Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: Oktober 2010

Salonfähiger Hass auf Israel

Salonfähiger Hass auf Israel

Ex-Israeli sind die neuen Superhelden in Germany: der Fall Tamar Amar-Dahl

Von Dr. phil. Clemens Heni

Der Jüdische Salon am Grindel e.V. in Hamburg plant mit dem von Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum geleiteten Institut für die Geschichte der Deutschen Juden (IGDJ) am 8. Dezember 2010 eine Buchvorstellung mit Dr. Tamar Amar-Dahl über deren Dissertation zu Shimon Peres.

Schüler-Springorum ist die designierte Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) und wird voraussichtlich im Frühjahr 2011 in Berlin ihren Job antreten. Die Veranstaltung mit Amar-Dahl soll zufällig auf den Tag genau zwei Jahre nach der Tagung „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“ des ZfA stattfinden, welche „Islamophobie“ mit Antisemitismus analogisierte.

Dr. Tamar Amar-Dahl hat 2008 in München an der Ludwig-Maximilians-Universität über Shimon Peres promoviert. Sie ist eine höchst umstrittene Wissenschaftlerin und politische Aktivistin.

Seit 2009 ist sie Lehrbeauftrage an der Humboldt-Universität zu Berlin. Aus Anlass des Krieges Israels gegen die Iran-gesteuerte, antisemitische Terrortruppe Hezbollah im Libanon im Jahr 2006 hat sie ihren israelischen Pass zurück gegeben und ist jetzt Deutsche.

Darüber berichtet die Zeit; in einer Rezension zu ihrer Dissertation in der FAZ heißt es:

„‘Der den Frieden in seinen Himmelshöhen stiftet, stifte Frieden unter uns und ganz Israel.‘ Mit dem Kaddisch-Gebet begann Staatspräsident Peres seine historische Rede am 27. Januar 2010 im Deutschen Bundestag. Das entsprach ganz dem Bild vom Friedenspolitiker, das man insbesondere in Deutschland vom 86 jährigen, dienstältesten Politiker Israels hat. Tamar Amar-Dahl will nun dieses Bild zerstören. Das hat wohl auch etwas mit ihrer Vita zu tun: 1968 als Tochter eines aus Marokko eingewanderten Rabbiners in Israel geboren, dort sozialisiert, mit zwei Jahren Wehrdienst et cetera. Als sephardische – orientalische – Jüdin konnte sie mit dem Holocaust als israelisches Staatsverständnis wenig anfangen, ging 1996 in das Land der ‚Täter‘, erhielt einen deutschen Pass und gab 2006 ihren israelischen ab. Ihr missfällt die Politik Israels vom ersten Tag der Existenz dieses Staates.“[i]

Man bemerkt den flapsigen Tonfall, wenn es heißt, Amar-Dahl könne mit „dem Holocaust als israelisches Staatsverständnis wenig anfangen“.

Auf einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 5./6. September 2005 wurde von „professoraler Seite“ (involviert waren Prof. Dr. Klaus Tenfelde, Prof. Dr. Dieter Schönhoven, Prof. Dr. Dieter Langewiesche, Prof. Dr. Dieter Dowe) scharfe Kritik an Amar-Dahls Verständnis von Wissenschaft und Forschung und ihrem Zugang zu Shimon Peres geübt.[ii]

Bezeichnend ist die Tatsache, dass sich Prof. Dr. Michael Brenner, Historiker mit dem Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte an der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU), von seiner Promovendin Tamar Amar-Dahl „im gegenseitigen Einverständnis“ trennte, wie mir Brenner im Oktober 2010 schrieb.[iii]

Schließlich hat Prof. Dr. Horst Möller vom Institut für Zeitgeschichte (IfZ), der auch Professor an der LMU ist, die Dissertation von Amar-Dahl angenommen, Zweitgutachter war Prof. Dr. Moshe Zuckermann von der Tel Aviv University. Diese Informationen sind jedoch in der publizierten Studie gar nicht zu finden[iv], wie auch sonst jeder Dank u.a. an Familie, Freundinnen und Freunde, Bekannte, Kollegen, Gutachter, die Friedrich-Ebert-Stiftung, welche die Studie finanzierte, fehlt[v].

Bei Möller, der am äußersten rechten Rand des Konservatismus beheimatet ist (er redet u.a. vom „roten Holocaust“) und für seine Laudatio auf den revisionistischen Historiker Ernst Nolte im Jahr 2000 selbst von dem Historiker Heinrich August Winkler zum Rücktritt als Leiter des Instituts für Zeitgeschichte aufgefordert wurde, ist Amar-Dahl sicher gut aufgehoben.

Interessant ist, dass am Punkt Israelbashing ein deutscher nicht-jüdischer Akademiker des nationalapologetischen, hardcore antikommunistischen Spektrums mit einem israelischen, antizionistischen und ‚linken‘ Agitator wie Moshe Zuckermann[vi] kooperiert.

Im Mai 2010 war Amar-Dahl Gast im Fernsehen – TV Berlin mit dem Moderator Peter Brinkmann, der ganz verzückt ist ob der ex- und anti-israelischen Autorin (sieht man im verlinkten Video von TV Berlin). Auf die Frage „Wir feiern jetzt – oder die die feiern wollen – diese Tage 62 Jahre Israel – Haben Sie auch gefeiert?“ antwortet Tamar Amar-Dahl: „Nein. Ich feiere nicht.“

Es verwundert nicht, dass der Historiker Hans Mommsen (der Gutachter der Dissertation von Schüler-Springorum[vii] war)[viii], kein Experte der Antisemitismusforschung[ix] oder des Nahen Ostens, oder auch Michael Stürmer, ein Berater Helmut Kohls in ‚nationalen Fragen‘ sowie ein de facto Nolte-Apologet während des Historikerstreits 1986, das Buch der anti-israelischen Agitatorin loben. Auch das Mainstream geschichtswissenschaftliche Portal H-Soz-u-Kult lobt dieses israelfeindliche Machwerk von Amar-Dahl, die Zeitschrift Berliner Republik druckt einen Artikel Amar-Dahls über „Israels Kriege“, der nicht nur unwissenschaftlich und tendenziös ist, vielmehr vom Kern schweigt: die Vernichtungsdrohungen von Israels Nachbarn, die Iranian Threat, der arabische und muslimische Antisemitismus/Antizionismus sind Anathema.

Darüber hinaus: Frau Amar-Dahl sagte 2005 auf einer weiteren FES-Tagung:

„Mich schockiert, dass hier immer wieder das Thema Holocaust und die Juden so stark – wie man sagt – durchgekaut wird. Das ist für mich manchmal viel zu viel.“[x]

Diese sekundär antisemitische Reaktionsweise und Erinnerungsabwehr ist bemerkenswert.[xi]

In ihrem kurzen Eintrag auf der Seite der HU sieht man an Hand ihres Lebenslaufs, dass sie in Zeitschriften wie Inamo publiziert und jüdische Antizionisten in Österreich wie John Bunzl ihre Texte schätzen. In Inamo schreiben auch bekannte anti-israelische Agitatoren wie Noam Chomsky, Amar-Dahl schreibt in der gleichen Nummer wie der antizionistische Linguist im Jahr 2009:

„Besonders nach dem Scheitern des Osloer Friedensprozesses sind die Palästinenser für die Mehrheit der Israelis zum Feindbild schlechthin geworden – vor allem die entrechteten Palästinenser im Gaza-Streifen und in der Westbank.“[xii]

Das hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun – Amar-Dahl verschweigt einfach die Vernichtungsdrohungen von Hamas, Islamischem Jihad und anderen palästinensischen Terrorgruppen. Sie erwähnt die Qassam-Raketen nur um Außenministerin Tzipi Livni wegen böser Kriegsführung anzuklagen.

Amar-Dahl möchte den Linkszionismus diffamieren und somit jegliche Form von Zionismus als rassistisch und exklusiv denunzieren. Die Idee einen Judenstaat Israel wieder aufzubauen hält Amar-Dahl für falsch. Sie erwähnt auch nicht, dass Juden historisch eng mit dem Land Israel verbunden sind, lange bevor das Christentum entstand, vom späten Erscheinen der Muslime im Nahen Osten ganz zu schweigen.

Amar-Dahl ignoriert oder leugnet einfach den Antisemitismus von Nassers Ägypten, vom heutigen Syrien, von arabischen Schulbüchern, Politikern, Gegenintellektuellen, Terrorgruppen, Zeitungen und TV- oder Radiostationen von Marokko bis Saudi-Arabien, sie spricht nicht davon, dass die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ wie auch Hitlers „Mein Kampf“ Bestseller sind in der islamischen Welt und vor allem agitiert sie gegen Israel in einer Zeit höchster Bedrohung durch den islamistischen Iran.

Amar-Dahl hat also über den israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres promoviert und ihre Studie 2010 publiziert – „Shimon Peres Friedenspolitiker und Nationalist“. Ihre Arbeit basiert u.a. auf Edward Said:

„Hier wird die These aufgestellt, dass die einheimischen Araber und später die ‚arabische Welt‘ in der Ideologie des maximalistisch-separatistischen Zionismus unter den historischen, politischen und demographischen Umständen in Palästina vor und nach 1948 mit orientalistischen Kategorien nach Edward Said gefasst werden. Das Verständnis des ‚Anderen‘ als rückständig, primitiv und irrational – Eigenschaften, an die Gewaltbereitschaft gekoppelt wird – fügt sich in diese Ideologie und Praxis der Abgrenzung und Ausgrenzung.“[xiii]

Diese ‚anti-orientalistische‘ Ideologie ist in den Nahost- und Islamwissenschaften Mainstream. Said setzte in seinem Werk „Orientalismus“ 1978 Antisemitismus mit ‚anti-arabischen Ressentiments‘ auf die gleiche Stufe und leugnet auf elaborierte Weise das Präzedenzlose und Spezifische des Holocaust. Said schuf mit seinem Bestseller und der Stilisierung von Arabern als den ‚neuen Juden‘ eine ideale Vorlage für das ZfA und viele heutige Forscher/innen zu Islam, Kulturrelativismus, Gender Studies, Antisemitismus, Vorurteilforschung.[xiv]

Der Politikwissenschaftler Gerald M. Steinberg, Direktor des Programms für Konfliktmanagement an der Bar Ilan Universität in Israel, hat jüngst die post-kolonialistische Ideologie, die Denunziation jedes westlichen Nationalstaatsdenkens, den Antizionismus und Israelhass, wie auch die paternalistische Haltung gegenüber den Palästinensern von Seiten der Postkolonialisten und vieler Aktivisten im Westen analysiert. Edward Said, Noam Chomsky, wie auch verschiedene Nichtregierungsorganisationen werden von Steinberg kritisiert.[xv]

Das Coverbild zu dem Buch von Amar-Dahl („Shimon Peres – Friedenspolitiker und Nationalist“) zeigt das Gesicht von Peres in einer eher fratzenartigen Art und Weise und wirkt abstoßend, verbissen und aggressiv. Mit einer wissenschaftlichen Studie hat die Dissertation von Amar-Dahl nur den Namen gemein. Sie führt nur 13 Titel von Peres als Quellen an, zudem sieben Seiten Forschungsliteratur, was für eine geschichtswissenschaftliche Arbeit sehr dürftig ist. Formal hat das Buch von Amar-Dahl auch sonst erhebliche Mängel, Dokumente aus dem Archiv der Knesset oder Akten aus dem „Arbeitspartei-Archiv“ mit Aktenzeichen werden zwar mal in einer Endnote erwähnt, doch im Quellenverzeichnis fehlen sie[xvi]. Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen: Die mit antisemitischen Verschwörungstheorien arbeitenden Autoren John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt mit dem Buch „Die Israel-Lobby“ werden von Amar-Dahl als seriöse Quelle zitiert.[xvii]

Sie zitiert Peres mit einer luziden Kritik des „Khomeinismus“, doch leugnet Amar-Dahl jede Gefahr aus dem Iran und fantasiert, dass Peres den heutigen Iran attackiere, um sein „Feindverständnis“ zu stärken.[xviii] Es gibt Vernichtungsdrohungen des Iran gegen Israel und nicht umgekehrt, das derealisiert Amar-Dahl.

Politisch ist Amar-Dahl sehr aktiv. Sie trat am 9. Juli 2010 auf den „Palästina-Tagen“ des Palästina-Komitees München auf, wenige Wochen zuvor war dort die Autorin Felicia Langer Rednerin. Langer erhielt 2009 das Bundesverdienstkreuz, was national und international auf scharfe Kritik stieß, da Langer als Antizionistin aktiv ist und unter anderem Israel als „Apartheid der Gegenwart“ bezeichnet – einer der Gründe warum auch die israelische Regierung diese Verleihung scharf kritisierte. Amar-Dahls Auftritt bei den erwähnten Palästina-Tagen hat die CSU zur Kritik veranlasst:

„Die CSU verlangt Auskunft darüber, in welcher Form das Kulturreferat die Veranstaltung unterstützt, und warum von Seiten des Referates nicht angeregt worden sei, „zumindest auch neutrale Stimmen mit einzubeziehen“. Ein nicht israelkritisches Journalistenteam, das über die Veranstaltung berichten habe wollen, sei dem Vernehmen nach abgewiesen worden, so Quaas und Offman. Die einseitige Tendenz der „Palästina-Tage“ werde besonders offenbar, wenn die Biographie über den israelischen Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträger Shimon Peres mit dem Titel „,Friedenspolitiker‘ und Nationalist“ angekündigt werde – wobei „Friedenspolitiker“ in Anführungszeichen steht.“

Amar-Dahl sprach nach der Attacke der Gaza Flottille mit der ZEIT. In dem Gespräch sagt die Jungakademikerin Israel alleine trüge Schuld und man dürfe „die Menschen in Gaza nicht einfach verhungern lassen“ – bar jeder Faktenlage über die Ernährungslage im Hamas-regierten Gazastreifen. Dort verhungert niemand und Grundnahrungsmittel oder andere Nahrungsmittel hatten die Schiffe nicht in größerem Umfang geladen, dafür abgelaufene Medikamente.

Rein akademisch betrachtet stellt sich die Frage, wie kommt Amar-Dahl dazu, am Fachbereich Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus innerhalb des Instituts für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Wildt als Lehrbeauftragte zu unterrichten? Man findet in ihrem arg kurz geratenen Publikationsverzeichnis keinen einzigen Titel zu deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert, schon gleich gar nicht zum Nationalsozialismus.[xix]

Im Rahmen eines „Kollegium Jüdische Studien“ unter der Leitung von Prof. Dr. Christina von Braun und Prof. Dr. Julius H. Schoeps darf Amar-Dahl im Wintersemester 2010/2011 über den „Nahostkonflikt“ lehren und gibt für die Studierenden wenige Titel als Basislektüre an, darunter wiederum John Bunzl.

Der Autor Thomas Schreiber aus Israel kritisiert im Juni 2010 die anti-Peres Studie und das erwähnte Interview in der Zeit mit Amar-Dahl:

„Ich habe selten ein so unseriöses Interview gelesen. Eine Historikerin, die selber ihre politische Zugehörigkeit in den Vordergrund stellt, verliert ihre Glaubwürdigkeit als Akademikerin. Entsprechend auch die Begriffe, mit denen sie um sich wirft. Was ist ein „Friedenspolitiker“, etwa einer, der gegen die Interessen seines Landes oder seiner Nation handelt? Kann ein Ministerpräsident oder gar Staatspräsident überhaupt ein „anti-Nationalist“ sein, wenn er seine Nation vertreten muss? Waren Begin, Sadat oder Hussein etwa keine Nationalisten? Die haben doch Frieden gemacht. „Er war die ganze Zeit daran interessiert, einen Judenstaat aufzubauen“ – ja was denn sonst? Ist das eine Sünde?“

Vor einigen Jahren hat Prof. Dr. Alvin Rosenfeld von der Indiana University in USA analysiert, dass auch Juden Antisemiten sein können und eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Israel darstellen und den weltweiten Antisemitismus aktiv und gezielt befördern.

Schüler-Springorum ist bislang nicht als Antisemitismusforscherin in Erscheinung getreten, sie hat lediglich für die Zeitschrift WerkstattGeschichte drei Artikel anderer Forscher heraus gegeben und selbst eine problematische Rezension verfasst. Heute arbeitet sie federführend als „Bearbeiterin“ in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützten Projekt zum Thema „Sport, Körper und Subjekt: Sportgeschichte als Kultur‐ und Gesellschaftsgeschichte der Moderne“.

Sie arbeitet dabei mit Dr. Yotam Hotam von der Hebrew University Jerusalem zusammen, welcher zu Ehren des Historikers Moshe Zimmermann, der schon mal die israelische Armee IDF mit der Waffen-SS verglich, 2006 eine Festschrift herausgab.

Ob angesichts des iranischen Antisemitismus ein aktuelles Projekt über „Sport, Körper und Subjekt“ die ideale Ausgangsbasis ist, um sich näher mit der Antisemitismusforschung zu befassen, bevor die Forscherin dann im April 2011 wohl ans ZfA wechselt, sei dahin gestellt.

Schließlich:

Wusste die Leitung des Instituts für die Geschichte der Deutschen Juden nicht, wer Tamar Amar-Dahl ist, wie unwissenschaftlich sie arbeitet und was für Thesen sie vertritt?

Wusste die Leiterin dieses Instituts nicht, dass ihr Kollege Brenner in München sich von seiner Promovendin Amar-Dahl mehrere Jahre vor Einreichung der Dissertation trennte?

Wieso bezahlt die Humboldt-Universität eine anti-israelische Akademikerin?

Der Fall Tamar Amar-Dahl zeigt die Salonfähigkeit des Antizionismus – Wird er zur Gretchenfrage der neuen Leitung am Zentrum für Antisemitismusforschung?

 

 


[i] Rolf Steininger (2010): Militärisch. Israel und Shimon Peres. Rezension zu Tamar Amar-Dahl: Shimon Peres. Friedenspolitiker und Nationalist. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010. 471 S., 39,90 [Euro], FAZ, 16. August 2010 http://www.faz.net/s/RubA330E54C3C12410780B68403A11F948B/Doc~E17CED31603054F7A99BB19729A96FBB4~ATpl~Ecommon~Scontent.html (22.10.2010).

[ii] “Amar-Dahl befindet sich im dritten Jahr ihrer Dissertation über Shimon Peres und nach der Trennung von ihrem ursprünglichen Doktorvater auf der Suche nach einem neuen Betreuer. (…)Amar-Dahl stellte zwei Hypothesen vor: Erstens sei Peres’ „Security orientation“ derart ausgeprägt, dass sie den Charakter einer „säkularen Religion“ habe und „zivilen Militarismus als das organisatorische Prinzip der israelischen Gesellschaft“ betrachte, und zweitens sei sein Nationalstaatsbegriff „exklusiv“, d. h., er betrachte die Diaspora als gefährlich, den eigenen, starken, jüdischen Staat als alternativlos und schließe davon Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft aus (Beispiel: Vertreibungen 1949-76). Ferner sei sein Demokratieverständnis womöglich „instrumentell“ und die arabische Welt in seinen Augen „rückständig“. Als Sozialist sei er kaum zu bezeichnen, auch weil er die Arbeiterpartei von ihrer ursprünglichen Klientel entfernt habe.

Die Diskussion wurde von professoraler Seite mit dem Vorwurf eröffnet, die Arbeit verfolge keinen mentalitätsgeschichtlichen, sondern einen werkimmanenten und bekenntnishaften Ansatz, der – insbesondere durch die sehr eingeschränkte Quellenauswahl, mangelnde -kritik und die Ignorierung von Peres’ gesamten Umfeld – nicht zu fruchtbaren Ergebnissen führen könne. Dem Ansatz mangele es sowohl an Distanz als auch an kritischer Fundierung und genauer Begrifflichkeit, so dass die Resultate der Dissertation in dieser Form nur völlig unbefriedigend ausfallen könnten.“ (Dokumentation Fachtagung „Zeitgeschichtliche Biographieforschung“ 5./6. September 2005, FES – Tagungsstätte Bonn – Venusberg, http://www.fes.de/fes_stuf/inhalt/documents/Fachtagung_Zeitgeschichte.pdf(22.10.2010)).

[iii] E-Mail von Prof. Dr. Michael Brenner vom 20. Oktober 2010.

[iv] Ich habe die Information über die Gutachter der Dissertation von Amar-Dahl vom Sekretariat Möller in München am IfZ in einem Telefonat vom 22.10.2010 erhalten.

[v] Es gibt lediglich den Hinweis auf Seite 4: “Für ihr Promotionsprojekt erhielt Tamar Amar-Dahl ein Stipendium der FES-Graduiertenförderung.”

[vi] „The next stage at Trondheim university has now started with a seminar on the Middle East. All lectures are to be given by known anti-Israelies, such as Ilan Pappe, Moshe Zuckerman, the American Stephen Walt as well as local scholars” (Manfred Gerstenfeld (2009): NTNU: A NORWEGIAN HATE UNIVERSITY, in: http://www.spme.net/cgi-bin/articles.cgi?ID=5977 (23.10.2010)).

[vii] Schüler-Springorum hat 1993 über die „jüdische Minderheit in Königsberg/Preußen 1871-1945“ promoviert, „Supervisors: Prof. Dr. Helga Grebing, Prof. Dr. Hans Mommsen“, http://bucerius.haifa.ac.il/stefanie.html (23.10.2010).

[viii] „Der mutige Schritt von Tamar Amar-Dahl, eine kritische Biographie über Peres vorzulegen, bedarf der Anerkennung“ (Hans Mommsen, 26.05.2010: http://www.fr-online.de/kultur/literatur/in-der-wagenburg/-/1472266/4464122/-/index.html (23.10.2010).

[ix] Man vergleiche Mommsens Lob für die Antizionistin Amar-Dahl mit seinen früheren Äußerungen zu Antisemitismus. Ein Beispiel mag als Hinweis genügen: Bezüglich der Debatte um Antisemitismus, die Deutschen und der Holocaust, welche durch die publizierte Dissertation „Hitler’s Willing Executioners“ des Politologen Daniel J. Goldhagen im Frühjahr 1996 ausgelöst wurde, schreibt der Politologe Lars Rensmann in seiner Dissertation 2004: „Parallel zu und nach den Fernsehereignissen und Goldhagens Rundreise erreicht die Dynamik des Mediendiskurses und der politischen Kommunikation über Goldhagen ihren negativen Höhepunkt. Ausgerechnet Hans Mommsen leitete in der Zeit eine neue Qualität der Vorwürfe gegenüber Goldhagen ein, indem er als einer der ersten suggeriert, Goldhagen selbst fördere antijüdische Vorurteile, und damit ein gängiges antisemitisches Muster repliziert: ‚Die ätzende Schärfe, mit der Goldhagen den Deutschen den Willen zum ‚dämonischen Antisemitismus‘ zuspricht und sie nicht nur als Komplizen, sondern pauschal als lustvolle Täter hinstellt, ist sicherlich nicht geeignet, Ressentiments stillzulegen‘“ (Lars Rensmann (2005): Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, 1., durchgesehener Nachdruck, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 346f.).

[x] I S R A E L – TAGE 9.-10. Mai 2005 der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin und Bonn anlässlich des 40. Jahrestages der Aufnahme deutsch-israelischer diplomatischer Beziehungen, http://www.fes.de/international/nahost/pdf/Doku_Israeltage.pdf (21.10.2010), S. 182.

[xi] „Doch zunächst die Klärung der Bedeutung von »sekundärem Antisemitismus«. Es ist der Antisemitismus nach Auschwitz, wie der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex es auf den Punkt brachte: »Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.« »Sekundärer Antisemitismus« ist ein Begriff von Peter Schönbach, einem Mitarbeiter von Theodor W. Adorno.2) Während es damals, um 1960, generationsspezifisch um das »Nachleben des faschistischen Antisemitismus« ging (genauer hätte von »nationalsozialistischen« gesprochen werden müssen), stellt sich das Problem heute umfassender. Gerade Generationen von nach 1945 und auch nach 1968 Geborenen vertreten heute häufig nicht plumpen, leicht erkennbaren Judenhass, sondern unter dem Deckmantel der »Seriosität« seine salonfähige sekundäre Variante“ (Clemens Heni (2008): „Sekundärer“ Antisemitismus. Ein kaum erforschter Teil des Post-Holocaust-Antisemitismus, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Jg. 47, Nr. 187, S. 132-142, hier S. 132). In Ergänzung sollte angemerkt werden, dass nicht nur Deutsche eine solche Reaktionsweise haben könne.

[xii] Tamar Amar-Dahl (2009): Gaza-Krieg und die Palästinenserfrage, in: Inamo, Nr. 57, S. 59-61, hier S. 59.

[xiii] Tamar Amar-Dahl (2010): Shimon Peres. Friedenspolitiker und Nationalist, Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh, S. 102.

[xiv] In seinem auch von dem Historiker Ulrich Sieg, der es auf die shortlist des ZfA für die Nachfolge Benz schaffte (Clemens Heni (2010): „Bio-Politik“, Antizionismus oder doch Antisemitismusforschung? Die Nachfolge am ZfA gestaltet sich schwierig, http://clemensheni.wordpress.com/2010/05/09/%E2%80%9Ebio-politik%E2%80%9C-antizionismus-oder-doch-antisemitismusforschung-die-nachfolge-am-zfa-gestaltet-sich-schwierig/ (04.08.2010)), als „Meisterwerk“ (Ulrich Sieg (2006): Rezension von Ian Buruma, Avishai Margali, Okzidentalismus. Der Westen in den Augen seiner Feinde, in: WerkstattGeschichte, 15. Jg., H.43, 137-139, 137: „Seit Edward Saids Meisterwerk aus dem Jahre 1978 ist eine breite Literatur entstanden, die sich mit den ästhetischen, kolonialistischen, rassistischen und religiösen Motiven des Orientalismus auseinandersetzt, der im Europa des ausgehenden 19. Jahrhundert eine weltanschauliche Großmacht wurde.“ In der Redaktion für Buchrezensionen der Zeitschrift WerkstattGeschichte sitzt Stefanie Schüler-Springorum.) gepriesenen Buch heißt es:„Yet after the 1973 war the Arab appeared everywhere as something more menacing. Cartoons depicting an Arab sheik standing behind a gasoline pump turned up consistently. There Arabs, however, were clearly ‘Semitic’: their sharply hooked noses, the evil mustachioed leer on their faces, were obvious reminders (to a largely non-Semitic population) that ‘Semites’ were at the bottom of all ‘our’ troubles, which in this case was principally a gasoline shortage. The transference of a popular anti-Semitic animus from a Jewish to an Arab target was made smoothly, since the figure was essentially the same” (Edward Said (1978)/1979: Orientalism, New York: Vintage Books, 285f.). Edward Said setzt den Antisemitismus mit ‚anti-arabischen Ressentiments‘ (die, wenn es sie gab, den ‚kleinen‘ Unterschied hatten, dass die Ölkrise von 1973 Realität war und arabische Länder ihre Macht des Ölhahns spielen ließen) gleich. Wenige Jahrzehnte nach dem Holocaust, ja bevor auch nur irgendwo auf der Welt eine größere oder substantielle Erinnerung an die Shoah einsetzte, verharmloste Said die Ermordung von sechs Millionen Juden. Es ist eine Art Holocaustleugnung, welche Said hier betreibt, ganz subkutan, klammheimlich. Konflikte zwischen den Erdöl-produzierenden Staaten und den zumeist westlichen Abnehmern haben kategorial eine komplett andere Dimension wie der Hass auf Juden, nur weil sie Juden sind.

[xv] Gerald M. Steinberg (2009): Postcolonial Ideology and the Arab-Israeli Conflict, in: Brigitte Bailer (Hg.), Israel – Geschichte und Gegenwart, Wien: Braumüller, S. 103-119.

[xvi] Amar-Dahl 2010, S. 413, Anm. 103 bzw. 104.

[xvii] Amar-Dahl 2010, S. 419, Anm. 26 (zu Seite 114).

[xviii] Amar-Dahl 2010, S. 105.

[xix] Tamar Amar-Dahl gibt auf ihrer HU-Seite folgende Publikationen bzw. Arbeitsvorhaben an:

„Monographien

Moshe Sharett: Diplomatie statt Gewalt. Der „andere“ Gründungsvater Israels und die arabische Welt, Martin Meidenbauer Verlag, München, 2003, http://www.m-verlag.net/programm/shop/fachgebiete/1-geschichte-politik-philosophie/amar-dahl-tamar-moshe-sharett-diplomatie-statt-gewalt-br-der-andere-gr/
Resonanz: http://www.genfer-initiative.de/genferinitiative/ge_rezensionen/Rezensionen-3-Amar-Dahl.pdf

Shimon Peres: Friedenspolitiker und Nationalist, Ferdinand Schöningh-Verlag, Paderborn, März 2010: http://www.schoeningh.de/katalog/titel/978-3-506-76910-7.html?tx_mbooks[department]=95&cHash=16ab7ebc10, http://www.schoeningh.de/uploads/tx_mbooks/9783506769107_iv.pdf
Resonanz: Hans Mommsen, In der Wagenburg, Frankfurter Rundschau, 26.5.2010
Gemma Pörzgen, “Mr. Sicherheit“, Das Parlament, Nr. 11 2010, 15.3.2010
Michael Stürmer, „Wie die Auslandspresse schreibt“, in Deutschlandradio, Lesart, 25.4.2010
Dominik Peters, “Der Ritter aus Wischnewa“, Zenithonline: http://www.zenithonline.de/kultur/literatur/?article=735&cHash=ca92b149ee
John Bunzl , „Die Gewalt der anderen“, die Presse, 28.05.2010

Aufsätze, Beiträge, Rezensionen

“Juli 1954: Die Lavon-Affäre – Operation Susanna“, Zeitensprung, INAMO 52, Winter 2007, S. 56-57

“Israels Kriege“, Berliner Republik 1/2009, S. 6-9: http://b-republik.de/b-republik.php/cat/8/aid/1441/title/Israels_Kriege

“Gaza-Krieg und die Palästinenserfrage“, INAMO 57, Frühling 2009, S. 59-61

“Hilferuf eines verzweifelten Israeli“, Buchbesprechung: Avraham Burg: Hitler Besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss, Campus Verlag, Frankfurt 2009, in: Deutschlandradio Kultur, Lesart, Sendung von 8.11.2009

“Identitätskrise eines Linkszionisten“, Buchbesprechung: längere Version: Avraham Burg: Hitler Besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss, Campus Verlag, Frankfurt, in: INAMO, 60, Winter 2009, S. 72-73.

„Shai und Dror und die israelische Ordnung“:  Haokets-Online: 12.6.2010, heb:  http://www.haokets.org/default.asp?PageID=10&ItemID=4833

In Vorbereitung

Postdoc.-Forschungsprojekt: Holocaust-Diskurse in Israel

Rezensionen von:
Moshe Zimmermann, Angst vor dem Frieden – Das israelische Dilemma, Aufbau, Berlin, 2010
Steffen Hagemann, Die Siedlerbewegung – Fundamentalismus in Israel, Wochenschau, Schwalbach/Ts., 2010

Last Updated on Sunday, 27 June 2010 10:22 http://www2.hu-berlin.de/deutsche-geschichte/en/staff/tamar-amar-dahl (23.10.2010).

Spitzenforschung am Bodensee

Spitzenforschung am Bodensee

Zustimmung zu suicide bombing kann böse gemeint sein, muss es aber nicht…

Die Proteste gegen das Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 mögen anzeigen, dass viele Schwaben, die derzeit Bäume umklammern und heulen sowie einen präfaschistischen Bahnhof schützen und dessen „Führer“-treuen Architekten, der er ab 1933 war, verehren, nicht ganz knusprig sind. Dabei wird übersehen, dass im Ländle echte Spitzenforschung betrieben wird, jedenfalls aus Sicht der Protagonisten.  Nehmen wir die Antisemitismusforschung in Konstanz am Bodensee.

Die Welt ist besessen vom Judenstaat und vor allem sehr aktiv, ihn zu destabilisieren und zu isolieren.

Manche Mainstream-Forscher, welche seit Jahrzehnten als Professor für Frieden auf der Welt aktiv und zudem sicher (in der Selbstwahrnehmung) pro-israelisch sind, erarbeiten Studien, die es in sich haben.

Nun: natürlich sind die Deutschen seit dem 8. Mai 1945 große Friedensfreunde. Seither wissen sie, dass jeder größere Krieg irgendwie fies ist und Deutschland eh verliert (vom Sieg im eigentlichen Krieg gegen die Juden mal abgesehen).

„Wir sind ein friedliches Elternhaus und wenn du das immer noch nicht kapiert hast, schlag ich dir den Schädel ein“, sagte einmal ein Kabarettist, deutsche (oft christliche, heute kommt hinzu: muslimische) Alltäglichkeiten betrachtend.

Also entwickelte sich nach dem Nationalsozialismus eine Sehnsucht nach Frieden.

Es gibt sogar „Friedensjournalismus“, die Begründer sind offenbar Johan Galtung, ein Norweger, und Wilhelm Kempf, ein in Konstanz am Bodensee forschender Österreicher.

Während Kempf in den 1980er Jahren sich vornehmlich mit „US-Propaganda“ in Mittelamerika befasste („Nicaragua“, später dann mit der New World Order etc.)[i], liegt ihm seit neuestem Israel am Herzen. So hat Kempf im Juni 2009 in der irischen Hauptstadt Dublin auf einem Jahreskongreß der International Society for Political Psychology über Antisemitismus und Israelkritik gesprochen („Israelkritik und moderner Antisemitismus“).[ii]

Seinen Text hat er, umgearbeitet, 2010 noch einmal publiziert.[iii] Darin heißt es wie schon 2009:

„The same holds even for the statement in example No. 6 (“The Palestinian suicide attacks are an appropriate means to combat Israel”), which takes sides with the Palestinians and involves military logic, but as long as it is not associated with the denial of Israel’s right of existence, its acceptance does not necessarily embody any anti-Semitic content.“ (Hervorhebung von Kempf)

Wer also dem Satz „Die palästinensischen Selbstmordanschläge sind ein angemessenes Mittel um Israel zu bekämpfen“ zustimmt, unterstützt damit laut Kempf „nicht notwendigerweise“ einen „antisemitischen Inhalt“, „solange dies“ „nicht verbunden ist mit der Ablehnung von Israels Existenzrecht“.

Das klingt akademisch und hoch differenziert.

Was würden die zerfetzten Juden dazu sagen?

Sarkastisch gefragt: Sind Judenmord und die Zustimmung dazu tatsächlich mit einem „antisemitischen Inhalt“ direkt verbunden?

Zum nächsten Zitat des Wissenschaftlers:

„A statement like in example No. 7 (“What the Israelis do to the Palestinians resembles what the Nazis did to the Jews”) may result from a Peace Frame and aim at warning Israel not to abandon the high moral standards of Jewish culture, or it may result from a pro Palestinian War Frame and aim at delegitimizing Israel, or it may result from secondary anti-Semitism and aim at trivializing the Holocaust.“

Wiederum ausgesprochen differenziert argumentiert hier der Friedensforscher. Die Aussage „Was die Israeli den Palästinensern antun ähnelt dem was die Nazis den Juden antaten“ könne demnach von Friedensbewegten (jenen, die im „Peace Frame“ zu Hause sind) freundschaftlich warnend gemeint sein, die Juden mögen doch bitte “nicht die hohen moralischen Standards der jüdischen Kultur aufgeben“; andererseits könne der Vergleich von Juden/Israeli und Nazis auch negativ gemeint sein, wenn man einen „pro-palästinensischen“ Standpunkt einnimmt („pro Palestinian War Frame“) und danach ziele, „Israel zu delegitimieren“; ein Israel-Nazi-Vergleich könne sogar drittens „von sekundärem Antisemitismus herrühren, um den Holocaust zu trivialisieren.“ Ist nicht wahr!

Wie Kempf sagt: israelische Politik und Existenz mit den Nazis und somit dem Holocaust zu vergleichen kann zwar eventuell antisemitisch gemeint sein. Genauso gut mag es als Hinweis an die Juden gesehen werden, bloß nicht „ihre hohen moralischen Standards der jüdischen Kultur“ zu beflecken.

Somit mag aus dem Vergleich von Israel mit Auschwitz eine ungeheure Hochachtung vor der jüdischen Kultur Wiens um 1900 gemeint sein, nur etwas verschroben oder umständlich formuliert.

Wenn Palästinenser Juden im suicide bombing ermorden, kann das und die Zustimmung dazu antisemitisch gemeint sein, sagt die Forschung, die den Mainstream repräsentiert (Kempf bezieht sich primär auf Werner Bergmann, Wolfgang Frindte, sich selbst, Klaus Holz und Moshe Zimmermann[iv]).

Aber keineswegs muss eine Zustimmung zu solchen Morden an Juden antisemitisch gemeint sein.

Man kann anschließend Israeli und Juden mit den Nazis vergleichen, gerade um Juden zu schützen, damit sie die „hohen moralischen Standards der jüdischen Kultur“ nicht vergessen.

Das ist der letzte Schrei: Antisemitismus aus Sorge um Frieden und die jüdische Kultur.

Sage noch jemand Forschung könne nicht innovativ sein.

Herausgeber dieser Spitzenforschung ist Roland Imhoff. Seine Doktorarbeit wurde von der Evangelischen Studienstiftung Villigst e.V. bezahlt. Zufällig leitete Klaus Holz dieses Studienwerk von 2000 bis 2009. Imhoff und Holz sind (wie auch Matthias Lorenz und andere) Mitglieder im Villigster Forschungsforum zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus e. V. Jüngst hat Imhoff Samuel Salzborn positiv rezensiert und die Bezugnahme von Salzborn auf Holz zitiert und hervorgehoben. Nun gibt Imhoff Kempf heraus und sitzt mit ihm auf einem Panel in San Francisco.

Früher, in ganz anderem Kontext, nannte man das Seilschaften. In Wahrheit ist das heute Ausdruck von selbständigem Denken und von Kritikfähigkeit.


[i] Hier ist eine Liste von Texten von Wilhelm Kempf, alles ging demnach los mit den „mathematischen Modellen“ in der Sozialpsychologie. Sicher eine herausragende Basis auch für die Forschung zu Antisemitismus:

  • 1977. Mathematical Models for Social Psychology. New York, Wiley (mit B. Repp).
  • 1978. Konfliktlösung und Aggression. Zu den Grundlagen einer psychologischen Friedensforschung. Bern, Huber.
  • 1982. Aggression. Naturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Perspektiven der Aggressionsforschung. Bern, Huber (mit R. Hilke).
  • 1990. Medienkrieg oder »Der Fall Nicaragua« Politisch-psychologische Analysen über US-Propaganda und psychologische Kriegsführung. Hamburg, Argument.
  • 1994. Manipulierte Wirklichkeiten. Medienpsychologische Untersuchungen der bundesdeutschen Presseberichterstattung im Golfkrieg. Münster, LIT.
  • 1997. Psychologie. Eine Einführung. Grundlagen, Methoden, Forschungsfelder. München, dtv (mit J. Straub und H. Werbik).
  • 1998. Krieg, Nationalismus, Rassismus und die Medien. Münster, LIT (mit I. Schmidt-Regener).
  • 2000. Konflikt und Gewalt. Münster, agenda.
  • 2001. Los Medios y la Cultura de Paz. Berlin, regener (mit S. Gutiérrez Villalobos).
  • 2002. Journalism and the New World Order. Vol. II. Studying War and the Media. Göteborg, Nordicom (mit H. Luostarinen).
  • 2003. Constructive Conflict Coverage – A Social Psychological Approach. Berlin, regener.
  • 2003-2009. Forschungsmethoden der Psychologie. Zwischen naturwissenschaftlichem Experiment und sozialwissenschaftlicher Hermeneutik. Berlin, regener.
    • Band 1: Theorie und Empirie (2003).
    • Band 2: Quantität und Qualität (2008).
    • Band 3: Natur und Kultur (2009, mit M. Kiefer).
  • 2008. The Peace Journalism Controversy. Berlin, regener.
  • 2010. Readings in Peace Journalism. Foundations – Studies – Perspectives. Berlin, regener.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Kempf_%28Psychologe%29 (14.10.2010).

[ii] Kempf bedankt sich u.a. bei dem ‚Kommunikationspsychologen‘ Wolfgang Frindte für die empirische Basis für seine Analyse, sprich: für Umfrageergebnisse. http://www2.uni-jena.de/svw/instpsy/abteilungen/kompsy.html (14.10.2010).

[iii] http://www.cco.regener-online.de/2010_1/pdf/kempf-2010.pdf (14.10.2010). Zur Kritik an der ersten (sehr ähnlichen) Version siehe meine Kritik vom 9. November 2009: http://clemensheni.wordpress.com/2009/11/09/suicide-bombing-is-not-necessarily-antisemitic/ (14.10.2010).

[iv] Siehe die kurz gehaltene Literaturliste hier http://www.cco.regener-online.de/2010_1/pdf/kempf-2010.pdf (14.10.2010).

German Ideology: Understanding Ahasver, Mammon, and Moloch

Clemens Heni, German ideology: Understanding Ahasver, Mammon, and Moloch was published with the Journal for the Study of Antisemitism (JSA), Vol. 2, No. 1, 2010, 49–87

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