt hat.

Autorinnen oder Verleger, die sich für eine vielfältige oder auch kinderfreie Zukunft aussprechen und die Normalfamilie (bzw. die Produktion von Kanonen- und Drohnenfutter) in Frage stellen, werden bekanntlich in Russland per Gesetz diskriminiert, ja strafrechtlich verfolgt! Russland hat Besseres verdient als Putin, so wie die USA Besseres verdient haben als Trump, by the way (siehe dazu die aktuelle Bruce Springsteen Tour in Deutschland und die No King-Proteste am 14. Juni 2025 in den ganzen USA mit ca. 5 Mio. Demonstrant*innen im ganzen Land auf ca. 2100 Demonstrationen angesichts einer unerträglichen, Nordkorea-Style Militärparade für Trumps Geburtstag).

Dazu kommt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach, wie es selbst die New York Times mittlerweile sieht, das Virus SARS-CoV-2 vermutlich bei einem Laborunfall in Wuhan (China) freigesetzt wurde. Stichwort: BSL 2 statt BSL-3 oder 4. Wer nicht weiß was BSL heißt, hat die Jahre 2020 bis 2025 verschlafen und sieht gar nicht was für Gefahren aus solchen Laboren für die ganze Welt entspringen können. Die Gain-of-Function-Forschung ist ein weiteres Stichwort.

Der Krieg in der Ukraine muss sofort beendet werden. Doch dieser Krieg hätte ohne Gebietsverluste für die Ukraine bekanntlich im April 2022 beendet werden könne, doch fanatische NATO-Mitgliedsländer und Politiker wie Boris Johnson wollten lieber Hunderttausende Soldaten sterben sehen in der Ukraine, weil sie mit Putin nicht verhandeln. Es wird jetzt in der Ukraine auch auf eine diplomatische Lösung hinauslaufen – aber mit massiven Gebietsverlusten und Zehntausenden oder Hunderttausenden Toten für die Ukraine und noch mehr Toten für Russland, die 2022 noch verhindert hätten werden können mit einem Autonomiestatus für die östlichen Provinzen in der Ukraine.

Deutschland könnte Litauen vielmehr diplomatisch und politisch, zivilgesellschaftlich helfen, sich mit der eigenen verbrecherischen Geschichte im Zweiten Weltkrieg und während der Shoah zu beschäftigen. Doch in Litauen passiert das exakte Gegenteil. Viele litauische Täter im Holocaust waren Teil der Litauischen Aktivisten Front (LAF), Katz berichtet von einem Skandal von 2025, der keiner wurde, weil das fast niemanden interessiert, wer wie wo Nazitäter verharmlost oder feiert:

Der renommierte Harvard- und an der Universität von Chicago ausgebildete amerikanisch-litauische Professor und Analyst für öffentliche Angelegenheiten, Kęstutis Girnius, versuchte vor anderthalb Jahrzehnten, Unterstützung für eine rechtsextremistisch inspirierte Exkulpation der „Litauischen Aktivistenfront“ (LAF, Lietuvių aktyvistų frontas, „Weiße Armbänder“) zu bekommen. Das war jene Organisation von 1941, die kein einziges Kaninchen schoss [was schlimm genug gewesen wäre, CH], als die Sowjets an der Macht waren (1940-1941), aber in dem Moment, als die sowjetische Armee ihre panische Flucht nach Osten begann und es keine Behörde gab, die sie aufhalten konnte, begann, Tausende unschuldiger jüdischer Nachbarn zu ermorden.

Hitlers örtliche Schergen erklärten eine „Unabhängigkeit“, die den Treueeid auf Adolf Hitler, die Verpflichtung, Litauen von allen Juden zu befreien, und die Entfesselung eines barbarischen Mordes beinhaltete, noch bevor die Deutschen eintrafen oder ihre Kontrolle einrichteten. Jeder wahre Freund Litauens wird verstehen, dass dies die Art von pro-faschistischem Revisionismus ist, die das schöne, moderne, tolerante, demokratische Litauen wie ein Loch im Kopf braucht.

Aber wie gesagt: Wer interessiert sich schon für Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Diplomatie, Reflektion oder Kritik am Antisemitismus? Das betrifft ja sogar sehr viele Leute aus der Pro-Israel Community, die für andere Formen des Antisemitismus wie der Holocaustverharmlosung nicht nur keinen Blick haben, sondern sich lieber mit dem Bild von Selenskyi als Profilbild auf den a-sozialen Medien ‚schmücken‘ und keine rationale Analyse des Krieges in der Ukraine wollen. Denn das würde zeigen, dass es in der Ukraine exakt wie in Litauen auch Holocausttäter gab, die heute als „Helden“ erinnert werden.

Das ist ja der Grund, warum die Ukraine das Land ist – weltweit – mit den vermutlich meisten Denkmälern, Straßennamen, Plaketten etc. pp. für Holocausttäter und Nazi-Kollaborateure, wie der Journalist Lev Golinkin schon vor dem Ukraine-Krieg zeigen konnte. Und auch in Deutschland gibt es ja noch sehr viele Straßen, die nach Nazis benannt sind – bis heute, erst äußerst mühsam entscheiden sich manche Kommunen, die eine oder andere Straße umzubenennen.

Von Kojaks The Belarus File zu Standing Ovations für einen ukrainischen SS-Mann 2023 in Kanada

Dazu passt Folgendes: Eine schockierende Live-Übertragung aus dem kanadischen Parlament in Ottawa ereignete sich am 22. September 2023. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi war eingeladen, um im Parlament zu sprechen, neben dem damaligen kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der ja eher dem „woken“ oder links-liberalen Lager zuzuordnen ist. Gegen Ende der Veranstaltung im vollbesetzten kanadischen Parlament erwähnte der Parlamentssprecher Anthony Rota, dass jemand auf der Tribüne sitzen würde, ein „kanadisch-ukrainischer Kriegsveteran aus dem Zweiten Weltkrieg“, der „die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen“ erkämpft habe „und bis heute die Truppen“ – die ukrainischen Truppen – unterstützen würde. „In seinem Alter von 98 Jahren“. Das wurde damals live im Fernsehen übertragen, man kann das Video hier anschauen (ab Min 1:10:00).

Dann zeigt sich der 98 Jahre alte Kanada-Ukrainer und alle zollen ihm frenetischen stehenden Applaus und der Sprecher des Parlaments lacht dazu.

Sein Name ist Yaroslav Hunka. „Er ist ein ukrainischer Held“. „Ein kanadischer Held“. „Und wir danken ihm für all seine Dienste. THANK YOU!

Und wieder tosender stehender Applaus des gesamten Parlaments und aller Gäste, inklusive natürlich Selenskyi.

Presseagenturen nannten die Einheit, in der Hunka diente, die „erste ukrainische Division“. Das ist jedoch nur ein anderer Name für die „1. galizische SS Division“ und zugleich die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS. Lev Golinkin vom jüdischen Forward schreibt am 24. September 2023 :

Die 1943 gegründete SS Galizien setzte sich aus Rekruten aus der Region Galizien in der Westukraine zusammen. Die Einheit wurde von den Nazis bewaffnet und ausgebildet und von deutschen Offizieren befehligt. 1944 wurde die Division von SS-Chef Heinrich Himmler besucht, der von der „Bereitschaft der Soldaten, Polen abzuschlachten“ sprach.

Drei Monate zuvor verübten Untereinheiten der SS Galizien das so genannte Massaker von Huta Pieniacka, bei dem 500 bis 1.000 polnische Dorfbewohner lebendig verbrannt wurden.

Der kanadische Parlamentssprecher Rota hatte sich offenkundig mit Hunka vor dieser Veranstaltung näher befasst – aber schlichtweg ignoriert, was im Zweiten Weltkrieg „Widerstand“ oder „Befreiungskampf“ von Ukrainern hieß. Die SS organisierte den Holocaust, auch in der Ukraine. Die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS ist bekannt für ihre Morde im Holocaust und genozidale Verbrechen an Polen.

Jeder Mensch mit einem Hauch von Geschichtsbewusstsein weiß, dass gerade ehemalige Holocaust-Täter in die USA oder Kanada emigrierten nach 1945. Einer der bekanntesten und besten Filme dazu ist der Kojak Krimi „The Belarus File“. Darin geht es exakt um solche Hunkas, die in den USA untertauchten und dann mitunter auf die wenigen überlebenden Juden trafen. Am Ende wird der Nazi-Kollaborateur ausgeschaltet – von Kojak. Ein absolut beeindruckender Film, den offenbar kein Mensch dieser versammelten kanadischen Elite an jenem 22. September 2023 vor Augen hatte.

Sie applaudierten einem SS-Mann. Im Jahr 2023. Das zeigt, zu was der schier unschilderbare Pro-Ukraine Fanatismus führen kann.

Weniger später, am 26. September 2023 hat dann der bis dahin völlig naive oder historisch ungebildete kanadische Parlamentssprecher Anthony Rota Konsequenzen gezogen und trat zurück. Trudeau oder Selenskyi traten jeweils nicht zurück und die versammelte kanadische parlamentarische Elite trat auch nicht zurück. Jeder und jede Einzelne wird erinnert werden als eine Person, die einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur, der in einer SS-Division und im Holocaust aktiv war, frenetischen Applaus zollte.

Im Jahr 2023.

Weil ja die wenigsten Menschen seit 1945 Zeit hatten, sich mit der Geschichte des Holocaust zu befassen.

1988 wurde 20 Meilen vor Toronto in Kanada auf den Oak Memorial Gardens ein Denkmal für exakt jene 14. Waffen-SS-Division (1. Galizische) errichtet. Dieser Garten ist Teil des St. Volodymyr Ukrainian Friedhofs in Oakville. Man muss sich das vorstellen: Mehr als 40 Jahre nach dem Holocaust wurde im Jahr 1988 in Kanada, einer westlichen Demokratie, für diese Nazi-Kollaborateure ein Pro-Holocaust Denkmal errichtet!

Dieses Denkmal für die ukrainischen SS-Nazis wurde jetzt endlich nach vielen Jahrzehnten im März 2024 von dem Friedhof entfernt. Jahrzehntelange Proteste jüdischer Organisationen hatten nie etwas bewirkt – waren ja nur Juden, die protestierten, oder Überlebende. Aber jetzt, angesichts des Skandals mit den stehenden Ovationen für den 98-jährigen Nazi bzw. Nazi-Kollaborateur und SS-Mann Yaroslav Hunka im kanadischen Parlament am 22. September 2023 gab es doch eine kleine Schockwelle in Kanada.

1985 lief der erwähnte Kojak-Kinofilm „The Belarus File“. Darin geht es nicht nur um einen Holocausttäter, sondern insbesondere auch um US-amerikanische Direktive, juristisch nicht gegen diese Verbrecher vorzugehen. Die USA unterstützten viele Nazis und Nazi-Kollaborateure nach 1945, die Wernher-von-Braun Memorial Lecture in den USA („Die Karriere des Wernher von Braun. Von den Nazis zur NASA“), die 1978 das erste Mal veranstaltet wurde, ist ein typisches und obszönes Zeichen dafür. Da die USA wie damals die Nazis, die Polemik ist gar keine, weil sich die USA ja von sich aus in die Tradition des Nazis Wernher von Braun stellen!, der Expansion widmen, geht es heutzutage vor allem um das Weltall. Das zeigt sich im Expanding Exploration: From Vision to Reality. The 2024 von Braun Space Exploration Symposium im Oktober 2024 in Huntsville.

Wer die wirklich völlig fanatisch-euphorischen, enthusiastischen Gesichter dieser kanadischen Parlamentarier*innen sah, die mehrfach wie durchgedreht einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur Beifall klatschten, WEIL er ja gegen „den“ Russen kämpfte – der sieht, wie wenig aus der Geschichte des SS-Staates weltweit bis heute gelernt wurde. Es ist auch ein direktes Resultat der jahrzehntelangen Agitation der Propagandist*innen der Prager Deklaration und insgesamt der Gleichsetzung von Rot und Braun.

Sowjets schlimmer als Nazis: Litauen heute

Der jüdische Publizist aus Vilnius Arkady Kurliandchik, der auch den antizionistische Antisemitismus im heutigen Litauen kritisiert, bringt es im November 2024 so auf den Punkt:

Litauen hat im zwanzigsten Jahrhundert bekanntlich zwei Besatzungen erlebt: Die sowjetische und die deutsche. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 und vor allem in jüngster Zeit hat sich die allgemeine Auffassung durchgesetzt, dass die sowjetische Besatzung „schlecht“ und die deutsche Besatzung „gut“ gewesen sei. Diese Unterscheidung wird durch Denkmäler deutlich gemacht: Statuen von Persönlichkeiten aus der Sowjetzeit, auch von solchen, die in keiner Weise mit der Unterdrückung in Verbindung stehen, werden abgebaut, während Gedenktafeln für Naziverbrecher, die für die Massenvernichtung der litauischen Bevölkerung verantwortlich sind, aufgestellt und Straßen und Schulen nach ihnen benannt werden.

Man könnte sogar zeigen, dass zwei der bekanntesten Leugner der Präzedenzlosigkeit der Shoah nahezu zeitgleich 1949/1950 aktiv wurden und sagten, dass der Holocaust gerade nichts Einzigartiges oder nie Dagewesenes sei: Martin Heidegger und Aimé Césaire.

Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit der Shoah ist also keineswegs den postkolonialen Linken überlassen, wie viele vermuten und viele konservative bis neu-rechte und rechtextreme Publizist*innen, Parlamentarier*innen und Aktivist*innen, aber auch viele mehr oder weniger linke Wissenschaftler*innen behaupten oder zumindest insinuieren.

Deshalb mehr Geschichtsbewusstsein und weniger Militarismus wagen.

Besser Institute gründen in Litauen und überall für mehr zivile Lösungen, mehr Holocausterinnerung, mehr Diplomatie und Stopp der Aufrüstung.

Und gleichzeitig geht es um die Sicherung der jüdischen Orte des Widerstands gegen den Holocaust und die deutschen wie litauischen Antisemiten und Mörder, die die Juden im Holocaust in Litauen in einer ‚Effektivität‘ massakrierten wie an keinem anderen Ort der Welt – 95 Prozent der litauischen Juden wurden im Holocaust ermordet.

Antisemitismus ist also ein viel komplexeres Thema, als es viele wahrhaben wollen, gerade auch solche, die so tun oder immer so taten, als ob ihnen die Erinnerung an die Shoah wichtig sei.

Antizionismus ist die heute gefährlichste Form des Judenhasses. Aber viele, die diesen erkennen, sind häufig unfähig, andere Formen des Antisemitismus zu erkennen – und gerade Konservative in West- wie Osteuropa und Nordamerika, ja überall, die sich häufig pro-israelisch geben, sind mit die Schlimmsten, wenn es um die Umschreibung der Geschichte geht, von den postkolonial argumentierenden Linken abgesehen, die die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz leugnen und den Unterschied von Sklaverei und Gaskammern nicht im Ansatz begriffen zu haben scheinen.

Das Beispiel aus Kanada von 2023 sagt eigentlich alles über das komplette westliche Versagen, die Geschichte des Holocaust und der Täter und Kollaborateure aufzuarbeiten. Im Osten Europas wird in weiten Teilen nicht nur nicht oder verzerrt aufgearbeitet, sondern die Nazi-Kollaborateure werden geehrt, gerade auch nach solchen Skandalen wie in Kanada:

Der Gebietsrat von Ternopil [in der Ukraine, CH] zeichnete mit der Anordnung Nr.22 vom 6. Februar 2024 Hunka mit dem Jaroslaw-Stezko-Ehrenabzeichen „Für Verdienste um die Region Ternopil“ aus.

Wer war Jaroslaw-Stezko? Der Journalist Golinkin schreibt:

1941 stand Stetsko an der Spitze der mit den Nazis kollaborierenden Regierung der OUN-B, die den deutschen Einmarsch in die Ukraine begrüßte und Hitler die Treue hielt. Er war ein völkermordender Antisemit, der geschrieben hatte: „Ich bestehe auf der Ausrottung der Juden und der Notwendigkeit, die deutschen Methoden zur Vernichtung der Juden in der Ukraine zu übernehmen.“

Diesen Mann also würdigt und feiert die heutige Ukraine, die WIR – gerade wir Deutschen – doch mit allen, wirklich allen Mitteln verteidigen müssen.

 

[1] Saulius Sužiedėlis (2025): Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania, Boston: Academic Studies Press (in Kooperation mit dem United States Holocaust Memorial Museum), S. 532-536.

[2] Ebd., S. X.

[3] Ebd., S. 539.

[4] Ebd. S. X.

[5] Dovid Katz (2009): “On Three Definitions:  Genocide; Holocaust Denial; Holocaust Obfuscation”, in: Leonidas Donskis (Hg.), A Litmus Test Case of Modernity. Examining Modern Sensibilities and the Public Domain in the Baltic States at the Turn of the Century [=Interdisciplinary Studies on Central and Eastern Europe 5], Bern u.a: Peter Lang, S. 259-277 ; Dovid Katz (2016): “Is Eastern European ‘Double Genocide’ Revisionism Reaching Museums?”, in: Dapim: Studies on the Holocaust, vol. 30.3, S. 1–30, 18. Nov. 2016; Dovid Katz (2017): “Free Trade Awry? The Westward Export of Double Genocide”, in: Danielle Buschinger u.a. (Hg.), Mélanges offerts à Jeff Richards par ses amis à l’occasion de son 65e anniversaire, Amiens: Centre d’Etudes Médiévales de la Picardie, S. 413-443; Dovid Katz (2018): “The Baltic Movement to Obfuscate the Holocaust” in: Alex J. Kay/David Stahel (Hg), Mass Violence in Nazi-Occupied Europe: New Debates and Perspectives (Indiana University Press: Bloomington, Indiana), S. 235-261.

[6] Sužiedėlis 2025, S. XII.

[7] Ebd., S. 538.

[8] Dovid Katz (2009a): “Prague’s Declaration of Disgrace,” 21. Mai 2009, http://www.thejc.com/comment/comment/prague%E2%80%99s-declaration-disgrace.

[9] Dan Diner (2012): “An Auschwitz vorbei. Timothy Snyder erhält für sein Buch ‘Bloodlands’ den diesjährigen Leipziger Buchpreis. Zu Recht? Jedenfalls weist seine angeblich wegweisende Arbeit Mängel auf,” March 17, 2012, http://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article13927362/An-Auschwitz-vorbei.html.

[10] Yehuda Bauer (2010): Remembering accurately on International Remembrance Day, Jerusalem Post, 25.01.2010.

[11] Dan Michman (2012): Bloodlands and the Holocaust, in: Journal of Modern European History / Zeitschrift für moderne europäische Geschichte / Revue d’histoire européenne contemporainem Vol. 10, No. 4, Eugenics after 1945 (2012), S. 440-445.

[12] Jürgen Zarusky (2012): Timothy Snyders „Bloodlands“. Kritische Anmerkungen zur Kon­struktion einer Geschichtslandschaft, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 60. Jg., Nr. 1, S. 1–31.

[13] Siehe z.B. „Papers by Professor Michael Shafir (1944-2022)“, https://defendinghistory.com/papers-by-professor-michael-shafir-1944-2022/112393.

[14] Siehe das Kapitel Ernst Nolte’s ‘grandson,’ the new German President and the Prague Declaration, in: Clemens Heni (2013), Antisemitism:  A Specific Phenomenon. Holocaust trivialization – Islamism –Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin: Edition Critic, S. 313-373.

[15] Clemens Heni (2010): Die Prager Deklaration. Antisemitismus im neuen Europa, Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Jg. 49, Nr. 194 (2010), S. 106–112, hier S. 106 f.

Jenseits von „sine ira et studio“ – Antisemitismuskritik und Linkszionismus, noch einmal: Eva Illouz

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Im ersten Band des Handbuchs religionswissenschaftlicher Grundbegriffe von 1988 gibt es das Stichwort „Antisemitismus“. In dem Beitrag wird die Geschichte des Antisemitismus dargestellt, wobei völlig richtig auch der Antizionismus unter Antisemitismus rubriziert wird:

…freilich lebt [der Antisemitismus] der Sache nach fort im ‚Antizionismus‘ der sich seinerseits als Antirassismus ausgibt“. (S. 497)

Bei der Analyse des Antisemitismus betont der Autor, dass es hierbei „durchaus nicht ’sine ira et studio'“ (S. 496) zugehen solle, wer ganz neutral, abwägend über Judenhass schreibt, hat nicht verstanden, um was es sich dabei handelt.

Am Ende des Eintrags heißt es unter „VII. Antisemitismus nach 1945“:

Nach der Shoah ist A. nicht mehr hoffähig. Wer ihn deshalb für erledigt hält (allenfalls noch eine Sache der ‚ewig Gestrigen‘), übersieht die Surrogate, die doch im Kern dasselbe fortsetzen. Der Antizionismus kritisiert kein Volk und keine Rasse – wohl aber alle Juden, die zu Israel eine Beziehung haben. Der Mechanismus ist perfekt. Der Antizionist kann gar kein Antisemit sein, denn A. ist Rassismus, Zionismus ist (mit UNO-Mehrheit beschlossen) Rassismus, ergo: der Antizionist ist Antirassist und kann deshalb gar kein Antisemit sein (vielmehr kritisiert er die Juden, weil …) (vgl. die polemische, aber in der Aufdeckung dieses Mechanismus sehr wichtige Arbeit von Finkielkraut [„Der eingebildete Jude“, 1982, CH]). Abermals verschlingen sich im Antizionismus Rationales (berechtigte Kritik an der Politik der Regierungen Israels) mit irrationaler Überschätzung der politischen und ökonomischen Möglichkeiten der Juden und dem Erbe der antisemitischen Traditionen. (S. 504)*

Es ist vor diesem Hintergrund merkwürdig, dass der ARD-Tatort-Schauspieler Hans-Jochen Wagner angesichts der Nominierung des Medienunternehmers Wolfram Weimer, der von Religion, Familie und Tradition fabuliert und vom „eigenen Blut“ oder der „eigenen Sippe“ raunt, die aussterben würden, als neuer Kulturstaatssekretär unter Schwarz-Rot und Friedrich Merz, in einem Interview mit dem STERN ausgerechnet das Thema Künstler*innen und Gaza erwähnt und moniert, dass manche Kunstschaffenden sich politisch erklären müssten, um auftreten zu dürfen („Egal wie man zum Gaza-Konflikt steht, sollte es uns doch allen unangenehm sein, internationale Künstler irgendwelche Grundsatzpapiere unterschreiben zu lassen, bevor sie auftreten dürfen.“) Er hat nicht mitbekommen, wie antisemitisch und antiisraelisch oder eiskalt weite Teile seiner Kunstszene/Musikszene/Schauspielerszene nach dem 7. Oktober 2023 reagiert haben. Gab es Großdemonstrationen von Tatort-Schauspieler*innen gegen das genozidale Massaker der Hamas an Jüdinnen und Juden?

Was heißt „Egal wie man zum Gaza-Konflikt steht“? Damit meint er womöglich, dass es doch egal sei, ob man für oder gegen islamistischen Antisemitismus und das Abschlachten von Juden durch die Hamas ist.

Der Antisemitismus weiter Teile der Kulturszene wie im ganzen Land, der zeigte sich ja exakt am 7. und 8. Oktober 2023, Wochen vor einer militärischen Reaktion Israels.

Ganz anders hingegen die israelisch-französische Soziologin Eva Illouz. In einem Interview mit der Zeitschrift K. Jews, Europe and the XXI Century vom 10. April 2025 spricht sie über Antizionismus, Linkszionismus und den Kampf gegen den Antisemitismus. Bekanntlich wurde Illouz dieses Jahr der Israel-Preis verliehen, doch der aktuelle israelische Bildungsminister Yoav Kisch forderte die Jury auf, ihr den Preis nicht zu geben. Daraufhin gab es tatsächlich eine zweite Abstimmung, die sich aber doch wieder für Illouz aussprach, aber ein Jurymitglied stimmte jetzt gegen Illouz, da sie – das war der Aufhänger für Kisch – 2021 mit über 180 anderen Israelis eine Petition an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag unterschrieben hatte, die sich gegen Kriegsverbrechen Israels im Westjordanland wendet. Dieses Jurymitglied wendet sich nun gegen Illouz und bezichtigt sie in geradezu islamistischer Manier des Verrats, auf dem die Todesstrafe stehe:

In my case and that of the prize, one of the members of the scientific committee changed her opinion and voted against me during the second meeting of the committee that the minister had demanded. The reason she invoked is nothing but stunning: she invoked an old Jewish law that designates Jews as “traitors” if they hand them over to non-Jews. This old religious law invokes the obligation to kill them. The last time it was invoked in public discourse was before Rabin’s murder.

2024 sollte der Israel-Preis in der Kategorie „technologische Innovation“ an den Unternehmer Eyal Waldman verliehen werden. Waldmans Tochter Danielle Waldman und ihr Freund Noam Shai wurde von den Jihadisten am 7. Oktober 2023 auf dem Nova-Festival ermordet. Eyal Waldman war vor dem 7. Oktober als Kritiker von Netanyahu und der geplanten „Justizreform“, die sich gegen die Gewaltenteilung positioniert, in Erscheinung getreten und ist als Unternehmer, der viele Palästinenser*innen beschäftigt, bekannt. Waldman wurde auf Initiative von Yoav Kisch der Israel-Preis nicht verliehen, wie unter anderem Haaretz berichtete.

Es war tatsächlich der Mord an Rabin im Jahr 1995, der für Eva Illouz eine Welt zusammenbrechen ließ, wie sie in dem Interview sagt:

For me, the break came when Rabin was assassinated in November 1995 and Netanyahu, who had led a campaign to demonize Rabin because of the Oslo process, was elected a few months later in 1996. That was when I realized that something very bad was brewing. That was the moment of the great rupture. I understood that the religious messianists had power and that they were leading Israel to disaster. I hoped I was wrong.

Ihr Traum von Zionismus war inklusiv, auf Frieden und Zweistaatlichkeit ausgerichtet, ein Staat für die Juden, einer für die Palästinenser. Mit dem Mord am versöhnenden Rabin und dem ersten Wahlsieg von Netanyahu 1996 war dieser zionistische Traum schon fast beendet.

Und seitdem wurde es noch viel schlimmer. Der Antisemitismus wurde schlimmer.

Die Isolation Israels wurde schlimmer.

Die innere Spaltung des Landes Israels wurde noch gravierender.

Die Situation der Palästinenser angesichts von Jihad, Hamas und Islamismus, aber auch der Rassismus Israels gegenüber den Palästinensern, wurden auch noch viel schlimmer.

In einer brillanten Analyse spricht Eva Illouz von einer „Autoimmunerkrankung“ Israels – die primär den Premierminister Benjamin Netanyahu, aber auch weite Teile des Landes und der Wählerschaft infiziert hat:

The body can no longer distinguish between healthy and diseased tissue. This is what is happening in Israel. The proof? Before October 7, Netanyahu was so busy seeing the demonstrators as enemies that he did not see where the real enemy was. He did not listen to the warnings about Hamas. This government acts as if those who fight to prevent Israel from becoming a pariah state were enemies. This is an autoimmune political disease.

Die Neue Rechte, zu der Netanyahu zu zählen ist, hat im Westen seit vielen Jahren einen turbo aggressiven Kulturkampf begonnen, von Victor Orbáns Agitation gegen den Juden George Soros über Donald Trumps philosemitische Israelkumpelei bei gleichzeitiger Hofierung von Neonazis wie den Proud Boys bis hin zur AfD, den Neuen Rechten in Holland, Frankreich, Italien und vielen anderen Staaten. Familie, Reproduktion, Tradition, Anti-Inklusion, Anti-Gender, Antifeminismus, Kapitalismus, Naturzerstörung, Religion und Kampf gegen alles Linke sind die zentralen Topoi dieser Szene.

Es ist ein Kampf gegen den Universalismus und das große Versprechen des Zionismus, der Souveränität für Juden bei gleichzeitiger Freiheit für die Palästinenser bedeuten sollte – so Illouz:

I fight for peace and brotherhood with the Palestinians, those who want to live in peace, for the maintenance of democracy in Israel, and at the same time I fight against antisemitism. Only ideology and the social division of political camps make these tasks incompatible. I try to hold both ends even if it is sometimes uncomfortable. The big question this raises is this: if Zionism is hijacked by an authoritarian and anti-democratic political project, what will be left of it? Not much, I think. The endless war that Israel has been waging since the creation of the state has blunted a certain human gentleness, its capacity for universal brotherhood, its ability to distinguish between force and legitimacy. Enemies are seen everywhere and the wrong friends are chosen.

Wer ein klein wenig Einblick hat in die Pro-Israel-Szene in Europa, Deutschland oder den USA, weiß: wer nicht auf Linie ist, ist nicht Teil dieser Szene. Wer sich zum Beispiel schon 2017 gegen den Sexisten und Verschwörungsantisemiten Donald Trump wandte, wurde aus sogenannten Pro-Israel Gruppen mitunter ausgeschlossen, während ganz große Denker, Marxisten aus Wien vorneweg, und ihre Epigonen wie Nachbeter in Trump Hegels „List der Vernunft“ zu erahnen vermochten („Da lacht der Horst. Die neue Querfront? Mit Hegels „List der Vernunft“ für Trump…) und den Ton angeben.

Ganz zentral ist folgender Satz bei Illouz:

I fear that the political and moral culture of this country has been destroyed by the Occupation and messianism.

Wo finden sich in aktuellen Konferenzen, Vorträgen oder Symposien in Deutschland diese Themen: Besatzung, Messianismus und religiös-nationalistischer Fanatismus in Israel? Das sind Themen, die nicht zu Themen gemacht werden. Illouz weiß das sehr wohl, warum das so ist, auch sie redet in Israel anders als in Frankreich. In Israel ist sie Teil der Mehrheit und spricht vom israelischen Rassismus, in Frankreich ist sie eine kleine Minderheit und spricht mehr vom Antisemitismus.

Aber der Unterschied ums Ganze zu weiten Teilen der (primär nicht-jüdischen) Pro-Israel Szene in Deutschland liegt darin, dass Illouz auch hier und heute von Frankreich aus Netanyahu frontal angreift und ihn als eine riesige Gefahr für den Zionismus und die Zukunft des Staates Israel erkennt:

I protest against Netanyahu’s authoritarian excesses and the corruption of his government, against the destruction of lives in Gaza, I fear for the future of Israel, which is being undermined from within by too much division and dissent.

Das heißt hier und heute: Wer die aktuelle Hungersnot in Gaza nicht sieht – seit zwei Monaten lässt Israels aus Perfidie keine Hilfslieferungen hinein -, will sie nicht sehen und sieht in nahezu jedem, der sie erwähnt, einen Antisemiten und Israelfeind.

Selbstredend sind jene, die hier und heute und seit dem 7. Oktober 2023 mit Keffiyah rumlaufen oder Palästina-Symbole wie Fahnen an den Balkon oder das Fenster hängen oder entsprechende Aufkleber verkleben, fast immer Antisemiten.

Wer wirklich für Palästina ist, wäre ja schon seit Jahrzehnten gegen die Hamas aktiv und für ein freies Palästina Seite an Seite mit Israel. So wie das aktuell Hamza Howidy in Deutschland ist – als palästinensischer Flüchtling, der vor der Hamas floh – und Tausende andere, sehr mutige Menschen in Gaza, die ihr Leben gleich doppelt aufs Spiel setzen: sie könnten bei Demonstrationen von Israelis (der IDF) erschossen werden oder von der Hamas erkannt und am nächsten Tag massakriert werden.

Ein Intellektueller stellt sich gegen die Mächtigen. Doch was wir nicht nur hierzulande erleben ist ein Gruppendenken und ein monothematischer Rollback, der katastrophal ist: Wer nicht für Merz ist, ist gegen Israel, wer nicht für Weimer ist, ist links und wer links ist, ist antisemitisch.

So einfach ging das schon bei Corona – wer nicht für den irrationalen Maskenwahn oder die (verglichen mit richtigen Impfungen) epidemiologisch sinnfreie ‚Impfung‘ war, war ein Nazi und Schwurbler.

Beim Ukraine-Diskurs werden alle, die gegen Militärhilfen für die Ukraine und für eine diplomatische Lösung sind, als Putinversteher delegitimiert und vom Diskurs ausgeschlossen.

Beides, der Corona- wie Ukraine-Diskurs und das Reden im Mainstream wie im Duktus von Wahrheitsministerien fällt mittlerweile sogar – am Rande – der ZEIT auf („Lassen Sie uns bitte reden. Wir dürfen beim Thema Krieg und Frieden nicht dieselben Fehler machen wie während der Pandemie. Fordern diese Autorinnen und Autoren„.)

Wenn dann hierzulande jemand vom „postfaktischen Zeitalter“ redet, sind so gut wie nie die Verdrehungen, Halbwahrheiten oder schlichten Lügen („2G schützt vor Übertragung und Verbreitung des Virus“ etc. etc. etc.) der Corona-Politik-Apologeten (m/w/d) gemeint, sondern nur die irrationalen Trottel, die es in der Szene der Corona-Politik-Skeptiker*innen ja tatsächlich in nicht geringer Anzahl gibt.

Wenn hier jemand vom „postfaktischen Zeitalter“ redet, ist fast immer nur Putin gemeint, wenn es um Osteuropa geht (oder Orbán, was jeweils nicht falsch ist, aber nur die halbe Wahrheit) – aber eigentlich nie die Lügen der NATO, die sich seit Anfang der 1990er Jahre extrem aggressiv gegen Osteuropa ausgebreitet hat, obwohl es die mündliche und im Protokoll schriftlich fixierte (!) Zusage gab – gegenüber der UdSSR, die sonst niemals für eine „Wiedervereinigung“ Deutschlands gestimmt hätte! – dass sich die NATO „nicht einen inch ostwärts“ bewegen würde, wenn sich DDR und BRD zusammen schließen würden. Und von den Denkmälern und Straßenbenennungen für Nazikollaborateure und Holocausttäter in der Ukraine sprechen solche, die gerne vom „postfaktischen Zeitalter“ reden, auch fast nie.

Wo waren die zionistischen Demonstrationen gegen Trumps Pläne der Abschiebung aller Palästinenser*innen aus Gaza, um dort ein Immobilienparadies für seine kriminellen und korrupten Machenschaften und Kumpels (inklusive Netanyahu) aufzubauen?

Es ist und bleibt ein Elend: Wer als Intellektueller Kritik an Mythen übt und zudem zionistisch ist, ist eben Linkszionist und insofern vom riesigen staatsautoritären Netanyahu-Lager als Feind deklariert.

Wer hingegen Kritik an Netanyahu nur als Vehikel benutzt, um den Zionismus an und für sich abzulehnen, zeigt seine antisemitische Fratze, wenn auch oft hinter einer Maske versteckt.

Das macht die Position von Eva Illouz so nahezu einzigartig, jedenfalls was richtig berühmte heutige Intellektuelle betrifft. Sie ist und bleibt links und zionistisch. Punkt. Ich hatte darüber ja schon im Dezember 2024 berichtet.

„Woke“ Linke haben sich spätestens am 8. Oktober 2023 großteils als Antisemiten geoutet. Sie haben gekichert, geklatscht – oder geschwiegen. Nur ganz wenige gingen die Tage danach auf Pro-Israel Kundgebungen oder Demonstrationen, während im Januar 2024 Hunderttausende an Anti-AfD-Protesten teilnahmen, weil sich im November 2023 in Potsdam extreme Rechte trafen und mit der AfD rassistische Gedankenspiele diskutierten.

Doch das schrecklichste Massaker an Juden seit der Shoah hat die exakt gleichen „woken“ Linken nicht schockiert oder zum Protest animiert.

Die Rechten sind nicht besser, nur anders gepolt. Sie hetzen gegen Leute, die gegen die Familienideologie sind, gegen Religionskritiker*innen und Säkularismus und gegen Leute, die die Klimakatastrophe thematisieren und gegen sie aktiv werden. In Israel werden Kritiker*innen der Siedlungspolitik als Feinde gesehen, als ob sie Islamisten wären – dabei sind die wahren Feinde des Zionismus die militanten Siedler*innen, da sie die Worte Kompromiss, Gleichberechtigung und gleiche Rechte für Palästinenser nicht kennen.

Mittlerweile gibt es auch in Israel eine Kritik am „woken“ Konservativismus (!) – an einer „Reinheit“ der eigenen Reihen, wie es der Präsident der Ben-Gurion Universität Professor Daniel Chamovitz in der Times of Israel ausdrückt.

Am Ende des Interviews sagt Eva Illouz dann einen Satz, den hierzulande nicht eine bekannte zionistische Person – angenommen es gäbe eins ähnlich bedeutende zionistische Persönlichkeit in Deutschland, wie Eva Illouz es in Frankreich/Israel ist – zu formulieren in der Lage wäre, weil so einen Satz nur eine Intellektuelle und somit eine Linke, eine Linkszionistin zu denken und sagen vermag:

The position of the intellectual requires managing the tension between loyalty and truth all the time. I love Israel, but I am horrified by its authoritarian excesses and what seems to be a profound corruption of the state apparatus…

 

 

*Jürgen Ebach (1988): Antisemitismus, in: Hubert Cancik/Burkhard Gladigow/Matthias Laubscher (Hrsg.) (1988): Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe. Band 1, Stuttgart: Kohlhammer, S. 495-504.

Das politische Ende von Victoria Nuland und des Taurus ist die Chance für ein Ende des Ukrainekrieges

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Rücktritt der in den USA in Ungnade gefallenen antikommunistischen Hetzerin Victoria Nuland hat international für Erleichterung gesorgt. Die Kriegstreiberin und regelrechte Russenhasserin, die wenig von Diplomatie versteht, hat ihren Rücktritt eingereicht.

Das sollte auch den Kriegstreibern von CDU/CSU sowie FDP und Grünen zu denken geben. Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland ist gegen die Lieferung der Taurus-Raketen.

Was die CDU/CSU und Grüne wie FDPler noch nicht verstanden haben: wir leben in der letzten Generation und zwar seit dem 6. August 1945. Ein Atomschlag gegen Moskau würde das Ende jeglicher Zivilisation in Berlin, London, Washington D.C., Paris etc. pp. bewirken. Offenbar haben diese Politiker*innen gar nicht verstanden – so wenig Putin das verstanden hat -, dass Atomwaffen keine Waffen sind, die man so oder anders einsetzen kann, sondern Auslöschungswaffen.

Der Papst spricht sich für eine diplomatische Lösung aus. In einer Rede zum 27. Januar der GEW Südhessen heißt es:

Demokratische Politikerinnen und Politiker sollten sich daher bemühen, solide Antworten zu finden für eine Bevölkerung, die besorgt ist hinsichtlich so vieler Themen wie Altersarmut, steigenden Mieten, knappem Wohnraum, verrottender Infrastruktur, miesen Bildungsbedingungen und –chancen, Energieversorgung, und auch Aufrüstung und zunehmender Militarisierung. Wer nichts anderes zu bieten hat, als Andersdenkende als „gefallene Engel aus der Hölle“ (Scholz) zu bezeichnen, wer meint, es reiche, die einen gegen die anderen auszuspielen wie Herr Lindner, indem er den „fleißigen Mittelstand“ denen gegenüberstellt, die angeblich „Geld bekommen fürs Nichtstun“ und sich für die Kürzung der Leistungen für Asylbewerber lobt, wird die Menschen dadurch nicht abhalten, nach einer wenn auch noch so falschen Alternative zu greifen, schon gar nicht, wenn er diese dann gleich als „Fliegen auf einem Haufen Scheiße“ bezeichnet (Strack-Zimmermann).

Auch wenn ich mich entgegen der GEW Südhessen ganz sicher nicht auf den Theologe Eugen Drewermann beziehen würde, dessen Ideologie als „Wiedergeburt der Totenkopftheologie“ kritisiert wird,

ist die Kritik an den unerträglichen deutschen Kriegstreiber*innen von Seiten der GEW Südhessen unerlässlich:

Nicht „kriegstüchtig“ muss Deutschland werden, es muss „friedenstüchtig“ sein und bleiben. Dazu gehört auch, der schleichenden Militarisierung unserer Gesellschaft entgegenzutreten und nicht zuzulassen, dass ein Ungeist wieder Einzug hält, der Gewalt als probates Mittel der eigenen Interessensvertretung ansieht, ein Ungeist von Machtgehabe, von Führung und Gehorsam, von falsch verstandenem Abenteuer- und Heldentum. Denn auch dieser Ungeist war ein Pflasterstein auf dem allzu kurzen Weg nach Auschwitz.

Es ist gleichwohl bezeichnend, dass in der Rede der GEW Südhessen von Antisemitismus und Juden oder von Israel und dem nie dagewesenen Massaker an Jüdinnen und Juden durch die Palästinenser und die Hamas am 7. Oktober 2023 keine Rede ist – dabei wäre der 27. Januar genau der Tag, an dem man das erwähnen muss, wenn man aus der Geschichte gelernt hat. Am 7. Oktober 2023 passierte das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust.

Es geht in der Tat gegen das Gerede von „kriegstüchtig“. Ziel sollte sein, die Bundeswehr abzuschaffen und das unglaublich viele Geld, das der „Verteidigungs“ (=Kriegs-)Etat verschlingt, sinnvollen sozialen und ökologischen Zwecken zugute kommen zu lassen.

Dadurch wird mensch nicht zum Pazifist. Der Abwehrkrieg Israels gegen die Hamas ist überlebensnotwendig.

Doch gleichzeitig muss es um eine diplomatische Lösung mit Russland gehen und der Krieg sofort beendet werden. Es war ja gerade Israels damaliger Ministerpräsident Naftali Bennett, der im März 2022 eine diplomatische Lösung des Krieges in der Ukraine ausgehandelt hatte und dafür sogar am Schabbat Flugzeug flog, was für eine religiösen Politiker wie er es ist, äußerst ungewöhnlich war. Doch bekanntlich waren die Kriegshetzer aus London, Washington D.C., Paris oder Berlin, Warschau und den baltischen Staaten stärker.

Putin ist ein schrecklicher Autokrat, der politische Konkurrenten ermorden lässt und aus taktischen Gründen mit den übelsten Regimen kooperiert wie dem Iran oder Saudi-Arabien und der Türkei. Doch mit dem antisemitischen Regime in Ankara kooperieren die USA, England und Deutschland noch viel mehr, da die Türkei NATO-Mitglied ist.

Es ist alles nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint nach dem binären Motto: Putin böse = wir gut.

Nein, Putin ist böse und die NATO ist böse, die Welt ist also komplexer und deutlich komplizierter, als es zum Beispiel die CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder Anton-ich-liebe-alle-Waffen-Hofreiter meinen.

Die NATO-Osterweiterung seit den 1990er Jahren war und ist ein imperialistischer Vorgang. Es gab im Februar 1990 die protokollarisch verbrieften Zusagen des Westens an die UdSSR, dass sich die NATO „keinen inch ostwärts“ bewegen würde, wenn es zu einer wie auch immer gearteten Vereinigung von DDR und BRD käme. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Ohne diese imperialistische NATO-Politik würde es den aktuellen Krieg Russlands in der Ukraine womöglich nicht geben.

Doch wer hat die geistigen Kapazitäten, sich gegen Putin und den Putinismus einerseits, gegen die Russland-Iran-Connection, gegen den NATO-Imperialismus und Antikommunismus (dabei ist Putin selbst Antikommunist) wie die nach Nazi-Kollaborateuren oder/und Holocausttätern benannten Fußballstadien, Straßen und Plätze in der Ukraine andererseits zu positionieren und das auch noch zu verbinden mit einer klaren militärischen Unterstützung des jüdischen Staates?

 

BHL’s silence on Holocaust perpetrators in Ukraine

BHL’s silence on Holocaust perpetrators in Ukraine

In a recent article in Tablet Magazine by French author Bernard-Henri Lévy the complete victory of Ukraine in the ongoing Russian War in Ukraine is proclaimed. Lévy, known for his obsessive hatred of Russia, Communism and a fact based analysis of the conflict, urges the WEST to not stop fighting this War – until Russia has lost.

Lévy, who is Jewish, has obviously no problem at all with pro-Holocaust Memorials dedicated to Holocaust perpetrators in Ukraine. He has no problems with Hundreds of streets named after people who wanted to eradicate the Jewish people from Ukraine during the Shoah, including Stepan Bandera, Yuri Polyanskiy, Dmytro Paliiv, Petro Gudzovatiy, Dmytro Gakh, Stepan Burdyn, Terentiy Pihotskiy, Vasyl Sydor, Omelyan Polovyi, Oleksa Babiy (who played a role in the worst massacre of the Shoah in Baby Yar near Kiew) and many others.

Lev Golinkin gives you a clear picture in the Jewish Forward of all these antisemites and Holocaust perpetrators – every single one of them has a street, memorial, football stadium or plaque named after them. All this happened in the last 30 years and it happens today and tomorrow, including streets named after Neo-Nazis.

Let me be clear:

Russia’s war is a criminal war of aggression that violates international law and must end immediately. But more weapons for Ukraine will prolong this war and cause many more deaths in Ukraine. And the US and Germany want more people to die and the war to continue, otherwise they would not continue to supply Ukraine with weapons and ammunition. What about complicity in the war through NATO’s decades of aggression? This includes NATO’s eastward expansion, although US Secretary of State James Baker promised Gorbachev (!) and the Soviets in February 1990 that NATO would itself in the event of a possible reunification of Germany not expand “one inch eastward”.

Without this promise by the US, Baker, and West-Germany’s Helmut Kohl and Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher, the USSR would never ever had given their support for a re-unification of  the two Germany’s. NATO expansion ever since was an act of imperialism and is one key factor why Russia fights this war. This is a scholarly explanation, not a support for Putin, to be clear. But I am disgusted by the anti-Russian hatred of Tablet Magazine and most mainstream journals and politicians in the US or Germany.

This war has a history. For sure, it did not start February 24, 2022. Worse, Ukrainian President Zelenskyi argued in an antisemitic manner and trivialized the Holocaust during a speech he gave via video to the Knesset by comparing the date of the start of the war with the founding of the German NAZI Party (NSDAP) in 1920 and even portrayed Ukraine as friends of Jews at the time !! In Israel, there was outrage about that kind of antisemitism and Holocaust distortion. What about Tablet Magazine and Lévy?

Russia will not lose this war – otherwise we might be facing the end of the world: an atomic war, first fought by the United States of America in August 1945 against Japan.

Ever since, our lives face a deadline every single day, because ever since August 6, 1945 and Hiroshima, the entire destrucion of all lives on earth is an option. ‘Thanks’ to the US Army, by the way.

In December 2021, the Russian Federation sent Ukraine, the US and NATO a peace plan for Ukraine. No response from the White House. Biden wanted the War and he got the War.

Then, in March 2022, Israeli Prime Minister Naftali Bennett did broker a near to be reached ceasefire – but Boris Johnson, the UK and the US, also France and Germany prohibited that ceasefire, because it included a statement that Ukraine would never ever become member of NATO. Russia, though, would have withdrawn all forces – all forces – to the lines prior to February 24, 2022. Ukraine was even interested in that deal, according to Bennett! But the UK, the US and the West rejected peace!!

Bernard-Henri Lévy, whom I defended against antisemitic resentment in my recent book (dealing with forms of antisemitism in the late 1970s), is an agitator and warmonger. He loves war and he hates peace and Russia. He has no problem with pro-Holocaust Memorials in Ukraine, otherwise he could not have written in Tablet Magazine:

On the other (Ukraine) is a citizens army defending not just their country but also a certain idea of civilization and of Europe: So, as a consequence, they understand why they fight.

That is an obscure fantasy of a French writer with no real knowledge of the history of NATO since 1990 and no real knowledge of streets and memorials named after Holocaust perpetrators in Ukraine.

Contrary to Lévy, I am against this war. This war, like all others like in Yemen or Ethiopia, has to stop immediately. Stop sending weapons to Ukraine now! Support both Russian and Ukrainian men and women, who flee the warzone and reject military service. Support these men and women!!

Support diplomatic efforts to solve this conflict. Reject NATO’s and Putin’s imperialism likewise – and fight for peace in Europe.

And stop Lévy and Tablet Magazine and their one-sided, irrational and obsessive hatred of Russia and their denial of pro-Holocaust political culture in Ukraine, which you can witness in almost every single city or village in Western Ukraine.

Fight Holocaust distortion and pro-Holocaust Memorials named after people like Jaroslav Stetsko who wrote on July 9, 1941:

I therefore support the destruction of the Jews and the expedience of bringing German methods of exterminating Jewry to Ukraine, barring their assimilation and the like.

Later, in 1983, he made shake hands with then US Vice President George H.W. Bush.

Antisemites such as Jaroslav Stetsko are honored in today’s Ukraine, as Lev Golinkin has shown in his groundbreaking study for the Jewish Forward on January 27, 2021.

It is this silence of BHL (Bernard-Henri Lévy) that is a typical sign of a decline in historical knowledge, historical accuracy and morality.

The current war started at the latest in 2014 at the MAIDAN in Kiew. It will end asap, but never ever will it end with an Ukrainian victory. Both sides will fail and compromise will be the result.

If Ukraine wins that would also be a victory for those millions of Ukrainians who celebrate their streets and monuments named after pro-Nazi antisemites like Jaroslav Stetsko. Is this what Bernard-Henri Lévy and Tablet Magazine, NATO and German warmongers truly want, deep in their hearts?

About the Author
Dr Clemens Heni is director of The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Politologe überzeugt: Ohne Wiedervereinigung hätte es keine NATO-Osterweiterung und keinen Krieg in der Ukraine gegeben

Von Dr. phil. Clemens Heni, 3. Oktober 2022

Der Kapitalismus möchte immer mehr, mehr Waren, mehr Absatzmärkte, mehr Herrschaft, eine unipolare Welt. Deshalb war der 9. November 1989 und der Fall der Mauer so ein katastrophaler Tag, der am 3. Oktober 1990 amtlich wurde: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg doch gewonnen.

Der US-Außenminister James Baker und der deutsche Kanzler Helmut Kohl haben gezielt den sehr weltoffenen und naiven Michail Gorbatschow hinters Licht geführt. Die Zusagen von Baker und Kohl, dass sich die NATO nicht einen inch ostwärts ausbreiten würde, wenn sich DDR und BRD zusammenschließen würden, diese auch in Protokollen schriftlich fixierten Zusagen wurden gebrochen.

 

 

Die NATO hat sich nach 1990 extrem ausgebreitet, obwohl doch ihr Hauptfeind gar nicht mehr vorhanden ist: die Sowjetunion und der Ostblock.

In den osteuropäischen Staaten sind jetzt seit den 1990er Jahren wieder Denkmäler für Holocausttäter an der Tagesordnung, Straßen und Plätze oder Fußballstadien werden nach Nazis und Antisemiten benannt – in noch exzessiverer Weise als in der BRD, wenn wir von der Hans-Martin-Schleyer-Brücke in Esslingen am Neckar und Hunderten nach Nazis benannten Straßen im Täterland BRD, von Jahn-Denkmälern oder den Richard-Wagner-Festspielen mal absehen.

Wer also so tut, als sei Putin durchgeknallt und irrational, ja der Krieg gegen die Ukraine sei ohne Vorgeschichte, der lügt. Wer ignoriert, dass es ohne die extreme Aggression der USA und der NATO diesen Krieg sehr wahrscheinlich nicht geben würde, der lügt oder heißt Karl Lauterbach.

Wer jetzt weiter damit kokettiert, dass die Ukraine NATO-Mitglied werden könnte, der die das nimmt einen Atomkrieg und die Möglichkeit der Auslöschung der Menschheit achselzuckend zur Kenntnis. Putin ist unberechenbar – die NATO, Baerbock, Scholz, die FDP und die USA sind berechenbarer, aber mindestens so fanatisch wie Putin.

Das alles wäre ohne die Wiedervereinigung nicht passiert.

Die USA haben 2013/14 den Maidan-Putsch orchestriert

und Milliarden im Kampf für eine mit Antisemiten und Nazis bestückte Ukraine investiert.

In Deutschland sieht man jetzt immer häufiger bei „Flüchtlingen“ auch Abzeichen des neo-nazistischen Azow-Bataillons, hier in der Mitte, hab ich kürzlich auf einem SUV mit ukrainischem Kennzeichen hier in der schwäbischen Provinz in der Innenstadt gesehen.

Ironischerweise hat Putin jetzt in seinem Antiamerikanismus gerade Deutschland auf eine Weise in Schutz genommen, wie wir es von Grünen und Nationalrevolutionären der 1980er Jahren kannten, von Henning Eichberg über Rolf Stolz zu Alfred Mechtersheimer.

In seiner Rede zum Beitritt der vier ukrainischen Bundesländer („Oblast“) im Süden und Osten des Landes, die sich in Volksabstimmungen mehrheitlich für den Beitritt zur Russischen Föderation aussprachen, beschuldigte der russische Präsident die USA und England im Zweiten Weltkrieg die deutschen Städte Dresden, Hamburg und Köln wie viele andere einfach so zerstört zu haben. Dass dies erstens sehr wohl militärische Notwendigkeiten waren und zweitens die Deutschen sich so unendlich viel Schuld aufgeladen hatten, dass der Bombenkrieg sogar noch eine harmlose Antwort war, wenn man die Zahl der Opfer betrachtet, das steht da nicht. Putins Rede gleicht auf seine Weise den Propagandareden von Selenskyi vom Frühjahr 2022. Dieser wollte mit antisemitischen Geschichtsumschreibungen in Israel punkten und pries die Ukraine als Volk, das den Juden vor 80 Jahren beigestanden hatte – dabei gab es kaum ein Land, das intensiver und mörderischer mit der SS, der Wehrmacht und den Deutschen im Holocaust kooperierte.

Putin möchte jetzt auf groteske Weise die USA und England als die eigentlichen Bösen darstellen und unterstellt ihnen, heute zu lügen wie Goebbels damals. Dabei agitieren die USA und England in der Tat ganz extrem, aber das hat nichts mit dem Nazi Goebbels zu tun und ist nicht vergleichbar.

Wo Putin aber nun mal Recht hat, hat er Recht: es gab bislang ein einziges Land, das Atombomben einsetzte und Hunderttausende Menschen ermordete: Die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki von August 1945 sind unverzeihliche Verbrechen, sie begründen die „Frist“, die wir noch zu leben haben, wie der Philosoph Günther Anders es nannte.

Die Sowjetunion musste dann auch Atomwaffen entwickeln, um militärisch nicht erpressbar zu sein. Aber die Sowjetunion oder Russland haben die Atombombe im Gegensatz zu den USA noch nie eingesetzt.

Der nicht anders als krankhaft zu bezeichnende Hass auf den Kommunismus ist in den USA seit Ende der 1940er Jahre ungebrochen und hat aktuell so viel Unterstützung wie vielleicht noch nie, McCarthy war ein leichtes Lüftchen verglichen mit dem Hurrikan Stufe 5, den die USA und Joe Biden aktuell starten.

Wird Joe Biden zum größten Verbrecher in der Geschichte der USA seit Harry S. Truman? Wir ihm Karl Lauterbach dabei helfen? Oder wird Putin noch ein schrecklicherer Verbrecher werden?

Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: jene Kriegshetzer jeglichen Geschlechts, die jetzt weiter Waffen für die Ukraine fordern und diese liefern, die nehmen die Zerstörung alles Lebens billigend in Kauf.

Es muss um Diplomatie gehen. Die Ukraine wird Gebiete verlieren, das ist jedem klar denkenden Menschen offenkundig. Russland wird auch Kompromisse eingehen müssen – diese wären im April 2022 deutlich größer gewesen, aber ein Fanatiker mit dem Namen Boris Johnson verhinderte damals Verhandlungen, das jedenfalls ist unser aktueller Wissensstand. Historiker*innen werden in Jahrzehnten kopfschüttelnd, mal wieder, vor den Dokumenten stehen – wenn es in Jahrzehnten noch eine Welt gibt, was unwahrscheinlich ist.

Dabei wäre alles so einfach gewesen:

Nie wieder Deutschland!

Ohne Wiedervereinigung hätte es keine NATO-Osterweiterung und keinen Krieg in der Ukraine gegeben.

Jetzt liefern die Deutschen Waffen an einen unsagbar widerwärtigen patriarchalen Clown, der mit seinem „Dingsda“ Klavier spielt und die Welt vollends zerstören möchte, wissend, dass man Putin nur ausreichend provozieren muss, damit er durchdreht.

Schuld aber hätten erstmal die USA, Deutschland und die NATO – und erst dann Putin. Ursache – Wirkung!

Nie wieder Deutschland. Nie wieder Lauterbach. Nie wieder Baerbock. Nie wieder Kretschmann etc.

Für Diplomatie und eine multipolare Welt.

Für ein Ende des Kapitalismus, Kampf dem „Schweinesystem“, wie das Känguru sagt.

Für nonkonformistische Tagträumer und gegen genitalfixierte Präsidenten, ihre Freunde (m/w/d) und Waffenlieferungen aller Art.

 

 

 

Interview mit Dr. Clemens Heni zu „Nie wieder Krieg ohne uns…“ auf Radio Flora

Von Dr. phil. Clemens Heni, 27. September 2022

Gestern hatte ich die Ehre und Freude, mit dem freien Radio Flora aus Hannover zu diskutieren. Gastgeber Hubert Brieden von der Sendung „International“ hatte mich eingeladen, das Buch „Nie wieder Krieg ohne uns… Deutschland und die Ukraine“ von Gerald Grüneklee, Peter Nowak und mir von Juli 2022 vorzustellen.

Wer die Sendung verpasst haben sollte und Interesse daran hat, kann sich die Wiederholung am Mittwoch, den 28. September zwischen 11 und 12 Uhr am Vormittag anhören oder schon jetzt auf den Podcast zugreifen, der frei bei Radio Flora und der Homepage der freien Radios zugänglich ist.

Viel Spaß und anregende Diskussionen!

Podcast auf Radio Flora

 

Podcast auf freie-radios.net

 

Das Buch gibt es in jedem Buchladen oder versandkostenfrei für Privatkund*innen über den Webshop des Verlags:

Gerald Grüneklee | Clemens Heni | Peter Nowak

Nie wieder Krieg ohne uns

Deutschland und die Ukraine

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)/
Studien zum Rechtsextremismus und zur Neuen Rechten, Band 3

Softcover | 174 S. | 17 x 24 cm | ISBN 978-3-946193-38-8 | 20€ | Buchklappen

Inhaltsverzeichnis

Leseprobe

„Not one Inch“, Ukraine und NATO-Osterweiterung im Kontext oder: Amerika plante 1959 „91 Atombomben auf Ost-Berlin zu werfen“ … und die UdSSR wurde im Februar 1990 von Baker, Bush sen. und Kohl „ausgetrickst“

Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. Februar 2022 (überarbeitete Version, 13.04.2024)

Wer  politikwissenschaftlich und politisch die aktuelle Ukraine-Krise verstehen will, muss noch etwas tiefer schürfen. Für den antikommunistischen Mainstream ist alles klar: Putin ist ein Diktator und Antidemokrat, die Ukraine hat noch nie Straßen oder Plätze nach Massenmördern und Nazi-Freunden benannt und ist nur das Opfer einer kommenden russischen Aggression. Das habe alles nichts mit den USA oder der NATO-Osterweiterung zu tun. Das jedoch sind Mythen, die Fakten sehen anders aus.

Jenseits einer Verharmlosung des Putinismus sollte es darum gehen, faktenbasiert und gesellschaftskritisch mit der geopolitischen Situation seit 1989 umzugehen. Dazu helfen uns sehr aufschlussreiche Dokumente der Diplomatiegeschichte. Es geht um den Februar 1990. Darauf weisen jüngst mehrere Publizist*innen und Wissenschaftler*innen hin, darunter Peter Beinart, das Magazin Vox oder die amerikanische Professorin Mary Elise Sarotte. Letztere hat 2021 sogar ein Buch zu dem Thema publiziert:

„Not one Inch“ – damit ist gemeint, dass die Vereinigten Staaten der Sowjetunion im Februar 1990 die Zusage oder das Angebot gemacht hatten, dass ein vereinigtes Deutschland bzw. ein von BRD und DDR wie auch immer ausgehandelter Status auf keinen Fall eine Osterweiterung der NATO über das Territorium der BRD hinaus bedeuten würde. Das hatte Sarotte 2010 in einem wissenschaftlichen Artikel detailliert ausgearbeitet:

In ihrem Artikel in Diplomatic History, Vol. 34, No. 1 von Januar 2010 (S. 119-140) geht Sarotte auf Außenminister Hans-Dietrich Genscher ein, der am 31.01.1990 in Tutzing sagte, dass es keine Osterweiterung der NATO geben wird. Sodann beschreibt sie bilaterale Treffen des amerikanischen Außenministers James Baker mit Genscher am 02. Februar 1990 in Washington, D.C. Dabei übernimmt Baker die Position, dass es keine Osterweitung der NATO geben solle, was Genscher auf einer gemeinsamen Pressekonferenz auch bestätigte. Zu dieser Zeit, so Sarotte, gab es starke Spannungen zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Genscher (FDP). Während nämlich Baker und Genscher sich auf eine demilitarisierte DDR einigten, sahen das der CDU-Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) und das National Security Council (NSC) in den USA völlig anders.

Das zweite von Mary Sarotte untersuchte bilaterale Treffen fand am 9. Februar 1990 in Moskau zwischen James Baker und dem sowjetischen Generalsekretär der KPdSU Michael Gorbatschow statt. Gorbatschow hatte unter anderem die Idee eines Europas ohne den Warschauer Pakt und ohne NATO. Bei diesem Treffen am 9. Februar 1990 in Moskau schrieb James Baker handschriftlich als Zusage bzw. klare Richtlinie für die amerikanische Position Folgendes für Gorbatschow und die Sowjetunion auf:

End result: Unified Germ. anchord in a *changed (polit.) NATO – *whose juris. would not move *eastward!

Das ist die zentrale Zusage der USA an die Sowjetunion – aber eben nur handschriftlich von Baker. Es gab keine offizielle schriftliche Bestätigung, keinen Vertrag zu exakt diesem Aspekt. Es war aber exakt und primär oder ausschließlich diese mündliche und handschriftliche Zusage – wie wir sehen werden, auch als offizielles Protokoll! – des amerikanischen Außenministers James Baker am 9. Februar 1990, die Michael Gorbatschow dazu brachte, am 10. Februar ebenfalls in Moskau Helmut Kohl die offizielle Zusage zu machen, dass die Sowjetunion sich nicht in die internen Angelegenheiten Deutschlands bzw. von BRD und DDR einmischen würde. Kohl hat das sogleich am selben Abend in einer Pressekonferenz in Moskau kundgetan. Zuvor war Kohl von Baker in einem Memorandum, das dem deutschen Botschafter in der Sowjetunion Klaus Blech übergeben worden war, diese Position der USA mitgeteilt worden. Kohl sah es also als Position der USA an – de facto war es nur die Position des US-Außenministers James Baker, wie sich herausstellen sollte. Dabei wusste Kohl, dass US-Präsident George H. W. Bush gegen das Nein zu einer möglichen NATO-Osterweitung war – denn Bush hatte Kohl ebenso informiert. Kohl jedoch übernahm raffinierter Weise die Position von Baker, obwohl Kohl ahnen konnte, dass Baker sich kaum gegen den US-Präsidenten durchsetzen würde.

Nun, ich persönlich war bislang immer für eine NATO-Mitgliedschaft der BRD, da somit deutsche Alleingänge, die zweimal im 20. Jahrhundert die halbe Welt verwüstet haben und zum Holocaust führten, unmöglich erschienen. Aber noch viel besser wäre es natürlich gewesen, hätten es nach 1945 niemals wieder eine deutsche Armee gegeben. Daher verweigerte ich auch (nur ein paar Jahre später, aber immer noch zu Zeiten des Kalten Kriegs) wie der linke Coronapolitik-Kritiker Michael Sailer – den Kriegsdienst. Im Gegensatz zu Mary Elise Sarotte, die nur zwei Jahre älter ist als ich (sie ist Jg. 1968) war ich im November 1989 keineswegs euphorisch ob des Mauerfalls. Ich kämpfte politisch gegen den Anschluss der DDR an die BRD. Es gab damals auch linke Bündnisse, die sich für eine DDR ohne SED einsetzten. Dazu gab es die „Nie wieder Deutschland“-Bewegung, wobei nicht wenige der damaligen Protagonist*innen heute entweder zu Zeugen Coronas, grünen Bundesminister*innen oder rechtsextremen Agitatoren (wie beim Compact-Magazin) mutierten.

Die linken Kritiker*innen des umgehend einsetzenden nationalistischen Taumels sahen die Gefahr des Rechtsextremismus, der dann zu Hunderten Toten Migrant*innen, Flüchtlingen, Obdachlosen, Linken, Behinderten, zu Anschlägen auf Juden, jüdische Friedhöfe, Synagogen etc. in den 1990er Jahren führte. Sodann sahen wir mit 9/11 dass das Ende des Kalten Krieges den heißen Krieg des Jihad beförderte, weil sich niemand mehr zuständig fühlte in Nahost. Diese Leere füllten Bin Laden & Co. in den 1990er Jahren, wobei der Islamismus in Bosnien-Herzegowina auch eine wichtige Rolle spielte. Der NATO-Angriffskrieg wiederum auf Serbien 1999 war der erste deutsche Krieg seit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939. Der Antisemitismus zeigte sich im Trivialisieren von Auschwitz, das mit dem Kosovo in einer Linie auftauchte, so bei Bundesaußenminister Joschka Fischer.

Schließlich war der Sieg der USA über die Sowjetunion, von West über Ost, auch ein Fanal für den weltweiten Siegeszug des Kapitalismus. Von alledem, von politischer Kultur in der BRD, dem nationalistischen Klima vor 1989 und den Folgen nach 1989, namentlich auch der zunehmenden Erinnerungsabwehr an die Shoah in der BRD, was sich exemplarisch in Martin Walsers Paulskirchenrede im Oktober 1998 anlässlich der Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zeigte, ist bei Sarotte wenig bis nichts zu lesen oder hören.

Sarotte hat für ihre kritische Diplomatiegeschichte – die keine politische Kultur Analyse und keine Ideologiekritik ist – empirisches Material zuhauf auf ihrer Seite. Es geht darum, dass Baker und Kohl Gorbatschow ausgetrickst haben, Baker durchaus contre coeur. Mit viel Empathie geht Sarotte nämlich auch auf die Biographien von James Baker und Michael Gorbatschow ein. Beide sind fast gleich alt, Baker wurde 1930, Gorbatschow 1931 geboren. Baker wuchs behütet und gut bürgerlich auf, während Gorbatschow als kleiner Junge 1937/38 Zeuge der Großen Säuberungen von Stalin wurde. Sein Großvater wurde verschleppt, gefoltert und starb kurz danach. Dem Großvater seiner späteren Frau Raissa erging es ähnlich, er wurde ermordet. Gorbatschow hatte also bereits als Junge erlebt, wie eine Diktatur mordet. Das mag ein Aspekt sein, weshalb er später die Entspannungspolitik vorantrieb. Baker wiederum scheint einer amerikanischen Tradition des Containment zu entstammen, die zwar aggressiv gegen die UdSSR arbeitete, aber sie nicht zerstören und nach 1989 nicht als großer Sieger auftreten wollte.

Darauf weist auch Peter Beinart hin. Ihm zufolge sind einige der bekanntesten konservativen, Pro-NATO, aber Anti-NATO-Osterweiterungsdenker der USA wie Baker auf dem Standpunkt geblieben: „not one inch“, nicht einen Zentimeter sollte die NATO nach Osten sich erweitern:

Back to the generation gap over Russia and Ukraine. It sounds bizarre today but in the late 1990s, when the Clinton administration was considering expanding NATO to include merely Poland, Hungary, and the Czech Republic—barely anyone at that time was proposing admitting Ukraine—titans of American foreign policy cried out in opposition. George Kennan, the living legend who had fathered America’s policy of containment against the Soviet Union, called NATO expansion “a strategic blunder of potentially epic proportions.” Thomas Friedman, America’s most prominent foreign policy columnist, declared it the “most ill-conceived project of the post-Cold War era.” Daniel Patrick Moynihan, widely considered the most erudite member of the US Senate, warned, “We have no idea what we’re getting into.” John Lewis Gaddis, the dean of America’s Cold War historians, noted that, “historians—normally so contentious—are in uncharacteristic agreement: with remarkably few exceptions, they see NATO enlargement as ill-conceived, ill-timed, and above all ill-suited to the realities of the post-Cold War world.”

Peter Beinart ist jedoch ein Befürworter der Einstaatenlösung, einer elaborierten Form des antizionistischen Antisemitismus, wie die Forschung sagen würde. Das ist deshalb auch paradox, weil in obigem aktuellen Zitat von Januar 2022 er sich auf Daniel Patrick Moynihan bezieht – angesichts der katastrophalen NATO-Osterweiterung. Moynihan jedoch ist eine Legende im Kampf für den Zionismus in Amerika. 1975 war Moynihan, der später einer der einflussreichsten und legendärsten US-Senatoren (Demokraten) werden sollte, als UN-Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen (UN) vehement gegen die „Zionismus ist Rassismus“ Resolution aufgetreten. Das hat zumal den Juden in New York viel Kraft gegeben, wie Gil Troy in seiner Widmung für sein Buch betont:

Es ist also alles etwas komplizierter bezüglich Putin und der Ukraine. Putin unterstützt rechtsextreme oder neu-rechte Kreise im Westen und in Deutschland, er hat in Alexander Dugin einen gefährlichen, antiliberalen, antidemokratischen und militaristischen Einflüsterer. Das macht das Über-den-Tisch-Ziehen Gorbatschows durch Bush sen., Baker und Kohl nicht besser, aber es kontextualisiert. Darauf weist auch ein Zebra hin, das bei Corodoks Artur kommentiert und dankenswerterweise auch die NachDenkSeiten (NDS) attackiert:

Das Wissenschaftsverständnis von Mary Elise Sarotte, die sich für mehr Diplomatie und das Verstehen-Wollen Putins sehr wohl stark macht – ohne eine substantielle Kritik an der NATO zu haben und auch nicht mal die NATO-Osterweiterung abzulehnen, was sehr bedenklich ist, ist etwas obskur. Sie vertritt eine Art „Zufälligkeitstheorie“, der zufolge einzelne Ereignisse, die wie ein Kometeneinschlag einfach so passieren, den ganzen Weltlauf ändern können. Dabei stellt sie in einem aktuellen Podcast von Dezember 2021 tatsächlich in Anlehnung an einem Evolutionsbiologen einen Vergleich der Theorie von einem Naturereignis mit dem Mauerfall an: Ein Asteroid knallte demnach vor ca. 60 Millionen Jahren auf die Erde, löste Verwüstungen und eine Verdunkelung aus, ja die Dinosaurier und fast alle Lebewesen wurden ausgerottet (bis auf Wasserschildkröten und Krokodile). Das hört sich grotesk an und das ist es auch. Was soll ein Naturereignis mit menschengemachten, sozialen, philosophischen, politischen etc. Gesellschaftsproblemen zu tun haben? Das ist ein anti-sozial- und geisteswissenschaftlicher Reduktionismus.

Da ist es nicht weit vom Gerede von Macron, der vom „Krieg gegen ein Virus“ faselt oder zu Joe Biden, der die Toten, die an oder doch nur mit Covid-19 starben mit vom jeweiligen Gegner getöteten amerikanischen Soldaten auf eine Stufe stellte, gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft im Januar 2021. Das verharmlost die Gewalt des Nationalsozialismus auf unerträgliche Weise, doch Joe Biden merkt das nicht und alle klatschen ihm Beifall.

Man konnte in den 1970er und 1980er Jahren viele Späße über Kohl machen, auf meinem Gymnasium war ich zwar fast der einzige, der „Über Italien lacht die Sonne – über Kohl lacht Deutschland“ als Aufkleber hatte (und dafür Schläge von einem knapp 2 Meter-Junge-Union-Boxer angedroht bekam, der aber den Aufkleber nie wegbekam). Nach 1989 verging uns das Lachen. Wie wird es uns mit der SPD-„Ausschussware“ Olaf Scholz ergehen?

Kohl hatte auch schon ehemaligen SS-Männern gespendet…

Und wenn es um Abschreckung und Krieg geht, ist sehr aufschlussreich, wie das National Security Archive über den Freedom of Information Act berichtet. So hat es ein Bürger erreicht, dass bislang geheime Unterlagen zu konkreten Kriegsplanungen von 1959 offengelegt werden mussten. Allerdings dauerte der Prozess knapp 10 Jahre. In diesem unfassbaren Dokument – das einen nach Hiroshima nicht wirklich überrascht, aber dennoch schockiert – steht zum Beispiel, wie viele Atom- oder Neutronenbomben auf Moskau oder Ost-Berlin geworfen werden sollten. Für Ost-Berlin waren es 91. In einem sarkastischen Ton erläutert der Direktor des National Security Archives Tom Blanton wie einfach unglaublich absurd und massenmörderisch diese Planungen waren. Als ob mit 91 Atombomben auf Ostberlin nicht auch jeder Mensch in West-Berlin ermordet worden wäre etc. pp.:

Bezüglich der NATO-Osterweiterung hat sich Tom Blanton 2017 zusammen mit seiner Kollegin Dr. Svetlana Savranskaya mit den diplomatischen Quellen jener Treffen von Baker, Gorbatschow und Kohl und anderen im Jahr 1990 beschäftigt. Es geht um die Frage, ob Gorbatschow von Baker eine Zusage bekommen hat, dass es nicht einen Zentimeter Osterweiterung der NATO geben würde, wenn Deutschland das Ende der DDR besiegelt hätte.

In ihrem Artikel zitieren die beiden Quellen, die eindeutig belegen, dass Baker Gorbatschow wie oben bereits von Professorin Sarotte zitiert, die Zusage machte, dass es keine Osterweiterung der NATO je geben würde. Bei dem Treffen von Gorbatschow mit Kohl am 10. Februar 1990 gab Kohl Gorbatschow ganz klar zu Protokoll, dass er gegen jede Osterweiterung der NATO ist:

 

Kohl sagte wörtlich in englischer Übersetzung, wie es im schriftlichen Protokoll steht:

We believe that NATO should not expand its scope.

Kohls Statement, das sich als große Lüge erweisen sollte, sekundierte nur, was einen Tag zuvor US-Außenminister James Baker zum Generalsekretär der KPdSU Michael Gorbatschow und dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse gesagt hatte. Wörtlich sagte Baker auf dem Treffen, das zwischen 13 und 15 Uhr im Kreml stattfand:

If we maintain a presence in a Germany that is a part of NATO, there would be no extension of NATO’s jurisdiction for forces of NATO one inch to the east.

Also die NATO wird „nicht einen inch“ (=2,54 Zentimeter) „nach Osten“ expandieren. Punkt. Das wäre es gewesen. Das wäre das Versprechen gewesen. Aber es wurde zu keinem Versprechen, Bush senior verhinderte es und Kohl ebenso. Daher beschwerte sich auch Gorbatschow bei Kohl in einem Telefonat am 7. September 1990, dass diese Zusagen von Baker und ihm nicht eingehalten wurden, wie Sarotte in ihrem 2010er Artikel festhält.

Es gibt antiliberale und sehr problematische Konservative, ja Agitatoren wie Tucker Carlson, der Montag bis Freitag über drei Millionen Menschen mit seiner abendlichen Show auf Fox News erreicht – ich hatte mich ja im Rahmen meiner Coronaberichterstattung auch schon mit ihm und einem überraschenden Gespräch mit der Feministin Naomi Wolf beschäftigt – und der sich gegen die antirussische Agitation von Joe Biden und den USA wendet, was die NZZ ausschlachtet. Die NZZ diffamiert somit ohne Kontext jede Kritik am westlichen Pro-Ukraine- und Anti-Russland-Kurs, wie es auch der konservative Mainstream in den USA oder die Bild-Zeitung, der Journalist Richard Herzinger und viele andere tun, die jetzt Waffen für die Ukraine fordern, wenn schon Großvater nicht den Krieg gegen die Sowjetunion gewann, dann wenigstens jetzt.

Herzinger ist besonders irrational und meint das tödliche Appeasement der Westmächte 1938 gegenüber Hitler anführen und damit pro-ukrainische und antirussische Politik machen zu können. Er tut so, als ob er damit natürlich nicht Hitler und Putin vergleichen würde, aber wenn man seinen Text liest, merkt man, dass er es eben doch tut. Da fehlt bei Herzinger, der nur pars pro toto für den antikommunistischen Mainstream steht, jedes Verständnis der amerikanischen Position von Moynihan und Baker bis Friedman und Kennan, die alle keine Gegner der NATO waren (wie viele Linken hierzulande), die aber den Unterschied zwischen einem Mächtegleichgewicht, das den Frieden erhalten konnte, und einer arroganten und brutalen Siegerhaltung des Westens nach 1989 klar erkannt hatten.

Blanton und Savranskaya betonten in ihrem mit Dokumenten gesättigten Text von 2017 mit Nachdruck, dass James Baker gleich dreimal am 9. Februar 1990 diese Zusage an die Sowjetunion und an Gorbatschow machte, dass sich die NATO keine 2,54 Zentimeter nach Osten ausdehnen würde:

Not once, but three times, Baker tried out the “not one inch eastward” formula with Gorbachev in the February 9, 1990, meeting. He agreed with Gorbachev’s statement in response to the assurances that “NATO expansion is unacceptable.” Baker assured Gorbachev that “neither the President nor I intend to extract any unilateral advantages from the processes that are taking place,” and that the Americans understood that “not only for the Soviet Union but for other European countries as well it is important to have guarantees that if the United States keeps its presence in Germany within the framework of NATO, not an inch of NATO’s present military jurisdiction will spread in an eastern direction.” (See Document 6)

Es muss um eine friedliche Lösung gehen. Die jedoch wurde durch regelmäßige Drohungen mit einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, trotz unglaubwürdiger Dementi der NATO, massiv erschwert.

Die Quellen beweisen: Gorbatschow und die Sowjetunion haben einer deutschen Wiedervereinigung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass es keine NATO-Osterweiterung gibt. Aus Gutgläubigkeit oder Naivität von Seiten der Sowjetunion, was Gorbatschow heute abstreitet, gab es diese belegten Zusagen von Baker und Kohl nicht in einem Vertrag. Die Sowjets dachten, ihr Entgegenkommen würde im Westen zählen und verließen sich auf die nachdrücklichen und mehrfach wiederholten Zusagen von James Baker.

Darüber lachen der kapitalistische Imperialismus und deutsche Nationalismus bis heute.

Wer also heute über die Ukraine, Putin und die NATO reden will, darf vom gebrochenen Versprechen „keinen inch ostwärts“ vom Februar 1990 nicht schweigen!

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