Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: 7. Oktober

Rationalisierter Antizionismus, akademische Attitüde und bestes Gewissen. Die Zeitschrift „Merkur“ im Mai 2024

Erschienen am 17. Mai 2024 hier

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Für Eden Golan und zur Erinnerung an Robert S. Wistrich (07. April 1945–19. Mai 2015)

Am 7. Oktober 2023 massakrierten palästinensische Terroristen auf unsagbare Weise über 1200 Jüdinnen und Juden im Süden Israels und entführten 253 Israelis und andere. Es war das schrecklichste Massaker an Juden seit dem Holocaust. Während es in Deutschland die ersten Tage danach eine kurze Solidarität mit Israel gab, wird mittlerweile, wie von der Hamas erhofft, das Ende des jüdischen Staates herbeigesehnt und verhandelt – etwa in der beliebten „Kulturzeitschrift“ Merkur, die natürlich israelische Antizionisten als Kronzeugen auffährt.

Am 7. Oktober 2023 überfielen 3000 Palästinenser Israel, durchbrachen die Grenzanlagen, ermordeten Grenzsoldat*innen und massakrierten über 1200 Jüdinnen und Juden auf eine bestialische Weise, wie wir es seit dem Holocaust nicht gesehen haben. 253 Jüdinnen und Juden sowie andere Menschen wurden zudem von den Hamas-Terroristen in den Gazastreifen entführt, wovon sie 130 immer noch gefangen halten, wobei befürchtet wird, dass schon über 30 von diesen Geiseln bereits ermordet wurden.

Das macht den 76. Geburtstag Israels vorgestern, also am 14. Mai 2024 zu einem der traurigsten Festtage des Landes.

Die Pro-Palästina-Hetzer (m/w/d) wie in den USA an der Ivy League Columbia University in New York City schreien „Death to the Jews“, „Long live Hamas“ und evozieren die blutrünstige „Intifada“ mit Sprüchen wie „Globalize the Intifada“. Die zweite Intifada war eine Terrorwelle, in der palästinensische Terroristinnen und Terroristen zwischen Herbst 2000 und dem Jahr 2005 mit Bomben und in Selbstmordattentaten über 1000 Israelis in Israel ermordeten, darunter über 700 Zivilist*innen.

Fragwürdige Solidarität von universitären Wissenschaftlern mit antisemitischen Aktivist*innen

Viele Wissenschaftler*innen der Columbia University haben sich hinter die antisemitischen Student*innen und ihre aktivistischen Freund*innen von außerhalb der Universität gestellt. In Berlin stärkten Hunderte Professor*innen und Dozent*innen den antisemitischen Aktivist*innen in Berlin den Rücken, die ihrerseits ihre Solidarität mit der Hamas und dem palästinensischen Judenhass zum Ausdruck brachten, wie auch an anderen Universitäten in Deutschland. 300 andere Professor*innen und Dozent*innen der FU Berlin hingegen kritisierten schon im Februar 2024 den Antisemitismus auf dem Campus ihrer Uni; diese Erklärung wurde auch offiziell auf der Seite der FU Berlin publiziert, was zumindest zeigt, dass die führenden Professor*innen dort keine Israelfeinde sind. Aber auf der Straße, in der U-Bahn und zwar nicht nur in Berlin-Neukölln herrscht der pure antisemitische Mob, wie Aufkleber, Sprechchöre, Fahnen, Schals zeigen. Wer sich in Berlin offen mit einer Israelfahne zeigt (wie jüngst auf dem Alexanderplatz), als Jude/Jüdin oder pro-israelischer Aktivist bekannt oder erkennbar ist, läuft sofort Gefahr, diffamiert, angegriffen oder sogar gefährlich verletzt zu werden.

Der muslimische und palästinensische wie linke Antisemitismus haben historisch-genetische Beziehungen zum nationalsozialistischen Antisemitismus – wie vor allem die Kooperation des Mufti von Jerusalem Amin al-Husseini mit Hitler und den Deutschen -, und sie stellen sich selbst in die Tradition der Nazis wenn sie, wie in den USA geschehen, „Tod aller Juden“ brüllen und „Zionisten“ nicht an die Universität lassen oder schreien: „go back to Poland“. ‚Linke‘, Postkolonialisten und woke Antiaufklärer drohen Juden mit Auschwitz. Das ist 2024!

Die deutsche „Ja, aber“-Fraktion, auch und gerade in der Zeitschrift Merkur

Anfänglich gab es auch in Deutschland nach dem 7. Oktober 2023 einen großen Schock und tatsächliche Anteilnahme und Solidarität mit Israel. Doch nach wenigen Tagen schon änderte sich das und die „ja, aber“-Fraktion begann, das Ruder zu übernehmen. Im Mai-Heft der ganz normalen bürgerlichen Zeitschrift Merkur schließlich heißt es nun:

„Auffällig ist aber auf der anderen Seite auch die Vehemenz, mit der weite Teile der deutschen Öffentlichkeit jeder Israelkritik wie auch der Sorge um das Wohl der Palästinenser begegnen: Was bedeutet es, wenn die Welt einen Podcast mit Free Palestine ist das neue Heil Hitler betiteln kann? Welche Verschiebungen und Projektionen sind hier am Werk? Wie kann es sein, dass Kinder, die ein Palästinensertuch tragen, also ein Kleidungsstück, das seit Jahrzehnten in Deutschland präsent ist, plötzlich eine solche Gefahr darzustellen scheinen, dass sie von Schulleitungen gegängelt werden müssen?“

So formuliert es der Autor Jonas Rosenbrück. Dem kann man nur entgegen: Ja, das Palästinensertuch ist seit dem 7. Oktober 2023 das Symbol der Freude ob des Judenmords. Es ist keineswegs primär ein Symbol für einen Staat Palästina, sondern seither ein Symbol für den Judenmord. Ich sah, wenige Tage nach dem 7. Oktober, eine schwarzhaarige Frau mit dem Palästinensertuch wie einem Siegessymbol über ihre Schulter gelegt, in einem Uni-Café am Universitätsplatz in Heidelberg.

Zugleich leugneten Feministinnen die sexuelle Gewalt ihrer muslimischen und palästinensischen Brüder im Geiste. Von anderen wurde das schlimmste Massaker an Juden seit Babyn Yar entweder bestritten oder sogar mit Süßigkeiten gefeiert.

Flagrante Täter-Opfer-Umkehr zu Lasten Israels

Die Täter-Opfer-Umkehr setzte damit einhergehend umgehend ein. Israel sei der Täter, die Palästinenser das Opfer. Würde die Hamas heute ihre Waffen abgeben und sich ergeben, wäre der Krieg zu Ende. Würde Israel die Waffen abgeben, würden Millionen Juden in Israel ermordet oder vertrieben, das zeigt der 7. Oktober. Das Problem heißt Iran und es heißt Islamismus und es heißt säkularer antizionistischer Antisemitismus.

Die Hamas möchte so viele zivile Opfer wie möglich, ihr sind die Palästinenser völlig egal, sie will Tote und Eskalation, daher verschanzen sie sich in Privathäusern, deponieren Waffen in Krankenhäusern, Moscheen oder Kindergärten.

Der erwähnte Welt-Podcast mit Jonathan Kalmanovich, der als Rapper Ben Salomo bekannt geworden ist, und dem Vorstandsvorsitzenden von Axel Springer, Mathias Döpfner, also der Podcast, den Merkur so schrecklich und empörend findet, ist definitiv hörenswert. „Free Palestine ist ein Vernichtungsslogan“ – exakt das hat Ben Salomo darin auf den Punkt gebracht.

Konkret geht es um die sehr alte jüdische Familie, der Jonathan entstammt und die vor 1000 Jahren aus Italien nach Worms kam, was man dort noch auf dem jüdischen Friedhof sehen kann, einem Friedhof mithin, auf dem, wie Döpfner, der Ende 2023 dort war, erzählt, die Grabsteine nicht wie üblich gen Jerusalem zeigen, sondern nach Italien, aus Dankbarkeit oder Gedenken an die Familie Kalmanovich.

Sodann geht es in dem Podcast um die Beziehung des Mufti von Jerusalem zu den Nazis und Deutschen, um Verschwörungsmythen zum 7. Oktober und um die vielen antisemitischen Kommentare, die Ben Salomo zum Beispiel auf Instagram täglich bekommt, wo sich Hetzer*innen über ihn auslassen und offen sagen, der Islam beziehungsweise der Koran würden seinen Tod rechtfertigen.

Was stört den Merkur an einem proisraelischen Podcast mit Ben Salomo und Mathias Döpfner?

Warum hat der Merkur ein Problem mit diesem Podcast? Sind es Ressentiments gegen Juden im Allgemeinen oder gegen den jüdischen Rapper Ben Salomo im Besonderen? Döpfner sagt am Ende, wie widerlich es sei, dass gerade in Deutschland, dem Land der Täter im Holocaust, die Kritik an Israel, die eine Ablehnung des Staates als jüdischer Staat Israel ist, so wahnsinnig weit verbreitet ist.

Am Ende seines Merkur-Elaborats formuliert Rosenbrück vorgeblich sachlich und ohne Aufregung eine Perspektive, die das Ende Israels geradezu herbeibeschwört, weil es die beste und einzig mögliche Lösung sei:

„In Bezug auf die langfristige Perspektive betonen palästinensische Wissenschaftler wie Ahmad Samih Khalidi und jüdische Denker wie Omri Boehm immer mehr, dass die Zwei-Staaten-Lösung, an die sich auch die deutsche Politik weiterhin klammert, realitätsfern und nicht umsetzbar ist: Wie Boehm in seinem Buch Haifa Republic dargelegt hat, sind die territorialen Verstrickungen jüdisch-israelischer und palästinensischer Menschen mittlerweile so tief, dass nur ein binationaler Staat oder eine föderale Lösung in der Lage sind, das Land zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer für alle dort lebenden Menschen zu einer friedlichen und florierenden Heimat zu machen. (…)

Nur die Gutgläubigsten der Gutgläubigen könnten so etwas ernsthaft vorschlagen, lautet die naheliegende Bezichtigung. Auf eine solche Vorhaltung gibt es nur eine Antwort: Es ist noch naiver zu glauben, dass es ohne eine föderale Lösung, die allen in Israel und Palästina lebenden Menschen gleiche Rechte verschafft, nicht immer wieder zu Gewalt und Tod kommen wird, wie wir sie heute erleben.“

Ausgerechnet in Deutschland wird der antizionistische Philosoph Omri Boehm gefeiert

Der israelische Philosoph Omri Boehm, der in den USA lehrt, ist ein bekannter Vertreter des Antizionismus. Dennoch wird er gerade in Deutschland gefeiert und prämiert. Er stellte sich jüngst hinter die Pro-Israel-Boykott Philosophin Nancy Fraser, der eine Gastprofessur an der Uni Köln zum Glück wieder entzogen wurde, weil sie einen antizionistischen Aufruf gegen Israel im November 2023 unterschrieben hat.

Wie peinlich und ahistorisch Boehms Buch Haifa Republic ist, zeigt sich zum Beispiel daran, dass er behauptet, noch nie wären israelische Araber an einer Regierung in Israel beteiligt gewesen, damit möchte er sozusagen Israel einen strukturellen Rassismus anhängen. Nur: diese Behauptung ist falsch, Araber waren in den 1950er Jahren, Anfang der 1990er Jahre und exakt zu der Zeit, als das antizionistische Pamphlet von Boehm erschien, im August 2021, Teil einer Regierung in Israel. Somit war das Buch Haifa Republic schon im August 2021, als es erschien, veraltet und ein Fall für die Müllhalde. Doch genau solche unwissenschaftlich arbeitenden und politisch gegen Israel agitierenden Autoren wie Boehm werden geehrt. Er erhielt den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024 und er durfte gar am 7. Mai 2024 auf den Wiener Festwochen ausgerechnet auf dem Wiener Judenplatz als Redner seinem kosmopolitisch verkleideten Israelhass frönen. Dabei gibt es eine Interpretationslinie von Kants „Ewigem Frieden“ und dem Antizionismus, doch das wäre eine philosophische Diskussion, die hier zu weit führte.

Ideologen wie Boehm sind die Kronzeugen des Merkur für eine angeblich friedliche Zukunft in Nahost. Es wäre eine Zukunft ohne zionistische Juden. Islamisten würden auch antizionistische Juden massakrieren. Wer das nicht glaubt, hat nicht im Ansatz verstanden, was am 7. Oktober in Israel passiert ist. Gerade die Friedensaktivist*innen dort wurden vergewaltigt, verstümmelt, lebendig verbrannt und erschossen. Darum ging es der Hamas: gerade: die Linken zu massakrieren. Ausgerechnet also jene, die ihnen zuvor Jobs in Israel verschafft hatten oder sie zum Krankenhaus begleiteten bei einer Krebserkrankung oder mit ihnen gemeinsam zur Ernte fuhren.

Anstatt wegen der jahrzehntelangen Ablehnung eines eigenen Staates unter Anerkennung des jüdischen die Palästinenser in Haftung zu nehmen, wird deren judenhasserisches Narrativ übernommen und eine Einstaatenlösung proklamiert, wo Juden dann die Minderheit wären und unter Muslimen exakt so behandelt werden würden wie wir es am 7. Oktober von den feixenden, lachenden, brüllenden, „Allahu Akbar“ schreienden und Cola oder Soda trinkenden palästinensischen Monstern erlebt haben, sie haben es ja selbst gefilmt und teils live gestreamt.

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Wie im Merkur die Parole „from the River to the Sea” grotesk verharmlost wird

Ein weiterer Text in der Mai-2024-Ausgabe des Merkur dieses Mal von, von Avner Ofrath fällt mit sophistischen Pirouetten auf und fantasiert faktenfrei, dass die auf die Vernichtung Israels gerichtete Parole „from the River to the Sea, Palestine will be free“ in einigen Jahren angeblich ganz anders gemeint sein könnte. Da die Redaktion diesen Text als besonders wichtig empfindet, ist er sogar online frei verfügbar:

„Nur: Wenn mit der Forderung ‚Ceasefire Now‘ nicht nur ein Ende der Gewalt, sondern auch ein erster Schritt in Richtung politische Transformation gemeint sein soll, wenn mit der Parole ‚From the River to the Sea, Palestine Shall Be Free‘ kein algerisches Szenario, sondern eine auf Gleichheit und Gerechtigkeit basierende Lösung gemeint sein soll, dann führt an einer politischen Auseinandersetzung zwischen Erzfeinden, zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten kein Weg vorbei. Konstruktiv würde sie nur durch das Erkennen und Erkunden von Ambivalenzen. Die heute noch so radikal klingenden Parolen könnten morgen oder übermorgen schon leer wirken.“

Der ganze Text ist eine Rationalisierung des antizionistischen Antisemitismus. „From the River to the Sea“ meint die Zerstörung Israels. Wer das in Abrede stellen will, handelt kontrafaktisch. Auch in zehn oder 100 Jahren meint diese Parole exakt das: die Zerstörung des einzigen Judenstaates.

Es ist zudem keine neue Parole, sondern die Ideologie der Araber und Palästinenser seit 1948 und schon zuvor. Sie akzeptieren keinen jüdischen Staat – das ist das Kernproblem des antizionistischen und islamistischen oder muslimischen Antisemitismus, von den Arabern seit spätestens 1929 (Hebron-Massaker) und den Aufständen von 1936 bis 1939, als auch die bis dato Kulturzionisten und Anhänger eines binationalen Staates zu politischen Zionisten wurden, wie der 1923 aus Deutschland ausgewanderte Zionist Gershom Scholem – bis zum Iran seit 1979. Scholem schrieb in einem Brief vom 15. Dezember 1939 an seinen Freund Walter Benjamin:

„Die Nazipropaganda ist unter den Arabern sehr viel wirksamer als man gemeinhin zugibt und das ist ein bitteres Stück.“

Wenn es irgendeine große Religion gibt, hier und heute, die ganz sicher nicht auf Gleichheit und Gerechtigkeit ausgerichtet ist, dann ist es offenkundig der Islam. Das zeigt die graduell unterschiedliche, aber doch strukturell angelegte Frauenverachtung (Kopftuchzwang, Gesichtsschleier, Familienideologie), die Homophobie und der Judenhass in nahezu allen von Muslimen dominierten Gesellschaften, von Indonesien bis Marokko. Länder, die es in über 1000 Jahren nicht geschafft haben, ein säkulares Rechtssystem aufzubauen, sind eine Gefahr für die Demokratie. Und muslimische Länder sind weit überrepräsentiert unter den nicht säkularen Rechtssystemen auf dieser Welt.

Das sicher nicht nur für mich Schockierende ist die Anmaßung von Zeitschriften, Autorinnen und Autoren, Zeitungen und der Öffentlichkeit, nach dem schlimmsten Massaker an Juden seit der Shoah offen und nicht nur klammheimlich über die Zerstörung des einzigen Judenstaates zu reden und sich damit auch noch super aufgeklärt und fortschrittlich, ja emanzipiert vorzukommen.

Döpfner und Ben Salomo hingegen sagen beide sehr wichtige Dinge in dem so hörenswerten Podcast. So erwähnt Döpfner eine Harvard-Studie, derzufolge in einer repräsentativen Umfrage 51 Prozent der 18- bis 24jährigen Menschen in den USA den Massenmord an Jüdinnen und Juden durch die Hamas am 7. Oktober 2023 für „gerechtfertigt“ halten. 51 Prozent!

In einer anderen Umfrage, auch von Ende 2023, sagen 20 Prozent der jungen Amerikaner, dass sie den Holocaust für einen Mythos halten.

Wie der Antisemitismus sich unter jungen Leuten auf TikTok ausbreitet

Schließlich geht es auch um eine der übelsten antisemitischen Dreckschleudern überhaupt, TikTok. Dort gab es, Stand Dezember, der Podcast mit Döpfner und Ben Salomo ist ja wie gesagt vom 12. Dezember 2023, vier Millionen Hashtags #FreePalestine, aber nur 53.000 Hashtags #StandwithIsrael. Das zeigt, wie verbreitet der Hass zumal junger Menschen auf Juden und Israel ist. Döpfner ist schockiert – doch der Merkur möchte den Podcast offenbar verteufelt. Was ist da los beim Merkur?

Dass Israel ein Kolonisator sein soll, wie der Merkur fabuliert, ist ja historisch ohnehin grotesk, Jahrtausende vor dem Auftauchen des Islam gab es schon Juden in Jerusalem und in Israel. Der Zionismus ist nur eine Rückkehr, wenn auch eine anfangs fast ausschließlich säkulare und sozialistische, nach Israel. Israel befreite das Land von der Kolonialherrschaft der Briten.

Das ganze Versagen, die islamistische Ideologie der Hamas zu analysieren und zu attackieren zeigt sich im Merkur exemplarisch für das typische irgendwie linksliberale Bildungsbürgertum, ob nun amerikanisch oder europäisch oder postzionistisch-israelisch, wenn es in dem Text von Ofrath heißt:

„Nach den Massakern der Hamas am 7. Oktober war oft von ‚Kontext‘ die Rede – nicht ohne Grund, wenn auch nicht mit viel Anstand den Opfern gegenüber. Etwas in einen Kontext zu stellen bedeutet, nach Ursachen, Konnexen und Folgen zu fragen. Genau das versuchten israelische Regierungsvertreter durch Gleichsetzung der Hamas mit dem IS oder dem NS-Regime zu verhindern. Ihr Ziel war es, die Hamas als das Böse darzustellen, das unabhängig von Umständen agiert.“

Die Hamas mordet, weil sie morden möchte

In der Tat: die Hamas mordet, weil sie morden möchte, weil ihre Ideologie jener der Muslimbruderschaft von Hasan al-Banna seit 1929 folgt, als diese größte und gefährlichste islamistische Organisation in Ägypten gegründet wurde.

Wer angesichts des präzedenzlosen Massakers an Juden seit 1945 von „Kontext“ redet, möchte nicht über Islamismus, Antisemitismus und die auf die Vernichtung der Juden gerichtete Ideologie der Hamas reden.

Warum geht es dem Merkur offenkundig um die Abwehr luzider Antisemitismuskritik?

Es geht im Merkur in den beiden hier kritisierten Texten von Mai 2024 offenkundig um die Abwehr jedweder luziden Antisemitismuskritik, also vor allem um die Abwehr der Kritik am Antizionismus, der gefährlichsten und am weitesten verbreiteten Form des heutigen Antisemitismus. Und es geht im Merkur ebenso um das tiefe Ressentiment gegen den jüdischen Rapper Ben Salomo und diesen Podcast „Free Palestine ist das neue Heil Hitler“ mit dem WELT-Journalisten Mathias Döpfner.

Der akademische Ton im Merkur indiziert lediglich eine Rationalisierung des heutigen Antisemitismus, der von Mathias Döpfner und Jonathan Kalmanovich analysiert und kritisiert wird. Die Referenz auf den Antizionisten Omri Boehm in dem zweiten hier kritisierten Text unterstreicht dies mit dicker schwarzer Tinte, die das Blut unkenntlich macht, welches die jüdischen Opfer der palästinensischen Fans der Einstaatenlösung vergossen haben.

Die israelische Regierung würde die Hamas als „das Böse“ darstellen – dabei hat die Hamas sich doch selbst als das abgrundtief Böse gezeigt am 7. Oktober und schon Jahrzehnte zuvor, aber nie so extrem und massenmörderisch wie am 7. Oktober 2023 im Süden Israels. Möchte der Merkur ernsthaft leugnen, dass die Hamas in diesem Konflikt „das Böse“ darstellt?

Der Sonnenaufgang der Aufklärung von 1789, der Einsatz für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, mit allen Defiziten einer Dialektik der Aufklärung, wie sie niemand besser untersuchte als Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, sowie das amerikanische Versprechen nach Glück für Alle sowie selbstredend der Feminismus oder die Kritik am Patriarchat und der Kinder-Moschee/Kirche-Küche-Ideologie sind die Feindbilder des Islamismus und seiner Freunde (m/w/d) weltweit. Die dümmsten der Dummen sind dabei vermutlich die Queers for Palestine, da sie mit die ersten wären, die in Gaza am Laternenmast hängen würden.

Islamisten hassen den Westen und Israel. Es ist eine wichtige und interessante Diskussion, ob Islamisten Israel wegen Amerika verabscheuen oder Amerika wegen Israel.

Was in jedem Fall sehr relevant ist, ist ein weiterer Aspekt, den Döpfner anspricht in diesem so wichtigen Podcast: Juden sind wie Kanarienvögel. Kanarienvögel wurden und werden in Kohlebergwerken eingesetzt, sie haben als erste Probleme mit zu wenig Sauerstoff. Sie sind die Frühwarnung einer Katastrophe. 9/11 zeigte, dass Islamisten die westliche Welt zerstören wollen. Und Israel ist Teil des Westens.

Warum merkt der Merkur nicht, wie sehr sich Jüdinnen und Juden in Deutschland alleine fühlen?

Doch der Merkur möchte offenbar diese Warnungen wie über die Kanarienvögel nicht hören und diffamiert den Podcast „Free Palestine ist das neue Heil Hitler“, dabei hätten gerade die Herausgeber und die Autorinnen und Autoren des Merkur es bitter nötig gehabt, ihn sich anzuhören, öffentlich zu diskutieren und darauf zu reflektieren. Ich sage das als jemand, der durchaus schon lesenswerte Texte im Merkur gelesen hat wie die Marginalie von David Wagner „27 Schritte durchs Spazieren“ im April-2024-Heft. Aber solche eloquenten, durchaus schöngeistigen Texte werden durch diese aktuellen antizionistischen Tendenzen im Merkur mehr als überschattet.

Der Merkur merkt gar nicht, wie sich Jüdinnen und Juden in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 alleingelassen, ja extrem bedroht fühlen. Und damit steht der Merkur ganz exemplarisch für die kulturelle Elite in diesem Land, selbstredend nicht so vulgär wie auf der Documenta XV in Kassel oder dem ESC in Malmö, dafür elaborierter, nüchterner und ruhiger hört sich das Verhandeln über das Ende des einzigen jüdischen Staates im Merkur an.

Und das gerade nach dem 7. Oktober. Das macht sprachlos.

Am Israel Chai

Nach dem “Hurricane” des 7. Oktober: Die 20-jährige Eden Golan singt auf dem ESC für das ganze jüdische Volk und den Zionismus

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

An der FU Berlin schreien Hunderte Aktivist*innen “Free Free Palestine” und ein antisemitischer Einpeitscher schreit “From the River to the Sea” und die judenfeindliche Masse ergänzt: “Free Free Palestine“. Das ist ein Mordaufruf. Damit werden Jüdinnen und Juden mit Mord bedroht. Denn am 7. Oktober 2023 zeigten die Palästinenser wie ein Land “from the river to the sea” aussieht: blutverschmierte Hosen von vergewaltigten Frauen, verkohlte Leichen von lebendig verbrannten Jüdinnen und Juden, Kinder mit abgetrennten Händen, Babies ohne Kopf, Hunderte hingemetzelte Musikfans auf einem Rave, entführte Holocaustüberlebende, ermordete Holocaustüberlebende, zu Tode geschleifte Juden und auf Wägen zur Schau gestellte massakrierte Jüdinnen wie die israelisch-deutsche Shani Louk.

Und dann kommt die Wochenzeitung DIE ZEIT daher und schreibt in einer Nüchternheit, in der nur links-liberale Ach-so-Gutmenschen schreiben können, ohne vor Schamesröte im Boden zu versinken:

Beim Slogan “From the river to the sea” zum Beispiel ist die Sache schon weniger eindeutig. Staatsanwaltschaften kümmern sich darum zwar wegen eines Anfangsverdachts auf Volksverhetzung. Aber sie klagen nur an und entscheiden nicht über die Auslegung des Rechts in Deutschland. Das tun Gerichte. Und die haben mittlerweile in mehreren Fällen entschieden, dass der Slogan gerade nicht strafbar ist.

Da lacht die Hamas. Und da lachen die Antisemiten aller Geschlechter mit und ohne FFP2-Maske an der FU Berlin. Selten wurde seit 1945 der Antisemitismus so klein geredet und Aufrufe zum Genozid schlichtweg ignoriert.

Bei einem ‘Protest’ vor der Mensa der FU Berlin zeigten Aktivisten ein Dreieck, das von der Hamas als Symbol für Ziele, die man angreifen soll, verwendet wird.

DIE ZEIT verteidigt Leerkörper ohne “h”, die an der FU Berlin indoktrinieren und die keinerlei Problem mit dem Judenhass der Studierenden haben, ja sie aktiv unterstützen und Polizeieinsätze gegen diesen neuen Antisemitismus attackieren. In einem Offenen Brief schreiben diese Israelfeinde (m/w/d) (“Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“):

Es ist keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet ist. Umgekehrt gehört es unseres Erachtens zu den Pflichten der Universitätsleitung, solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben.

Damit meinen sie also auch antisemitische Parolen wie “from the river to the sea”. Auch da lacht die Hamas.

Was wäre, wenn die die Identitäre Bewegung Uniräume besetzt hätte und Loblieder auf die Wehrmacht gesungen hätte? Na? Da hätten sie geklatscht, wenn die Polizei die weggeräumt hätte. Die Identitäre Bewegung ist auch eine Gefahr wie alle Formen der Neuen Rechten und des Rechtsextremismus. Aber sie sind ein kleines Problem verglichen mit der riesigen Mengen an jungen und nicht so jungen Leuten, die die Hamas lieben, verharmlosen oder feiern. Denn die größte aktuelle judenfeindliche Bewegung ist die Hamas und somit das islam-faschistische Regime in Teheran.

Israel führt einen Abwehrkrieg gegen die Hamas und die Palästinenser. Da der Hamas die Zivilbevölkerung im Gazastreifen vollkommen egal ist, versteckt sie ihre Waffen in Moscheen, Kindergärten, Krankenhäusern. Wenn es dann zu Kollateraltoten kommt, wird nicht die Hamas in Haftung genommen, sondern Israel, jetzt auch von US-Präsident Joe Biden. Biden weiß es eigentlich besser, aber die enorm aggressiven antizionistischen Teile seiner eigenen Demokratischen Partei und deren Wähler*innenbasis drängen ihn zu seiner de facto anti-israelischen Politik. Biden macht an wirklich allervordersten Front mit bei der Täter-Opfer Umkehr. Dabei hatte er selbst noch wenige Tage zuvor am Holocaustgedenktag – Yom Hashoa – auf einer Veranstaltung in den USA gesagt, dass die Welt das unfassbare Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober 2023 schon wieder vergessen habe. Hat er es nicht auch fast vergessen? Das Bittere ist, er hat es nicht vergessen, aber er ist ein ganz normaler Politiker und da zählen Werte nun mal gar nicht, sondern nur und logisch nur und nichts anderes als die Macht und die Stimmen der auch allerekligsten Wählerinnen und Wähler wie in Michigan.

Jetzt liegt es an der 20-jährien Eden Golan, das ganze jüdische Volk zu verteidigen auf dem Eurovision Song Contest (ESC) in der aktuell wohl antisemitischsten Stadt Europas, dem schwedischen Malmö und seinen Zehntausenden hardcore islamistischen Muslimen und der säkular-antizionistischen Greta Thunberg:

Die ganze Erbärmlichkeit und der ganze Hass der woken und Klima-Bewegung zeigt sich in diesem Bild von Greta Thunberg mit antizionistischen, islamistischen und die Hamas tätschelnden, verharmlosenden oder aktiv unterstützenden Aktivist*innen in Malmö. Wer hier und heute gegen Israel und nicht gegen die auf den Genozid an allen Juden gerichtete Hamas demonstriert, hat keinerlei moralischen Kompass mehr.

Doch mit diesem Realitätsverlust und diesem Verlust eines moralischen Kompass’ ist Greta Thunberg nicht alleine. Fast alle im Mainstream sind auf ihrer Seite.

Nicht nur den Ausrichtern des ESC, die zwar perfide Änderungen am Beitrag Israels einforderten, sondern allen Musikfans und Zuhörer*innen ist klar, was Eden Golan mit ihrem beeindruckenden und unfassbar starken Song “Hurricane” meint:

Writer of my symphony
Play with me
Look into my eyes and see
People walk away but never say goodbye

Someone stole the moon tonight
Took my light
Everything is black and white
Who’s the fool who told you boys don’t cry

Hours and hours, empowers
Life is no game but it’s ours
While, the time goes wild

Everyday I’m losing my mind
Holding on in this mysterious ride
Dancing in the storm
I got nothing to hide
Take it all and leave the world behind
Baby promise me you’ll hold me again
I’m still broken from this hurricane
This hurricane

Living in a fantasy, ecstasy
Everything is meant to be
We shall pass but love will never die

Hours and hours, empowers
Life is no game but it’s ours
While, the time goes wild

Everyday I’m losing my mind
Holding on in this mysterious ride
Dancing in the storm
I got nothing to hide
Take it all and leave the world behind
Baby promise me you’ll hold me again
I’m still broken from this hurricane
This hurricane

Lo tzarich milim gdolot
(Don’t need big words)
Rak tfilot
(Just prayers)
Afilu eem kashe lirrot
(Even if it’s hard to see)
Tamid ata masheer li or echad katan
(You always leave one single light)

Text: Avi Ohayon, Keren Peles
Komposition: Avi Ohayon, Keren Peles, Stav Beger

Gestern gewann Eden Golan im Halbfinale einen Platz im Finale, das am Samstag Abend stattfinden wird.

Wieder werden Tausende oder wie gestern 12.000 antisemitische Schwed*innen gegen den Auftritt hetzen, Malmö ist eine antijüdische Hölle.

Wir Zionisten (m/w/d) wollen keine Bomben auf Gaza, wir wollen die bedingungslose Kapitulation der Islamfaschisten der Hamas.

Im Gegensatz zu den Islamfaschisten und Palästinensern feiern wir Zionisten nicht tote palästinensische Zivilist*innen, wir verteilen keine Süßigkeiten, wenn aufgrund der Perfidie der Hamas ein Wohnhaus getroffen wird, das nicht nur Hamas-Terroristen und Waffen, sondern auch Dutzende Zivilist*innen beherbergte.

Legte die Hamas ihre Waffen nieder, und der Islamische Jihad, die Hizballah und der Iran ebenso, wäre Frieden in Nahost. Punkt.

Und die Leerkörper und ihr Mob in Berlin sowie wiederum nahezu die gesamte Presse agitieren auf die eine oder andere Weise, ruhig, nüchtern oder vulgär und aggressiv gegen den jüdischen Staat und den Überlebenskampf Israels gegen die Hamas und den Iran. Nicht einer (m/w/d) von denen hat aus dem Holocaust gelernt. Nicht einer.

(P.S.: Es gibt auch einen weiteren Offenen Brief, der sich gegen Antisemitismus an der FU wendet und dieser Brief wurde bislang von über 300 Professorinnen und Professoren sowie weiteren Dozent*innen unterzeichnet).

Wieder sind die Juden ganz allein. Und gerade jene, die immer so dermaßen ergriffen in die KZ-Gedenkstätten pilgern haben nichts gelernt, die eine Ausnahme, die es immer gibt, bestätigt die Regel.

Die Ignoranz gegenüber dem jüdischen Leben hier und heute ist exakt – exakt – die gleiche Ignoranz jener Deutschen, die nicht mal NSDAP-Mitglieder oder BDM-Führer waren, aber nichts taten, um die jüdische Nachbarin oder den jüdischen Nachbar zu retten oder wenigstens den lokalen Blockwart auszuschalten.

Diese 20-jährige jüdische Frau, diese Israelin hat mehr kapiert als nahezu alle deutschen Forscher*innen, die in Berlin unterrichten oder an der Columbia University oder in YALE oder in Harvard oder der Humboldt Universität.

Eden Golan ist wie (fast) alle jüdischen Israelis seit dem 7. Oktober fassungslos. Für sie ist noch jeden Tag 7. Oktober.

Sie singt ihre unsagbare Trauer und Wut hinaus in diese abgrundtief elende Welt, wo die Hamas gefeiert wird für das schrecklichste Massaker an Juden seit der Shoah.

Eden Golan ist die Heldin unserer Zeit.

Am Samstag Abend werden Hunderte Millionen Menschen den Auftritt von Eden Golan und von Israel live im Fernsehen sehen. Und das kann die antizionistische Grundstimmung der akademischen und kulturellen Eliten sowie von deren Mob auf den Straßen schon etwas erschüttern, weil so eine Öffentlichkeit kriegen sie nicht. Ob es wirklich was ändern wird, wird sich on the long run zeigen. Wir Zionisten sind Träumer, wie Herzl. Aber auch Realisten wie die IDF.

Jedenfalls wird dieser Auftritt von Eden Golan am Samstag auf dem ESC in Malmö in Schweden eine der bedeutendsten zionistischen Aktionen weltweit seit Gründung des Staates Israel sein.

Am Israel Chai.

 

Update, 12. Mai 2024, 22:33 Uhr:

Eden Golan wurde gestern Abend Fünfte (von 25 Teilnehmer*innen) auf dem ESC in Malmö und hat einen unglaublich starken Beitrag geleistet, für den Zionismus gesungen, für die Geiseln der Hamas und für Israel. Während der unerträgliche Moderator der ARD nichts Negatives über die Hamas sagte, aber Israel attackierte und neutral die jihadistischen und antisemitischen Demonstrationen in Malmö erwähnte, wählten die Menschen aus Deutschland, die den ESC anschauten, Eden Golan und gaben ihr die Maximalpunktzahl durch Telefonanrufe. Das zeigt wiederum, dass die kulturelle Elite oder ARD-Moderator*innen teils unendlich weit weg sind von dem, was die Menschen selbst empfinden und denken. Einer der besten Kommentare gegen diesen antisemitischen ESC kommt von der BILD-Zeitung.

Dem Berliner Tagesspiegel sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster:

Allerdings waren nicht nur die vielen anti-israelischen und anti-jüdischen Proteste auffällig, viel Kritik gab es auch am deutschen Fernsehmoderator, der Israel auf eine Stufe mit Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine stellte.
Da sieht man, wie weit verbreitet diese Meinung ist. Aber von einem Moderator des Öffentlich-Rechtlichen hätte ich erwartet, dass er das nicht so stehen lässt. Ich sage nicht, dass Israel alles richtig macht, ich bin auch kein Militärexperte, aber man kann bei der Bewertung dessen, was gerade in Gaza geschieht, den 7. Oktober nicht ausklammern. Und erst recht sollte ein Moderator der ARD das nicht tun. Da erwarte ich von den Öffentlich-Rechtlichen mehr Klarheit. Denn es war doch klar, dass dieses Thema zur Sprache kommen würde, wenn Israel auftritt, und da hätte er sich besser vorbereiteten müssen.

Das ist natürlich eine sehr freundliche Umschreibung für den Antizionismus dieses ARD-Mannes, der ganz exakt so dumm daherredete, wie er redete und mit keinem Wort auf die Geiseln der Hamas einging oder auf das genozidale Massaker vom 7. Oktober 2023, ohne das es diesen Song von Eden Golan ja gar nicht geben würde.

Update, 12. Mai 2024, 22:41 Uhr:

Die Jerusalem Post sieht das ganz ähnlich und betont, wie ungemein wichtig es für die Israelis gestern Abend war, dass so viele Menschen in Europa für den israelischen Beitrag votierten. Wenn wir die 50 Prozent, die die Stimmen der Jury ausmachten, weglassen würden, wäre Israel auf Platz zwei gelandet. Und das zeigt, dass sehr viele Menschen nicht nur diesen Song sehr gut finden, sondern auch sehr wohl wissen, worum es hier geht: um Israel und den Überlebenskampf des jüdischen Volkes gegen die Hamas und den Antizionismus. Die elenden Greta Thunbergs und die Tausenden Islamisten kommen mit ihren Visagen und Flaggen und Tüchern auf die Titelseiten der Zeitungen und Nachrichtensendungen, aber Zehntausende von Menschen, die Pro-Israel sind, haben eben telefoniert oder SMS geschrieben.

Update, 13. Mai 2024, 9:03 Uhr:

Sehr treffend schreibt Jan Feddersen in der taz:

Der Wiener Schriftsteller Doron Rabinovici bemerkte während der ESC-Übertragung auf X/Twitter, es sei zum Verzweifeln, dass die Protestierenden nur Ausgrenzung zu fordern wüssten. Warum würde kein hamasloses Palästina gefordert, mit einem öffentlich-rechtlichen Sender, der selbst am ESC teilnimmt – ganz ohne Hass, einfach darauf setzend, mit guter Musik um Sympathien zu werben? Das ist eine gute und wichtige Frage.

Was er natürlich nicht schreibt: es ist auch die taz, die sich heute auf ihrer Startseite, wo der Text von Feddersen viel weiter unten zu finden ist, völlig kritiklos den deutsch-palästinensischen Agitator*innen anschließt und ihnen ein Podium gibt, dort ist kein kritisches Wort zur Hamas oder zum mehrheitlichen palästinensischen Judenhass zu lesen, dafür pure Pro-Palästina-Propaganda mit Leuten, die für antisemitischen Demos wie in Berlin oder das Verkaufen von Palästinensertüchern wie -fahnen, mit verantwortlich sind. In Israel gibt es keine Jubelfeiern, wenn Zivilist*innen im Krieg im Gaza sterben. In Gaza oder von manchen oder vielen Berliner Palästinenser*innen werden Süßigkeiten verteilt und sonstwie gejubelt, wenn jüdische Frauen vergewaltigt und zu Tode massakriert werden. Dass der Krieg heute zu Ende wäre, wenn die Hamas sich ergeben würde, das steht da natürlich nicht. Die taz liebt es, beide Seiten zu bedienen, die Israelfreunde und die Israelfeinde. Trottel nennen das “Meinungsvielfalt”, Kritiker*innen nennen es Heuchelei oder Alibi-Texte gegen Antisemitismus.

Traumatischer Stillstand – in Israel ist immer noch der 7. Oktober: Ein Vortrag in München vom Israeli Oliver Vrankovic

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Letzten Donnerstag hielt der israelische Publizist und politische Aktivist Oliver Vrankovic, der wie ich rein zufällig aus Esslingen am Neckar kommt, einen Vortrag in München beim Linken Bündnis gegen Antisemitismus München.

In seinem 85-minütigen Vortrag geht Oliver auf die aktuelle Situation in Israel ein. Er ist 44 Jahre alt, arbeitet als Rezeptionist in einem Altersheim im Süden Israels und wohnt seit 17 Jahren in Israel, er ist Israeli geworden.

Das ist sicher einer der besten Vorträge, die man über das heutige Israel in deutscher Sprache hören kann.

Hier spricht ein Linkszionist über die größte Katastrophe im Judenstaat seit 1948.

Bis zum 6. Oktober war Oliver, wie er betont, scharf im Gegensatz zur rechtsextremen Regierung Netanyahu und der geplanten “Justizreform”. Am Ende betont er dann, wie unglaublich absurd es ist, wie Bibi agiert und viele sehr wichtige Entscheidungen einfach nicht trifft, wie es in Gaza jetzt weitergehen soll, wer in Israel die Verantwortung für das unfassbare Versagen am 7.10 übernimmt und so weiter.

Am 7. Oktober waren viele der führenden Wortführer der Anti-Regierungs-Proteste an allervorderster Front mit dabei, mit der Waffe in der Hand oder mit Autos und Bussen – es war Schabbat und die Regierung hat viel zu spät gemerkt, dass jetzt Züge und Bussen fahren müssen, um Soldaten in den Süden zu transportieren und Menschen zu retten – Menschen vor den heranstürmenden Muslim-Faschisten aus Gaza zu beschützen, zu retten und gegen die Hamas und die anderen Terroristen zu kämpfen.

Oliver geht auf die Linkszionist*innen im Süden ein, die jahrzehntelang den Palästinenser*innen Mut zusprachen und Unterstützung boten, ja künstlerische Mosaike kreierten auf ihren Anwesen, die auf Hebräisch Schalom und auf Arabisch Salam (Frieden) schrieben und ganz konkret den Menschen im Gazastreifen bei der Arbeit, bei Besuchen in Krankenhäusern und so weiter geholfen haben.

Und diese Menschen aus Gaza haben sich als Bestien erwiesen, diese Palästinenser haben sich als Mörder, Vergewaltiger und als “Zivilisten” geoutet, die zu Tausenden beim Abschlachten, Vergewaltigen, lebendig Verbrennen der Juden und Jüdinnen geholfen, gejauchzt, gelacht und gekichert sowie geplündert haben.

Palästinensische Kinder fuhren dann das Fahrrad der jüdisch-israelischen kids, die entweder fliehen konnten, oder aber ermordet worden waren.

All das berichtet Oliver Vrankovic aus einer ungemein authentischen Perspektive, er hat es selbst alles erlebt, er war am 7. Oktober 2023 in Israel und konnte nicht fassen, was passiert.

Ohne eine “Denazifizierung” der Palästinenser wird es niemals Frieden geben, das betont er völlig zurecht. Und Oliver betont auch, dass es in israelischen Schulbüchern eben keine Aufrufe zur Entmenschlichung oder Dämonisierung von Arabern und Palästinensern gibt, das weiß er von den Schulbüchern seiner 12-jährigen Tochter.

Doch in Gaza gibt es einen unfassbaren Antisemitismus, gerade auch in Schulbüchern, die IDF haben viele Beweise dafür aus dem Gazastreifen gefunden und gesichert, vieles war ja auch schon zuvor bekannt.

Einzig seine Kritik an der anfänglichen Zurückhaltung Israels bei der Unterstützung der Ukraine ist nicht überzeugend, auch wenn selbstredend die Achse Teheran-Moskau gekappt gehört. Aber gerade der ehemalige israelische Ministerpräsident Naftali Bennett war es doch, der in höchster Not sogar seinen Schabbat nicht einhielt und mit dem Flugzeug nach Moskau flog im Frühjahr 2022, um mit Putin über einen Waffenstillstand oder gar Frieden zu verhandeln.

Erst vor wenigen Tagen publizierte die renommierte Zeitschrift Foreign Affairs einen ausführlichen Artikel, der auch entgegen der Intention der beiden Autoren (!) belegt, dass im März 2022 (!) eine Lösung des Konflikts möglich war. Die Ukraine hätte Sicherheitsgarantien von mehreren Ländern, darunter die USA, Israel, Deutschland, bekommen, aber vertraglich erklärt, niemals ein Staat mit Atomwaffen zu werden und nicht in die NATO, allerdings durchaus in die EU aufgenommen zu werden, was Putin noch Jahre zuvor strikt abgelehnt hatte. Jetzt hätte er es so unterschrieben, so Foreign Affairs. Aber insbesondere der Fanatismus von Boris Johnson aus England verhinderte eine Friedenslösung, seitdem gilt die Direktive “Sieg für die Ukraine und Niederlage für Russland”. Johnsons und des Westens, auch Deutschlands Verweigerung diesem Kompromiss zuzustimmen, kostete über Hunderttausend Menschen das Leben, in der Ukraine und auf Seiten der russischen Armee.

Es ging darum,  dass Selenskyi und die Ukraine offenbar sehr wohl einverstanden gewesen wären, Russland zu versichern, nicht in die NATO aufgenommen werden zu wollen und ggf. territoriale Unabhängigkeit für sehr stark von pro-russischen Menschen bewohnte Teile im Süden der Ukraine wie den Regionen Donezk und Luhansk sowie der Krim zu machen, wenn sich Russland militärisch aus allen seit dem 24. Februar 2022 eroberten Gebieten zurückziehen würde.

Das Schrecklich ist, dass es nun, mehr als zwei Jahre später, genau darauf hinauslaufen wird, allerdings mit der wahnsinnigen Idee, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, aber die genannten Gebiete und noch mehr wird die Ukraine verlieren – mit mehreren Hunderttausend Toten auf beiden Seiten. Das alles wischt Oliver etwas zu forsch vom Tisch, was angesichts der äußerst gefährlichen Kooperation vom autokratischen Regime in Moskau mit den Muslim-Faschisten aus Teheran auch verständlich ist. Aber eine Denazifizierung der Ukraine wie der Asow-Brigaden ist eben auch mehr als angesagt, ein Land mithin, dessen Mainstream antisemitisch ist, was sich in Fußballstadien zeigt, die nach Holocausttätern oder Nazi-Kollaborateuren in den letzten Jahrzehnten benannt wurden, was vor 2022 auch international als skandalös betrachtet wurde und seitdem aber mit Dutzenden Milliarden goutiert wird.

Diese Bemerkungen zu Russland kommen zwar erst gegen Ende des so eminent wichtigen Vortrags von Oliver, aber sie sind leider zu wichtig, als sie ignorieren zu können. Gerade in der Pro-Israel-Szene ist der teils regelrechte Hass auf Russland zu weit verbreitet und hat mit einer soliden Kritik an der Achse Moskau-Teheran nichts zu tun.

Man kann Anti-Putin, antifaschistisch und Pro-Frieden sein, gegen Waffen für die Ukraine und für Diplomatie. Das war auch der Ansatz des Israeli Naftali Bennett, der sicher kein Freund der Achse Moskau-Teheran ist, aber der realistisch (!) sah, was politisch auf dem Spiel steht und dafür sogar – was sehr außergewöhnlich war für einen religiösen Juden wie Bennett – seine Schabbatruhe brach. Doch leider ist gerade in der Pro-Israel Szene die Ignoranz gegenüber Naftali Bennetts diplomatischen Aktivitäten und die Vorliebe für eine bedingungslose Unterstützung des Regimes in Kiew vorherrschend.

Seit wann ist es weniger antisemitisch, Straßen nach Holocausttätern und Nazi-Kollaborateuren zu benennen (Ukraine), als mit einem Holocaust leugnenden Staat zu kooperieren (Moskau-Iran)? Beides sollte man als Intellektueller und zumal als Linker kritisieren. Doch in Deutschland, dem Westen und der Pro-Israel Szene wird wie ein Mantra die Solidarität mit der Ukraine beschworen, dabei sind Waffen für die Ukraine nicht solidarisch, sondern selbstmörderisch, Russland ist immer stärker, wer das nicht verstanden hat, hat ganz wenig verstanden von Krieg, Militär und dem Atomzeitalter. Doch der anti-diplomatische Reflex ist extrem weit verbreitet, wenn es um die Ukraine geht.

Das muss sich ändern, doch ich sehe da wenig Potential, da selbst seriöse Publikationen wie Foreign Affairs ja meist ignoriert werden und selbst die israelische Initiative von Bennett nie wirklich diskutiert wurde, auch nicht unter Pro-Israelis. Als ob Bennett ein Kumpel mit Antisemiten wäre, weil die mit dem Iran kooperieren wie Russland. Das ist ja lachhaft und grotesk. Doch die weltweite Isolation Russlands trägt dazu bei, dass sich Russland richtig üble Parnter sucht, auch militärisch. Was wäre passiert, wenn der arrogante Bill Clinton Putin nicht ausgelacht hätte, vor über 20 Jahren, als dieser fragte, ob nicht auch Russland in die NATO aufgenommen werden könnte?

***

Der Kern aber des Vortrags von Oliver Vrankovic ist die Kritik am palästinensischen Antisemitismus. Ohne dessen Ende wird es niemals eine Zweistaatenlösung geben. Er selbst war wie Millionen von Israelis von der Option einer Zweistaatenlösung bis zum 6. Oktober 2023 überzeugt. Doch das war eine katastrophale Fehleinschätzung.

Also: schaut euch diesen Vortrag an, hört ihn auch an, um zu merken, dass in Israel bis heute der 7. Oktober 2023 alles bestimmt, die Uhr drehte sich nicht weiter. Das zentrale Versprechen Israels, ein sicherer Hafen für alle Juden zu sein, wurde dementiert. Und doch betont Oliver, dass er weiß, dass für seine Tochter Israel der sicherste Ort der Welt ist, wenn er sich anschaut, was in Schulen in Deutschland so abgeht an Judenhass …

Hier ist das Video:

Ich weißt nicht, ob Paulaner Spezi offizieller Sponsor des Münchener Vortrags war, vermutlich eher nicht. Gleichwohl stand eine Flasche Paulaner Spezi womöglich eher zufällig prominent während des gesamten Vortrags vor Oliver, was den kultischen Status von Spezi, wenn es um Zionismus und Kritik an allen Formen des Antisemitismus geht, sicher noch steigern dürfte.

Diesen 85-Minuten-Vortrag sollte man wirklich gehört haben, wenn man sich weiterhin zu Israel äußern möchte.

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