Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: Januar 2010

Mitgliedsnummer 1884319

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Achse des Guten.

In einem Interview mit der Berliner Zeitung sagt Wolfgang Benz am 25.01.2010:

„Mein Doktorvater war als junger Mensch offensichtlich in der NSDAP. Als er 1947 habilitierte und wenig später einen Lehrstuhl bekam und mich 1965 als Doktorand annahm, da war er nun wirklich kein Nazi, sondern ein hochangesehener liberaler Gelehrter. Und wenn jetzt irgendein Dummkopf auf die Idee kommt, ich hätte bei einem Nazi studiert und NS-Gedankengut aufgeschnappt, dann ist das einfach nur perfide.“

Nun, Benz fantasiert wenn er insinuiert, es sei gesagt worden, er selbst habe „NS-Gedankengut aufgeschnappt“. Das hat bislang niemand behauptet. Das Interview in der BZ zeigt jedenfalls klar, dass Benz bis heute kein Problem mit Karl Bosl hat, ja das Wort „offensichtlich“ scheint geradezu anzuzeigen, dass Benz überhaupt keine Ahnung über die intensive Nazi Vergangenheit seines eigenen verehrten Doktorvaters hat. Benz beschimpft mich als „irgendein[en] Dummkopf“. Eine souveräne, seriöse Reaktion auf wissenschaftliche Kritik hört sich anders an.

Wer war Karl Bosl (1908-1993)? Noch 1990 in einem langen Interview, sagte er „Ich war nirgends dabei, damals“. Diese Lüge ist offenbar, trug er doch die NSDAP Mitgliedsnummer 1884319, wie die Historikerin Anne Christine Nagel 2005 in ihrer Habilitationsschrift schreibt. Benz sollte also zugeben, dass sein Doktorvater gelogen hat. Das ist Punkt eins.

Punkt zwei geht weit darüber hinaus: Bosl war nicht nur Mitglied der NSDAP, vielmehr auch der SA, sowie des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB), später, 1938, bewarb sich Bosl beim berüchtigten Ahnenerbe der SS und dessen Projekt „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“.

Bosl wurde mit ca. 100 Reichsmark monatlich (so die Durchschnittsbezahlung) von der SS bezahlt, nachdem der Sicherheitsdienst (SD) ihn für einen guten und im Sinne des Nationalsozialismus forschenden Historiker eingestuft hatte. Der Historiker Bernd-A. Rusinek publizierte zu Bosl im Jahr 2000 und kritisierte die ‚Treue‘ Bosls zu Hitler und dem Nationalsozialismus, weil der damals 36jährige Karl Bosl noch am 16. und 17. Januar 1945 im Geburtshaus des „Führer“ in Braunau am Inn an einer Tagung von Historikern teilnahm.

Sich mit diesen Fakten gerade als Leiter eines Zentrums für Antisemitismusforschung über die Jahrzehnte hinweg nicht zu befassen, indiziert ein Versagen.

Bosl promovierte und habilitierte bei Karl Alexander von Müller, und rühmte sich dessen in einem Brief an die SS im Jahr 1942. In der Tat: Von Müller war nicht nur gut bekannt mit Hitler seit den frühen 1920er Jahren, sowie aktiv im direkten Umfeld des Hitler-Putsches vom 9. November 1923 (er war ein Freund von Theodor von der Pfordten), er protegierte in der Weimarer Republik auch antisemitische Akademiker wie Walter Frank, der 1927 bei von Müller über den antisemitischen Hofprediger Adolf Stoecker promovierte.

Am 19. November 1936 eröffnete Frank die „Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands“ an der Universität in München, von Müller hielt eine Ansprache und lobte einen „wissenschaftlichen Wettbewerb“ zu der Frage „die Geschichte des Hofjuden-Systems“ aus. Dieses Institut trug auf seine Weise zum späteren Holocaust bei. Ungefähr zu dieser Zeit, Ende 1936, wurde Karl Bosl Doktorand bei Karl Alexander von Müller, bei dem er wenig später promovierte (mündliche Prüfung am 23. Juni 1938). 1964 gab Bosl eine mit enthusiastischen Dankesworten gespickte Festschrift zum 80. Geburtstag für von Müller am 20. Dezember 1962 heraus. Seilschaften nennt man das.

Punkt drei: Am 12. Mai 1964 sprach Karl Bosl in Nürnberg im Rahmen des „Sudetendeutschen Tages“ über „Nürnberg – Böhmen – Prag“ und beschuldigte die Tschechoslowakei einer „radikalen Endlösung des deutschen ‚Problems‘ nach hitlerschem Modell“. Dieser Vortrag wurde vor dem damals vom Bundesministerium des Innern als rechtsextrem eingestuften „Witikobund“ gehalten und auch im Eigenverlag des Witikobundes e.V. gedruckt. 1965 wurde Wolfgang Benz Doktorand bei Karl Bosl und ehrte seinen Doktorvater sowohl 1983 als Teil einer umfangreichen Tabula Gratulatoria, als auch 1988 in einer zweibändigen Festschrift mit einem Beitrag.

Die drei erwähnten Gesichtspunkte zeigen Folgendes: Spätestens als die Geschichtswissenschaft anfing, sich intensiver mit den Biografien deutscher Historiker im Nationalsozialismus zu befassen, wie auf dem Historikertag 1998, hätte auch Benz anfangen müssen, seinen eigenen Doktorvater zu hinterfragen. Was hat Benz zwischen 1965 und 2010 bezüglich Karl Bosl erforscht, wo doch bis in die jüngste Vergangenheit Veranstaltungsplakate in ihren kurzen Ankündigungstexten damit werben, Benz habe 1968 bei Karl Bosl promoviert, so als sei das eine besonders erwähnenswerte Leistung?

Karl Bosl war im Alter von 24 bis 36 aktiver und engagierter Nationalsozialist. Bis zu seinem Tode hat er das verleugnet. Benz spricht davon, Bosl sei als „junger Mensch“ NSDAP Mitglied gewesen. Das ist eine Falschaussage. Als „jung“ gilt gemeinhin ein Mensch bis zum Alter von 21 Jahren. Doch im Alter von 36 Jahren NSDAP-, SA- und NSLB- Mitglied zu sein, sowie kurz zuvor in einem Projekt der SS mitgearbeitet zu haben und im Geburtshaus des Führer eine akademische Tagung mitmachen, wenige Tage bevor die Rote Armee Auschwitz befreite, ist Beweis genug, zu sagen, dass Karl Bosl ein völlig überzeugter und aktiver Nationalsozialist war bis 1945, wenigstens.

Wie „liberal“ (so Benz) war Karl Bosl in den 1960er Jahren, wenn wir uns seine Aktivitäten im rechtsextremen und antisemitischen Witikobund dieser Zeit näher anschauen? Die Rede von einer „Endlösung“ des „deutschen Problems“ von Bosl im Jahr 1964 ist typisches Muster der Schuldprojektion: die wirkliche „Endlösung“, die Shoah, wird auf die Opfer, hier auf die von den Deutschen annektierte Tschechoslowakei, übertragen und den Opfern die gleichen Methoden der Vernichtung von Menschen vorgeworfen wie Hitler. Das ist eine Schuldprojektion und Schuldabwehr, beides typische Muster des sogenannten „sekundären Antisemitismus“, eigentlich ein Aufgabenfeld des ZfA mithin. Benz schweigt.

Benz sieht sich selbst als Opfer von „Hass“, ein Indiz, dass er mit Kritik nicht angemessen, selbstkritisch oder wissenschaftlich umgehen kann. Mittlerweile wird Benz auch von bekannten Kollegen wie den deutsch-jüdischen Historikern Prof. Julius H. Schoeps vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam oder Prof. Michael Wolffsohn von der Universität der Bundeswehr in München in Frage gestellt. Schoeps wirft er vor, dieser könne nicht richtig lesen.

Ich frage mich, was die wissenschaftlichen Angestellten, Assistenten, Projektmitarbeiter und Kollegen am ZfA wissenschaftlich tagtäglich tun. Offenbar haben weder Bergmann, noch Wetzel, Königseder, Widmann, Mihok, Kohlstruck, Baganz, Körte, Schooman oder Haar je mit Benz über dessen Nazi Doktorvater gesprochen. Dabei wurden doch auch im geschichtswissenschaftlichen Mainstream, dem Internet-Portal H-Soz-Kult, längst kritische Fragen zu Bosl gestellt. So wunderte sich die Historikerin Adelheid von Saldern im Jahr 1999 in einem Interview, warum denn niemand kritisch nachforsche, was Karl Bosl  im NS gemacht hat, es sei zumindest sehr auffällig und verdächtig, dass Bosl im Jahr 1964 die erwähnte Festschrift für Karl Alexander von Müller herausgab. Darüber hinaus hat auch der Historiker Rusinek auf H-Soz-Kult im Jahr 2003 in einer Rezension gefragt, warum in einem Personenlexikon zum Nationalsozialismus der Name Karl Bosl immer noch fehle. Alles Hinweise, sich mit diesem Mann näher zu befassen, doch das ZfA versagt auch an diesem Punkt, obwohl es doch jüngst erst ein Handbuch des Antisemitismus, Band 2 Personen, publiziert hat.

Offenbar beleidigt Benz lieber Kritiker als „Dummkopf“, anstatt sich mit der Geschichte des Antisemitismus, Nazismus und Rechtsextremismus seines eigenen, „verehrten“ Doktorvaters Karl Bosl zu befassen.

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Autor. Zuletzt publizierte er das Buch „Antisemitismus und Deutschland. Vorstudien zur Ideologiekritik einer innigen Beziehung“

Ein Nazi und sein Schüler – Karl Bosl und Wolfgang Benz

Von Dr. phil. Clemens Heni, 15.01.2010

 

Am 11. November 2008 wurde in der oberpfälzischen Stadt Cham der Prof.-Dr.-Karl-Bosl-Platz feierlich eingeweiht(1), am 6. Juli 2009 wurde vom Bayerischen Philologenverband erstmals die Karl-Bosl-Medaille verliehen(2), und für den 26. November 2009 wurde eine Veranstaltung mit dem Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA), Wolfgang Benz, mit den Worten angepriesen, Benz habe 1968 bei Karl Bosl promoviert.(3) Karl Bosl ist also en vogue und scheint ein echter deutscher oder gar bayerischer Held gewesen zu sein.

„Erinnern oder Verweigern“ heißt eine Ausgabe der „Dachauer Hefte“, die von Barbara Distel und Wolfgang Benz 1990 herausgegeben wurde. Kaum ein Wissenschaftler oder Journalist hat sich offenbar je gefragt, wo Wolfgang Benz wissenschaftlich groß geworden ist. Wo hat der Mann promoviert und bei wem? Wer selbst promoviert hat oder mit Freunden und Kollegen darüber spricht, weiß: Es ist ein sehr bewusster Prozess, bei wem man schließlich seine Doktorarbeit schreibt.

Wolfgang Benz hat 1968 in München beim 1908 geborenen Mittelalterhistoriker Karl Bosl promoviert.(4) 1988 erschien anlässlich des 80. Geburtstages von Bosl eine Festschrift; Benz ehrte dort wie selbstverständlich den Jubilar mit einem Beitrag.(5) Bereits 1983 war er – wie der selbst ernannte Faschist Armin Mohler und der nationalsozialistische Historiker und antisemitische „Ostforscher“ Theodor Schieder – Teil der umfangreichen Tabula Gratulatoria, als Bosl seinen 75. Geburtstag feierte. Das ist durchaus bemerkenswert, denn keineswegs alle ehemaligen Schüler von Karl Bosl verehrten ihren Doktorvater weiterhin: Ein Freund von Benz beispielsweise, der Historiker Falk Wiesemann, der insbesondere zur deutsch-jüdischen Geschichte forscht, hat sich jedenfalls nicht in die Gratulantenschar von 1983 eingereiht.(6)

2009 wurde dann, wie erwähnt, für eine Veranstaltung mit Benz in Aalen (Baden-Württemberg) offensiv damit geworben, dass Bosl der Doktorvater von Benz war. Üblicherweise sehen Referenten Ankündigungstexte, -plakate etc. vorab, das heißt: Benz hätte intervenieren können oder sogar müssen, wenn es ihm unangenehm oder peinlich gewesen wäre, gerade als Leiter des ZfA zu betonen, aus wessen Hand er seinerzeit den Doktortitel erhielt.(7)

Hat Wolfgang Benz also kein Problem mit Karl Bosl?
Bosl trat 1933 in die NSDAP und in die SA ein; zudem wurde er Mitglied im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB). Er bewarb sich für das 1938 ausgeschriebene Projekt des „Ahnenerbes“ der SS mit dem Thema „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ und wurde angenommen, wie der Historiker Bernd-A. Rusinek im Jahr 2000 berichtete. Bosl gehörte zum „nationalsozialistischen Mainstream“ dieses SS-Projekts, wie Rusinek in einem wissenschaftlichen Aufsatz feststellte.(8)

Am 27. Januar 1945 wurden die wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz von der Roten Armee befreit. Kurz zuvor, am 16. und 17. Januar 1945, hatten sich einige Historiker des nationalsozialistischen Deutschland zu einer Tagung getroffen.(9) Mit dabei war auch der damals 36jährige Historiker Karl Bosl, wie Rusinek herausfand:

 

„Bosl beteiligte sich auch an der vermutlich letzten Historikertagung des ‚Dritten Reiches‘. Diese wurde im wesentlichen von Theodor Mayer organisiert und fand am 16. und 17. in Braunau am Inn statt – nirgends anders als im Geburtshaus des ‚Führers‘. Tagungsthema waren ‚Probleme der Siedlungs – und Verfassungsgeschichte der baierischen Stammesgebiete‘. Karl Bosl referierte über den ‚Landesausbau im baierischen Raum‘, Otto Brunner über ‚Entstehung einer österreichischen Geschichtsauffassung‘. Ein Kollege, Privatdozent, von dem Mediävisten Gerd Tellenbach nach der ‚Machtergreifung‘ erstaunt darauf angesprochen, warum er denn in die ‚Partei‘ eingetreten sei, formulierte das klassische Opportunisten-Credo: ‚Man möchte doch auch einmal einen Ruf haben.‘ Aber – und damit wird eine subjektive Einschätzung formuliert – es geht über dieses Maß erheblich hinaus, wie Bosl noch im Frühjahr 1945 in Hitlers Geburtshaus an einer Historikertagung teilzunehmen.“(10)

Weiter schrieb Rusinek:

„Nach Bosls Selbstäußerungen, nach der SD-Einschätzung wie nach seinen Aktivitäten weist alles darauf hin, daß er bis Frühjahr 1945 ein bekennender Nationalsozialist gewesen ist.”(11)

Der SD hatte über Bosl bei „der Bewerber-Vorauswahl“ des SS-Projektes recherchiert und war zu dem Schluss gekommen:
„Bosl (bes. geeignet:+ /Parteigen.:+ /W’ansch.:+ / Bemerk.: einsatzfähig wiss. Nachwuchs).“(12)

Karl Bosl war ein hoch angesehener Historiker; er ist einer der bekanntesten Mittelalterhistoriker bis heute, nicht nur in Deutschland. Hätte Benz sich einmal die Mühe gemacht, die Sprache von Bosl nach 1945 mit seinen Quellen und Ideologemen vor 1945 zu vergleichen, dann hätte er merken können, was Rusinek analysierte:
„Der Untertitel ‚Sozialgeschichte‘ dieses 1949 veröffentlichten Beitrages(13) läßt die Technik des Wissenschaftlers erkennen, Fragen von gestern gleichsam neu zu formatieren und in ein nunmehr opportunes Theoriedesign zu rahmen. (…) Als Bezugsautoren fungieren Brunner, Bosls Mit-Referent auf der bemerkenswerten Historikertagung vom Januar 1945 im Geburtshaus des ‚Führers‘, Mitteis sowie Bosls Habilitations-Gutachter von 1944, Theodor Mayer“.(14)
1963 gab Bosl einen Festband für Theodor Mayer heraus – einen im nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb sehr aktiven Historiker –, gespickt mit einem gleichsam enthusiastischen Text zu dessen 80. Geburtstag.(15)

In einem Interview wurde Bosl 1990 unter anderem über die Zeit des Nationalsozialismus befragt. Bosl log nachgerade wie gedruckt und stellte sich gar als Widerstandskämpfer dar. Er zeigte keinerlei Reue und schwieg einfach über seine Mitgliedschaften in der NSDAP, der SA und dem NSLB und zu seiner Mitarbeit in einem Projekt des „Ahnenerbes“ der SS. Schlimmer noch – er sagte:

„Diese Wanderjahre habe ich eigentlich in aller Stille verbracht, ich hab mich überall zurückgezogen, denn von zu Haus aus hat die antihitleristische Haltung meines Elternhauses bei mir schon sehr stark nachgewirkt. Und ich hab meine Doktorarbeit gemacht. Ich war nirgends dabei damals, ich hab meine Doktorarbeit gemacht, und ich habe im Jahre 1938 dann in München promoviert und hab mich dann sofort entschlossen, nachdem das sehr gut gelang, Karl Alexander von Müller zu bitten, mich als Habilitanden anzunehmen.“(16)

Bosl sprach also die Unwahrheit über seine Zeit im Nationalsozialismus und über seine Mitgliedschaften und Aktivitäten in nationalsozialistischen Organisationen – doch Wolfgang Benz kümmert das bis heute nicht. Bosl betrieb eine Derealisierung, das heißt eine Entwirklichung der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit. Das ist eine typische Form des sekundären Antisemitismus, der eigentlich zum Forschungsbereich des ZfA gehören sollte.

In einem Brief an das „Ahnenerbe“ der SS aus dem Jahr 1942, also während des Holocaust, betonte Bosl, er arbeite bzw. habilitiere „bei Prof. Karl Alexander von Müller“.(17) Bosl schrieb das mit ersichtlichem Stolz, augenscheinlich insbesondere vor dem Hintergrund, dass von Müller ein sehr einflussreicher Akademiker und Nationalsozialist war, mit Hitler gut bekannt seit den frühen 1920er Jahren, zudem Schwager eines Vordenkers der NSDAP, Gottfried Feder, sowie Doktorvater des Historikers Theodor Schieder.(18) 1964 gab Bosl eine Festschrift zu von Müllers 80. Geburtstag heraus.(19) Nazi-Seilschaften im Wirtschaftswunderland. Wenig später wurde Wolfgang Benz der Doktorand von Bosl.

1964 publizierte Karl Bosl zudem im rechtsextremen Witikobund.(20)

Aus Bosls Betonung im Jahr 1990, „damals“ „nirgends dabei“ gewesen zu sein und bei von Müller habilitiert zu haben, spricht die Unverfrorenheit, Schamlosigkeit und Feigheit eines ganz normalen Deutschen, der schon frühzeitig Mitglied in der NSDAP und anderen nationalsozialistischen Organisationen wurde. Bosl starb 1993 als geehrter Mann; Nachrufe lobten den „Historiker mit Humor“(15), heute werden Medaillen und Plätze nach ihm benannt – und der bekannteste deutsche Antisemitismusforscher lässt auf Veranstaltungsplakaten betonen, dass er bei ihm promoviert hat. Bosl wollte nicht an seine NSDAP- oder SA-Mitgliedschaft erinnert werden – wohl deshalb hat er gelogen, als er in einem Interview Auskunft über die Zeit des Nationalsozialismus geben sollte. Erinnerungsabwehr ist ein ganz einfacher Vorgang, solange niemand kritisch nachhakt.

Fakt ist also: Wolfgang Benz hat dem ehemals überzeugten Nationalsozialisten Karl Bosl, seinem Doktorvater von 1968, noch 1988 zum 80. Geburtstag gratuliert und lässt bis heute damit werben, dass er bei ihm promoviert hat. Bosl war zudem zumindest in den 1960er Jahren in rechtsextremen Kreisen wie dem Witikobund aktiv.
Dabei hätte Benz merken müssen, dass z.B. in Bosls „Bayerischer Geschichte“ (1. Auflage 1971; 7., durchgesehene Auflage 1990) der Nationalsozialismus einfach übersprungen wird, eine Leerstelle ist. Der Holocaust als Teil auch der bayerischen Geschichte wird einfach geleugnet, weil Bayern 1933 aufgehört habe, „eine eigene Staatspersönlichkeit zu sein“. Stattdessen sucht Bosl eifrig danach, ob es noch ein „besonderes bayerisches Menschsein geben kann“.(21)

Die Historikerin Anne Christine Nagel schrieb in ihrer Habilitationsschrift aus dem Jahr 2005 über Bosl:

„Bosl trat im Mai 1933 in die NSDAP (Nr. 1884319) und gleichzeitig auch in die SA ein, 1934 kam die Mitgliedschaft im NSLB hinzu. Dies nach R 21 (Hochschullehrerkartei; BDC Ahnenerbe, Karl Bosl sowie Bosl, Karl (NSLB), 11.11.08 (Technisches zur Mitgliedschaft im NSLB) sämtlich im BAB. (…)
Denn entgegen seiner Selbstdarstellung übte Bosl nach der Machtergreifung alles andere als Distanz zum Regime. Als Parteimitglied der ersten Stunde, Mitglied in SA und Leiter verschiedener nationalpolitischer Schulungslager setzte er sich vielmehr ausgesprochen aktiv für die Ziele des Nationalsozialismus ein. Begeisterter Gymnasiallehrer, der Bosl, aus ländlichem Milieu stammend, über Jahre hinweg war, spielte er eine maßgebliche Rolle im Nationalsozialistischen Lehrerbund.“(22)

Auf meine per E-Mail an Wolfgang Benz gerichtete freundliche Anfrage vom 8. Januar 2010 zu seinen Äußerungen zur politischen Biografie von Karl Bosl erhielt ich keine Reaktion.

Wussten die beteiligten Akademiker bei der Einstellung von Benz als Leiter des ZfA im Jahr 1990 von der Tatsache, dass Benz nur kurz zuvor in einer Festschrift für seinen Nazi-Doktorvater Bosl mit einem Beitrag vertreten war?

Benz ist bekannt für seine häufigen Kommentare und Einlassungen in Printmedien sowie in Film, Funk, und Fernsehen, und er versucht stets den Eindruck zu vermitteln, dass ihm die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen in jeder (!) Hinsicht ein wirklich ernstes Anliegen ist. Doch wie es aussieht, hatte er zur wissenschaftlichen und politischen Herkunft seines Doktorvaters über inzwischen mehr als 40 Jahre hinweg nichts zu sagen. Dabei ist es doch beschämend, ja, geradezu peinlich und würdelos – insbesondere als bekannter, zur NS-Zeit, zum Antisemitismus und zum Holocaust arbeitender Historiker –, einem ehemals bekennenden Nationalsozialisten zum 80. Geburtstag zu gratulieren und wenig später Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung zu werden. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der Benz 1988 für Bosls Festband schrieb, würdigt er seitdem auch Überlebende der Shoah.

1990 schrieb Wolfgang Benz in den von ihm mitbegründeten „Dachauer Heften“:

„Das Dilemma zwischen moralischen Anspruch, politischer Notwendigkeit und sozialer Realität blieb ungelöst. Die Entnazifizierung wurde für die meisten mit Erleichterung als Endpunkt verstanden, von dem an der Nationalsozialismus eine Generation lang mit kollektivem Schweigen, in weitverbreiteter Amnesie, behandelt wurde. Erst die Enkel versuchten dies Schweigen zu brechen, ihr Dialog mit der nationalsozialistischen Vergangenheit hat spät, erst Ende der 60er Jahre begonnen.“ (23)

Benz selbst hat Ende der 1960er Jahre allerdings offenbar gerade nicht geschaut, ob sein eigener Fachbereich mit Nazis besetzt war. Und wenn er es doch wusste, hat er sich nie darum gekümmert, was ein vormaliger Nationalsozialist wie Bosl (24) im NS-Staat konkret getan hat.

Nicht alle Professoren in der alten Bundesrepublik waren Ex-NSDAP Mitglieder oder arbeiteten in Projekten des „Ahnenerbes“ der SS mit. Fast zur gleichen Zeit, zu der Wolfgang Benz promovierte, reichte Gudrun Traumann in Berlin an der Freien Universität ihre Dissertation zum Thema „Journalistik in der DDR“ ein, 1969 nämlich.(25) Ihr Doktorvater war Hellmut von Rauschenplat alias Fritz Eberhard. Rauschenplat war vom NS-Staat per Haftbefehl gesucht worden und hatte sich im Untergrund den Namen Fritz Eberhard gegeben. Er war u.a. bis 1939 im „Sozialistischen Kampfbund“ aktiv. Der Co-Referent bei Traumanns Dissertation war Ossip K. Flechtheim, der nur durch seine Flucht ins Exil in die Schweiz bzw. in die USA überleben konnte. Während Benz also bei einem alten Nazi promovierte, erhielt Traumann fast zeitgleich ihren Doktortitel von Opfern und Gegnern des Nationalsozialismus.

Heute spielt Benz die Gefahr des islamischen Antisemitismus und des islamischen Dschihad insgesamt herunter, ja, er setzt Antisemitismus und „Islamfeindschaft“ – wie er offenbar jegliche Kritik am politischen Islam bezeichnet – gleich. (26) Gudrun Traumann heißt inzwischen Gudrun Eussner; sie ist eine Publizistin und Kritikerin des islamischen Dschihad, des muslimischen Antisemitismus und der ZfA-Konferenz über „Feindbild Jude – Feindbild Muslim“ von Dezember 2008.(27)

Man fragt sich nach alledem: Wie glaubwürdig ist der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung Wolfgang Benz, wenn er einem ehemaligen Mitglied der NSDAP, der SA und des NS-Lehrerbundes wie seinem Doktorvater Karl Bosl noch im Jahr 1988 in einer Festschrift gratuliert – einem Mann, der noch im Januar 1945 im Geburtshaus von Hitler an einer Historikertagung teilnahm, damit also offenbar zeigen wollte, wie eng diese Historiker zu ihrem „Führer“ standen?

Wie glaubwürdig ist Benz, wenn er noch im November 2009 eine Veranstaltung zu einem Vortrag von ihm in Aalen damit bewerben lässt, dass Karl Bosl(28) sein Doktorvater war? Was ist von einem Historiker zu halten, dem es augenscheinlich bis ins Jahr 2010 hinein nichts ausmacht, dass sein Doktorvater bei einem Projekt des „Ahnenerbes“ der SS mitarbeitete?(29)

Möchte also der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an die Geschichte des Nationalsozialismus und der aktiven Nazis im NS-Staat erinnern – oder verweigert er diese Erinnerung, sobald es an die eigene Geschichte geht?

Anmerkungen:
(1) http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=3073&pk=317550&p=1 (abgerufen am 10.01.2010).
(2) http://www.bpv.de/service/presse/2009/presse07072009.htm (abgerufen am 10.01.2010).
(3) http://www.ostalbmap.de/sixcms/media.php/26/PM459_2009Einladung-Benz.pdf (abgerufen am 10.01.2010).
(4) Wolfgang Benz (1970): Süddeutschland in der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1918–1923, Berlin: Duncker & Humblot. In der Einleitung heißt es: „Diese Arbeit ist 1968 von der Philosophischen Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen worden. Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, meinem verehrten Lehrer Professor Dr. Karl Bosl für die Anregung und Betreuung dieser Arbeit zu danken.“
(5) Wolfgang Benz (1988): Herrschaft und Gesellschaft im nationalsozialistischen Staat, in: Ferdinand Seibt (Hg.): Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag, herausgegeben im Auftrag des Collegium Carolinum von Ferdinand Seibt, München: R. Oldenbourg Verlag, S. 243-255. Der erste Satz des Artikels stehe paradigmatisch für ein Ausblenden je subjektiver Verantwortlichkeit: „Die nationalsozialistische Herrschaft gründete sich auf der Ekstase der Beherrschten“ (ebd.: 243). Der Herausgeber schweigt über die Vergangenheit von Bosl; siehe Ferdinand Seibt (1988a): Zur Gratulation, in: ders. (Hg.): Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag, Band 1, S. 9f. Benz geht nicht auf Bosl ein; der Beitrag selbst scheint Ehrung genug zu sein. Allerdings fällt auf, dass Benz in seinem knappen Text den Antisemitismus des Nationalsozialismus unter der Rubik „etliche Feindbilder“ (wie „Juden oder Bolschewisten“ bzw. „Juden, Kommunisten, zersetzenden Intellektuelle“), subsumiert, den Holocaust also nicht als präzedenzloses Verbrechen analysiert. Der Holocaust ist zwar nicht das Thema des Aufsatzes; dennoch ist diese Ungenauigkeit schon deshalb von Bedeutung, da Kommunisten auf andere Weise Opfer wurden als Juden: Kommunisten konnten sich notfalls arrangieren; der eliminatorische Antisemitismus hingegen verfolgte jeden einzelnen Juden als solchen. Der Begriff „Volksgemeinschaft“ taucht im Text von Benz ganz bewusst nur in Anführungsstrichen auf, so, als wäre die antisemitische deutsche Gesellschaft zwischen 1933 und 1945 nur am Rande oder nicht wirklich als Volksgemeinschaft aktiv gewesen. Benz geht es um „Herrschaftstechnik“, um „Propaganda“, „Regie des öffentlichen Lebens“, „Ästhetik“, „Kulthandlungen als Religionsersatz“ sowie um „die Stilisierung des Volks als Kultverband.“ Auffallend ist die weitgehende Abwesenheit von aktiven Deutschen, die den NS-Staat gestalteten.
So ist es auch kein großes Wunder, dass Wolfgang Benz 1998 auf dem 42. Deutschen Historikertag in Frankfurt am Main, wo es in großen Debatten um die Biografien von führenden deutschen Historikern während der NS-Zeit ging – wie Theodor Schieder, Werner Conze und Otto Brunner –, keine Rolle spielte. Nicht erst, aber verschärft seit diesem Historikertag sind die Lebensläufe und produzierten Ideologeme sowie die Tätigkeiten von Historikern und anderen Wissenschaftlern im Nationalsozialismus Gegenstand vielfältiger Forschungen. Dabei hätte Benz allen Grund nachzuhaken: Er selbst hat 1976 für einen dieser nun konsequent zu kritisierenden Historiker einen Gedächtnisband mit ediert: Wolfgang Benz/Hermann Graml (Hg.) (1976): Aspekte deutscher Außenpolitik im 20. Jahrhundert. Aufsätze Hans Rothfels zum Gedächtnis, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. Interessant ist u.a. – zumal angesichts der Tatsache, dass Benz heute Antisemitismusforscher ist –, dass der Großmufti von Jerusalem Hajj Amin al-Husseini gänzlich positiv und als Retter der Araber vorgestellt wird, ohne dass von seinem Antisemitismus die Rede wäre; siehe Alexandre Kum’a N’dumbe III (1976): Pläne zu einer nationalsozialistischen Kolonialherrschaft in Afrika, in: ebd., S. 165-192, hier: S. 170. Heute vertritt N’dumbe III die These, es sei ein „Genozid“, wenn an afrikanischen Universitäten auf Englisch unterrichtet wird: http://clemensheni.wordpress.com/2009/09/07/arabophile-ausstellung/
(6) Siehe die Tabula Gratulatoria in Ferdinand Seibt (1983): Die böhmischen Länder zwischen Ost und West. Festschrift für Karl Bosl zum 75. Geburtstag, München/Wien: R. Oldenbourg Verlag, S. IX-XVI. Wiesemann hat bei Bosl promoviert; in der Festschrift zum 70. Geburtstag ist er jedoch nicht vertreten, auch nicht bei den Ehrungen zum 75. oder 80. Geburtstag von Bosl. Siehe Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, Band 41, Heft 2/3, 1978, „Die in diesem Band vereinigten Aufsätze widmen die Autoren Karl Bosl zum 70. Geburtstag“.
Ein fachgeschichtlich ausgerichteter Artikel geht kurz auf Bosl ein, ohne jedoch dessen NS-Vergangenheit in den Blick zu nehmen, obwohl Bosl im NS promoviert und habilitiert hat; siehe Klaus Schreinber (1989): Wissenschaft von der Geschichte des Mittelalters nach 1945. Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Mittelalterforschung im geteilten Deutschland, in: Ernst Schulin (Hg.): Deutsche Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner, München: R. Oldenbourg Verlag, S. 87-146, hier S. 108f. bzw. 130-134.
(7) „Wolfgang Benz wurde am 9. Juni 1941 in Ellwangen geboren. Der Vater war Arzt und als Katholik Gegner der Nationalsozialisten. Er wuchs in Aalen auf und machte am Schubart Gymnasium das Abitur. Danach studierte er Geschichte, Politologie und Kunstgeschichte in Frankfurt/Main, Kiel sowie München und schrieb nebenher für die Ellwanger ‚Ipf- und Jagstzeitung‘. 1968 folgte die Promotion in München bei Karl Bosl mit einer Analyse über Süddeutschland in der Weimarer Zeit.“ http://www.ostalbmap.de/sixcms/media.php/26/PM
459_2009Einladung-Benz.pdf (abgerufen am 10.01.2010) Die Formulierung „als Katholik Gegner der Nationalsozialisten“ ist abwegig, da damit doch suggeriert wird, Katholiken seien häufig, oft oder gar per se „Gegner der Nationalsozialisten“ gewesen. Dieser Ankündigungstext scheint zudem einfach aus dem bekannten Munzinger-Archiv herauskopiert worden zu sein. Auch der dort zu findende Beitrag zu Karl Bosl ist lückenhaft; vgl. http://www.munzinger.de (abgerufen am 08.01.2010). Zu einer exemplarischen Analyse von Katholizismus, Antisemitismus und Nationalsozialismus siehe Clemens Heni (2009): Neudeutscher Antihumanismus, Antiliberalismus und Antisemitismus vor, während und nach dem Nationalsozialismus: Wenig bekannte Quellen des katholischen Bundes Neudeutschland, in: ders. (2009a): Antisemitismus und Deutschland. Vorstudien zur Ideologiekritik einer innigen Beziehung, Morrisville (NC): lulu Verlag, S. 106-178.
(8) Bernd-A. Rusinek (2000): „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ – Ein Forschungsprojekt des „Ahnenerbe“ der SS 1937 – 1945, in: Albrecht Lehmann/Klaus Schriewer (Hg.) (2000): Der Wald – Ein deutscher Mythos? Perspektiven eines Kulturthemas, Berlin/Hamburg: Dietrich Reimer Verlag, S. 300. Um in diese Kategorie zu fallen, mussten zwei der folgenden Kategorien erfüllt sein: „1.) NSDAP-Mitglied; 2.) SS-Angehöriger, 3.) wissenschaftlicher Ahnenerbe-Mitarbeiter; 4.) publizistisch im nationalsozialistischen Sinne ausgewiesen, so etwa durch Beiträge in der Zeitschrift ‚Germanien‘; 5.) Mitarbeiter des SD; 6.) Protegiert von ausgesprochen nationalsozialistischen Groß-Ordinairen; 7.) Protegiert von Himmler oder Göring persönlich; 8.) ‚Alter Kämpfer‘.“ (Rusinek 2000: 300). Auf Bosl trafen die beiden Kriterien 1.) und 6.) zu, „gegen Kriegsende kam das Kriterium 4.) hinzu“ (ebd.: 300, Anm. 106).
(9) Rusinek 2000, S. 267-363, hier S. 348.
(10) Rusinek 2000: 348.
(11) Rusinek 2000: 349.
(12) Rusinek 2000: 346.
(13) Der Beitrag heißt „Forsthoheit als Grundlage der Landeshoheit in Baiern. Die Diplome Friedrich Barbarossas von 1156 und Heinrichs VI. von 1194 für das Augustinerchorherrenstift Berchtesgaden. Ein Beitrag zur Verfassungs-, Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des bayerischen Alpenlandes“ (zitiert nach Rusinek 2000: 349).
(14) Rusinek 2000: 349f.
(15) Karl Bosl (Hg.) (1963): Bohemia. Jahrbuch des Collegium Carolinum. Band 4, München: Verlag Robert Lerche; Karl Bosl (1963a): Zum 80. Geburtstag von Prof. Theodor Mayer, dem 1. Vorsitzenden des Collegium Carolinum, in: ebd., S. 9-15. Bosl rechtfertigt hier die historischen Tagungen der NS-Historiker: „Unter dem Motto ‚Einsatz der Geisteswissenschaften im Krieg‘ gelang es dem Präsidenten in schwerster Zeit, in der sonst Klio als Wissenschaft schweigt, jedoch in geschichtemachendem Sturm durch die Völker rast, die deutschen Mediävisten und Rechtshistoriker zu gemeinsamen Tagungen zusammenzuführen, auf denen kein Wort ‚historische Politik‘ gesprochen, aber genau so wie auf Mainau und Reichenau in höchstem Ernst mit den Problemen des deutschen Mittelalters gerungen wurde. Ich denke an Magdeburg, wo eine das Dritte Reich so erregende Frage wie die der germanischen Kontinuität in scharfer Diskussion und mit größter Sachlichkeit erörtert wurde, sodaß einer der Hauptredner und Hauptkritiker von damals, Hermann Aubin, die Ergebnisse noch 1945 in einem großen Aufsatz ohne Streichung veröffentlichen konnte.“ (ebd.: 12) Bosl rechtfertigt damit auch die Tagung von Januar 1945 im Geburtshaus des „Führers“.
(16) Karl Bosl (1990/1996): Karl Bosl. Eine Bibliographie. Haus der Bayerischen Geschichte. Materialien zur Bayerischen Geschichte und Kultur 3/96, Augsburg: Bayerische Staatskanzlei. Haus der Bayerischen Geschichte, S. 19, Herv. C.H.
(17) Vgl. Rusinek 2000: 347. Quelle: „BAB, NS 21-336: Studienrat Dr. Karl Bosl an Ahnenerbe, undat. (April 1942)“ (ebd., Anm. 281).
(18) Vgl. zu von Müller und Schieder: Götz Aly (1999): Theodor Schieder, Werner Conze oder Die Vorstufen der physischen Vernichtung, in: Winfried Schulze/Otto Gerhard Oexle (Hg.) (1999): Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, S. 163-182, hier S. 167. Zur Diskussion über Historiker im Nationalsozialismus und das Schweigen oder Affirmieren danach siehe auch Rüdiger Hohls/Konrad H. Jarausch (Hg.) (2000): Versäumte Fragen. Deutscher Historiker im Schatten des Nationalsozialismus. Unter Mitarbeit von Torsten Bathmann, Jens Hacke, Julia Schäfer und Marcel Steinbach-Reimann, Stuttgart/München: Deutsche Verlags-Anstalt.
(19) Peter Schöttler (1997/1999): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918-1945. Einleitende Bemerkungen, in: ders. (Hg.) (1999): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918-1945, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 7-30, hier S. 25, Anm. 26.
(20) http://www.witikobund.de/html/schriften.HTM (abgerufen am 15.01.2010). Das Wirken von Karl Bosl nach 1945 harrt weiter seiner kritischen Analyse. Der Witikobund jedenfalls, für den er 1964 schrieb, wurde bis 1967 vom Bundesministerium des Innern als „rechtsextrem“ eingestuft (vgl. http://www.klick-nach-rechts.de/gegen-rechts/2001/04/witiko02.htm (abgerufen am 15.01.2010), sprich: Benz promovierte nicht nur bei einem alten Nazi, vielmehr auch bei einem aktiven Rechtsextremisten in der Bundesrepublik.
(21) Friedrich Prinz (1993): Bayerns Besonderheit. Historiker mit Humor und große Figur: Zum Tode von Karl Bosl, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.01.1993. Genauso lobhudelnd der Nachruf in der NZZ von Peter Blickle (1993): Das unruhige Mittelalter. Zum Tod des Historikers Karl Bosl, in: Neue Zürcher Zeitung, 21.01.1993. Eine weitere, den aktiven Nationalsozialismus Bosls komplett derealisierende Huldigung, welche die von „Karl Alexander von Müller betreute[]“ Dissertation Bosls feiert, von Eberhard Weis (1993): Karl Bosl 11.11.1908-18.1.1993, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften. Jahrbuch 1993, München: Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, S. 246-252, hier S. 257. Ausführlich und ebenso affirmativ der Nachruf der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Wilhelm Störmer (1994): Nachrufe: Karl Bosl (1908-1993), in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Herausgegeben von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Gesellschaft für fränkische Geschichte und der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Band 57, S. 171-176. Hier wird auch die internationale Bedeutung von Bosl deutlich, dem als „verehrte[r] Vaterfigur“ geschmeichelt wird: „Zahlreich sind die Ehrungen, die Karl Bosl erfahren hat. Er war Mitglied angesehener Gesellschaften, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Britischen Akademie der Wissenschaften in London, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, der Medieval Academy of America (Cambridge/Mass.), der Europäischen Akademie der Geschichte in Brüssel; er erhielt eine Rose-Morgan-Professur an der Universität Lawrence/Kansas (USA) und eine Carl-Schurz-Professur an der Universität Madison/Wisconsin (USA). Für seine Verdienste wurde er auch im öffentlichen Bereich hoch geehrt, so mit der Lodgman-von-Auen-Medaille, der Adalbert-Stifter-Medaille, dem Großen Kulturpreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft, dem Kulturpreis des Bayerwaldes, dem Bayerischen Verdienstorden, dem Großen Bundesverdienstkreuz, 1983 mit dem Preis der Bayerischen Volksstiftung, 1984 mit dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst, Abteilung Wissenschaft, 1985 mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold. Es versteht sich, daß der geborene Chamer 1984 auch Ehrenbürger der Stadt Cham/Opf. wurde.“ (ebd.: 175f.)
(22) Karl Bosl (1971)/1990: Bayerische Geschichte, 7., durchgesehene Auflage, München: W. Ludwig Buchverlag, S. 237 bzw. 240.
(23) Anne Christine Nagel (2005): Im Schatten des Dritten Reiches. Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1970, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 137, Anm. 140 bzw. S. 137. „BAB“ ist die Abkürzung für: Bundesarchiv Berlin.
(24) Wolfgang Benz (1990/1994): Nachkriegsgesellschaft und Nationalsozialismus. Erinnerung, Amnesie, Abwehr, in: Dachauer Hefte Heft 6: Erinnern oder Verweigern. Das schwierige Thema Nationalsozialismus, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 12-24, hier S. 24.
(25) Diese Informationen finden sich bei Wikipedia – http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Bosl (abgerufen am 07.01.2010) – und auch in einem Kulturlexikon: Ernst Klee (2007): Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main: Fischer Verlag, S. 70. Bosl war auch Mitarbeiter der „Landesleitung Süd des Bundes Deutscher Osten“ (ebd.), einer nationalsozialistischen Organisation, welche „die Grundsätze der nat.-soz. Volkstumspolitik“ vertrat (vgl. Meyers Lexikon, 8. Auflage, 2. Band, Leipzig 1937, S. 291); diese Position hatte er von 1935–1938 inne; vgl. Rusinek 2000: 346, der zusätzlich anführt, dass Bosl „ab 1939 Kreisverbandsleiter des Reichskolonialbundes Ansbach“ war (ebd.).
(26) Gudrun Traumann (1971): Journalistik in der DDR. Sozialistische Journalistik und Journalistenausbildung an der Karl-Marx-Universität Leipzig, München-Pullach/Berlin: Verlag Dokumentation.
(27) Das ZfA und sein Leiter Benz setzen Antisemitismus und „Islamkritik“ gleich, siehe den Text von Benz in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Januar 2010: „Das Feindbild “Westen” im arabischen Kulturkreis wird von Populisten im Westen mit dem Feindbild “Islam” erwidert. Es folgt den gleichen Konstruktionsprinzipien“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/837/499119/text/print.html abgerufen am 14.01.2010). Das ist eine Gleichsetzung.
(28) Benz erwähnte in der Einleitung zu dieser ZfA-Konferenz, es habe auch „eine Frau Doktor Euter oder so“ protestiert. Benz könnte sich seriös mit Kritikern befassen und Autoren beim richtigen Namen nennen, statt sich über Internet-Blogger lustig zu machen. Zur Kritik an der ZfA-Konferenz siehe den Text von Gudrun Eussner: „Konferenz Feindbild Muslim – Feindbild Jude. Ein Skandal“, http://www.eussner.net/artikel_2008-12-06_16-02-31.html (abgerufen am 09.01.2010).
(29) Während die Waffen-SS die Juden im Holocaust vernichtete, war Bosl beim „Ahnenerbe“ der SS beschäftigt, ja, er hat seine von der SS bezahlte (!) Forschung gar nach 1945 verwendet, als einer von ganz wenigen aus diesem Projekt, wie Rusinek abschließend hervor- und zumal auf die sprachlichen Veränderungen bei Bosl abhebt sowie decodiert, wie Bosl NS-Ideologie in die BRD hinüberschleppt, lediglich sprachlich verändert: „Deutlich sind die Ansätze des ‚Wald und Baum‘-Projekts zu spüren, wenn Bosl 1949 vom ‚Forstbegriff‘ aus die faktische und verfassungsrechtliche berchtesgadnische Landeshoheit entwickelte oder über den Zusammenhang von Wald, Rodung und Volk schrieb: ‚Neben anderen Ursachen hat also der Wald- und Rodungscharakter unseres Landes entscheidend die verfassungsgeschichtliche Entwicklung der Deutschen beeinflusst, er hat aber auch irgendwie den Typ unseres Volkstums geprägt, indem er den freien Rodungsbauern entstehen ließ, ein kerniges Waldbauerntum, abgehärtet, gesund, kinderreich, aber auch frei, ja eigenbrötlerisch in seiner Gesinnung, stolz auf sein altes, hergekommenes Recht und unerbittlich zäh, ja halsstarrig im Kampf um dasselbe.‘ Es ist nicht zuviel spekuliert, wenn wir annehmen, daß der Begriff ‚Rasse‘ als historische Basalkategorie des ‚Wald und Baum‘-Projekts elidiert und durch die eher schwebenden Relationen ‚neben anderen Ursachen‘ und ‚aber auch irgendwie den Typ unseres Volkstums geprägt‘ ersetzt wurde.“ (Rusinek 2000: 350) Bosls verwendete seine Forschung bei der SS für einen Aufsatz im Jahr 1949; siehe ebd.: 349.

Gegen den „Völkerbrei“: Jürgen Elsässer und die Sprache des Nationalsozialismus

Einer, der früher einmal irgendwie ‚links‘ und Konkret-Redakteur war, Jürgen Elsässer, ist seit einiger Zeit geistig abgedriftet, um es ganz harmlos zu formulieren. Er schmiegt sich mittlerweile der Ideologie und Sprache des Nationalsozialismus sowie des heutigen Rechtsextremismus an, was sich an der Verwendung des Wortes „Völkerbrei“ zeigt:

„Die Frage nach den islamischen Minderheiten in den europäischen Staaten muss in einem universellen Kontext beantwortet werden, so dass sie von Christen, Moslems, Juden, Hindus etc. verstanden wird: Es geht um die Frage generell nach dem Status von Minderheiten in Nationalstaaten, also auch etwa der christlichen in den moslemischen Ländern. Die Antwort der Globalisten besteht darin, weltweit einen Völkerbrei zu erzeugen, der so unstrukturiert ist, dass sich kein Widerstand gegen ihre Herrschaft mehr organisieren läßt.“

Wie Elsässer ist übrigens auch der neu-rechte Vordenker, Henning Eichberg, ein Freund des politischen Islam und ein Feind des Universalismus oder „der Globalisten“.

Vor diesem Hintergrund ist mir eine Stelle in meiner Dissertation eingefallen, welche sich mit dieser völkischen, antiuniversalistischen Ideologie befasst:

Aus dem Kapitel »Volkstum« statt Aufklärung und Gleichheit

Aus: Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970 – 2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum Verlag, S. 248-249

…“Der Erfolg der Black Power Bewegung im Aufsprengen rassistischer Gesetze, Verordnungen und alltäglicher Diskriminierungen in den USA, dieser allmähliche Erfolg einer Gleichstellungs-Politik wird hierbei zurückgewiesen. Ein Schwarzer soll nicht sein ›Volkstum‹ verraten, nicht pünktlich zur Arbeit erscheinen, nicht einen teuren schönen Anzug kaufen und Abteilungsleiter z. B. einer Versicherungsgesellschaft werden können. Das ist Ehrhardts und Eichbergs Duktus und Intention unisono. Bei Eichberg heißt es:

»Die Indianer zeigen in der Regel ein Leistungsverhalten und ein Verhältnis zur Zeit, das von dem der Europäer verschieden ist und von diesen nicht verstanden wird. Während andere Völker (Afroamerikaner, Chinesen, Japaner) sich aus eigenen kulturellen Voraussetzungen heraus den europäischen Normen von ›Präzision‹, ›Pünktlichkeit‹, ›Konkurrenz‹ und ›Leistung‹ annäherten, verweigerten die Indianer bis heute überwiegend diese Assimilation.«1023

In völkischer Tradition, aber unter Umgehung jener allzu deutlichen Chiffre, spricht er hier von »Widerstand gegen die Politik des ›Schmelztiegels‹«1024, früher, 1933, hieß das:

»Aber aufgebaut war dieses Römische Reich, soweit der Mensch in Frage kommt, auf einem Völkerbrei.«1025

In Eichbergs rhetorischer Mimikry mischt sich ein traditionell deutscher, anti-römischer Affekt, ein zudem ethnopluralistisch gespeister, völkischer Antiuniversalismus mit einer projektiven, sekundär-antisemitischen Tirade auf die Befreier vom Nationalsozialismus, namentlich die USA und die Sowjetunion, wobei Frankreich als Symbol für Aufklärung und Gleichheit sowie England mit seinem ›common law‹ ebenso abgewehrt werden (vgl. unten). Es liegt hier eine Koinzidenz z. B. mit Kurt Hübner, einem akademischen Mythosforscher in der BRD vor, der 1991 schrieb:

»Die Frage ist aber: welche übergeordnete Idee kann dann noch Europa jene Bindekräfte vermitteln, ohne die es als ein Ganzes gar nicht dauerhaft existieren vermag? Ohne eine solche Idee aber bedeutet es eigentlich gar nichts mehr. Es ließe sich nicht auf eine bestimmte Weise aus der übrigen Welt ausgrenzen und könnte daher beliebig auf die ganze Welt ausgedehnt werden. Ferner: Die kulturelle Vermischung hätte nur zur Folge, daß keines ihrer Elemente noch zur vollen Selbstentfaltung käme, wenn sie nicht schließlich überhaupt alle darin wie in einem schalen Brei verschwänden. Die Menschen verlören so ihre Identität«.1026

Das Absondern von als homogen imaginierten ›Volksgruppen‹ hat nicht nur einen rassistischen Impetus im Sich-Selbst-Überlassen von Armen und Ärmsten in der südlichen Hemisphäre, sondern neben der von Hübner propagierten europäischen auch eine innenpolitische, politischkulturelle Dimension: indem Eichberg Juden von Deutschen, er spricht »von älteren wandernden oder verstreuten Minderheiten (Zigeuner, Lappen, Juden)«1027, ›Indianer‹ von Amerikanern, ›Ausländer‹ von Europa und Iren vom ›common law‹ trennt, leistet er auch der antisemitischen Verschwörungstheorie einer (beabsichtigten) ›Durchmischung‹ der ›weißen Welt‹, einer Entdeutschung Deutschlands Vorschub. Eichberg spricht in seinem Schulbuch von »Überfremdung«1028, ja er proklamiert sogar in einer Überschrift »Widerstand gegen die ›Überfremdung‹«.1029 Er weist die SchülerInnen auf die rechtsextreme Schweizer »›Nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat‹« als Mittel gegen Arbeitsmigration hin und diffamiert dabei sowohl die »Gewerkschaften«, böse »Unternehmerverbände « als auch die »Parteien« als Anwerber der ›Ausländer‹.1030 Er spielt an dieser Stelle – diesmal über den kleinen Umweg Schweiz – wiederum die rassistische Karte aus. Andere Freunde Deutschlands vertreten dasselbe Ideologem:

»Überfremdung, so der Freundeskreis Freiheit für Deutschland, solle ›die Waffe sein, mit der die weiße Rasse entmachtet‹ wird. Eine derartige Annahme ist nur verstehbar, wenn man sie als Ausdruck einer Kausalitätsvorstellung interpretiert, die zum festen Bestandteil des Neonazismus gehört. Man glaubt nämlich, daß die Rassenvermischung – verstanden als die Ursache des Übels und als eine Verletzung der zu diesem häufig beschworenen Natur- bzw. Rassegesetze – die Kräfte eines Volkes mindere, es verfalle und werde zu einem Menschenbrei. Dieser Rassen- oder Menschenbrei sei dann – das ist die ideologiekonform gedeutete Wirkung bzw. Konsequenz im kausalen Denken der Neonazis – leichter regierbar, er würde sich umstandslos fügen und sei, wie die Schriftleitung der Zeitschrift Wikinger glaubt, ›instinktlos und mit ›Brot und Spielen‹ leicht zu beherrschen.«1031 [1023]


[1023] Henning Eichberg (1979): Minderheit und Mehrheit, Braunschweig (Georg Westermann; westermann-colleg. Zeit+Gesellschaft, H. 1), S. 96.

1024 Ebd.: 106.

1025 So der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft von 1933, Rudolf Walther Darré, zitiert nach Cornelia Schmitz-Berning (1964)/1998: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin/New York (Walter de Gruyter), S. 645. Zu Darré vgl. die interessante Dissertation von Anna Bramwell (1985): Blood and Soil. Richard Walther Darré and Hitler’s›Green Party‹, Abbotsbrook (The Kensal Press).

1026 Kurt Hübner (1991): Das Nationale. Verdrängtes Unvermeidliches Erstrebenswertes, Graz/Wien/Köln (Styria), S. 305.

1027 Eichberg 1979: 79.

1028 Ebd.: 83.

1029 Ebd.

1030 Ebd.

1031 Bernhard Pörksen (2000): Die Konstruktion von Feindbildern. Zum Sprachgebrauch in neonazistischen Medien, Wiesbaden (Westdeutscher Verlag), S. 126.

The Prague Declaration: Antisemitism with a democratic face…

The Prague Declaration: Antisemitism with a democratic face. . .

by Dr. Clemens Heni

We are facing two substantial antisemitic movements today. Anti-Zionist action and propaganda against Israel from one side, and a rewriting of the history of the Holocaust from the other. The latter has been named the “Holocaust Obfuscation movement” by Yiddish Professor Dovid Katz, Vilnius.

I was recently invited to Jerusalem to take part in the Global Forum for Combating Antisemitism, and spoke at the workshop on “Nationalist Trends in Central and Eastern Europe and in the CIS: New Challenges Facing the Jewish Communities”. My topic was the Prague Declaration. As Efraim Zuroff pointed out in the JPost (23 Dec), the Global Forum was very controversial this year because it invited as opening session guest speaker the foreign minister of a leading country in the Holocaust Obfuscation movement — Lithuania. Barry Rubin, who has written many insightful and frankly vital articles and books on the Middle East, the Arab World, and Israel, argued against Zuroff in the East European arena with some truly remarkable statements: “One important element here is teaching about the costs and crimes of Communism in Western schools as well as the depredations of Nazism.” Well, “depredations”? Is this an adequate word for the unprecedented crimes of the Shoah? No, it is not. It obfuscates the Holocaust and I will explain why. Rubin does not mention the Prague Declaration, though the condemnation of this declaration is central to Zuroff’s article.

The Prague Declaration was adopted on 3 June 2008 at the Senate of the Parliament of the Czech Republic, organized by politicians Jana Hybaskova and Martin Mejstrik. The declaration wants to “recognize Communism and Nazism as a common legacy” and “calls for” an understanding that both engaged in “exterminating and deporting whole nations”. It therefore calls for a “Nuremburg Trial” for Communism as well, and particularly for the “establishment of 23rd August, the day of signing of the Hitler-Stalin Pact” as a “day of remembrance of the victims of both Nazi and Communist” regimes, and – literally! – “in the same way remembers the victims of the Holocaust on January 27th”.

This is the new fashionable form of anti-Semitism. Why?

Well, direct Holocaust Denial has never been really mainstream, because it is too simple even for some Neo-Nazi circles or the New Right. Also NSDAP member and German philosopher Martin Heidegger was present at the inception of this movement of new anti-Semitism and Holocaust Obfuscation, or soft-core denial, as I put it. In 1949 he compared “agriculture”, which had become in his view a “motorized nutritional industry”, with the “production of corpses in gas chambers”. This led to post-structural theory which accuses modernity itself of being fascist or National Socialist or nothing other than a democratic form of concentration camps. Fashionable Italian philosopher Giorgio Agamben has therefore claimed that the Jews in Nazi concentration camps had a better life than detainees in Guantanamo Bay!

Other forms of Holocaust Obfuscation appeared, and Germany is the core playground here. Since the publication of the French “Black Book of Communism” in 1997 (German edition a year later, and 1999 the English edition, by Harvard UPress) it has again become fashionable to ignore the following simple fact:

There have been people who established concentration and extermination camps during World War II: The Germans (with the help sometimes of friends). And there have been people who liberated those camps in the East: the Soviet Red Army, who liberated Auschwitz on 27 January 1945.

John Mann, the UK MP who head the cross-party group against anti-Semitism, put it in similar words at the above mentioned working group at the Global Forum.

The Soviet Union never tried to exterminate a nation or a people. The expulsion of some people, for example from the Baltics, was a crime, but incomparable to any Nazi Germany action. The Soviet Union committed crimes for political purposes, mostly to gain power. National Socialism had the intention to exterminate the Jewish people for no purpose. The killing of the Jews was the aim of the Germans. No political, economic, military etc. idea behind this. This senseless killing was an unprecedented crime in human history. The Germans looked for every single Jew in Greece, Yugoslavia, Poland, Germany, Latvia, Lithuania, the Soviet Union, Hungary, and all other countries they reached. They wanted to kill every single Jew.

The Soviet Union started as a promising idea in 1917, to get rid of the aristocratic, anti-democratic, and also anti-Jewish Czarist Russia, which had expelled part of their own Jewish population during World War I, and some 100,000 Jews died as a result. From 1917 until 1921 approximately 60,000 Jews were killed by anti-Bolshevik troops during 1236 pogroms, mostly in Ukraine and Southern Russia, according to Holocaust survivor and German historian Arno Lustiger, who wrote one of the most insightful books on “Stalin and the Jews”. There was even a flourishing Jewish and Yiddish culture in the 1920s in the Soviet Union. However, the fight against anti-Semitism, which was part of Lenin’s struggle, was not central to most Soviet leaders. Stalin became more and more anti-Jewish, especially at the end of his life. And Soviet anti-Semitism respective anti-Zionism is a horrible story, a tragic one, too.

But without the help of the Red Army, many more Jews would have perished in the Holocaust. Stalin never accepted Jews as Jews, as Holocaust survivor Yitzhak Arad pointed out already in the 1970s. Nonetheless I am wondering (as Arad does as well) why so many people do not see the unbridgeable gap between this Stalin approach and the German way, which led to the Holocaust.

The 2008 Prague Declaration ignores history and wants to rewrite history. Insistence on a false “equality” of Stalin’s crimes and the unprecedented crimes of the Germans is anti-Semitic, particularly in the East European context. It is the most fashionable form of anti-Semitism, as it does not deny the Holocaust. Rather, it obfuscates the Shoah by saying it was as bad as the crimes of Communism. This distorts the fact that, again, the Holocaust wanted to exterminate the entire Jewish people. Not a single Lithuanian, Latvian or Estonian was killed by the soviet for being Lithuanian, Latvian or Estonian.

Again, the German situation can explain a lot: we had discussions the last years there about Germans as victims. The “Bomb-Holocaust,” accusing particularly British bomber Arthur Harris for attacking Dresden, was invented as a term e.g. by Neo-Nazis from the National Democratic Party (NPD), and backed by mainstream scholars like Jörg Friedrich who uses the term “crematory” for the city of Dresden. Also the term “Holocaust of expulsion” of the Germans from the East is used, accusing Czech, Polish, and other people of “crimes” against Germans. The Prague Declaration fits right into the puzzle: urging the EU to establish a common day of remembrance, 23rd August, is the attempt to rewrite history and to say that Hitler and Stalin were both criminals on precisely the same level. The Shoah is obfuscated and forgotten, if it is compared with crimes of the Soviets like expulsions (!) of people; of killing of relatively (!!) few, and moreover for political reasons, not as part of an extermination program like the Holocaust.

We should think twice before using stereotypical phrases like “totalitarian regimes”. German historian Wolfgang Wipperman wrote books on this topic and argued powerfully and correctly that it is misleading to use this term today, particularly because it distorts what is specific about National Socialism and the Holocaust. In Germany, many people even describe the GDR as „totalitarian“, which is of course ridicolous.

We have now to become very careful with words, remembrance, and historical comparisons. Not every bad society is as evil as Nazi Germany was. Therefore the Prague Declaration is an extremely dangerous attempt to minimize the Holocaust and to rewrite the history of the 20th century. Ask any Holocaust survivor of Lithuania if it was the same for her or him to be tortured by the Germans and Lithuanians, to see their loved ones butchered, as it was for them to be rescued by the Soviets, either by fleeing to Soviet territory at the war’s start, by fleeing the ghettos to join up with the Soviet partisans in the forests during the war, or to be liberated by the Soviet army at its conclusion.

Some people however, prefer to host and talk to nationalistic Eastern European politicians, instead of listening to Holocaust survivors or historians who tell the truth and try to decode anti-Semitic myths.

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