Superhelden der Antisemitismusforschung

Teil 1: Armin Pfahl-Traughber

In der „EU-Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ vom 18. Mai 2005 heißt es:

„Beispiele dafür, wie sich Antisemitismus gegenüber dem Staat Israel in seinem umfassenden Kontext manifestiert, umfassen: (…)

Der Vergleich der aktuellen Politik Israels mit der der Nazis.“

In der heutigen Ausgabe der taz, 16. Juli 2010, schreibt ein Mitglied des Expertenkreises des Bundestages zu Antisemitismus, Armin Pfahl-Traughber:

Doch nicht jeder Diskurs, der Gemeinsamkeiten von israelischem und nationalsozialistischem Vorgehen behauptet, dürfte durch eine Apologie des NS-Regimes motiviert sein. Mehrheitlich geht es denen, die solche Auffassungen äußern, vor allem um die „antiimperialistisch“ motivierte politische Abwertung von Israels Umgang mit den Palästinensern. Derartige Gleichsetzungen können um der Sache willen als unangemessen verworfen werden – antisemitisch motiviert müssen sie nicht zwingend sein.“

Wer hat je davon gesprochen, dass ein Vergleich von Israel mit dem Nationalsozialismus eine Verteidigung des SS-Staates sei? Das ist so völlig ohne Beleg, so realitätsfern und infam, dass jeder Professor an einer Universität einem Studenten im ersten Semester eine Arbeit mit einem solchen Satz zurück geben würde zur Überarbeitung.

Wie kommt Pfahl-Traughber auf so einen Unsinn? Kein Nazi lobt den SS-Staat und Israel! Nazis sind Antisemiten und loben doch nicht den Judenstaat. Was soll so eine Fantasie? Ohne einen einzigen Hinweis oder Beleg? Oder weiß der Autor nicht was eine „Apologie“ ist? Weiß es die taz?

„Eine Apologie (von spätlat. apologia, aus altgriech. ἀπολογία, apología für „Verteidigung, Rechtfertigung“) ist eine Verteidigungsrede bzw. Verteidigungsschrift.“

Um es zu wiederholen, Pfahl-Traughber schreibt, wörtlich:

„Doch nicht jeder Diskurs, der Gemeinsamkeiten von israelischem und nationalsozialistischem Vorgehen behauptet, dürfte durch eine Apologie des NS-Regimes motiviert sein.“

Kein einziger „Diskurs“ ist dadurch gekennzeichnet, dass Leute das „NS-Regime“ verteidigen und DESHALB den SS-Staat mit Israel vergleichen. Total absurd ist so eine Aussage der taz, schwankend zwischen theoretischer Hilflosigkeit und Verdrehung von Tatsachen.

Alle heutigen Vergleiche von Nazi-Deutschland und Israel werden angestellt, um Israel zu diffamieren und nicht um Nazi-Deutschland zu loben.

Es geht genau darum, dass der Vergleich des Nationalsozialismus mit Israel von Leuten gemacht wird, die so tun, als seien sie GEGEN Faschismus und Nationalsozialismus, obwohl doch die gleichen Leute wie die Partei Die Linke mit der Islamo-faschistischen Hamas gar kein Problem hat, sie vielmehr unterstützte mit der aktiven Teilnahme an der Gaza Flotille.

Antifaschistischer, linker Antisemitismus ist doch der Kern des Problems.

Das begriffslose Gerede eines Pfahl-Traughber möchte die antisemitische Projektionsleistung, die hinter dem Nazi-Vergleich steckt, derealisieren. Der sekundäre Antisemitismus nach 1945 lebt zumal davon, Juden als Täter herbei zu halluzinieren, um die Deutschen von der Schuld zu befreien. Dazu gibt es eine große Zahl von Studien, Vorträgen etc. etc.

Der ‚Experte‘ schreibt weiter in der taz:

„Anspielungen im Sinne einer Gleichsetzung von Israel und Nationalsozialismus dienen daher der politischen Diffamierung des jüdischen Staats. Der historische Unsinn, der damit einhergeht, kann aber nur dann als Ausdruck von Antisemitismus gelten, wenn die konstitutive Eigenschaft dieser Diskriminierungsideologie nachweisbar ist: Feindschaft gegen Juden als Juden. Diese Einstellung steht hinter der Israel-Kritik von Rechtsextremisten, die sich der Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus um dessen moralischer Entlastung willen bedienen.“

Gegen wen anderes als gegen Juden richtet sich die Hetze, wenn allüberall Israel mit Nazi-Deutschland verglichen wird wie vom in extremistischen Kreisen beliebten jüdischen Kronzeugen Norman Finkelstein?

Israel ist ein jüdischer Staat, wer gegen Israel ist, ist gegen Juden. Kapiert eigentlich jedes Kind. Doch nicht so Experten und deutsche Superhelden der Forschung und Publizistik, wie es scheint.

Nochmal: Jeder Vergleich von Israel mit dem Nationalsozialismus ist antisemitisch. Nicht nur die EU-Arbeitsdefinition zu Antisemitismus sieht das so, auch die internationale Forschung zu Antisemitismus hat das seit Jahrzehnten heraus gearbeitet.

Der Historiker und Antisemitismusforscher Prof. Dr. Robert Wistrich schreibt 2010 in seinem Werk „A Lethal Obsession: Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad“:

„At the core of the global anti-Israel hysteria lies the symbolic transformation of Jews into Nazis. Indeed it has become increasingly entrenched in a number of Western societies that seem eager to follow in the footsteps of the former Soviet Union and the most benighted parts of the Muslim-Arab world. In postwar Germany this Holocaust inversion is related to so-called secondary anti-Semitism, which resents Jews as a permanent reminder of the German responsibility for Auschwitz. Radical anti-Zionism has capitalized on this complex by reserving the role of the ‘new Nazis’ exclusively for Jews. This is the perfect way for many Germans to flee from the historic burdens imposed by their own national history, and for other guilt-ridden perpetrators and collaborators in Europe to symbolically wipe the slate clean. The Nazi-Zionist parallel has also been encouraged by seemingly respectable academics, journalists, and Middle East experts who do not shrink from utterly false comparisons between the Warsaw ghetto and Gaza.”[i]

Armin Pfahl-Traughber und die taz kennen diese Forschung demnach nicht oder ignorieren sie bewusst, weil sie erstens ungern gute Bücher lesen und zweitens weil kritische Forschung in deren neu-deutsche, den Antisemitismus verharmlosende Ideologie selbstredend nicht hineinpasst.

Wenn die taz und ihr ‚Superheld der Antisemitismusforschung‘ jedoch wörtlich schreiben, dass der Vergleich von Israel mit den Nazis keineswegs immer antisemitisch sei, dann verbreiten sie Mythen und handeln entgegen der EU-Arbeitsdefinition zu Antisemitismus.

Somit verharmlosen die taz und ihr Bundestags-Experte zu Antisemitismus den Schuldabwehr/Schuldprojektions- und antizionistischen Antisemitismus, der aus jedem Vergleich des Nationalsozialismus mit Israel spricht.


[i] Robert Wistrich (2010): A Lethal Obsession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad, New York: Random House, S. 934.