Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Putin

Mit Kojak gegen die Rot=Braun-Ideologie

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Die Bundeswehr, die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen und wie das kanadische Parlament einem ukrainischen Nazi-Kollaborateur stehenden Applaus zollte und wie das mit der Rot=Braun-Ideologie zusammenhängt…

 

Am Montag, 9. Juni 2025, zeigte das Karlstorkino in der Heidelberger Südstadt in Kooperation mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge in Hemsbach e.V. den bemerkenswerten geschichtspolitischen Film „Liza ruft!“ – Doch wie steht es um die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen? Und was geschah am 22. September 2023 im kanadischen Parlament?

 

Der Film Liza Ruft! 

In dem knapp zweistündigen Dokumentarfilm geht es um die Holocaustüberlebende und jüdische Partisanin Fania Brantsovskaya (1922-2024), geborene Jocheles, aus Litauen. Der Film des Filmemachers Christian Carlsen ist aus dem Jahr 2015 und zeichnet in Gesprächen mit Brantsovskaya ihren Lebensweg nach.

Fania Brantsovskaya wurde in Kaunas geboren und zog mit ihren Eltern später nach Vilnius. Dort gab es eine sehr große jüdische Gemeinde, fast 50 Prozent der Bevölkerung waren Juden. Sie ging auf ein jüdisches Gymnasium, andere Überlebende, die im Film vorkommen, bevorzugten das Hebräisch sprachige Gymnasium. Nach dem Abitur arbeitete sie kurz als Dorflehrerin. Dann kam der Zweite Weltkrieg mit dem Angriffskrieg Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 („Unternehmen Barbarossa“) zwei Tage später auch in Vilnius an. Ab September 1941 zwangen die Deutschen Fania und alle Jüdinnen und Juden im Ghetto zu leben. Im Frühjahr 1942 schloss sich Fania einer Partisanengruppe an und schmuggelte Waffen und anderes in das Ghetto. Im September 1943, in einer dramatischen Nacht, floh sie mit einer Mitkämpferin und Freundin aus dem Ghetto.

Eine weitere Freundin und Genossin von Fania war schon vor ihrer Flucht aus dem Ghetto von den Deutschen ermordet worden, im Gedenken an sie nannten sie dann ihre Gruppe: „Liza ruft!“

Doch schon vor Ankunft der Deutschen am 24. Juni 1941 in Litauen begann der Holocaust schon einen Tag zuvor, am Montag, den 23. Juni 1941, wie der Holocaust- und Antisemitismusforscher Professor Dovid Katz als Kritik an der offiziellen litauischen Geschichtsschreibung in einem Text für das jüdische Tablet Magazine aus Amerika 2018 schreibt (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

Die erste große dynamische historische Episode, auf die man im Völkermordmuseum [in Vilnius, CH] stößt, ist eine Reihe von Exponaten, die sich ausgiebig mit den Faschisten der Litauischen Aktivistenfront (LAF) von 1941 mit ihren weißen Armbinden befassen. Deren „zentrale Planung“ vor dem Nazi-Einmarsch kam aus Berlin kam und zu ihr gehörte auch eine Gruppe hochrangiger litauischer Nazis, Anhänger der ethnischen Säuberung (um es höflich auszudrücken), die in den Monaten vor dem Nazi-Einmarsch in der damaligen Sowjetunion am 22. Juni 1941 dort stationiert waren. Doch als die sowjetische Besatzung am Tag des Nazi-Einmarsches und vor allem am darauffolgenden Montag, dem 23. Juni 1941, in sich zusammenbrach, schlossen sich viele nationalistische junge Männer rasch den „LAF“-Milizen an, oft indem sie eine weiße Armbinde anlegten und einfach „LAFler“ wurden oder sich nach Belieben verwandten Milizen und Banden anschlossen. Ob mit oder ohne Armbinde, ob mit oder ohne dokumentierte Zugehörigkeit zur LAF, sie alle sind in den lokalen Sprachen als „White Armbanders“ bekannt geworden (litauisch Baltaraiščiai, polnisch Białe opaski, russisch Bielorukavniki, jiddisch Di Váyse Órembendlakh usw.). Begleitet von einer vorgetäuschten „Unabhängigkeitserklärung“ per Radioansprache (die den Treueeid auf Adolf Hitler enthielt – ach, diese „Unabhängigkeit“), übernahmen sie Postämter, Polizeistationen und Rathäuser, die sie von den fliehenden sowjetischen Streitkräften übernommen hatten, bevor sie sie nach einigen Tagen den eintreffenden Deutschen in aller Ruhe und mit üppiger Dienstbarkeit überließen.

Und diese Antisemitenbande wird heute in Litauen immer wieder als Gruppe von „Helden“ und „Freiheitskämpfern“ gefeiert.

Die Mutter, der Vater und die Schwester von Fania wurden im Holocaust ermordet. Insgesamt sind ca. 50 Personen aus ihrer direkten Verwandtschaft Opfer im Holocaust geworden, wie sie im Film erzählt. Viele wurden in Ponar ermordet, wo 100.000 Menschen massakriert wurden, darunter 70.000 Juden. Der Film begleitete Fania und andere zu einer Gedenkveranstaltung in Ponar, wo Fania auf Jiddisch eine Ansprache hielt. Die mit damals fast 90 Jahren enorm lebendig wirkende Fania war auch als junge Frau und Partisanin schon sehr aktiv, voller Energie und Kampfeskraft, wie andere ehemalige Partisaninnen im Film erinnern.

Nach der Befreiung von den Deutschen durch die Rote Armee im Juli 1944 hatte Fania große Hoffnungen. Doch das autoritäre Sowjetregime verweigerte selbst die Erinnerung an die jüdischen Partisaninnen und Partisanen, der Holocaust war kein Thema. Das änderte sich nach dem Ende der UdSSR 1991 auch nicht. Ja jetzt wurde der litauische Nationalismus sehr stark und führte wiederum zu einer Abwehr der Erinnerung an den Holocaust.

Im Mai 2008 suchte plötzlich die Polizei nach Fania Brantsovskaya – weil sie verdächtig wurde, als Partisanin ‚Kriegsverbrechen‘ begangen zu haben! Ein Opfer wird zum Täter gemacht. Nur Dank des enormen diplomatischen Drucks in Litauen, den unter anderem eben oben zitierte ehemalige Jiddisch-Professor der YALE Universität und Holocaustforscher Dovid Katz organisierte, wurde Fania juristisch nicht belangt, das Verfahren dann doch nicht weiter verfolgt. Dabei geht es historisch auch um Differenzen oder unterschiedliche, verschobene Erinnerungen anderer Partisaninnen wie Rachel Margolis, die darüber auch ein autobiographisches Buch geschrieben hat.

Der Film fängt diese belastende Situation gut ein und hakt nach, warum Fania plötzlich in ihren Äußerungen bezüglich des litauischen Antisemitismus zurückhaltender wurde, was auch Vertretern der jüdischen Gemeinde in Vilnius auffiel. Der Film „Liza ruft!“ bettet das alles kritisch ein. Zumal die geschichtspolitische Ideologie gerade in Osteuropa wird problematisiert. Demnach habe es zwei Holocausts gegeben – einen wirklichen und einen „des Kommunismus“. Das nennt sich Rot=Braun-Ideologie oder eben „Revisionismus“, wie ein Abschnitt des Films bezeichnet ist. Dazu gibt es seit vielen Jahren gar staatliche Kommissionen gegen den „Totalitarismus“ im 20. Jahrhundert in Litauen – International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania –, die genau diese Verharmlosung des Holocaust befördern, wie im Film deutlich wird. Auch gegen den ehemalige Partisanen und späteren israelischen Holocausthistoriker Yitzhak Arad (1926-2021) wurden 2008 perfide Ermittlungen aufgenommen wegen „Kriegsverbrechen“.

Im Anschluss an die Filmvorführung stand der Filmemacher per Zoom zum Gespräch zur Verfügung, wobei Christian Carlsen nochmals verdeutlichte, dass ihnen als Team, die diesen Film machten, die heutigen innerjüdischen wie gesamtgesellschaftlichen Debatten über Erinnerung und Erinnerungsabwehr am Beispiel Litauen sehr wichtig waren und bis heute sind. Wie in der Diskussion mit dem Regisseur deutlich wurde, bekommt das nun angesichts der Stationierung deutscher NATO-Soldaten in Litauen, die offenbar unweit der damaligen Stellungen der Partisan*innen stationiert werden sollen – 5000 deutsche Soldaten – eine hohe Aktualität. Hat sich jemand von der Bundesregierung damit beschäftigt, was es für Jüdinnen und Juden heute in Litauen bedeuten könnte, wenn sie wieder Deutsche im Befehlston herumbrüllen hören (was ja in jeder Armee Usus ist)?

Es wurden so extrem viele litauischen Juden wurden in der Shoah vernichtet, weil auch sehr viele lokale litauische Antisemiten, die heute teils als Helden (im Kampf gegen die Rote Armee) in dem EU-Land gefeiert werden, beim Holocaust mitmachten, wie die Wehrmacht schon zu Beginn des Krieges auf Fotografien festhielt, wie der Regisseur Carlsen in der Diskussion betonte.

Deutsche Soldaten wieder in Litauen…

Vor diesem Hintergrund ist die Kritik an der Militarisierung in Deutschland, wie sie jetzt einige Bundestagsabgeordnet der SPD und Dutzende weitere Aktivist*innen in einem Manifest üben, von großer Bedeutung. Es ist kriegstreibend, aufzurüsten, was die NATO-Aktivitäten in der Ukraine von 2014 bis 2021 zeigen. Das entbindet Russland nicht von seiner Verantwortung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine – aber ohne Analyse der Vorgeschichte und des Imperialismus der NATO ist das Bild unvollständig.

Es ist schockierend, wie nahezu unwidersprochen und völlig schamlos deutsche Politiker wie der „Verteidigungs“minister Pistorius nun deutsche Soldaten in Divisionsstärke in ein Land schicken, wo der Holocaust stattfand. Unweit jener Verstecke im Wald, wo Fania und die anderen Partisan*innen lebten und kämpften sollen wieder deutsche Soldaten stationiert werden?

So berichtet zum Beispiel die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) aus Heidelberg in infantiler und schamloser Sprache wie folgt über deutsche Soldaten in Litauen:

Deutsche Soldaten reisen nach Litauen

Wenn du schon einmal umgezogen bist, weißt du: Da muss man ganz schön viel organisieren. Erst recht, wenn man in ein anderes Land zieht. Man braucht zum Beispiel eine Wohnung und einen Schulplatz. Ein bisschen Vorbereitungszeit schadet also nicht.

Die NATO hat sich seit 1991 imperialistisch ausgebreitet, anders kann man das ja gar nicht sagen. Und sie hat Wort gebrochen, denn es wurde ausgehandelt und im Protokoll im Februar 1990 von Gorbatschow, Baker, Bush Senior und Helmut Kohl ausgehandelt:

not one inch

werde sich die NATO ostwärts ausbreiten, wenn BRD und DDR sich irgendwie zusammen täten. Und? Was passierte wirklich?

Doch die hiesigen Ideologen aller Geschlechter nennen es eine soldatische Reise nach Litauen… Das soll Journalismus sein? Das ist Hofberichterstattung der deutschen Bundesregierung.

Die litauische Publizistin Ruta Vanagaite hat 2016 mit ihrem Buch „Die Unsrigen“ eine breitere Debatte über den Judenhass in Litauen damals wie heute ausgelöst. Das, was der Historiker Dovid Katz seit Jahrzehnten erforscht, der Holocaust in Litauen und der Geschichtsrevisionismus in Litauen wie in anderen vor allem osteuropäischen Ländern, ist Folgendes:

Die Analogie von Rot und Braun, die Holocaust verharmlosende Rede von den „zwei Holocausts“. Damit wird Auschwitz und damit werden die Holocaustmassengräber und Todesgräben wie in Ponar geleugnet oder eben in eine x-beliebige Geschichte von Verbrechen einsortiert.

Die Abwehr der Erinnerung an die Shoah wird umso lauter und brutaler verlaufen, wenn deutsche Soldaten wieder schießen – und sei es als „Übung“ – in unmittelbarer Umgebung, wo die Großväter oder Urgroßväter heutiger deutscher Soldaten wüteten.

Und jetzt besteht die große Gefahr, dass sogar das unterirdische Fort im Wald, wo die jüdischen Partisan*innen sich versteckten und dann gegen die Deutschen und die litauischen Kollaborateure zwischen Herbst 1943 und Juli 1944 kämpften, als Litauen von der Roten Armee von den Deutschen befreit wurde (litauischen Antisemiten und Nationalisten sahen das natürlich als Niederlage), beschädigt oder zerstört wird, da es womöglich in unmittelbarer Nähe liegt zu dem Ort wo jetzt der aggressive deutsche Militarismus wieder Stellung bezieht. Dovid Katz schreibt am 26. Mai 2025 aus Litauen:

Es scheinen sich alle Befürchtungen zu bewahrheiten, dass das der Litauischen Brigade Deutschlands für militärische Zwecke zugewiesene Gebiet an die Überreste einer der wichtigsten Stätten des Holocaust in Litauen angrenzt oder in unmittelbarer Nähe liegen wird: die jüdische Partisanenfestung, wie sie unter den Veteranen des Zweiten Weltkriegs und den Überlebenden des Holocaust hier allgemein bekannt war, wo etwa hundert Flüchtlinge aus dem Wilnaer Ghetto, die alle oder fast alle jüdisch waren, in unterirdischen Holzbunkern im Waldlager lebten, als Teil des antinazistischen Netzwerks von Partisanen, das von der Sowjetunion während ihres Bündnisses mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Alliierten in den großen Kriegsanstrengungen zum Sturz Hitlers unterstützt wurde. Schauplatz ist der Truppenübungsplatz Rūdninkai in der Region des Rūdninkai-Waldes  (Rudnicki forest, Lithuanian — Rūdninkų giria, Yiddish — Rudnítsker vald).

Man muss sich das vorstellen: ‚Zufällig‘ zerstören deutsche Kampfpanzer bei einer Übung 2026, 2028 oder 2031 das Fort einer jüdischen Partisanengruppe in Litauen, oder manche machen sich einen Spaß und zerstören es absichtlich, die Bundeswehr ist ja nicht gerade bekannt dafür, besonders geschichtssensibel zu sein oder solche Männer (und Frauen) anzuziehen, die vorsichtig mit der Welt umgehen, um das mal ganz diplomatisch zu formulieren. Machismus ist in jede Armee ein Riesenthema, dazu kommt der Rechtsextremismus in der Bundeswehr und die deutschen Kontinuitäten seit der Nazi-Zeit.

Täter-Opfer Umkehr in Litauen: Kampf gegen die Partisaninnen

Als 2008 diese unglaubliche Kampagne von Revisionisten in Litauen gegen ehemaligen Partisaninnen und Partisanen losging, stellten sich viele Botschaften hinter Fania und andere Partisan*innen, Dovid Katz erinnert:

Alle diese Diplomaten waren stolz darauf, mit Fania dieses Partisanen-Fort zu besichtigen und sich über den mutigen Widerstand der jüdischen Partisaninnen und Partisanen gegen die Nazis zu informieren. Darüber hinaus organisierte der irische Botschafter Denham, der die gesamten Bemühungen des westlichen diplomatischen Korps inspirierend initiiert und geleitet hatte, ein Bankett, um Fania zu ehren und ihr eine Urkunde für ihr Lebenswerk zu überreichen. Der amerikanische Botschafter John A. Cloud stellte ihr seine eigene Urkunde aus, die er bei einem von der Botschaft gesponserten Mittagessen überreichte. In der Geschichte der Diplomatie war dies das erste Mal seit dem Zusammenbruch der UdSSR, dass westliche Diplomaten in diesen Ländern energisch und öffentlich gegen den Missbrauch staatsanwaltschaftlicher Befugnisse zur Verunglimpfung und Delegitimierung von Personen protestierten, die bei den Staatsorganen in Ungnade gefallen waren. Ein Jahr später gab der deutsche Botschafter Hans-Peter Annen einen Empfang für Fania, bei dem er ihr das Bundesverdienstkreuz des deutschen Bundespräsidenten überreichte.

Die antisemitische Täter-Opfer Umkehr und Agitation gegen ehemalige Partisaninnen und Partisanen wie Fania Brantsovskaya oder Yitzhak Arad wird von dem Historiker Saulius Sužiedelis in seinem 2025 erschienen Buch Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania erkannt.[1] Der emeritierte Professor an der Millersville University of Pennsylvania schreibt in seinem Buch eine umfassende Geschichte des Holocaust in Litauen. Den Antisemitismus der Litauischen Aktivistenfront (LAF) nennt er auch beim Namen.[2]

Rot=Braun Ideologie

Vor diesem Hintergrund ist jedoch seine aggressive Abwehr der Kritik am Antisemitismus und der Holocaustverharmlosung durch die Rot=Braun-Ideologie von Dovid Katz oder Efraim Zuroff bemerkenswert. Ja, Sužiedelis macht sich – als amerikanisch-litauischer Professor – gar nicht die Mühe, sich mit der wissenschaftlichen Analyse und Kritik wie von Dovid Katz zu befassen und schreibt faktenfrei:

In ihrem Angriff auf die Vermischung von Kommunismus und Nationalsozialismus wurde jedoch die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema nicht erwähnt (…).[3]

Dabei zitiert er zwar zwei journalistische Beiträge von Dovid Katz von 2009 sowie von Efraim Zuroff, aber nimmt das nicht als wissenschaftliche Kritik wahr und ernst. Hätte Sužiedelis, der lediglich 30 Jahre an diesem Buch arbeitete,[4] sich etwas näher mit der Thematik der Holocaustverharmlosung und der Analogie von Rot und Braun beschäftigt, hätte er einige wissenschaftliche Artikel von Dovid Katz finden müssen.[5]

Doch Sužiedelis ignoriert diese Forschung einfach und behauptet dann, Katz würde die wissenschaftliche Literatur nicht rezipieren, dabei ist Sužiedelis ganz offenkundig der Ignorant, da er keine einzige der von mir hier zitierten wissenschaftlichen Arbeiten von Dovid Katz rezipiert hat und Katz wiederum bezieht sich ja auf viele andere wissenschaftliche Texte und bettet das jeweils in eine luzide Analyse und Kritik der Rot=Braun- oder Holocaustverharmlosungs-Ideologie ein.

Da Sužiedelis jedoch mit der umstrittenen litauischen staatlichen Kommission, der bereits oben zitierten International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania zusammenarbeitet, ist das kein Wunder. Er bedankt sich in seiner Studie sogar bei Ronaldas Račinskas, der jene Internationale Holocaust Kommission leitet, sowie bei Emmanuel Zingeris aus Litauen.[6]

Es ist eine Mischung aus Perfidie und Unkenntnis, wenn Sužiedelis Dovid Katz vorwirft, diese Holocaust verharmlosende Kommission zu kritisieren, da doch deren Vorsitzender ein Jude sei, Emmanuel Zingeris.[7] Was soll das aussagen? Dovid Katz hatte offenkundig, seine Seite Defending History zeugt davon, guten und engen wissenschaftlichen, politischen und persönlichen Kontakt zum damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Vilnius, Shimon Alperovich, zu Milan Chersonski, dem Herausgeber der (viersprachigen) Zeitung der jüdischen Gemeinde in Vilnius, zum Holocaustüberlebenden Pinchos Fridberg aus Vilnius, zu Fania Brantsovksaya, zu Rachel Margolis, zu Yitzhak Arad und vielen weiteren Juden und Jüdinnen.

Sodann bezieht sich Sužiedelis in diesem Kontext bzw. der dazugehörigen Fußnote auf Timothy Snyder, ohne mit einem Hauch auf die massive wissenschaftliche Kritik an der Holocaust verharmlosenden Dimension von dessen Buch „Bloodlands“, wo er ganz typisch Rot und Braun analogisiert, einzugehen.

Neben Dovid Katz[8] waren viele weitere Historiker*innen in die Debatte involviert und haben Snyder teils massiv und scharf kritisiert, darunter waren Dan Diner[9] vom Simon Dubnow Institut in Leipzig, Yehuda Bauer[10] (1926-2024) und Dan Michman[11] von Yad Vashem aus Israel, Jürgen Zarusky[12] (1958-2019) vom Institut für Zeitgeschichte in München, der rumänische Holocaustforscher Michael Shafir (1944-2022)[13] sowie der Verfasser dieses Textes[14] und weitere Kritiker*innen.

Doch ideologisch ist eben keineswegs nur Litauern, vielmehr auch Deutschland seit vielen Jahren auf dem Kurs der antisemitischen Rot=Braun-Ideologie. Die Prager Deklaration steht dafür exemplarisch, der spätere Bundespräsident Joachim Gauck ist einer ihrer Unterzeichner. Der Kern der Prager Deklaration ist folgender:

Dabei geht es um die am 3. Juni 2008 im Prager Senat von mehreren, teils international recht bekannten Politikern, Wissenschaftlern und Aktivisten angenommene „Prager Deklaration“. Darin wird in einem 19 Punkte umfassenden Programm der Stalinismus bzw. „der Kommunismus“ mit dem Nationalsozialismus gleich gesetzt. Gleich in Punkt eins heißt es, es solle an ein „gesamteuropäisches Verstehen“ appelliert werden, dass die „nationalsozialistischen und kommunistischen totalitären Regime jedes nach seinem Wert“ beurteilt werden mögen, beide „Regime“ hätten gleichermaßen „aggressive Kriege angefangen“ (!) als „untrennbarer Teil ihren Ideologien“, beide hätten „ganze Nationen deportiert und vernichtet“ (!) und dass somit diese beiden Regime die „Hauptkatastrophen“ des „20. Jahrhunderts“ darstellten.

Zweitens sollen die vielen „Verbrechen“, welche „im Namen des Kommunismus“ begangen wurden als „Verbrechen gegen die Menschheit“ betrachtet werden, „genauso wie die Nazi Verbrechen vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal beurteilt“ wurden. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 9 der Deklaration, worin gefordert wird, den „23. August“ 1939, den Tag an dem der „Hitler-Stalin Pakt“ unterzeichnet wurde, als „Gedenktag an die Opfer von nationalsozialistischem und kommunistischen Regimes“ einzurichten, „in genau der Art wie Europa die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert“. In Punkt 17 wird schließlich gefordert, alle „europäischen Textbücher anzupassen und zu überarbeiten, damit die Kinder lernen und vor dem Kommunismus und seinen Verbrechen gewarnt werden können, auf die gleiche Weise wie sie gelernt haben die Nazi-Verbrechen zu beurteilen.“

Damit ist der Kern der Prager Deklaration eindeutig: der Holocaust war demnach kein präzedenzloses Verbrechen, der Antisemitismus der Deutschen und ihrer Helfer war nichts Besonderes, vielmehr ‚typisch‘ für ‚totalitäre Regime‘ wie dem Nazismus und Kommunismus. Der Holocaustgedenktag soll abgewertet bzw. ersetzt werden! [15]

Deutsche Panzer wieder in Litauen: Stoppt die Militarisierung Europas

Es ist absolut notwendig, dass das jüdische Partisanen-Fort erhalten bleibt und als Gedenkort des Widerstands gegen den Holocaust in diesem EU-Land gewürdigt wird.

Dovid Katz fordert:

Es ist bedauerlich, dass Bundeskanzler Merz über die Geschichte des Holocaust-Widerstandes unweit des neuen deutschen Truppenübungsplatz vielleicht nicht richtig informiert war, weshalb er am vergangenen Donnerstag bei den Eröffnungsfeierlichkeiten schwieg. Aber das kann jetzt schnell korrigiert werden durch die Entschlossenheit des deutschen Verteidigungs- und Außenministeriums und auch der Partnerstreitkräfte im NATO-Bündnis, ein Projekt zur Wiederherstellung der jüdischen Widerstandsfestung in enger Zusammenarbeit mit den litauischen Behörden und internationalen Holocaust-Gedenkorganisationen anzukündigen. Angesichts der Ungeheuerlichkeit des Holocaust-Völkermordes verdient die einzige erhaltene jüdische Festung auch den Schutz der UNESCO und anderer Organisationen.

Die völlig absurde Vorstellung, Russland würde ‚einfach so‘ Länder überfallen, weil es ein imperialistisches Land sei, könnte die kritische Politikwissenschaft detailliert widerlegen. Der Ukraine-Konflikt ist sehr vielschichtig, beide Seiten tragen hierbei Schuld, Russland für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die Ukraine und die NATO für jahrelange Provokationen inklusive Rassismus gegenüber der starken Russisch sprachigen Minderheit zumal im Osten und Südosten der Ukraine.

Aber wer ist heutzutage schon an Wissenschaft und Reflektion oder Kritik interessiert, wenn sage und schreibe 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung und somit Kriegsvorbereitung ausgegeben werden sollen von allen NATO-Staaten?

Eine Auflösung der NATO wäre viel friedensfördernder. Sie wurde als Reaktion auf die Sowjetunion 1949 gegründet, 1955 wurde dann der Warschauer Pakt gegründet, der aber nur bis 1991 bestand. Warum gibt es die NATO weiterhin?

Und welches Militärbündnis hat sich nochmal seit 1991 extrem ausgebreitet in Europa, ist also eine imperialistische Macht?

Das macht Putin nicht weniger schlimm und autokratisch, er ist eine extreme Gefahr für die demokratische Opposition in Russland und weltpolitisch mit seiner Unterstützung des Iran (allerdings aktuell kaum, die Angriffe Israels führten zu keiner militärischen Unterstützung Russlands für den Iran), der Hamas oder auch Chinas.

Wobei sich ja bekanntlich China mit seiner äußerst brutalen, antidemokratischen, irrationalen und gesundheitsgefährdenden Corona-Politik in die Herzen aller linken und sonstigen ZeroCovid-Fanatikerinnen (oder auch von Angela Merkel, die begeistert war, wie maskiert China war und vor allem wie wenig Proteste es dort gegen die Corona-Politik anfangs gab oder geben konnte, im Gegensatz zu Deutschland!) gebrannt hat.

Autorinnen oder Verleger, die sich für eine vielfältige oder auch kinderfreie Zukunft aussprechen und die Normalfamilie (bzw. die Produktion von Kanonen- und Drohnenfutter) in Frage stellen, werden bekanntlich in Russland per Gesetz diskriminiert, ja strafrechtlich verfolgt! Russland hat Besseres verdient als Putin, so wie die USA Besseres verdient haben als Trump, by the way (siehe dazu die aktuelle Bruce Springsteen Tour in Deutschland und die No King-Proteste am 14. Juni 2025 in den ganzen USA mit ca. 5 Mio. Demonstrant*innen im ganzen Land auf ca. 2100 Demonstrationen angesichts einer unerträglichen, Nordkorea-Style Militärparade für Trumps Geburtstag).

Dazu kommt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach, wie es selbst die New York Times mittlerweile sieht, das Virus SARS-CoV-2 vermutlich bei einem Laborunfall in Wuhan (China) freigesetzt wurde. Stichwort: BSL 2 statt BSL-3 oder 4. Wer nicht weiß was BSL heißt, hat die Jahre 2020 bis 2025 verschlafen und sieht gar nicht was für Gefahren aus solchen Laboren für die ganze Welt entspringen können. Die Gain-of-Function-Forschung ist ein weiteres Stichwort.

Der Krieg in der Ukraine muss sofort beendet werden. Doch dieser Krieg hätte ohne Gebietsverluste für die Ukraine bekanntlich im April 2022 beendet werden könne, doch fanatische NATO-Mitgliedsländer und Politiker wie Boris Johnson wollten lieber Hunderttausende Soldaten sterben sehen in der Ukraine, weil sie mit Putin nicht verhandeln. Es wird jetzt in der Ukraine auch auf eine diplomatische Lösung hinauslaufen – aber mit massiven Gebietsverlusten und Zehntausenden oder Hunderttausenden Toten für die Ukraine und noch mehr Toten für Russland, die 2022 noch verhindert hätten werden können mit einem Autonomiestatus für die östlichen Provinzen in der Ukraine.

Deutschland könnte Litauen vielmehr diplomatisch und politisch, zivilgesellschaftlich helfen, sich mit der eigenen verbrecherischen Geschichte im Zweiten Weltkrieg und während der Shoah zu beschäftigen. Doch in Litauen passiert das exakte Gegenteil. Viele litauische Täter im Holocaust waren Teil der Litauischen Aktivisten Front (LAF), Katz berichtet von einem Skandal von 2025, der keiner wurde, weil das fast niemanden interessiert, wer wie wo Nazitäter verharmlost oder feiert:

Der renommierte Harvard- und an der Universität von Chicago ausgebildete amerikanisch-litauische Professor und Analyst für öffentliche Angelegenheiten, Kęstutis Girnius, versuchte vor anderthalb Jahrzehnten, Unterstützung für eine rechtsextremistisch inspirierte Exkulpation der „Litauischen Aktivistenfront“ (LAF, Lietuvių aktyvistų frontas, „Weiße Armbänder“) zu bekommen. Das war jene Organisation von 1941, die kein einziges Kaninchen schoss [was schlimm genug gewesen wäre, CH], als die Sowjets an der Macht waren (1940-1941), aber in dem Moment, als die sowjetische Armee ihre panische Flucht nach Osten begann und es keine Behörde gab, die sie aufhalten konnte, begann, Tausende unschuldiger jüdischer Nachbarn zu ermorden.

Hitlers örtliche Schergen erklärten eine „Unabhängigkeit“, die den Treueeid auf Adolf Hitler, die Verpflichtung, Litauen von allen Juden zu befreien, und die Entfesselung eines barbarischen Mordes beinhaltete, noch bevor die Deutschen eintrafen oder ihre Kontrolle einrichteten. Jeder wahre Freund Litauens wird verstehen, dass dies die Art von pro-faschistischem Revisionismus ist, die das schöne, moderne, tolerante, demokratische Litauen wie ein Loch im Kopf braucht.

Aber wie gesagt: Wer interessiert sich schon für Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Diplomatie, Reflektion oder Kritik am Antisemitismus? Das betrifft ja sogar sehr viele Leute aus der Pro-Israel Community, die für andere Formen des Antisemitismus wie der Holocaustverharmlosung nicht nur keinen Blick haben, sondern sich lieber mit dem Bild von Selenskyi als Profilbild auf den a-sozialen Medien ‚schmücken‘ und keine rationale Analyse des Krieges in der Ukraine wollen. Denn das würde zeigen, dass es in der Ukraine exakt wie in Litauen auch Holocausttäter gab, die heute als „Helden“ erinnert werden.

Das ist ja der Grund, warum die Ukraine das Land ist – weltweit – mit den vermutlich meisten Denkmälern, Straßennamen, Plaketten etc. pp. für Holocausttäter und Nazi-Kollaborateure, wie der Journalist Lev Golinkin schon vor dem Ukraine-Krieg zeigen konnte. Und auch in Deutschland gibt es ja noch sehr viele Straßen, die nach Nazis benannt sind – bis heute, erst äußerst mühsam entscheiden sich manche Kommunen, die eine oder andere Straße umzubenennen.

Von Kojaks The Belarus File zu Standing Ovations für einen ukrainischen SS-Mann 2023 in Kanada

Dazu passt Folgendes: Eine schockierende Live-Übertragung aus dem kanadischen Parlament in Ottawa ereignete sich am 22. September 2023. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi war eingeladen, um im Parlament zu sprechen, neben dem damaligen kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der ja eher dem „woken“ oder links-liberalen Lager zuzuordnen ist. Gegen Ende der Veranstaltung im vollbesetzten kanadischen Parlament erwähnte der Parlamentssprecher Anthony Rota, dass jemand auf der Tribüne sitzen würde, ein „kanadisch-ukrainischer Kriegsveteran aus dem Zweiten Weltkrieg“, der „die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen“ erkämpft habe „und bis heute die Truppen“ – die ukrainischen Truppen – unterstützen würde. „In seinem Alter von 98 Jahren“. Das wurde damals live im Fernsehen übertragen, man kann das Video hier anschauen (ab Min 1:10:00).

Dann zeigt sich der 98 Jahre alte Kanada-Ukrainer und alle zollen ihm frenetischen stehenden Applaus und der Sprecher des Parlaments lacht dazu.

Sein Name ist Yaroslav Hunka. „Er ist ein ukrainischer Held“. „Ein kanadischer Held“. „Und wir danken ihm für all seine Dienste. THANK YOU!

Und wieder tosender stehender Applaus des gesamten Parlaments und aller Gäste, inklusive natürlich Selenskyi.

Presseagenturen nannten die Einheit, in der Hunka diente, die „erste ukrainische Division“. Das ist jedoch nur ein anderer Name für die „1. galizische SS Division“ und zugleich die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS. Lev Golinkin vom jüdischen Forward schreibt am 24. September 2023 :

Die 1943 gegründete SS Galizien setzte sich aus Rekruten aus der Region Galizien in der Westukraine zusammen. Die Einheit wurde von den Nazis bewaffnet und ausgebildet und von deutschen Offizieren befehligt. 1944 wurde die Division von SS-Chef Heinrich Himmler besucht, der von der „Bereitschaft der Soldaten, Polen abzuschlachten“ sprach.

Drei Monate zuvor verübten Untereinheiten der SS Galizien das so genannte Massaker von Huta Pieniacka, bei dem 500 bis 1.000 polnische Dorfbewohner lebendig verbrannt wurden.

Der kanadische Parlamentssprecher Rota hatte sich offenkundig mit Hunka vor dieser Veranstaltung näher befasst – aber schlichtweg ignoriert, was im Zweiten Weltkrieg „Widerstand“ oder „Befreiungskampf“ von Ukrainern hieß. Die SS organisierte den Holocaust, auch in der Ukraine. Die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS ist bekannt für ihre Morde im Holocaust und genozidale Verbrechen an Polen.

Jeder Mensch mit einem Hauch von Geschichtsbewusstsein weiß, dass gerade ehemalige Holocaust-Täter in die USA oder Kanada emigrierten nach 1945. Einer der bekanntesten und besten Filme dazu ist der Kojak Krimi „The Belarus File“. Darin geht es exakt um solche Hunkas, die in den USA untertauchten und dann mitunter auf die wenigen überlebenden Juden trafen. Am Ende wird der Nazi-Kollaborateur ausgeschaltet – von Kojak. Ein absolut beeindruckender Film, den offenbar kein Mensch dieser versammelten kanadischen Elite an jenem 22. September 2023 vor Augen hatte.

Sie applaudierten einem SS-Mann. Im Jahr 2023. Das zeigt, zu was der schier unschilderbare Pro-Ukraine Fanatismus führen kann.

Weniger später, am 26. September 2023 hat dann der bis dahin völlig naive oder historisch ungebildete kanadische Parlamentssprecher Anthony Rota Konsequenzen gezogen und trat zurück. Trudeau oder Selenskyi traten jeweils nicht zurück und die versammelte kanadische parlamentarische Elite trat auch nicht zurück. Jeder und jede Einzelne wird erinnert werden als eine Person, die einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur, der in einer SS-Division und im Holocaust aktiv war, frenetischen Applaus zollte.

Im Jahr 2023.

Weil ja die wenigsten Menschen seit 1945 Zeit hatten, sich mit der Geschichte des Holocaust zu befassen.

1988 wurde 20 Meilen vor Toronto in Kanada auf den Oak Memorial Gardens ein Denkmal für exakt jene 14. Waffen-SS-Division (1. Galizische) errichtet. Dieser Garten ist Teil des St. Volodymyr Ukrainian Friedhofs in Oakville. Man muss sich das vorstellen: Mehr als 40 Jahre nach dem Holocaust wurde im Jahr 1988 in Kanada, einer westlichen Demokratie, für diese Nazi-Kollaborateure ein Pro-Holocaust Denkmal errichtet!

Dieses Denkmal für die ukrainischen SS-Nazis wurde jetzt endlich nach vielen Jahrzehnten im März 2024 von dem Friedhof entfernt. Jahrzehntelange Proteste jüdischer Organisationen hatten nie etwas bewirkt – waren ja nur Juden, die protestierten, oder Überlebende. Aber jetzt, angesichts des Skandals mit den stehenden Ovationen für den 98-jährigen Nazi bzw. Nazi-Kollaborateur und SS-Mann Yaroslav Hunka im kanadischen Parlament am 22. September 2023 gab es doch eine kleine Schockwelle in Kanada.

1985 lief der erwähnte Kojak-Kinofilm „The Belarus File“. Darin geht es nicht nur um einen Holocausttäter, sondern insbesondere auch um US-amerikanische Direktive, juristisch nicht gegen diese Verbrecher vorzugehen. Die USA unterstützten viele Nazis und Nazi-Kollaborateure nach 1945, die Wernher-von-Braun Memorial Lecture in den USA („Die Karriere des Wernher von Braun. Von den Nazis zur NASA“), die 1978 das erste Mal veranstaltet wurde, ist ein typisches und obszönes Zeichen dafür. Da die USA wie damals die Nazis, die Polemik ist gar keine, weil sich die USA ja von sich aus in die Tradition des Nazis Wernher von Braun stellen!, der Expansion widmen, geht es heutzutage vor allem um das Weltall. Das zeigt sich im Expanding Exploration: From Vision to Reality. The 2024 von Braun Space Exploration Symposium im Oktober 2024 in Huntsville.

Wer die wirklich völlig fanatisch-euphorischen, enthusiastischen Gesichter dieser kanadischen Parlamentarier*innen sah, die mehrfach wie durchgedreht einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur Beifall klatschten, WEIL er ja gegen „den“ Russen kämpfte – der sieht, wie wenig aus der Geschichte des SS-Staates weltweit bis heute gelernt wurde. Es ist auch ein direktes Resultat der jahrzehntelangen Agitation der Propagandist*innen der Prager Deklaration und insgesamt der Gleichsetzung von Rot und Braun.

Sowjets schlimmer als Nazis: Litauen heute

Der jüdische Publizist aus Vilnius Arkady Kurliandchik, der auch den antizionistische Antisemitismus im heutigen Litauen kritisiert, bringt es im November 2024 so auf den Punkt:

Litauen hat im zwanzigsten Jahrhundert bekanntlich zwei Besatzungen erlebt: Die sowjetische und die deutsche. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 und vor allem in jüngster Zeit hat sich die allgemeine Auffassung durchgesetzt, dass die sowjetische Besatzung „schlecht“ und die deutsche Besatzung „gut“ gewesen sei. Diese Unterscheidung wird durch Denkmäler deutlich gemacht: Statuen von Persönlichkeiten aus der Sowjetzeit, auch von solchen, die in keiner Weise mit der Unterdrückung in Verbindung stehen, werden abgebaut, während Gedenktafeln für Naziverbrecher, die für die Massenvernichtung der litauischen Bevölkerung verantwortlich sind, aufgestellt und Straßen und Schulen nach ihnen benannt werden.

Man könnte sogar zeigen, dass zwei der bekanntesten Leugner der Präzedenzlosigkeit der Shoah nahezu zeitgleich 1949/1950 aktiv wurden und sagten, dass der Holocaust gerade nichts Einzigartiges oder nie Dagewesenes sei: Martin Heidegger und Aimé Césaire.

Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit der Shoah ist also keineswegs den postkolonialen Linken überlassen, wie viele vermuten und viele konservative bis neu-rechte und rechtextreme Publizist*innen, Parlamentarier*innen und Aktivist*innen, aber auch viele mehr oder weniger linke Wissenschaftler*innen behaupten oder zumindest insinuieren.

Deshalb mehr Geschichtsbewusstsein und weniger Militarismus wagen.

Besser Institute gründen in Litauen und überall für mehr zivile Lösungen, mehr Holocausterinnerung, mehr Diplomatie und Stopp der Aufrüstung.

Und gleichzeitig geht es um die Sicherung der jüdischen Orte des Widerstands gegen den Holocaust und die deutschen wie litauischen Antisemiten und Mörder, die die Juden im Holocaust in Litauen in einer ‚Effektivität‘ massakrierten wie an keinem anderen Ort der Welt – 95 Prozent der litauischen Juden wurden im Holocaust ermordet.

Antisemitismus ist also ein viel komplexeres Thema, als es viele wahrhaben wollen, gerade auch solche, die so tun oder immer so taten, als ob ihnen die Erinnerung an die Shoah wichtig sei.

Antizionismus ist die heute gefährlichste Form des Judenhasses. Aber viele, die diesen erkennen, sind häufig unfähig, andere Formen des Antisemitismus zu erkennen – und gerade Konservative in West- wie Osteuropa und Nordamerika, ja überall, die sich häufig pro-israelisch geben, sind mit die Schlimmsten, wenn es um die Umschreibung der Geschichte geht, von den postkolonial argumentierenden Linken abgesehen, die die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz leugnen und den Unterschied von Sklaverei und Gaskammern nicht im Ansatz begriffen zu haben scheinen.

Das Beispiel aus Kanada von 2023 sagt eigentlich alles über das komplette westliche Versagen, die Geschichte des Holocaust und der Täter und Kollaborateure aufzuarbeiten. Im Osten Europas wird in weiten Teilen nicht nur nicht oder verzerrt aufgearbeitet, sondern die Nazi-Kollaborateure werden geehrt, gerade auch nach solchen Skandalen wie in Kanada:

Der Gebietsrat von Ternopil [in der Ukraine, CH] zeichnete mit der Anordnung Nr.22 vom 6. Februar 2024 Hunka mit dem Jaroslaw-Stezko-Ehrenabzeichen „Für Verdienste um die Region Ternopil“ aus.

Wer war Jaroslaw-Stezko? Der Journalist Golinkin schreibt:

1941 stand Stetsko an der Spitze der mit den Nazis kollaborierenden Regierung der OUN-B, die den deutschen Einmarsch in die Ukraine begrüßte und Hitler die Treue hielt. Er war ein völkermordender Antisemit, der geschrieben hatte: „Ich bestehe auf der Ausrottung der Juden und der Notwendigkeit, die deutschen Methoden zur Vernichtung der Juden in der Ukraine zu übernehmen.“

Diesen Mann also würdigt und feiert die heutige Ukraine, die WIR – gerade wir Deutschen – doch mit allen, wirklich allen Mitteln verteidigen müssen.

 

[1] Saulius Sužiedėlis (2025): Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania, Boston: Academic Studies Press (in Kooperation mit dem United States Holocaust Memorial Museum), S. 532-536.

[2] Ebd., S. X.

[3] Ebd., S. 539.

[4] Ebd. S. X.

[5] Dovid Katz (2009): “On Three Definitions:  Genocide; Holocaust Denial; Holocaust Obfuscation”, in: Leonidas Donskis (Hg.), A Litmus Test Case of Modernity. Examining Modern Sensibilities and the Public Domain in the Baltic States at the Turn of the Century [=Interdisciplinary Studies on Central and Eastern Europe 5], Bern u.a: Peter Lang, S. 259-277 ; Dovid Katz (2016): “Is Eastern European ‘Double Genocide’ Revisionism Reaching Museums?”, in: Dapim: Studies on the Holocaust, vol. 30.3, S. 1–30, 18. Nov. 2016; Dovid Katz (2017): “Free Trade Awry? The Westward Export of Double Genocide”, in: Danielle Buschinger u.a. (Hg.), Mélanges offerts à Jeff Richards par ses amis à l’occasion de son 65e anniversaire, Amiens: Centre d’Etudes Médiévales de la Picardie, S. 413-443; Dovid Katz (2018): “The Baltic Movement to Obfuscate the Holocaust” in: Alex J. Kay/David Stahel (Hg), Mass Violence in Nazi-Occupied Europe: New Debates and Perspectives (Indiana University Press: Bloomington, Indiana), S. 235-261.

[6] Sužiedėlis 2025, S. XII.

[7] Ebd., S. 538.

[8] Dovid Katz (2009a): “Prague’s Declaration of Disgrace,” 21. Mai 2009, http://www.thejc.com/comment/comment/prague%E2%80%99s-declaration-disgrace.

[9] Dan Diner (2012): “An Auschwitz vorbei. Timothy Snyder erhält für sein Buch ‘Bloodlands’ den diesjährigen Leipziger Buchpreis. Zu Recht? Jedenfalls weist seine angeblich wegweisende Arbeit Mängel auf,” March 17, 2012, http://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article13927362/An-Auschwitz-vorbei.html.

[10] Yehuda Bauer (2010): Remembering accurately on International Remembrance Day, Jerusalem Post, 25.01.2010.

[11] Dan Michman (2012): Bloodlands and the Holocaust, in: Journal of Modern European History / Zeitschrift für moderne europäische Geschichte / Revue d’histoire européenne contemporainem Vol. 10, No. 4, Eugenics after 1945 (2012), S. 440-445.

[12] Jürgen Zarusky (2012): Timothy Snyders „Bloodlands“. Kritische Anmerkungen zur Kon­struktion einer Geschichtslandschaft, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 60. Jg., Nr. 1, S. 1–31.

[13] Siehe z.B. „Papers by Professor Michael Shafir (1944-2022)“, https://defendinghistory.com/papers-by-professor-michael-shafir-1944-2022/112393.

[14] Siehe das Kapitel Ernst Nolte’s ‘grandson,’ the new German President and the Prague Declaration, in: Clemens Heni (2013), Antisemitism:  A Specific Phenomenon. Holocaust trivialization – Islamism –Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin: Edition Critic, S. 313-373.

[15] Clemens Heni (2010): Die Prager Deklaration. Antisemitismus im neuen Europa, Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Jg. 49, Nr. 194 (2010), S. 106–112, hier S. 106 f.

Das politische Ende von Victoria Nuland und des Taurus ist die Chance für ein Ende des Ukrainekrieges

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Rücktritt der in den USA in Ungnade gefallenen antikommunistischen Hetzerin Victoria Nuland hat international für Erleichterung gesorgt. Die Kriegstreiberin und regelrechte Russenhasserin, die wenig von Diplomatie versteht, hat ihren Rücktritt eingereicht.

Das sollte auch den Kriegstreibern von CDU/CSU sowie FDP und Grünen zu denken geben. Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland ist gegen die Lieferung der Taurus-Raketen.

Was die CDU/CSU und Grüne wie FDPler noch nicht verstanden haben: wir leben in der letzten Generation und zwar seit dem 6. August 1945. Ein Atomschlag gegen Moskau würde das Ende jeglicher Zivilisation in Berlin, London, Washington D.C., Paris etc. pp. bewirken. Offenbar haben diese Politiker*innen gar nicht verstanden – so wenig Putin das verstanden hat -, dass Atomwaffen keine Waffen sind, die man so oder anders einsetzen kann, sondern Auslöschungswaffen.

Der Papst spricht sich für eine diplomatische Lösung aus. In einer Rede zum 27. Januar der GEW Südhessen heißt es:

Demokratische Politikerinnen und Politiker sollten sich daher bemühen, solide Antworten zu finden für eine Bevölkerung, die besorgt ist hinsichtlich so vieler Themen wie Altersarmut, steigenden Mieten, knappem Wohnraum, verrottender Infrastruktur, miesen Bildungsbedingungen und –chancen, Energieversorgung, und auch Aufrüstung und zunehmender Militarisierung. Wer nichts anderes zu bieten hat, als Andersdenkende als „gefallene Engel aus der Hölle“ (Scholz) zu bezeichnen, wer meint, es reiche, die einen gegen die anderen auszuspielen wie Herr Lindner, indem er den „fleißigen Mittelstand“ denen gegenüberstellt, die angeblich „Geld bekommen fürs Nichtstun“ und sich für die Kürzung der Leistungen für Asylbewerber lobt, wird die Menschen dadurch nicht abhalten, nach einer wenn auch noch so falschen Alternative zu greifen, schon gar nicht, wenn er diese dann gleich als „Fliegen auf einem Haufen Scheiße“ bezeichnet (Strack-Zimmermann).

Auch wenn ich mich entgegen der GEW Südhessen ganz sicher nicht auf den Theologe Eugen Drewermann beziehen würde, dessen Ideologie als „Wiedergeburt der Totenkopftheologie“ kritisiert wird,

ist die Kritik an den unerträglichen deutschen Kriegstreiber*innen von Seiten der GEW Südhessen unerlässlich:

Nicht „kriegstüchtig“ muss Deutschland werden, es muss „friedenstüchtig“ sein und bleiben. Dazu gehört auch, der schleichenden Militarisierung unserer Gesellschaft entgegenzutreten und nicht zuzulassen, dass ein Ungeist wieder Einzug hält, der Gewalt als probates Mittel der eigenen Interessensvertretung ansieht, ein Ungeist von Machtgehabe, von Führung und Gehorsam, von falsch verstandenem Abenteuer- und Heldentum. Denn auch dieser Ungeist war ein Pflasterstein auf dem allzu kurzen Weg nach Auschwitz.

Es ist gleichwohl bezeichnend, dass in der Rede der GEW Südhessen von Antisemitismus und Juden oder von Israel und dem nie dagewesenen Massaker an Jüdinnen und Juden durch die Palästinenser und die Hamas am 7. Oktober 2023 keine Rede ist – dabei wäre der 27. Januar genau der Tag, an dem man das erwähnen muss, wenn man aus der Geschichte gelernt hat. Am 7. Oktober 2023 passierte das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust.

Es geht in der Tat gegen das Gerede von „kriegstüchtig“. Ziel sollte sein, die Bundeswehr abzuschaffen und das unglaublich viele Geld, das der „Verteidigungs“ (=Kriegs-)Etat verschlingt, sinnvollen sozialen und ökologischen Zwecken zugute kommen zu lassen.

Dadurch wird mensch nicht zum Pazifist. Der Abwehrkrieg Israels gegen die Hamas ist überlebensnotwendig.

Doch gleichzeitig muss es um eine diplomatische Lösung mit Russland gehen und der Krieg sofort beendet werden. Es war ja gerade Israels damaliger Ministerpräsident Naftali Bennett, der im März 2022 eine diplomatische Lösung des Krieges in der Ukraine ausgehandelt hatte und dafür sogar am Schabbat Flugzeug flog, was für eine religiösen Politiker wie er es ist, äußerst ungewöhnlich war. Doch bekanntlich waren die Kriegshetzer aus London, Washington D.C., Paris oder Berlin, Warschau und den baltischen Staaten stärker.

Putin ist ein schrecklicher Autokrat, der politische Konkurrenten ermorden lässt und aus taktischen Gründen mit den übelsten Regimen kooperiert wie dem Iran oder Saudi-Arabien und der Türkei. Doch mit dem antisemitischen Regime in Ankara kooperieren die USA, England und Deutschland noch viel mehr, da die Türkei NATO-Mitglied ist.

Es ist alles nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint nach dem binären Motto: Putin böse = wir gut.

Nein, Putin ist böse und die NATO ist böse, die Welt ist also komplexer und deutlich komplizierter, als es zum Beispiel die CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder Anton-ich-liebe-alle-Waffen-Hofreiter meinen.

Die NATO-Osterweiterung seit den 1990er Jahren war und ist ein imperialistischer Vorgang. Es gab im Februar 1990 die protokollarisch verbrieften Zusagen des Westens an die UdSSR, dass sich die NATO „keinen inch ostwärts“ bewegen würde, wenn es zu einer wie auch immer gearteten Vereinigung von DDR und BRD käme. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Ohne diese imperialistische NATO-Politik würde es den aktuellen Krieg Russlands in der Ukraine womöglich nicht geben.

Doch wer hat die geistigen Kapazitäten, sich gegen Putin und den Putinismus einerseits, gegen die Russland-Iran-Connection, gegen den NATO-Imperialismus und Antikommunismus (dabei ist Putin selbst Antikommunist) wie die nach Nazi-Kollaborateuren oder/und Holocausttätern benannten Fußballstadien, Straßen und Plätze in der Ukraine andererseits zu positionieren und das auch noch zu verbinden mit einer klaren militärischen Unterstützung des jüdischen Staates?

 

Echt jetzt? Die beliebte linke Schriftstellerin A.L. Kennedy und Verschwörungsmythen

Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. Juni 2023

Alison Louise Kennedy wurde 1965 in Schottland geboren und zählt heute zu den bekanntesten Schriftstellerinnen in Großbritannien. Sie ist insbesondere in Deutschland und der Schweiz sehr beliebt. Das zeigen aktuelle Interviews mit ihr, Rezensionen von gleich zwei neuen Büchern, die sie 2023 publiziert hat, in vielen Mainstreammedien von der FAZ bis zum Deutschlandfunk.

Ganz kurz flackerte Kritik an ihr auf, als Ende April der schweizer Germanist und Journalist Roman Bucheli in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) über ein Gespräch mit A.L. Kennedy berichtete und schrieb:

Begegnung mit einer Verschwörungstheoretikerin: Die Schriftstellerin A. L. Kennedy sieht in Grossbritannien faschistische, menschenverachtende dunkle Mächte am Werk.

Er sagt, dass sie zu dem Interviewtermin mit einer Gesichtsmaske erschienen sei, ihn aber mit einem starken Händedruck begrüßt habe.  Die Maske habe sie wegen herumfliegenden „Viechern“ auf.

Die NZZ schreibt:

In der Regierung sässen Eugeniker, die überzeugt seien, dass zu viele Leute in Grossbritannien lebten, aber zu wenig gesunde, starke Menschen. ‚Die Pandemie kam ihnen gerade recht, um die Schwachen zu eliminieren, die ohnehin nutzlose Esser sind.‘ Nur habe die unkontrollierte Ausbreitung des Virus dazu geführt, dass nun Millionen an Long Covid litten und tatsächlich nutzlose Esser geworden seien.

Das kann man nicht wirklich glauben, oder? Sofort kam auch ein Dementi ihres neuen Verlags Geparden aus der Schweiz, der im Frühjahr 2023 an den Start ging und schreibt:

Aus aktuellem Anlass: In der NZZ vom 28. April 2023 wird unsere Autorin A. L. Kennedy von Roman Bucheli in einem sehr tendenziösen Artikel als ‚Verschwörungstheoretikerin‘ bezeichnet. Diese Zuschreibung weisen wir in aller Form zurück. A. L. Kennedy formuliert ihre Ansichten gerne pointiert und apodiktisch, aber sie ist keine Verschwörungstheoretikerin – das weiss, wer ihr ganzes Buch DER KERN DER DINGE gelesen hat. Aus einem sehr langen Interview wurden aus dem grösseren Zusammenhang heraus gerissene einzelne Sätze zitiert, darum herum viele Wiederholungen des Journalisten, Unterstellungen und Nachdenken etwa auch über die Schuhe der Autorin. Fundierter, seriöser Journalismus geht anders. Aber wir freuen uns, wenn nun möglichst viele das Buch lesen, um sich eine eigene Meinung zu bilden!

Schauen wir uns mal an, was A.L. Kennedy selbst so schreibt. Vertritt A.L. Kennedy also wie die NZZ behauptet, dermaßen absurde Verschwörungsmythen, die doch eher aus gewissen Teilen der internationalen Szene der irrationalen Kritiker*innen der Coronapolitik zu hören sind?

Das kann man unschwer in einem Text in der schweizer Wochenzeitung (WOZ) sehen. Dort schreibt sie am 2. Februar 2023 in der ihr eigenen vulgären Tonlage:

Ein blöder Felsen im Strudel der eigenen Scheisse.

Darin heißt es:

Mächtige Eugeniker:innen lassen Covid-19-Infektionen am Laufmeter zu, denn irgendwann werden diejenigen, die nicht gestorben sind, irgendwie fit sein. Die Übersterblichkeit umgibt uns mit Trauernden, während Long Covid weiterhin Millionen von Menschen quält. Wir sind ein riesiges Memento mori.

Das ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern komplett zitiert. Sie fantasiert also, dass böse Menschen in England oder GB/UK eugenische Programme am Laufen hätten. „Mächtige Eugeniker:innen lassen Covid-19-Infketionen zu“ – das ist eine perfide Verschwörungsideologie. Sie unterstellt damit der britischen Politik, gezielt Menschen nicht geschützt zu haben, und das aus eugenischen Gründen!

Gerade die aus irrationalen und brutalen Lockdowns bestehende englische Coronapolitik, die nicht grundsätzlich anders war wie in Deutschland oder der Schweiz, sei viel zu harmlos gewesen, das will sie sagen.

In der Tat wurde vor dem Brexit gelogen und unerträgliche Propaganda getrieben. Aber das ist noch kein Nazismus, der in der Vernichtung von sechs Millionen Juden kulminierte. Doch A.L. Kennedy sieht wohl keinerlei kategoriale Differenz zwischen einem neuen Rechten und Widerling wie Steve Bannon und dem Judenschlächter Joseph Goebbels:

Die Bevölkerung wird mit Falschinformation, Desinformation und schrecklichen Mythen aus dem realitätsfreien Spritzschlauch von Steve Bannon / Alexander Poskrebyschew / Joseph Goebbels überflutet.

Sodann leugnet sie de facto die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz, wenn sie vage, aber doch schreibt:

Wir hatten bereits sehr viele jener Verbrechen begangen, die auch der Nationalsozialismus anstrebte. Doch unsere Eliten hielten den deutschen Botschafter für einen aufgeblasenen kleinen Ausländer. Dazu kommt: Wir teilen nicht.

Das steht wirklich so in ihrem Text in der WOZ. Das, was der Nationalsozialismus anstrebte, war die Vernichtung der europäischen Juden. Welches Volk wollten die Engländer vernichten, wo und wann? Es gibt nichts Vergleichbares. Und der Holocaust war das zentrale Verbrechen des Nationalsozialismus, das weiß Kennedy sicher. Warum meint sie, die Engländer hätten ganz ähnliche Verbrechen begangen, wenn sie dies doch nicht haben? Das ist ein Trick auch des Postkolonialismus, zu negieren, dass die Deutschen Verbrechen geplant und begangen haben, wie sie niemand zuvor geplant und durchgeführt hatte. Daher spricht die geschichtswissenschaftliche Forschung von der Präzedenzlosigkeit der Shoah.

Was für „viele Verbrechen“ haben die Engländer denn begangen, die auch die Nazis vorhatten? Das zentrale Verbrechen des NS-Staates und der NS-Deutschen war der Holocaust und da hatten die Engländer den Deutschen keinerlei Vorlage geliefert.

Doch angesichts der Analogie und Vergleicherei von England und Nazi-Deutschland lacht die postkoloniale Internationale, die ja ebenso das nie Dagewesene der Shoah leugnet. England hat nirgends auch nur ansatzweise Verbrechen begangen wie sie die Nazis beziehungsweise die Deutschen begangen haben.

Die NZZ schreibt:

England steuere mit einem staatlich tolerierten Euthanasieprogramm auf einen Genozid zu, sagt A. L. Kennedy ungerührt und will den Satz auch nach einer Rückfrage nicht korrigieren. Vielmehr bekräftigt sie: ‚Wir haben seit etwa einer Dekade ein System, das darauf angelegt ist, behinderte Menschen zu eliminieren.‘

In der Regierung sässen Eugeniker, die überzeugt seien, dass zu viele Leute in Grossbritannien lebten, aber zu wenig gesunde, starke Menschen.

Kennedy glaubt also offenkundig ernsthaft, dass in England beziehungsweise Großbritannien ein Euthanasie-Programm gegen Behinderte am Laufen sei, so die NZZ. Auch auf Nachfrage beharrt sie darauf. Auch Corona sei Teil davon, doch im Gegensatz zu Gegnern der Coronapolitik, findet sie selbige viel zu lasch, daher habe sie Covid-19 bekommen und LongCovid und ein ewiges Jammertal durchschreitet sie nun.

Das mit der Euthanasie zeigt, dass die Linke A.L. Kennedy wenig Ahnung vom Nationalsozialismus und der Vernichtung von Behinderten in der Aktion T4 hat oder heutige „eugenische“ Programme zufällig mit denen, die einem historisch in den Sinn kommen: die NS-Verbrechen, vergleicht.

Eine neoliberal-kapitalistische Politik, die zu Lasten der Schwachen geht, auch von Behinderten, ist doch keine geplante Eugenik. Woher hat sie diese Idee? Wobei der größte Schock für Behinderte gerade die menschenverachtende Corona-Lockdownpolitik auch von Boris Johnson (oder Angela Merkel, Macron etc.) war, die Zwangsisolation der nicht evidenzbasierten Coronapolitik war ein Kernproblem. Doch Kennedy will sagen, dass die Politik absichtlich zu wenig getan hätte, um bestimmte Menschen zu schützen. De facto hat die Politik zu viel und Irrationales gemacht – Lockdowns!!! – und damit Menschen in den Tod getrieben, zum Beispiel Demenzkranke in England und Wales allein im Frühjahr 2020.

Da sie Goebbels und heutige Propagandisten auf eine Stufe stellt, vergleicht sie auch NS-Verbrechen wie die Euthanasie mit der angeblichen eugenischen Politik hier und heute in Großbritannien oder dem ganzen Vereinigten Köngreich.

Kennedy ist also eine im Frühjahr 2023 maskierte ZeroCovid-Fanatikerin, die Panik verbreitet. Von den mörderischen Konsequenzen der Lockdown- und Coronapolitik für den globalen Süden scheint sie auch nicht den Hauch einer Ahnung zu haben. Jedenfalls erwähnt sie das nicht in ihrem eigenen, doch recht grundsätzlichen Text in der WOZ, der so wichtig ist, dass die genossenschaftliche Wochenzeitung (WOZ) ihn auf Deutsch und Englisch publiziert hat.

Dabei sind die katastrophalen Auswirkungen der Coronapolitik im globalen Süden – Stichwort befürchtete bis zu 270 Millionen extra Hungernde, so das World Food Programme schon im ersten Jahr der Pandemie – eklatant. Doch bislang dachten wir immer, dass nur extreme Rechte fabulieren, dass das World Economic Forum, Klaus Schwab oder Bill Gates etc. pp. die Intention (!) hätten, Menschen zu eliminieren, allerdings nicht mit dem Virus, sondern mit der Impfung. Und eine Verschwörungsfantasie scheint eben auch A.L. Kennedy umzutreiben, wenn sie wie zitiert schreibt „Mächtige Eugeniker:innen lassen Covid-19-Infektionen am Laufmeter zu“. Das ist eine Verschwörung: böse Menschen schützen absichtlich bestimmte Gruppen nicht, die dann sterben oder schwer krank werden.

A.L. Kennedy schreibt in der WOZ:

Tony Blair setzte Thatchers Erbe fort, verminte den Sozialstaat mit finanziellen Zeitbomben und entfesselte unsere Medien zu jenem verkommenen morgendlichen Hass, den sie immer anstrebten. Er hat den Nahen Osten in die Luft gejagt. Seine messianische und islamfeindliche Art des ‚Christentums‘ – sowie seine russlandnahen Berater – erlaubten ihm, Generationen von Muslim:innen in einer Reihe von Kriegen zu radikalisieren und zu traumatisieren und Putin den Hebel in die Hand zu geben, den er benötigte, um den Westen zu spalten: Wellen von Flüchtlingen und Migrant:in­­nen, die er nach Belieben auslösen konnte.

Ihre Kritik der neoliberal-kapitalistischen Politik von Thatcher und deren Nachbeter Tony Blair macht die Autorin insofern zunichte, als sie ohne jeden Hinweis ausgerechnet Russland unterstellt, Großbritannien gleichsam ‚beraten‘ zu haben, Muslime zu radikalisieren und Flüchtlingswellen auszulösen. Putin ist schuld!

Und zwar nicht nur am Ukraine-Krieg, sondern seit Jahren würde dieser Herrscher versuchen „den Westen zu spalten“. Linke würden sagen, dass die NATO und Putin ein Problem sind, beide Seiten sind ein riesiges Problem für den Weltfrieden. Doch solche kritischen, linken und differenzierten, scharfen Töne hört man von Kennedy nicht. Muslime haben sich demnach nicht primär aufgrund islamistischer Ideologie (Stichworte Iran 1979, Afghanistan seit den 1980er Jahren, Islamismus in der arabischen Welt etc.) fanatisiert, sondern der böse Westen haben sie „radikalisiert“.

Tony Blair habe „den Nahen Osten in die Luft gejagt“ und nicht etwa die Hunderten islamistischen Selbstmordattentäter*innen, die allein in Israel Hunderte Menschen, großteils Juden und Jüdinnen zerfetzen und ermordeten. Von Islamismus scheint sie nicht die minimalste Ahnung zu haben.

Ihr bis heute auf Putin zentriertes, verschwörungsmythisches Gerede kann sie auch problemlos in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 21. Mai 2023 ausbreiten:

Das Establishment, die Regierung, die Londoner City und die Zeitungen, sie alle sind ein und dasselbe, und sie alle machen Geld mit derselben Sache. Fast alle von ihnen haben Verbindungen zu Putin.

Um es ironisch zu wenden: Wie unglaublich Putin gesteuert zumal der damalige Premier Boris Johnson ist, zeigte sich, als er frühzeitige Vermittlungsbemühungen um einen Waffenstillstand und ein Ende des russischen Ukraine-Krieges des damaligen israelischen Premierministers Naftali Bennett ausschlug und den Krieg unter allem Umständen fortsetzen wollte, was Johnson und seine westlichen Alliierten ja bis heute geschafft haben. Die Times, die Daily Mail, der Telegraph, der Jewish Chronicle oder die Sun würden alle das gleiche Ziel verfolgen. Welches Ziel? Euthanasie, mit Putin kuscheln, England zerstören (oder GB, UK)? Ernsthaft?

Es wirkt geradezu lustig oder absurd, dass A.L. Kennedy ihren ganzen wirklichen Quatsch in großer Ruhe und Gelassenheit, maßloser Selbstüberzeugung von sich gibt und der FAZ sagt:

Ruhe bewahren ist auf jeden Fall hilfreich. Wenn du übermäßig emotional bist, triffst du keine guten Entschei­dungen.

Im Gegensatz zur FAZ, die diesen wirklichen Bullshit bezüglich Putin goutiert, kritisiert die NZZ Kennedy:

So bleibt am Ende des Gesprächs lediglich die Fassungslosigkeit angesichts dieser begabten, ebenso empathischen wie streitbaren Schriftstellerin, die in ihrem Furor den Weg des einfachen Denkens gegangen ist. Als ich noch wissen will, was sie dermassen radikalisiert habe, sagt sie bloss: ‚Meine Regierung ist radikaler geworden, und das ist jemandem, der in einer europäischen Demokratie lebt, schwer zu erklären. Sehr dunkle Leute sind hier am Werk.‘ Da sind sie dann wieder, die Dunkelmänner. Und kein Ausweg.

„Sehr dunkle Leute“ seien also am Werk des Faschismus in England, Kennedy sagt der FAZ, es sei eine portugiesische Variante des Faschismus, die Einzug erhalten habe in Westminster und ganz England oder mindestens dabei sei, sich durchzusetzen. Faschismus also, drunter geht es nicht.

Dafür setzte sich die ach-so-super Linke A. L. Kennedy im September 2018 in einem offenen Brief für einen Boykott von Israels Ausrichtung des European Song Contest (ESC) im Frühjahr 2019 ein.

Der Brief wurde im Guardian veröffentlicht und bekannte Unterstützer der BDS-Bewegung wie Roger Waters, der aktuell wieder antisemitische Schlagzeilen macht, waren wie der Filmemacher Ken Loach oder die Dramatikerin Caryl Churchill mit dabei. Churchill hat 2022 zuerst den hoch dotierten Stuttgarter Europäischen Dramtiker:innen Preis (75.000€) zugesprochen bekommen, doch dann wurde er ihr wegen ihrer Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung und ihrem antisemitischen Theaterstück seven Jewish Children doch noch aberkannt, was weniger auf eine Erkenntnis der Jury, als vielmehr öffentlichen Druck zurückzuführen war, wie die Stuttgarter Nachrichten berichteten.

Über das antisemitische Stück von Caryl Churchill hatte bereits 2010 der Antisemitismusforscher und Historiker Robert S. Wistrich (1945-2015) in seiner umfassenden Geschichte des Antisemitismus – A Lethal Obession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad – berichtet (S. 418).

Roger Waters oder Caryl Churchill und der Boykott von Israel – das ist offenbar das geistige und politisch-aktionistische Umfeld von A.L. Kennedy.

Nun ist Kennedy Schriftstellerin, sie kann schreiben, was sie will, einfach so. Es wird ja gedruckt.

In ihrem Pamphlet in der WOZ schreibt Kennedy darüber, wie es zum Brexit gekommen sei:

Doch nun war es an der Zeit, eine ‚entwickelte‘ Nation zu spalten, mit gezielten Angriffen, in denen die Propagandatricks des KGB und der Nazis perfektioniert wurden.

Wieder eine NS-Verharmlosung. Und das gleich doppelt. Erstens setzt sie Rot und Braun auf eine Stufe und zweitens sieht sie gar keinen kategorialen Unterschied, ob fanatische Nationalisten und Lügner das Vereinigte Königreich mit Lügen umgarnten und den Brexit herbeiführten oder ob die Propaganda im Nationalsozialismus an der antisemitischen Tagesordnung war. Das Ziel im NS war nicht die Abspaltung eines Landes von Europa, so wie es der Brexit wollte und will, sondern das Ziel war die Vernichtung des europäischen Judentums. Darauf zielte die Propaganda von Joseph Goebbels und den Nazi-Deutschen. Und das weiß Kennedy nicht oder will sie nicht sehen, die Differenz ums Ganze zwischen Bannon und Goebbels.

„Perfektioniert“ hätten also die nationalistischen Briten die „Propagandatricks des KGB und der Nazis“. Also gibt es heute oder jedenfalls vor dem Brexit 2016 noch heftigere Propaganda in England und Großbritannien oder dem Vereinigten Königreich, als es sie im Nationalsozialismus gab. Will sie das ernsthaft behaupten? Hat sie sich jemals eine antisemitische Propagandarede von Goebbels oder Hitler angehört?

In jedem Fall passt ihr Einsatz gegen Israel, ihr Verharmlosen des Islamismus als Phänomen sui generis, ihre Verschwörungsfantasie von der vorherrschenden Eugenik oder Euthanasie in England / GB und ihr Verschwörungsdenken, dass Putin hier und heute mehr oder weniger alle Geschicke der Presse, Gesellschaft und Politik in London, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich lenken würde, zu ihrem Corona-Wahn und Ihrer Gesichtsmaske.

A.L. Kennedy denkt offenbar so irrational, wie sie sich verkleidet. Und genau deshalb ist sie vielleicht so beliebt in Deutschland und der Schweiz, alle möchten Veranstaltungen mit ihr machen und ihre aktuellen Bücher rezensieren:

Eine linke Kritik an der Monarchie, am Kapitalismus, am Rassismus, an der Transphobie und Homophobie, an Propaganda, Cambridge Analytica und Volksverblödung ist sehr wichtig, und Kennedy möchte eine solche Kritik leisten. Zugleich ist sie eine 2018 zum Boykott Israels bezüglich des ESC aufrufende und zudem verschwörungsmythische und den Islamismus ignorierende, ja den muslimischen Nahen Osten als Opfer von Tony Blair darstellende Autorin, die primär einen zentralen Feind der armen Engländer oder Briten kennt: Putin.

Dieses unterkomplexe Denken ist in Mode. Und es ist gefährlich. Nicht etwa Strukturen des Kapitalismus, der Biopolitik, der NATO etc. pp. zu analysieren, sondern einzelne Böse – hier natürlich Putin – herauszugreifen, das ist sehr gefährlich. Aber es scheint anzukommen. Das zeigen die unglaublich vielen Veranstaltungen und Rezensionen in den letzten Wochen zu A.L. Kennedy allein im deutschsprachigen Raum – oder die Leute ignorieren ihren WOZ Text, wo man ja wie zitiert sehen kann, wie sie selbst schreibt und denkt. Ihre verschwörungsmythischen Topoi in dem von ihr selbst geschriebenen WOZ Text (der wie gesagt auf Englisch und als deutsche Übersetzung zugleich erschien) decken sich doch weitgehend mit dem, was sie dem NZZ Autor Bucheli im Gespräch sagte. Oder Kennedy schreibt in ihrem WOZ Text Dinge und sagte in dem NZZ Interview Dinge, die sie sonst nirgends je sagte oder schrieb? Könnte das sein? Doch der auch von ihr unterschriebene Aufruf zum Boykott Israels Ausrichtung des ESC 2019 ist schon von 2018, schon damals hätte man skeptisch werden müssen beim Namen A.L. Kennedy.

Die Welt ist viel komplexer, als es A.L. Kennedy in ihrem WOZ Text darstellt.

Interview mit Dr. Clemens Heni zu „Nie wieder Krieg ohne uns…“ auf Radio Flora

Von Dr. phil. Clemens Heni, 27. September 2022

Gestern hatte ich die Ehre und Freude, mit dem freien Radio Flora aus Hannover zu diskutieren. Gastgeber Hubert Brieden von der Sendung „International“ hatte mich eingeladen, das Buch „Nie wieder Krieg ohne uns… Deutschland und die Ukraine“ von Gerald Grüneklee, Peter Nowak und mir von Juli 2022 vorzustellen.

Wer die Sendung verpasst haben sollte und Interesse daran hat, kann sich die Wiederholung am Mittwoch, den 28. September zwischen 11 und 12 Uhr am Vormittag anhören oder schon jetzt auf den Podcast zugreifen, der frei bei Radio Flora und der Homepage der freien Radios zugänglich ist.

Viel Spaß und anregende Diskussionen!

Podcast auf Radio Flora

 

Podcast auf freie-radios.net

 

Das Buch gibt es in jedem Buchladen oder versandkostenfrei für Privatkund*innen über den Webshop des Verlags:

Gerald Grüneklee | Clemens Heni | Peter Nowak

Nie wieder Krieg ohne uns

Deutschland und die Ukraine

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)/
Studien zum Rechtsextremismus und zur Neuen Rechten, Band 3

Softcover | 174 S. | 17 x 24 cm | ISBN 978-3-946193-38-8 | 20€ | Buchklappen

Inhaltsverzeichnis

Leseprobe

War Corona ein „Fehlalarm“? Prof. Sucharit Bhakdi und Dr. Karina Reiss haben ein Buch geschrieben

Von Dr. phil. Clemens Heni, 20. Juni 2020

 

Professor Peter Gaidzik, Leiter des Instituts für Medizinrecht der Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin) an der Universität Witten/Herdecke, sagt, „der Lockdown war falsch“, wie der Westfälische Anzeiger aus Hamm berichtet. Die Regierungen hätten die Erfolge der ersten Maßnahmen angesichts des neuen Virus SARS-CoV-2 und der von ihm auslösbaren Krankheit Covid-19 jeweils gar nicht abgewartet, sondern die ganze Gesellschaft in den Lockdown versetzt. Bereits zu diesem Zeitpunkt, 23. März 2020, waren die Zahlen der Neuinfizierten rückläufig, die Kurve hatte ihren Höhepunkt, den Peak, bereits erreicht. Das war schon damals erkennbar, aber es wollte niemand sehen, und so begann die größte politische, soziale, ökonomische und – wie ich unterstreichen möchte – philosophische Krise dieses Landes, Europas und der ganzen Welt.

Es begann die panische Angst vor dem Tod, es zählte fortan nur noch das nackte Überleben. Dass es sich weder um ein „Killervirus“ handelt, noch um eine Epidemie mit nationaler Tragweite handelte, war ebenso ersichtlich, und zwar von Anfang an. Heute wissen wir, dass es sogenannte Hotspots gibt und im Wesentlichen gab es nur in drei Bundesländern überhaupt eine etwas größere Anzahl von Toten: Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, in ganz Deutschland ca. 8000 sog. „Coronatote“. Das ist eine relativ kleine Zahl, Grippewellen wie 1970 oder 2018 töteten 40.000 bzw. 25.000 Menschen (1970 gar nur in der alten BRD). 8000 Coronatote in vier Monaten ist eine relative Zahl, täglich sterben in der Bundesrepublik 2500 Leute, im Winter etwas mehr, im Sommer weniger.

Coronatote wurden zwar positiv getestet, das heißt aber keineswegs, dass Covid-19 die Todesursache ist. Das hat der Mediziner Prof. Klaus Püschel aus Hamburg betont („Angst überflüssig“), der die Leichen in Hamburg obduziert und auf Corona untersucht. Ohne Vorerkrankung hatte er bis zu diesem Zeitpunkt (07.04.) keine Leiche auf dem Seziertisch („In Hamburg ist niemand ohne Vorerkrankung an Corona gestorben“). Das ist alles längst bekannt, hat aber die Panikindustrie nicht davon abgehalten, ganz am Ende der Epidemie – Ende April 2020 – diese wahnwitzige Maskenpflicht einzuführen, die das gesamte öffentliche Leben in Massenhysterie und Panik versetzt und zwar tagtäglich zu jedem Zeitpunkt.

Das Virus hat offenkundig die Möglichkeit sich sehr schnell zu verbreiten, was aber wiederum nicht sonderlich dramatisch ist, da wir sehr exakt sehen, wer betroffen ist: alte und vorerkrankte Menschen. Entgegen der viel gefährlicheren „normalen“ Grippe (Influenza) ist die Krankheit Covid-19 für den übergroßen Teil der Gesellschaft überhaupt nicht gefährlich. Deshalb war der Lockdown wissenschaftlich nicht begründbar, sondern politisch gewollt. Und das indiziert die größte politische Krise der Demokratie seit 1945 in Deutschland.

Neben Prof. Gaidzik ist auch Prof. Hendrik Streeck, seit Herbst 2019 Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, ein Kritiker der „Maßnahmen“. Streeck ist einer der prominentesten Kritiker des Lockdowns und einer der führenden Virologen, der empirisch zur Coronakrise forscht. Der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) sagte Streeck am 10. Juni 2020, dass er sowohl den Lockdown, die Maskenpflicht wie auch die App skeptisch sieht. Streeck hatte zum Beispiel nachweisen können, dass in Heinsberg in NRW, wo es die ersten massenhaften Fälle von Coronainfektionen und die ersten Coronatoten gab, die Letalität, also die Rate derjenigen Infizierten, die an (oder mit, das ist eine ganz andere, sehr wichtige Forschungsfrage) Corona starben, keineswegs 3-4 Prozent beträgt, wie die WHO einfach so in den Raum geworfen hatte, sondern 0,37 Prozent oder weniger.

Neben dem sozialwissenschaftlichen Buch „Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik“, das Gerald Grüneklee, Peter Nowak und ich bereits am 15. Mai 2020 publiziert haben,

gibt es jetzt ein sozusagen naturwissenschaftliches Pendant von Dr. Karina Reiss und Dr. Sucharit Bhakdi (Jg. 1946). Reiss und Bhakdi haben eines der wichtigsten Bücher zur Corona-Krise geschrieben, das Ende Juni 2020 als Taschenbuch veröffentlicht wird und schon jetzt als E-Book zu kaufen ist:

Corona Fehlalarm? Zahlen, Daten und Hintergründe“, erschienen beim Wiener Goldegg Verlag. Sucharit Bhakdi gilt fast seit Beginn der Krise als das ruhige, besonnene, wissenschaftliche Gesicht der Kritiker der Notstandsmaßnahmen angesichts des neuen Coronavirus.

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Sucharit Bhakdi ist emeritierter Professor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und war von 1991 bis 2012 Leiter des dortigen Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene.

Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, Foto: Copyright Peter-Pulkowski

Karina Reiß ist Professorin an der Universitäts-Hautklinik Kiel (Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie).

Prof. Dr. Karina Reiß, Foto: Copyright Dagmar Blankenburg

Bhakdi ist sozusagen eine Art meditativer Gegenpol zum eher free-jazzigen oder punk-rockigen Arzt und SPDler Wolfgang Wodarg (Jg. 1947), dem das historische Verdienst zufällt, als erster die Alarmglocke geläutet zu haben (im Flensburger Tageblatt vom 29. Februar 2020), dass hier angesichts einer Art Grippevirus die größtmögliche Panik produziert wird und der Notstand geplant und wenig später ausgerufen wurde.

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Nie war die Volksgemeinschaft seit 1945 größer und stärker und aggressiver als in der ersten Jahreshälfte 2020. Bäckereien bedrucken ihre Brötchen- und Brezeltüten mit nicht anders denn volksgemeinschaftlich zu nennenden Slogans wie „Wir für Heilbronn“, mit dem offiziellem Logo der Stadt, auch Audi ist dabei und weitere örtliche Industrie. Abgebildet ist ein Bäcker mit Mundschutz, der einem ebenso maskierten Kunden ein Croissant gibt.

Fotos: privat

Das „Danke“ soll ausdrücken, dass die Bäckerfirma offenbar dankbar ist, dass es keinen Aufstand der Denkenden gab, dass sich alle selbst gleichgeschaltet haben und den Maskenwahnsinn auf Befehl der Politik gerade dann begonnen haben – wie ganz Deutschland – als die Epidemie zu Ende war. Solche Bäckertüten gibt es sicher auch in Köln, Duisburg, Kiel, Berlin oder Passau und München. Andere wie Katjes machen ja seit Monaten besonders abstoßende Agitation und suggerieren, wer nicht zu Hause bleibt und alle Maßnahmen befolgt, ist am Tod von grauhaarigen älteren Frauen verantwortlich. Wahnsinnig perfide politische Hetze ist das.

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Der Höhepunkt der neuen Infektionen mit SARS-CoV-2 war Mitte März 2020, das ist ein Faktum, selbst das Robert-Koch-Institut kann das nicht leugnen, da dies auf seinen eigenen Daten basiert. Seit Mitte März 2020 fallen die Zahlen der täglich neu Infizierten, auch die sogenannte Reproduktionszahl, die unter 1 sein müsse, war bereits vor dem nie dagewesenen „Lockdown“ am 23. März 2020 unter 1.

Corona oder Covid 19, wie die Krankheit, die vom Virus SARS-CoV-2 ausgelöst werden kann, heißt, ist gefährlich – aber primär für alte und vorerkrankte Menschen. Corona ist wohl weniger gefährlich als die Grippe, wie die internationale Forschung seit Anbeginn ahnte und jetzt weiß. Die Grippe betrifft bekanntlich alle Bevölkerungsgruppen, Corona fast ausschließlich alte Menschen, das durchschnittliche Alter der Toten, bei denen Corona festgestellt wurde, liegt in ganze Europa in jedem Land über 80 Jahren.

Ist es hingegen überraschend, dass der Philosoph Robert Pfaller von der Kunstuniversität Linz, der sich zuvor ganz eloquent gegen die Tendenz in der westlichen Welt wandte, „Schlagsahne vorzugsweise ohne Fett, Bier ohne Alkohol, Kaffee ohne Koffein, Sex ohne Körper“ zu promoten (Wofür es sich zu leben lohnt, 2011), angesichts der nie dagewesenen politischen und philosophischen Krise der ganzen Welt nun Folgendes sagt?

STANDARD: Es ist erstaunlich, wie schnell die Einschränkung von Freiheitsrechten vonstattenging. Hat Sie die Einstimmigkeit der Maßnahmen überrascht?

Pfaller: Nein. Denn für ihre Freiheitsrechte kämpfen die Menschen dann, wenn ihre Grundversorgung und ihr Wohlstand entweder sichergestellt oder aber bereits verloren sind. In den letzten Jahren aber haben viele um ihre Grundversorgung und um ihren Wohlstand zu zittern begonnen. So haben sie auch gewählt. Im selben Maß wurden sie den Fragen von Freiheitsrechten und Grundrechten gegenüber eher gleichgültig. Abgesehen davon erscheint es natürlich vernünftig, angesichts einer Bedrohung, deren Ausmaß sich schwer erkennen lässt, lieber einmal zu vorsichtig zu sein als zu wenig.“

 

Erstens ist es zweifelhaft, ob die Menschen dann kämpfen, wenn der Wohlstand gesichert oder verloren ist, 1776 oder 1789 war weder das eine noch das andere der Fall, 1917 auch nicht, aber das ist hier nicht entscheidend. Pfaller ist bei aller bedeutenden Kritik am kulturellen Mainstream, seiner Vorliebe für formschöne oder einen coolen Lebensstil indizierenden Autos (Alfa Romeo, „Die blitzenden Waffen – Über die Macht der Form“, 2020) auch ein Fan des slowenischen antiisraelischen und frauenfeindlichen Cholerikers Slavoj Zizek, was man nicht so einfach unter den Tisch fallen lassen sollte, dafür ist Zizek zu beliebt und wird zu selten wegen dieser Ressentiments kritisiert und schreibt in der Süddeutschen Zeitung (SZ).

Bemerkenswert ist zudem Pfallers Übernahme der Regierungspropaganda in Österreich oder Deutschland und fast der ganzen Welt, „lieber einmal zu vorsichtig zu sein als zu wenig“. Das sagt er am 30. März 2020 dem Standard und da hätte er es besser wissen können. „Einmal zu vorsichtig“ sein soll wohl philosophisch den Lockdown rechtfertigen oder wenigstens verständlich erscheinen lassen. Und das ist problematisch und zwar ganz grundsätzlich. Denn damit verwirft oder unterläuft Pfaller seine eigene vorgebliche Lebenslust, die ein Leben ohne ästhetischen Genuss für undenkbar hält. Oder er hatte es halt nicht klar genug durchdacht und bekam im März die gleiche Panik wie alle. Fast alle, sollte man korrekterweise schreiben.

Wer es zu diesem Zeitpunkt und schon zuvor besser wusste, war Prof. Dr. Sucharit Bhakdi. Er schrieb fast zeitgleich, Ende März, einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darin stellt Bhakdi fünf Fragen, darunter gleich zu Beginn die sehr bedeutende, ob denn der Kanzlerin der Unterschied zwischen Infektion und Krankheit bewusst sei. Nicht jeder Mensch, der infiziert ist, ist krank, das war schon immer so, man kann einen Infekt haben, ohne dass der Körper krank wird, weil das Immunsystem stark ist und ihn abwehrt. Bei dem Virus SARS-CoV-2 sind bis zu 80 Prozent aller Infizierten nicht krank oder so gut wie symptomlos, sie fühlen sich nicht oder kaum krank und würden ganz sicher nicht zum Arzt gehen, geschweige denn in ein Krankenhaus.

Aufgrund der Politik in Afrika angesichts der Coronapanik wurden z.B. Impfkampagnen gegen Masern ausgesetzt, was schon für einige Tausend Kinder dramatische Folgen hatte.

Die beiden Autor*innen bringen noch weitere internationale und nationale Beispiele, wie verheerend der Lockdown in jeder Hinsicht war und ist. Sie betonen, dass die Coronapandemie zu keinem Zeitpunkt eine Epidemie von nationaler Tragweite war. Das belegen sie wissenschaftlich.

Bhakdi und Reiss stellen den Verlauf der Coronakrise sehr gut verständlich dar und beziehen sich auch häufig auf internationale Kritik an der Coronapolitik und zitieren Studien wie aus Frankreich, die die Gefährlichkeit dieses Virus massiv relativieren und wissenschaftlich einordnen. Sicherlich ist nicht jeder Verweis politisch koscher und tragfähig, so z.B. ein Kommentar in der (eigentlich Anti-Trump) Washington Post, wo ein Autor zwar die Maßnahmen und das Nicht-Rausgehen als sehr schädlich für das Immunsystem analysiert, aber dann politisch die Demokraten attackiert wie den Gouverneur von Virginia, der im Zuge der Coronakrise ein Waffenkontrollgesetz verabschiedet habe.

Auch Interviews mit problematischen rechten oder Querfront Medien wie Servus TV, Rubikon oder KenFM sind ärgerlich, sollten aber dem liberalen Bhakdi wie auch einigen anderen, die keine Rechten sind oder je waren, nicht angelastet werden. Der Mainstream ist so fanatisch und unwissenschaftlich – namentlich ARD und ZDF, die Faktenchecks auch zu Bhakdi gemacht haben, die mit Forschung nichts zu tun haben, dafür mit Agitation und dem Abwehren eines seriösen wissenschaftlichen Diskurses eines langjährigen Universitätsprofessors im Bereich Infektionskunde –, dass vielen Kritikern kaum andere als diese Orte zur Verfügung stehen.

Dabei sind Bhakdi und Reiss alles nur nicht rechts oder Querfront, das ist völlig absurd – sie machen dafür einige auch lustige polemische Bemerkungen. So gehen sie auf den starken MANN ein und meinen, das einzige was noch fehle, sei ein bayerischer Ministerpräsident Markus Söder, der mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd durch den Bayerischen Wald reitet – so wie das Putin in Russland zu tun pflegt. Das ist eine köstliche Pointe gegen die Putinfreunde der Querfront wie Ken Jebsen und viele andere.

Sucharit Bhakdi und Karina Reiss haben ihr ganzes Unverständnis der absurden, wissenschaftlich unhaltbaren und politisch katastrophalen „Maßnahmen“ in der Coronakrise wunderbar eloquent, scharf und würzig aufgeschrieben. Ihr Buch „Corona Fehlalarm?“ ist ein must-read für alle, denen die Demokratie, das Selberdenken und die Zukunft der Kritik am Herzen liegen. Da wegen der Krise viele Tausend, ja Zehntausende Operationen verschoben wurden, werden es nicht mehr alle lesen können, die es gerne gelesen hätten.

Denn der Zynismus unsrer Tage lautet ja wie folgt:

‚Wir tun alles, damit kein Mensch an Corona stirbt. Ob die Menschen dafür an anderen Krankheiten sterben, die dem Verschieben von not-wendigen Operationen oder Vorsorgeuntersuchungen geschuldet sind, oder ob sie sich aus Verzweiflung umbringen, das ist Pech, das sind die Kollateralschäden der Regierungspolitik. Hauptsache die jeweilige Person ist nicht an Corona gestorben, nur darum geht es!‘

Dass das Leben, das nackte Leben ohne Theater, Wissenschaft, Kino, Clubs, Bars, ohne Besuche auf der Palliativstation, wo die Schwester oder der Onkel im Sterben liegen, zu schützen sei, ist die größte Lüge des 21. Jahrhunderts. Es ist auch die größte Heuchelei, weil es nicht einem Politiker um die Rettung von Menschenleben ging, sondern um das größte Gesellschaftsexperiment seit 1945:

Wieviel Freiheitsentzug tolerieren die Menschen, ja wie schnell internalisieren die Bürgerinnen und Bürger die unglaublichsten, unwissenschaftlichsten Maßnahmen und denunzieren die wenigen kritisch und selbst denkenden Bürgerinnen und Bürger? Dieses Experiment ist aus Sicht der Politik, des Robert-Koch-Instituts oder der Charité geglückt.

Zerstört wurde die Demokratie, wie wir sie kannten, mit all ihren Fehlern, Macken und Unzulänglichkeiten. Die „neue Normalität“ ist antidemokratisch, pusht den Überwachungs- und Polizeistaat, macht also aus der ganzen Welt ein einziges China, mit Ausnahme von Schweden natürlich. Schwedens Todesrate lag auch ohne Lockdown unter der von Italien, Frankreich oder Spanien, wie die beiden Autor*innen grafisch unterstreichen

Screenshot aus dem Buch „Corona Fehlalarm?“ (E-Book)

, was ein weiterer Beweis ist, dass der Lockdown in seiner besonders krassen Form wie in diesen Ländern, überhaupt gar nichts gebracht, dafür das soziale Gefüge einer Gesellschaft zerquetscht hat.

Doch es gibt eben weiterhin und immer lauter hörbar die Kritiker*innen, Hendrik Streeck, Peter Gaidzik, Gunter Frank, René Schlott, viele andere Autor*innen und jetzt das Buch von Karina Reiss und Sucharit Bhakdi.

Corona war ein Fehlalarm, doch die philosophische Tiefe des Problems bleibt großteils ein Desiderat der Forschung: die unfassbare Panik der Menschen vor dem Tod, wissend, dass nur alte Menschen krank werden und einige von ihnen sterben, weil sie ohnehin am Ende ihres Lebens angekommen waren und auch andere Viren diesen Todesstoß versetzt hätten (Influenza).

Der unsouveräne Maskenwahnsinn und das Internalisieren dieses grotesken Vermummungsfetischismus zeigt, mit was für ich-schwachen Persönchen wir es seit jeher zu tun hatten. Wer die philosophische-existenzialistische Dimension des grassierenden Corona-Massenpanikwahnsinns erkennen möchte, lese das Geleitwort von Rebecca Niazi-Shahabi zu unserem Band „Corona und die Demokratie“.

Oder (mögliche) Kritiker äußern sich als DJ wie Michael Wollenhaupt (ob er auf Corona anspielt im Intro zu diesem Video von Anfang Mai 2020, sei also dahingestellt): „Gerade die sogenannten Gesunden sind es, die die Welt so weit gebracht haben, an den Rand der Katastrophe.“

Bhakdi und Reiss resümieren:

Die durch das SARS-CoV-2-Virus ausgelöste Erkrankung gefährdet insbesondere ältere Menschen mit mindestens einer ernsten Vorerkrankung. Je nach Land und Region verlaufen insgesamt 0,02 bis 0,4 % der Infektionen tödlich, vergleichbar mit saisonaler Grippe. Die Epidemie stellte nie ein Infektionsgeschehen von nationaler Tragweite dar. Die Implementierung der Ausnahmeregelrungen des Infektionsschutzgesetzes waren und sind unbegründet. (…) Nun stehen wir vor einem riesigen Trümmerhaufen. So unnötig, so sinnlos, so traurig.

Kurz und knackig:

Covid-19 ist eine Krankheit, die vom Virus SARS-CoV-2 ausgelöst werden kann.

Covid-19 ist gefährlich – aber nicht gefährlicher als die Grippe.

Warum? Weil Covid-19, was von Anbeginn in China deutlich war, nur alte und vorerkrankte Menschen betrifft. Die Grippe (Influenza) kann auch Kinder, Schwangere, Babys oder pumperlgesunde 29jährige töten.

Wenn Covid-19 nicht kategorial anders oder gefährlicher ist als die Grippe, dann war der Lockdown der größte politische Fehler in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Dafür gibt es Verantwortliche.

Der philosophische Kern jedoch ist die panische Angst vor dem Tod, die in wenigen Tagen unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt bzw. zerstört hat.

Wenn die Gesellschaft das nicht reflektiert, wird es jeden zweiten, siebten oder zehnten Winter solche Lockdowns geben, weil die Grippe – nehmen wir 1970 oder 2018 – weit tödlicher sein kann als Covid-19.

Damit würden (oder werden) wir in einem Polizeistaat auf Abruf leben. Schon jetzt patrouillieren Polizist*innen auf Pferden oder in Autos auf abgelegensten Seitenstraßen oder Parks – anlasslos, einfach um zu zeigen: wer sich hier falsch verhält wird bestraft, die Polizei hat jetzt das Sagen, nicht mehr die Demokratie.

Das wird im Technikfaschismus der Zukunft via Apps, 24/7-Überwachung, Drohnen-Ausspähen von allen Räumen überall, noch viel dramatischer werden können – wenn sich dagegen nicht endlich Widerstand regt.

Das Buch von Sucharit Bhakdi und Karina Reiß ist ein herausragender, wissenschaftlich wie politisch ungeheuer wichtiger, mutiger Beitrag zur Rettung der Demokratie und möchte offenkundig auch jene erreichen, die in wenigen Tagen, Wochen und Monaten verlernt haben, was es heißt, den eigenen Verstand zu benutzen.

Daher werde ich in diesen anti-aufklärerischen Zeiten mit Immanuel Kant schließen:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Germany alone started WW II – Why is TOI running riot against Yad Vashem?

Dr. Clemens Heni, The Times of Israel (Blogs) |Feb 10, 2020, 6:34 PM

In an article for the Times of Israel (TOI), journalist Sam Sokol, with the help of JTA and TOI staff, chastises Holocaust memorial museum Yad Vashem in Jerusalem, for supposedly inaccurate or even “revisionist” videos, screened at the 5th Holocaust Forum at Yad Vashem on January 23, 2020, commemorating the 75th anniversary of the liberation of Auschwitz. Sokol’s article “Scholars urge transparency to restore Yad Vashem credibility after Putin fiasco” raises questions about the quality of TOI’s journalism as well as about the political culture of Holocaust remembrance in Israel and among Jews.

I am not talking about the speeches or remarks at the event (including troubling facts or completely false numbers of Jewish victims in the Soviet Union by Putin in his speech) in question on January 23, 2020, at the 5th World Holocaust Forum. I am only analyzing the major video of that day (7:45 minutes), which is now attacked by the Times of Israel and Sam Sokol and many others, quoted in Sokol’s piece.

We already know about the attempts of gentiles to distort the Shoah. It started shortly after 1945, when Germans compared Auschwitz to the bombing of Dresden. Then, historian Ernst Nolte wrote in the 1970s that Stalin was first, not Hitler and the Germans. This Red equals Brown has become a major ideology of the European Union in the last few decades.

In 1997, French anti-communist (former Maoist) Stéphane Courtois edited the “Black Book of Communism,” claiming that communism killed many more people than Nazism and the Germans: Communism was worse than the Shoah – that is the antisemitic ideology of that kind of people. Those people deny the unprecedented character of Auschwitz, Sobibor and Treblinka, where for the very first time in world history, an entire people was chosen to be eliminated: Germans wanted to eradicate Jews and Judaism from the earth. They almost succeeded and killed six million Jews in the Holocaust. Post-colonialism, for those interested in the field, follows an equally troubling denial of the unprecedented character of the Shoah, by the way.

In 2008, the Prague Declaration, signed by Vaclav Havel and Joachim Gauck, along with Czech, Lithuanian and other politicians and activists, urges the EU to rewrite all textbooks and to warn everyone about the evils of both Nazism and Communism. That downplaying of National Socialism is common among many in Europe and the US.

Professor Dovid Katz dealt extensively with the dangerous “double Genocide ideology” of the Prague Declaration, Baltic politics and European activists alike.

It is to some extent news, however, that Jews and Israelis join the chorus of downplaying the role of Nazi Germany when it comes to the Second World War. Sokol claims that the Soviet Union holds a co-responsibility for the outbreak of WWII because of the Hitler-Stalin-Pact from August 23, 1939. That is a lie, though – as Germany wanted to invade and destroy Poland and the Soviet Union and other states in the East anyway. Realpolitik did not change Hitler’s and Germany’s intention to invade Eastern Europe and to kill European Jews, who were seen behind both Western capitalism and Eastern communism.

While it is unclear how many and which videos he talks about, the main video of that event is linked in the article. It is a 7:45 minute video about the development of German antisemitism and the rise of Nazi Germany to power. The video depicts some famous Jews like Einstein, Freud and Walter Benjamin to emphasize the role Jews played in European culture prior to World War II.

It shows how antisemitism spread in Nazi Germany, from boycotts (1933) and harassment to racial laws, the nights of pogroms (Nov. 9, 1938) to deportation, ghettos, starving, torture, murder and extermination. It then shows Sir Winston Churchill who spoke about the importance to stand “together” against Germany.

Then, the video deals with the fact that only an allied pact of the West and East, the US, Great Britain and the Soviet Union was able to fight, stop and finally defeat National Socialism. Correctly, the video says that the Red Army was the first one to fight back against the Germans.

From the time of the Nazi invasion of the Soviet Union in June 1941 through to the first landings at Normandy in June 1944, millions of Soviet troops and citizens perished in the battle to push the Nazi armies back. D-Day, June 6, 1944, is correctly shown as the start of the major Western front against the Germans, alongside the Eastern front and the Soviet Union that had been fighting effectively from later 1941 onward.

On July 24, 1944, the Red Army liberated the extermination camp of Majdanek, without realizing, before their entry, the unspeakable catastrophe of the Holocaust that transpired there. Then, the Holocaust of Hungarian Jews in some two months in 1944 is reported, with 450.000 Jews being exterminated. Tens of thousands of Jews would then die in the death marches (from the camps westward to Germany).

The video clearly shows the Allies working together in the liberation of Europe. The Red Army liberated Auschwitz-Birkenau, the US Army Buchenwald and Dachau. British troops liberated Bergen-Belsen. The fall of Berlin (to the Soviet and American armies) and the liberation of Theresienstadt ended the war against Nazi Germany.

I had seen that video — which is linked in the TOI article by Sam Sokol —when it was screened in Jerusalem via the Yad Vashem livestream. I have watched it again now: What is the problem with that accurate video? As in any concise synopsis, many things are of necessity left out. But, it rightly explains how the Allies, including, and most importantly in the actual history as it unfolded, the Red Army, liberated Europe from Nazi Germany and indeed, how Auschwitz was liberated on January 27, 1945.

Obviously Holocaust distorting people with a political agenda to “equalize” Nazi and Soviet crimes as per the far right’s campaign led by East European governments, now notice that the Hitler-Stalin pact of August 23, 1939, is missing. Well, for that matter, so are the capitulations of Chamberlain at Munich and all the others. It has nothing to do with January 27, 1945.

Some might see Yad Vashem as nothing but a loudspeaker of Bibi Netanyahu, and I share skepticism about his policies, no doubt about this. However, this is a huge fight about how to commemorate the outbreak of WWII.

If Sokol and his allies succeed in saying that it HAS TO BE MENTIONED that there was the Hitler-Stalin pact when it comes to Auschwitz – antisemitism has succeeded in bringing even Jewish and Israeli scholars and activists in line with right-wing extremist revisionism.

Why? Because that is an antisemitic and far-right revisionist narrative, modified in fine Western style from its far-right East European originators by historian Timothy Snyder, former German President Joachim Gauck and right-wing extremist historians such as Jorg Baberowski of Germany.

The same people say that fact that Poland was occupied by the Soviets is missing!

Yes, after war’s end, completely true. But what has that got to do with a film about defeating Nazi Germany and liberating Auschwitz?

To focus on crimes by Stalin not as a separate issue, but mixed up with the Holocaust, is wrong and historically misleading. It is precisely what German antisemites since Ernst Nolte tried to pursue: both sides are evil, Nazis and Communists, everything is the same, one big mishmash.

Stalin committed many horrendous crimes. These crimes, though, have literally no place in a video dedicated to the liberation of Auschwitz-Birkenau. The video does not focus on the failure of the US or Great Britain. – It could have mentioned the widespread antisemitism in America and Britain, the closure of the US border as well as Palestine by the British.

However, the aggressive tone of Sam Sokol and many historians he quotes – from Deborah Lipstadt to Dan Michman and even Efraim Zuroff – speaks volume about the intention to follow the revisionist narrative: Red equals Brown. Sokol goes so far and writes:

The videos presented at the ceremony — which was attended by dozens of world leaders, among them Russian President Vladimir Putin — focused almost exclusively on the Soviet Union’s role in defeating the Nazis, while downplaying the role of America, Britain, and other countries. They also failed to mention Joseph Stalin’s deal with Adolf Hitler in the Molotov–Ribbentrop Pact that preceded the war, Russia’s occupation of parts of Poland, and other facts uncomfortable for Moscow.”

As shown, that is simply incorrect – that video does indeed emphasize the role of the allies! Watch it and you will see.

If Jews now start using anti-Jewish historical revisionism such as that of Ernst Nolte, claiming that Stalin was first or at least as evil as Hitler – then Yad Vashem should stand strongly and clearly against the revisionists.

This is not about belittling the evil intentions of the Stalin-Hitler pact. It is about the misrepresentation by that pact by those in the far right East European antisemitic camp, and their followers in the West, to elevate it to a Holocaust-grade event as part of the effort to downgrade the Holocaust. Many Jews are alive today in Eastern Europe and beyond because from Sept 1, 1939 onward, their forebears escaped from the Nazi to the Soviet held sectors.

It is time for the West, Israel and Yad Vashem to understand which modes of discourse signal the very revisionism that is anathema to all that Yad Vashem stands for.

Finally, let me teach you a lesson about fascism in the 21st century: a few days ago, February 5, 2020, the fascist Björn Höcke and the right-wing extremist Alternative for Germany (AfD) voted in favor of the candidate for the head of the State of Thuringia (some 2 million inhabitants) from the conservative-libertarian FDP, a no-name called Kemmerich. Mr. Kemmerich even accepted the vote after it was clear that he did only win because of the votes by the fascists. Shake-hands with wannabe-Goebbels Björn Höcke followed. Shockwaves through the democratic parts of Germany. That was the first time that a Nazi like party voted for a Prime Minister of a German state since 1945 and their vote was crucial. A few days later, the FDP politician had to resign, due to political pressure from the ruling Christian Democratic Party and the FDP, while both parties had supported Kemmerich just a few hours before!

The main reason for the Conservatives and the libertarian-conservatives to vote alongside with the fascists of the AfD was to avoid the left-wing Prime Minister of Thuringia, Bodo Ramelow from the Party of the Left, who is rather a Social Democrat. The fascists and conservatives frame him as “communist” or “socialist” and preferred fascism over communism or socialism.

Those Israeli journalists or Jewish-American and other historians who claim that the Soviet Union allegedly played a pivotal or any role in the outbreak of World War II follow the very same kind of what I call “existential anti-communism.”

Those who want so speak about the crimes of communism when asked about the liberation of Auschwitz, distort the worst crime in history and follow antisemitic revisionism.

The video in question by Yad Vashem is a video dedicated to teach a big audience about the liberation of Auschwitz and that video is correct in not at all focusing on Soviet policies in other aspects, it does equally not focus on the failure of the US and Great Britain to stop Hitler and the Germans long before September 1, 1939.

Sam Sokol seems to be following the very European antisemitic trope of equating Red and Brown and I am wondering why and if historians such as Deborah Lipstadt (““I am absolutely heartbroken that Yad Vashem, which has such a stellar reputation and stayed above the political fray, should have become part of this politicization of history,” she lamented), Dan Michman (“Unfortunately, the short films that accompanied the event, and especially the film that was meant briefly to present the key points of World War II and the Holocaust, included a number of inaccuracies that resulted in a partial and unbalanced presentation of the historical facts”), or Efraim Zuroff (“Yad Vashem has never engaged in Holocaust distortion; exactly the opposite,” commented Efraim Zuroff, a Nazi-hunter who runs the Simon Wiesenthal Center’s Jerusalem office, surmising that the “material was not reviewed by the leading historians of Yad Vashem” before being presented publicly”) play that game, as he quotes them accordingly.

It is not by accident that historian Dina Porat did not say anything in public so far, which is sad, because she could perhaps tell us a different story about that very video by Yad Vashem.

Nazi Germany was all alone responsible for the outbreak of World War II.

Germans wanted the war, they wanted to invade Poland, the Soviet Union and all of Europe. They wanted to eradicate Jews and Judaism from the earth.

To even mention Soviet or other realpolitik when it comes to the anniversary of the liberation of Auschwitz-Birkenau and to insinuate September 1, 1939 was not Germany’s responsibility alone, promotes an old right-wing extremist lie.

Everybody who rejects the historical truth of the German and only German guilt of starting World War II is part of the problem.

Dovid Katz puts it splendidly:

While the Soviets’ 1939 invasion of eastern Poland was one of thousands of disgraceful and contemptible invasions in world history, it was not “the same” as Hitler’s 1939 invasion of western/central Poland. In the German sector, Hitler’s forces unleashed the Holocaust, the worst genocide in the history of humankind. In the Soviet sector, all of the various peoples were granted full equality to live equally under (lousy, autocratic, freedom-stifling, wealth-stealing) Soviet law. Any Jew that could flee to the Soviet sector was quick to do so. Many thousands of Jews today exist on the planet precisely because their parents, grandparents and others fled to the Soviet sector.

 

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