Die AfD ist eine extrem rechte, völkische Partei, der parlamentarische Arm von Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“), die ja weniger ein Problem mit Autoritarismus, Antisemitismus und Jihad denn mit Gender-Mainstreaming, Homosexualität, Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust oder die Befreiung 1945 durch die Amerikaner und die Alliierten hat. Die AfD kokettiert nicht nur mit Goebbels (Höcke), wedelt permanent mit der Deutschlandfahne, möchte einen Schießbefehl an der Grenze und das individuelle Recht auf Asyl abschaffen, sondern hat auch ein eher radikal neoliberales Parteiprogramm in Planung, wie verschiedene Medien berichteten. Kritik an der AfD ist also notwendig.

Viele, die sich gegen Neonazismus, Nationalismus und Rassismus wenden, fühlen sich aber ganz plump als die „Guten“ wie zum Beispiel die ca. 5000 Leute, die in Berlin am Sonntag, den 20. März 2016 durch Berlin-Tempelhof und Berlin-Kreuzberg zogen, um einen „Karneval der Geflüchteten“ (das RBB-Fernsehen berichtete) unter dem Motto „My Right is Your Right“ zu inszenieren. Wie selbstverständlich waren von Anfang an antiisraelische Gruppen involviert wie BDS Berlin. Das kann man auf der Seite der Organisatoren unschwer in einer Pressemitteilung nachlesen, die zum 9. März zu einem Mobilisierungstreffen eingeladen hatten. Die Teilnahme von Ahmed Shah und Nadia Grassmann an dieser Veranstaltung war ein untrügliches Zeichen, dass es gegen Israel und somit gegen Juden gehen wird. Grassmann ist seit Jahren mit ihren Eltern – Jürgen Grassmann ist eine führende Figur dieser pro-iranischen antiisraelischen Aufmärsche – an den al-Quds-Aufmärschen beteiligt. Diesen antisemitischen, auch Pro-Hisbollah Hintergrund einiger der aktiv Involvierten an diesen Karneval der Geflüchteten, hatte bereits vorab das American Jewish Committee (AJC) in Berlin kritisiert.

Auf dem „Karneval der Geflüchteten“ am 20. März in Berlin wurde ein BDS-Transparent getragen („Boycott Divestment Sanctions“). Ein Transparent sprach von „6 Millionen Palestinian Refugees demand their Right of Return“, also sechs Millionen palästinensischer Flüchtlinge, die angeblich ein „Rückkehrrecht“ nach Israel hätten.

Right of Return Antisemitismus Karneval 20032016

 

Ein Wagen hatte ein Transparent „Solidarität mit Palästina ist Solidarität mit den Flüchtlingen“, womit alle Flüchtlinge in das antisemitische Lager der Israelfeinde eingemeindet werden sollen, was sicher vielen auch nichts ausmacht. Es wurden auch palästinensische Fahnen geschwenkt.

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Jene sechs Millionen Flüchtlinge gibt es nicht. Das ist eine völkische Lüge, wie die Forschung seit Jahrzehnten herausgearbeitet hat. Im Krieg der Araber gegen die Juden 1947/48 wurden ca. 600.000 Araber vertrieben bzw. verließen das Land oder wurden von arabischen Ländern gezwungen, es zu verlassen (wie in Haifa), weil ein Dableiben das Anerkennen des jüdischen Staates impliziert hätte. Diese Zahl von ca. 600.00 hat der Nahostforscher Efraim Karsh en detail belegt. Ebenso wurden bis zu einer Million Juden im Zuge des Krieges 1947/48 und den Jahrzehnten danach aus arabischen Ländern vertrieben bzw. wanderten aus (ohne je Nachkommen als „Flüchtlinge“ zu rubrizieren). Die Palästinenser wie die UN-Organisation UNRWA sprechen nun heute von bis zu 6 Millionen palästinensischen Flüchtlingen. Wie kommt das? Wie wird aus ca. 600.000 Menschen eine Gruppe von 6 Millionen? Indem der Flüchtlingsstatus quasi vererbt wird. Das wäre so, als wenn der völkische  und revanchistische Bund der Vertriebenen (BdV) von dutzenden Millionen deutschen Vertriebenen aus Polen, der Ex-CSSR etc. reden würde, also Nachkommen einrechnen würde, die 1960 oder 1990 in München oder Köln geboren wurden. Das würde Polen und die Republik Tschechien von heute auf morgen zu deutschen Ländern machen. Diese völkische Logik wurde natürlich in der Bundesrepublik immer bekämpft und hatte nie eine Chance, Mainstream zu werden. Wenn heute Nazis solche Forderungen stellen würden, und allen aus Polen vertriebenen Deutschen samt Nachkommen – also dutzende Millionen Menschen – ein Rückkehrrecht nach Polen zuspräche, wäre das das Ende von Polen und würde zu einem Krieg führen.

Wenn nun aber Palästinenser und ihre FreundInnen mit der gleichen völkischen Logik auf einer politischen Demonstration in Berlin auftreten, wird das gefeiert und akzeptiert.

Palästina Karneval 20032016

Die Forderung nach einer Rückkehr von eingebildeten Flüchtlingen nach Israel ist antisemitisch. Warum? Sie möchte den jüdischen Staat Israel zerstören, da die Mehrheitsverhältnisse sich zuungunsten der Juden entwickeln würden. Jüdische Selbstbestimmung im eigenen Staat würde zerstört werden. Und das ist das Ziel von BDS wie von Gruppen, die das Rückkehrrecht von eingebildeten (und einigen wenigen noch leben tatsächlichen) Flüchtlingen von 1947/48 fordern.

Während relativ viele Menschen in diesem Land sich den Nazis und Völkischen von AfD oder Pegida in den Weg stellen, mit wenig Erfolg zwar, aber immerhin, wird der Antisemitismus, Israelhass und Antizionismus von Aktionen wie dem Karneval der Geflüchteten goutiert. Führende Theater Berlins wie die Schaubühne oder das Maxim-Gorki-Theater, der Migrationsrat und viele andere Gruppierungen haben diesen neuen Judenhass, den Hass auf Israel als jüdischer Staat, toleriert wenn nicht aktiv unterstützt. Wer mit Ahmed Shah eine Mobilisierungsveranstaltung zu diesem Event macht, weiß, was er oder sie tut. Shah wurde schon vor Jahren wegen antisemitischer Aktivitäten kritisiert.

Während die AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt unfassbare Wahlerfolge zu verzeichnen hat, mit Peter Sloterdijk einen ehemaligen ZDF-TV-Star als Vordenker hat (die Pegida-Frau Tatjana Festerling bezieht sich explizit auf ihn), ist der andere Teil des kulturellen Establishments mit der Agitation gegen Israel beschäftigt. Dabei würden sich der Karneval der Geflüchteten und Sloterdijk doch prima verstehen: auch der Karlsruher antihumane Heidegger-Jünger sieht in Israel einen „Schurkenstaat“.

Während nun in Berlin und Deutschland BDS immer mehr öffentliche Auftritte und Erfolge zu verzeichnen hat, Judenhass kommt halt an, wenn man ihn etwas anders präsentiert, wird diese Woche in Amerika womöglich Wegweisendes an einer Universität entschieden. An einer der größten amerikanischen Universitäten, der University of California, der zehn Unis angehören, liegt dem obersten Entscheidungsgremium, dem „Board of Regents“, ein Entschließungsantrag vor, der explizit „Antizionismus“ als Form von Hass bzw. Bigotterie ablehnt wie Antisemitismus, Homophobie oder Sexismus. Darüber berichtet vorab der Präsident des Think Tanks Louis D. Brandeis Center for Human Rights Under Law aus Washington, D.C., Kenneth L. Marcus.

In den Erläuterungen bzw. Kontextualisierungen eines diese Woche zur Abstimmung vorzulegenden Statements für den Board of Regents heißt es nämlich:Anti-Semitism, anti-Zionism and other forms of discrimination have no place at the University of California.” Damit würde erstmals eine große amerikanische Universität höchst offiziell Antizionismus auf die gleiche Stufe wie Antisemitismus  stellen!

Antizionismus ist neben Verschwörungsmythen, regressivem Antikapitalismus, der das „böse Abstrakte“ der Ökonomie ablehnt und das „gute Konkrete“ vergöttlicht, der Agitation gegen die jüdische Religion (wie die Beschneidung, das Schächten etc.), Holocaustleugnung und –trivialisierung eine der Hauptformen des heutigen Antisemitismus. Antizionismus ist eine der gefährlichsten Formen des Antisemitismus, weil er nicht oft als solche erkannt wird.

Die AfD ist eine gefährliche Partei und Pegida eine völkische Bewegung, die die politische Kultur in diesem Land schon jetzt massiv beschädigt hat. BDS, die Forderung nach einer Rückkehr von eingebildeten fünf Millionen palästinensischen Flüchtlingen wie Antizionismus insgesamt sind noch weiter verbreitete und äußerst gefährliche Ideologeme in der Mitte der Gesellschaft. Das Gewährenlassen dieser neuen Form des Antisemitismus im Multikultivorzeigekiez der ganzen Republik, Berlin-Kreuzberg, zeigt an, wie wenig Widerstand der neue Antisemitismus bislang zu erwarten hat.

Auf der AIPAC Konferenz 2016 sprach sich am 21. März 2016 die mögliche erste Frau als Präsidentin der USA, Hillary Clinton, gegen BDS aus, und das kontextualisierte sie explizit mit der erschreckenden Zunahme von Antisemitismus weltweit.

Von Amerika lernen, heißt BDS und Antizionismus bekämpfen zu lernen. Vielleicht ist diese Woche ein guter Zeitpunkt damit zu beginnen. Wenn auch nicht in Berlin-Kreuzberg.

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), www.bicsa.org