Wissenschaft und Publizistik als Kritik

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„Heil Hitler und Alaaf“

Der Tagesspiegel, 25.01.2008

Karneval und Antisemitismus haben eine lange Tradition – Erinnerung an die Schoah und Erinnerungsabwehr stehen in einem engen Verhältnis.

Am Sonntag, den 27. Januar 2008 findet in München der diesjährige Karnevalsumzug statt. Somit am internationalen Gedenktag zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Erinnerung an die Schoah und Erinnerungsabwehr stehen in einem engen Verhältnis.

Dabei spielte Judenhass, auch der später codierte, im Karneval eine wichtige Rolle, nicht nur in der NS-Zeit. 1935 gab es bei der Fastnacht in Kaiserslautern antijüdische Masken. Dabei wurden im Sinne der Rassenideologie herbeifantasierte physiognomische Kennzeichen von Juden zur Belustigung verwendet. Ein Jahr später hieß ein Umzugswagen beim Fastnachtsumzug in Marburg „Auf nach Palästina“, mit als Juden verkleideten Narren auf dem Wagen. Nicht nur in Köln hieß es seit 1933 „Heil Hitler und Alaaf“.

Nach 1945 wurde der präzedenzlose Mord, der Holocaust, verdrängt, abgewehrt oder auf andere Weise derealisiert, entwirklicht. Insofern steht der Münchner Karnevalsumzug 2008 in einer bestimmten Tradition, wie bewusst, unbewusst, ignorant achselzuckend oder verschmitzt kichernd auch immer. Mehr noch: Karneval und Erinnerungsabwehr haben eine lange Tradition. 1949 ging es los.

Von 1940 bis 1948 gab es keinen Karneval in Köln, der Karnevalshauptstadt in Deutschland. 1949 war dort das Motto der „erweiterten Kappenfahrt“, was noch keinen Rosenmontagszug darstellte: „Meer sin widder do un dun war meer künne“. Der Schriftsteller Dieter Wellershoff, selbst Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg, hat 1979 in einem von Jürgen Habermas herausgegebenen Band über „Stichworte zur geistigen Situation der Zeit“ festgehalten:

„In einem Karnevalslied meiner Studentenjahre sangen wir noch ›Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien‹, was heißen sollte: ein kolonisiertes Völkchen, das in heiterer Verantwortungslosigkeit dahinlebt. Dann wurden wir Bundesbürger, und das bedeutete eine zunächst äußerliche, dann aber doch tiefgreifende Verwandlung.“ Der hemdsärmelige Foxtrott „Trizonesien“ war einer der größten Schlagererfolge der Nachkriegszeit. Um was ging es? Ein Kölner Sänger und Karnevalist, der schon zu NS-Zeiten fröhliche Unterhaltung gemacht hatte, Karl Berbuer, dichtete und vertonte den Song:

Vers 1

„Mein lieber Freund, mein lieber Freund, die alten Zeiten sind vorbei, ob man da lacht, ob man da weint, die Welt geht weiter, eins, zwei, drei. Ein kleines Häuflein Diplomaten macht heut die große Politik, sie schaffen Zonen, ändern Staaten (…)

Vers 3

Doch fremder Mann, damit du’s weißt, ein Trizonesier hat Humor, er hat Kultur, er hat auch Geist, darin macht keiner ihm was vor. Selbst Goethe stammt aus Trizonesien, Beethovens Wiege ist bekannt. Nein, sowas gibt’s nicht in Chinesien, darum sind wir auch stolz auf unser Land.

Refrain: Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien, Hei-di-tschimmela- tschimmela-tschimela-tschimmela-bumm!

Wir haben Mägdelein mit feurig wildem Wesien, Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela- tschimmela-bumm!

Wir sind zwar keine Menschenfresser, doch wir küssen um so besser. Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien, Hei-di-tschimmela- tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!“

Dieser Song wurde 1948/49 mitunter als Nationalhymne gespielt, etwa bei Sportveranstaltungen, und war der Hit des Karneval 1949 in Köln. Der Songtexter Berbuer war hier eine bekannte Person, ihm wurde vor einigen Jahren ein Denkmal aus Bronze gewidmet.

Der Musikwissenschaftler Fred Ritzel hat in der Zeitschrift Popular Music den Song seziert und stellt die Frage, ob es zu gewagt sei, in der „obskuren Fremdheit“ „Chinesiens“ eine Referenz auf die Juden sehen zu wollen. In der Tat: Der Antisemitismus scheint im Reden von „Chinesien“, das im Gegensatz zu „Trizonesien“ keine „Kultur“ und keinen „Geist“ kenne, unschwer wider.

In dem Trizonesien-Song, der natürlich auf die drei großen Besatzungszonen damals anspielt, wird auch lamentiert, dass „Diplomaten“ einfach Staaten änderten und „Zonen“ schufen. Die Deutschen nicht als konkrete Täter, von denen noch Hunderttausende munter lebten, 1949, vielmehr als Opfer und Gegängelte solcher Diplomaten zu sehen, ist zentral.

So dichteten sich die Deutschen wenige Jahre nach dem Ende des NS-Staates ein Karnevalslied, welches nichts als Schuldprojektion, Schuldabwehr und aufgewärmten Nationalstolz verkündet. Auf den Straßen Kölns tanzten die Narren wie imaginierte „Eingeborene“ zu diesem Song, dazu hatten sie sich die Haut schwarz bemalt. Sie wollten sich selbst „exotisieren“, zumal gegenüber den Besatzungsmächten, um den imaginierten Opferstatus der „ganz normalen Deutschen“ zu untermalen. Die Alliierten haben demnach keine Befreiung vom Nationalsozialismus gebracht, vielmehr die armen Deutschen „kolonisiert“.

Diese Selbsteinschätzung ist bezeichnend. Das abstoßende Wort von den Deutschen, die keine „Menschenfresser“ seien, dafür umso besser „küssten“, kann nicht anders denn psychoanalytisch interpretiert werden: Die Schuld an der Vernichtung der Juden wird derealisiert, um sich nicht nur als Mörder reinzuwaschen, sondern auch um gleich wieder Gutes, spezifisch Deutsches hervorzuheben: Goethe, Beethoven und das Küssen.

Die Deutschen tun also was sie können, um Auschwitz zu vergessen, zu banalisieren, zu überlagern. Sei es mit Karnevalsumzügen am 27. Januar 2008, dem Auschwitzgedenktag, oder mit schuldabwehrenden Songs wie dem Trizonesien-Schlager von 1949. Wie hieß es in Köln als Motto, damals, passend dazu: „Meer sin widder do un dun war meer künne“. Na dann.

Der Autor ist Politikwissenschaftler und Publizist aus Berlin.

 

Braun schlägt grün – oder umgekehrt?

Hagalil.com, 20.01.2008

Die Debatte über Jugendkriminalität ist eskaliert. In einem etwas selbstironischen Beitrag hatte der Chef des Feuilletons der Wochenzeitung Die Zeit, Jens Jessen, die deutschen, spießigen Rentner kritisiert, ohne gleichwohl die brutale Aktion jener zwei Jungmänner in München zu verteidigen. Aber die jahrelangen Schikanen, der rassistische Alltag, der ja unbestritten in ganz Deutschland in unterschiedlicher Ausprägung gewaltig herrscht, wurden von Jessen angegriffen…

Doch ganz so einfach ist es auch nicht. Denn Judenhass oder Ablehnung der Moderne durch Muslime, auch jugendliche, ist in Deutschland zunehmend eine Gefahr. Islamischer Antisemitismus jedoch wird von so genannten ›Gutmenschen‹ gern übersehen, klein geredet oder gar als Antizionismus und Hass auf Israel bejaht, wie von vielen Linken, Nazis und der bürgerlichen Mitte gleichermaßen. ›Jude‹ wiederum ist zu einem Schimpfwort auf Schulhöfen oder öffentlichen Plätzen geworden. Doch um all das geht es hier und heute kaum, so wichtig eine seriöse und radikal kritische Debatte dazu wäre. Nur am Rande: die beiden Täter aus München, welche einen 76jährigen deutschen Rentner zusammen schlugen, nachdem dieser sie in Altherrenoberlehrermanier zurecht weisen wollte ob des Rauchens in der U-Bahn, sind türkisch-deutsch bzw. griechisch-deutsch. Alkohol spielte eine Rolle und der Islam wohl in diesem Fall kaum eine, bei dem Deutsch-Griechen überhaupt keine.

Vielmehr geht es um einen Tabubruch, mal wieder. Es geht um die ›nationale Identität‹ Deutschlands, um nichts anderes. Und um die Erinnerung an die Shoah, welche hier verhandelt wird, auf Umwegen. Die SS oder die Wehrmacht, welche die Vernichtung der europäischen Juden organisierten und durchführten, werden mit muslimischen Jugendlichen, Deutschen mithin, in direkte Beziehung gesetzt. Letztere würden das Erbe ersterer antreten. Wörtlich schrieb Schirrmacher:

»Zur Klarheit, die vom Staat gefordert ist, gehört auch, dass man ausspricht, dass die Mischung aus Jugendkriminalität und muslimischem Fundamentalismus potentiell das ist, was heute den tödlichen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts am nächsten kommt.«

Es ist dieser letzte Satz aus einem Text des FAZlers Frank Schirrmacher, der die Sache klar macht. Da ist von den »tödlichen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts« die Rede. Schon das natürlich eine totalitarismustheoretische Reinwaschung Deutschlands, ganz implizit in jeder Pore jedes Wortes. Im Plural steckt die Abwehr der deutschen Schuld, ja der Export dieser Schuld, am liebsten natürlich auf die UdSSR. Heute nun sei eine »Mischung aus Jugendkriminalität und muslimischem Fundamentalismus« die Erbin jener »tödlichen Ideologien«. Ein Tabubruch von Schirrmacher, der einzelne Gewalttäter auf eine Ebene stellt mit den Verbrechen der SS oder der Wehrmacht. Man muss das sehr ernst nehmen, da nicht nur die größte Tageszeitung Europas diese Agitation auf neue Tiefen getrieben hat, vielmehr auch im Internet weblogs, auch solche, die sich kritisch dünken und meinen, sie seien liberal wie die ›Achse des Guten‹, mitschwimmen.

Der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner hat am 16. Januar 2007 folgendes zu der Sache geschrieben: » Liebes RTL-Dschungel-Camp, mit Jens Jessen hätten Sie einen Kandidaten, vor dem Kakerlaken, Mehlwürmer, Spinnen und alles Glitschige auf dieser Welt Angst hätten. Was für ein Quotenhit! Herzlichst Ihr F. J. Wagner«. Andere deutsche Rentner bezeichneten den Zeit-Feuilleton-Chef als »Brandstifter« oder als einen, der mit seinem videoblog »Verbrechen gegen das deutsche Volk« begangen habe.

Bei solcher Wortwahl wie jener Wagners wundert es nicht, dass in Berlin seit Jahren darüber gestritten wird, ob die Treitschke-Straße nun umbenannt werden könne oder nicht. Schließlich ginge es um deutsches Kulturgut, und was wäre dieses ohne Antisemitismus und Straßen, Plätze und allerhand andere Örtlichkeiten, welche nach deutschen Antisemiten benannt sind, von Fontane über Richard Wagner hin zu Treitschke, von Stauffenberg nicht zu schweigen?

Also doch dieses »Multikulti-Kuscheln«? Nein. Aber die Blicke deutscher Rentner sind was vom Schlimmsten, in der Tat. Kein Grund, sie deshalb halbtot zu schlagen, gewiss. Aber das möchte ja auch niemand wirklich. Es geht um Jugendliche, Islam und die größte Gefahr im 21. Jahrhundert. Die geht wie schon im 20. vom Faschismus aus, genauer, damals vom Nationalsozialismus, heute vom grünen Faschismus des Islam. Und genau dagegen sind die Schirrmachers, Wagners und die deutschen Rentner überhaupt nicht in erster Linie. Ihnen geht es um Deutschland als deutsches Land. Sie benutzen die vorgebliche Kritik am Islam dazu – wie schon Karl Heinz Bohrer vor ein paar Monaten im Merkur – völkische Homogenität zu propagieren, Reinheit und Einheit, ohne ›Kanaken‹, und Stolz auf Männlichkeit mit ›Ehre‹, Fahne und Schmiss.

Kein Roland Koch und keine FAZ oder Bild regten sich über Hetzjagden auf einen Schwarzen in Berlin-Spandau oder über erwachsene Straßendeutsche, die ihre Hunde auf jüdische Jugendliche hetzten, auf. In Berlin wurde eine afghanische Familie von Nazis angegriffen und konnte sich gerade noch so retten. Wohnen muss sie auch nach Silvester in der gleichen Gegend, wo die deutschen ›Kameraden‹ ihre braune Hetze und Gewalt tagtäglich ausleben. Doch das ist alles gar nicht der Kern der Debatte. Der liegt wo anders. Schirrmacher gibt ja vor, gegen den »islamischen Fundamentalismus« zu sein und ihn als »größte Gefahr« zu erkennen. Würde er das wirklich, würde er primär die deutsche Bundesregierung und die deutsche Industrie mit ihren Geschäften, Bürgschaften und diplomatischen Beziehungen zu und mit dem Iran angreifen, kritisieren und geißeln. Dass das eine Zeitung für Deutschland selbstredend nicht tut, ist klar. Das Groteske und tatsächlich Volksverhetzende an Schirrmacher ist folgendes: er sagt, dass gerade »Jugendliche« und »islamischer Fundamentalismus« »potentiell« den »tödlichen Ideologien« des 20. Jahrhunderts am nächsten kämen. Diese beiden Münchner Jugendlichen und einige andere in einer Reihe mit der SA, der SS, der Gestapo und der Wehrmacht. Das ist volksverhetzend.

Nun, mehr noch: die tagtäglichen Raketenangriffe auf Israel von der Hamas sind nicht potentiell, vielmehr real. Die Selbstmordattentäter im Irak sind ebenfalls Realität und die Friedenshetze der Deutschen hat sie seit 2003 tagtäglich in ihrem tun bestärkt. Die FAZ malt nun vergleichsweise wenige und harmlose Jugendliche, die in ihrer kriminellen Energie nicht klein geredet werden dürfen, aber eben primär kriminell sind und nicht ›ausländisch‹ oder was immer, als den Schrecken unserer Zeit an die Wand, genau: »ausländische Jugendliche«, welche DEUTSCHE Rentner schlagen. Das passt zu dem ›Witz‹ aus alten Zeiten: »jüdischer Hausierer beißt deutschen Schäferhund«… Es geht überhaupt nicht darum, wie viele Linke es natürlich gerne hätten, die ›Muslime als die Juden von heute‹ in Schutz zu nehmen. Oh nein.

Die Juden von heute sind Juden. Bedroht vom Antisemitismus/Antizionismus. Zuerst in Israel, das existentiell bedroht ist und kein Mensch in Deutschland schert das sonderlich, ja es wird gefeixt wie lange es der Judenstaat noch macht. Dass jedoch ein Schirrmacher nicht etwa die Hamas, den Iran, die Hezbollah oder Syrien, al Quaida und andere Islamisten als große Gefahr erkennt, vielmehr deutsche Jugendliche, denn das sind sie ja, das ist so beachtlich wie leicht dechiffrierbar. Sie wollen wieder stolz sein, die Deutschen. Und Opfer. Ob als Rentner, Untergegangene oder Freunde von Scientologen-Spinnern, welche deutschen Nationalisten, welchen Hitler »zu liberal« war (und unadlig), ein cineastisches Denkmal setzen werden, egal.

Das Problem mit islamischen deutschen Jugendlichen und Erwachsenen ist viel zu krass und heftig und sehr wohl existent, als es ganz normalen Deutschen zu überlassen, die vom »Erziehungslager« träumen, und den grünen am liebsten mit dem braunen Faschismus besiegen wollen. Schirrmacher diminuiert die SS zu einem Haufen Rabauken. Solche Verharmlosung des Präzedenzlosen ist antisemitisch. Sein Männerfreund Wagner hetzt in alter Treitschke-Manier gegen Kollegen, welche mit ›Kakerlaken‹ verglichen werden. Auch das ist antisemitisch.

 

Eine deutsche Liebe: Über die braunen Wurzeln der Grünen und die Lücken der Naturschutzforschung (mit Peter Bierl)

Eine deutsche Liebe: Über die braunen Wurzeln der Grünen und die Lücken der Naturschutzforschung (mit Peter Bierl), Konkret, 1/2008

„Giftmischer von Bush bis Bin Laden“. Die Muslime sind die Juden von heute, sagt der Scheibenwischer Hagen Rether in der ARD

Original auf Wadi.net am 3. Januar 2008

Er meint es doch wirklich gut. Rassismus greife um sich, die Muslime in der Defensive. „Wehret den Anfängen“ meint er. Also ein richtig guter Mensch, der Hagen Rether, Nachwuchshoffnung der deutschen Kabarettszene. Er vergleicht die Demokratie mit dem Jihadismus und dessen Massenmörder Bin Laden und suggeriert dass die Muslime die Juden von heute und morgen seien. Jüdische Kritiker wie Ralf Giordano oder Henryk M. Broder hingegen seien Protagonisten einer bösen Kampagne gegen den Islam und die Muslime in Deutschland. Selbst der Papst sei mittlerweile gegen Mohammed. Und vor allem die Presse. Da muss dagegen gesteuert werden. Rether möchte weiterhin, wie er selbst sagt, Multikulti-Kuscheln. Ideologiekritik – und Religionskritik, welche immer der Beginn hiervon ist – sind hingegen pfui, solange sie nicht Christen oder Juden meinen.

In einem Jahresrückblick der meist gesehenen politischen Kabarett-Sendung – dem legendären Scheibenwischer in der ARD – am 29.12.2007, zeigte Rether eindrücklich, was er meint. Mehrere Cover von Spiegel und Stern mit jeweils schwarzem Hintergrund zeigen für ihn demnach wie arg die Muslime in Deutschland in Bedrängnis stehen. Dass schwarz z. B. der Schleier im Iran ist oder die BlackBox in Mekka, um welche erst kürzlich wieder Millionen Gläubige wie magnetisch angezogen im Viereck liefen, was das wohl für die Farbe schwarz bedeuten mag? Die Muslime seien die „neuen Sündenböcke“. „Neu“? Wer waren die alten? Dass zwar nicht alle Muslime Terroristen sind, gleichwohl so gut wie alle Terroristen derzeit Muslime – um den Herausgeber einer arabischen Zeitung zu zitieren -, hat sich bei der ARD noch nicht herumgesprochen.

Vielmehr sekundiert Rether den Ex-Tagesthemen-Frontmann Ulrich Wickert und posaunt heraus, dass doch Bush wie Bin Laden „Giftmischer“ seien. Wow! Wer denkt das denn nicht in Deutschland und Europa oder von Tony Judt über Noam Chomsky, Arundhati Roy, Claudia Roth und Norman Finkelstein bis Moshe Zuckermann? Die USA seien seit 9/11 „komplett paranoid“, die Deutschen schon vor einem Anschlag, wie die ARD-Nachwuchskabarett-Hoffnung meint. Die Pulverisierung von 3000 Menschen im World Trade Center macht so einem ganz normalen deutschen Dhimmi offenbar gar nichts aus. Schrecken vor weiteren Massenmorden wie jenen von 9/11 oder gar die unaussprechliche Angst vor der angekündigten Zerstörung Israels durch eine schwarze, islamisch-antijüdisch motivierte Bombe aus Teheran, irritieren den Gutmenschen Rether offenbar gar nicht.

Schon in früheren Beiträgen hatte Rether seine urdeutschen Ressentiments gegen Amerika im allgemeinen und George W. Bush im speziellen gezeigt, die Jihadisten nimmt er in Schutz, wenn er sagt, die Terroranschläge am 11. März 2002 in Madrid hätten in München stattgefunden, wenn Angela Merkel damals schon Kanzlerin gewesen wäre. Was für ein deutscher Schenkelklopfer. Rether greift nun am 29.12.2007 im Scheibenwischer namentlich Ralf Giordano, Günter Wallraff und insbesondere Henryk M. Broder an, welche alle drei in einer lange geplanten, gleichsam verschwörerischen Aktion den Islam kritisierten und böse Hetze betrieben.

Zumal Broder möchte Rether Tipps geben und macht sich über dessen Bestseller „Hurra wir kapitulieren“ lustig – demnach habe Broder „vor seiner türkischen Putzfrau kapituliert“. Ein lustiger Witz. Dass gerade Broder ziemlich zurückhaltend argumentiert und nichts gegen Moscheen hat oder religiöse Leute, aber darauf insistiert, dass parallel doch bitteschön auch in Saudi-Arabien große oder auch kleinere Gebetshäuser, Kirchen gar, gebaut werden sollten, wenn schon im Westen nonstop islamische Gotteshäuser gebaut werden, das fällt bei der ARD natürlich unter den schwarz lackierten Flügel, an dem Rether so gerne sitzt. Er möchte einen „Kuschelkurs“ mit den Muslimen – „was auch sonst?“ Der gut achtminütige Beitrag meint, dass weder „Zwangsheirat“ noch „Ehrenmord“ relevante Topoi seien – schließlich würde an Weihnachten auch in christlichen Familien manch Verbrechen verübt. Wenn man alleine das brutale Stopfen von Gänsen sich anschaut, damit deren Leber schön dick werde und sie an Weihnachten gut schmecke, liegt der
Wahrheitsgehalt von Rethers Kritik an Weihnachten offen vor uns.

Für die ARD und ihren Scheibenwischer sind George W. Bush und Bin Laden Brüder im Geiste, beides „Giftmischer“, der Jude Broder – Rether sagt natürlich nicht „Broder, der Jude“, aber er denkt es – ein elender Scharfmacher gegen den Islam und was ist das Resultat? „Wehe uns, wenn hier demnächst die Moscheen brennen…“, raunt der Islamversteher. Der Spiegel kritisiere den Islam und den Koran, das sei unerhört. „Wir hatten hier schon mal eine Zeit, wo man Bücher für gefährlich hielt…“ Aha. Welche Zeiten? Die Nazi-Zeit gar? Nicht möglich! Die Muslime also als die Juden von heute?

Die FAZ frohlockt: „Keine Frage, mit Rethers kurzweilig-intelligenter, oft hochpolitischer Pianoplauderei ist das deutsche Musikkabarett endlich im 21. Jahrhundert angekommen.“ Rether spricht von „Israel, ein ganz normaler Apartheidstaat“. Antisemitismus ist nicht nur der längste Hass auf eine bestimmte Gruppe Menschen, den diese Welt kennt. Er nennt sich nach Auschwitz und nach 1967 auch noch Antizionismus. Das hört sich demokratischer an. Und er ist ein prima Geschäft.

Am 10. Februar 2008 bekommt Hagen Rether dafür den wichtigsten Preis für dieses Genre in Deutschland verliehen, den Deutschen Kleinkunstpreis, direkt neben seinem Vater im Geiste, Dieter Hildebrandt, der ihn an diesem Tag für sein „Lebenswerk“ erhalten wird. So fängt das Jahr 2008 an. Doch 2008 wird das Jahr Israels werden. Da können die Deutschen Klein- oder Mittel- oder Großkunstpreise für Judenfeinde verleihen wie sie wollen.

 

Rechnitz, März 1945: “Gottgläubig-neuheidnische” Party der SS mit Massenmord?

Hagalil, 1. Dezember 2007

In der Nacht vom 24. auf den 25. März 1945 wurden nahe Schloss Rechnitz unmittelbar an der österreichisch-ungarischen Grenze gelegen, bis zu 200 Juden ermordet. Die genaue Zahl der Ermordeten ist nicht bekannt. An dem Massaker nahmen Partygäste einer SS-Gesellschaft teil. Die SS hatte das Schloss zu der Zeit benutzt, die Hausherrin, Margit von Batthyány, geborene Thyssen-Bornemisza, war gleichwohl mit Ehegatten auch anwesend, wie eine jahrelange Recherche eines englischen Historikers, David Litchfield, der ein Biograph der Thyssen-Familie ist, ans Tageslicht brachte.

“Als die Rote Armee schließlich nur noch fünfzehn Kilometer von Rechnitz entfernt war und die SS sich auf die Schlacht um Rechnitz vorbereitet, wurde am 24. März, dem Abend vor Palmsonntag, im Schloss ein Fest veranstaltet, zu dem dreißig oder vierzig Personen geladen wurden, darunter führende Persönlichkeiten der örtlichen NSDAP, der SS sowie der Gestapo und Mitglieder der Hitlerjugend. Das Fest begann um neun Uhr abends und dauerte bis in den frühen Morgen. Man tanzte, es wurde viel getrunken. Um den Gästen eine zusätzliche Unterhaltung zu bieten, brachte man um Mitternacht zweihundert halbverhungerte, als arbeitsunfähig eingestufte Juden mit Lastwagen zum Kreuzstadel, einer vom Schloss aus zu Fuß erreichbaren Scheune. Franz Podezin, NSDAP-Ortsgruppenleiter von Rechnitz und Gestapo-Beamter, versammelte fünfzehn ältere Gäste in einem Nebenraum des Schlosses, gab Waffen und Munition an sie aus und lud die Herren ein, ‘ein paar Juden zu erschießen’. Man zwang die Juden, sich nackt auszuziehen, bevor sie von betrunkenen Gästen des Fests ermordet wurden, die dann ins Schloss zurückkehrten, um bis zum frühen Morgen weiter zu trinken und zu tanzen. Nach Aussagen von Zeugen prahlten einige Gäste des Festes am nächsten Morgen mit den in der Nacht begangenen Gräueltaten. Ein gewisser Stefan Beiglböck rühmte sich sogar, er habe mit eigener Hand sechs oder sieben Juden ‘erschlagen’.”[1]

Litchfield hat eine umfassende Biographie des Familie Thyssen geschrieben. Die Finanzierung Hitlers ist dabei nur ein Kapitel, der “danse macabre” von Rechnitz der schockierendste. In typisch österreichischer Manier wurden Berichte über das Massaker nach 1945 abgewehrt, als “bloße Propaganda” der Sowjets abgetan. Nach Informationen Litchfields hat Margit von Batthyány Mördern dieser Todesnacht zur Flucht verholfen, Hinweise darauf wurden 1963 nicht weiter verfolgt. Der österreichische Filmemacher Eduard Erne hat bereits 1994 seinen Film Totschweigen auf Rechnitz aufmerksam gemacht. Er meint, Litchfields Anschuldigungen seien das mindeste, ja dessen “Vorwürfe seien eher noch zurückhalten formuliert. Es habe zwischen der Thyssen-Erbin und den nationalsozialistischen Behörden geradezu eine ‘Kollaboration’ gegeben.”[2]

Durch eine weitere Historikerin wird das untermauert:

“Nach Angaben des Simon Wiesenthal Centers habe bereits die österreichische Historikerin Eva Holpfer nachgewiesen, dass das Paar Batthyány bei dem ‘Kameradschaftsfest’ anwesend war. Ermittelt wurde in Deutschland und Österreich. Die Täter wurden jedoch nie zur Rechenschaft gezogen, das Massengrab ist bis heute nicht gefunden worden. Zwei mutmaßliche Tatzeugen wurden 1946 ermordet. ‘Deshalb fordern wir die Behörden in Österreich und Deutschland auf, die Vorgänge genau unter die Lupe zu nehmen’, erkläre [Efraim] Zuroff [Leiter des Centers] in Jerusalem. Auch die Rolle der Familie Thyssen sollte dabei untersucht werden.”[3]

Die letzten 60 Jahre haben gezeigt, dass gerade die Täterländer Deutschland und Österreich überhaupt nicht interessiert waren an der Bestrafung der deutschen oder österreichischen Massenmörder, von den etwas unterer Chargen ganz zu schweigen. Beide Länder hatten vielmehr ihre Nazis als Staatsoberhäupter, siehe die Fälle Karl Carstens bzw. Kurt Waldheim. Insofern ist diese Aufforderung des Simon Wiesenthal Centers Jerusalem so wichtig, nachvollziehbar wie naiv. Interessant ist, was sagt die Antisemitismusforschung? Zuerst wurde natürlich beim Zentrum für Antisemitismusforschung nachgefragt, dessen Leiter Wolfgang Benz gern Auskunft gab:

“Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz wandte im Deutschlandradio ein, gegen die schockierende Story vom Judenmord als Partyspass spreche der Zeitpunkt. Am 24. März 1945 hätten selbst Fanatiker nur noch daran gedacht, ihre Haut zu retten. Eine Feier, während die Rote Armee bereits 15 Kilometer vor Schloss Rechnitz steht, wäre demnach unwahrscheinlich.”[4]

Ohne selbst zu diesem Massaker geforscht zu haben, weiß der deutsche Vorzeigehistoriker in Fragen des Holocaust offenbar Bescheid. Judenmord als “Party” könne es zu diesem Zeitpunkt gar nicht gegeben haben. Hat Benz Zeugen befragt? Kennt er Quellen, welche dieses Fest als solches belegen oder widerlegen? Woher nimmt er das Wissen, ob die SS und ihre Freunde, inclusive der Thyssen-Erbin, an jenem Tag nicht lustvoll-sadistisch Menschen ermorden wollte?

Weitaus kritischer, nachfragender, ja diese unfassbare Szene in jener Nacht auf Palmsonntag 1945 analysierend und nicht fabulierend sind Analysen und Forschungen des Religionswissenschaftlers Schaul Baumann. Er hat sich in seiner Dissertation an der Hebräischen Universität Jerusalem schon vor Jahren mit der Deutschen Glaubensbewegung und ihrem Gründer Jakob Wilhelm Hauer befasst.[5] Die neu-heidnische, pagane Religion war antimonotheistisch und völkisch. Die SS war ein wichtiger Vertreter des ‘artgetreuen Glaubens’, auch das Ahnenerbe der SS passt in die Germanophilie. Baumann kann mit seiner Forschung erhellen, was die SS, die ja ideologisch fanatisiert war wie keine zweite Organisation im Nationalsozialismus, bewogen haben mag, in jener Nacht:

“Laut Hauer und seinen Mitarbeitern hatte ein Ritual vor allem eine gesellschaftliche Funktion. Es trug zur Gruppensolidarität bei, wirkte bewusstseinsfördernd und hatte zudem auch spielerische Aspekte. Ein Zusammenwirken all dieser Elemente erzeugt die nötige Gefühlsspannung, die dem Menschen die Annäherung an das ‘Mysterium’ ermöglicht. Ein Ritual fungiert als Dialog zwischen Gott und Mensch und fördert die Kohärenz und Solidarität innerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe. Religiöse Feiertage ermöglichen einer solchen Gemeinschaft, ihr Heiligstes – wie die Vereinigung mit Gott – zu zelebrieren, zu modifizieren und zu erneuern.”[6]

Baumann kann sehr luzide zeigen, wie wichtig der Tod für die ‘Gottgläubigen’ war, was ja bei der SS mit dem Symbol des Totenkopfes noch gesteigert wurde. Am 18.1.1937 legte Heinrich Himmler, Chef der SS, fest, dass Angehörige der SS drei Möglichkeiten hätten, ihre Religionszugehörigkeit zu bestimmen: “1. Zugehörigkeit zu einer religiösen Vereinigung, wie z. B. einer Kirche 2. Gottgläubig, 3. Ohne Glauben.”[7]

Es wäre wichtig zu erfahren, wie dieses Fest in Rechnitz abgelaufen ist. Gab es rituelle Handlungen, vor, während oder nach dem Massenmord an den Juden? Wurden Reden gehalten? Welche Bedeutung hat die Verherrlichung des eigenen Todes für Nazi-Deutschland im Verhältnis zur Opferung der Feinde? Ist es aus SS- und gottgläubiger Sicht womöglich ‘wichtiger’ einen rituellen Massenmord zu veranstalten, ihn zu genießen als Zeichen göttlicher Umkehr, gerade weil der militärische Gegner, die Rote Armee, nur 15 Kilometer entfernt steht, als das Weite zu suchen? Wäre das eigene Opfer, sollte die Rote Armee sehr bald das Schloss einnehmen, geradezu Teil der NS-Ideologie und jenseits ‘rationalen’ Handelns, die eigene Haut retten, wie der Berliner Historiker insinuiert ohne sich all diese Fragen auch nur zu stellen? In einem Manuskript fasst Baumann seine These an diesem Punkt so zusammen:

“Als Religionswissenschaftler, der die Religionen vieler Gesellschaften erforscht hatte, wusste Hauer um die zentrale Bedeutung des Opfers in der Religion. Das Opfer als eine Gabe des Menschen an Gott hob er auf, sowohl wie es in der Antike in Tempeln dargebracht worden war, als auch den Opfertod des Gottessohns für die Erbsünde des Menschengeschlechts. Dies alles sei eine Erfindung der Semiten, wodurch die Welt unters Joch der Schuld geworfen werden sollte. Dagegen sei eine Umwertung des Opfers geboten, um es in den Dienst der ‘arischen Rasse’ zu stellen. Das Opfer müsse zur völligen Hingabe des Einzelnen an die Forderungen des Schicksals für Führer, Volk und Vaterland werden. So werde die Rasse von der Unreinheit geläutert, die ihr durch die Beimengung ‘fremden Menschenmaterials’ und Gedankenguts anhaftete. Wenn die Juden zuvor des Gottesmordes bezichtigt und daraufhin zum Sündenbock geworden waren, so sollten sie nun für das Unrecht der christlichen Apologetik verantwortlich gemacht werden, durch die sie indirekt die Weltmacht angestrebt hätten.”[8]

Die Forschung täte gut daran, sich mit diesen kritischen Analysen zu befassen, exemplarisch könnte dieses Massaker ein Beispiel für die antizivilisatorischen, jenseits von Gut & Böse mordenden Deutschen darstellen. Es ist in jedem Fall ein Teil des Holocaust, der sinn-losen Vernichtung der europäischen Juden, die ermordet wurden, weil sie Juden waren. Aus keinem anderen Grund. Das hat es weder davor noch danach je gegeben.

In Anlehnung an Simon Wiesenthal gilt festzuhalten: “Wir werden euch nicht vergessen”. Die Erforschung der heidnisch-germanischen Ideologie und ihr Beitrag zum Holocaust bleibt allerdings weiterhin eine sehr wichtige Forschungsaufgabe. Abwiegelungen à la Benz helfen nicht weiter, vielmehr indizieren sie das Niveau deutscher Antisemitismusforscher, die schon vor der empirischen und theoretischen Analyse wissen, um was es sich bei Rechnitz wohl gehandelt habe. Dagegen sind religionskritische Forschungen wie jene von Schaul Baumann enorm wichtig und helfen, die Bedeutung des Paganismus für die nationalsozialistische Ideologie und Praxis gleichermaßen zu erhellen. Der Fall Rechnitz wäre eine Möglichkeit dem exemplarisch nachzugehen. Doch wer hat daran schon Interesse?

 

Anmerkungen:

[1] David R.L. Litchfield (2007): Die Gastgeberin der Hölle, in: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, Nr. 242, 18. Oktober 2007, S. 37.

[2] Andreas Platthaus (2007): Massaker von Rechnitz. „Beispiel der Banalität des Bösen“, in: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, Nr. 246, 23. Oktober 2007, S. 46.

[3] TAGESSPIEGEL, 20.10.2007, http://www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2403156 .

[4] Joachim Günther (2007): Die Mordnacht von Rechnitz. Ein englischer Publizist erhebt Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Massaker im März 1945, in: Neue Zürcher Zeitung online, 01.11.2007, http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/die_mordnacht_von_rechnitz_1.571985.html.

[5] Schaul Baumann (2005): Die Deutsche Glaubensbewegung und ihr Gründer Jakob Wilhelm Hauer (1881-1962), Marburg: diagonal-Verlag (Religionswissenschaftliche Reihe, Band 22). “Meiner Mutter Lotte Baumann gewidmet, die als Kriegswitwe ihres Lebens sicher zu sein glaubte und deren letzte Ruhestätte nicht bekannt wurde”.

[6] Ebd.: 106.

[7] Ebd.: 199.

[8] Zusammenfassung der Dissertation, Manuskript Dr. Schaul Baumann, im Besitz des Verfasser.

 

hagalil.com 01-12-2007

Martin Mosebach – Gegenaufklärung als sekundärer Antisemitismus

Hagalil, 4. November 2007

Die Büchnerpreisrede des deutschen Schriftstellers Martin Mosebach vor wenigen Tagen in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist ein Zeichen, wie sich die politische Kultur in diesem Land verändert. Er verglich eine gewaltvolle Rede des französischen Revolutionärs Saint Just mit einer der unfassbarsten Reden der Menschheitsgeschichte überhaupt, der Ansprache des Chefs der SS, Heinrich Himmler in Posen. Bekanntlich hatte Himmler dort im Jahr 1943 die deutschen Massenmörder gelobt, bei ihren ›Aktionen‹ »anständig« geblieben zu sein…

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Die Analogie von 1789 und dem Nationalsozialismus ist so unerträglich wie altbekannt. Die Neue Rechte unter ihrem Vordenker Henning Eichberg proklamiert seit Jahrzehnten, dass ›die Moderne‹, 1789, Liberalismus und Aufklärung, Gleichheit und Freiheit für die Vernichtung in Konzentrationslagern bzw. im Holocaust insgesamt verantwortlich seien. Nicht der deutsche Antisemitismus sei schuld, vielmehr die ›Utopie‹ der Gleichheit der Menschen. In der Forschung unschwer als Schuldprojektion erkannt, hat dieses Theorem in der poststrukturalistischen Schule der Philosophie ein starkes Echo erhalten und heute bekommt es unter der Fahne der Stolzdeutschen, die sich gegen den Westen und den Universalismus wenden, weitere Nahrung.

Erinnern wir uns: In Deutschland war seit 1789 in reaktionären Kreisen der Hass auf die Französische Revolution bestimmend. Entgegen Kant oder Hegel, welche vom Sonnenaufgang menschlicher Vernunft sprachen und den menschheitsgeschichtlichen Fortschritt, der seines gleichen suchte – und nur in der Amerikanischen Revolution von 1776 zu finden ist -, priesen, lehnten viele Deutsche die Revolution mit ihrem Gleichheitsgedanken und seinem Einfordern des universellen Gesetzes ab. 1914 schließlich, zu Zeiten des Ersten Weltkrieges, zogen die glücklichen Deutschen in Regimentern mit Parolen von Nation, Kaiser und Sozialismus, mit den Ideen von 1914 gegen jene von 1789 in das Feld.

›Kultur gegen Zivilisation‹, ›Helden gegen Händler‹, Deutsche gegen den Westen, Juden, Franzosen und Engländer, das war die Konstellation. Dass Napoleon während der Besatzung Deutschlands nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen 1806 Juden die Bürgerrechte gewährte, wurde nie verziehen und bereits von den burschenschaftlichen Turnern um ›Turnvater Jahn‹ gewaltig abgewehrt, bei der Bücherverbrennung 1817 auf der bis heute beliebten Wartburg brannten Bücher von Juden als auch der französische Code Civil. Der Philosoph und Theologe Max Müller, bester Freund des dieses Jahr verstorbenen ZDF-Mitbegründers Karl Holzamer, war schließlich 1933 ganz euphorisch und proklamierte »ein neues Zeitalter (…) für ganz Europa, das jenes in den Stürmen von 1789 geborene abzulösen« antreten würde. Der Hass auf die Französische Revolution, auf Gleichheit, Universalismus und Brüderlichkeit, war elementar für den Aufstieg und die Etablierung des Nationalsozialismus.

Heute nun wird revisionistisch gesagt, 1789 und 1933 bis 45 seien verwandt. Mosebach derealisiert die präzedenzlosen Verbrechen des Holocaust, indem er sie mit völlig anderen, unendlich kleineren Gewalttaten in Analogie setzt. Er macht das gezielt, so wie die Neue Rechte die Abwehr von 1789 braucht, um wieder emphatisch von Deutschland reden zu können. Der Hass auf 1789 führte direkt in den Rassestaat, war also primärer Antisemitismus. Nach Auschwitz werden nun 1789 und der NS-Staat analogisiert. Das ist sekundärer Antisemitismus, eine Erinnerungsabwehr der unfassbaren Spezifik der Rede in Posen. Wer die Shoah mit ganz normalen Verbrechen gewaltförmiger, revolutionärer, gegenrevolutionärer etc. Zeiten vergleicht, verharmlost sie. Deutschland verliert seine Schuld, wenn diese projiziert werden kann auf den alten ›Erzfeind‹ Frankreich.

Kritik an Mosebachs neu-rechter Geschichtspolitik wie in der taz, welche zurecht von »revisionistischem Gerede« spricht, wird nun von der FAZ als »Kaderwelsch« diffamiert. Mit diesem Wort generiert der FAZ-Kommentator Lorenz Jäger ein antisemitisches Wort. »Welsch« meint jüdisch, französisch, unlauter, betrügerisch, romanisch, un-deutsch. Die Gegenaufklärung nimmt weiter an Fahrt auf.

Clemens Heni, Dr. phil., Jg, 1970, Politikwissenschaftler und Publizist in Berlin; Altstipendiat der HANS-BÖCKLER-STIFTUNG, ehemaliger Fellow der HEBREW UNIVERSITY JERUSALEM (SICSA) sowie der FONDATION POUR LA MÉMOIRE DE LA SHOAH (Paris); Forschungsschwerpunkte: Antisemitismus, Rechtsextremismus/Neue Rechte, Nationalsozialismus, Ideologiekritik, politische Kultur BRD/Deutschland, Israel, (Neue) Linke, Kritische Theorie, Technikphilosophie, Antiamerikanismus, ‘Natur- und Heimatschutz’, Erinnerung an die Shoah; 2007 erschien seine Dissertation zur “Salonfähigkeit der Neuen Rechten “. Kontakt für Vorträge, Kongresse, Seminare etc. über haGalil.

 

Entweder Broder

25.10.2007

Kritische Publizisten, Journalisten als auch Wissenschaftler zeichnet aus, dass sie eine gesellschaftliche Situation adäquat einschätzen können. Wer heute angemessen auf die Gefahren für den Weltfrieden hinweist, wird sehen, dass es solche Kritiker so gut wie nicht gibt. Wer sieht im Iran die größte Gefahr für den Weltfrieden? Wieso schmeißt die Bundesregierung nicht den Botschafter dieses Staates, welcher offiziell den Holocaust leugnet und ankündigt, eine »world without Zionism« zu erreichen, also Israel auszuradieren, hinaus? Wäre das nicht adäquat? Welcher Professor der Freien Universität Berlin, Deutschlands ›Elite‹ mithin, oder emeritierte Sozialtheoretiker aus Frankfurt am Main hat im Jahr 2003 denn nicht mitgemacht bei der Friedenshetze gegen die USA und ihre Alliierten? Die gleichen Leute, ob sie nun Jürgen Habermas, Jacques Derrida, Hajo Funke, Claudia Roth, Ulrich Wickert oder Polylux heißen, welche die toten Juden des Holocaust erinnern und so manche Schlacht gegen alte Nazis geschlagen haben, haben heute offenbar gar kein Problem mit der Gefahr eines zweiten Holocaust in naher Zukunft. Lebende Juden genießen keine Unterstützung, tote sehr wohl, man könnte auch sagen: »Deutsche lieben nur tote Juden, Islamisten gar keine«.

Es ist also wohlfeil, zurück zu schauen in Trauer oder vermeintlicher Bewegtheit und heute so kalt wie ungeniert den islamischen Faschisten in Gaza-Stadt, dem Südlibanon, Riad, Damaskus und vor allem Teheran zuzuschauen. Mit Betroffenheitsmiene am 9. November den Pogrom von 1938 erinnern ohne aktiv mitzutun, dass kein weiteres passiert, heute, morgen oder übermorgen. Deutschland unter der Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte gern einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Iran bleiben. Dessen Holocaustleugnung und Holocaustvorbereitung stören dabei gar nicht. Die Heuchelei der Deutschen ist ganz offensichtlich für jede Journalistin, jeden Publizisten und jede Politologin. Auch Analysen über die Berichterstattung der zweiten Intifada seit 2000, insbesondere im Jahr 2002, verdeutlichen die obsessive Schuldprojektion auf Israel. 2007 haben dann die deutschen Bischöfe Hanke und Mixa in antisemitischer Diktion das Warschauer Ghetto mit der Situation in der Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde verglichen, den Terrorschutzwall gegeißelt und die Israelis des Rassismus geziehen. Heute spricht derselbe Mixa, Jahrgang 1941, bezüglich der Familienpolitik der Bundesregierung von einem »staatlichen Umerziehungsprogramm«. Kritik, diesmal von Claudia Roth, einer typischen Vertreterin der oben analysierten Fraktion der ›Betroffenen‹, deren Äußerungen gleichwohl nicht alle komplett falsch sind, wenngleich ihre geradezu magnetische Anziehungskraft von Mikrofonen noch alles andere übertrifft, was sie tut, wehrt dieser Bischof nun als »faschistoid« ab.

Schon vor genau 20 Jahren schrieb Broder: »Wenn die deutschen Bischöfe die Abtreibungsregeln mit Auschwitz gleichsetzen und wenn Heiner Geißler sagt, an Auschwitz seien die Pazifisten schuld gewesen, dann sind das die rechten Komplementärfarben zum linken Gerede vom ökologischen Holocaust und der Endlösung der Palästinafrage.« Das war eine treffende Analyse, was Besseres hat man im Jahr 1987 schwerlich gefunden zwischen zwei Buchdeckeln (»Ich liebe Karstadt«). Die Analyse wäre noch heute aktuell. Wäre.

Wenn innerhalb weniger Tage eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, wie sie jüngst und sehr publikumswirksam Eva Herman oder Bischof Mixa getan haben, durch Invektiven gegen Adorno, Kritische Theorie und manche Antifas von ›liberaler‹ Seite noch unterstützt wird, wird deutlich, dass es so luzide scharf-polemische Texte wie den 1987-Broder derzeit kaum gibt. Gewiss, nichts ist billiger als eine Pappkameradin abzuschießen. Eva Braun-Herman jedoch spricht für wenigstens 20 Millionen Deutsche, die nach einer repräsentativen STERN-Umfrage meinen, der NS habe auch »gute Seiten gehabt«. Als die ehemalige Tagesschau-Sprecherin und Ex-NDR-Moderatorin beim ZDF in der Sendung des Viel-, Blöd-, und gewiss fast ausschließlich Dummschwätzers (dafür wird er ja bezahlt) Johannes B. Kerner auftrat und ihre Thesen von der guten Zeit für die Frauen in Nazideutschland nicht zurücknahm, vielmehr auch die Autobahnen als das moderne Element pries, hat sich dieser bekannte Fernseh-Talkshowmaster von ihr verabschiedet, sie wurde rausgeworfen. Was kaum erwähnt wurde: im Sendestudie haben im Publikum eine ganze Reihe Leute geklatscht, als Herman mit ihren NS-verharmlosenden bzw. lobenden Geblöke loslegte. Die 20 Millionen haben es gern gehört. Wie jedoch haben das publizistische Netzwerk »Achse-des-Guten« und Broder reagiert? Eine extrem rechte, katholische Seite im Netz fasst es so zusammen: »Berlin (http://www.kath.net)
Der Schriftsteller Martin Walser nannte 1994 die freie Rede in Deutschland angesichts des Tugendterrors der ›politischen Korrektheit‹ ein halsbrecherisches Risiko. Anlass war die gescheiterte Präsidentschaftskandidatur des sächsischen CDU-Politikers Steffen Heitmann, von dem ein paar unverdächtige Äußerungen zum Frauenbild und zum Dritten Reich solange uminterpretiert wurden, bis daraus ›verbale Brandsätze‹ wurden. (…) Broder nannte die [ZDF-Kerner-] Sendung ›die längste Antifa-Sitzung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen‹.« In einem »Gastbeitrag« von »Edgar Dahl« wurde auf jener »Achse« weiter gesagt: »Hatte ich bislang geglaubt, dass eine Autobahn einfach eine Autobahn sei, die weder gut noch schlecht sein könne, egal zu welchem Zweck sie gebaut wurde, weiß ich nun, dass die A5 rassenideologisch kontaminiert ist und ich mir besser einen nationalsozialistisch unverdächtigeren Beförderungsweg suchen sollte, um am Montag zur Arbeit zu gelangen.« Nun, es ist immer schlimm, Menschen einen Kinderglauben zu entreißen. Doch hier handelt es sich ja nicht um Kinder, vielmehr um neu-rechte Ideologie. In der Wissenschaft wird seit gut 20 Jahren von Neuen Rechten, also den ›modernen‹ Rechtsextremisten, die Auschwitz nicht direkt leugnen, vielmehr das »Positive«, »Moderne« oder das »modernisierende« Element des Nationalsozialismus suchen, proklamiert, es habe in der Zeit von 1933-45 in Deutschland ungeheuer viele Möglichkeiten gegeben. Einen »Reichtum an Facetten«. Nicht nur die Gründung der »Stadt des KDF-Wagens bei Fallersleben«, heute VW-Stadt Wolfsburg, vielmehr auch der Volksempfänger, die Naturschutzgesetzgebung, die Wohnungsbaupolitik, die Angleichung der Stellung von Arbeitern und Angestellten etc. pp. würden das illustrieren. Die toten Sklavenarbeiter, die dazu auch benötigt wurden, bleiben unerwähnt. Das Mobilisierungspotential aller Maßnahmen des Regimes für die antijüdische Volksgemeinschaft wird ebenso entwirklicht oder affirmiert. Solche Rede ist also antisemitisch. Denn wer die Totalität des verbrecherischsten Landes der Geschichte der Menschheit einfach ausblendet, möchte sagen: der Holocaust, die vorherige Ausgrenzung, Demütigung, Gefangennahme und Deportation der Juden ist mir völlig egal. Das ist nicht das Thema mehr, heute. Heute gehe es vielmehr um die »Polykratie« des NS-Staates, die vermeintliche Widersprüchlichkeit und die Machtkämpfe innerhalb des Regimes. Damit werden die präzedenzlosen Verbrechen einfach derealisiert, entschwinden aus dem Gesichtsfeld. Die Neuen Rechten Rainer Zitelmann und Michael Prinz haben das 1991 in einem breit rezipierten Buch mit dem Titel »Nationalsozialismus und Modernisierung« vorgedacht. Das war damals die Vorbereitung für die »Selbstbewusste Nation«, wie das Standardwerk dieser Richtung der Neuen Rechten von Mitte der 1990er Jahre heißt. Heute ist die Situation noch weit dramatischer. Durch den schwarzrotgoldenen Taumel des Fußball-WM-Jahres 2006 wurden die allerletzten, kleinen Reste an Anstand, Zurückhaltung oder Unsicherheit ob eines neuen deutschen Nationalismus hinweggefegt.

Der Hass auf jede substantielle Kritik an Deutschland, Kritik am Gerede um ›nationale Identität‹ beispielsweise, seit Ende der 1970er Jahre, ist so verbreitet wie billig. Dass jetzt jedoch auch Henryk Broder von »negativem Nationalismus« redet, angesprochen auf eben solche unversöhnlerische Kritik, das stimmt sehr nachdenklich. Doch weiß er, dass es die Rede vieler Linker ist, die es Intellektuellen nie verziehen haben, dass diese marginalsten Kreise für die USA, Israel, den Universalismus und gegen völkische Theorie und Praxis, ob links, rechts, querfrontig oder mainstreammäßig kämpfen? Der Großteil der Stolzdeutschen, die einen »deutschen Weg« suchen wie der antiamerikanische SPDler Egon Bahr, oder einfach wie der WELT-Feuilleton-Chef Eckhard Fuhr die »Berliner Republik« als »Vaterland« kuschlig finden und vom »Freiheits-Bolschewismus« der USA fabulieren, um nicht noch offener vom deutschen Ressentiment gegen den »jüdischen Bolschewismus« zu reden oder einfach wie der Spiegel-Kultur-Chef Matthias Matussek allen Nicht-Deutschen zuposaunt: »Ihr könnt mich gern haben«, sprich: ›am Arsche lecken‹, all diese Facetten neu-deutscher Ideologie oder der politischen Kultur sind für jeden hellen Kopf unübersehbar. Die gleichen Leute sind es zumeist, die den Iran nicht als die größte Gefahr für den Weltfrieden betrachten, Fuhr und Bahr agitieren vielmehr gerne gegen die USA.

Wer meint, die Verharmlosung des Nationalsozialismus sei nicht schlimm, Hauptsache es geht gegen den politischen Islam, wird sich noch gehörig wundern. Nur wer erkennt, welche Verbrechen die Deutschen begangen haben und nur wer erkennt, dass der Nationalsozialismus eine antijüdische Volksgemeinschaftsaktion war, wird die Kraft haben dem islamischen Faschismus adäquat zu begegnen. Eigentlich genau das, was Broder seit Mitte der 1970er Jahre gemacht hat. Eigentlich. Heute zu postulieren, der Iran sei »noch schlimmer« als der NS, weil letzterer bekanntlich nur »12 Jahre», ersterer jedoch schon jetzt »27« existier(t)e, wie es Broder auf einer Podiumsdiskussion in Berlin vor einigen Wochen getan hat, ist so grotesk wie absurd. Jedenfalls nicht ironisch, sarkastisch oder witzig, polemisch auch nicht. Wenn ein katholischer Bischof mehrfach antisemitische Ressentiments gebraucht, wahlweise die Israelis mit Rassisten vergleicht, Deutsche als Opfer einer neuerlichen ›Umerziehung‹ (das Wort ist Kernbestandteil altnazistischer wie neonazistischer Propaganda seit den 1950er Jahren) herbeifantasiert und Kritikerinnen als »faschistoid« bezeichnen lässt, ist die Salonfähigkeit neu-rechter Ideologeme offenkundig. Broder nennt nun die Kritik an Mixas rechtsextremer und antisemitischer Terminologie ein Geschwätz eines »Reichsparteitages der Guten«. Das ist wiederum noch nicht mal witzig, ironisch oder sarkastisch. Es ist vielmehr ein Echo eines allzu deutschen Musters: früher verglich nicht nur Franz Schönhuber die Antifa mit der SA, auch Franz-Josef Strauß bemühte ähnliche Vergleiche um Kritik an neuen und alten Nazis, sich selbst eingeschlossen, abzuwehren. Ein simpler Projektionsmechanismus. Broder hatte den 1987 locker durchschaut.

Die pseudo-antifaschistischen Heuchler von heute mögen sehr anstrengend sein. Aber 20 Millionen Deutsche, die offen (!) zugeben, dass sie »gute Seiten im Nationalsozialismus« sehen, sind eine breite Basis für jede Form von Judenhass und im Zweifelsfall noch schlimmer als solche Heuchler. Wer meint mit der Geschichte des NS Späßchen zu treiben, hat wenig kapiert und die Zeichen der Zeit nicht erkannt. 1987 war das noch ganz anders. Man kann heute, auch wenn das Konservative, Liberale und andere nicht erkennen wollen, nicht gegen den politischen Islam vorgehen ohne den Nationalsozialismus in all seinen Erscheinungsformen zu analysieren und zu verurteilen. Kai Diekmann jedoch, der Chefredakteur der größten Tageszeitung Europas, der BILD-Zeitung, den Broder verlinkt auf der »Achse« und dessen Hetze gegen Kritiker Deutschlands zu genießen scheint, schreit seine Lust nach Diminuierung des NS so hinaus: »Nach dem universalen Hass der NS-Ideologie herrscht nun schon seit Jahren das universale Verständnis für alles und jeden. Diese Gutmenschenattitüde«. Die heutigen ›Gutmenschen‹ als die modernen Nazis. Das ist die BILD-Version der Schuldabwehr und –projektion. Solche Stolzdeutschen wollen ein Deutschland ohne Islam und kein Wort mehr über die Grundlage der Bundesrepublik hören, die Vernichtung der europäischen Juden. Die BRD ist der selbsternannte Nachfolgestaat des NS, mitsamt seinem ›arisierten‹ Besteck, mit den von Juden gestohlenen Häusern, Fabriken, Warenhäusern etc. Ohne die Nazis würde es heute auch keinen VFL Wolfsburg geben und zumindest dort auch keine antiisraelischen Fußballer deutsch-iranischer Provenienz.

Wer heute glaubt die Neue Rechte links überholen zu können und den NS zu verharmlosen, um nur so gegen den Djihad aktiv werden zu können, täuscht sich gewaltig. Die Neue Rechte kann nur bekämpft werden mit demokratischen Mitteln und Methoden. Der Kern dabei ist die Kritik der Verharmlosung des Nationalsozialismus, eine Analyse der antisemitischen Rede vom ›modernen‹ oder ›modernisierenden‹ Charakter‹ des NS-Staates. Dazu jedoch muss man die Forschung zu diesem Thema kennen. Broder mag, wie er selbst sagt, lieber Anekdoten als Fußnoten. Wieso nicht beides?

Der Kampf gegen den islamischen Faschismus, den ›grünen‹, der hierzulande so unendlich viele Freunde, Verharmloser und Beifallspender hat, ist viel zu wichtig als ihn denen zu überlassen, die damit gleich auch die braune Grundierung Deutschlands wegwischen wollen. Nicht entweder-oder: entweder ich kritisiere katholische Antisemiten wie Mixa oder ich bin gegen den Heiligen Krieg des Islam. Nein, vielmehr hat zu gelten: weder noch! Weder stehe ich auf der Seite eines Bischof Mixa noch auf jener einer Claudia Roth, die gewiss alsbald in der ersten Reihe der ›Friedensdemonstrationen‹ stehen wird, wenn der Iran militärisch gehindert werden wird, sein Vernichtungspotential gegen Israel einzusetzen.

Der Kampf gegen den Djihad jedoch lediglich als Vorwand, gerade für die BILD-Zeitung, den Spiegel, die WELT, sich noch gemütlicher einzurichten, gerade in Deutschland, dem Land der unbegrenzten Schuldabwehrmöglichkeiten?

Wer vom verbrecherischen Alltag des Nationalsozialismus nicht mehr reden möchte, sollte vom politischen Islam schweigen.

 

Deutsche Lust Es wächst zusammen was zusammen gehört: Nation und Sozialismus – “Volkslust”

ww.hagalil.com, 14.10.2007

Alle wollen mitmachen. Seit einigen Jahren quellen die Feuilletons über, Buchtitel und Veranstaltungen sind voll mit »Deutschland denken«, »Die Berliner Republik als Vaterland«, »Wir Deutschen« oder »Der deutsche Weg«. Dem möchten natürlich die nationalrevolutionären Neuen Rechten in nichts nachstehen. WIR SELBST jedoch, das Hochglanz-Flaggschiff dieses Teils des ›modernen‹ Rechtsextremismus, das seit 1979 bevorzugt auf braun-grünen Tümpeln schipperte, hat das Erscheinen seit 2002 eingestellt. Das Nachfolgeprojekt firmiert nun seit 2004 mit bislang vier Ausgaben unter dem Namen VOLKSLUST.

Nicht nur Eva Herman treibt es Freudentränen in die Augen, wenn sie dort liest: »Unsere Kinder sollen nicht mehr verschämt zu Boden blicken, wenn sie jemand fragt, woher sie kommen und sie sollen sich im Klaren darüber sein, dass die deutsche Geschichte nicht nur aus Auschwitz und Buchenwald besteht.« Auf diesen sekundären Antisemitismus hat VOLKSLUST also keinerlei Monopol, vielmehr wird er heute von nahezu allen deutschen Dächern, Blättern, im Radio, Fernsehen, in Talkshows etc. wollüstig gepfiffen. VOLKSLUST übernimmt den zentralen Slogan von WIR SELBST: »Wer von den Völkern nicht reden will, sollte von ›dem Menschen‹ schweigen«.

Die antiindividualistische, antiliberale und antiuniversalistische, völkische Theorie nennt sich nun »linkes Nachdenken über die Nation und das Volk«, um eine »volkliche Vielfalt« zu erkämpfen, wie es einer der jüngeren Nachbeter Eichbergs, Alexander Raoul Lohoff, auf den Punkt bringt, der es sogar 2003 und 2007 mit Leserbriefen in die JUNGLE WORLD schaffte, zuletzt um seinen Praeceptor Germaniae in Schutz zu nehmen. Bemerkenswert ist die Kooperation des Sohnes von Willy Brandt, Peter Brandt, Professor für Geschichte und aktiv in der SPD, mit VOLKSLUST. Brandt fordert eine »folkelighed« ein, einem dänischen Begriff des Theologen Grundtvig aus dem 19. Jahrhundert, eine Art ›Völkischheit‹. Was er nicht unternimmt, ist die Analyse des bereits bei diesem Theologen dechiffrierbaren, exkludierenden und antijüdischen Nationalismus, der sich gegen Meïr Aaron Goldschmidt wandte.

Grundtvig dient VOLKSLUST als wichtigster Kronzeuge für eine vermeintlich harmlose Bedeutung des Wörtchens »volklich«, welches er 1848 prägte. Volklich ist jedoch nicht nur bei ihm, vielmehr auch bei den völkischen Nationalisten der Weimarer Republik und sodann im Nationalsozialismus, u.a. in der Sprachtheorie Leo Weisgerbers, verwendet worden. Volklich meint jeweils das gleiche wie völkisch. Neben Brandt tauchen PDSler wie Gerhard Brandster oder der von der DKP zum Islam konvertierte Dieter Schütt als Autoren auf, zudem der rechtsextreme Anti-Antifa-Publizist Claus Wolfschlag, der schon früher geradezu Steckbriefe von Rechtsextremismusforschern entwickelt hat. Der »Schriftleiter« Hanno Borchert wiederum wurde zuletzt dadurch einschlägig bekannt, dass er den Nazi-Barden Frank Rennicke, der in seinen Stücken die SS hochlobt und beim Nazi-Projekt Schulhof-CD aktiv war, in der letzten WIR SELBST-Nummer von 2002 in Schutz nahm vor der »Faschismuskeule«.

Das Heidnische, Antimonotheistische, vor allem das Antijüdische und Antichristliche haben traditionell eine große Bedeutung für die nationalrevolutionären Neuen Rechten, in VOLKSLUST wird regelmäßig darauf abgehoben. Ebenso kommen Noam Chomsky, Arundhati Roy oder Günther Nenning als Bezugspunkte vor, auch Robert Kurz, Roswitha Scholz oder das ›wert- und krisenkritische‹ Projekt exit werden ausführlich gewürdigt, zudem huldigen die obsessiv Völkischen »Wald und Licht«, der kosmologischen »Maja« oder publizieren Artikel der »Wertkritischen Kommunisten Leipzig«, welche die Kinderband Tokio Hotel hypen. »Antifas« sind für die volkslustigen Regimenter »Schwachköpfe«, sie werden mit »Hools« in eine Reihe gesetzt. In antisemitischer Analogie wird der Kampf gegen »›den Juden‹« mit heutiger Kritik am »›Islamofaschismus‹« gleichgesetzt. »Martin Walsers Aufruhr gegen die ›Auschwitzkeule‹« wird wohlwollend angeführt und als Zeichen für eine »volkliche Linke« registriert. Auschwitz wird zudem nur erwähnt, um es als westlich zu deklarieren, als »Fabrik«, also als »modern«, um ja nicht vom spezifisch deutschen, eliminatorischen Antisemitismus zu reden. Eine prima Entlastungsmöglichkeit für die Deutschen.

Diese Strategie ist wiederum keine genuin neu-rechte, vielmehr als postmodernistisches Syndrom zu erkennen, das immer wenn es von der ›Moderne‹, der ›Aufklärung‹ oder ›dem Menschen‹ hört, von »KZ« redet. In Eichbergs Text »antideutsch oder antiimperialistisch« zeigt er nachdrücklich, dass die gegenwärtige Rezeption von Dutschke oder Che Guevara – »Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker« – auch in der Neuen Rechten Wellen schlägt. Feindbild ist vor allem die »jungle world«, die sich anmaßte »Sherry statt Sharia« zu fordern. Heute sprüht die Volkslust, wenn zur Marx-Engels-Stiftung der DKP über »Linke und Nation« gegangen wird, wie es die Homepage der VOLKSLUSt vorschlägt. Sie zeigt sich auch darin, antizionistisch-linke Publikationsorte wie trend-online-partisan zu loben, wenn dort Eichberg vor Kritik in Schutz genommen wird.

VOLKSLUST steht für einen marginalen Kreis Neuer Rechter und Querfrontler, aber bezeichnender ist folgendes: sie bringen die politische Kultur des heutigen Deutschland mit seiner schwarzrotgoldenen Hurra-wir-sind-Deutsche-und-deshalb-so-froh-Ideologie auf einen gewissen Kulminationspunkt; Nation und Sozialismus sind im Kommen. Wer erinnert sich nicht an Friedrich Meinecke, den berühmten Historiker, nachdem in Berlin das historische Institut an der Freien Universität benannt wurde, der 1946 in seinem Pamphlet die deutsche Katastrophe Hitler als »brünstigsten Verkünder« und »Exekutor« dafür lobte, »die Verschmelzung der nationalen und der sozialistischen Bewegung« angegangen zu haben. VOLKSLUST kämpft für einen nationalen Sozialismus im 21. Jahrhundert.

Wer ist nicht stolz auf ein Land, das seiner Vergangenheit noch eine Zukunft bietet?

 

Antisemitismus und SPÖ als ‘ZUKUNFTS’projekt

Original auf www.hagalil.com, 26. September 2007

In der jüngsten Nummer der ZUKUNFT ist ein Artikel von Fritz Edlinger abgedruckt, “Israel, der Islam und die Linke “. Edlinger ist ganz überrascht über Kritik am neuen Antisemitismus, denn seit 1964 ist er SPÖ-Mitglied, obwohl er doch erst 1948 geboren wurde. Kritik am islamischen, palästinensischen, linken oder antiimperialistischen Antisemitismus ist für Edlinger ein “Totschlagargument”. Schon 1948 sei den Palästinensern böses Unrecht geschehen, sie seien vertrieben worden. Dass die Palästinenser den UN-Teilungsplan für Palästina/Israel ablehnten verschweigt der SPÖ-Propagandist wohlweislich. Das würde auch jede antizionistische Propaganda im Keim ersticken…

Von Clemens Heni, Berlin

Heute davon zu reden, arabischer und muslimischer Antisemitismus sei quasi eine Erfindung böswilliger Leute und nur ein “Totschlagargument” gegen gutwillige Antiimperialisten, zeigt die Niveaulosigkeit auch sozialdemokratischer Presseorgane. Denn solche Schuldabwehr, die mit der Schuldprojektion einher geht, ist das beliebte Muster, wie es sich nach dem Nationalsozialismus etabliert hat. Dass de facto die Raketen der Hamas oder anderer Palästinenser Israelis totschlagen und tagtäglich mit dem Tode bedrohen, schert einen echten und guten Sozialdemokratien in Österreich so wenig wie in Deutschland.

Wo sind denn die Massendemonstrationen gegen die Vernichtungsdrohungen gegen Israel, welche täglich aus dem Iran, der Hezbollah im Libanon oder von der Hamas im Gazastreifen zu hören sind, nicht nur von Politikern, vielmehr auch von Imamen, am Frühstückstisch in vielen arabischen Familien, im Fernsehen, Radio und im Internet? Wo hat die SPÖ gegen den Djihad und den Antizionismus jemals eine große Demonstration auf die Beine gestellt in letzter Zeit?

Sind das nicht eher die Leute, die zusammen mit Islamisten, Nazis und sogenannten Globalisierungsgegnern gegen Israel hetzen und jeden Kampf gegen die Gefahr des islamischen Terrorismus ablehnen? Sind es nicht die Leute, die jede konsequente Aktion der USA abwehren und lieber mit den Reaktionären und Massenmördern wie den Taliban kuscheln? Edlinger agitiert gegen die “völkerrechtswidrige Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik des ‘Staates der Juden’ Israel.” Da Edlinger und die ZUKUNFT “Staat der Juden” in Anführungszeichen setzen, soll ganz offensichtlich angezeigt werden: das ist eigentlich gar kein akzeptabler Staat der Juden! Und zwar seit 1948 nicht akzeptabel! Hier ist der antizionistische Antisemitismus offenkundig.

Weiter und völlig konsistent bezieht sich Edlinger in seinem Text u.a. auf den Historiker Tony Judt, der zwar kein “US-amerikanischer” Wissenschaftler ist, wie er schreibt, vielmehr ein englischer, der in USA lehrt, aber viel bezeichnender ist die Tatsache, dass Edlinger der Hass Judts auf Israel, welches Judt als jüdischen Staat zerstört wissen möchte und für einen binationalen Staat plädiert, Musik in den Ohren ist.

Edlinger ist ein selbsternannter “österreichischer Linker”, der seit den 1960er Jahren, also seiner Jugend, ganz ungeniert nichts dazugelernt hat und das auch gar nicht wollte: “Der historische Materialismus und das restliche wissenschaftliche Rüstzeug, das man uns in den 60er Jahren vermittelt hat, sollte doch eine Basis für ein derartiges Projekt [“Selbstkritik” im “Nahostkonflikt” etc.] bieten. Ich hoffe, ich bin trotz meiner 59 Jahre nicht allzu naiv-blauäugig.” Wirklich? Nur naiv? Welches “Rüstzeug” meint er denn? Dass es das böse Kapital gebe, welches monopolistisch agiere und seine Handlanger überall auf der Welt aussendet? Der 60er Jahre Antiimperialismus, der sich als Antiamerikanismus und Antizionismus zeigte und seit 9/11 fröhlich Urständ feiert, ist der das “Rüstzeug” Edlingers?

Auch in der österreichischen Sozialdemokratie sind Debatten über linken Antisemitismus spurlos vorüber gegangen, wer das nicht glaubt, lese Edlingers Text in der ZUKUNFT. Dass heute zumal Neonazis gegen Amerika und Israel hetzen und im Verbund mit Islamisten oder (ganz klammheimlich) mit der Antiimperialistischen Koordination (AIK) aus Wien, das ist ja bekannt. Aber nein, Edlinger ist doch gegen “Faschismus”, wo und wann dieser auch immer sich rege, ausser womöglich bei sich selbst oder den armen Unterdrückten der Welt wie Usama bin Laden, der Hezbollah oder der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Gewiss: Nazis und ihre Freunde in Österreich wie die BZÖ oder die FPÖ, welche im Jahr 1999 immerhin knapp 30% der österreichischen WählerInnen hinter sich vereinen konnte, machen derzeit Propaganda gegen Muslime in Österreich. Rassismus und Nationalismus sind nicht nur in Kärnten beliebt.

Doch das ist derzeit gewiss nicht der Kern des Problems. Dieser liegt vielmehr im neuen Faschismus: dem Islamfaschismus, dem grünen, der so gern veritabler Nachfolger des angehimmelten braunen werden möchte. Dass nun eine sozialdemokratische Zeitschrift Texte abdruckt, die diesen grünen Extremismus wenn nicht hofieren, so doch kleinreden und vor allem dessen KritikerInnen diffamieren will, ist so abstossend wie bezeichnend für die politische Kultur im blau-rot-schwarzen Alpenland. Edlinger wendet sich als Aufhänger seiner Anklage gegen Antisemitismuskritik gegen einen Leserbrief von Ruth Contreras. Contreras wird wie auch Thomas Schmidinger vorgeworfen, dass es ihnen um eine “Diffamierung” des Islam gehe.

Judenhass ist ein elementarer Bestandteil islamistischer Ideologie. Das sagt Edlinger aber nicht, das würde sein einfaches Weltbild erschüttern. Als drittes Feindbild, und damit wird die Sache noch krasser, baut Edlinger Karl Pfeifer auf. Entgegen Contreras oder Schmidinger wird jedoch Pfeifer näher bezeichnet. Das lässt aufhorchen. Der Journalist Karl Pfeifer war 15 Jahre freier Mitarbeiter der ZUKUNFT. Heute nun wird vom ZUKUNFT-Autor Edlinger gegen den “sattsam bekannten zionistischen Publizisten Karl Pfeifer” Stimmung gemacht. Wieso diese adjektivische Bestimmung? Zu schreiben “der bekannte Jude Pfeifer” war Edlinger zwar zu feige oder fein, aber genau das wollte er sagen: ein Jude ist das, gebt acht, liebe Genossen! Unfassbar ist so eine Agitation in einer offenbar angesehenen österreichischen Zeitschrift, der ZUKUNFT. Kann so eine ZUKUNFT eine Zukunft haben in einer weltoffenen Welt? “Zionist” ist ein Code für “Jude”, ein postnationalsozialistischer Code, der auch strafrechtlich motiviert zu sein scheint. Viele Neonazis schreiben heute auch oft von Zionisten anstatt von Juden. Das hat die politikwissenschaftliche Forschung längst dechiffriert.

Da aber Zionisten Juden sind, ist ein “zionistischer” Publizist ein jüdischer. Nun müssen die Redaktion, der Herausgeber und alle anderen Verantwortlichen der ZUKUNFT selber wissen, wie Ihnen so ein Antisemitismus gefällt. Sind es nicht die gleichen Leute, die bei Jörg Haider aufheulen, wenn dieser einem Juden, der zufällig “Ariel” heißt, “Dreck am Stecken” unterschiebt und sich schief lacht? Wer jedoch bei einem Rechtextremisten aufheult ohne bei sich selbst zu schauen, welche Ressentiments schlummern und heute frisch fromm fröhlich frei herausposaunt werden (ob mit oder ohne Burschimentalität), der heuchelt, ist unredlich und politisch nicht integer. Fritz Edlinger hat eines der antisemitischsten Hetzbücher nach 1945 in Österreich verlegt, “Blumen aus Galiläa”. Dort wird die jüdische Weltverschwörung in den grellsten Farben ausgemalt und gegen Israel agitiert. Allein schon das macht ihn für eine angeblich irgendwie kritische oder sozial-demokratische Zeitschrift als Autor eigentlich untragbar.

Diese eitel-peinliche, postpubertäre und lediglich Reminiszenzen der 1960er Jahren heranziehende Proklamation eines links-Seins, wie Sie Edlinger vollführt, ist im 21. Jahrhundert kein Rezept. Weder polit-ökonomische Phrasen, welche schon damals bezeugten, wie wenig diese “Sozialisten” selbst Marx himself verstanden, noch militant-antiimperialistische Analysemuster waren je hilfreich. Heute sind sie das größte Hindernis im antifaschistischen Kampf gegen den grünen Faschismus aus Iran und seinen unzähligen Freunden, Freundinnen und HelferInnen, WirtschaftspartnerInnen, zumal im Westen, Österreich nicht zuletzt. Wie offen jedoch eine sozialdemokratische Zeitschrift heuer gegen einen Juden hetzt, indem er als “zionistischer Journalist” gleichsam gebrandmarkt werden soll, das ist ein Skandal. Und als solcher Normalität in Österreich, heute. Wer sich darüber aufregt ist doch deppert, oder nicht?

 

Clemens Heni, Dr. phil., Jg, 1970, Politikwissenschaftler und Publizist in Berlin; Altstipendiat der HANS-BÖCKLER-STIFTUNG, ehemaliger Fellow der HEBREW UNIVERSITY JERUSALEM (SICSA) sowie der FONDATION POUR LA MÉMOIRE DE LA SHOAH (Paris); Forschungsschwerpunkte: Antisemitismus, Rechtsextremismus/Neue Rechte, Nationalsozialismus, Ideologiekritik, politische Kultur BRD/Deutschland, Israel, (Neue) Linke, Kritische Theorie, Technikphilosophie, Antiamerikanismus, ‘Natur- und Heimatschutz’, Erinnerung an die Shoah; 2007 erschien seine Dissertation zur “Salonfähigkeit der Neuen Rechten “. Kontakt für Vorträge, Kongresse, Seminare etc. über haGalil.

 

Sozialdemokratischer Antisemitismus: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte im Jahr 2007

Zuerst publiziert auf www.hagalil.com am 10.09.2007

 

Kritik am Antisemitismus ist nicht beliebt. Klar, bis 1945, unter den Nazis, da gab es irgendwie Judenfeindschaft. Dagegen sind fast alle. Aber seitdem? Sind die Juden jetzt nicht wirklich mächtig, haben einen Staat und eine große Armee? Wurde nicht aus den Opfern ein ‘Täter’, so böse das klingen mag? Sind nicht gerade ‘wir Deutschen’ aufgefordert dem Einhalt zu gebieten und diesmal auf der richtigen Seiten zu stehen, jener der ‘Opfer’, also der Palästinenser bzw. der Araber und Muslime? Ist nicht eine gleichsam “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” am Werke, die sowohl ökonomisch schlechter gestellte Leute, als auch Obdachlose, Frauen, Homosexuelle, Muslime (“Islamophobie”) oder auch Juden gleichermaßen diskriminiere? Wieso wollen die Juden immer eine ‘Extrawurst’ sein und weigern sich mit den genannten vergleichsweise harmlosen ‘Diskriminierungsfacetten’ in einen großen Topf geworfen zu werden? Wieso reagieren viele Publizisten oder Wissenschaftler so allergisch, zumal im neuen Deutschland, wenn es um das Spezifische am Antisemitismus geht?

Im folgenden wird eine antisemitische Rezension in einer der bekannten sozialdemokratischen Theoriezeitschriften untersucht und jenes abgewehrte Buch neu gelesen und besprochen. Ich hatte eine Professorin für Soziologie an einer bundesdeutschen Universität angefragt, ob sie meine Dissertation[i] rezensieren wolle. Da in meiner Studie der Antizionismus wie auch der Antiamerikanismus nicht nur nach 9/11 kritisiert werden[ii], könnte sich mit einer Rezipientin eine interessante Diskussion ergeben, hoffte ich. Die Professorin[iii], Expertin in Sachen ‘Rassismus’, ‘Nationalismus’ etc., welche mir schrieb, dass sie “beeindruckt” von der “Fülle des Materials und der Analysen” meiner Studie sei, wollte eigentlich in dem sozialdemokratischen Hausblatt Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte die Rezension unterbringen.

Die jedoch sei skeptisch, da vor kurzem eine dort publizierte Rezension für Wirbel gesorgt habe und der Chefredakteur bzw. die Redaktion besonders alarmiert seien. Die Rezension könne sie jedoch auch für eine andere Zeitschrift schreiben. Um diese (mögliche) Besprechung geht es mir jedoch gar nicht. Das ist lediglich der Aufhänger für etwas ganz anderes. Denn was für ‘Wirbel’ in der NG/FH ist gemeint? Was für eine Rezension? Die Soziologin schrieb mir folgendes:

“Zum Konflikt in der NG/FH folgendes: in H 6-2007 hatte der Journalist Rudolf Walther eine recht israelkritische Rezension zu einem Sammelband geschrieben. Daraufhin kam großer Protest von Arno Lustiger (…).”

Was mag “recht israelkritisch” heißen? Es handelt sich um den Band Neu-alter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik.[iv] Die Zeitschrift Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte ist die einzige renommierte sozialdemokratische Theoriezeitschrift. Sie wird im Namen der Friedrich-Ebert-Stiftung von der SPD-Politikerin Anke Fuchs, dem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), Klaus Harpprecht, dem langjährigen Professor für Geschichte in Bielefeld bzw. der FU Berlin und Präsidenten des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung Jürgen Kocka[v] sowie dem Chefredakteur Thomas Meyer, zugleich Professor für Politikwissenschaft an der Universität Dortmund, herausgegeben.

Ein Blick in den Redaktionsbeirat ist auch interessant. Dort sitzen neben Tissy Bruns, Frank Benseler, Iring Fetscher, dazu der jungdeutsche Protagonist eines Kampfes gegen den amerikanischen “Freiheits-Bolschewismus”[vi], Eckhard Fuhr, die Historikerin Susanne Miller, Sigmar Mosdorf, Wolfgang Thierse, Herfried Münkler (Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität) und einige andere. Das zeigt den bemerkenswerten Einflussradius in Politik, Wissenschaft, Forschung, Publizistik, Partei (SPD) und Gesellschaft dieser monatlich erscheinenden Zeitschrift. Es ist also kein linkes Miniblatt, bei dem es sinn- und nutzlos wäre die Ressentiments monatlich, täglich oder wöchentlich alle einzeln zu sezieren. Doch eine solche mainstream-Zeitschrift verdiente es schon einmal exemplarisch untersucht zu werden. Rezensionen zumal haben einen durchaus exponierten Gehalt in NG/FH, da es pro Ausgabe nur wenige gibt.

Die hier in Frage stehende Rezension macht schon im Titel deutlich, worum es ihr geht: “Rhetorik des Verdachts. ‘Neu-alter Judenhass. Ein Sammelband von Klaus Faber u.a. macht es sich sehr einfach”.[vii] Der erste Satz wiederum versetzt den Rezensenten in den Stand eines Opfers der Verhältnisse:

“Wer sich mit dem Nahost-Konflikt beschäftigt, betritt nicht nur vermintes Gelände, sondern bewegt sich auch in einem ideologisch vergifteten Klima.”[viii]

Weder Titel der Buchkritik noch der erste Satz lassen ahnen, dass es sich hier um seriösen Journalismus handelt. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Texte in einer Zeitschrift wie NG/FH gewiss nicht nur einmal kurz überflogen, vielmehr gründlich redigiert werden, wird es noch beachtlicher. Fast schon ironisch ist es, dass zumindest einer der Herausgeber des rezensierten Bandes, Klaus Faber, ein der Sozialdemokratie höchst aufgeschlossener Politiker ist, der auch selbst schon öfters in NG/FH geschrieben hat.

In geradezu zynischer Diktion stellt Rezensent Walther die Frage, ob es Zufall sei, dass die Berichterstattung über Israel so schlecht sei:

“Soll die ARD-Tagesschau über Heirats- und Schulfeste in Israel berichten, um das von einer rechtsradikalen, gelegentlich rassistischen Politik heruntergewirtschaftete Image des Landes aufzumöbeln oder über das, was tatsächlich und tagtäglich geschieht in den besetzten Gebieten?”[ix]

Demokratisch gewählte Politiker wie Ehud Olmert oder Zipi Livni werden als “rechtsradikal” denunziert um Israel per se ein “heruntergewirtschaftetes Image” anzuheften. Von der NPD oder den linksextremistischen Antizionisten vom Schlage der Nationalbolschewisten der jungen Welt ist man das gewöhnt. Doch in einer seriösen Zeitschrift einen völlig argumentationslosen Diffamierungsschwall gegen Israel lesen zu müssen, das ist einmal mehr bemerkenswert. Dass Walther den Politikwissenschaftler Lars Rensmann so wenig leiden kann wie den Journalisten Tobias Kaufmann oder den Wissenschaftler Yves Pallade, mag an seiner grundsätzlichen Weigerung liegen, Kritik am Antisemitismus nicht 1945 aufhören zu lassen. Fast schon komisch wird es, wenn Walther zentrale Begriffe der modernen Politik- und Sozialwissenschaft bzw. der Zeitgeschichte in puncto Antisemitismusforschung, als ‘Erfindung’ abtut, ja so tut, als ob diese Begriffe völlig unbekannt seien:

“Keiner der Autoren gibt sich die Mühe, etwas präziser zu beschreiben, was ‘Neu-alter-Judenhass’ oder hybrid-spekulative Konstrukte wie ‘Schuldabwehr-Antisemitismus’, ‘medialer Sekundär-Antisemitismus’ bedeuten.”[x]

Seit Adornos Studie Schuld und Abwehr aus dem Jahr 1955 haben sich einige Studien mit dem Schuldabwehr-Antisemitismus, dem sekundären Antisemitismus nach Auschwitz beschäftigt. Solche Analysen haben Sozialdemokraten und ihre Theorieorgane offensichtlich weiträumig gemieden. Ja, mehr noch: wie Schuldabwehr-Antisemitismus funktioniert, wie Amerikanern (‘Bush denkt so wie Hitler oder Bin Laden’), Engländern (‘Bomben-Holocaust’), Russen, Tschechen, Polen (‘Vertreibungs-Holocaust’), Israelis und Juden (‘Holocaust an den Palästinensern’, wie die linksradikale Zeitschrift iz3w schon 1982 schrieb) oder Franzosen (‘1789 und der Gleichheitswahn bzw. die Erfindung ‘der Menschheit’ sind Schuld an Auschwitz’) die deutsche Schuld an den präzedenzlosen Verbrechen pathisch projektiv zugeschrieben wurde und wird, das zeigt Rudolf Walther selbst exemplarisch.

Die Bedeutung Walthers für NG/FH wird dadurch untermauert, dass er einen weiteren Artikel in der gleichen Ausgabe von Juni 2007 schreiben kann, in dem es heißt:

“Ein Kapitel für sich sind jene 68er, die längst in die warmen Stuben des juste milieu und des gemütlichen Konformismus zurückgekehrt sind. Sie denunzieren jetzt Kritik an der israelischen Besatzungspolitik in Palästina als ‘Antisemitismus’, sie verdammen Kritik an kapitalistischen Strukturen als Vorstufe zum Terrorismus, sie halten Muslime für potentielle Mörder, und sie sehen im Protest gegen völkerrechtswidrige Kriege den ‘Antiamerikanismus’ am Werk. Diese Helden sind ihrem primitiven, an Carl Schmitt orientierten Freund-Feind-Schematismus treu geblieben, sie haben nur die Vorzeichen ausgetauscht – was sie früher kritisch sahen, affirmieren sie heute – umgekehrt umgekehrt.”[xi]

Der Realitätsverlust Walthers, der sich darin ausdrückt, dass er das existenziell bedrohte und zuletzt 2006 von der islamistischen Hezbollah angegriffene Israel wiederum pathisch-projektiv zum Aggressor stempelt und ein imaginäres Land herbeihalluziniert (“Palästina”; es gibt bekanntlich völkerrechtlich solch ein Land nicht und er kokettiert damit auch mit dem beliebten antizionistischen Sprachspiel unter ‘Besatzung’ die bloße Existenz Israels zu meinen und nicht nur die tatsächliche Besatzung im Westjordanland), ist offenkundig. Auch hier möchte er einen Nazi, Carl Schmitt, als Freund heutiger Antisemitismus- und Antiamerikanismuskritiker herbeireden. Dass Schmitt Pate heutiger Amerika- und Judenhasser ist, fällt unter den SPD-Tisch dieser Zeitschrift.

Die Geschichte geht weiter: jene Soziologin, die mein Buch rezensieren will, schrieb mir also, eine “recht israelkritische” Rezension sei in den NG/FH erschienen und die Redaktion sei “vorsichtig” geworden. Immerhin musste das Blatt in der folgenden Nummer, Juli 2007, eine längere, gleichwohl gekürzte und teils entkontextualisierte Kritik an der Walther-Buchkritik von Arno Lustiger abdrucken.[xii] Wie teilt mir die arrivierte Wissenschaftlerin diesen Sachverhalt mit?

“Daraufhin [auf die Rezension von Walther in NG/FH] kam großer Protest von Arno Lustiger, einem schon recht betagten jüdischstämmigen Publizisten aus Frankfurt.”

Dazu kommt noch der Hinweis, Lustiger habe lediglich als “Strohmann” gehandelt, da irgendein namentlich nicht genannter Mensch irgendwie böse sei auf die NG/FH, weil dessen Artikel mehrfach abgelehnt worden seien und jetzt Lustiger gleichsam lospoltere. Besonders abstrus ist natürlich die Verwendung von “jüdischstämmig”. Offenbar gehört die Soziologin zu jenen Deutschen, die immer noch oder schon wieder ein Problem damit haben einen Juden Juden zu nennen. Noch abstruser wird dies, als die Soziologin in meinem Buch die scharfe und häufige Kritik des Stammesdenkens der Neuen Rechten hätte lesen können.[xiii] Arno Lustiger wird als “recht betagt” – was hat das mit der analytischen Kraft seiner Kritik zu tun? – , “jüdischstämmig” und “Strohmann” tituliert.

Bevor ich mich weiter dem kleinen e-mail-Wechsel mit der Soziologin widme, sei ein intensiverer Blick in diesen vom sozialdemokratischen Zentralorgan NG/FH inkrimierten Band geworfen.

Die Beiträger sind sehr vielfältig und für eine deutschsprachige Publikation zum Thema ‘Nahost-Konflikt’ und Antisemitismus bemerkenswert. So schreibt darin der Nationale Direktor und Vorsitzender Der Anti-Defamation League (ADL) Abraham H. Foxman, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Dieter Graumann, Journalisten des Kölner Stadtanzeigers (Tobias Kaufmann), der taz (Philipp Gessler), Yedioth Achronoths (Eldad Beck), Rabbi Andrew Baker, Direktor der Abteilung für Internationale Jüdische Angelegenheiten beim American Jewish Committee (AJC), Staatssekretäre a.D. wie Klaus Faber oder der langjährige Diplomat Israels, Mordechay Lewy, Fernsehleute wie Georg M. Hafner und Esther Schapira vom Hessischen Rundfunk, der Nahost-Korrespondent Ulrich Sahm, der kürzlich von der Universität Göttingen im Fachbereich Politikwissenschaften hinausgeekelte, weltweit renommierte Politologe und Islamwissenschaftler Bassam Tibi, die Politikwissenschaftler Lars Rensmann, Yves Pallade, Matthias Küntzel und Wahied Wahdat-Hagh, der Bundestagsabgeordnete und außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Gert Weisskirchen oder auch aktive bzw. ehemalige FDP-PolitikerInnen wie der aktuelle Berliner Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Markus Löning bzw. Katrin Kemmler. Das sind noch nicht alle Beiträger, aber diese Aufzählung mag Beweis sein für das vielfältige, kontinent- , disziplinen- und generationenübergreifende Spektrum der Beteiligten an diesem Sammelband zu aktuellen Fragen des Antisemitismus.

Das lavierende und zumeist höchst anstrengende deskriptive Verharren in Äquidistanz, von unverhohlener Freude ob des neu entfachten Antisemitismus ganz zu schweigen, wie es viele Bücher zum Thema ausmacht, wird von den 30 Artikeln und 31 AutorInnen zumeist gekonnt durchbrochen. Dabei sind die Beiträge ziemlich unterschiedlich in Länge und Stil, essayistisch, wissenschaftlich oder journalistisch. Aufgeteilt ist der Band in drei große Abteilungen, “Deutsche Medien und der Nahostkonflikt”, “Islamischer Antisemitismus in Nahost und Europa” und “Perspektiven”. Das Buch ist außen schön aufgemacht in den Farben Blau und Weiß, in Hardcover, innen mit recht angenehmem Satzspiegel, wenngleich ohne goldenen Schnitt, mit übersichtlichen Kopfzeilen mit jeweiligen Autorennamen und Aufsatztiteln. Für 24,90 € ist das Buch bei dieser Ausstattung vergleichsweise günstig. Interessant sind die ausführlichen biographischen Angaben zu den Autoren, sehr wichtig ist die Dokumentation im Anhang III der Hamas-Charta in englischer Übersetzung. Dort kann jede und jeder Interessierte die antijüdische Basis, wie sie in der Charta am 18. August 1988 von der Terrororganisation beschlossen wurde, nachlesen. Da das Buch vor der militärischen Übernahme der Macht im Gazastreifen durch die Hamas erschienen ist, ist der Weitblick der Herausgeber, dieses Dokument einer womöglich größeren interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, auffallend.

Yves Pallade kritisiert den Antizionisten Ludwig Watzal, der immer noch ein Mitarbeiter der weit verbreiteten Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte ist. Watzal hatte bezüglich der Verhandlungen von Palästinensern und Israelis in Camp David im Jahr 2000 von einem “palästinensischen Versailles” gesprochen. Dazu Pallade:

“Denn wenn die von Watzal als für die Palästinenser ungerecht wahrgenommenen Verhandlungen einem ‘Diktatfrieden’ à la Versailles entsprechen, wie er auch von deutschen Nationalisten häufig als Ursache für den Aufstieg des Nationalsozialismus, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und in letzter Konsequenz auch die Shoah angeführt wird, dann erscheint nicht nur das Ausbleiben eines Friedensschlusses im Nahen Osten, sondern auch die fortwährende antisemitische Hetze in der palästinensischen Öffentlichkeit und der Terrorismus als verständlich, zumal der Versailler ‘Schmachfrieden’ selber gerne auf gegen Deutschland gerichtete jüdische Machenschaften zurückgeführt wird. Der Nationalsozialismus in all seinen Implikationen wird demgemäß zur logischen – gar zwingenden – Folge der harten Politik der Sieger des Ersten Weltkriegs gegenüber den Deutschen.”[xiv]

Treffend ist der Verweis auf den ubiquitären Vergleich von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, welchen er mit Bezug auf Henryk Broders Hinweis abschmettert, dass diese beiden Idiome “‘so viel miteinander gemeinsam haben wie Äpfel und Birnen'”.[xv] Kritisch ist ebenso der Beitrag von Rolf Behrens, der u.a. den Spiegel seziert und dessen langjährigen, konstanten und gern goutierten Antisemitismus dechiffriert. 1981 hat der Spiegel die Zerstörung eines irakischen Atomreaktors durch israelische Kampfjets grotesk umgedreht und das nicht als Aktion gegen einen geplanten zweiten Holocaust des bekanntermaßen judenfeindlichen Baath-Regimes in Bagdad, vielmehr als “‘Entwicklung, die in einem größeren Holocaust enden könnte: dem Atomtod durch Millionen…’, interpretiert.”[xvi]

Lars Rensmann analysiert sogenannte “politisch-kulturelle Gelegenheitsstrukturen antisemitischer Ideologeme”[xvii], sieht Parallelen von rechts und links und entdeckt auch über die Grenzen hinweg eine europäische antijüdische Publizistik, wie er an Beispielen der Süddeutschen Zeitung, welche raunte, ob nicht “‘der Zionismus der wahre Feind der Juden'” sei, Le Monde, El Pais, wo ein Cartoon den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon mit Hitler-Bart ‘kostümierte’ oder die italienische La Republica, welche 2001 “auf ihrer Website die antisemitischen ‘Protokolle der Weisen von Zion’, ohne jegliche historische Erklärung” abdruckte, um gegen den War on Terror zu agitieren, untermauert.[xviii] Ulrich Sahm untersucht[xix] wie Agenturen, Journalisten und Zeitungen Berichte verfassen, Überschriften Sinn entleeren bzw. in Kontrast zum Text der Meldung setzen und ähnliches mehr.

Luzide zeigt er, dass häufig eine israelische Militäraktion vermeldet wird, ohne die Ursache zu benennen bzw. diese herunterspielend. Unterm Strich bleibt Israel der Angreifer, auch wenn es in Wirklichkeit nur auf einen Mordanschlag von palästinensischen Terroristen reagiert hat. Oft werden Palästinenser “getötet” während Israelis als lediglich irgendwie “tot” in der Presse erscheinen:

“Dann stellt sich die Frage, wieso manche Berichte so eigentümlich verstellt sind und wieso in der Überschrift fast durchgehend die Israelis aktiv töten, extrem selten aber die Palästinenser. Wenn Palästinenser töten, dann erscheint in der Überschrift im Passiv ‘Israelis wurden getötet’, ohne zu erwähnen von wem. Und im Text findet man gelegentlich Formulierungen wie ‘mutmaßliche Extremisten’ hätten geschossen oder eine Bombe gelegt. Das ‘mutmaßlich’ bei ‘Extremisten’ legt nahe, dass sich vielleicht auch ‘Gemäßigte’ im Bus oder im Restaurant in die Luft sprengen könnten.”[xx]

Esther Schapira und Georg M Hafner ergänzen diese Medienkritik, wenn sie erwähnen, dass nach der gezielten Tötung des Massenmörders Scheich Jassin, der die Ermordung von mindesten 377 Israelis zu verantworten hat, deutsche Medien ihn verharmlosten, als Opfer stilisierten, das im Rollstuhl hilflos gesessen habe und der ach so nette Scheich lediglich “Hamas-Gründer” (Der Spiegel) und kein Mörder gewesen sei.[xxi] Ein weiteres äußerst aufschlussreiches Beispiel liefert Katrin Kemmler in einer sprachwissenschaftlichen Analyse eines Ausspruchs Winston Leonard Spencer Churchills.[xxii] Er stellte sich in den1930er Jahren u.a. die Frage, was denn gegen die jüdische Einwanderung nach ‘Palästina’ sprechen würde.

Vom Recht der Juden auf ein Land ganz abgesehen, was spräche gegen Einwanderung, wenn sie dieses karge, wüste Land fruchtbar machten, seien doch sogar die Araber Gewinner. Diese jedoch verweigerten sich aggressiv, wie ein Hund, der Esel und andere Tiere nicht an eine Futterkrippe herankommen ließe, obwohl er doch Heu gar nicht selbst essen würde! Das ist die Umschreibung eines in der englischen politischen Kultur bekannten Sprichwortes “the dog in the manger” – “der-Hund-in-der-Krippe-Politik”. Kemmler zeigt wie dieses Wort eine lange Reise angetreten hat, verdreht wurde und heute z. B. in Büchern palästinensischer Frauen auftaucht, wo ein Oskar Lafontaine im Nachwort die Palästinenser in den Worten eben Churchills als ‘Hunde’ vorstellt, die kein “unwiderrufliches Recht auf den Futtertrog” hätten.[xxiii]

Bei Lafontaine und einer ganzen Kompanie von Sprachverdrehern, welche eine “Churchillphobia” begründen und von Clive Ponting, ehemaliger Berater im britischen Verteidigungsministerium, über den Holocaust-Leugner David Irving bis hin zum jüdischen Antisemiten Norman Finkelstein und der indischen Antiamerikanerin und Antizionistin Arundhati Roy reicht, wird also eine Metapher zu einer rassistischen, menschenverachtenden Ideologie Churchills.[xxiv]

“In England setzte sich der ‘dog in a manger’ besser durch und wurde zu einer bis heute verwendeten Metapher vor allem in der politischen Auseinandersetzung. Die ‘Hund-in-der-Krippe-Politik’ wird bereits Anfang des 20. Jahrhunderts als Beispiel für grammatikalisch verkürztes, modernes Englisch aufgeführt. (…) Der spätere Literaturnobelpreisträger Churchill hatte sich also einer Tiermetapher bedient, die auf einer von Aesops Fabeln beruht. Für seine Worte eignet sich weder der Neidhammel noch der Spielverderber, denn er meinte mit diesem Vergleich, dass die palästinensischen Araber den Juden etwas verwehrten, von dem sie selbst keinen Vorteil hätten.”[xxv]

Kemmlers Analyse ist ein Meisterstück kritischer Sprachwissenschaft, ein Text der jedem Lektor und jeder Übersetzerin als Lektüre dringend empfohlen sei.

Ein ganz anderer Punkt kommt in dem Sammelband auch zur Sprache; kurz möchte ich deshalb auf eine Bemerkung von Klaus Faber eingehen, der en passant in seinem Beitrag; wo es um das “was tun” gegen heutigen Antisemitismus geht, feststellt, dass in den Exil-Berichten der SPD ab 1933 Antisemitismus keine Rolle spielte, da er nur als “Begleiterscheinung von Kapitalismus” wahrgenommen wurde.[xxvi] Wohl wahr.

Fabers Kurzschluss jedoch, die “deutschen Sozialdemokraten waren während der hitlerdeutschen Zeit in ihrer großen Mehrheit (…) wenigstens keine Antisemiten”[xxvii] ist schwer haltbar. 1.) Allein die Analyse des Polizeibataillons 101 durch Daniel Goldhagen zeigt, dass ganz normale, auch der in Hamburg traditionell starken Sozialdemokratie verpflichtete deutsche Polizisten am Holocaust aktiv mitgemacht haben.[xxviii] 2.) Bei der ‘Arisierung’ waren bekanntlich alle Teile der nicht-jüdischen deutschen Gesellschaft wie im volksgemeinschaftlichen Rausch insgesamt aktiv dabei. Lediglich danach zu schauen, welche SPDler zur NSDAP übergetreten sind, ist wenig analytisch und stichhaltig. Zurückhaltung mit apodiktischen Einschätzungen bezüglich linken Antisemitismus’ im Nationalsozialismus – und nicht nur dort – ist ein Gebot der Stunde. Dabei ist 3.) wichtig die politisch-kulturellen Fäden der Weimarer Republik in puncto Antisemitismus und Linke zu verfolgen und auch hier nicht per se davon auszugehen, die Sozialdemokraten oder – noch schlimmer – die Kommunisten und alle anderen Linken seien nicht antijüdisch gewesen. Bisherige Forschungen in dieser Richtung beweisen eher das Gegenteil.[xxix]

Bei Konservativen, Rechten und auch Liberalen wird diese ‘Vorsicht’ bzw. a-priori-Exkulpation ja zurecht auch nicht gelten gelassen. Sehr richtig hingegen ist Fabers Verweis auf das “Zusammenspiel von deutschem Schuldabwehr- und arabisch-islamischem Antisemitismus”.[xxx] Am Beispiel der Beziehungen der Europäischen Union und der Palästinensischen Autonomiebehörde veranschaulicht Ilka Schröder nachdrücklich, wie enorm die PA von der EU profitierte, und zwar gerade zur Zeit der zweiten Intifada seit Herbst 2000. Allein in der Zeit 2000 bis 2003 erhielt die PA mehr als 945 Millionen Euro, nationale Extrazahlungen noch nicht einberechnet.[xxxi] Schröder analysiert die Ideologie der Road Map und des mainstream-deutschen bzw. europäischen Blicks auf Nahost wie folgt:

“Die der ‘Road-Map’ zu Grunde liegende Ideologie ist vollständig europäisch. Sie betrachtet den aggressiven Nationalismus und Antisemitismus auf palästinensischer Seite als Folge der Politik Israels und verbreitet die alberne Überzeugung, zum Frieden in Nahen Osten fehle nichts als ein bisschen guter Wille, ein bisschen Vertrauen und ein eigenen Staat Palästina.”[xxxii]

Dieser Text korreliert mit einem Aufsatz Matthias Küntzels, der jene ‘Road-Map’ als deutsches Projekt analysiert.[xxxiii] Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröders Weigerung bei einem Gespräch mit Jassir Arafat am 1. November 2000 klipp und klar zu sagen, dass weitere Zahlungen an die PA mit einem Kampf gegen palästinensischen Terror und antisemitische Propaganda aus der PA, ihren Schulbüchern, Fernsehanstalten, Moscheen gekoppelt sind, war ein Zeichen, zu Beginn der zweiten Intifada: weiter bomben, hetzen und morden, die Deutschen honorieren das. Gerade Ex-Außenminister Joschka Fischer wird als lediglich rhetorisch gewandter untersucht denn seine Kollegen in Europa. Auch er unterstützte mit seiner Außenpolitik die militanten Palästinenser in Hamas, Hezbollah oder Islamischem Djihad, deren Namen z. B. in allen 54 Presseerklärungen, welche das Auswärtige Amt zwischen Januar 2001 und August 2003 zum Nahostkonflikt herausgab, selbstredend nicht auftauchten.[xxxiv]

“Während die USA den Waffenstillstand zur Vorbedingung jeder Friedenslösung machen (und die Zerschlagung des islamistischen Terrors zur Voraussetzung jedweder palästinensischer Staatlichkeit), sieht es die deutsche Politik gerade umgekehrt.”[xxxv]

Dem unreflektierten Nachplappern der neuen Lieblingsvokabel “Islamophobie”, welche ein Propagandainstrument des politischen Islam aus dem Iran ist und heute weltweit gerne eingesetzt wird, durch Cem Özdemir[xxxvi] stehen substantiellere und sinnvollere Analysen der beiden Wissenschaftler Mohammed Schams und Wahied Wahdat-Hagh gegenüber:

 “Wie groß der Konsens des muslimischen Antisemitismus ist, sollen folgende Beispiele zeigen: Mohsen Kadiwar, ein Reformislamist, der mit Menschenrechten argumentiert und selbst eine Zeitland im Gefängnis der Islamischen Republik Iran gesessen hat, weil er die ‘rote Linie’ der Diktatur überschritten hatte, verteidigte islamische Selbstmordattentäter als Widerstandskämpfer, die Märtyreraktionen durchführten”.[xxxvii]

Der Holocaustüberlebende Abraham H. Foxman befasst sich mit islamischem Antisemitismus.

“Das Leben war für Juden unter islamischer Herrschaft nicht so grausam wie im christlichen Europa. Doch es war auch niemals so frei von Verfolgung, wie es dies in den USA oder in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg ist. Das historische Protokoll belegt, dass islamische Gesellschaften die Vorstellung von Juden als einer tolerierten Minderheit mit gewissen Rechten und Pflichten akzeptieren können. (Allerdings ist dieser Gedanke für manche Schulen islamischen Denkens, wie z. B. den Wahhabismus, schon zu viel des Guten.) Doch was nicht akzeptiert wird, ist der Gedanke, dass Juden die gleichen Rechte wie Muslime haben oder dass Juden ihre Souveränität in Form einer Nation legitim durchsetzen können.”[xxxviii]

Ähnlich stellt auch Yigal Carmon fest, dass der Islam womöglich toleranter als das christliche Mittelalter Europas gewesen sei, aber eben nur im Vergleich, nicht als positive Toleranz auf Augenhöhe. Es ist zu konstatieren, dass der Islam “auf der privilegierten Überlegenheit der wahren Gläubigen in dieser wie auch in der nächsten Welt” beharrte.[xxxix] Drei Kernelemente sind für Foxman für den “modernen arabischen Antisemitismus” auszumachen. Erstens die Propaganda der “großen Lüge”, welche die ungeheuerlichsten Unwahrheiten über Juden verbreitet. ‘Vorbild’ für die Islamisten ist implizit oder auch explizit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels.

Der zweite Punkt korreliert damit und beinhaltet die Holocaust-Leugnung. Drittens ist schließlich das massenhafte Auftauchen der gefälschten ‘Protokolle der Weisen von Zion’ im arabischen (und allgemein muslimischen) Raum zu nennen. Foxman verweist auf große 41-teilige Serien wie ‘Ritter ohne Pferd”, welche im ägyptischen, syrischen oder auch libanesischen Fernsehen 2002 ausgestrahlt wurden, die als Vorlage diese Lüge von der Weltverschwörung der Juden haben. Ähnlich hetzerisch sind Serien, die das “Blutritual” darstellen, einem bekannten Topos auch europäischen Judenhasses.

“Gleichzeitig wird man mit einer schwierigen Wahrheit konfrontiert, wie der arabische Journalist Abdel Rahman al Rashed nach den Gräueltaten von Beslan im Jahr 2004 aufzeigt: ‘Es ist eine sichere Tatsache, dass nicht alle Muslime Terroristen sind, doch es ist genauso sicher und außergewöhnlich schmerzhaft, dass beinahe alle Terroristen Muslime sind.'”[xl]

Man muss der These, dass Judenfeindschaft fast ausnahmslos Import aus Europa bzw. dem Westen sei, wie sie Bassam Tibi[xli] in Anschluss an seinen Lehrer Bernard Lewis formuliert, keinesfalls zustimmen, um seine Analyse des islamistischen Ideologen Sayyid Qutb als sehr interessant zu erkennen. Qutbs Hetzschrift “‘Ma’rakatuna ma’a al-Yahud/Unser Kampf gegen die Juden'” ist heute zu einem zentralen Anker islamischen Antisemitismus’ geworden. Zugleich verweist Tibi auf die geradezu tragische Ironie, dass es häufig jüdische Historiker waren, welche das sog. “Cordoba-Modell” der Zeit um 1000 als Zeichen eines eher judenfreundlichen Islam, geprägt haben und gerade antizionistische Apologeten des politischen Islam wie Edward Said dieses Faktum schlicht unterschlagen.[xlii] Sehr wichtig ist das Résumé von Tibi:

“Die Herrscher des saudischen Hauses sind klüger als der neue iranische Staatspräsident Ahmadinedschad und unterlassen jede Aggressionsrhetorik; sie sprechen nicht aus, was Ahmadinedschad gewagt hat zu äußern, wenngleich sie über die Juden und Israel so denken wie er. Das ist nicht mehr der berüchtigte Import aus Europa, den Bernard Lewis anspricht, sondern der neue Antisemitismus, der leider zu einer in der Welt des Islam verbreiteten Ideologie geworden ist.”[xliii]

Eldad Beck geht in seinem knappen, aber umso anregenderen Beitrag einen Schritt weiter und exkulpiert nicht per se den Islam von Judenfeindschaft.[xliv] Drei Fragen stellt er sich. Erstens ob der Antisemitismus im islamischen Raum ein neues Phänomen sei. “Nein”, antwortet Beck, denn der “Prophet Mohammed hat den Juden in Arabien nie verziehen, dass sie nicht zum Islam übertreten wollten”.[xlv] Zweitens die Frage, ob “Juden von Muslimen wirklich nie verfolgt” worden seien:

“Mohammed haben wir schon erwähnt, aber es gibt auch genug Fälle in der modernen Geschichte. Pogrome gab es zum Beispiel in Tetuan, Marokko im Jahre 1790, in Mashdad, Iran 1839, in Bagdad, Irak 1828 und danach auch dort den von den Nazis inspirierten Pogrom im Jahre 1941. Pogrome gab es auch in ‘Palästina’ – in Hebron, in Safed, in Jerusalem – vor der Gründung Israels.”[xlvi]

Beck sieht eine direkte Beziehung von erstarkendem Antisemitismus und einem “Pro-Islamismus” im heutigen Europa. Dem schliesst sich Mordechay Lewy[xlvii] an, dessen Verteidigung des Philosophen Jacques Derrida, der angeblich von links und rechts häufig missverstanden wurde, zwar nicht sehr überzeugt, jedoch die Kritik am europäischen Versagen vor allem nach 9/11 maßstabsetzend sein wird. So spricht Lewy vom “Zeitalter der postmodernen Unvernunft im Westen” und geißelt die unfassbare Derealisierung der Massenmorde von New York und später in Djerba, Istanbul, Madrid und London. Er spricht von “westlicher Selbstverleugnung”[xlviii], dem feigen, aber auch strategischen Zurückweichen vor dem politischen Islam, der “Terrorismus” wird demnach “vorzugsweise zerredet”[xlix]. Gekonnt rekurriert er auf die Debatte im Historismus seit Ende des 19. Jahrhunderts, wo “Verstehen” mit “Verständnis” interpretiert werden konnte. “Verstehen” und “Verzeihen” werden in diesem Kontext untersucht. Die naiven Toleranzideen à la ‘was ich verstehe, schätze ich auch und davon geht dann keine Gefahr aus’ werden kritisiert:

“Eine entgegengesetzte Weisheit lässt Pierre Corneille (1606-1684) in seinem Bühnenstück ‘Cinna ou la clémence d’Auguste’ durch Augustus sagen: ‘qui pardonne aisement invite a l’offense’ (wer leicht verzeiht, lädt zum Angriff ein). Dieser Spruch stammt wohlgemerkt aus einer Epoche vor der Aufklärung. Heute würde er gewiss nicht als politisch korrekt gelten.”[l]

Lediglich Nietzsche hatte die Statur eines zivilisationskritischen Pessimismus, und verwahrte sich dagegen, alles zu tolerieren, bloß weil es herzensgut sei, sich nicht zu wehren, keinen Standpunkt zu haben. Kulturrelativismus nennt man letzteres, und der ist bei der Neuen Rechten so beliebt wie bei der Linken oder in der Mitte der Gesellschaft wie an der Humboldt-Universität Berlin, wo Bücher geschrieben werden, welche die Verschleierung der Frau im Islam mit dem angeblich ‘zwanghaften’ Zeigen von Busen, Bauch und Po von westlichen, bikinitragenden Frauen gleichsetzen. Individuelle Freiheit sei auch mit Schleier möglich.

Solche Märchen aus 1001 Uni-Seminaren sind zumal in Deutschland beliebt. Lewy kritisiert das Fehlen einer Erkenntnis in Europa nach einem “Handlungsbedarf”, vielmehr werde durch ein islamophiles Gerede ein “Verständnisbedarf” kreiert.[li] Weiterhin liegt ihm viel an einer säkularen, durchaus europäischen Perspektive, da ihm zumal christlich motivierte Politiken der USA mißfallen.[lii] Aber entscheidend ist, dass die USA im Gegensatz zu Europa nicht versagt haben im Kampf gegen den Antisemitismus und Terrorismus. Sie stellen sich der größten gegenwärtigen Gefahr mit enormer Anstrengung und unter großen Opfern.

“Auch politisches Kalkül der Europäer spricht dafür, so wenig wie möglich Partei zu ergreifen. Es nimmt also nicht wunder, dass in der Öffentlichkeit ein Hinweis, sich auf eine längere Konfrontation mit dem Islamismus einzurichten, noch immer als politisch unkorrekt gilt.”[liii]

Diese etwas ausführlichere Rezension sollte zumindest andeuten, welch Potential in diesem Sammelband zu ‘neu-altem Judenhass’ steckt. Vielfältige, teils sich widersprechende Thesen, spannende Inspirationen, wissenschaftliche Analysen und journalistische Kritik sind darin enthalten, um zu dechiffrieren wie sich historisch und gegenwärtig Antisemitismus zeigt, wie er produziert und generiert wird, von Übersetzern, Aktivisten, Wissenschaftlern, Publizisten, Politikern und anderen mehr.

Für Rudolf Walther hingegen ist die “hemdsärmelige Art und Weise, wie manche Autoren den ‘neu-alten Judenhass’ analysieren”[liv] unerträglich.

Er poltert undifferenziert und pauschal drauf los: “Alle Beiträge durchzieht eine bis ins Groteske reichende apologetische Grundierung.”[lv] Daran sieht man, dass dieser sozialdemokratischen Vorzeigezeitschrift an einer Auseinandersetzung mit Antisemitismus überhaupt nicht gelegen ist. Da Walther ja in der gleichen Nummer noch einen Beitrag schreiben darf und auch da aggressiv jedwede substantielle Kritik an Antiamerikanismus und Antisemitismus abwehrt, ja dieser Text gleichsam die Vorbereitung für die noch dreistere Rezension im hinteren Teil dieser Ausgabe von NG/FH ist, möchte die Redaktion unterstreichen, dass Walther damit eine wichtige Position dieser Zeitschrift auf den links-deutschen Punkt bringen soll.

Die Selbstverständlichkeit mit der die NG/FH diese Rezension druckte, ist das bezeichnende. Das wird goutiert und gern gesehen und gerade nicht als Provokation herausposaunt, oder als Tabubruch gefeiert. Es ist sozialdemokratischer Alltag, der diesen Antisemitismus nährt. Antisemitismus? Nochmals Walther:

“Dieter Graumann räumt ein, dass ‘man sich gar nicht so leicht tut damit, … genaue Definitionen und präzise Kriterien dafür zu benennen’. Das hindert ihn freilich nicht daran, den Zweihänder zu schwingen. Wie die (fiktive) Figur eines Nazi-Offiziers in einem grandiosen Film von François Truffaut Juden förmlich riecht, so wittert Graumann frei daher spekulierend rundum deutsche Kinder und Enkel, ‘getragen vom Wunsch, die Schuld der Väter und Großväter zu verkleinern’ und ruft deshalb dazu auf, die Reihen fest zu schließen ‘im weltanschaulichen Krieg’ gegen ‘Terrorismus und Islamismus’.”[lvi]

Da sprudelt es nur so aus ihm heraus. Gerade und gezielt wird ein Jude, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, mit einem cineastischen Nazi verglichen. Während der Nazi Juden ‘riecht’, so wittert demnach der Jude Graumann arme junge Deutsche heutiger Tage, die wieder stolz auf Deutschland sein wollen und die unermessliche Schuld ihrer Väter, Großmütter und Großväter nicht mehr hören wollen. Der ‘witternde Jude’ – das ist ein sozialdemokratischer Antisemitismus der reinhaut, ein Schenkelklopfer in jeder ver.di- oder GEW-Mitglieder-Versammlung und diverser linker Redaktionskonferenzen.

SPD-Schuldprojektions-Antisemitismus kann man das auch nennen. Graumann wird analog zu dem Nazi in diesem Streifen angedichtet, er würde die heutigen ‘Juden’ ‘wittern’. Der Jude als Täter und die Deutschen als Opfer. So sieht die Choreographie heute aus, explizit hier in den NG/FH. Damit wird Graumann zu einem Tier erniedrigt, denn Menschen wittern nicht. Und arme junge Deutsche werden schwupsdiewups zu Juden, zu Opfern der heutigen Nazis – eines Juden! Rudolf Walther ist also ein Antisemit, wenn er so schreibt. Mehr noch: die Zeitschrift Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte protegiert und propagiert so einen Antisemitismus.

Was hatte Graumann geschrieben? Er betont, dass der Islamismus mit Religion gar nichts zu tun habe, “ja der Islam muss im Grunde vor ihm geschützt werden”.[lvii] Interessant sind darüber hinaus seine Bemerkungen über den Konnex von Nahostkonflikt und Islamismus:

“Zu warnen ist allerdings auch vor Illusionen allenthalben. Eine der gängigen Illusionen etwa, insbesondere im naiven Europa, wo man sich die Welt oft so gerne schön denkt, ist jene, dass mit einer eventuellen Lösung des Nahost-Konflikts der gesamte Islamismus plötzlich verschwinden und sich gleichsam über Nacht und für immer in Luft auflösen würde.”[lviii]

Graumann geht auf die unfassbaren Dämonisierungen ein, welchen Israel ausgesetzt ist und zur “größten Gefahr für den Weltfrieden” herbei fantasiert wird, während wirklich gefährliche Staaten wie der Iran, Libyen, Syrien, die ihr Potential an Mord und Totschlag seit Jahrzehnten unter Beweis stellen, und zwar innen- wie außenpolitisch, toleriert und hofiert werden. Ebenso interessant sind Graumanns Hinweise auf die deutsche Schuldprojektion:

“Und auch um eine Entschuldungsdebatte geht es, ganz speziell natürlich in Deutschland. Sie wird getragen vom Wunsch, die Schuld der Väter und Großväter zu verkleinern, indem die Kinder und Enkel der Opfer von damals zu den Tätern von heute gemacht werden. Daraus spricht die Fantasie – oder sogar die Wunschvorstellung – dass Israelis und Juden irgendwie doch auch wie die Nazis sein mögen. Das wäre eine bequeme moralische Entlastung für die Nachkommen der Täter und die Nachkommen jener in Europa, die die Täter seinerzeit gewähren ließen.”[lix]

Die NG/FH jedoch diffamiert Graumann und somit auch den Zentralrat der Juden in Deutschland als Nazis, die ihre Opfer, arme deutsche Kinder und Enkel, “wittert” und ihnen Antisemitismus unterstellt.

Was wird der presserechtlich Verantwortliche für diesen Antisemitismus, der Chefredakteur und Mitherausgeber der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte, Thomas Meyer, sich gedacht haben? Er ist Professor für Politikwissenschaft und hat sich mit politischer Kultur, Fundamentalismus und Nationalismus beschäftigt. Ob er auch Seminare zum Thema ‘wie kreiere ich als guter linker Deutscher Judenhass ohne ihn so nennen zu müssen’ angeboten hat oder anbieten wird an der Universität Dortmund, ist nicht bekannt.

Auch nach der ausführlichen und angemessenen Kritik Arno Lustigers hat er sich nicht dazu verpflichtet gesehen, selbst einige Worte zu dieser antijüdischen Rezension seines Kollegen Rudolf Walther zu sagen. Da Meyer im oben zitierten Band von 2006[lx], in welchem Kocka eher den Kampf gegen den Terror als diesen selbst zur größten Gefahr der Zukunft herbeiredet, unter anderem ein von ihm mitherausgegebenes Standardwerk, das Lexikon des Sozialismus von 1986, anführt, sei zumindest am Rande vermerkt, dass in diesem Lexikon der wichtigste Vordenker des modernen Rechtsextremismus in Deutschland, der Neuen Rechten, Henning Eichberg, einen Artikel über “Freidenker” schreiben durfte, wo er u.a. paganistische Ideologie verbreitete.[lxi]

Die Soziologin antwortete mir mit überraschender Deutlichkeit, also ganz un-verschämt, auf meine Frage, ob diese Rezension von Rudolf Walther in NG/FH 6/07 als nicht antisemitisch bezeichnet werden könne, wie folgt:

“Außerdem scheint es mir wenig sinnvoll, per Email darüber zu debattieren, was unter antisemitisch zu verstehen ist und ob der Artikel des von Ihnen abschätzig ‘dieser’ R.W. genannten Autors antisemitisch ist oder nicht. Ich verweise darauf, dass es inzwischen in den angelsächsischen Ländern eine Kritik an bestimmten Zügen der israelischen Politik gibt, vorgetragen von Autoren, die sich selbst als Juden bezeichnen, unabhängig davon, ob sie der jüdischen Religionsgemeinschaft angehören oder nicht. Dabei denke ich nicht nur an Norman G. Finkelstein, sondern auch an Tony Judt u.a., denen man schwerlich Antisemitismus unterstellen kann.”[lxii]

Wie bitte? Gerade Norman Finkelstein, der wie Neonazis von einer “Holocaust-Industrie” spricht und auch Tony Judt könne man “schwerlich Antisemitismus unterstellen”? Das erinnert mich an das Heft der Satirezeitschrift Titanic von Juli 2002, wo Hitler auf das Cover kam mit dem Titel: “Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?” Nun aber zu Tony Judt, der in der Tat gern gelesen wird in Europa und einer der bekannten englischen (und in USA lehrenden) Historiker derzeit ist. Die aktuelle Debatte über Antisemitismus, Antizionismus und ‘neuen Antisemitismus’ hat jüngst eine neue Facette erhalten, als Alvin H. Rosenfeld in einem Text für das American Jewish Committee jüdischen Antisemitismus untersuchte.[lxiii] Eine Kritik an Judt ist Bestandteil seiner Analyse:

“Der Historiker Tony Judt beispielsweise veröffentlichte in den letzten drei Jahren eine Reihe von zunehmend verbitterten Artikeln in der Nation, in der New York Review of Books und in der Ha’aretz, in denen er Israel als arrogant, aggressiv, anachronistisch, infantil bis hin zur Dysfunktionalität, als unmoralisch und als eine primäre Quelle des heutigen Antisemitismus bezeichnete. ‘Israel heute ist schlecht für die Juden’, so Judt, und es würde sowohl ihnen als auch allen anderen Menschen einen Dienst erweisen, wenn es aufhörte zu existieren. ‘Die Zeit ist gekommen, das Undenkbare zu denken’, und das sei, laut Judt, ‘den jüdischen Staat durch einen einzigen, integrativen, binationalen Staat der Juden und Araber zu ersetzen.'”[lxiv]

Das ist ein antijüdischer Vorschlag, denn es würde bedeuten, dass Juden in so einem Staat alsbald die Minderheit wären und höchstens von der islamisch-arabischen Mehrheit toleriert würden, von Schlimmerem ganz zu schweigen. Es gibt eine ganze Reihe arabischer Staaten, die sich beharrlich seit 60 Jahren weigern das Flüchtlingsproblem der Palästinenser zu lösen. Das einzige Ziel ist Israel zu destabilisieren, eine bekannte Facette hierbei ist die Propaganda für einen binationalen Staat.

Die Initiativen Judts und anderer ‘Progressiver’ oder ‘Liberaler’ zu wirklich wichtigen Fragen wie dem Völkermord in Sudan (Darfur), dem suicide bombing von Hamas oder Islamischem Djihad, den Massenmorden im Irak durch al Quaida und den unterschiedlichsten islamistischen, antidemokratischen oder arabisch-nationalistischen Splittergruppen, dem Vernichtungswillen der Hezbollah gegenüber Israel, der Gefahr für den Weltfrieden durch das Atomprogramm des Iran, sind hingegen nicht bekannt. Judts Obsession gegen Israel ist – exemplarisch – bei einer Soziologin in Deutschland angekommen, die mir schreibt, Judt oder selbst Finkelstein sei “schwerlich Antisemitismus” nachzuweisen.

Sich wohlfeil mit Rechtsextremismus zu befassen, wie es die SPD macht, ohne einen Blick auf die komplementäre Gefahr von links und der Mitte der Gesellschaft zu schauen, ist billig und weit verbreitet.

Wer Juden mit Nazis vergleicht und ihnen tierisches “Wittern” ihrer Opfer unterschiebt, wie es die Zeitschrift Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte getan hat im Juni 2007, sollte von Antisemitismus schweigen. Solchen Sozialdemokraten, ihren Beratern und Freunden sei geraten, einmal in sich zu gehen und dort eine ganze Zeit lang zu verweilen. Prof. Meyer würde ein “sabbatical year” eventuell helfen.

Anmerkungen:
[i] Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neue Rechten. ‘Nationale Identität’, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970-2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum.
[ii] “Der Antizionismus gilt als Teilgruppe des Antisemitismus. Die neu-rechte Liebe zum Islam, namentlich zu den Moslembrüdern, aber auch zu anderen Facetten des internationalen Islamismus, sind Zeichen einer zunehmenden Konvergenz” (ebd.: 25). Zur Genese des Antiamerikanismus und der anti-römischen Ideologie vgl. insbesondere das Kapitel “Vom Kampf gegen ‘Rom’ zum Hass auf die USA”, ebd.: 324-334.
[iii] Da der hier geschilderte Fall paradigmatisch für die Linke in Deutschland ist, werde ich ihren Namen nicht nennen, vielmehr geht es um eine offenbar typische Reaktion einer ‘kritischen’ Akademikerin im Jahr 2007 in Europa.
[iv] Klaus Faber/Julius H. Schoeps/Sacha Stawski (Hg.) (2006): Neu-alter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg (Eine Publikation des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam).
[v] Kocka ist ein typischer ‘Alteuropäer’ und neudeutscher Vertreter des beliebten Antiamerikanismus in seinen vielfältigen Formen, wenn er den War on Terror als potentiell gefährlicher für ‘die Freiheit’ einschätzt als den massenmörderischen Djihad des politischen Islam: “Times are changing. The totalitarian challenge that, in the final analysis, gave rise to the renewal and resuscitation of freedom is a matter of the last century, increasingly moving into the past. In Germany and most other parts of Europe, the so-called ‘war on terrorism’ has not gained the importance that the fight against totalitarianism had in the twentieth century. Terrorism is morderous, it is unacceptable, and it is a transnational challenge. But sometimes one wonders whether the war on terrorism can become a bigger threat to freedom than terror itself. In any event, the relationship between terrorism, opppostion to terrorism, and freedom is very different from the relationship between totalitarianism, opposition to totalitarianism, and freedom” (Jürgen Kocka (2006): The idee of freedom in German history, in: Thomas Meyer/Udo Vorholt (Hg.) (2006): Freiheit und kulturelle Differenzen, Bochum/Freiburg: projekt verlag (Dortmunder politisch-philosophische Diskurse, Band 3), S. 94-101, hier S. 101). Die Bedeutung gerade Deutschlands für eine Stärkung des Terrorismus, indem Geschäfte mit Staaten wie Iran gemacht werden und zwar in sehr großem Umfang und staatlich unterstützt mit Hermes-Bürgschaften oder Wirtschaftsprojekten wie dem Transrapid, den deutsche Firmen in Iran bauen sollen, wird mit solch einer grotesken Verkehrung der Gefahr für den Frieden und die Freiheit hinweggefegt. Realitätsgetreuer als Kocka bezüglich der Einschätzung des Terrorismus ist der amerikanische Historiker Jeffrey Herf, der den heiligen Krieg des Islamismus als neuen Totalitarismus erkennt. Wichtig ist der Hinweis, dass im Rahmen einer Analyse des ‘Totalitarismus’ der politische Islam selbstverständlich im 21. Jahrhundert die größte Gefahr ist, derzeit, vgl. Jeffrey Herf (2004): Die neue totalitäre Herausforderung, in: Doron Rabinovici/Ulrich Speck/Natan Sznaider (Hg.) (2004): Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 191-210. Entgegen den oft selbsternannten ‘Linken’ wie Kocka oder Thomas Meyer, der Zeitschrift NG/FH insgesamt, schätzt Herf die mögliche Positionierung zweier der bedeutendsten Linken des 20. Jahrhunderts treffend ein, gerade am Punkt ‘Freiheit’ und ‘Individuum’: “Ich bin überzeugt, dass Theodor Adorno und Max Horkheimer, die zu den Kronjuwelen der Suhrkamp-Kultur gehören, gewusst hätten, welche Gesellschaften die Freiheit des Individuums verteidigen und welche Formen eines totalitären Kollektivismus etablieren, wer die wirklichen Gegner von Rassismus und Antisemitismus sind und welche Gesellschaften Massenmord vorbereiten. Sie würden gewiß heute gegen Antisemitismus und Antiamerikanismus protestieren” (ebd.: 209).
[vi] Eckhard Fuhr (2005): Wo wir uns finden. Die Berliner Republik als Vaterland, Berlin: Berlin Verlag, S. 110.
[vii] Rudolf Walther (2007): “Rhetorik des Verdachts…”, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 54. Jahrgang (2007), Heft 6, S. 75-77. Die bibliographischen Angaben sind teilweise falsch, so schreibt Walther, das Buch sei 2007 erschienen und habe 430 Seiten. Es erschien jedoch in erster (und bislang einziger) Auflage 2006 und hat 424 Seiten.
[viii] Ebd.: 75.
[ix] Ebd.: 76.
[x] Ebd.
[xi] Rudolf Walther (2007a): Normalisierung nicht möglich. Vor vierzig Jahren: Der zweite Juni, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefe, 54. Jg. (2007), H. 6, S. 11-15, hier S. 15, Herv. im Original.
[xii] Arno Lustiger (2007): Leserbrief zu Rudolf Walthers Buchkritik in NG/FH 6/2007, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 54. Jg., Heft 7+8, S. 109-111.
[xiii] Vgl. nur Heni 2007: 75, 107, 196.
[xiv] Yves Pallade (2006): Medialer Sekundärantisemitismus, öffentliche Meinung und das Versagen gesellschaftlicher Eliten als bundesdeutscher Normalfall, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg) (2006), S. 49-66, hier S. 58.
[xv] Ebd.: 59.
[xvi] Rolf Behrens (2006): “Sie schießen, um zu töten.” Die Berichterstattung über Israel bedroht das “besondere Verhältnis”, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 19-31, hier S. 21.
[xvii] Lars Rensmann (2006): Der Nahost-Konflik in der Perzeption des Rechts- und Linksextremismus, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 33-47, hier S. 46.
[xviii] Ebd.: 44f.
[xix] Ulrich Sahm (2006): Deutsche Medien und der Nahostkonflikt, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 127-137.
[xx] Ebd.: 129.
[xxi] Esther Schapira/Georg M Hafner (2006): Entlastungsantisemitismus in Deutschland, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 67-77, hier S. 73.
[xxii] Katrin Kemmler (2006): Die antiimperialistische Stille Post. Traue keinem Zitat, das Du nicht selbst interpretiert hast, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 139-153.
[xxiii] Ebd.: 139f.
[xxiv] Vgl. ebd.: 141-144.
[xxv] Ebd.: 141.
[xxvi] Klaus Faber (2006a): Was ist zu tun? Antisemitismus, Israel und die deutsche Politik, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 331-341, hier S. 332.
[xxvii] Ebd.
[xxviii] Vgl. Daniel Jonah Goldhagen (1996): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin: Siedler Verlag, S. 243-252.
[xxix] Vgl. Susanne Wein (2003): Bremer Arbeiterbewegung und Antisemitismus 1924 bis 1928. Von “…trotzdem es unter der Decke daran nicht gefehlt hat” bis zu offenem Antisemitismus von links in der Bremer Arbeiterpresse, Bremen (unveröffentlichte Magistraarbeit, Fachbereich 8);
[xxx] Faber 2006a: 333.
[xxxi] Ilka Schröder (2006): Liaisons dangereuses. Die EU und ihre Destabilisierungspolitik gegen Israel, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 279-300, hier S. 280.
[xxxii] Ebd.: 294.
[xxxiii] Matthias Küntzel (2006): Joschka Fischer, die “Road Map” und der Gaza-Abzugsplan, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 252-264.
[xxxiv] Ebd.: 252.
[xxxv] Ebd.: 264.
[xxxvi] Cem Özdemir (2006): Muslimische Migranten und Antisemitismus, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 219-223, hier S. 219.
[xxxvii] Mohammad Schams/Wahied Wahdat-Hagh (2006): Der khomeinistische Antisemitismus, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 211-217, hier S. 215.
[xxxviii] Abraham H. Foxman (2006): Muslimischer Antisemitismus zwischen Europa und dem Nahen Osten, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 171-177, hier S. 173.
[xxxix] Yigal Carmon (2006): Was ist arabischer Antisemitismus?, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 203-210, hier S. 204.
[xl] Foxman 2006: 177.
[xli] Bassam Tibi (2006): Die Mär des Islamismus von der jüdischen und kreuzzüglerischen Weltverschwörung gegen den Islam, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 179-202, hier S.
[xlii] Ebd.: 187. Zu einer grundsätzlichen Kritik am “Modell von Cordoba” und der bisherigen Forschung dazu, wie den Schriften Bernard Lewis’ z. B., vgl. Hans-Peter Raddatz (2007): Allah und die Juden. Die islamische Renaissance des Antisemitismus, Berlin: wjs Verlag, S. 69-114. Zu einer kritischen, interessanten Rezension von Raddatz vgl. jetzt Hannes Stein, http://www.welt.de/…
[xliii] Tibi 2006: 202.
[xliv] Eldad Beck (2006): Islam und Antisemitismus, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 233-238.
[xlv] Ebd.: 235.
[xlvi] Ebd.: 237.
[xlvii] Mordechay Lewy (2006): “Denn wer einmal uns versteht, wird uns auch verzeihen.” Kritik der Selbstverneinung im Zeitalter der postmodernen Unvernunft des Abendlandes, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 239-244.
[xlviii] Ebd.: 240.
[xlix] Ebd.: 243.
[l] Ebd.
[li] Ebd.
[lii] Ebd.: 244.
[liii] Ebd.: 242.
[liv] Walther 2007: 75.
[lv] Ebd.
[lvi] Ebd.: 77, Herv. im Original.
[lvii] Dieter Graumann (2006): Islamismus – das friedensresistente Monster, in: Faber/Schoeps/Stawski (Hg.) (2006), S. 319-324, hier S. 320.
[lviii] Ebd.: 319.
[lix] Ebd.: 323.
[lx] Vgl. Anm. 5.
[lxi] Vgl. Heni 2007: 348f., Anm. 1465.
[lxii] Diese, wie auch die anderen e-mails befinden sich im Besitz des Verfassers.
[lxiii] Alvin H. Rosenfeld (2007): “Fortschrittliches” jüdisches Denken und der neue Antisemitismus, New York: American Jewish Committee, Dezember 2006, deutsche Fassung von März 2007.
[lxiv] Ebd.: 12.
hagalil.com 10-09-2007

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