Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Antisemitismus Seite 7 von 14

Hat 2006 eine 15-jährige Schülerin aus Albuquerque mit einem Computermodell den Lockdown erfunden?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 30. April 2021

Ich hatte ja vor einiger Zeit (am 22.4.21) erwähnt, dass es alsbald um den möglichen Ursprung des Lockdowns gehen werde:

In Schweden starb nicht ein einziges Schulkind an Corona und nicht eine Lehrerin und nicht ein Lehrer. Wir wissen, wie ungefährlich Corona speziell in Schulen ist. Wir werden darauf zurückkommen, was den möglichen oder einen Ursprung des Lockdown-Paradigmas betrifft, alsbald…*

Im Kontext meiner politikwissenschaftlichen Forschung zu Antisemitismus kam ich ab 2009 erstmals in Kontakt mit der Stadt Albuquerque in New Mexico im Südwesten der USA. Einer der beiden Gründer und Herausgeber des Journal for the Study of Antisemitism (JSA) kam von dort. Mein erster Artikel in JSA („Antisemitism as a specific phenomenon“, online hier und hier) sorgte für etwas Wirbel.

Albuquerque liegt auf 1600 Metern Höhe, ob das zu geistigen Höhenflügen oder zu Panik ob der dünner werden Luft führen kann, sei dahingestellt. Was im Mai 2020 zumindest in den USA bekannt wurde, ist so haarsträubend wie die gesamte Coronapolitik- und Demokratiekrise, in der wir seit März 2020 leben. Warum?

Hat 2006 eine 15-jährige Schülerin und Tochter eines Modellierers aus Albuquerque den Lockdown erfunden? Das ist die These der New York Times, des Albuquerque Journals und des American Institute for Economic Research (AIER), das die Story kritisch aufbereitete. Demnach hatte 2006 die damals 15-jährige Gymnasiastin Laura Glass von der Albuquerque High sophomore die erste Idee zum Lockdown, namentlich zum Schließen von Schulen.

Auf der 1950 gegründeten International Science and Engineering Fair, die 2006 in Indianapolis (Indiana) stattfand, kam Glass für ihr Computermodell in einem der Wettbewerbe auf den dritten Platz. Diese Messe war von 1997 bis 2019 vom Computer-Chiphersteller Intel gesponsort worden, passenderweise übernahm diese Sponsorschaft 2020 der Pharma-Riese Regeneron, daher heißt die Messe jetzt Regeneron International Science and Engineering Fair (ISEF).

Das Albuquerque Journal berichtete am 9. Mai 2006 von der laufenden Messe und stellte das Projekt von Laura Glass vor: Sie hat ein Computermodell entwickelt, das auf Modellen und Arbeiten am PC ihres Vaters basiert, eine Stadt mit 10.000 Einwohnern. Wenn nun eine gefährliche Infektionskrankheit wie die Spanische Grippe von 1918 wüten würde, so könnten nach diesem Modell durch das Schließen der Schulen die infizierten Menschen von 5000 (von 10.000) auf 500 reduziert werden. Es ist ein Computermodell und hat nicht den Hauch von einem Realitätsbezug. Das Albuquerque Journal schreibt am 2. Mai 2020:

Based on that finding, her program showed that in a hypothetical town of 10,000 people, 5,000 would be infected during a pandemic if no measures were taken, but only 500 would be infected if the schools were closed.

Es ist exakt so ein Modell, wie es letztes Jahr in Deutschland oder England promotet wurde – berüchtigtster Vordenker: Neil Ferguson vom Imperial College, der mit allen Vorhersagen daneben lag.

Was Laura Glass, eine 15-jährige Schülerin, nicht beachtete und was Ferguson oder die unwisenschaftlichen, nicht interdisziplinären Regierungsunterstützer vom RKI und allen anderen involvierten Modellrechner*innen seither nicht in den Blick nehmen: Es muss um die Public Health gehen, um alle Menschen im jeweiligen Land, ja weltweit.

Es muss um ein Abwägen der Schäden und des theoretischen Nutzens gehen, die ein Lockdown haben könnte. Wer könnte krank werden aufgrund des Lockdowns, kein Essen mehr finden (Indien, Sri Lanka, viele andere asiatische Länder, Slums in Südamerika, weite Teile Afrikas etc.) oder aber gerade erst durch den Lockdown krank werden, da man zu Hause eingesperrt ist? Wer wird durch den Lockdown hierzulande erst psychisch krank und völlig verzweifelt? Sind das keine Erkrankungen, die tödlich enden können? Ist das Leben von 37-jährigen Theaterschauspieler*innen weniger wert als das Leben von 91-jährigen Menschen, die durch die von der Bundesregierung und den Landesregierungen mit brutaler Härte bis heute durchgesetzte Isolation mindestens so gefährdet sind wie durch Corona? Sind Polio, Cholera oder Tuberkulose und Durchfallerkrankungen das gleiche wie SARS-CoV-2?

All diese Fragen, die sich kritische Wissenschaftler*innen stellen, wurden von der 15-jährigen Schülerin nicht gestellt. Sie schlug das Schließen aller Schulen vor und gewann den dritten Preis und wird in der Ahnengalerie der Lockdown-Verrückten womöglich auf Platz 1 landen, das werden Historiker*innen in vielen Jahren eruieren.

Dass die jüngste Kongress-Abgeordnete in den USA, Alexandra Ocasio-Cortez (AOC), die sich für Boykottbewegungen (damit war von der Petitionsinitiatorin Omar Ilhan eindeutig auch die BDS-Bewegung gemeint), gegen die amerikanische Militärhilfe für Israel ausspricht und somit immerhin indirekt im weltweiten BDS-Netzwerk aktiv ist, sollte sich die Politik Israels gegen die Palästinenser nicht ändern, und gegen die Kritik an der antisemitischen BDS-Bewegung ausspricht, 2007 im Bereich Mikrobiologie auch bei der International Science and Engineering Fair aktiv war, sei nur am Rande erwähnt, das tut hier nichts zur Sache.

Die Zeitschrift Emerging Efectious Diseases der Centers for Centers for Disease Control and Prevention (CDC) publizierte im November 2006 einen Artikel von Laura Glass, ihrem Vater Robert J. Glass von den Sandia National Laboratories, Walter E. Beyeler und H. Jason Min. Damit war die Schülerin Stichwortgeberin im Mainstream der USA: Dem CDC (Äquivalent zum RKI).

Sie bedanken sich für Tipps und Diskussionen über ihr Computermodell zur Eindämmung von Infektionen unter anderen bei niemand anderem als bei Prof. Neil Ferguson aus Großbritannien sowie bei den beiden Bush-Leuten Hatchett und Mecher, die wir gleich kennenlernen werden („We thank Louise Maffitt, Paul Kaplan, Nancy Brodsky, Theresa Brown, George Barr, Richard Hatchett, Carter Mecher, and Neil Ferguson for discussions and suggestions“).

Über die völlig falschen Modellrechnungen zur Corona-Zeit von Ferguson hat unter anderem wiederum das American Institute for Economic Research (AIER) berichtet.

Ebenfalls 2006 trafen sich also in einem Burger-Imbiss in Washington, D.C., zwei Forscher, die im Auftrag von George W. Bush, der sich 2005 nach der Lektüre eines Buches über die Spanische Grippe von 1918 und aufgrund von 9/11 mit der Gefahr von Bioterrorismus beschäftigte, nach möglichen Lösungen für ein solches Szenario suchten: Richard Hatchett und Carter Mecher.

Sie schlugen „social distancing“ als nicht-pharmakologische Intervention vor und können als Vordenker der Lockdown-Ideologie betrachtet werden.

Ein früher Kritiker jedoch war ein echter medizinischer und epidemiologischer Experte: Donald Ainslie Henderson von der Bloomeberg School of Public Health der Johns Hopkins University.

Henderson wird gemeinhin als der entscheidende Forscher angesehen, der half, die wirklich gefährliche Infektionskrankheit Pocken auszurotten. Er war umgehend von den Ideen von Hatchett und Mecher schockiert und kritisierte die Social-Distancing- und Lockdown-Ideologie. Das American Institute for Economic Research (AIER) hat Henderson gewürdigt und seinen zentralen Text zur Kritik an Lockdowns und zur Verteidiung liberal-demokratischer Maßnahmen im Falle einer Epidemie oder Pandemie wieder publiziert.

Die New York Times berichtete am 22. April 2020:

After decades of advances by the nation’s pharmaceutical companies — finding treatments or vaccines for major illnesses, including H.I.V. and smallpox — Americans by the early 21st century had a built-in expectation that no matter what the ailment, there must be some kind of available fix. Locking your family inside your home seemed backward, and encouraging people not to go to work economically disastrous.

The idea of forcibly limiting public assembly or movement had also long been seen as legally and ethically questionable.

So the considerable skepticism among local officials, public health experts and policymakers in Washington was not surprising.

One particularly vociferous critic was Dr. D.A. Henderson, who had been the leader of the international effort to eradicate smallpox and had been named by Mr. Bush to help oversee the nation’s biodefense efforts after the 2001 terrorist attacks.

Dr. Henderson was convinced that it made no sense to force schools to close or public gatherings to stop. Teenagers would escape their homes to hang out at the mall. School lunch programs would close, and impoverished children would not have enough to eat. Hospital staffs would have a hard time going to work if their children were at home.

The measures embraced by Drs. Mecher and Hatchett would “result in significant disruption of the social functioning of communities and result in possibly serious economic problems,” Dr. Henderson wrote in his own academic paper responding to their ideas.

The answer, he insisted, was to tough it out: Let the pandemic spread, treat people who get sick and work quickly to develop a vaccine to prevent it from coming back.

Bekanntlich wurde nicht auf Henderson gehört, sondern auf die Teenagerin Laura Glass, ihren Vater und vor allem auf Neil Ferguson. Die verheerenden Konsequenzen spüren wir tagtäglich.

Dank Schweden wissen wir, dass Schulschließungen außer Panik überhaupt nichts bringen, ja Kinder sollten sich anstecken, da gerade sie niemals an Corona sterben (Schweden beweist es, 1,8 Millionen Kinder unter 19 und nicht ein Toter in 14 Monaten, auch nicht ein toter Lehrkörper). Lockdowns sind sozial und psychisch mörderisch, ja führen perfiderweise zu höheren Ansteckungsraten gerade bei den armen, häufig migrantischen und an den Rand gedrängten Bevölkerungsschichten.

Wir wissen, dass in Schweden die Schulen immer offen waren und dass das Modell von Laura Glass einfach völlig falsch war. Es hat nichts mit der medizinischen Realität zu tun und ignoriert die Gesundheit der ganzen Bevölkerung, ja die Auswirkungen weltweit, die solche Maßnahmen, die ja überall nachgeahmt werden, bewirken.

Der Lockdown ist eine Form des Imperialismus, der Ausbreitung totalitärer, nicht evidenz basierten Politikmuster, wobei China es nicht geschafft hätte, die ganze Welt davon zu überzeugen bzw. zu beeinflussen (gerade Nachbarländer Chinas wie Japan oder Südkorea machten keine Lockdowns), aber nachdem Italien, Europa und die USA mitmachten, wurde social distancing und Lockdown zur neuesten Form des Imperialismus. Es ist eine tpyisch europäische Ironie – die bitterste Pille seit Jahrzehnten -, dass das Lockdown-Modell am Imperial College London weiter entwickelt wurde.

Besonders tödlich wirken Lockdowns und irrationale Maßnahmen in einem Land wie Indien, dem von allen herbeigeschrienen Bergamo Asiens – über Luftverschmutzung, „Sauerstoff-Bars“ in Neu Delhi, die es schon seit 2019 (!) dort gibt, und über den Kampf ums Überleben von Hunderten Millionen Tagelöhner*innen in diesem Land geht es dann wiederum alsbald.

 

* Update 30.04.21: „Out of 1.8 million children in daycare centers and primary schools, ages 1–15, there were zero COVID-19 deaths and eight ICU admissions (incidence 1/230,000) by mid-June when summer vacation started. Since many infected children are asymptomatic/mildly symptomatic and unlikely to be tested, the number of actual infections remains unknown. Therefore, the 468 reported cases (incidence = 1/3900) is an underestimate of true incidence []. Sweden did close high schools and universities. Among older students, there have been zero COVID-19 deaths in the 16–19 age group.“

„Leveraging epidemiological principles to evaluate Sweden’s COVID-19 response“,

 

 

 

Hoch die internationale Solidarität – von antisemitischen Kundgebungen jedoch sollte man nicht auch noch im Livestream berichten

Von Dr. phil. Clemens Heni, 6. April 2021

Es gibt kaum eine Parole, die heute passender wäre als die beliebteste Parole der linxradikalen Szene seit Jahrzehnten:

Hoch die internationale Solidarität!

Gerade angesichts der katastrophalen Konsequenzen der irrationalen Corona-Politik, der „Kollateralschäden“, wie es verwaltungsdeutsch heißt, den schon jetzt Millionen von Toten im Globalen Süden, die nicht allgemein an den Folgen kapitalistischer Weltwirtschaft, sondern ganz spezifisch an den Folgen der westlichen Lockdownpolitik gestorben sind und stündlich sterben, wäre dieser Slogan so wichtig wie schon lange nicht mehr.

Das ist genau das, was die Epidemiologin und Professorin an der Universität Oxford in England Sunetra Gupta seit einem Jahr einfordert: internationale Solidarität. Das wäre ein Public Health-Ansatz, der sich alle Auswirkungen der Politik auf die hiesige wie dortige Bevölkerung vergegenwärtigt.

Gupta und ihre Kollegen Prof. Jay Bhattacharya von der Stanford University sowie Prof. Martin Kulldorff von der Harvard University betonen auch, dass die Coronapolitik der herrschenden kapitalistischen Länder, also vor allem Europas und Amerikas (von Japan, Südkorea und Australien zu schweigen) auch nur die Reichen schützt und die Arbeiterklasse schädigt.

Das zynische Spiel läuft seit März 2020 so ab: Die armen Menschen, die häufig in den Innenstädten leben und die die schlecht bezahlten Jobs haben, als Verkäuferin, Fabrikarbeiter*innen, LKW-Fahrer, Schlachter, Taxifahrer, Pflegekraft, Putzkraft, Haushaltshilfe bei den Alten, Bauarbeiter, Securities bei Atomkraftwerken und Umschaltwerken, Kläranlagenmitarbeiter*innen, Wasserwirtschaftsarbeiter*innen, bei der Müllabfuhr und Kanalreinigung, als Auslieferer, als Busfahrer*innen, die alle jene zur Arbeit bringen, oder als Fahrstuhlreparateure, Klempner und Internettechniker etc., die müssen immer arbeiten – sonst würde selbst bei ZeroCovid-FanatikerInnen das Licht ausgehen -, all diese Menschen müssen also um jeden Preis arbeiten. Sie trugen und tragen die Last, sich mit Corona anzustecken, was mit und ohne Maske exakt genauso oft passiert, wie eine – fast die einzige ihrer Art – Goldstandard-Studie aus Dänemark letzten Sommer gezeigt hat. Die eine Gruppe hatte wochenlang eine Maske auf, die Kontrollgruppe nicht. Am Ende fanden sich fast genauso wenige mit Corona in Berührung gekommene Menschen in beiden Gruppen.

Diese Menschen aus der Arbeiterklasse mussten also arbeiten und steckten sich mehr oder weniger häufig, aber ganz sicher häufiger als die hoch dotierten ARD-Journalist*innen oder Universitätsangestellten und die zynischen Home Office- Protagonist*innen wie Günther Jauch, Tatort-Schauspieler*innen und Musiker wie Udo Lindenberg mit dem Virus SARS-Cov-2 an.

Exakt darauf zielen Gupta, Bhattacharya und Kulldorff mit ihrer Kritik ab: Sie sagen, faktenbasiert, dass es viel solidarischer gewesen wäre und rationaler, wenn die gesamte Gesellschaft offen geblieben wäre, alle Menschen unter 65, also im typischen Alter, wo man zur Arbeit geht, gearbeitet hätten und sehr schnell eine Herdenimmunität sich eingestellt hätte, weil man ja bereits im Frühjahr 2020 wusste, dass weit über 80 Prozent von Corona gar nichts oder kaum etwas merken.

Für kranke und sehr alte Menschen kann Corona gefährlich werden. Und es wäre von Anfang an darum gegangen, diese Menschen gezielt zu schützen – und nicht wegzusperren, wie das bis heute passiert.

In einem aktuellen Artikel betonen Bhattacharya und Kulldorff, dass im Vergleich von Kalifornien mit einer typischen Lockdownpolitik und Florida mit einer Anti-Lockdownpolitik – wo es seit September 2020 sogar keine Maskenpflicht mehr gibt und Restaurants und alle Läden etc. geöffnet sind -, Florida nicht nur weniger Tote insgesamt zu beklagen hat, sondern die Verteilung weniger rassistisch und klassenmäßig zu sein scheint.

Es liegt also wohl nicht an den Genen, dass in Los Angeles viel mehr Hispanics an Corona starben als Weiße, weil in Florida der Unterschied zwischen Weißen, Schwarzen und Hispanics kaum zu erkennen ist. Natürlich muss man sich als Europäer*in an diese Unterscheidung der Menschen etwas irritiert gewöhnen, aber das ist in den USA Usus:

Data from Los Angeles County, where a large fraction of COVID cases in California has happened, put this fact in stark relief. Through March 28, in the wealthiest parts of LA County (those with less than 10 percent of households in poverty), the age-adjusted death rate with COVID-19 was 119 people per 100,000 population. As we look in poorer and poorer areas, the death rate mounts: areas with more than 30 percent of households in poverty have faced a death rate of 394 people per 100,000—a death rate more than three times higher. Hispanics in LA have borne the worst of the pandemic, with a death rate of 338 per 100,000. By contrast, Black, Asian, and White residents have experienced 188, 143, and 119 deaths per 100,000, respectively. The California lockdowns are a form of trickle-down epidemiology. In Florida, by contrast, there is little difference among races in COVID-related death rates throughout the epidemic, with the Black and Hispanic populations dying at lower rates than the White population.

Das große Versagen fast aller „Linken“ in den USA und Europa besteht nun darin, dass sie egoistisch sich um ihre eigene Haut fürchten, aber sowohl die Situation für die Arbeiterklasse hier und jener Milliarden Menschen im Globalen Süden ignorieren. Die Linken haben die internationale Solidarität aufgekündigt. Das ist ein Skandal.

Ein anderer und komplementärer Skandal ist das deutsch-nationale Gerede, das gestern in Berlin auf einer Kundgebung von vor Ressentiment gegen die Coronapolitik triefenden Agitator*innen auf dem Platz des 18. März, direkt hinter dem Brandenburger Tor in Berlin, zu hören war.

Dort sprach unter anderem der Herausgeber des rechtsextremen Compact Magazins Jürgen Elsässer. Er ist ein Hauptvertreter der sog. Querfront, die also rechtsextreme Ideologeme als irgendwie auch links tarnt und beide Richtungen zu verknüpfen sucht. Dazu gehört insbesondere ein antisemitischer Antikapitalismus. In seiner Rede hetzte Elsässer gegen „Bill Gates, George Soros, Klaus Schwab, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg“, die dabei seien, „uns auszubeuten und zu entmenschen“ (!). Die antisemitische Verschwörungsideologie zeigt sich in der dog whistle „George Soros“ und dem Begriff „Geldelite“.

Ein anderer Redner fabulierte in gleicher antisemitischer Diktion davon, dass „dank der Bilderberger“ jetzt „alle Fitnessstudios geschlossen seien“.

Die antisemitische Ideologie der Bilderberger (die Bilderberg-Konferenzen) bezieht sich auf regelmäßige Treffen von einer elitären Gruppe, die zu Treffen von Verschwörern herbei halluziniert werden.

In jedem dieser Verschwörungsideologeme steckt ein antisemitisches Motiv und ein antisemitischer Kern: Eine kleine Elite plant demnach Böses und die Welt wird so beherrscht und gar versucht, die Menschen zu „entmenschen“.

Der gleiche Redner sprach auch davon: „Die schlimmsten Worte in diesem Land seit 2015 sind ‚Wir schaffen das'“ und „Das schlimmste Symbol auf dem Planeten ist Merkels Raute“. Hier sieht man also die Mischung aus antisemitischer Verschwörungsideologie und rassistischem Deutschnationalismus ganz exemplarisch – und diese toxische Mischung steht durchaus für relevante Teile des Milieus, das die Corona-Politik kritisiert, auch wenn die Querdenken-Bewegung sich in Ansätzen, jedenfalls öffentlich, davon abhebt. Doch über die Person Samuel Eckert ist der Querdenken Gründer Michael Ballweg auch mit dem organisierten Rechtsextremismus um Jürgen Elsässer (oder auch dem Verschwörungsideologen Daniel Ganser und anderen 9/11-Leugner*innen) verbunden, wie ich zeigte.

Schließlich sprach dann noch eine offenbar deutsch-griechische Rednerin, die betonte, dass sie „einen Migrationshintergrund“ habe, aber in Deutschland geboren sei: „Ich bin Deutsche und verdammt stolz darauf“. Nun, wer stolz ist, Deutsche zu sein, hat offenbar gar keine positiven Eigenschaften vorzuweisen.

Warum erzähle ich von dieser gestrigen Kundgebung, auf der ich logischerweise gar nicht war (als Antifa)? Weil der Journalist Boris Reitschuster offenbar wegen eines Livestreams oder eines Videos von bzw. über diese Kundgebung jetzt wiederum von Youtube für eine Woche gesperrt wurde.

Er war schon am letzten Wochenende vorübergehend gesperrt worden, wegen eines Videos und Interviews von einer ganz anders gelagerten Anti-Coronapolitik bzw. Pro-Grundrechte Demonstration in Stuttgart am Samstag, 3. April 2021.

Diese Sperrung war in der Tat schwer nachvollziehbar, wobei ohnehin in Frage steht, mit welchem Recht ein privates Unternehmen manche Sachen löscht und andere nicht. Strafrechtlich relevante Inhalte müssen gelöscht werden, das ist klar. Sind Videos, die behaupten, Corona sei eine „Jahrhundertepidemie“ seriös? Sind Videos seriös, die von einer Sterblichkeit von 4,3 Prozent fabulieren? Solche Videos finden Sie aber ohne Ende bei Youtube.

Gab es Holocaustleugnung oder eine Leugnung des Virus an und für sich auf der Demo in Stuttgart oder in Interviews? War das bei den Videos aus Stuttgart der Fall? Offenbar doch nicht, denn der Kanal von Reitschuster (der wohl über 200.000 Abonnenten hat) war am Sonntag wieder online. Wer bei Youtube ändert in so kurzer Zeit seine Meinung? Wäre das bei eindeutig strafrechtlichem Inhalt nachvollziehbar?

Von diesem Kanal berichtet Boris Reitschuster auch regelmäßig von der Bundespressekonferenz in Berlin, wo ja regelmäßig Regierungsvertreter oder Vertreter des Robert Koch-Instituts befragt werden können (und selten inhaltsreich antworten).

Reitschuster bezeichnet die antisemitische Ideologie und den Rechtsextremismus, Rassismus und Deutsch-Nationalismus der Kundgebung am Brandenburger Tor vom 5. April 2021 euphemisierend als „starken Tobak“, betont, dass es schade sei, dass keine großen Medien dort gewesen seien und es deshalb „umso wichtiger“ gewesen sei, „dass jemand hingeht und das Ganze dokumentiert“.

Nein, Boris Reitschuster, das ist es nicht. Es ist nicht wichtig, sich antisemitische und rechtsextreme Ideologeme und Hetze anzuhören. Antisemitismus ist für Juden sehr gefährlich und aus diesen zitierten Worten spricht Antisemitismus. Genau wegen solcher Veranstaltungen gibt es die Antifa, die solche Nazi-Events zu verhindern oder stören versucht. Nicht jeder Antifa ist ein ZeroCovid-Schwachkopf.

Erst heute bekam ich wieder als Teil einer mehr oder weniger willkürlich zusammengesetzten kleinen Mailinggruppe von einem Kriminellen (der auch andere Vertreter der Rechtsextremismusforschung in die Adresszeile kopierte) eine Mail von einem Holocaustleugner und Neonazi, der gegen Juden, das Judentum, Israel und den Zionismus hetzt. Zugleich geht es in dieser Hass-Mail um 2015, Merkel, Einwanderung, eine „deutsche“ 3-Kind-Politik, um den armen „Iran“, der am Pranger der bösen Juden stehe und so weiter und so fort. Die Mail fordert das Einreissen aller Holocaustdenkmäler. Das erinnert an Björn Höcke und die AfD, Höcke ist schon mit Elsässer aufgetreten.

Solche Nazis wie jener Mailschreiber haben linke Coronapolitik-Kritiker wie mich im Visier. Das wundert mich nicht.

Das ist aber exakt so ein Neonazi, der anonym solche Hetze verbreitet, wie sie weniger anonym und in anderer Sprache von manchen Rednern gestern in Berlin am Brandenburger Tor zu hören war. Ich hatte schon mal auf Reitschuster wegen seiner Nähe zu Rednerinnen, die sehr wohl die QAnon-Verschwörungsideologie der pädophilen Hillary Clinton etc. zu vertreten scheinen, hingewiesen.*

So eine Hetze wie gestern in Berlin muss man nicht dokumentieren oder gar live streamen. Nicht zuletzt das Portal Achgut hat mit Reitschuster die Agitation gegen 2015 und das Hereinlassen von Flüchtlingen, die primär aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Irak geflohen waren, gemein.

Schließlich wurde am 5. April in Berlin das gleiche skandiert wie in Stuttgart am 3. April 2021: „Frieden Freiheit keine Diktatur“, was arg inhaltsleere Phrasen sind, was hieß vor März 2020 schon „Freiheit“, was „Frieden“? Und wer so deutschnational, rassistisch und antisemitisch agitiert, hat keinen positiven Begriff von Frieden, Freiheit und ist nicht gegen Totalitarismus – nur halt nicht für den Corona-Totalitarismus, aber dafür z.B. einen 3-Kind-Deutschland-den-Deutschen-Totalitarismus.

Eine seriöse Coronakritik jedoch hat seit 2020 demokratische Kritik, massive Kritik, am nicht evidenzbasierten und nicht demokratisch legitimierten Kurs von Merkel – aber wir linken Kritiker der Coronapolitik haben 2015 ff. Merkel gegen die Nazis in Schutz genommen. Das ist der Unterschied ums Ganze.

Bei aller Kritik an gewissen postkolonialen Tropen, die ich dort schon kritisiert habe, bringt das Blog Corodok die Grundrichtung einer linken Coronapolitik-Kritik auf den kritischen Punkt:

Es wimmelt von Infos und fake news in allen Medien.

Hier finden sich veröffentlichte, aber irgendwie wenig sichtbare Informationen.
Nein, keine in der Art:
Verschwörer in der Wall Street oder im Mossad oder beim Bilderberg hätten ein Virus in die Welt gesetzt, um sich diese untertan zu machen.
Keine rassistischen Dummheiten wie die vom ‚chinesischen Virus‘.
Keine Behauptungen, wir hätten es gerade mit einem simplen Schnupfen zu tun.

Sondern solche, die helfen, einen kritischen Abstand zu regierungsamtlichen Verlautbarungen zu halten.

Denn erinnern wir uns: Es sind die gleichen Experten und Regierenden, die gestern unser Gesundheitssystem planmäßig (nicht etwa nur fahrlässig) ruiniert haben, die uns jetzt vorschreiben, was richtig und was verboten ist. Und Vorsicht: Die Grundhaltung ist links, auch wenn hier merkwürdige Positionen in der Linken befragt werden.

 

 

  • Clemens Heni (2021): Antisemitismus im Zeitalter von Corona (BICSA Working Paper, Januar 2021 – Jubiläum, 10 Jahre BICSA), 31. Januar 2021
    „Die beiden Initiatoren Gunnar Kaiser und Milosz Matuschek haben im September 2020 einen Appell publiziert, der sich gegen die ‚Cancel Culture‘ wendet. Aufhänger war u.a. die Ausladung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhardt von einem Hamburger Kulturfestival. Doch der eigentliche Anlass ist ein typischer neu-rechter Ansatz: Alle sollen zu jedem Thema immer und überall sprechen dürfen. Es dürfe keine Sprechverbote geben. In dem Appell ‚Für freie Debattenräume‘ heißt es: (…)Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören bekannte konservative, rechte, neu-rechte und extreme Rechte, liberale und manche linke Publizist*innen und Aktivist*innen, von Dieter Nuhr (ARD) über Matthias Matussek bis hin zu Rüdiger Safranski sind viele bekannte Namen mit dabei. Matuschek publizierte am 22. Januar 2021 einen Text zu aktuellen Formen des Widerstands gegen die Coronapolitik.So wichtig grundsätzlich der Widerstand gegen diese menschenfeindliche Politik ist, so bezeichnend ist, dass er ein Video des Journalisten Boris Reitschuster vom 18.01.2021 teilt, in dem eine Frau zu sehen ist, die in Bayern (Fürth) eine „Spontandemonstration“ zuerst ganz alleine durchführte und mit einem Megafon sprach. Nach wenigen Minuten kam sie auf die Polizei zu sprechen, die sich doch besser um die vielen ‚Pädophilen‘ kümmern sollte, die frei herumliefen. Das erinnert sehr stark an rechtsextremes Vokabular und an die Verschwörungsideologie der QAnon-Bewegung. Reitschuster selbst hat eine Nähe zu reaktionären und homophoben politischen Kreisen, wie sich anlässlich einer Kundgebung im September 2020 in Berlin zeigte.[152]

 

Offener Brief an das internationale Auschwitz-Komitee: „Danke Kassel“ oder Antisemitismus, Rechtsextremismus und die Coronapolitik gleichermaßen bekämpfen

Von Dr. phil. Clemens Heni, 29. März 2021

Update, 29. März 2021: Unten stehenden Brief schrieb ich vor einer Woche, im Laufe des letzten Montags, dem 22. März 2021, nachdem am frühen Morgen jenes Tages ein mir nicht bekannter Demonstrationsteilnehmer der Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen in Kassel vom Samstag, den 20. März 2021, einen Protestbrief an Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, geschrieben und mich in cc gesetzt hatte.

Es wäre politisch womöglich weitaus wichtiger, wenn sich das Auschwitz Komitee um die Kritik am Antisemitismus kümmern, und nicht die Kritik am Corona-Hygienestaat diffamieren würde. So wäre es vor allem naheliegend, wenn sich das Internationale Auschwitz Komitee, wenn es sich gegen Antisemitismus aussprechen möchte, auch gegen die „Jerusalem Declaration on Antisemitismus“ wenden würde. Diese Erklärung (vermutlich vom März 2021, sie hat kein Datum) von seit vielen Jahren als Förderer des antizionistischen Antisemitismus in Verdacht stehenden Agitator*innen, von Wolfgang Benz und Gudrun Krämer über Stefanie Schüler-Springorum hin zu ein paar frustrierten jüdischen Israelfeinden, schreibt nämlich Folgendes:

It is not antisemitic to support arrangements that accord full equality to all inhabitants ‚between the river and the sea,‘ whether in two states, a binational state, unitary democratic state, federal state, or in whatever form.

Diese Ausdrucksweise „from the river to the sea“ ist ein Schlachtruf der Palästinenser, von der PLO über die PFLP hin zur jihadistischen Hamas. Der CNN-Kommentator und Professor an der Temple University in den USA Marc Lamont Hill verwendete den Slogan in einer Rede vor den Vereinten Nationen (UN) im November 2018. Der ehemalige Botschafter der USA in Israel unter Barack Obama, Dan Shapiro, kritisierte die Äußerung als „antisemitisch“. Während jedoch das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin weiterhin staatliche Gelder bekommt, wurde Lamont Hill für die gleiche antisemitische Äußerung von CNN entlassen.

Neben den Freiheit, Rationalität und Verhältnismäßigkeit versprühenden, sich an der Public Health, der Gesundheit der ganzen Bevölkerung, ja aller Menschen weltweit orientierenden, den lachenden und maskenfreien Staaten Florida, Texas oder South Dakota (verglichen mit den totalitären Monstern Berlin, Baden-Württemberg oder Bayern etc.), ist diese Kritik am Antisemitismus ein weiterer Unterschied zwischen Amerika und Deutschland.

Insofern wäre es naheliegend, wenn sich das Internationale Auschwitz Komitee und namentlich Herr Heubner mit dieser Mainstream-Form von Antisemitismus wie der Jerusalem Declaration on Antisemitismus befassen würde – und nicht mit Demonstrant*innen, die sich gegen die irrationale und totalitäre Coronapolitik von Michael Müller über Angela Merkel, Markus Söder, Winfried Kretschmann, Armin Laschet und alle anderen Verantwortlichen wenden.

Denn diese Demonstrant*innen in Kassel am 20. März 2021 – danke Kassel! – hatten auch mindestens zwei große Israelfahnen bei sich.

Pro-Israel und Anti-Corona-Totalitarismus versus Antisemitismus und ZeroCovid (mindestens ein Mitarbeiter des ZfA unterstützt die totalitäre, unwissenschaftliche und irrationale Kampagne ZeroCovid). Das sei als Update diesem Brief, den ich am 22.03.21 privat an das Auschwitz Komitee, Herr Heubner und an den Demonstrationsteilnehmer aus Kassel schickte, vorangestellt. Während sich der Demonstrationsteilnehmer, den ich hier anonymisiere, bei mir für den Brief bedankte, kam von Herrn Heubner und dem Auschwitz Komitee bis heute keine Antwort.

***

 

Offener Brief an das internationale Auschwitz-Komitee:

Antisemitismus, Rechtsextremismus und die Coronapolitik gleichermaßen bekämpfen

22./29. März 2021

Sehr geehrter Herr Heubner, sehr geehrtes Auschwitz-Komitee,

 

wir haben heute Morgen, Montag, 22. März 2021, beide eine E-Mail erhalten bezüglicher der Anti-Coronapolitik-Demonstration in Kassel am letzten Samstag, den 20. März 2021. Mir ist der Demonstrationsteilnehmer und Verfasser dieser E-Mail nicht bekannt, evtl. kennen Sie ihn ja. Da der Verfasser sich selbst als politisch „links“ stehend bezeichnet („Ich selber bin links, weltoffen und verurteile jede Art von Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung“) und mich in cc gesetzt hat, möchte ich Ihnen beiden kurz antworten.

Die Kritik an Antisemitismus ist von großer Bedeutung. In Zeiten, wo Rechtsextreme Angriffe auf Synagogen verüben wie in Halle, ist die Gefahr akut. In Zeiten, wo die Erinnerung an die Shoah zunehmend von postkolonialen Aktivist*innen und Forscher*innen diminuiert wird und in Zeiten, wo die internationale BDS-Bewegung gegen den jüdischen Staat agitiert und mobilisiert, gilt das umso mehr. Das sage ich als linker Zionist, der mit der (Corona-) Politik von Bibi keineswegs immer einverstanden ist, ohne seine außenpolitischen Erfolge wie diplomatische Annäherungen bzw. Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain oder Marokko zu schmälern, die jedenfalls nicht hoch genug gewürdigt werden können.

Die Corona-Politik von Netanyahu jedoch halte ich für absolut katastrophal und antidemokratisch. Wenn nur noch geimpfte Personen in Einkaufszentren oder Restaurants oder gar an den Strand gehen dürfen bzw. „Privilegien“ bekommen, dann handelt es sich nicht mehr um eine funktionierende Demokratie. Das betrifft auch die BRD und alle anderen Länder, wobei natürlich Länder wie China gar keine Demokratie sind, sondern totalitäre Polizei- und Überwachungsstaaten.

In Deutschland ist die Kritik am erinnerungsabwehrenden und antizionistischen Antisemitismus von großer Relevanz. Auch die Kritik am Rassismus ist sehr wichtig, es ist kein Zufall, dass ein zwar offenkundig psychisch kranker Mörder wie in Hanau gerade als „nicht-deutsch“ kategorisierte Menschen (ob jene Migrant*innen einen deutschen Pass haben, spielt dabei keine Rolle) ermordete (in Shisha Bars etc.) und nicht wahllos mordete.

Antisemitismus ist ein sehr wichtiges Thema, daher ist Ihre Arbeit auch sehr wichtig. Auf der großen politischen Bühne wird seit Jahren daran gearbeitet, Rot und Braun gleichzusetzen, das zeigt sich zum Beispiel in der Prager Deklaration von 2008, die u.a. Joachim Gauck unterzeichnete, ebenso wie Vaclav Havel. Ich habe dazu viel publiziert, häufig in Anlehnung an den bekannten Holocaustforscher und Yiddish-Prof. Dovid Katz als Litauen.

Wenn also das Präzedenzlose von Auschwitz, der Zivilisationsbruch, vernebelt oder geleugnet wird, wenn völlig anders geartete Verbrechen wie im Kolonialzeitalter oder unter Stalin und dem Stalinismus mit Auschwitz, Sobibor, Treblinka und der Vernichtung der europäischen Juden analogisiert werden, ist Kritik am erinnerungsabwehrenden Antisemitismus von eminenter Bedeutung.

Die Universalisierung von Auschwitz ist eine Antisemitismus Mode geworden, allerdings gibt es dieses antisemitische Theorem seit Aimé Césaire 1950. Martin Heidegger, der deutsche Antisemit, der treu seinen NSDAP-Mitgliedsbeitrag bezahlte und Lieblingsphilosoph des 20. Jahrhunderts gerade der Deutschen und mancher Franzosen wurde, hatte in seinen Bremer Vorlesungen Ende der 1940er Jahre ebenso Auschwitz universalisiert und mit motorisierter Landwirtschaft verglichen. Das gilt auch für jene Rechten, die in Deutschland wie bei Pegida und in Dresden den Luftkrieg der Alliierten mit Auschwitz vergleichen, eine unerträgliche Holocaustverharmlosung, ja Leugnung. Darauf wies ja schon Adorno um 1960 herum hin, wie Sie wissen.

Nun habe ich heute über die Presse erfahren, dass Sie, als Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, sich nicht nur kritisch, sondern despektierlich über die Anti-Coronapolitik-Demonstrationen in Kassel am vergangen Samstag, den 20. März 2020 geäußert haben. Das ZDF zitiert Sie, Herr Heubner, mit folgender Äußerung:

Das Internationale Auschwitz Komitee warnt nach der Demonstration vor Gefahren für die Demokratie. Es werde deutlich, ‚dass in Deutschland die Demokratie durch die Querdenkerbewegung und ihre krude Mischung aus Verschwörungstheorien und Staatsverachtung sowie durch gemeinsames Agieren mit antisemitischen und rechtsextremen Bewegungen unter Druck gerät‘, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, am Sonntag.

Was sind Ihre empirischen Belge? Waren Sie am Samstag in Kassel vor Ort? Selbst wenn die Demokratie auf dieser Demonstration „unter Druck“ geraten ist, gerät die Demokratie etwa durch die nicht demokratisch legitimierte Politik wie zum Beispiel den nicht im Grundgesetz vorgesehenen Bund-Länder-Konferenzen via Telefon nicht noch viel mehr unter Druck? Diese Frage scheinen Sie sich nicht zu stellen oder jedenfalls zitiert das ZDF Sie diesbezüglich nicht. Haben Sie eine offizielle Stellungnahme zu der Demonstration bzw. den Demonstrationen in Kassel am 20. März 2021 abgegeben oder exklusiv mit dem ZDF gesprochen?

Ich habe mir mehrere Stunden verschiedene Livestreams von den Demonstrationen in Kassel im Internet angeschaut. Ich sah eine große Menge ganz bunter Menschen. Da ich früher bzw. bis heute in der Antifa-Bewegung aktiv war und bin (Antifaschismuskomitee Tübingen/Reutlingen, später in Bremen, Berlin etc.), weiß ich auch, was eine aggressive Stimmung ist – meist von Seiten der Polizei bzw. der Nazis, aber natürlich auch mitunter von den zu Recht genervten und wütenden Antifas.

Wir Antifas wissen, wie man sich zu Blöcken zusammen findet, wie man Ketten bildet, wie man sich entsprechend vorbereitet. Nichts davon sah ich in Kassel. Das waren total harmlose und friedliche Menschen, bunt gemischt. Dreadlocks tragende Hippies ohne Schuhe liefen Seit an Seit mit bürgerlichen Ärztinnen und johlenden Fußballfans. Viele Anwohner*innen haben spontan geklatscht und gewunken, es wirkte am Livestream wie eine Befreiung für viele dieser Anwohner*innen, nicht zuletzt Omas über 80, die man allein am Balkon sah und die freudig gewunken haben.

Ich habe auf den ca. 3 Stunden, die ich im Livestream zu verschiedenen Zeiten am Samstag ab 12 Uhr verfolgte, keine auch nur annähernd brutale Stimmung gesehen.

Wie „antisemitisch“ und „rechtsextrem“ soll diese Großdemonstration gewesen sein, wenn dort mindestens zwei große Israelflaggen geschwenkt wurden, die man auf dem Video, das uns der Demonstrationsteilnehmer geschickt hatte, sehen kann?

Wie antisemitisch soll eine Demonstration sein, auf der Israelfahnen wehen?

Ich hab z.B. ein längeres Interview live auf der Demo gesehen und gehört mit einer Ärztin. Sie war mit einer Gruppe von Ärztinnen und Ärzten auf der Demo. Diese Gruppe hatte ein Transparent mit der Aufschrift „Wir sind Ärzte und keine Verschwörungstheoretiker“.

Diese Ärztin erzählte von ihrer rationalen Analyse der Corona-Krise. Sie weiß, dass es das Virus gibt und wie ungefährlich es für die Allgemeinheit ist. Das sagt ja auch das Robert Koch-Institut (RKI), wenn auch verschämt und am Rande in einem wissenschaftlichen Artikel im Februar 2021 im Ärzteblatt, dass Corona nichts mehr ist als „schwere Influenzawellen“. Diese Ärztin muss aber Angst haben um ihre Zulassung (daher blieb sie anonym), weil fanatische Menschen mit einer rationalen Analyse und Kritik derzeit nicht umgehen können bzw. autoritär jede Kritik diskreditieren.

Und diese Gefahr des antidemokratischen Diskreditierens von Kritik an der antidemokratischen Coronapolitik meine ich auch in Ihrer eher floskelhaften Stellungnahme erkennen zu können. Sie hätten ja auch sagen können:

Ich finde die aktuelle Coronapolitik der Bundesregierung nicht evidenzbasiert, nicht rational, ich vermisse die Vielfalt der Expert*innen, die von der Politik gehört werden, ich finde es absolut schockierend, dass fast alle unsere Grundrechte ausgesetzt werden – ABER ich möchte deshalb dennoch nicht mit Leuten demonstrieren, die zumindest extrem Rechte, und seien es nur 100, nicht aus der Demo ausschließen.

So ungefähr hätten Sie sich ja auch äußern können. Aber ich fürchte, Sie haben keinerlei Kritik an der Coronapolitik – wenn doch, warum äußern Sie sich nicht und zwar laut und deutlich und differenziert?

Das Aussetzen der Demokratie und unserer Grundrechte – die GERADE in einer Krise gelten müssten – konstatiert ja auch der bekannte Journalist Heribert Prantl, den ich mit seinem neuen Buch in meinem gestrigen Text, der Ihnen von dem Demonstrationsteilnehmer von Kassel geschickt wurde, zitiere.

Es gibt unzweifelhaft viel Naivität bei den Coronapolitik-Kritiker*innen. Es gibt ebenso unzweifelhaft die Versuche von organisierten Rechtsextremen, das auszunutzen (Stichwort Jürgen Elsässer und Compact Magazin, die in der Tat Beziehungen haben oder hatten zur Querdenken-Szene, siehe dazu mein Working Paper „Antisemitismus im Zeitalter von Corona“ von Ende Januar 2021). Aber haben Sie Belege, wie viele dieser Leute am Samstag vor Ort waren? Stimmt die Zahl ?

Ich selber bin links, weltoffen und verurteile jede Art von Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung. So wie mind. 99% der anderen Demo-Teilnehmer auch.

Nun ist „links“ ein weites Feld, das ist klar. Aber wenn 99 Prozent keine Rechten waren und 200 Menschen, also ein Prozent, Rechte waren, was heißt das dann? Ist das dann die Mehrzahl? Gab es Mordversuche, Schlägereien, floss Blut, wurden Polizisten schwer verletzt? Mir ist nichts dergleichen bekannt. Stehen 200 Nazis oder Rechte, angenommen, so viele Rechte waren auf der Demo, für 20.000 Leute, wo Dutzende Regenbogenfahnen geschwenkt wurden, die ja ein Hasssymbol für die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) oder die Identitäre Bewegung ist ?

Was mich vor allem schockiert, sehr geehrter Herr Heubner: Warum schweigen Sie offenbar (jedenfalls zitiert Sie das ZDF hierzu nicht, wenn das eine böswillige Kürzung Ihrer Äußerungen sein sollte, dann melden Sie das bitte, dann liegt der Fehler beim ZDF) zum Aussetzen von Grundrechten, zum nicht evidenzbasierten Schließen aller Kultureinrichtungen, aller Gedenkstätten, aller Hotels, Restaurants, Geschäfte, Universitäten etc. – und was sagen Sie zum kategorischen Verbot von Demonstrationen mit freiem Gesicht?

Das ist eindeutig verfassungswidrig und es gibt ja schon Urteile, dass auch andere Teile von CoronaVerordnungen „verfassungswidrig“ sind. Ich habe mich diesbezüglich z.B. bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart erkundigt, und mir wurde bestätigt, dass gegen ein Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg, das zentrale Teile der baden-württembergischen CoronaVerordnung bis mindestens November 2020 als „verfassungswidrig“ verurteilt hat, nicht in Revision gegangen wurde. Offenbar ist das Urteil juristisch zu gut begründet.

Warum haben Sie kein Problem mit den antidemokratischen Maßnahmen der hessischen Landesregierung und der Bundesregierung? DAS ist die Kernfrage, die sich mir angesichts Ihrer Äußerung, die u.a. das ZDF widergibt, stellt. Ist Holocaustverharmlosung OK, wenn sie von einem Bundespräsidenten kommt (Gauck), aber nicht OK, wenn sie von einer Demonstration ausgeht, angenommen, sie ging von der Demonstration aus? Ist Holocaustverharmlosung oder ist Antisemitismus tolerierbar und OK, wenn er in der taz (tageszeitung) steht, aber nicht OK und völlig katastrophal, wenn er auf Demonstrationen vorkommt, angenommen, er kam in Kassel vor? Ich komme auf die taz weiter unten zurück.

Wie Sie vielleicht wissen, bin ich Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA). Ich schätze die Arbeit des Auschwitz Komitees und finde es sehr bedeutsam. Die Analyse und Erinnerung an das präzedenzlose Verbrechen der Deutschen – die Shoah – ist ein zentraler Aspekt meines politischen und beruflichen Lebens, seit Mitte der 1980er Jahre (wir hatten schon in der Schule, 1986, das Thema Ernst Nolte und Holocaustleugnung).

Ich habe zur Kritik der Salonfähigkeit der Neuen Rechten promoviert (509 Seiten). 2018 kam ich u.a. im Radio WDR 5 (WDR 5 Scala (Radio), 3. Dezember 2018, ab 14:05 Uhr, zu dem Buch “Der Komplex Antisemitismus“, Moderation: Stefanie Junker, WDR 5 Scala – Hintergrund Kultur | 03.12.2018 | 10:23 Min. ) und WDR 3 (WDR 3 Mosaik (Radio), 4. Dezember 2018, ab 8:05 Uhr, zu dem Buch “Der Komplex Antisemitismus“, Moderation: Raoul Mörchen, WDR 3 Mosaik | 04.12.2018 | 10:31 Min. ) mit Interviews zu meinem umfassenden Werk „Der Komplex Antisemitismus“ (764 Seiten), wo ich auf alle möglichen Formen des heutigen und historischen Antisemitismus eingehe.

Ich habe auch Studien über die Gefahr des Islamismus publiziert (Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, 2011), ein Buch zur Kritik am späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck, der den Holocaust verharmlost und mit der DDR analogisiert (Rot = Braun) (Ein Super-GAUck. Politische Kultur im neuen Deutschland, 2012). Aufgrund meines Post-Doc an der Yale University 2008/09 hatte ich viele Kontakte zu amerikanischen, britischen und internationalen Holocaust- und Antisemitismusforscher*innen. 2013 publizierte ich ein Buch in englischer Sprache – Antisemitism: A Specific Phenomenon (648 pages), mit Dutzenden blurbs (Belobigungen) von international renommieren Holocaust- und Antisemitismusforscher*innen wie Dr. Anthony Julius („A thorough, objective and intelligent analysis of the principal form taken by contemporary anti-Semitism“), der ja bekanntlich der Anwalt von Prof. Deborah Lipstadt im Prozess des Holocaustleugners David Irving gegen den Verlag Penguin Books und Lipstadt war. Es war der wohl bedeutendste Prozess gegen Holocaustleugnung in den letzten Jahren und er wurde von Lipstadt gewonnen. Es gibt auch einen Film zu dem Prozess, den Sie sicher kennen („Verleugnung“).

2010 bis 2015 war ich Fellow des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA, Prof. Robert Wistrich (1945-2015), der 2015 vor der UN sprach und ganz gezielt den kommunistisch-antifaschistischen Schlachtruf  „no pasarán“ verwendete im Kampf gegen den Antisemitismus). 2014 war ich einige Monate Chefredakteur der Jüdischen Rundschau in Berlin, namentlich zur Zeit des Krieges gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen.

Viele Juden und Israeli, Mediziner*innen und Wissenschaftler*innen haben an führender Position die Great Barrington Declaration und ein israelisches Pendant, das Common Sense Model, unterzeichnet, die einen „gezielten Schutz“ fordern, allerdings, das ist entscheidend, nur in Absprache mit den entsprechenden Menschen. Gezielter Schutz heißt ganz normales Leben für alle anderen. So wird es kommen, so oder so. Aber auf dem Weg dahin werden die Politiker*innen noch sehr viel tödliches Leid verursachen, hier und im Globalen Süden. Auch die Schulden werden zu unzähligen Toten führen, auch in Deutschland, über die nächsten locker 30 Jahre verteilt.

Unter den Unterzeichnern der Great Barrington Declaration ist der ehemalige IDF-Soldat und Chemie-Nobelpreisträger Michael Levitt. Levitt ist auch ein Berater des Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis (dessen konservative und ehedem Pro-Trump Agenda man keineswegs goutieren muss). In einem Expertengespräch wurde deutlich, wie reflektiert und Risiken im Leben rational einschätzend Levitt denkt. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in den USA hochstehende wissenschaftliche Beratung zumindest einiger Bundesstaats-Regierungen wie in Florida. Solche Anhörungen eines Gouverneurs und von Experten werden – in Deutschland undenkbar, da viel zu transparent und demokratisch – auch im Fernsehen übertragen, wie Ende September 2020, als sich DeSantis u.a. von Levitt und anderen Professoren in Epidemiologie und Medizin beraten ließ, wie die Öffnungen in Florida wissenschaftlich abgesichert sein können.

In diesem Gespräch erzählte der über 70-jährige Levitt sehr locker, selbstbestimmt und cool, dass er sich erst kürzlich ein Motorrad gekauft habe – er möchte jeden Tag des Lebens genießen und weiß, dass sein Risiko an einem Motorradunfall oder etwas anderem zu sterben mit über 70 höher ist als mit 35 etc. Aber er möchte leben! Er hat keine sinnlose Angst vor einem Virus.

Wir wissen von der Universität Tübingen, dass wir eine 81-prozentige T-Zellen Immunabwehr gegen Corona haben – sonst würden auch nicht so enorm wenige Menschen „an“ Corona sterben. Fast alle Menschen merken gar nichts von einer „Infektion“, die also keine ist – denn ohne massive Vermehrung eines Virus wird man nicht krank. Aber die grotesken Tests (PCR) spüren noch kleinste Teilchen eines Virus nach, da sie massiv vermehrt, angereichert werden. Das sagt aber nichts über die Infektiosität eines Menschen aus, das sieht auch die WHO so – aber die Bundesregierung hält sich nicht daran und wird das auch so lange tun, bis sie nicht dafür verurteilt wird.

Haben Sie mal darüber nachgedacht, was Leben im Zeitalter von Corona heißt, Herr Heubner? Selbstbestimmtes Leben? Haben Sie sich mal mit Krankenpfleger*innen oder Intensivmediziner*innen unterhalten, die unter Tränen erläutern, wie isoliert und vereinsamt alte Menschen mit und ohne Corona dahin vegetieren und ohne jeden sozialen Kontakt auch ohne dieses Virus einfach sterben an Vereinsamung? Haben Sie jemals darüber nachgedacht?

Haben Sie ignoriert, dass allein im Frühjahr 2020 in England und Wales 10.000 demenzkranke Menschen völlig ohne Corona starben, weil sie nicht mehr aßen und tranken, da sie durchdrehten, da sie über Wochen und Monate kein Angehöriger, kein Freund oder Kumpel mehr besuchen DURFTE? Haben Sie das mitbekommen?

Was sind Ihre „Beweise“ für den (auch noch brutalen?) Antisemitismus und Rechtsextremismus auf der Demo in Kassel am 20. März 2021? Ich bin kein Freund der deutschen Fahne und habe 2017 ein Buch geschrieben: „Eine Alternative zu Deutschland“. Aber eine deutsche Fahne in Kombination mit einer großen gelben Fahne und einem Smiley-Gesicht darauf, wie sie auf der Demo zu sehen war, würde doch hardcore Faschisten und Nazis die Schamesröte ins Gesicht treiben, oder nicht?

Ich fände es angemessen, wenn Sie dem Demonstranten aus Kassel, der Sie und mich angeschrieben hat, antworten und begründen würden, warum diese Demonstration so gefährlich gewesen sein soll.

Wie Sie wissen sollten, liegt die Sterblichkeit von Corona bei 0,14 bis 0,23 Prozent – das sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Menschen unter 70 sind so gut wie nicht gefährdet bzw. so wie bei einer harmlosen oder schweren Grippe, je nach Alter. Das ist alles nicht im minimalsten Ansatz ein Grund für die größte Massenpanik seit 1945 – weltweit. Die 40.000 Toten, die „an“ oder „mit“ Corona im Jahr 2020 in Deutschland starben, indizieren gerade so gut wie keine Übersterblichkeit, das musste sogar die Panik-Postille Spiegel zugeben, basierend auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Sprich: Es sind jene gestorben, die eh gestorben wären, daher auch das durchschnittliche Todesalter von 82 Jahren, mittlerweile liegt es bei 84 Jahren, jeweils höher als die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland.

Schauen Sie mir doch in die Augen und sagen Sie mir, sehr geehrter Herr Heubner, dass dies eine nie dagewesene medizinische Krise ist und deshalb der präzedenzlose Lockdown völlig angemessen und nicht verfassungsfeindlich ist. 1969/70 hatte die Influenza in Deutschland eine Infektionssterblichkeit von 0,29 ProzentCorona hat laut WHO maximal eine Infektionssterblichkeit von 0,23 Prozent. Unsere Intensivstationen waren zu keinem Zeitpunkt ausgelastet, das können Sie im Divi-Zentralregister locker nachprüfen – aber wollen Sie das überhaupt wissen? Diese Frage stellt sich mir: Wollen Sie die reale Situation rational begreifen? Wollen Sie rational erkennen, wie ungefährlich Corona für fast alle Menschen ist (sonst gäbe es keine Infektionssterblichkeit von 0,14 bis 0,23 Prozent, sondern 50 bis 100 Prozent wie in der Frühphase von HIV und AIDS).

Schauen Sie mir in die Augen und sagen Sie mir, dass Corona 10-mal tödlicher sei wie die Grippe, denn das ist die Agitation, wie sie u.a. von der Chefredakteurin der taz promotet wird.

Ich frage Sie abschließend, ob Sie auch fordern, dass die tageszeitung (taz) wegen Antisemitismus scharf kritisiert und als Gefahr für die Demokratie betrachtet werden sollte, weil dort behauptet wird, dass der Kolonialismus ein „größeres“ Verbrechen gewesen sei als die Shoah (ich habe dazu mehrfach publiziert, Sie finden das in meinem Buch Der Komplex Antisemitismus oder auf meiner Homepage). So wurde z.B. am 11. Juni 2017 in der taz folgendes antisemitische Statement publiziert, das Sie bis heute dort lesen können (22.03.2021):

Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.

Die Person, die das sagte, war eine typische postkoloniale Hetzerin, die offenbar das Präzedenzlose von Auschwitz leugnet und den Holocaust nicht als das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit betrachtet.

Es ist nun nicht so, dass die taz Texte nicht löscht. Ein sehr aufschlussreicher Artikel von zwei echten epidemiologischen Spitzenforscher*innen, Angela Spelsberg und Ulrich Keil, wurde am 10. August in der taz 2020 publiziert. Ich habe ihn auch zitiert. Doch jetzt wurde er online gelöscht, weil die taz keine wissenschaftliche Kritik an der irrationalen und unwissenschaftlichen Politik der Coronamassenpanik mehr zulässt:

Eine Leserin fragte bei der „taz“ nach:

»Hallo!
Ich wollte den Gastbeitrag von Keil und Spelsberg lesen, musste aber feststellen, dass der weiter führende Link nicht funktioniert
https://taz.de/Ulrich-Keil/!a59990/, es erscheint die Fehlermeldung „Artikel 5701892 nicht vorhanden“
Ist das ein gebrochener Link oder erscheint der Artikel aus einem anderen Grund nicht? Bitte um Auskunft.
Schönen Gruss
N. «

Am 26.2. kam diese Antwort:

»Liebe N.,

wir haben diesen Text unzugänglich gemacht. Schon zum Zeitpunkt des Erscheinens waren die Grundannahmen der beiden AutorInnen mindestens umstritten – weshalb die Publikation auch im Haus auch prompt Streit auslöste. Doch nach kürzester Zeit wurde deutlich, dass es auch unverantwortlich wäre, wenn die taz den Beitrag weiter im Netz veröffentlichte. Denn es stellte sich heraus, dass er von LeugnerInnen der Pandemie genutzt wurde, um gesundheitlich regelrecht gefährliche Positionen zu unterfüttern. Dem wollten wir keinen weiteren Vorschub leisten.

Freundliche Grüße aus der taz«

Eine weitere Nachfrage der Leserin blieb unbeantwortet.

 

Was lernen wir daraus? Die taz verbreitet seit 2017 (um dieses extrem krasse Beispiel zu nehmen) die antisemitische Ideologie, dass Auschwitz weder präzedenzlos war, noch dass der Holocaust das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit war. Einen ganz rationalen und kritischen Text zur Kritik an der Coronapolitik jedoch zensiert die taz im Nachhinein.

Eine ähnliche, den Holocaust auf postkoloniale Art und Weise verharmlosende Ideologie finden wir auch bei führenden Mitgliedern der Leopoldina, die behaupten, die rassistische Kolonialpolitik habe mehr oder weniger das Muster abgegeben für Auschwitz. Eine unerträgliche Holocaustverharmlosung. WAS sagen Sie dazu?

Die Leopoldina ist zudem ein zentraler Baustein der totalitären Coronapolitik von Angela Merkel.

Wenn Ihnen die Kritik am Antisemitismus wirklich wichtig ist, Herr Heubner, wovon ich ohne Zweifel ausgehe, dann könnten Sie doch auch mal bei der taz anfragen, warum sie antisemitische Texte publiziert und auch nach Kritik nicht löscht (meine Kritik an diesem Text wurde in meinem Buch „Der Komplex Antisemitismus“ 2018 publiziert), aber seriöse Forschung zur Kritik an der Coronapolitik sehr wohl löscht, was beweist, dass die taz mitunter Texte löscht und zensiert. Doch antisemitische Texte und Interviews scheinen nicht dazu zu gehören.

Das gleiche gilt für die BDS-Bewegung und ihre massive Verbreitung im Mainstream, wie bei Goethe-Instituten, beim Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) der TU Berlin etc. Auch hier wäre eine scharfe Kritik von Ihrer Seite angebracht, wenn Sie sich doch öffentlich gegen Antisemitismus, auch den antizionistischen (davon gehe ich aus) wenden.

Es gibt antisemitische Tendenzen bei vielen Verschwörungswahnwichteln (so nenne ich diese Leute), auch in der Anti-Coronamaßnahmen-Szene, z.B. jene, die glauben, hinter dem 11. September stünden ganz geheime Mächte und nicht erwiesenermaßen Jihadisten und Islamisten wie Bin Laden und Mohamed Atta. Es gibt auch brasilianische Cartoonisten, iranische Politiker wie auch amerikanische Neonazis, die Corona Juden und Israel in die Schuhe schieben, wieder andere sehen George Soros oder Bill Gates dahinter. Das darf jedoch nicht dazu führen, eine rationale Kritik – und kein Ressentiment – gegen Bill Gates zu formulieren, wie es vor 2020 auch üblich war.

Und wenn Politikerinnen wie Angela Merkel geradezu drohen, dass die Pandemie erst „zu Ende sei, wenn alle Menschen (!) geimpft sind“, dann sehe ich darin ein riesiges Problem für die Demokratie und die ganze Welt. Es werden sich nämlich nie im Leben alle Menschen impfen lassen gegen ein so harmloses Virus, das in Afrika oder Asien prozentual fast niemanden tötet – es ist eine „Epidemie der Alten“, wie es der medizinische und epidemiologische Experte und Professor Matthias Schrappe nennt.

Sehr geehrter Herr Heubner, Sie erinnern sich bestimmt an die Mescalero-Affäre im Jahr 1977. Ein Autor hatte eine „klammheimliche“ Freude empfunden als der Tod von Generalbundesanwalt Buback bekannt wurde. Buback wurde von der RAF ermordet und war zuvor zu einem Symbol der zynischen und völlig kompromisslosen Politik gegenüber der Linken und der RAF geworden. Slogans wie „macht aus Buback Zwieback“ sind erstmal lustig, solange sie zu keiner Konsequenz führen, aber nach dem Mord bleibt einem der Zwieback dann im Halse stecken. DAS ist der Unterschied zwischen Linken und Rechten. Das schreibt auch Mescalero selbst:

Warum liquidieren? Lächerlichkeit kann auch töten, zum Beispiel auf lange Sicht und Dauer. Unsere Waffen sind lediglich Nachahmungen der militärischen, sondern solche, die sie uns nicht aus der Hand schießen können. Unsere Stärke braucht deswegen nicht in einer Phrase liegen (wie in der ‚Solidarität‘). Unsere Gewalt endlich kann nicht die Al Capones sein, eine Kopie des offenen Straßenterrors und des täglichen Terrors: nicht autoritär, sondern antiautoritär und deswegen umso wirksamer. Um der Machtfrage willen (o Gott!) dürfen Linke keine Killer sein, keine Brutalos, keine Vergewaltiger, aber sicher auch keine Heiligen, keine Unschuldslämmer. Einen Begriff und eine Praxis entfalten von Gewalt/Militanz, die fröhlich sind und den Segen der beteiligten Massen haben, das ist (zum praktischen Ende gewendet!) unsere Tagesaufgabe. Damit die Linken, die so handeln, nicht die gleichen Killervisagen wie die Bubacks kriegen.

Ein Göttinger Mescalero.

Mescalero wendet sich also gegen die RAF und gegen mörderische Gewalt, das ist die Pointe. Doch der Helmut-Schmidt-Mainstream wollte das nicht lesen und hören, sondern denunzierte jeden Menschen, der nur das Wort „klammheimlich“ in den Mund nahm. Das ist heute nicht anders, nur krasser, wer die Coronapolitik wissenschaftlich, evidenzbasiert und demokratietheoretisch analysiert und kritisiert, wird fast immer ins Lager der „Corona-Leugner“ schubladisiert. Das ist einfach und perfide. Dabei leugnet so gut wie niemand das Virus an und für sich.

Die Analyse der Mescalero-Affäre durch Peter Brückner wäre ein weiteres höchst spannendes Kapitel linxradikaler Theorie- und Praxis-Geschichte. Motto, nie war es passender als 2020/21:

Haben Sie Heut‘ schon Ihren Maulkorb gelüftet?

Ganz grundsätzlich, sehr geehrter Herr Heubner: Sie müssen kein Anarchist sein, um zu verstehen, dass der Staat kein Recht hat, uns die Beine zu brechen, damit wir nicht beim Radfahren andere Mitmenschen gefährden. Die politische Kultur ist so autoritär und, ja, totalitär wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dagegen waren die Zeiten von Mescalero geradezu harmlos! Und das will was heißen.

Haben Sie sich mal damit beschäftigt, was mit Lehrerinnen und Lehrern heutzutage passiert, die sich politisch und medizinisch gebildet auf demokratische Weise gegen die Coronapolitik aussprechen? Hexenjagd ist das entsprechende Wort dafür!

Die Krankenhäuser waren zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise überlastet – es gab 2020 so wenige Patient*innen wie schon lange nicht mehr. Schweden hat eine niedrigere Todesrate wg. Corona als Frankreich, UK, Italien, Spanien – ohne jeden Lockdown, die Schulen waren immer geöffnet (bis zum Alter von 15) und es gab keine Maskenpflicht. Es gibt viele Studien die beweisen, dass Lockdowns nichts bringenaußer Panik und soziale, kulturelle, ökonomische, psychische Verwerfungen ungeahnten Ausmaßes. Restaurants waren in Schweden zu jedem Zeitpunkt offen. Es wurde an die Selbstverantwortlichkeit der Menschen appelliert.

Eine dänische Studie hat bewiesen, dass das Tragen einer Maske nichts bewirkt, die Kontrollgruppe ohne Maske hatte nicht mehr „Infektionen“ als jene mit Maske. Doch wir wissen (wissen Sie es?), dass rationale und wissenschaftliche Argumente nichts zählen. Merkel ist so fanatisch wie kein Kanzler vor ihr – sie ist völlig eingeigelt im Kokon des Gruppendenkens (ich schrieb darüber, Sie erinnern sich vielleicht).

Es ist noch viel krasser: Es wäre sehr gut gewesen, wenn sich seit März 2020 alle Kinder und Menschen unter 65 umgehend mit diesem harmlosen Virus angesteckt hätten – einige wäre etwas „schlapp“ gewesen oder hätten einen Husten bekommen, wie bei der Influenza, die 2020/21 fast völlig ausblieb (!), aber wer keine extreme Immunschwäche hat, übersteht das. Ausnahmen gibt es immer, sie bestätigen, wie harmlos dieses Virus insgesamt ist. Aber diese Herdenimmunität wurde uns verweigert – inklusive der Schwächung unserer Immunsysteme insgesamt.

Was glauben Sie wohl, was passiert, wenn Menschen ein Jahr lang so gut wie keinen anderen Menschen treffen? Damit kommt dieser Mensch auch mit keinen anderen Keimen, Bakterien, Viren, Erregern aller Art in Kontakt – das jedoch ist existentiell für Menschen, nur und nur so bildet sich ein Immunsystem, für Kinder und alle Menschen ist das überlebensnotwendig. Von den sozialen Verwerfungen der a-sozialen Distanz nicht zu schweigen.

Jetzt plant die Bundesregierung und mit ihr die Landesregierungen, ihr kriminelles Handeln – das Bundesverfassungsgericht wird diese Politik in einigen Jahren aller Voraussicht nach als verfassungswidrig verurteilen, dann wird Merkel in Rente sein, aber auch keine Immunität mehr haben, by the way – auszuweiten. Jetzt sollen alle Menschen immer und überall getestet werden. Gesunde Menschen auf ein Virus zu testen ist Ausdruck eines totalitären Hygienismus.

Es wird noch absurder, da ja selbst dieser Hygienestaat bislang sich noch nicht traut, diese Maßnahmen auch auf Supermärkte oder Apotheken auszuweiten. Sprich: Ein Großteil aller Menschen geht täglich in den Supermarkt. Das geht zwar auch nur mit totalitärer Maske, aber theoretisch kann man da hingehen. Doch in alle anderen Geschäfte, wo jeweils viel weniger Menschen sich aufhalten, Bekleidungsgeschäfte, Schuhgeschäfte, Optiker, Massagesalons, Theater, Kinos, Restaurants, Flugzeuge etc. pp., da soll ein Test notwendig sein?

Jeder denkende Mensch sieht den Widerspruch: Man hat das Recht, sich in einem Supermarkt mit dieser angeblich tödlichen Seuche anzustecken, aber in einem Restaurant paar Stunden später darf man nicht ohne negativen Test sitzen, nicht mal im Freien. Dabei wird es selbst der chinesischte Polizeistaat nicht schaffen, allen Menschen zu verbieten, sich eine Pizza zu holen, und in einem Park zu verspeisen, grade im Frühjahr, Sommer und Herbst (in Florida oder Kalifornien, Israel etc. das ganze Jahr).

Kurzer Rede, langer Sinn, sehr geehrter Herr Heubner:

Sie merken, ich habe eine „klammheimliche“ Freude ob der 20.000 Menschen, die letzten Samstag die CoronaVerordnung in Hessen pulverisierten, „Ordnungwidrigkeiten“ begingen, die nicht geahndet werden konnten und insgesamt die Polizei lächerlich machten. Es gab sogar, oh Wunder, seriöse Polizistinnen, die sich mit den Demonstrant*innen solidarisierten!!

Screenshot

Diese Menschen auf der Demonstration haben ihr Gesicht gezeigt, gelacht, geschmunzelt, gesungen, geschrien, vor Freude geweint, die Mundwinkel verzogen, geküsst und Luftküsse verteilt. Wie Mescalero wollten diese Menschen gerade keine Gewalt anwenden, sie waren nicht bewaffnet und vor allem wollten sie „keine Killervisagen“ bekommen, wie Mescalero unterstrich. Unsere Politiker*innen haben exakt solche Killervisagen und deshalb ist es auch gut, wenn diese Menschen eine Maske verwenden.

Aber für die Gesellschaft insgesamt ist die Maske tödlich, sie tötet den sozialen Zusammenhalt.

Gerade durch den Lockdown starben noch mehr alte und kranke Menschen, deshalb hat Merkel den Lockdown seit November immer wieder verlängert – sie ist lernresistent, extrem irrational und dogmatisch und so unwissenschaftlich wie kein Kanzler vor ihr. Doch da die gesamte politische Klasse so handelt, fällt ihr Fanatismus nicht auf.

Die Demonstrant*innen von Kassel am 20. März 2021 sendeten ein Fanal der Freiheit. Sie werden von Historiker*innen als jene erinnert werden in vielen Jahren, die mit dazu beigetragen haben, dass der Corona-Wahnsinn ein Ende hatte. Und der Coronawahnsinn wird aufhören. So oder so. Die Politik möchte noch viele Opfer, sie möchte uns alle biopolitisch züchtigen, wie noch nie eine „Demokratie“ Menschen gezüchtigt hat. Aber sie werden verlieren, weil sich am Ende doch die Rationalität und Verhältnismäßigkeit und vor allem das Lachen durchsetzen werden. Ist so.

Verstehen Sie, was ich meine?

Mit freundlichen Grüßen,

Clemens Heni

 

 

Antisemitismus im Zeitalter von Corona (BICSA Working Paper, Januar 2021 – Jubiläum, 10 Jahre BICSA)

Dieses Working Paper als formatiertes PDF mit aktiven Endnoten hier lesen.

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Januar 2021

 

Impressum:

Herausgeber: The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

C/o Verlag Edition Critic, Sophie-Charlotten-Str. 9-10, 14059 Berlin

E-Mail: clemens.heni@gmail.com

 

Copyright@ BICSA und Clemens Heni, Januar 2021

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, hat in Tübingen, Bremen und an der FU Berlin Philosophie, Geschichte, Politikwissenschaft und Empirische Kulturwissenschaft (EKW) studiert, an der Uni Innsbruck mit einer Arbeit über die „Salonfähigkeit der Neuen Rechten“ 2006 promoviert, war 2008/09 Post-Doc an der Yale University, von 2010 bis 2015 Research Fellow an der Hebräischen Universität Jerusalem (Prof. Robert S. Wistrich, Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism, SICSA), seit 2011 Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), www.bicsa.org

 

 

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

10 Jahre BICSA (Gegründet im Januar 2011)

Working Paper, 31. Januar 2021

 

Antisemitismus im Zeitalter von Corona

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, BICSA

 

Inhalt:

Inhalt: 4

Einleitung: Jenseits des Gruppendenkens. 5

Angela Merkels irrationale Politik. 12

Ein leuchtender Waschbär, Ufos und AIDS-Leugnung: Der Erfinder des PCR-Tests. 13

Kritik der Panikindustrie. 16

Montaigne versus Descartes. 22

Historische Aspekte von Krankheit, Medizin und Antisemitismus. 24

Jan Böhmermann, Juden, Desinfektionsmittel und „Corona-Überlebende“. 26

Mainstream-Antisemitismus? Plädoyer der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“. 29

BDS und postkoloniale Holocaustverharmlosung. 31

Die Coronapolitik-Kritik und die Universalisierung der Shoah. 35

Was verstehen die Deutsche Welle und Hendrik Streeck unter einer Verschwörung?. 38

  1. August 2020: Querdenken-Demo und Kundgebung in Berlin. 40

NS-Verharmlosung: Corona und das „wohl“ „größte Verbrechen geg. d. Menschlichkeit“. 44

Multipolar, böse Amerikaner und die Entwirklichung des Jihad. 45

Querdenker und Linke für #ZeroCovid und „Mega-Lockdown“. 47

Das Problem heißt Szientismus. 56

Querdenken und KenFM… 60

NachDenkSeiten. 63

Rubikon. 65

Gunnar Kaiser 67

Achgut 71

Joe Biden: Corona für Amerikaner so tödlich wie Nazi-Deutschland. 79

Vorschlag zur Güte: zwei neue halbe Mitglieder für die Leopoldina. 81

Endnoten. 83

 

Einleitung: Jenseits des Gruppendenkens

Antisemitismus ist ein wichtiges Forschungsthema, auch im Zeitalter von Corona. Dieses Working Paper[1] versucht, Antisemitismus in ganz unterschiedlichen Kontexten zu untersuchen. Dabei können selbstredend nur einige kleine, aber hoffentlich helle Lichtkegel auf einige Aspekte des antijüdischen Ressentiments oder der modernen antisemitischen Ideologie geworfen werden. Ohne eine Kontextualisierung des Antisemitismus in die Coronapolitik, wäre es ein zu leichtes Unterfangen. Wer ist nicht gegen Nazis? Wer aber sieht schon den Antisemitismus im bürgerlichen Mainstream oder bei Linken, analog zu jenem der extremen Rechten? Darum also soll es in diesem Working Paper gehen. Dabei sind Grundrechte, Demokratie, Vielfalt und der Kampf gegen homogene Volksgemeinschaften, Diskriminierung, Gruppendenken eng miteinander verknüpft.

Der antisemitische Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 war ein großer Schock für die Juden und die Gesellschaft in Deutschland. Ein antisemitischer Rechtsextremer hatte versucht, mit Schusswaffengewalt in die Synagoge zu gelangen, nur durch Glück hielt die Türe stand.[2] Antisemitische Verschwörungsmythen wie über George Soros waren ein ideologischer Hintergrund des deutschen Täters. Ein anderer deutscher Neonazi hat am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen in Shisha-Bars bzw. auf offener Straße ermordet.[3] Die Agitation gegen „Kulturmarxismus“, wie sie weit im deutschen Mainstream zu finden ist, war eine Triebfeder für solche Täter. Einer der rechten Autoren in Springers Welt redete zuvor von einer „Leitkulturorgie nach den kulturmarxistischen Merkelpartys“.

Und dann kam Corona. Viele derjenigen, die sich immer lautstark gegen Nazis und die Verletzung der Menschen- und Grundrechte einsetzten und die ich auch positiv zitierte, stehen jetzt auf Seite des deutschen Staates und machen bei den größten Grundrechtsverletzungen in der Geschichte der BRD mit. Das ist natürlich kategorial etwas ganz anderes als neo-nazistische Gewalt. Den Fehler, Kritik an Nazi-Gewalt, ein Virus wie Corona und die Coronapolitik zu vermischen, sollte man nicht machen – es ist schlimm genug, dass dies der neue US-Präsident Joe Biden bezüglich des Zweiten Weltkriegs tut (siehe das Kapitel Joe Biden: Corona…).

Die israelische Coronapolitik wird in Israel von kritischen Ärzten, Epidemiolog*innen, Mediziner*innen und häufig jungen Aktivist*innen scharf kritisiert.[4] Meine jahrelange linkszionistische Kritik an Netanyahu[5] setzt sich während Corona[6] fort.

Wir leben in der katastrophalsten Zeit in Deutschland seit 1945. Das liegt überhaupt nicht an einem neuen Virus, das liegt an der politischen und gesellschaftlichen Reaktion darauf. Wir erleben eine Epidemie der Demokratiefeinde – ironischerweise sind das diesmal nicht primär die (gefährlichen, aber relativ wenigen) Nazis, sondern das ist diesmal die riesige Zahl von Anti-Nazis. Viele Rechte, die sich nie für Grundrechte interessierten und gegen andere hetzten, tun nun so, als seien sie jetzt für das Grundgesetz und die Vielfalt der Gesellschaft. Andererseits unterstützen jene, die immer so taten, als seien sie Demokraten, die antidemokratischste Regierungspolitik seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Das ist eine Dialektik, die sich vor 2020 kaum jemand träumen ließ, in keinem Albtraum wäre das antizipierbar gewesen.

Die Lockdowns und die tagtägliche Indoktrination mit Panikpropaganda von allen Medien wird diesem Land mehr Schaden zufügen als alles, was es an Gewalt bis dato hierzulande seit 1945 gab. Das wirklich Dramatische ist nun, wie ein Blockwartdenken, die Denunziation Andersdenkender und Andershandelnder heute in allen Teilen der Gesellschaft en vogue ist und gerade nicht primär bei den Nazis oder Kleinbürgern, von denen man das eh wusste. Nein, diesmal ist vor allem die weiße kulturelle links-liberale Elite vorneweg beim Einpeitschen. Grade jene, die sich als die Guten darstellen, werden zum Problem. Dass dies, was Antisemitismus betrifft, schon länger so war, werden wir an exponierten Beispielen der Showbusiness-Welt sowie der akademischen Welt sehen. Die historische Verbindung von Juden und Seuchen, Juden als Gefahr für die restliche Gesellschaft, ist einer der ältesten antisemitischen Topoi überhaupt. Die mittelalterliche Brunnenvergiftung war einer der schrecklichsten antisemitischen Verschwörungsmythen, die zu Pogromen an Juden führten. Wir werden sehen, wie sich heute die Beziehung von Desinfektionsmitteln und Antisemitismus darstellt, schon vor Corona.

Fast alle Grundrechte sind aktuell ausgesetzt und das Amtsgericht in Weimar hat am 11. Januar 2021 geurteilt, dass im März 2020, als der erste Lockdown verhängt wurde, „keine epidemische Lage von nationaler Tragweite“ vorherrschte. Laut Daten des Robert Koch-Instituts, so das Gericht, waren die Zahlen der Neuinfektionen schon vor dem 23. März, als der Lockdown in Kraft trat, gefallen.[7] Corona wird endemisch werden, Teil des Virusgeschehens, was überhaupt kein Problem ist. Epidemisch jedoch wird auf unabsehbare Zeit das antidemokratische Regieren und Blockwart-Verhalten weiter Teile der Bevölkerung bleiben.

Vom 8. bis 10. Januar 2021 fand in Sancho Murieta im County (Landkreis) Sacramento die Konferenz „ReOpen Cal Now“ statt – es ging um die Wiedereröffnung des Bundesstaates Kalifornien angesichts der Coronakrise. Einer der Redner war Jay Bhattacharya aus Indien, der seit Jahrzehnten Professor für Medizin an der Stanford Universität in Kalifornien ist.[8] In seinem Vortrag erklärt er, dass er anfangs auch Sorge hatte, ob Corona tatsächlich eine Sterblichkeit von 3,4 Prozent haben könnte, wie die WHO und andere Organisationen aggressiv promoteten. Doch sobald er mit Kolleg*innen die ersten Antikörperstudien in Santa Clara County und in Los Angeles County durchführte, wurde offensichtlich, dass die Infektionssterblichkeit viel niedriger ist, weltweit liegt sie aktuell zwischen 0,14 und 0,23 Prozent.

Während also anfänglich die Weltgesundheitsorganisation von 3,4 Prozent Sterblichkeit ausging, ohne zu sagen, ob das die Fallsterblichkeit (Case Fatality Rate, CFR) betrifft, die auf den offiziellen „Fällen“ basiert, oder ob das die wissenschaftlichem Standard entsprechende Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR) angibt, hat sich dies aufgrund von Antikörperstudien bereits im April 2020 massiv reduziert. Bekanntlich hat der Virologe Professor Hendrik Streeck von der Universität Bonn Anfang April 2020 in Gangelt im Kreis Heinsberg mit der gleichen Methode wie seine amerikanischen Kolleg*innen in Kalifornien erforscht, dass die Sterblichkeit in diesem Corona-Hotspot bei 0,37 Prozent liegt.[9] Das ist beruhigend. Seitdem gibt es keine größere Antikörperstudie in Deutschland, was ein unfassbares Versagen vornehmlich des Robert Koch-Instituts (RKI) bloßstellt.

Man kann nichts anderes als Vorsatz dahinter vermuten, denn eine solche Studie würde ja ganz sicher der Bevölkerung einen Großteil der Panik nehmen, da nicht mehr die Zahl von 4,2 oder 2,8 Prozent Sterblichkeit vom RKI angegeben werden könnte, wie es seit März 2020 geschah, sondern eher 0,37 Prozent oder weniger. Das hätte die Bevölkerung seit Anfang Mai 2020 massiv beruhigt. In Santa Clara County wurde durch die Antikörperstudie entdeckt, dass 50 bis 85 mal mehr Menschen sich mit Corona infiziert hatten, als offiziell angegeben, wie CNN berichtete.[10] Diese Menschen waren alle nicht krank geworden, hatte keine oder kaum Symptome, aber hatten Corona, was zeigt, wie harmlos Corona für den Großteil der Bevölkerung ist.

Viel dramatischer hingegen ist die weltpolitische Situation. Jay Bhattacharya kommentierte in seinem Vortrag im Januar 2021 in Kalifornien,[11] dass es weltweit eine erbärmliche Coronapolitik gibt, die „nur die Reichen“ schütze, aber die „Armen“ nicht nur vernachlässigt, sondern  – wie immer – die schmutzige, ergo: gefährliche Alltagsarbeit machen lässt. Diese Menschen bauen die natürliche Herdenimmunität gegen alle möglichen Krankheitserreger auf, auch für Corona. Die reiche akademische Elite sitzt im Einfamilienhaus mit großem Garten oder dem Penthouse in Berlin Prenzlauer Berg mit Dachterrasse und agitiert #stayathome, wissend, dass die Suppenbrüheproduzent*innen bei Knorr oder die Bäcker*innen und Taxifahrer*innen das nicht können. Da jedoch Corona für den Großteil der Menschen nicht lebensgefährlich ist, wäre es das solidarischste gewesen, wenn alle Menschen, die nicht gefährdet sind, die Herdenimmunität aufgebaut hätten, spätestens, sobald klar war, dass Corona eine sehr niedrige Sterblichkeit hat. #stayathome für die Reichen ist a-sozial.

Für Menschen in Indien, weiten Teilen Asiens und Afrikas, wo es Hunderte Millionen Tagelöhner*innen gibt, die von 2 oder 4 Dollar am Tag leben, ist #stayathome undenkbar (was aber den Reichen und linken #ZeroCovid-Fanatiker*innen in Berlin Prenzlauer Berg, München, Stuttgart oder Köln so was von völlig scheißegal ist), für sie ist der Wegfall von Handelsketten, der Stillstand des alltäglichen Lebens, das Ausbleiben von Tourist*innen und zumal das Schließen von Schulen, wo Kinder häufig die einzige warme Mahlzeit am Tag bekommen, sowie das Aussetzen von Schutzimpfungen tödlich. Bhattacharya sagt mit einer Fassungslosigkeit, dass der reiche weiße Westen ein Drama veranstaltet.

Dabei sollte man ganz nüchtern und mit Empathie für jeden einzelnen Toten und die Angehörigen ergänzen: Es ist immer tragisch, wenn Menschen sterben. Es sind aber von jährlich weltweit ca. 60 Millionen Toten 2020 weniger als zwei Millionen Tote „an“ oder „mit“ Corona zu beklagen, die zudem großteils über 80 Jahre alt waren, schwer vorerkrankt, und die allermeisten wären ohnehin bald gestorben. Diese knapp zwei Millionen Corona-Toten sind also keineswegs alle extra hinzugekommen zur normalen und zu erwartenden Sterblichkeit des Jahres 2020. Das werden Statistiker*innen und Humangeografen noch genau erforschen müssen. Die Massenpanik jedoch wäre vermeidbar gewesen, aber sie war von der Bundesregierung gewollt (siehe das Kapitel „Kritik der Panikindustrie“…). Die extremen Rechten und totalitären Linken werden sich ganz genau abgeschaut haben, wie man eine Gesellschaft aufstachelt, wie man Grundrechte entzieht und das ohne medizinische Evidenz, denn es gibt medizinisch keinen Notstand nirgends (einzelne überlastete Krankenhäuser gibt es in jeder Grippesaison, mal mehr, mal weniger).

Das Verschwinden von Tausenden Notfallbetten in Krankenhäusern aus den Statistiken (offenkundig, weil Personal fehlt, da die Betten in der Mega-Corona-Krise kaum verschrottet worden sind) ist und bleibt ein Skandal, der aufgeklärt werden muss.[12] Durch den präzedenzlosen Stress, dem alle 83 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland seit März 2020 durch absichtliche Panik durch die Regierungen und die Medien ausgesetzt sind, hat sich das Immunsystem noch weiter verschlechtert. Stress und psychische Belastungen sind ein extremer Faktor, um Menschen zu schwächen. Isolation und soziale Kälte kommen noch ganz massiv dazu. Dazu gibt es die mittel- und langfristigen Konsequenzen von  verschobenen Operationen und Untersuchungen, also auch medizinisch wird die Lockdown-Politik tödliche Konsequenzen haben, wie die nächsten Jahren zeigen werden. Womit hat die Politik dieses zynische Ausspielen von Patient*innen gerechtfertigt? Zählt das Leben eines Menschen, der an Corona erkrankt, mehr als eine Patientin, die an Krebs erkrankt? Dieser Eindruck drängt sich einem auf der ganzen Welt auf, wobei „Welt“ hier primär heißt: Europa und Amerika (Süd- und Nordamerika), da Corona in Afrika oder Asien so gut wie kein Thema ist.

Katastrophal ist weltpolitisch gesehen Folgendes: Im Globalen Süden gibt es, so Bhattacharya, bis zu 130 Millionen Menschen, die vom Hungertod bedroht sind wegen der Lockdown-Politik des Westens. 130 Millionen Menschen, die zu den ‚üblichen‘ gut 20.000 Hungertoten täglich noch hinzukommen könnten. Doch diese befürchtete Zahl von 130 Millionen Hungertoten wegen der Lockdownpolitik irritiert nicht nur keine Linken – von Konkret bis Titanic und taz wird gefeixt, ob Merkel nicht doch eine Linke sei und die #ZeroCovid-Kampagne mitmachen will –, sie irritiert auch keine Politikwissenschaftler*innen, Journalist*innen oder die allgemeine Öffentlichkeit. Die kapitalistische Merkel, der extrem rechte Söder und das kommunistische Monatsmagazin Konkret[13] sind sich in der Huldigung von Christian Drosten und der Diffamierung der Gegner befremdlich einig.

Corona ist eine „Epidemie der Alten“, die Lockdowns schützen nicht nur niemanden, sie schaden sowohl den Alten als auch den Jungen.[14] Wer das nicht schon im März und April 2020 empirisch gesichert erkannte, hätte es wenigstens bis Oktober 2020 lernen müssen.[15] Das hat Angela Merkel nicht getan und dahinter steht nicht nur Hilflosigkeit oder Unwissenschaftlichkeit, sondern ein sich abschottendes Gruppendenken, das schon 1971 vom Psychologen Irving L. Janis (1918–1990) analysiert wurde. Janis war der Begründer des Ausdrucks „Groupthink“.[16]

Gruppendenken zeigt sich ganz exemplarisch am Beispiel der Coronakrise. In der von der Verfassung, dem Grundgesetz nicht vorgesehenen, ergo nicht legalen und nicht legitimen „Bund-Länder-Runde“ unter Kanzlerin Angela Merkel, zeigen sich typische Charakteristika des Gruppendenkens:

  • „eine hohe Gruppenkohäsion (Nahverhältnis, Ähnlichkeit, Zusammenhalt)

  • strukturelle Mängel im Aufbau der Gruppe

    • Abschottung nach außen
    • ein sehr starker, dominanter Meinungsführer im Innern
    • fehlende Objektivität seitens der Führungskraft
    • mangelhafte oder sogar fehlende Normen/Prozesse, um systematisch Handlungsalternativen abzuwägen
  • Bestehen einer (im Gruppenempfinden) bedrohlichen Situation, die starken Stress und viel Emotionalität auslöst“.

Exakt das, was Kritiker*innen des Antisemitismus, des Rassismus, Nationalismus, der AfD und vielen anderen rechten Gruppierungen, Zeitungen, Autor*innen den Kritisierten immer völlig zu Recht vorwarfen und vorwerfen, dass sie im Gruppendenken verharren und keine andere Position gelten lassen, das passiert jetzt nicht nur bei den Merkelhassern, sondern im Merkel-Lager selbst. Das Merkel-Lager umfasst die CDU/CSU, Grünen, die SPD, die FDP (die ja an Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz beteiligt ist und kein Veto gegen auch nur einen Lockdown-Beschluss einlegte und keine Koalition verließ) weite Teile der Linken und fast alle Mainstream-Medien, vorneweg alle ARD und ZDF Sendeanstalten.

Alle 16 Bundesländer und die Bundesregierung verfolgen das gleiche Ziel: Lockdown, Lockdown, Lockdown. Nicht ein Bundesland scherte jemals aus. Merkel ist ein „dominanter Meinungsführer“, sie lädt ja zu diesen Treffen ein und hat immer schon im Vorhinein ihre Position fix. Weder sie noch ein anderer beteiligter Politiker hat „Normen“, „um systematisch Handlungsalternativen abzuwägen“. Eine Norm wäre die Gesundheit der Menschen, national wie international, da ein Global Player wie Deutschland mit seiner Politik ganz extrem das Weltgeschehen beeinflusst. Doch Merkel hat nicht mal einen Blick auf die Psyche von Kindern unter 10 Jahren, die enorm unter dem Lockdown leiden, von älteren Kindern, Teenagern und Erwachsenen nicht zu schweigen. Man merkt ihr an, dass es ihr einfach egal ist, ob Zehntausende Operationen verschoben wurden im Frühjahr 2020 allein, und dass dadurch ganz sicher viele Tausend Menschen früher sterben werden, weil ein Krebs oder Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine andere schwere Erkrankung zu spät oder gar nicht behandelt wurden. Es ging Merkel von Anfang an nur um Corona. Ihre Ratgeber waren die mit Abstand schlechtesten: Virologen und ein Tierarzt. Dabei ist Corona kein Thema für die Virologen, sondern für Mediziner und vor allem die gesamte Gesellschaft sowie für Epidemiologen und Public Health Forscher*innen.

Doch das noch viel Schlimmere ist nun, dass Merkel diese Alternativen kennt: Schutz der wirklich Schutzbedürftigen und Ende der Lockdown-Politik. Das ist die Position von Prof. Matthias Schrappe und seiner Arbeitsgruppe, die seit April 2020 sieben Thesenpapiere vorgelegt haben.[17]

Teil dieser neunköpfigen Gruppe, zu der auch der bekannte Gerichtsmediziner Klaus Püschel aus Hamburg gehört, ist der Vorstand des Dachverbands der Betriebskrankenkassen Franz Knieps (SPD), der von 2003 bis 2009 Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium unter Ulla Schmidt (SPD) war. Knieps sagte am 18. Januar 2021 in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland („BKK-Chef Knieps: „Im Kanzleramt herrscht in Sachen Corona Bunkermentalität“):

Es ist zu hören, dass auf die Autoren der Thesenpapiere aus dem Kanzleramt erheblicher Druck ausgeübt worden sei, sich nicht mehr zu äußern. War es so?

Ach, Druck würde ich das nicht nennen. Ja, es gab frühzeitig eine Bitte aus dem Umfeld der Kanzlerin, das zu beenden. Ich habe Merkel mitteilen lassen, dass wir Bürger seien, kein Untertanen. Leider ist es nach wie vor so, dass insbesondere im Kanzleramt eine Bunkermentalität vorherrscht. Dort wird allein auf Virologen gehört, und dann auch immer auf dieselben. Abweichende Ansichten oder Ratschläge anderer wissenschaftlicher Disziplinen werden bis heute ignoriert. Dabei ist gerade in schwierigen Zeiten wie diesen jede fachkundige Stimme dringend notwendig.

Merkel zeigt für eine demokratische Politikerin ein erschreckend autoritäres und aggressives Verhalten, das eindeutige Tendenzen zum Totalitären hat, wenn sie einer medizinisch-sozialwissenschaftlichen Arbeitsgruppe rät, sich doch mit Kritik am Regierungskurs zurückzuhalten. Damit könnte sie eine zweite Karriere in Nordkorea oder China starten. Das hat jetzt das Redaktionsnetzwerk Deutschland, das in vielen Berichten selbst vollauf Teil der Panikindustrie ist,[18] in jenem Gespräch mit Franz Knieps aufgedeckt. Ein zentraler Kritikpunkt von Schrappe & Co. ist der unwissenschaftliche Inzidenz-Wert von 50 „Infektionen“ (die fast alle keine sind) von 100.000 Bewohner*innen.

De facto haben wir aktuell ca. das sechsfache an „Infektionen“, was die Harmlosigkeit von Corona beweist und die Zielgenauigkeit des Virus, das nur für sehr alte und sehr kranke Menschen gefährlich werden kann. Wenn also offiziell gesagt wird, es gebe eine 7-Tages-Inzidenz von 170, so ist das unwissenschaftlich, da die realistische Zahl um den Faktor sechs oder mehr höher liegt. Das kann eigentlich jeder Mensch verstehen: Wenn man in einer Woche 1,5 Millionen Menschen testet und es kommen 20.000 positive Testergebnisse raus (wovon rein statistisch ca. 10.000 falsch-positiv sein können), was ist dann mit den 81,8 Millionen Menschen, die nicht getestet wurden?

Wir haben am 26. Januar 2021 ganz sicher nicht nur 2.148.077 Corona-Infektionen, wie es offiziell heißt, sondern vielleicht 12 oder 22 Millionen oder noch viel mehr. Sonst wäre die WHO nicht schon Anfang Oktober 2020, als es 36 Mio. Fälle weltweit gab, auf über 750 Millionen tatsächliche Fälle von Corona-Infektionen gekommen! Warum wird über diese Zahl so gut wie nie berichtet? Das hieß damals schon, dass ca. 20 Mal so viele Fälle existieren, als offiziell angegeben. Selbst wenn dieses Verhältnis gesunken sein sollte, so ist es doch zu 100 Prozent ausgeschlossen, dass die offiziellen Zahlen der RKI oder von World­o­meter etc. stimmen. Wenn wir von 22 Millionen Corona-Infektionen ausgehen, ergäbe das aktuell bei 52.000 Toten in Deutschland die weltweit aufgrund von Antikörperstudien ermittelten 0,23 Prozent Infektionssterblichkeit. Das ist nicht dramatisch – immer vorausgesetzt, dass alle „Fälle“ auch „an“ und nicht nur „mit“ Corona starben, wir werden darauf noch zurückkommen.

Nur irrationale oder unwissenschaftlich arbeitende Menschen glauben, dass es in dieser Woche bei 81,8 Millionen Menschen null „Infektionen“ gab und nur die 20.000 unter den 1,5 Mio. Getesteten. So argumentieren sehr überzeugend seit Monaten Matthias Schrappe und sein 9-köpfiges Expert*innenteam. Doch Merkel will es offenkundig absichtlich nicht hören und versuchte sogar darauf hinzuwirken, dass die Kritik nicht publik wird. So ein Verhalten hat in einer Demokratie nichts zu suchen. Mittlerweile dreht Merkel noch mehr durch und möchte massivste Grundrechtsverletzungen bis zu einem Inzidenz-Wert unter 10 durchsetzen, was heißen würde, dass im Landkreis Tirschenreuth in Bayern, wenn es dort 2021 ähnliche Zahlen geben sollte wie 2020 – und die Impfung wird ja bekanntlich keineswegs die Inzidenz zwingend verändern, sondern nur tödliche Verläufe –, nur noch zwischen dem 26. Mai und dem 1. Oktober ein halbwegs normales Leben möglich wäre, davor und danach lag dort die Inzidenz fast immer über 10.[19]

Das wäre der totale Hygienestaat. Vor allem ist das deshalb so unsagbar verrückt, weil durch die Influenza (Grippe) auch alle paar Jahre bis zu 25.000 oder auch 56.000 Menschen sterben können, wie seit 1970 immer wieder mal (40.000 Influenza-Tote in der alten BRD entsprächen ca. 56.000 Toten in der heutigen BRD). Bislang ohne jede Panik, ohne jeden Maskenfetischismus, ohne psychischen Notstand, ohne 25-50 Jahre extra Staatsverschuldung, ohne In-den-Suizid-oder-Wahnsinn-den-Bankrott-die-Isolation-den-sozialen-Tod-Treiben von unzähligen Menschen. Wollen diese irrational gewordenen Politiker*innen und die übergroße Mehrheit der Blockwart-Deutschen jedes Jahr im Winter Maskenpflicht, Restaurants schließen, Apps, Quarantäne-Gefängnisse etc. pp.? Das wäre die logische Konsequenz, denn es wird immer tödliche Viruserkrankungen oder andere Erreger geben, das gehört zum Leben dazu.

Die Unwissenschaftlichkeit von Merkel hat aber System und das muss uns große Sorgen bereiten, es ist „nicht Dummheit“ – das sah auch schon der Gruppendenken-Kritiker Janis 1971 so –, sondern es ist ein Sich-Einigeln im Kokon der Ignoranz.

Dabei ist Knieps gar kein Gegner des Lockdown (wie er im Gespräch mit dem RND offen sagt), was ihn durchaus in eine Gegenposition zu Schrappe stellt, also zu seiner eigenen Arbeitsgruppe. Knieps war von 2003 bis 2009 Leiter der Abteilung „Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung“ im Bundesministerium für Gesundheit unter Ulla Schmidt (SPD). Schmidt hatte 2002 die sog. Fallpauschale eingeführt, die von kritischen Mediziner*innen scharf kritisiert wird, da nunmehr Patient*innen so schnell als möglich das Krankenhaus wieder verlassen sollen, da nicht die Dauer einer Behandlung viel Geld einbringt, sondern die Anzahl der Patient*innen. Auf die höchst problematische Dimension dieser Fallpauschalen weist der Arzt und politische Aktivist, Kritiker der Coronapolitik Dr. Paul Brandenburg in einem Gespräch mit der Journalistin Milena Preradovic hin. Insofern wäre zu fragen, wie Franz Knieps zu Ulla Schmidt und der Umsetzung der Fallpauschalen während seiner Zeit im Bundesgesundheitsministerium und seither steht.

Es geht in diesem Working Paper um Antisemitismus in Zeiten von Corona. Das Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) feiert im Januar 2021 sein zehnjähriges Bestehen. Eine Übersicht über die vielfältigen Aktivitäten, Publikationen, Vorträge und Texte von BICSA würde hier zu weit führen. Bekannt ist, dass unser Schwerpunkt auf einer Kritik am israelfeindlichen Antisemitismus einerseits und am Holocaust verharmlosenden Antisemitismus andererseits liegt. Dass BICSA sich jemals zu Corona wird äußern müssen, hat niemand geahnt. Gleichwohl ist die Geschichte des Antisemitismus eng verbunden mit Seuchen und der Beschuldigung von Juden, an diesen verantwortlich zu sein.

Die präzedenzlose Corona-Krise ist vor allem eine Krise der Demokratie und keine primär medizinische Krise. Es gibt eine lange Geschichte, die Juden mit Krankheitserregern in Verbindung bringt, vom Mittelalter bis heute. Darum wird es in diesem Papier gehen. Darüber hinaus geht es um Antisemitismus in Zeiten von Corona, also um Formen von Antisemitismus, die wir aktuell erleben, wozu namentlich die BDS-Bewegung zählt. Aber auch viele Kritiker*innen der autoritären und nicht evidenzbasierten Coronapolitik vertreten antisemitische Ressentiments, wie exemplarisch an führenden Protagonist*innen dieser Szene gezeigt werden soll.

Der Philosoph, Leopoldina-Kritiker und Suhrkamp-Autor Michael Esfeld hat mit dem Ökonomen und Philosophen Philip Kovce, Mitglied im Think-Tank 30 des Club of Rome, am 27. Januar 2021 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) die aktuelle Coronapolitik kritisiert:

Dass Bevormundungshardliner so hoch im Kurs liegen, lässt mit einem Augenzwinkern auf ein grosses Remake des Milgram-Experiments schliessen, an dem wir alle derzeit teilnehmen. Wir erinnern uns: Das Original aus den 1960er Jahren deckte auf, dass ganz normale Leute ziemlich schnell bereit sind, anderen immer stärkere Stromschläge zu versetzen, solange ihnen versichert wird, dass dies ‚aus wissenschaftlicher Sicht unbedingt notwendig‘ sei. So gesehen ist jede härtere Massnahme von heute der eigentliche Corona-Test: Sie testet, was wir als ‚aus wissenschaftlicher Sicht unbedingt notwendig‘ hinzunehmen bereit sind – ja, ob es dafür überhaupt Grenzen gibt. Wer dieser fatalen Wissenschaftshörigkeit Einhalt gebieten will, der wird vielerorts sogleich als Wissenschaftsleugner verunglimpft.

Als wäre historisch nichts gewesen, nimmt eine ganz grosse Koalition Illiberaler von links bis rechts dieses Corona-Experiment interessiert zur Kenntnis. Szientismus als Staatsreligion zur Legitimierung von Repressionen? Warum nicht? Notabene: Es wäre das Ende freier Forschung und Lehre, der Abgesang einer offenen Gesellschaft. Mal wieder. Wie hast du’s mit der Wissenschaft? Bevormundungswissenschaft oder Befreiungswissenschaft? Das ist dieser Tage die Gretchenfrage der Aufklärung. Es ist höchste Zeit, dass die Wissenschaft dem mündigen Bürger, der sie finanziert, wieder zu Diensten steht, anstatt ihn weiter zu bevormunden.[20]

 

Angela Merkels irrationale Politik

In der nicht vom Grundgesetz vorgesehenen Bund-Länder-Runde am Dienstag, 19. Januar 2021, kam es immerhin ein klein bisschen zu einer Kontroverse und zu einer Kritik an Merkel. Der Nordkurier berichtet:

Irgendwann mittendrin in der zähen Nervenschlacht zwischen Länderchefs und Kanzlerin prallten die Meinungen von Manuela Schwesig und Angela Merkel frontal aufeinander. Die MV-Ministerpräsidentin, so hieß es aus Teilnehmerkreisen, machte deutlich, dass man bei den Schulschließungen nicht alles von den Kindern abverlangen könnte und gleichzeitig die Arbeitgeber beim Homeoffice für ihre Mitarbeiter kaum Zugeständnisse machen würden – eine Attacke in Richtung Kanzlerin, die seit Wochen dafür eintritt, die Schulen bis auf eine Notbetreuung dicht zu machen. Merkel polterte zurück, dass sie sich nicht anhängen ließe, die Kinder zu quälen und Arbeitnehmerrechte zu missachten.

Wenn nun Manuela Schwesig Merkel offenbar vorwirft, de facto mit ihrer Lockdown- und Kita- und Schulschließungspolitik Kinder „zu quälen“ so ist das ja evidenzbasiert. Es zeigt auch den zynischen kapitalistischen Impetus von Merkel: 17.000 Arbeiter*innen bei Audi in Neckarsulm sollen weniger „Ansteckungspotential“ haben als 7 Kinder in einer Kita oder 28 in einer Schulklasse? Das kann kein denkender Mensch verstehen. Warum sollen Zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter bei Mercedes, in Pizza- und Wurstfabriken, aber auch Tausende Angestellte in großen Behörden wie dem Bundesfinanzministerium und unzähligen weiteren Bereichen weniger „ansteckend“ sein als Schülerinnen und Schüler oder Kita-Kinder?

Wir wissen empirisch gesichert, dass Kinder nicht krank werden an Corona. In Schweden starb im ganzen Jahr 2020 nicht ein einziges Kind und nicht eine einzige Schülerin bzw. kein Schüler von den 1,8 Millionen Kindern an Corona. Nur eine Handvoll mussten behandelt werden. Das sind also Fakten und wer behauptet, es sei unklar, wie gefährlich Corona für Kinder und Jugendliche sei, sagt absichtlich nicht die Wahrheit.

Wie eine norwegische Studie zeigt,[21] lag die Sterblichkeit in Schweden 2016/17  (17,5 Tote pro Woche je 100.000 EW) sowie 2017/18 (17,3) höher oder gleich hoch wie 2019/2020 (17,3). Corona war im Frühjahr 2020 gerade kein nie dagewesenes Ereignis für Schweden, sondern zeigt eine ganz typische Zahl an Toten verglichen mit den letzten fünf Jahren. Insgesamt liegt Schweden ohne jeden Lockdown, ohne Maskenpflicht, ohne komplette Kita- und Schulschließungen ziemlich exakt im europäischen Durchschnitt der Todesfälle.[22] Das beweist, dass Lockdowns wie in Deutschland oder Frankreich, England, Spanien, Italien etc. nichts bewirken – außer einer nie dagewesenen psychischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Krise.

Dabei liegt Schweden näher an Berlin als München, Stuttgart oder Köln. Die Bundeskanzlerin hat eine Richtlinienkompetenz und ist die zentrale Figur der politischen Panikindustrie. Wäre die Bundeskanzlerin rationaler, wissenschaftlicher, skeptischer und evidenzbasierter, würde sie mindestens die Hälfte ihrer Berater*innen aus Kritiker*innen der Lockdownpolitik und vor allem aus Gesellschaftswissenschaftler*innen zusammensetzen, dann könnte man wenigstens merken, dass sie sich um eine rationale, verhältnismäßige und ausgewogene Analyse der Situation bemüht. Dass ein Söder extrem autoritär regiert, war schon immer klar. Doch Merkel hatte Zeiten, wo sie rationaler agierte, wie 2015 bei der Flüchtlingskrise, als sie dem Druck des Nazi-Pöbels widerstand. Doch seit dem Frühjahr 2020 dreht die Kanzlerin völlig durch und ist für eine wissenschaftliche, rationale und verhältnismäßige Politik verloren.

Ein leuchtender Waschbär, Ufos und AIDS-Leugnung: Der Erfinder des PCR-Tests

Die größte weltweit gleichzeitig auftretende Krise des menschlichen Zusammenlebens seit 1945 ist im Kern überhaupt keine medizinische Krise. Dafür gibt es viel zu wenige Tote und Einweisungen in die Krankenhäuser. Weniger als drei Prozent aller Toten 2020 starben an oder mit Corona. Schon diese Ausdrucksweise ist ja verräterisch: „an“ oder „mit“ Corona, eine Sprachregelung, die anfangs nur die Kritiker der Massenpanik verwendeten, ehe sie im Mainstream schamlos angenommen wurde. Selbst und gerade das Robert Koch-Institut weiß, dass keineswegs alle Corona-Todesfälle Corona-Todesfälle sind. Viele sind einfach nur in den letzten 28 Tagen vor dem Tod positiv auf das Virus SARS-CoV-2 getestet worden. In den USA geht das CDC, das Pendant zum RKI davon aus, dass nur sechs Prozent aller Coronatoten ausschließlich an Corona starben (siehe unten das Kapitel zu Joe Biden). In Schweden wird aktuell davon ausgegangen, dass nur 17 Prozent der „Corona-Toten“ ausschließlich an Corona starben.[23]

Und die ganze Krise ist untrennbar mit dem PCR-Test verbunden (ohne Tests keine Krise), der für solche diagnostischen Zwecke überhaupt nicht gemacht ist, wie der Erfinder und Chemienobelpreisträger Karry Mullis (1944–2019) seinerzeit selbst betonte.[24]

Nach einer ganz aktuellen neuen Festlegung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 20. Januar 2021 ist ein bloßes positives PCR-Testergebnis kein Beweis dafür, dass ein Mensch infektiös, also ansteckend ist. Ohne das Öffentlichmachen des Ct-Wertes,[25] also des Anreicherungswertes, der nicht über 26 oder 30 liegen darf, aber de facto fast überall weit über 30 liegt (darüber berichtete die New York Times schon vor Monaten) und ohne ärztliche Untersuchung eines positiv getesteten Patienten ist überhaupt keine Krankheit oder eine Ansteckungsgefahr für andere vorhanden.

Damit ist einer der Hauptgründe der nicht definierten „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, wie sie der Deutsche Bundestag festlegte, dahin. Die ganze Krise basiert ja zu 100 Prozent auf diesen PCR-Tests. Zu keinem Zeitpunkt seit März 2020 war das deutsche Krankenhaussystem überlastet, auch das hat von Anbeginn diese „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ als illegal und absurd erscheinen lassen, bis heute.

Ein Text auf der Homepage der Universität Wien von Mika Oliverie kritisierte Mullis aber schon vor einigen Jahren aufgrund ganz anderer Aspekte:

Kary Mullis, Nobelpreisträger seit 1993, äußert sich leichtfertig auf einem besonders sensiblen Gebiet. Der exzentrische Wissenschaftler aus Kalifornien erlangte nach seiner aufsehenerregenden Entwicklung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) weltweite Anerkennung. Die PCR war eine verblüffend einfache Entwicklung. Mit nur wenigen Komponenten war es möglich, DNA-Stücke innerhalb weniger Stunden in beliebiger Menge zu vervielfältigen – eine Prozedur, die zuvor Wochen in Anspruch genommen hatte. Dies war ein Meilenstein für die Biologie: Von schnellen Genuntersuchungen bei Krebserkrankungen bis zur DNA-Analyse eines Tatorts gibt es zahlreiche Anwendungsgebiete.

Mullis selbst hängt das Image eines Rockstars an – er gilt als launisch, aber hochkreativ. Der Wissenschaftler will ein Entertainer sein, er braucht ein Mikrofon und eine große Zuhörer_innenschaft. Sein Unterhaltungsdrang und das Spiel mit den Medien dürften auch der Grund dafür sein, dass einige ungewöhnliche Erzählungen über ihn eine gewisse Öffentlichkeit erreicht haben. Einem Gesprächspartner vertraute er an, er glaube, ohne LSD-Konsum wäre sein Verstand vermutlich nicht bereit gewesen für seine Erfindung. Bei anderer Gelegenheit erzählt er, wie ihn die Erkenntnis zu seiner weltbekannten Erfindung schließlich während einer nächtlichen Autofahrt traf. Es kursiert auch die Geschichte, wie er eines Nachts vor seiner Waldhütte einen leuchtenden Waschbär traf, der ihm einen schönen Abend wünschte. Er versichert, dass er zu diesem Zeitpunkt nüchtern war.“

In einer Rezension von Jenny Diski eines Buches über Ufos, Mythen, Außerirdische und Irrationalismus in der London Review of Books im Jahr 2011 wird diese Geschichte von Mullis beschrieben.[26] Problematisch wird es, wenn wir sehen, wie Mullis zu Aids stand, wie die Autorin der Uni Wien berichtet:

Die bizarren, aber im Kern harmlosen Geschichten überschatten eine weitere Seite von Mullis, die nur selten erwähnt wird, obwohl er sie nie verborgen hat. Kary Mullis ist der prominenteste Anhänger des bekannten AIDS-Leugners Peter Duesberg, welcher seit den 1980er Jahren einen Zusammenhang zwischen HIV und AIDS bestreitet und stattdessen Drogenkonsum und sogar das zur Behandlung eingesetzte Medikament AZT für die Symptome der Krankheit verantwortlich macht.

 Verschwörungstheorie mit realen Folgen

Die Bewegung der AIDS-Leugner_innen ist sehr heterogen und hat verschiedene, sich oft widersprechende Erklärungen für AIDS. Während einige Anhänger_innen nur die Behandlungsmethoden für falsch halten, wird AIDS von vielen als Phantasie- bzw. Modekrankheit gesehen oder als Fehldiagnose anderer längst bekannter Krankheiten. Peter Duesberg streitet die Existenz des HI-Virus nicht ab. Er hält ihn jedoch für einen harmlosen Nebenvirus.

Duesberg konnte seine Position an der University of Berkeley nutzen, um mehrere Beiträge ungeprüft in Fachzeitschriften zu veröffentlichen. Betrachtete man seine Artikel am Anfang noch als seriöse, kritische Diskussionsbeiträge, wurde schnell deutlich, dass Duesberg nicht an einer Debatte interessiert ist und alle Ergebnisse ignoriert, die nicht zu seinen Ansichten passen.9

Obwohl Duesbergs AIDS-Forschung von nahezu der gesamten Forschungsgemeinschaft als Pseudowissenschaft eingestuft wird, hat sie ganz reale Auswirkungen. Mit Thabo Mbeki wurde 1999 ein bekennender AIDS-Leugner Präsident von Südafrika.10 Seine Regierung stoppte die Versorgung mit antiviralen Medikamenten und erschwerte die Arbeit internationaler Gesundheitsorganisationen. Mbeki begründete seine Handlungen unter anderem mit den Empfehlungen des von ihm einberufenen Presidential AIDS Advisory Panel, dem auch einige AIDS-Leugner_innen, darunter Peter Duesberg, angehörten. Kary Mullis nahm zwar nicht teil, beteiligte sich aber laut dem Abschlussdokument an einer Forumsdiskussion.11

Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass mehr als 300.000 AIDS-Tote innerhalb von fünf Jahren den Handlungen der Mbeki-Regierung zuzuschreiben sind.12“[27]

Das hat mit Corona auf den ersten Blick nicht viel zu tun, wenn wir jene kleine Gruppe von Leugnern der Viruserkrankung einmal weglassen. Was aber auffällt ist die Gefahr eminenzbasierter Forschung. Ein Chemienobelpreisträger hat selbstredend eine hörbare Stimme, wenn die dann in ganz anderem Kontext wie bei AIDS im Kontext von unverantwortlichen und gefährlichen AIDS-Leugner*innen auftaucht, sollte man skeptisch werden. So ein angeblich leuchtender, redender Waschbär mag auf den ersten Blick ulkig sein, aber de facto läuft es einem da doch eher kalt den Rücken hinunter, wenn solche Halluzinationen von Menschen kommen, die ernst genommen wurden, weil sie ‚berühmt‘ waren.

Kritik der Panikindustrie

Zu keinem Zeitpunkt war Corona eine Gefahr für die Gesamtbevölkerung, weder in Mexico, den USA, noch in Irland, Deutschland, UK oder Frankreich oder irgendwo sonst auf der Welt. Man sieht das auch daran, dass fast ausschließlich die reichen Länder betroffen sind: Europa und Amerika, wobei Länder wie Peru oder Brasilien im Vergleich mit den meisten afrikanischen Ländern keine armen Länder sind.

Es gibt keine Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die eine solche Massenhysterie und Panik absichtlich erzeugte, wie die Bundesregierung unter Angela Merkel seit März 2020. In dem Panikpapier von Horst Seehofer von März 2020 wurde von bis zu 1,2 Millionen Toten in Deutschland geradezu krankhaft fantasiert, wenn keine totalitären, diktatorischen Maßnahmen ergriffen würden. Als ich kürzlich zufällig mitbekam, dass es Journalist*innen großer Tageszeitungen gibt, die bis vor kurzen dieses Panikpapier nicht kannten, war ich sprachlos.

Mitte März 2020 erstellte eine Arbeitsgruppe des Bundesinnenministeriums, der externe Forscher*innen angehörten, ein Arbeitspapier mit dem Titel „Wie wir Corona-19 unter Kontrolle bekommen“. Die Internetseite Abgeordnetenwatch.de hat das Papier am 7. April 2020 geleakt, also das als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ Verschlusssache bzw. vertraulich deklarierte Papier der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Laut Datumsangabe auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums (BMI) wurde es dort schamlos am 28. April 2020 offiziell publiziert.[28]

Dieses Papier „Wie wir Corona-19 unter Kontrolle bekommen“,[29] legt ohne jede seriöse wissenschaftliche Datenbasis, lediglich auf wenigen Daten aus China bzw. Südkorea beruhend, rein hypothetisch fest, dass im „worst case“ von Mitte April bis Ende Mai 2020 bis zu 1,2 Millionen Menschen in Deutschland an dieser Viruserkrankung sterben könnten. Das Gesundheitssystem könnte kollabieren. Dieses Szenario führt das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) zu folgendem pädagogischen Auftrag:

4 a. Worst case verdeutlichen! Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, denken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: ‚Naja, so werden wir die Alten los, die unsere Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen Glück erbe ich so schon ein bisschen früher‘. Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen.[30]

Im nächsten Absatz heißt es:

Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden: 1) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst. Die Situation, in der man nichts tun kann, um in Lebensgefahr schwebenden Angehörigen zu helfen, ebenfalls. Die Bilder aus Italien sind verstörend.[31]

Diese intendierte Panikmache vonseiten Horst Seehofers, des Bundesinnenministeriums und der Deutschen Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) kulminiert in den folgenden Sätzen:

‘Kinder werden kaum unter der Epidemie leiden‘: Falsch. Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z.B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.[32]

Die Bundesregierung spricht von einer „gewünschten Schockwirkung“,[33] will also vor allem Kinder mit Bildern, Videos, Stellungnahmen, Schaubildern und anderen Methoden so unfassbar verängstigen, dass sie aus Panik, die eigenen Eltern zu töten, alles tun, was ihnen befohlen wird: Wochen- und monatelang nicht mit den Nachbarskindern spielen, ab Ende April eine Maske aufziehen (Kinder ab 7 Jahren). Diese schwarze Pädagogik der Bundesregierung hätte zu einem Aufschrei unter Pädagog*innen und der ganzen Gesellschaft führen müssen. Hat es aber nicht, vielmehr befolgen alle diese schwarze Pädagogik und indoktrinieren ihre Kinder, dass sie alles tun müssen, was die Eltern oder die Lehrer*innen oder der Polizist etc. sagen, keine Widerrede, kein Nachbohren, kein Nachhaken, kein Selbstdenken, nichts. Wir benötigen eine wissenschaftlich fundierte Risikopädagogik, die Gefahren rational einschätzt und kontrovers diskutiert – und nicht eine einzige Meinung als Wahrheit verkauft und exekutiert. Das wäre ein Gegenentwurf zur aktuellen schwarzen Pädagogik der Bundesregierung und der Gesellschaft insgesamt.

Vor allem auch wegen des Panikpapiers von Horst Seehofer gab es am 23. März den Lockdown. Das war zu einem Zeitpunkt wo wissenschaftlich, empirisch gesichert die Zahl der „Infektionen“ bereits rückläufig war.

Viele Texte und vor allem Videos aus dieser Corona-Szene wie KenFM, Rubikon, Bodo Schiffmann mit verschiedenen YouTube– und weiteren Kanälen, aber auch Achgut haben Tausende, Zehntausende, ja Hunderttausende oder gar Millionen Klicks. Der Schwindelarzt (er ist HNO-Arzt und Experte für Schwindelerkrankungen) Bodo Schiffmann war anfangs bei der Gründung der Partei Widerstand2020 mit dabei, ehe man sich zerstritt und er eine eigene Partei gründete, WIR2020, die er wenig später ebenso verließ. Die Partei Widerstand2020, aktuell vertreten von einer Gruppe um den Anwalt Ralf Ludwig[34], setzte auf ihrer Homepage gleich zu Beginn Links zu rechten Seiten, eine davon promotete mit einem Video den Rechtsextremisten Björn Höcke (AfD) mit dessen Deutschlandfahnen-Auftritt bei Günther Jauch in der ARD. Alsbald wurde die Seite dann verändert und zeigt sich jetzt primär als familienideologische Seite:

Gemeinsam werden wir für uns, unsere Kinder und unsere Enkelkinder unsere ‚neue Normalität‘ schaffen. Diese fußt auf unseren vier Säulen: Freiheit Liebevolles Miteinander Machtbegrenzung Schwarmintelligenz.[35]

Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) aus Berlin hat einen führenden Querdenker-Aktivisten und Querdenken-Anwalt Ralf Ludwig kritisiert:

Der Rechtsanwalt Ralf Ludwig aus #Leipzig, eine der führenden Figuren der Querdenker-Szene, setzt das Handeln des ehemaligen SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann im Holocaust gleich mit der Erteilung von Auflagen durch die #Polizei in #Murnau am Staffelsee. Eichmann wie auch die Polizei im bayerischen Ort hätten ‚Befehle als Idealisten ausgeführt‘.[36]

Die AfD hat sich im Laufe der Zeit den Corona-Skeptiker*innen angeschlossen. Die Internet-Seite Swiss Policy Research[37] (bis Mai 2020 Swiss Propaganda Research) ist eine anonyme Plattform ohne Impressum und bietet eine Vielzahl an Hinweisen und Links zur Co­ro­na­krise. Doch auch diese Seite ist extrem rechts und hatte schon vor Corona als Schwerpunkte die „Israel-Lobby“ und „Pädokriminalität“ (als Unterseiten der Homepage), also Topoi, die wir heute zum Beispiel in der verschwörungswahnsinnigen QAnon-Bewegung finden, die Teil der Anti-Corona-Maßnahmen-Bewegung ist.

Ein bemerkenswerter Fall ist ein junger Psychologie-Student aus Ulm, „Sebastian“, der mit seinem fast einstündigen Video „Die Zerstörung des Corona-Hypes“ von Ende Juni ca. 800.000 Klicks erreichte, für einen bis dato in der YouTube-Welt Unbekannten eine erstaunliche Zahl. Das Video kritisiert die Corona-Politik grundsätzlich und durchaus fundiert, es regt zum Nachhaken an.[38] Gleichwohl wird man skeptisch, was den allgemein politischen, philosophischen oder medizinisch-psychologischen Hintergrund von „Sebastian“ betrifft, da er sich am 6. Juli auf einer Kundgebung von „Querdenken“ in Ulm u.a. bei Rüdiger Dahlke bedankte, der ihn in seinem Leben schwer beeindruckt habe.[39] Dahlke wird in der Wissenschaft als Esoteriker kritisiert, der z.B. eine Reinkarnationslehre betreibe, 2013 bekam er in Österreich die satirische Auszeichnung „Goldenes Brett vor dem Kopf“ der Gesellschaft für Kritisches Denken (GkD). Dahlke sprach auch selbst auf Corona-Demos.

Der Psychiater Raphael Bonelli aus Wien ist der Fall eines Publizisten, der häufig eloquent und wissenschaftlich die enormen Konsequenzen unserer Panikindustrie offenlegt. Seine eigene durchaus Anti-68er und katholische, auch antifeministische Agenda kam dann in einem seiner Videos zum Vorschein.[40]

Zu den bekanntesten Kritiker*innen der Coronakrise zählen der Lungenfacharzt Wolfgang Wodarg,[41] der auch Sozialpädagogik studierte und sich als linker Sozialdemokrat und Anti-AfDler charakterisiert,[42] und Ende Februar 2020 im Flensburger Tageblatt vor Panik vor Corona warnte, sowie die beiden Mediziner*innen bzw. Mikrobiolog*innen Professor Sucharit Bhakdi und Professorin Karina Reiss, die den Bestseller der Corona-Kritiker-Szene schrieben, der sich Hunderttausendfach verkaufte und auch auf Englisch in den USA erschien: Corona Fehlalarm?

Zu Wodarg gibt es eine umfassende Medienkritik von Professor Schwab von der Uni Bielefeld:

Der Satz ‚1 + 1 = 2‘ hört ja auch dann nicht auf, richtig zu sein, wenn auch die AfD sagt, dass 1 + 1 = 2 ist. Wenn jener Einwand aber nicht stichhaltig ist, ist er nicht deshalb zu verwerfen, weil er (auch) von der AfD vorgetragen wird, sondern weil es durchgreifende Sachargumente dagegen gibt. Ich möchte klarstellen: Ich habe keinerlei Sympathien für die AfD. Aber an eine Diskussions-Unkultur, die von der Grundhaltung geprägt ist, dass ein Argument schon deshalb richtig oder falsch sein kann, weil es von der ‚richtigen‘ oder von der ‚falschen‘ Seite vorgetragen wird, möchte ich mich nicht gewöhnen müssen. Ich glaube an die Fähigkeit der Menschen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Und wenn die Menschen merken, dass ein in der Sache diskussionswürdiges Argument deshalb abgewertet wird, weil es von der ‚falschen Seite‘ ins Feld geführt wird, wird die ‚falsche Seite‘ dadurch nur stärker gemacht – weil nämlich die Menschen sich die Frage stellen, warum der Kritiker es nötig hat, mit dem Finger auf die Person des Argumentierenden zu zeigen, anstatt das Argument in der Sache zu entkräften. Ich möchte nicht, dass die AfD stärker wird. Die AfD hatte genügend Zeit, zu beobachten, wie bereitwillig die Menschen in diesem Land und auch andernorts ihre bürgerlichen Freiheiten preisgeben, wenn man nur das Szenario einer außergewöhnlichen Bedrohung mit angsteinflößenden Worten und Bildern kommuniziert. Die AfD wird diese Beobachtung für ihre politische Agenda zu nutzen wissen. Das sollten sich Journalisten bewusst machen, wenn sie über die Corona-Krise berichten.[43]

Damit weist Martin Schwab auf einen ganz zentralen Aspekt der Coronakrise hin: Die Manipulation der Massen. Die wird ja vom Panikpapier des Bundesinnenministeriums unter Seehofer absichtlich eingesetzt, wie Schwab zeigt. Und sie könnte auch von einer rechtsextremen Regierung zweifelsohne eingesetzt werden, die merkt, wie man im 21. Jahrhundert Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Darauf möchte Schwab offenkundig als Demokrat hinweisen.

Das zeigt, dass Corona ein juristischer, politikwissenschaftlicher und psychologischer Ausdruck einer tiefen Krise der Demokratie ist. Diese Krise haben die Regierenden zu verantworten – und die Presse, die bis heute, Januar 2021, fast einstimmig mitklatscht. Einzelne kritische Stimmen in der Welt oder der Bild-Zeitung sind nicht anders denn als Alibi-Statements dieser Zeitungen zu sehen, denn es gab zu keinem Zeitpunkt eine Anti-Lockdown-Kampagne der Bild-Zeitung oder der Welt – doch genau das hätte es in einer Demokratie geben müssen. So haben vom Spiegel über die FAZ, die junge Welt, die Frankfurter Rundschau, den Berliner Tagesspiegel und den Freitag und die Jüdische Allgemeine alle mitgemacht – seit März 2020 – beim unwissenschaftlichen Schreiben, beim Schreien gegen jede substantielle Kritik, beim Denunzieren und Diffamieren, beim Blockwart-Spielen. Kaiser Wilhelm hätte gesagt: „Ich kenne keine Parteien mehr, es gibt nur noch Corona-Gläubige und gottverlassene Verräter“.

Es ist schockierend, mit welcher Schamlosigkeit und Unverfrorenheit jetzt angesichts der anstehenden Impfkampagne gegen Corona antidemokratisch agitiert wird. So sagt der Arzt Gal Goldstein aus Berlin der Jüdischen Allgemeinen:

Sie hatten bereits Anfang April eine Corona-Praxis eingerichtet, als die meisten Gesundheitsämter noch mit den Tests hinterherhinkten, und bieten auch Antigentests nach überstandener Covid-Erkrankung an. Für wie sinnvoll halten Sie einen Impfbeleg?

Für sehr sinnvoll. Denn er würde ermöglichen, dass man wieder normal leben, arbeiten, reisen, ins Kino gehen kann.

Damit plädiert er für eine Zweiklassengesellschaft und das weltweit: Geimpfte und Nicht-Geimpfte. Nur Erstere hätten demnach noch demokratische Grundrechte wie Bewegungs- und Reisefreiheit oder die freie Persönlichkeitsentwicklung und Gewerbefreiheit. Wenn ich als normaler Mensch, der sich gegen eine Alterskrankheit, die fast nur für Menschen ab 75+ in seltenen Fällen tödlich verläuft, mich nicht impfen lasse, soll ich also laut Jüdischer Allgemeine nicht mehr ins Kino dürfen. Das sehen viele Millionen Deutsche so.

Dabei steht in der Jüdischen Allgemeinen am Rande auch mal, wie sozial, kulturell und ökonomisch katastrophal die Corona-Politik ist, wie es sich in einem Bericht einer Schauspielerin und Zirkusfamilienfrau darstellt:

Wie wird das Danach aussehen? Kommt das Publikum zurück? Werden Varieté und Zirkus als Relikt vergangener Zeiten abgetan? Wird unser Handwerk zu einer »Delikatesse« für hartnäckige Fans? Bleiben die Menschen gemütlich eingelullt zwischen blödsinnig angehäuften Konsumgütern und Streamingdiensten in ihren vier Wänden?

Kinos, Restaurants und Museen – sie alle teilen die gleichen Sorgen vor den gesellschaftlichen Nebenwirkungen des Virus: das komplette Zurückziehen – ohne erlebbare Unterhaltung. Eine traurige Vorstellung!

In diesem Text von Rebecca Simoneit-Barum sieht man die Verzweiflung, die die Corona-Politik anrichtet und ganze gesellschaftliche Gruppen weiter marginalisiert oder in ihrer Existenz wie als Zirkusgruppen an den Rand der Existenzvernichtung bringt.

Sprich: es muss in einer demokratischen Gesellschaft darum gehen, alle Menschen zu schützen und den Blick auf die Gesamtheit der Bevölkerung zu richten. Das wurde vom ersten Tag dieser medizinischen Pseudo-Krise absichtlich nicht getan. Es ging seit März 2020 nur darum, SARS-CoV-2 und seine Verbreitung zu minimieren. Als ob man ein respiratorisches Virus eindämmen könnte, ohne damit die gesamte Gesellschaft als solche zu zerstören.

Was wir jetzt noch haben sind Streamingdienste, vollgefressene Deutsche, die tollwütig klatschenden Journalist*innen der Mainstreampresse, die jeden Lockdown von Merkel als noch zu harmlos empfinden und immer mehr Stillstand wollen. Im Rothaargebirge in NRW gibt es keineswegs immer im Januar Schnee, ich war vor wenigen Jahren zu dieser Jahreszeit dort und es gab kaum Schnee.

Dieses Jahr gibt es Schnee und wie wahnsinnig sperrt jetzt die Polizei alle Parkplätze und Straßen ab, damit sich kein Mensch mehr an der weißen Pracht erfreut. Die Menschen werden zuhause eingesperrt, können sich im Freien überhaupt nicht „infizieren“ und selbst wenn: Erwachsene Menschen haben ein Recht darauf, so zu leben wie sie es wollen, ohne damit andere zu gefährden. Hier gefährdet die Polizei auf Druck der Politik das Leben der Menschen. Vitamin D, Sonnenstrahlen im Freien, sind für das Immunsystem von großer Bedeutung, Bewegung, Freude, Kontakt mit anderen Menschen – und das selbst in einer Entfernung von einem Meter fünfzig mitunter – ist lebensnotwendig.

Doch die Polizei feiert sich, diese Freude den Menschen nehmen zu können, ja sie feiert sich! So a-sozial war diese Gesellschaft seit 1945 nicht mehr, dass eine mini-kleine Gruppe von Menschen angeblich geschützt wird – was sie de facto grade nicht wird –, und alle anderen Gruppen psychisch und körperlich zugrunde gerichtet werden.

In Frankfurt am Main, einer der am zentralsten gelegenen Metropolen des ganzen Landes mit dem größten Flughafen und einer typischen Großstadtbevölkerung, starben 2020 genauso viele Menschen wie 2019 bzw. lediglich 60 Menschen mehr, dabei hat aber die Bevölkerung in Frankfurt um über 6000 Personen zugenommen in diesem Jahr, von einem möglich und sehr wahrscheinlichen Anstieg der Bevölkerung Ü-80 nicht zu schweigen. Offiziell gibt es aber 385 Covid-Tote in Frankfurt, wie kann das sein? Die werden andere Todesarten wie die Influenza oder Lungenentzündungen ergänzt haben, aber sind eben nachweislich keine extra Toten, die zu den zu erwarteten Toten dazukommen.

Das ist die Pointe des Konzepts Übersterblichkeit, wobei viele Statistiken da nicht genau arbeiten und den Bevölkerungszuwachs wie auch und insbesondere den Anstieg der Bevölkerung über 80 – in anderen Ländern ist der Zuwachs z.B. in anderen Altersgruppen bemerkenswerter – nicht angeben. Aber selbst ohne Berücksichtigung des Bevölkerungszuwachses und der möglichen Erhöhung des Anteils der über 80-jährigen oder der absoluten Zahl der über 80-jährigen sind in Frankfurt am Main 2020 nur 0,79 Prozent mehr Menschen gestorben als 2019, eben jene 60 Personen. Das soll nun der Grund sein für die größte Massenpanik in der Geschichte Frankfurts sein 1945?

Da staunt doch selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und kommt noch sehr lange Zeit aus dem Staunen nicht heraus: „Im Corona-Jahr kaum mehr Tote als sonst.“

Selbst wenn es in Gegenden Sachsens oder Bayerns, wo eventuell besonders viele alte und sehr alte Menschen leben, eine leichte Übersterblichkeit geben sollte, so wäre das lokal bedingt und liegt nicht an einer angeblichen weltweiten Pandemie – warum hätte sonst eine Großstadt wie Frankfurt am Main keine Übersterblichkeit, aber eine Kleinstadt in Sachsen? Das muss humangeografisch analysiert werden.

In jedem Fall sind bundesweite Maßnahmen empirisch nicht nachvollziehbar und widersprechen jedem epidemiologischen Ansatz, nachdem konkrete Gefahren erkannt und abgewehrt werden müssen und wenn es so massive Unterschiede in der Sterblichkeit gibt wie zwischen Sachsen oder Teilen von Sachsen zum Beispiel und Frankfurt am Main, dann hätte allein diese Tatsache dazu führen müssen, dass in Frankfurt ganz anders gehandelt wird als in Sachsen, wenn denn gehandelt werden musste.

Montaigne versus Descartes

Ein interessantes Buch zur Kritik der Coronakrise 2020/2021 erschien bereits 1993: „Das Leben als letzte Gelegenheit“ von Marianne Gronemeyer.[44] Das Backcover des Buches verspricht:

Am Ende des Mittelalters, mit dem Niedergang der Ewigkeitshoffnung, wird das Leben als biologische Lebensspanne entdeckt. Das Leben wird buchstäblich zur einzigen und letzten Gelegenheit, zum Schauplatz der Anhäufung von Lebenskapital. Sicherheit und Beschleunigung werden zur vordringlichen Aufgabe der Weltverbesserung. Sicherheit, um dem Einzelleben wenigstens seine durchschnittliche Lebensspanne zu garantieren, und Beschleunigung, um die unerträgliche Kluft zwischen den unendlichen Möglichkeiten, die die Welt da draußen bereithält, und der kläglichen Zeit, die dem Einzelnen zu deren Ausschöpfung zur Verfügung steht, wenigstens zu verringern. Der Mensch gerät in Panik. Neben dem Tod tritt ein beinah noch ärgerer Widersacher des Lebens: die Angst, etwas zu versäumen.

In unserem Kontext von Corona-Todespanik sollen nur zwei zentrale Protagonisten des Buches knapp vorgestellt werden: Michel de Montaigne (1533–1592) und René Descartes (1596–1650). Die Pointe kommt gleich zu Beginn. Montaigne sagt, dass es töricht sei, den Tod zu fürchten. Er sagt, diese Angst sei vermeidbar, weil der Tod unvermeidbar sei, so Gronemeyer.[45] Das ist eine früh-neuzeitliche Transformation des Satzes des antiken Epikur:

Der Tod aber ist der Verlust der Wahrnehmung… solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.[46]

Es geht um ein Kernproblem der Moderne, Planbarkeit und Sicherheit versus intellektueller oder metaphysischer Ruhe und Selbstgenügsamkeit, weswegen Montaigne sich von Revolutionen auch nicht viel versprach. Wir sehen an der hardcore totalitären und linken #ZeroCovid-Kampagne weiter unter, wie Recht er damit hatte. Marianne Gronemeyer hat sich im Sommer 2020 in einem Gespräch mit dem Leiter der Robert‐Jungk‐Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) in Salzburg, Hans Holzinger, kritisch zur Coronapolitik geäußert. Sie möchte z.B. nicht als Teil einer „Risikogruppe“ definiert werden, nur weil sie 79 Jahre alt ist. Kontextlose Zahlen zu promoten, wie wir es seit März 2020 tagtäglich in exzessivem Maße erleben, hält sie für sehr problematisch. Ihr reflektierter Umgang mit Leben und Tod wird 1993 in ihrer Studie „Das Leben als letzte Gelegenheit“ umrissen:

Was nun die Lebensführung angeht, so kann jemand gelebt haben, wie er will, die Todesfurcht ist in jedem Falle gegenstandslos. Wer sein Leben Augenblick für Augenblick recht genützt hat, kann auch in jedem beliebigen Moment lebenssatt sterben. Wer es aber verstreichen ließ, dem ist es ohnehin zu nichts nütze. Warum sollte er es festhalten? (M. de Montaigne 1992, Bd. I, S. 128, [Essais]). Ein ausgeklügelter, geradezu spitzfindiger Gedanke.[47]

Angst vor Folter wie dem zwangsweisen Anhören von Podcasts von Christian Drosten oder dem Zwang, sich Pressekonferenzen von Söder oder Merkel anzuschauen, ist nachvollziehbar. Todesfurcht hingegen kann man intellektuell bearbeiten. Dabei war seit sehr langer Zeit das Weg- und Abschieben des Todes in die Anstalten wie Krankenhaus und Altersheim ein Grund dafür, dass kaum ein Mensch noch weiß, dass der Tod zum Leben gehört. Für eine selbstsichere, nicht panische, sondern selbstreflexive Art und Weise, auf den Tod zu schauen, gibt es viele philosophische Anknüpfungspunkte. Nehmen wir Montaigne. Wo liegt der Unterschied zwischen den Sicherheitsfetischisten und Machbarkeits-Fortschrittsprotagonisten wie René Descartes und den ruhigen Philosophen wie Montaigne?

In Montaigne und Descartes stehen sich die Figuren des Selbstbildners und des Welterneuerers gegenüber. Sicherheit bedeutet für den einen, der Welt ihre Unberechenbarkeit auszutreiben, für den anderen, der Unvorhersehbarkeit standzuhalten; für den einen, Unsicherheit auszuschalten, für den anderen, sie auszuhalten. Die Welt ist für den einen ein Objekt der korrigierenden Vervollkommnung, für den anderen eine sehr vorübergehende, befristete Bleibe, die man auf sich beruhen läßt.[48]

Historische Aspekte von Krankheit, Medizin und Antisemitismus

Der Historiker Klaus Hödl hat 1997 eine sehr interessante Studie über das Verhältnis von Körper, Gesundheit, Antisemitismus und Geschlecht publiziert, die nicht zuletzt heute wieder gelesen werden sollte: „Die Pathologisierung des jüdischen Körpers. Antisemitismus, Geschlecht und Medizin im Fin de Siècle“:[49]

Lepröse und zusehends auch Juden waren im ausgehenden Mittelalter in immer stärkerem Maß gemieden worden, beide galten als unrein und dadurch als gefährlich. Die Gleichstellung war oftmals nicht nur über dem magisch-religiösem Vorstellungsschatz entnommenen Assoziationen herstellbar, sondern aufgrund der Kleiderordnung [wie durch die antijüdische Kleiderordnung, die im vierten Laterankonzil von 1215 festgelegt wurde, Juden mussten sich kennzeichnen] ziemlich offensichtlich.[50]

Juden wie Prostituierten wurde eine „Ansteckungsgefahr“ unterstellt, wie bei der Syphilis.[51] Während im Mittelalter Krankheit als Resultat „sündhaften“ Verhaltens religiös erklärt wurde, brachte die Neuzeit eine Veränderung. Die „Miasmatheorie“ der „zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, nach der Ausdünstungen der Erde krankheitsauslösend seien, wurde im beginnenden 19. Jahrhundert durch die „Kontagionstheorie“ abgelöst, die Menschen als Krankheitsüberträger diagnostizierte.[52]

Das Aufkommen von Krankenhäusern ab dem späten 18. Jahrhundert ist ein Ausdruck der neuen Zeit. Damit wandelte sich aber auch das Patient-Arzt-Verhältnis. Während zuvor vor allem die adligen und bürgerlichen Leute sich einen Arzt leisten konnten und dieser eher den Beschreibungen der Patient*innen Glauben schenkte – er hing ja von deren Bezahlung ab –, wandelte sich das mit dem Aufkommen von Krankenhäusern:

Diese neuen Institutionen waren dann auf die medizinische Arbeitsweise von folgenschwerem Einfluß. Tätig für eine Einrichtung, die vor allem die gesellschaftlichen Unterschichten als Patientinnen und Patienten aufnahm, war der Arzt ihnen gegenüber sozial nicht mehr untergeordnet. Die bisherige Autorität im Arzt-Patient-Verhältnis, die bislang beim Patienten gelegen war, ging nun auf den Mediziner über. Damit verschwand auch die Bedeutung des Krankenberichts des Patienten. Der Arzt mußte nicht mehr Rücksicht auf die Meinung des von ihm Behandelten nehmen, um seiner Verdienstquelle nicht verlustig zu gehen, sondern konnte sich von ‚wissenschaftlichem‘ Interesse und seinem Erkenntnisdrang in der Diagnoseerteilung leiten lassen. Als Konsequenz ergab sich daraus, daß die Befragung des Patienten über sein Befinden vernachlässigt und durch eine bloße Untersuchung, bei der er selbst nicht mehr mitwirkte und eingriff, ersetzt wurde. Er verlor dadurch seine Stellung als ‚Subjekt‘ und wurde zum bloßen ‚Forschungsobjekt‘ degradiert.[53]

Da nun viele Menschen im Hospital behandelt wurden, hatten die Ärzte zugleich „Experimentiermöglichkeiten“ und kostenlosen Zugang zum Objekt, den Patientinnen und Patienten, wie Hödl betont. Durch die „interventionistische Methode“ wurde nun im Körper gesucht.[54]

Juden wurden als Krankheitsüberträger stigmatisiert, so in Hamburg 1892 angesichts einer Choleraepidemie, oder 1912 in Griechenland, als Juden vorgeworfen wurde, die Grenzsoldaten in Saloniki vergiftet zu haben, oder im Wiener „Pestfall“ von 1898, die sich in der Klinik des jüdischen Arztes Hermann Nothnagel festmachte. Vier österreichische Ärzte waren 1897 nach Indien gereist, um den Pesterreger zu identifizieren. Aufgrund nicht beachteter Hygienevorschriften starben ein Spitalsmitarbeiter und wenig später noch zwei Menschen. Das wurde nun dem jüdischen Arzt untergeschoben.

Während bislang hauptsächlich vor den Ostjuden gewarnt worden war, schien nun auch der Berufseifer der ‚Westjuden‘, und nicht mehr allein die Lebensweise ihrer osteuropäischen Glaubensbrüder, eine Gesundheitsbedrohung darzustellen. Dieser sich ausweitende Fokus von den Ost- zu den Westjuden stellte für die Antisemiten zumindest eines klar: Es waren die Juden, die eine Gefahr darstellten.[55]

Jan Böhmermann, Juden, Desinfektionsmittel und „Corona-Überlebende“

Der Publizist und Kabarettist Oliver Polak schreibt 2018 in seinem Buch „Gegen Judenhass“[56]:

Was unterscheidet das Wort ‚Jude‘ von Christ, Moslem oder Buddhist? – Es kann Beschreibung und Beleidigung zugleich sein.

Viele autobiographische Erlebnisse Polaks werden in dem Buch berichtet, Vorfälle, die in nicht-jüdischen Haushalten kaum bekannt sind bzw. nur von der Täterseite her:

Ich sitze am Abendbrottisch einer befreundeten Familie in Papenburg im Emsland. Ich bin etwa sieben Jahre alt, der Familienvater ist schon alkoholisiert und wiederholt immer wieder, dass ‚ihr am Tod von Jesus die volle Schuld tragt‘. Mit ‚ihr‘ meint er nicht die Emsländer, sondern ‚die Juden‘.[57]

Auch folgende Szene ist nicht aus dem 13. oder 19. Jahrhundert, sondern aus dem späten 20. Jahrhundert, aus den 1980er Jahren (Polak ist Jahrgang 1976):

Ich bin in der fünften Klasse, in der Orientierungsstufe. Ich renne über den Schulhof, ich renne und renne, sie rennen hinter mir her. Sie schreien und grölen. ‚Hast du ihn angefasst?‘ ‚Hast du ihn berührt?‘ ‚Ihhhh‘, schreien andere, ‚du hast Juden-Aids.‘ Ich stolpere über meine eigenen Füße, stürze, die Hose reißt auf, Blut, ich kann mich nicht mehr bewegen. Ich sterbe innerlich vor Angst. Ich höre nur lautes Lachen. Einer der Jungen spuckt noch auf mich drauf.[58]

20 Jahre später ist Polak auf einer Bühne, eingeladen von Kabarettisten, die es lustig finden, ihn von der Bühne zu jagen:

Ein kontroverser Kabarettist findet es witzig, mich zusammen mit einem Musikfernsehmoderator ‚ironisch‘ von der Bühne zu jagen, vorher hatte er während meines Auftritts schon reingerufen: ‚Juden schinden immer Zeit, damit sie hinterher wieder Forderungen stellen können.

Es geht noch weiter:

Ein weiterer Fernsehmoderator mittleren Alters ist ebenfalls Teil der Szenerie. Er holt hinter einem Sofa ein ganz offensichtlich eigens dort platziertes Desinfektionsmittel hervor und fragt die anderen: ‚Habt ihr ihm die Hand gegeben?‘ Dann besprüht er ihre Hände, um sie zu desinfizieren. (…) Jahre später bin ich in seiner Talkshow zu Gast, ich soll mein Buch Der jüdische Patient vorstellen, das von Depressionen handelt. Ich fühle mich unwohl. Erstens, weil ich nicht so gut in Talkshows bin, zweitens, weil ich auf dem Twitter-Account der Talkshow sinngemäß so angekündigt wurde: ‚Heute kommt Oliver Polak in unsere Show, da der israelische Geheimdienst uns dazu gezwungen hat.‘[59]

Wer ist dieser Fernsehmoderator mittleren Alters? Sprung ins Jahr 2020: Jan Böhmermann ist ganz sicher ein Guter. Er kommt aus Bremen und ist gegen Nazis. Wie ist es einzuschätzen, wenn der allseits beliebte TV-Showmaster und Comedian Böhmermann einen Tweet retweetet, wo ein Medienmacher von t-online, der für die Werbung auf Werbetafeln in Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen inhaltlich federführend ist, davon spricht, eine „Corona-Überlebende“ habe am 29. August 2020 in Berlin versucht, mit Teilnehmer*innen der Anti-Corona-Massendemo zu reden?

Damit meinte der 1988 geborene Jan-Henrik Wiebe eine FDP-Politikerin, die Corona hatte und wieder gesundet ist,[60] was ja bei fast allen Menschen, die sich mit Corona infizierten, der Fall ist. „Corona-Überlebende“? Redeten wir früher von „Grippe-Überlebende“? „Keuchhusten-Überlebende“? „Masern-Überlebende“? Die Teilnahme von Neo-Nazis an Querdenken-Demonstrationen und Kundgebungen machen es Böhmermann und seinesgleichen sehr leicht, sich als die Guten darzustellen. Doch was sagt er zu irrationalen und unwissenschaftlichen Coronapolitik von Merkel und allen 16 Landesregierungen? Ja, mehr noch: Was für ein Verhältnis hat denn Böhmermann selbst zu Diskriminierung, Ausgrenzung und zu Desinfektionsmitteln, die 2020 so unfassbar hip sind?

Der Kabarettist und Autor Oliver Polak hat wie zitiert in seinem Buch „Gegen den Judenhass“ von 2018 ohne Namen zu nennen, Antisemitismus im deutschen Mainstream, bei den Guten, dokumentiert. Die Welt berichtete:

Polak nennt in dem Buch absichtlich keine Namen, sagte im Interview mit WELT AM SONNTAG: ‚Mit einem der Beteiligten hatte ich privat mal Kontakt, der sagte nach dem zweiten Bier immer: ‚Du Jude, du Jude!‘ Man wischt das schnell weg, aber ich würde auch nicht im Scherz sagen: ‚Du Neger!‘ Das Problem ist, dass das Wort ‚Jude‘ Beschreibung und Beleidigung zugleich ist.‘ (…) Und die von Polak beschriebene Situation stimmt mit einer Szene von einem Bühnenprogramm von Serdar Somuncu überein, wie der Journalist Stefan Niggemeier im ‚Freitag‘ offenbarte.

Darin jagen Somuncu, Klaas Heufer-Umlauf und eben Jan Böhmermann Polak von der Bühne. Anschließend wischen sich Heufer-Umlauf und Somuncu die Hände an den Sakkos ab, es fallen Äußerungen wie ‚Kann man das eigentlich kriegen?‘ und ‚ekelhaft‘. Zuletzt holt Böhmermann ein Desinfektionsspray hinter einer Couch hervor, das die drei benutzen, um sich die Hände zu säubern.“

Da sind wir also schon beim „Desinfektionsspray“, das 2020 die Deutschen (und nicht nur, aber vor allem sie) obsessiv lieben lernten. Manche der Coronakritiker*innen heften sich einen Judenstern an und schreiben „ungeimpft“ da rein, was eine widerwärtige Holocaustverharmlosung ist. Doch ist es weniger Holocaust verharmlosend, wenn das Wort „Coronaleugner“ so verwendet wird, als sei das ein Äquivalent zur Holocaustleugnung? Ist dann Corona der Holocaust?

Wer hat dieses Unwort „Coronaleugner“ erfunden und wie geschichtsvergessen war diese Person? Es gibt Fanatiker*innen, die leugnen, dass es das Virus SARS-CoV-2 gibt oder dass es von Juden, Israel, China oder Bill Gates erfunden wurde, um die Welt zu beherrschen. Aber fast alle Coronapolitikkritiker*innen als „Coronaleugner“ zu bezeichnen, ist sehr problematisch. Wer evoziert hier also die Verharmlosung des Nationalsozialismus? Nur die mit Davidstern und „ungeimpft“ sich als die Juden von heute imaginierenden Verschwörungswahnwichtel oder auch der Main­stream?

Die Schriftstellerin Mirna Funk hat Böhmermann kritisiert. Dabei muss man wissen, dass der Verleger des Verlags Kiepenheuer & Witsch, Helge Malchow, sich weigerte, Polaks Buch zu drucken, da es in dem Buch „Gegen Judenhass“ um einen anderen und angeblich höchst respektablen Autoren des Verlags gehe. Also ging Polak zu Suhrkamp und die druckten sein Buch. Mirna Funk schreibt:

Deutschlands erster und letzter Anti-Antisemit. Jan Böhmermann ist der aufgeklärteste Deutsche Deutschlands – denkt er. Nun holt ihn ein vielsagender Witz über Oliver Polak ein. Anstatt sich zu entschuldigen, macht er alles noch schlimmer. (…) Der Journalist Stefan Niggemeier hat für den ‚Freitag‘ ein bisschen recherchiert und völlig problemlos das digitale Material gefunden, das dem Kapitel zugrunde liegt. Was Malchow als ‚gegenstandslose Unterstellung‘ bezeichnet, kann man sich ziemlich easy auf irgendeiner dämlichen Doppel-DVD anschauen. Jan Böhmermann, der sich gerne für die Inkarnation von aufgeklärtem Deutschtum hält, rennt auf einer Showbühne rum, nachdem Oliver Polak sie verlassen hat, und holt hinter der Couch ein Desinfektionsspray hervor. Dann sprüht er Klaas Heufer-Umlauf und Serdar Somuncu (auf radioeins sonntags unerträglich) damit die Hände ein. Alle lachen. Keiner findet, dass er zu weit gegangen ist. Bei mir ist es gerade Mitternacht, als Jan Böhmermann auf Twitter auf den Artikel von Niggemeier reagiert: ‚Ich kann leider ohne eine angemessene Umsatzbeteiligung nicht an der nachträglichen Umdeutung von ultrakrassen Ficki-Ficki-Comedykarrieren in schillernde, sensible Intellektuellenbiografien mitwirken.‘“

Was sagt die Reaktionsweise von Jan Böhmermann in seiner Comedy-Show und seine Reaktion nach Bekanntwerden seines antijüdischen Verhaltens über die politische Unkultur in Deutschland aus? Juden suchen immer nur den eigenen Vorteil, während ein guter Deutscher wie Böhmermann eh das Opfer ist von fiesen Interpretationen und niemand verstehen will, warum gerade in Deutschland und Europa schon immer mit Desinfektionsspray gegen Juden vorgegangen wurde.

Ist doch nur Spaß, hier und heute! Welche Kontinuitätslinien gibt es vom 19. Jahrhundert und der antisemitischen Agitation und Panik, Juden könnten Krankheiten übertragen, hin zu solchen Gutmenschen und Wohlfühl-Anti-Antisemiten im 21. Jahrhundert?

Mirna Funk resümiert:

Solange Böhmermann sich rund um die Uhr und ungefragt als erster und letzter Anti-Antisemit Deutschlands gebärdet und sich zu so etwas wie einer moralischen Instanz Deutschlands stilisiert hat – sein Unique Selling Point, by the way –, dann aber Juden öffentlich diffamiert, anstatt sich für sein unreflektiertes Deutschsein zu entschuldigen, brauchen wir Bücher wie Oliver Polaks ‚Gegen den Judenhass‘, ihr hirnlosen Pappnasen. Normalerweise würde Jan Böhmermann den Desinfektionsspraytypen und Twitter-Antisemiten in einem seiner berüchtigten Parody-Raps vernichten. Kann er aber nicht, er ist es ja selbst.

Mainstream-Antisemitismus? Plädoyer der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“

Ganz ähnlich wie Jan Böhmermann promoten sich auch Historikerinnen wie Stefanie Schüler-Springorum oder Miriam Rürup und viele andere einer „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit[61] im Dezember 2020 als Kämpferinnen gegen Antisemitismus, als die guten Deutschen. Erstere ist Leiterin des seit Jahren kritisierten (seit den letzten Jahren unter Wolfgang Benz[62]) Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) der TU Berlin, letztere seit Dezember 2020 Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) in Potsdam. Jetzt sind sie aufgrund ihres Kokettierens mit der antisemitisch-antizionistischen BDS[63]-Bewegung[64] zusammen mit ihrer Initiative GG 5.3 Weltoffenheit, zu der auch das Goetheinstitut, die Berliner Festspiele oder das Deutsche Theater Berlin zählen, im Dezember 2020 auf Platz sieben der zehn übelsten antisemitischen Vorkommnisse 2020 des Simon Wiesenthal Centers (SWC) aus Los Angeles gelandet.[65]

Erstmal ein paar Bemerkungen zum Begriff „Weltoffenheit“ und „GG“ (Grundgesetz) im Herbst und Winter 2020/2021: Im Dezember 2020 so zu tun, als ob Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes in Kraft wäre, ist ein Hohn: „(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind im Dezember 2020 so wenig frei wie im November 2020 oder im Januar 2021: es herrscht der antidemokratische Lockdown, sämtliche Bildungseinrichtungen sind geschlossen (seit Mitte Dezember auch die Schulen), es finden keine Vorlesungen statt, Bibliotheken sind zu bzw. nur äußerst begrenzt offen gewesen (bis Mitte Dezember).

Neben Artikel 5 waren und sind viele andere Grundrechte derzeit ausgesetzt: GG Art. 4 (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Es gibt keine ungestörte Religionsausübung, Kirchen, Synagogen, Moscheen und alle anderen religiösen Einrichtungen sind de facto geschlossen, es darf nicht gesungen werden (!), und es dürften nur minimal Besucher teilnehmen. GG 2, Absatz 1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Auch dieses Grundrecht ist ausgesetzt, wir sind z.B. abends eingesperrt (!) in Wohnungen und Häuser (Ausgangssperre mindestens in Bayern und Baden-Württemberg), man darf sich nicht mit anderen Menschen ungestört treffen, nicht den Beruf ausüben etc. Art. 8, Absatz (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Auch das ist ausgesetzt bzw. nur sehr begrenzt möglich, Teilnahmebegrenzung, Maskenzwang, Abstandspflicht etc. Das widerspricht jedem Verständnis von Demokratie.

Art. 9, Absatz (1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Auch das ist de facto ausgesetzt, da man sich – Stand Januar 2021 – nicht mit mehr als einer Person aus einem anderen Haushalt treffen darf. Art. 11, Abs. (1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Auch dieses Grundrecht ist de facto ausgesetzt durch die 15 km Bestimmung von Merkel & Co., auch wenn sie nicht umgesetzt werden sollte, bundesweit – in Sachsen gilt diese verfassungsfeindliche Regelung schon jetzt. Art. (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Auch das gilt nicht mehr – Restaurants, Einzelhandelsgeschäfte, die nicht als essentiell gelten (also alle außer Lebensmittelmärkten, Apotheken, Tankstellen) – sind zwangsweise geschlossen.

All das macht es geradezu zu einer Farce, dass sich diese Initiative GG 5.3 nennt, ohne mit einem Wort darauf einzugehen, dass exakt dieses Grundgesetz, Artikel 5, Absatz 3, aktuell ausgesetzt ist, wie die erwähnten anderen ausgewählten Grundrechte. Aber entscheidend an dem Aufruf ist die Verharmlosung der für Juden und Israel gefährlichen Bedeutung von BDS, dem Boykottaufruf gegen den jüdischen Staat. Wo liegt zudem der Bezug zum postkolonialen Antisemitismus?

BDS und postkoloniale Holocaustverharmlosung

Mit ihrem offenen Brief bzw. Plädoyer für eine ganz besondere Art der „Weltoffenheit“ wenden sich Rürup und Schüler-Springorum zusammen mit einer Vielzahl von Kolleg*innen an die Öffentlichkeit und gegen den Anti-BDS-Beschluss des Deutschen Bundestags von Mai 2019.[66] Sie tun zwar so, als seien sie jeweils gegen BDS, doch wollen auf alle Fälle BDS-Veranstaltungen nicht verhindern, sondern als normalen Bestandteil ihres eigenen politischen Agierens begreifen und von der Politik unterstützt wissen. Darüber hinaus nehmen sie explizit den postkolonialen preisgekrönten Theoretiker Achille Mbembe in Schutz und stellen sich hinter ihn:

Eine Vergangenheit, die einerseits geprägt ist durch den beispiellosen Völkermord an den europäischen Juden und Jüdinnen und andererseits durch eine späte und relativ zögerliche Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Dazu bedarf es eines aktiven Engagements für die Vielfalt jüdischer Positionen und der Öffnung für andere, aus der nichteuropäischen Welt vorgetragene gesellschaftliche Visionen. Es ist unproduktiv und für eine demokratische Öffentlichkeit abträglich, wenn wichtige lokale und internationale Stimmen aus dem kritischen Dialog ausgegrenzt werden sollen, wie im Falle der Debatte um Achille Mbembe zu beobachten war. Die historische Verantwortung Deutschlands darf nicht dazu führen, andere historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder politisch pauschal zu delegitimieren.

Hier sieht man die analytische Hilflosigkeit sowie politisch problematische Position von Schüler-Springorum oder Rürup. So verpassen es die beiden Historikerinnen, die Shoah angemessen zu benennen. Der Holocaust war kein „Völkermord“ an „Jüdinnen und Juden“, sondern an „dem Juden“. Wer hier gendert, hat weder vom Antisemitismus noch von der NS-Geschichte oder der Shoah eine Ahnung. Hierzu hat die Autorin Esther Dischereit schon vor über 20 Jahren geschrieben:

Ende der achtziger Jahre schließlich – noch vor Ausbruch der Pogrom’feierlichkeiten‘ – ich meine die explosionsartig ins öffentliche Bewußtsein drängende Etablierung einer Erinnerungs’kultur‘ – war ich zu Gast bei einer kleinen radikal feministischen Gruppe, die sich vorgenommen hatte, etwas von Frauen zu erfahren, die während des Nationalsozialismus im Widerstand aktiv waren. Die Frauen wollten sich auch mit dem KZ Ravensbrück beschäftigen. Im Verlauf des Gesprächs wurde als Motiv formuliert: Die Jüdinnen seien es, mit denen sie sich befassen wollten, denn daß sie als Frauen so behandelt worden seien, sei das, was sie empörte. Ich weiß noch, daß ich wegen der feministischen Trauerbedürfnisse aufstand und wegging. Mir gelang keine Begründung, weil ich stammelte und mir die Luft wegblieb. Mir war das ganze Ansinnen der Gruppe diskreditiert. Sollte die Asche in männlich und weiblich geteilt werden? (…) Das, was mich so sprachlos machte, war wohl die Rigidität und Erbarmungslosigkeit, mit der mir der Begriff vom Mensch-Sein ersetzt schien durch Frau-Sein. Gegenüber den Lebenden in der patriarchalen Gesellschaft hätte mich solche Übertreibung nicht weiter aufgeregt, vielleicht hätte ich sie für eine Zeitlang als notwendig angesehen. Gegenüber den Toten war sie für mich von einer Grausamkeit, die ich nicht fassen konnte. (…) Der Jude war getötet worden als Jude – als non-human, als Nicht-Mensch –, es spielte vor der Geschichte keine Rolle mehr, ob er nach gender per se ein Patriarch gewesen oder nicht.[67]

Diese Sprachkritik betrifft allerdings weite Teile der Gedenkkultur-Szene und ist von großer Bedeutung. Wer wirklich nicht verstanden hat, dass die Deutschen im Nationalsozialismus gegen ‚den‘ Juden im Singular vorgingen und ‚den‘ Juden ermordeten und nicht ‚die‘ Juden, hat nichts verstanden.[68]

Dann wird in diesem Satz deutlich, dass dieser Text den Holocaust mit der Kolonialgeschichte im gleichen Atemzug nennt. Daher Mbembe und das wird uns sogleich zur Leopoldina und Corona führen.

Der Deutschlandfunk ist ein Kernelement der Corona-Panikindustrie. Seit Anfang März 2020 strahlt auch diese ARD-Sendeanstalt eine Panik aus, wie wir sie seit dem Ende des Nationalsozialismus nicht mehr erlebt haben. Natürlich gibt es hin und wieder auch etwas kritische Stimmen, aber der Haupttenor ist eindeutig: Merkel und die Politik machen das schon sehr gut und Kritiker sind tendenziell rechts, Verschwörungswahnsinnige, Nazis, Esoteriker, Covidioten, Impfgegner oder Coronaleugner. Das ist alles ganz einfach. Während nun also der DLF primär Teil der unwissenschaftlichen und antidemokratischen Panikindustrie ist, möchte er in einem aktuellen Beitrag gerade den Namensgeber des Robert Koch-Instituts näher untersuchen. Robert Koch war ein Kolonialist bzw. im deutschen Kolonialreich aktiv. So berichtet Julia Amberger am 26. Dezember 2020, zur kuschligen Weihnachtszeit:[69]

Robert Koch und die Verbrechen von Ärzten in Afrika

Zu Kolonialzeiten war es üblich, dass Forscher skrupellos mit Afrikanern experimentierten, allen voran die Deutschen. Auch Robert Koch zwang kranke Menschen in Konzentrationslager und testete an ihnen neue Gegenmittel. Die Gräueltaten der kolonialen Tropenmedizin wirken bis heute.“

Nun ist es wichtig, sich mit den Kolonialverbrechen zu befassen, das wird in der Wissenschaft auch seit Jahrzehnten getan. Auch viele politische Gruppen beschäftigen sich damit. Doch in der gesamten Diskussion wird fast immer, seit dem postkolonialen Vordenker Aimé Césaire, wie wir gleich sehen werden, der Holocaust verharmlost und dessen spezifische und unvergleichbare Dimension weggewischt.

Amberger und der DLF schreiben ganz ernsthaft:

Deutsche Ärzte erproben an Afrikanern, was sie später an Juden perfektionieren

Die Kolonialmedizin sollte nicht Menschen in Not helfen. Sie diente dem ökonomischen Aufschwung der Kolonie – und neuen Erkenntnissen für die deutsche Wissenschaft und die Pharmaindustrie. Deshalb haben die Kolonialärzte auch den Menschen ohne Grund extrem schmerzhafte Öl- und Salzlösungen gespritzt oder sie in der Wüste ausgesetzt, um zu sehen, wie lange sie dort überleben. Jahrzehntelang verbargen sich diese Horrorgeschichten hinter den Verbrechen des Naziregimes in den KZs. Derweil haben die deutschen Ärzte an Afrikanern erprobt, was sie später an Juden, Homosexuellen und politischen Gegnern perfektionierten. Eckart:

Es gibt keine unmittelbaren Analogien zu den Vernichtungslagern im zweiten Weltkrieg, beziehungsweise während der nationalsozialistischen Diktatur. Aber wenn man sich die Struktur dessen ansieht, was dort geschah: Die Humanexperimente in einer Sondersituation der Unfreiheit, die vollkommene Abhängigkeit, die körperliche Abhängigkeit in ihrer absoluten Totalität, der Aspekt, dass Todesfälle in Kauf genommen wurden – dann muss man schon sagen, dass diese Lager den späteren Vernichtungslagern beziehungsweise den Konzentrationslagern in gewisser Weise glichen. Hinzu kommt, dass es personale Kontinuitäten gab.

Der Kronzeuge in diesem Zitat ist der Historiker Wolfgang Eckart von der Universität Heidelberg. Er sagt, dass man zwar angeblich „keine unmittelbaren Analogien zu den Vernichtungslagern“ im Zweiten Weltkrieg ziehen dürfe, aber irgendwie halt doch – denn er sagt im gleichen Atemzug:

Die Humanexperimente in einer Sondersituation der Unfreiheit, die vollkommene Abhängigkeit, die körperliche Abhängigkeit in ihrer absoluten Totalität, der Aspekt, dass Todesfälle in Kauf genommen wurden – dann muss man schon sagen, dass diese Lager den späteren Vernichtungslagern beziehungsweise den Konzentrationslagern in gewisser Weise glichen.

Das ist falsch und eine sekundär-antisemitische Reaktionsweise. Sekundärer Antisemitismus ist bekanntlich nach Adorno und Peter Schönbach ein Schuldabwehr-Antisemitismus.[70] Die Schuld wird hier abgewehrt, indem sie universalisiert wird. Das Spezifische, nie Dagewesene der Shoah wird negiert.[71]

Es gab vor dem Nationalsozialismus und Hitler zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit die Idee und die konkrete Politik, ein ganzes Volk zu vernichten, nie zuvor wurden Millionen Menschen zu keinem anderen Zweck wie der Vernichtung deportiert. Die Juden wurden aus Paris, Heidelberg, Griechenland oder Polen deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet. Das Skandalöse an Wolfgang Eckart ist die Tatsache, dass er sogar explizit von den „späteren Vernichtungslagern“, also Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Treblinka, Kulmhof, Belzec spricht. In der Holocaustforschung wird das Präzedenzlose dieser Vernichtungslager und des Holocaust seit Jahrzehnten betont, von Raul Hilberg über Yehuda Bauer hin zu Daniel J. Goldhagen, Robert Wistrich oder Jeffrey Herf.

Die Coronapolitik-Kritik und die Universalisierung der Shoah

Der eben zitierte Beitrag des DLF vom 26. Dezember 2020 wird von der der Coronapolitik kritisch gegenüberstehenden Internet-Seite Corodok geradezu freudestrahlend am 29.12.2020 angepriesen, was tief blicken lässt.

Ob es an der DKP- und junge Welt-Nähe des Corodok-Machers Artur Aschmoneit liegt oder daran, dass der Kronzeuge des DLF, Prof. Wolfgang Eckart, angeblich früher als Student beim MSB-Spartakus war (so Wikipedia ohne Quelle), das ist hier nicht so relevant, könnte gleichwohl auf das Erbe von Hans Mommsen hindeuten, der zeitlebens den Antisemitismus herunterspielte.

Wie Mommsen suchen auch andere typische linke oder linksliberale und Mainstream-Protagonisten nach Kontinuitäten bürgerlicher Herrschaft, um auf keinen Fall das Spezifische des Judenhasses zu untersuchen.

Ich hatte 2018 in meinem Buch „Der Komplex Antisemitismus“ analysiert,[72] warum Mbembe antisemitisch argumentiert, daraus ein Auszug:

Der mit 100.000 Euro dotierte Gerda Henkel Preis geht 2018 an den Politikwissenschaftler und postkolonialen Theoretiker Achille Mbembe.[73] In einem Buch zu „Postkoloniale Theologien“ von 2018 heißt es in einem Text des Theologen Michael Nausner[74] von der Theologischen Hochschule Reutlingen:

Ich glaube, die Situation, die wir heute in Europa und nicht zuletzt in Deut­schland vorfinden, wurzelt unter anderem auch in den Umständen, die Mbembe mit conditio nigra bezeichnet. Der Antisemitismus ist in Deutschland aus­führlich und vielfältig analysiert worden. Aber diejenigen Aspekte des Antisemitismus, die im kolonialen Denken wurzeln, sind noch immer weit­gehend unbekannt. Dabei würde ein ‚Zusammendenken der Gräueltaten des Ko­lonialismus sowie des Dritten Reichs […] erheblich dazu beitragen, ein nuan­ciertes Verständnis dafür zu entwickeln, ob und inwieweit der Kolon­ialismus und die Shoah als Fehler, die das Scheitern der europäischen Aufklärung signalisieren, wahrgenommen werden können oder ob beide Ereignisse eher als Teil des Projekts der Modern[e] zu verstehen sind.‘[75]

Dieses Zitat im Zitat ist von Achille Mbembe aus seinem Band „Kritik der Schwarzen Vernunft“.[76] Diese Kritik an der Moderne kommt über 70 Jahre zu spät, die Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor W. Ad­or­no von 1944/47 hat dieses Verhältnis von Aufklärung und Regression, Moderne und Nationalsozialismus analysiert.[77] Vor allem aber wird in dem Zitat suggeriert, der Antisemitismus habe Elemente, die „im kolonialen Denken wurzeln“. Dieser Hypothese gilt es auf den Grund zu gehen, denn sie scheint der Kern vieler postkolonialer Theoretiker*innen zu sein. Namentlich für Achille Mbembe scheint sie, so Nausner, zentral zu sein. Für Nausner ist Mbembe

so etwas wie ein afrikanisches Pe[n]dant zum europäischen Henning Mankell, der kürzlich verstorben ist und viele Jahre lang den Sommer in Schweden und den Winter in Mosambik verbracht hat[78] –,

wenn Mankell nicht gerade auf dem antiisraelischen Terrorschiff Mavi Marmara auf dem Mittelmeer schipperte, sollte man hinzufügen.[79] Es geht Naus­ner um die „Hybridität der Kulturen“.[80] Für was steht Mbembe? In seinem Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ analysiert und kritisiert der kameruner Politologe Achille Mbembe die Gewalt des Kolonialismus und des Rassismus. Zu Recht attackiert er sowohl den Islam wie das Christentum und den Kolonialismus als universalistische Ideo­logien, die Afrika unter sich aufteilt­en, auch wenn das Wort „Ideologie“ kaum auftaucht und er eine französisch-post­struk­tur­a­list­ische Sprache in An­lehn­ung an Fou­cault, Deleuze, Guattari, Leiris u.a. benutzt. Die Ge­walt­för­mig­keit des „Neger“-Daseins, Mbembe verwendet absichtlich das Nomen „Neger“, wird plastisch und bedrückend dargestellt. Es ist nur so, dass Mbe­m­be im Rassismus und Kolonialismus die einzige und die Welt beherrschende Ide­o­logie sieht.

Die rassistische Unterwerfung über Jahr­hun­derte von Schwarzen oder people of colour sei das Muster für jede Form der Unterdrückung. Im heut­igen digitalen Fingerabdruck- und Augen-Iris-Speich­er­feti­schismus sieht er ein rassistisches Moment (z. B. das Suchen von Ge­flüchteten) und nicht etwa ein faschistoid-technisches Element von Herr­schaft. Das wird alles zusammen mit einer arg altmodischen Form von Kapi­ta­lis­muskritik vermischt. Für die Antisemitismusforschung gilt es, Mbembe kritisch zu lesen. Es geht um folgende Stelle in seinem Band „Kritik der schwarzen Vernunft“, die alles auf den Punkt zu bringen scheint. Er bezieht sich auf den auf der karibischen Insel Martinique geborenen Schriftsteller, Politiker und Mitbegründer der „Négritude“ Aimé Césaire (1913–2008), und schreibt:

Was der Westen Hitler nicht verzeihe, sei ‚nicht das Verbrechen an sich, das Verbrechen gegen den Menschen […], nicht die Erniedrigung des Menschen an sich, sondern das Verbrechen gegen den weißen Menschen, die Erniedrigung des weißen Menschen, und dass er, Hitler, kolonialistische Methoden auf Europa angewendet hat, denen bislang nur die Araber Algeriens, die Kulis Indiens und die Neger Afrikas ausgesetzt waren‘.[81]

Dieses Zitat steht für weite Teile der postkolonialen Forschung und indiziert einen postkolonialen Antisemitismus: Es leugnet, dass die Shoah ein nie dagewesenes Verbrechen war. Juden wurden demnach nicht als Juden, sondern als „Weiße“ ermordet.

Somit leugnet Achille Mbembe in Anschluss an Aimé Césaire, dass die Shoah ein Verbrechen gegen die Juden als Juden war. Vielmehr werden Juden als „weiße“ Opfer bezeichnet, also als koloniale Täter, die Opfer anderer kolonialer Weißer wurden. Diese Perfidie ist zentral für fast die gesamte postkoloniale Literatur. Mbembe bezieht sich auf Aimé Césaire. Nach Césaire ist sogar eine Straße im Herzen von Paris benannt, direkt um die Ecke vom Louvre an der Seine gelegen: der Quai Aimé Césaire im ersten Arrondissement, der am 26. Juni 2013 eingeweiht wurde. Das zeigt, wie Césaire und das postkoloniale Denken hier und heute in Europa Mainstream ist. Achille Mbembe steht für den postkolonialen Zeitgeist, der sich selbst als „gut“ und kritisch empfindet und gar nicht zu merken scheint oder nicht merken möchte, dass der Ansatz auf einer antisemitischen Trivialisierung der Shoah basiert.

Bemerkenswert an diesen Ausführungen zu postkolonialer Theorie, Mbembe, den BDS verharmlosenden deutschen Forscher*innen um Schüler-Springorum und Rürup, dem Deutschlandfunk und der Leopoldina ist die Tatsache, dass die Einzigartigkeit der Shoah auf verschiedene Weise vernebelt wird und gleichzeitig die BDS-Bewegung gegen Israel in Schutz genommen wird. BDS-Vertreter*innen sind aber keine Opfer, sondern Täter, sie wollen keinen jüdischen Staat Israel, wie es BDS-Gründer Barghouti eindeutig sagte.

Doch wie verhält es sich nun mit den Kritiker*innen der Coronapolitik, sind das alles Antisemiten und Verschwörungsideologen?

Was verstehen die Deutsche Welle und Hendrik Streeck unter einer Verschwörung?

Der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck ist ein Kritiker der besonders krassen Lockdown-Politik seines Vorgängers und Kollegen Christian Drosten bzw. der Bundes- und Landesregierungen. Streeck ist ein Berater des neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet in NRW. Doch Streeck ist opportun genug, sich nie zu kritisch zu gebärden, obwohl die Hetze gegen seine Person ohnehin schockierend ist (wie der Tweet #sterbenmitstreeck). Streeck ist also ein rationaler Virologe, der sehr wohl weiß, dass es noch viele andere und meist viel gefährlichere Krankheiten gibt (Herzinfarkte, Krebs, chronische Krankheiten aller Art etc.). Er versucht, die Medien von der extremen Variante der Panikindustrie à la Drosten, Wieler und Merkel wegzubringen, was im Mainstream eine sehr wichtige Leistung ist. Doch das heißt nicht, dass man nicht auch bei Streeck genau zuhören sollte und Kritik üben, wo sie angebracht ist.

Ein Interview Streecks mit der Deutschen Welle sowie ein Beitrag in der Fuldaer Zeitung zeigen, wie das Umdefinieren dessen, was eine „Verschwörungstheorie“, besser, was Verschwörungsmythen sind, im Zeiten von Corona funktioniert. Denn das, was die Fuldaer Zeitung hier als sechs „Verschwörungstheorien“ präsentiert und was auf einem Interview von Streeck mit der Deutschen Welle (DW) basiert[82], ist problematisch. Es gibt Verschwörungstheorien, und die sind gefährlich, z.B. dass Juden, Israel oder Amerika hinter Corona steckten, dass Bill Gates die Weltherrschaft via Zwangsimpfung wolle oder dass es Corona gar nicht geben würde und eine Erfindung böser Mächte sei. Doch keine davon wird erwähnt. Die Fuldaer Zeitung schreibt, was sie, die Deutsche Welle und Streeck für „Verschwörungstheorien“ bezüglich Corona halten:

Aussage 1: ‚Das Coronavirus ist gar nicht so gefährlich, die Gefahr wird von Medien, Politikern und Wissenschaftlern aufgebauscht‘, Aussage 2: ‚In Italien oder den USA gibt es so viele Tote. Hier gar nicht. Da stimmt doch etwas nicht‘, Aussage 3: ‚Das Virus ist bereits so oft mutiert, da bringt eine Impfung gar nichts. Oder man muss sich jedes Jahr wie bei der Grippe neu impfen lassen‘, Aussage 4: ‚Diese Impfungen sind höchst gefährlich und greifen unsere DNA an. Außerdem will nur die Pharmaindustrie dran verdienen‘, Aussage 5: ‚Das Coronavirus stammt aus einem Labor in China oder wurde versehentlich freigesetzt‘, Aussage 6: ‚Die Corona-Maßnahmen sind völlig übertrieben. Ich will meine Freiheit zurück.‘[83]

Mindestens fünf und eigentlich alle der hier von der Fuldaer Zeitung und in der Langversion von der Deutschen Welle und Streeck präsentierten sechs „Verschwörungstheorien“ sind schlicht keine Verschwörungstheorien, sondern nur andere Positionen. Dazu gehört selbst die Nr. 5, da ein „versehentliches“ Freisetzen des Virus ja wohl kaum eine Verschwörung sein kann, sonst wäre es nicht „versehentlich“. Oder nehmen wir die These Nr. 6: „Die Corona-Maßnahmen sind völlig übertrieben. Ich will meine Freiheit zurück.“ Wo liegt hier die behauptete Verschwörung? Oder die „Aussage Nr. 3“, dass eine Impfung nichts bringe, da das Virus mutiere – wo ist da eine Ver­schwörungstheorie? Und dann die „Aussage Nr. 1“: „Das Coronavirus ist gar nicht so gefährlich, die Gefahr wird von Medien, Politikern und Wissenschaftlern aufgebauscht.“ Was soll daran eine Verschwörungstheorie sein? Selbst wenn Corona gefährlicher sein sollte, als gedacht, wo soll in dieser Aussage eine Verschwörung stecken?

Vielmehr erwecken diese reißerische Überschrift und diese sechs „Aussagen“ den Eindruck, als wollten die Fuldaer Zeitung, die Deutsche Welle und Hendrik Streeck jede Meinung, die die Coronapolitik kritisiert, als eine von Verschwörungsmythenanhänger*innen diffamieren. Damit aber relativieren die Deutsche Welle, die Fuldaer Zeitung und Streeck selbst den tatsächlichen Antisemitismus der Verschwörungsideologie ganz vehement, denn die Protokolle der Weisen von Zion, die gefährlichste aller Verschwörungstheorien bis heute, waren eine (russische) Fälschung von 1905 und beinhalten eine tödliche Ideologie und antisemitische Agitation gegen Juden. Die heutigen Verschwörungsideologien angesichts von Corona sind auch gefährlich – und keine passt zu dem obigen Schema der Deutschen Welle oder der Fuldaer Zeitung.

Ich hatte bereits am 20. März 2020 zu Corona-Verschwörungsmythen geschrieben[84]:

China[85] wiederum, wie ein Sprecher des dortigen Außenministeriums,[86] fantasiert, die USA stünden hinter dem Virus und wollen China schaden. Solcher Verschwörungswahnsinn[87] kommt in anderer Form auch im Iran[88], der Türkei[89] oder in Russland vor. Schon wird der Coronavirus, sein Entstehen und die Verbreitung etc. antisemitisch[90] gedeutet.

So sehen Verschwörungsmythen bezüglich Corona zum Beispiel aus: Das American Jewish Committee (AJC) hat eine Übersicht über einige der übelsten antisemitischen Verschwörungsmythen zu Corona weltweit zusammengestellt, vom brasilianischen antizionistischen Cartoonisten Carlos Latuff über ägyptische, jordanische, palästinensische Beispiele hin zu amerikanischen Neonazis und deren Hetze gegen Juden, z.B. mit einem Cartoon, der eine Ratte zeigt, die in den israelischen Farben blau-weiß angemalt ist, einen Davidstern auf dem Rücken hat und beschriftet ist mit „The Real Plague“.[91] Auch George Soros kommt häufig bei Verschwörungswahnwichteln zu Corona vor, wie in Deutschland[92] oder den USA[93].

Man muss also auch angesichts von Corona solche Verschwörungsmythen bekämpfen und die weniger offensichtlichen umgehend knacken – doch genau das tun weder die Deutsche Welle noch die Fuldaer Zeitung oder deren Kronzeuge Hendrik Streeck. Dass die „Corona-Maßnahmen“ „völlig übertrieben“ sind, ist eine Meinung und keine Verschwörungstheorie. Mit dieser entgrenzten Nicht-Definition von Verschwörungstheorie leisten die Deutsche Welle und Fuldaer Zeitung der Aufklärung einen Bärendienst.

Sie kritisieren gar keine Verschwörungsideologen, die es gibt und die gefährlich sind, sondern verharmlosen die wirklichen Verschwörungswahnwichtel, wenn sie schon Menschen mit einer anderen Meinung, die keinerlei bösen Akteure herbeifantasieren, als Verschwörungsideologie-Anhänger*innen diffamieren. Wer also die „Co­rona-Maßnahmen“ als „völlig übertrieben“ charakterisiert, und das evidenzbasiert sowie demokratietheoretisch, der oder die wird von der Fuldaer Zeitung, der Deutschen Welle oder Hendrik Streeck offenbar als Anhänger*in von Verschwörungstheorien betrachtet und entsprechend sozial geächtet und diffamiert. Die Mission scheint erfüllt: Die Diskussion über die Verhältnismäßigkeit, Rechtmäßigkeit und über die Demokratie in Zeiten der Coronapolitik ist beendet, bevor sie richtig beginnen durfte. Hendrik Streeck ist sicher ein guter Virologe – aber bei sozial- und geisteswissenschaftlichen Themen wie der Analyse und Kritik von Verschwörungsmythen sollte er sich besser zurückhalten.

 

29. August 2020: Querdenken-Demo und Kundgebung in Berlin

Wer sich etwa den Livestream der Kundgebung von Querdenken 711 aus Stuttgart an der Siegessäule in Berlin am Samstag, den 29. August 2020 anschaute, merkte, dass es dort nicht nur um die Kritik an der sehr problematischen Coronapolitik der Bundesregierung und der 16 Landesregierungen ging – sondern auch um die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie. Mehrere Redner forderten ein eher plebiszitäres System, bei allen wichtigen Fragen sollen Volksentscheide her. Damit gäbe es in Deutschland von heute auf morgen die Todesstrafe und Antisemitismus würde zur Staatsreligion erhoben, um das mal überspitzt zu formulieren.

Diese Forderung nach Volksentscheiden und der Abschaffung der Bundesrepublik Deutschland durch Anselm Lenz vom „Demokratischen Widerstand“ und gleichnamiger Wochenzeitung wird ergänzt vom Vorredner Heiko Schrang, der gegen die vorgebliche Finanzherrschaft der Elite („Hochfinanz“) und die Korruption der Politik hetzt – ersteres ein ganz alter antisemitischer Topos und Letzteres nicht weniger ressentimentgeladen.[94] Einer der Redner auf der Bühne am Großen Stern in Berlin war der bis dato Grünen-Lokalpolitiker David Claudio Siber aus Flensburg.[95] Was er jedoch einige Wochen später auf einer anderen Kundgebung sagte, zeigt, was für ein anti-linkes, anti-kommunist­isches und anti-antifaschistisches Unverständnis von Begriffen in diesem Milieu vorherrscht:

Ein aktuelles Beispiel ist der Begriff ‚Antifaschismus‘. Viele Menschen wissen nicht, dass dieses Narrativ überhaupt nichts mit Anti / Faschismus zu tun hat. Es bedeutet nicht, dass man gegen Faschismus ist, denn darum geht es gar nicht dabei. Antifaschismus ist eigentlich in Wahrheit eine Erfindung von Josef Stalin und war einzig und allein dazu da, die Deutungsmacht über Meinungen und Handlungen des Gegenübers zu erzwingen.[96]

Es sei also vor 1933, als der antifaschistische Kampf gegen die Nazis und die SA-Mörder auf den Straßen der Weimarer Republik versuchte, die Machtübergabe an die NSDAP zu stoppen, gar nicht um Faschismus gegangen, sondern um eine „Deutungsmacht“? Das ist so ahistorisch[97] und ohne jede wissenschaftliche Fundierung, dass man sich die Augen reibt. Die Kritik an den Maskenanhänger*innen der Antifa ist das eine, eine so unwissenschaftliche Nicht-Definition von Faschismus und Antifaschismus von Siber jedoch vollkommen desolat und indiskutabel. Und Siber wird als einer der seriöseren Redner der Anti-Corona-Maßnahmen-Demos betrachtet. Selbst der NDR berichtete über seinen Fall.[98]

Es wurde von Rednern auf der großen Bühne von Querdenken 711 am Großen Stern (Siegessäule) am 29. August der Austritt aus der NATO und der EU gefordert. Parallel dazu versuchten Hunderte Neonazis das Reichstagsgebäude zu stürmen, sie wurden von drei Polizisten abgedrängt. Der extrem rechte religiöse Agitator und Verschwörungsideologe Samuel Eckert, der den islamistischen Charakter des 11. September 2001 leugnet und geheime Mächte am Werke sieht, ist federführend bei der Querdenken-Bewegung mit dabei.[99]

Eckert und Schiffmann machten September 2020 eine „Bus-Tour“. Dabei wollten sie Flugblätter gegen die Coronapolitik verteilen und mit den Menschen auf der Straße ins Gespräch kommen, wie Schiffmann ankündigte.[100] In einem YouTube-Chat von Eckert mit Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin und einem weiteren Verschwörungsideologen wie Oliver Janich nach den Demonstrationen vom 29.08.2020 wird deutlich,[101] dass sich hier eine rechtsextreme Bewegung ganz offen bildet. Janich hatte 2017 zur Wahl der AfD aufgerufen.

Elsässer feiert die „Reichsfahne“ des Nationalsozialismus, analogisiert sie wie im Trance mit der „Regenbogenfahne“ und attestiert ihr „Kultstatus“. Es würden jetzt „Hippies“ und andere die Reichsfahne tragen, die das früher nie getan hätten. Die Reichsfahne ist die offizielle Fahne des Nationalsozialismus, der verbrecherischsten Regimes, das es je auf Erden gab. Dass dieses Regime via dieser Fahne von dem engen Kreis um Querdenken-Gründer Michael Ballweg offen gefeiert wird und mit Eckert ein enger Kumpel oder Freund von Ballweg wie vom HNO-Arzt Bodo Schiffmann maßgeblich beteiligt ist, ist Grund zur Besorgnis. Die Stuttgarter Nachrichten berichten:

Dabei kommen immer wieder interessante Details zu Tage. Zum Beispiel heben Elsässer und Janich lobend hervor, dass sich Michael Ballweg öffentlich kritisch zum Zwei-Plus-Vier-Vertrag, mit dem die deutsche Wiedervereinigung außenpolitisch ermöglicht wurde, und der Souveränität Deutschlands äußert. ‚Das heißt, im Grunde hat auch Michael Ballweg so eine Stimmung befördert, was auch nicht schlecht ist, wenn man das Thema Souveränität endlich auf den Tisch packt‘, sagt Jürgen Elsässer. Im gleichen Atemzug stellt er erfreut fest, dass sich im Rahmen der Querdenken-Demonstrationen eine Art ‚Reichspopbewegung‘ herausbildet mit der Reichsflagge als Symbol für ein neues Lebensgefühl.[102]

Die Stuttgarter Nachrichten ordnen das Gespräch der drei extrem rechten Aktivisten so ein:

Das gut eineinhalbstündige Interview wirft viele Fragen auf. Die allerdrängendste ist sicherlich: Wen meinen die drei Gesprächspartner, wenn sie ‚Wir‘ sagen? Für den Zuschauer muss es so erscheinen, als ob sie sich als Teil einer Bewegung verstehen und über gemeinsame zukünftige Aktionen diskutieren. Kommentieren wollten diese Frage gegenüber unserer Zeitung weder Michael Ballweg noch Samuel Eckert. Michael Ballweg verwies einzig darauf, dass das Gespräch nicht abgestimmt gewesen und von Samuel Eckert in Eigenregie geplant und durchgeführt worden sei. Ebenfalls unkommentiert ließen sie die Frage, warum eine Initiative wie Querdenken 711, die laut ihres Manifests das Grundgesetz verteidigen will, ihre Strategie mit Menschen abstimmt, die dieses Grundgesetz in Frage stellen.

Die Selbstverständlichkeit, mit der Neonazis mit ihren schwarz-weiß-roten Reichsflaggen, den Reichskriegsflaggen oder den antisemitischen Q-Symbol der QAnon-Bewegung und mit riesigen US-Flaggen den ganzen Tag über mit den bürgerlichen Demonstrant*innen mitlaufen konnten, ist schockierend. Auch der Agitator und Mit-Diskutant von Samuel Eckert Jürgen Elsässer und sein rechtsextremes und antisemitisch-verschwörungsmythisches Compact Magazin[103] waren mit Q-Symbol auf einem kleinen Fähnchen auf der Demo mit dabei.

Eine noch viel größere schwarz-rot-goldene Deutschlandfahne und viele weitere Deutschlandfahnen erinnerten an den nationalistischen Furor von 2006 („Sommermärchen“[104]) – also viele TeilnehmerInnen waren insofern ganz normale Deutsche.

Es liefen sicherlich auch viele Tausend demokratische und ernsthaft von der brutalen Coronapolitik genervte Menschen auf dieser selbst von der Polizei mit ca. 38.000 Teilnehmern bezifferten Demo mit.

Doch wie man den ganzen Tag über jedenfalls weit weg im livestream sehen konnte, wurden Nazis nicht ausgegrenzt. Sicher gab es Teilnehmer*innen, die z.B. – das konnte man sehen – mit einer Israelfahne direkt neben einer Reichsflagge standen und diese überflügeln wollten, was vollkommen absurd wirkte. Auf den Reichstagstreppen konnte man nicht nur Leute sehen, die wie kampferprobte Neonazis, Gewalttäter und Schläger wirkten, sondern auch 65+ ältere Menschen, die nicht wie Schläger aussahen, was nicht heißen muss, dass sie keine Reichsbürger*innen oder Verschwörungswahnwichtel waren.[105]

Es braucht endlich eine linke und liberale Kritik an der Corona-Politik. Nie wurde das deutlicher als an diesem 29. August 2020. Heuchler jedoch sind jene Antifas (wie die geschätzte und wichtige Arbeit leistende Seite Belltower der Amadeu Antonio Stiftung,[106] inkl. der Kollegin Simone Rafael), die sich zwar zurecht gegen Nazis heute auf der Demo stellten und darüber berichten, aber zu der unerträglichen Demokratiebeschädigung und der Gefährdung von Menschen sowie weltweiten „Kollateralschäden“ der katastrophalen und irrationalen Coronapolitik schweigen.

Am Rande der großen Corona-Demo gab es eine Aktion von ca. 3000 Rechten, Neonazis, Reichsbürgern und Rechtsextremisten um den veganen Koch Attila Hildmann, die ihre Nähe zu Putin vor der russischen Botschaft in Berlin, Unter den Linden, zum Ausdruck brachten, wobei Hildmann dies im Schwitzkasten der Polizei tun musste. Diese antidemokratischen und neonazistischen Hetzer fabulieren von einem „Friedensvertrag“ und sehen Deutschland immer noch als besetzt an.

Wenig später, am Samstag, den 5. September 2020 gab es in Wien eine Querdenken-Kundgebung. Wie organisatorisch Querdenken Österreich mit Querdenken Deutschland zusammenhängt, wäre eine weitere Frage. Es ist der gleiche Name und es handelt sich um das gleiche Milieu. Sicher sind weder in Deutschland noch Österreich alle Teilnehmer*innen von Querdenke-Events rechts oder gar Rechtsextreme, das ist empirisch falsch und das weiß sogar der Staats- und Verfassungsschutz. Aber es gibt eben diese rechten Kreise und das ist gefährlich und abstoßend genug. Auf dieser Kundgebung in Wien zerrissen drei rechtsextreme Redner*innen auf der Bühne eine Regenbogenfahne.[107]

Für die Rednerin und andere Redner steht diese Friedensfahne, die auch Symbol der LGBT-Bewegung ist, für „Kindesmissbrauch“, womit sie auch ein Kerntheorem der QAnon-Verschwörungsideologie verwendet. Eine berüchtigte Anhängerin von US-Präsident Trump ist Mary Ann Mendoza, die Ende August als Rednerin auf dem Parteitag der Republikaner in den USA vorgesehen war, dann aber aufgrund eines antisemitischen Tweets wieder ausgeladen wurde. Die Ideologie, hinter der Mendoza steht, ist der Kernpunkt der QAnon-Bewegung, deren Essenz wiederum fast 120 Jahre alt ist und auf die gefälschten Protokolle der Weisen von Zion zurück geht. Die US-Seite vox berichtet:

‘Do yourself a favor and read this thread,‘ Mary Ann Mendoza wrote on Twitter Tuesday, just hours before she was scheduled to appear at the 2020 Republican National Convention. The RNC chose to cancel Mendoza’s speech shortly afterward, and Mendoza deleted her tweet after news reports highlighted the anti-Semitic content of the thread she praised. The ‚thread‘ that Mendoza pointed to is an extraordinarily long and rambling conspiracy theory that is difficult to parse. To the extent that it contains a coherent narrative at all, it appears to claim that Queen Elizabeth II of Britain, former President Barack Obama, billionaire George Soros, and ‚Satanic High Priestess Hillary Diane Rodham Clinton‘ are all part of a conspiracy, set in motion by the wealthy Jewish Rothschild family, to ‚Rob The ‘Goyim’ Of Their Landed Properties And Industries With A Combination Of High Taxes And Unfair Competition,‘ among other things. Much of this conspiracy theory tracks a notorious anti-Semitic hoax laid out in the ‚Protocols of the Elders of Zion,‘ an entirely fabricated work of propaganda which purports to be the minutes from a secret meeting of Jewish leaders seeking to gain world domination by controlling institutions such as the world’s financial markets and the media.[108]

Dass nun Leute, die dieser Bewegung anhängen, auf der Demo in Berlin am 29.8. dabei waren und in Wien den homophob-verschwörungswahnsinnigen Teil der Corona-Kritiker repräsentieren, zeigt an, wie rechtsextrem und antisemitisch unterfüttert die Querdenken-Bewegung offenkundig ist. Das Gespräch Eckert-Elsässer-Janich unterstreicht diesen Eindruck. Und was will man sagen, wenn solche antisemitischen Hetzerinnen wie Mendoza persönlich bekannt sind mit Trump und von ihm im Oval Office empfangen wurden, wie die US-Seite vox einen Artikel bebildert?

Auch der Musiker Xavier Naidoo vertritt bekanntlich seit Jahren reichsbürgerliche und antisemitische Verschwörungsideologeme, wie der österreichische Standard in einem Artikel über das Zerreißen jener Regenbogenfahne auf dieser Wiener Querdenken-Kundgebung analysiert:

Qanon-Anhänger werden von einer Geschichte angezogen, die zahlreiche Verschwörungsmythen verknüpft. Haltlose und unbelegbare Vermutungen über einen ‚tiefen Staat‘, in dem Prominente, Linke und Superreiche die Geschicke der Welt steuern, sind ein Kern der Qanon-Erzählung, schreibt das ZDF in einem Artikel. Gewürzt wird dies mit Antisemitismus. So wird immer wieder die Rolle von Jüdinnen und Juden besonders betont – der Milliardär George Soros ist ein beliebtes Feindbild der Gruppierung. Als Messias gilt hingegen US-Präsident Donald Trump, der angetreten ist, um diese weltumspannende Verschwörung zu beenden, die Verschwörer zur Verantwortung zu ziehen und ihre Opfer zu befreien. Prominenteste Qanon-Stimme im deutschen Sprachraum ist der Sänger Xavier Naidoo. Regelmäßig verbreitet er die Verschwörungserzählungen der Gruppe auf Telegram. Durch seine Bekanntheit erreicht er Menschen, die sonst kaum mit derartigem Hokuspokus in Berührung kommen.[109]

Und dennoch muss man dialektisch sehen, dass es gerade jene auch von vielen Rechten, Spinnern, Esoteriker*innen veranstaltete Demo und die Kundgebung in Berlin waren, die der Kritik an der autoritären, nicht evidenzbasierten und antidemokratischen Coronapolitik eine Stimme gaben und der Welt zeigten, dass es Kritik gibt und dass vielen Zehntausend es die Mühe wert war, vom tiefsten Bayern, Baden-Württemberg, aus der Schweiz und Österreich oder aus Nordfriesland, dem Rheinland oder dem Erzgebirge nach Berlin zu fahren, um die Coronapolitik in Frage zu stellen.

Viele dieser Leute waren schon seit 9/11 Verschwörungstrottel, das ist also nichts Neues. Viele waren es vielleicht weder damals noch heute, haben wir dazu empirische Forschungen, die repräsentativ sind? Gibt es eine qualitative Sozialforschung, die sich den rationalen Kern der Kritiker*innen – Kritik an der antidemokratischen, die kritische Epidemiologie negierende und Kollateraltote ganz bewusst in Kauf nehmende Regierungspolitik – anschaut, ohne die irrationalen und rechtsextremen Aspekte zu übersehen? Vielmehr ist doch zu befürchten, dass so gut wie jede Tages- oder Wochenzeitung, jedes Uni-Seminar und jede Umfrage nur darauf hinaus will, bis heute (Januar 2021), dass alle Demonstrant*innen gegen die Coronapolitik mehr oder weniger verschwörungswahnsinnig oder Nazis sind. Dabei machen es sehr viele der Protagonist*innen dieser Szene den regierungsaffinen Kritiker*innen häufig sehr leicht, sie zu attackieren. Das sollte aber die seriöse Forschung nicht abhalten, endlich kritisch zur Corona- und Demokratiekrise zu forschen.

NS-Verharmlosung: Corona und das „wohl“ „größte Verbrechen geg. d. Menschlichkeit“

Es gibt seit Sommer 2020 einen sogenannten Corona-Untersuchungsausschuss einer Gruppe von vier Rechtsanwält*innen um die Berlinerin Viviane Fischer.[110] Der bekannteste Vertreter der Gruppe ist der Anwalt Dr. Reiner Füllmich, der sowohl in den USA als auch in Deutschland arbeitet. Der unabhängige Corona-Untersuchungsausschuss hat dutzende Sitzungstage durchgeführt, wo stundenlang Zeug*innen gehört wurden und die unterschiedlichsten Aspekte der Corona-Krise kritisch beleuchtet wurden. Eine Analyse dieser Sitzungen wäre eine eigene Studie wert, da dort viele unbekannte Fakten auf den (virtuellen) Tisch gelegt wurden und viele medizinische und andere Expert*innen Gehör fanden, die im Mainstream nicht zu Wort kommen.

Das ganze kulminierte dann in einer Klage gegen den PCR-Test von Christian Drosten, die Füllmich in den USA einreichen will. Schon zuvor, in einem Video, hochgeladen am 1. Oktober 2020 auf dem Kanal von Reiner Füllmich („106.000 Abonnenten“) mit dem Titel „Money Talks V – Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (746.206 Zugriffe, Stand 20.01.2021) sagt Reiner Füllmich:

„Und ich erkläre Ihnen auch, warum sich dieser Skandal zum wohl größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit entwickelt hat. Ein Straftatbestand, welcher erstmals im Zusammenhang der Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des Dritten Reiches definiert wurde und heute im Völkerstrafgesetzbuch Paragraf 7 geregelt ist.“

Das ist eine antisemitische Leugnung der Einzigartigkeit der Shoah. Das perfide Wörtchen „wohl“ suggeriert, dass sich der Sprecher nicht ganz sicher ist, ober der Holocaust, etwas anderes oder doch die Coronapolitik das „größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ist. Der Holocaust ist demnach nicht definitiv das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wenn die Corona-Politik im weitesten Sinne, um die geht es hier, als „wohl größtes Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ präsentiert wird. Wie oben gezeigt, passt diese Holocaustverharmlosung auch zu Protagonisten der Corona-Politik, die raunen, die rassistische Kolonialpolitik im Deutschen Kaiserreich sei ein direkter Vorläufer der Vernichtungspolitik gegen die Juden im Nationalsozialismus gewesen.

Füllmich ist auch verbunden mit dem Publizisten Markus Langemann („Club der klaren Worte“), der ihn interviewte. Langemann diskutiert häufig eloquent die Fehler der Coronapolitik, aber hat selbst mit rechten Positionen wiederum keine Probleme, was man u.a. daran erkennt, dass er auf seiner Homepage einen Film über den extrem rechten ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen verlinkt bzw. anpreist („Der Stachel“).

Multipolar, böse Amerikaner und die Entwirklichung des Jihad

Multipolar ist eine Homepage von Stefan Korinth, Paul Schreyer und Ulrich Teusch, die ein zentraler Teil der Szene der Kritiker*innen der Coronapolitik ist und starke Bezüge zu verschwörungsmythischem Denken hat. Das im Januar 2020 gegründete Magazin hat ein recht einfaches Weltbild, das offenbar den Irakkrieg der USA 2003 als Wendepunkt der jüngeren Geschichte sieht. So schreiben die drei Macher von Multipolar über ihre Seite:

„Gegenwärtig erleben wir den Übergang von einer unipolaren zu einer multipolaren Weltordnung. Seit dem gescheiterten Irakkrieg des Jahres 2003 verfällt die einstige globale US-Hegemonie.“

Dieser äußerst verkürzte Blick auf Politik, Gesellschaft und Kultur, ja auf die oder eine „Weltordnung“ ist zentral mit dem 11. September 2001 verknüpft. 9/11 ist der Gründungsmythos von Millionen von Verschwörungsideolog*innen weltweit. Sie leugnen nicht nur die islamistische Täterschaft, die gezielte und lange geplante islamistische Tat von Osama Bin Laden und seinen Gefolgsleuten, sondern sie fabulieren oder insinuieren über mögliche andere Täter oder Helfershelfer.

Das zeigt sich exemplarisch an Paul Schreyer. In einem bislang (Stand 19.01.2021) über 1,7 Millionen Mal geklickten Video auf Youtube vom 24.12.2020 über „Pandemie-Planspiele – Vorbereitung einer neuen Ära?“ geht der Journalist auf alle möglichen Pläne von Staaten und Organisationen weltweit ein. Er ignoriert ideologische Phänomene wie den Islamismus, um über eine Personalisierung und monokausale Zusammenhänge zu suggerieren, dass Planspiele die Herrschaft über weite Teile der Welt seit vielen Jahren vorbereiten würden.

Corona sei nur der derzeit letzte Zug darin. Das passt zu einem Kollegen von Schreyer, Daniele Ganser, einem Schweizer Historiker. In einem Vortrag in Berlin im März 2019 – „Daniele Ganser: Propaganda – Wie unsere Gedanken und Gefühle gelenkt werden“ – geht er u.a. auf Edvard Bernays ein, einem zentralen Bezugspunkt für die häufig antisemitisch argumentierende Verschwörungsszene (siehe dazu unten „Querdenken und KenFM“).

Auch Ganser geht auf die islamistische Ideologie überhaupt nicht ein und raunt im Verschwörungstonfall von einem Gebäude, das am 11. September eingestürzt sei, ohne dass ein Flugzeug in es hineingeflogen sei, ein bekannter Verschwörungsmythos, der ignoriert, dass dieses Gebäude durch die beiden Einschläge in die Zwillingstürme des World Trade Centers in Manhattan massiv beschädigt war und deshalb später einstürzte (siehe dazu unten mehr).

Interessant ist nun, dass Schreyer mit Ganser über eine Firma verbunden ist, W.I.R., „Wissen ist relevant“, was sicher ein Spaßvogel sich ausgedacht hat, da es ja schwerlich einen größeren Widerspruch von Wissen und Verschwörungsmythen gibt. Der Youtube-Kanal von W.I.R. hat Schreyer wie Ganser und andere Referent*innen im Angebot.

Am Ende seines Vortrags vom Dezember 2020 geht Paul Schreyer auf ein weiteres Pandemie-Planspiel ein, „201“ , das im Oktober 2019 in New York City, Manhattan, in einem Nobelhotel stattfand. Dieses Hotel wurde laut Schreyer 1930 während der Weltwirtschaftskrise von „Wall-Street-Bankern“ gebaut. Es habe architektonisch Anleihen an die „Schloßkapelle von Versailles“ von Ludwig XIV in Frankreich und wolle deren Herrschaft auf eine gewisse Weise imitieren. Es geht wie immer beim Vortrag von Schreyer primär um die Personen, die an geheimen oder nicht so geheimen Treffen teilnehmen. Dass sich die bürgerliche Elite trifft um Herrschaftspläne zu diskutieren, ist allerdings nichts Neues und keine Verschwörung.

Schreyer zeigt in seinem Vortrag ganz am Ende, dass schon beim Planspiel 201 Grafiken einer Pandemie-Entwicklung mit Fallzahlen, Todeszahlen etc. zu sehen gewesen seien, wie wir sie jetzt von Corona 2020 kennen. Gab es so etwas nie zuvor? Und selbst wenn, das sind an sich harmlose, wenn auch kontextlose Grafiken, dazu braucht es keine Verschwörung, eine reduktionistische Berichterstattung ist nun nichts kategorial Neues, auch nicht für Demokratien. Wie immer im Verschwörungsdenken geht es hier nicht um Beweise, sondern um das Rumoren, das Insinuieren, das obsessiv Konkretistische – WER war dabei, Wo liegt das Hotel, Wie sieht es aus? Für Schreyer wurde also schon im Herbst 2019 mehr oder weniger konkret eine Corona-Pandemie durchgespielt, samt Dashboard, Zensur durch Google, Youtube oder Social Media, auf Linie gebrachte Medien, wie wir sie jetzt seit März 2020 weltweit erleben.

Man stellt sich unwillkürlich die Frage, wer irrationaler agiert: die herrschende Coronapolitik, die sich weigert, konkrete Schritte zum Schutz der einzig wirklich vulnerablen Gruppen einzuleiten, oder jene Verschwörungsideologen. Ein Bestseller-Autor und Guru der Verschwörungswahnwichtel-Szene von 9/11 ist Mathias Bröckers. Im Januar 2021 fantasiert er über den Pro-Trump Mob, der am 6. Januar 2021 ins Kapitol stürmte, dass es primär um die Reaktion des Establishments von Joe Biden gehen würde, die wie Bush nach 9/11 nun Anti-Terrorgesetze durchsetzten.

Am gleichen Tag schreibt auf der gleichen Internetzeitschrift Telepolis der Autor Marcus Hammerschmidt und vertritt nicht weniger irrationale Theoreme wie jenes von „ZeroCovid“, also jener totalitären (linken) Bewegung, die ernsthaft meine, man könnte ein respiratorisches (eine Art Grippe-)Virus eliminieren. Da schüttelt jeder Medizinier, Epidemiologe oder Virologe, ja jeder Public Health-Experte und jeder Mensch, der die internationale Debatte über Corona seit Anfang 2020 verfolgt hat, nur den Kopf. Telepolis jedoch zeigt wieder einmal, dass sie für ganz unterschiedliche irrationale Strömungen offen sind, wenn da mal keine Querfront gegen den rationalen Verstand herauskommt.

Allein die #ZeroCovid-Kampagne von explizit Linken, auf die wir sogleich zu sprechen kommen, widerlegt den Verschwörungswahnsinn vieler Coronapolitik-Skeptiker*innen, denn diesen Linken wird nicht mal der dümmste Verschwörungsgläubige anhängen, dass sie planten, die Welt zu beherrschen. Wenn also die Coronakrise so dermaßen riesig ist, dass Linke den Staat rechts überholen und polizeistaatlich alles dichtmachen wollen, dann sollten vielleicht jetzt jene anfangen zu denken, die meinen, es gäbe böse Mächte in New York City und Amerika bzw. der westlichen Welt, die schon lange vor 2020 die Machtübernahme planten und Böses im Schilde führten.

Die Coronakrise ist viel schlimmer als es solche absurden Verschwörungsmythen suggerieren. Die Coronakrise zeigt eine metaphysische Unsicherheit, eine Machbarkeitshybris (#ZeroCovid, Inzidenz unter 50 im Winter, etc. pp.), einen antidemokratischen politischen Impetus, eine nicht evidenzbasierte Medizin und eine Lust zur Denunziation von Kritiker*innen, dass es kaum zu ertragen ist.

Querdenker und Linke für #ZeroCovid und „Mega-Lockdown“

Ein linkes Bündnis um die Rechtsanwältin Christina Clemm aus Berlin, die im Impressum steht, fordert am 12. Januar 2021 #ZeroCovid. Sie wollen einen europaweiten totalen Lockdown, auch die Industrie soll komplett lahmgelegt werden. Sie wollen, dass es null weitere SARS-CoV-2 Infektionen gibt.

Der Aufruf setzt so ein:

Nach einem Jahr Pandemie sind wir in ganz Europa in einer äußerst kritischen Situation. Tausende Menschen sterben jeden Tag und noch viel mehr erkranken. Das neue Coronavirus breitet sich rasend schnell aus, von Mutationen noch beschleunigt. Die Maßnahmen der Regierungen reichen nicht aus: Sie verlängern die Pandemie, statt sie zu beenden, und gefährden unser Leben.

Daran sieht man bereits wie unwissenschaftlich und Panik getrieben hier agitiert wird. Es gibt nicht den Hauch eines wissenschaftlichen Belegs, dass es nun auch noch eine gefährlichere Variante von Corona gibt. Wer stirbt und wo? Seit wann sterben im Winter nicht schon immer mehr Menschen? Wie gefährlich soll ein Virus für die gesamte Menschheit sein, wenn die Weltgesundheitsorganisation wissenschaftlich belegt zeigt, dass die Infektionssterblichkeit bei ca. 0,23 Prozent[111] oder darunter liegt wie bei 0,14 Prozent? Die letzte Zahl basiert lt. WHO auf über 750 Millionen „Infektionen“ weltweit, Stand Oktober 2020,[112] mittlerweile werden es noch weit mehr Menschen sein, die mit SARS-Cov-2 in Berührung kamen, wobei fast alle davon nichts merkten oder kaum Symptome hatten.

Teilweise überfüllte Intensivstationen gibt es in jedem Winter oder jeder schwereren Grippewelle, grade in Italien oder den USA, aber auch in Deutschland. Eine echte und wirkliche medizinische Krise sieht anders aus: Während 1918 bei der Spanischen Grippe das durchschnittliche Todesalter bei 28 Jahren lag, liegt es heute in Deutschland bei ca. 82 Jahren. Das Medianalter der aktuellen Covid-Toten liegt in Deutschland am 19. Januar 2021 bei 84 Jahren.[113] Es sind 1918 von ca. 1,5 Milliarden Menschen auf der Welt zwischen 50 und 100 Millionen an der Grippe gestorben. Das sind nicht weniger als mindestens 3,3 Prozent (bei 50 Mio Toten) der Weltbevölkerung. Heute starben von 7,8 Milliarden auf der Erde nur 2 Millionen an – oder „mit“ – Corona. Das sind 0,025 Prozent der Weltbevölkerung.

Wenn man also die Weltbevölkerung in Beziehung setzt zu den Grippetoten 1918 und den Coronatoten 2020/21, dann starben 1918 132 Mal mehr Menschen an der Grippe (Influenza) als heute an Corona starben und sterben. Das zeigt, wie harmlos Corona ist. Es kann jeden treffen, aber die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, namentlich im Vergleich zu echten Seuchen wie der Pest im Mittelalter oder der frühen Neuzeit oder auch verglichen mit der Spanischen Grippe von 1918.

1970 bei der Hongkong-Grippe starben in der alten BRD 40.000 Menschen an der Grippe, die Infektionssterblichkeit – also der Prozentsatz derjenigen, die sich infizierten und daran starben – lag laut Robert Koch-Institut bei 0,29 Prozent.[114] Laut WHO liegt die Infektionssterblichkeit von Corona, basierend auf über 60 internationalen Studien, bei 0,23 Prozent.[115] Es mag sich jede und jeder nun selbst Gedanken darüber machen, wie seriös die tageszeitung (taz) arbeitet, die jüngst in einem von der NGO und den Kampagnenmacher*innen von Campact gepushten und vertriebenen Dossier fabuliert, „Covid-19 ist im Schnitt aller Altersgruppen zehnmal so tödlich als die Grippe“.

Die Chefredakteurin der taz Ulrike Winkelmann, die für die Kampagne mit ihrem Namen im Impressum steht, scheint es so zu sehen. Wird es nach Covid wieder einen einigermaßen seriösen Journalismus geben oder ist der für alle Zeiten gestorben?

Erstunterzeichner*innen von #ZeroCovid, dieser Kampagne des Wahnsinns, die man besser #ZeroBrain nennen sollte, sind zwar keine richtig bekannten Leute, aber dennoch Multiplikatoren und typische Vertreter*innen der links-liberalen kulturellen Elite wie der ARD-Moderator Georg Restle, die Marxisten Wolfgang Fritz und Frigga Haug, der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba, der Satiriker der Titanic Leo Fischer, der kultige Veranstaltungsort und die Konzert- und Party-Location SO36 im Herzen von Kreuzberg 36, die Konkret-Autorin Veronika Kracher, der ehemalige Linkspartei-Politiker und Publizist Winfried Wolf, die deutsche Stimme der israelhassenden Feministin Judith Butler[116], Sabine Hark, wahnsinnig ‚antideutsche‘ Musiker wie Torsun von Egotronic, die früher mal so taten, als ob sie den Bombenkrieg der Engländer gegen Nazi-Deutschland gut fanden und sich jetzt hinter den totalitären Lockdown stellen, ja den Lockdown der herrschenden Klasse um Angela Merkel noch extrem verschärfen wollen und damit auch das Nazi-Blockwartverhalten der Bevölkerung wie der Polizei aktiv unterstützen, und Hunderte weitere sind dabei. Dazu kommen über 78.000 weitere Unterschriften (Stand 22.01.2021). Besonders frappierend ist die Unterschrift dieses Mannes:

Dr. Mathias Berek, Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin, Standort Berlin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Was für ein „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ wird durch Lockdowns und die aktuelle extrem aggressive, polizeistaatliche und irrationale, medizinisch nicht begründete Coronapolitik gestärkt, die, so die Befürchtung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, dem Friedensnobelpreisträger 2020, bis zu 130 Millionen oder jetzt sogar bis zu 270 Millionen zusätzliche Menschen in den Nicht-Industrieländern in den Hungertod führen könnte?[117]

Wie ignorant muss mensch sein, um die weltweiten ‚Kollateralschäden‘ zu goutieren, ja einzufordern, da ein deutscher Lockdown die Weltwirtschaft extrem schädigt, und die Schließung von Schulen in Afrika oder Asien etc. nach sich zog im Frühjahr 2020 und jetzt wieder ähnlich desaströs enden wird, wo viele Kinder nur in der Schule eine warme Mahlzeit erhalten? Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) warnt vor den dramatischen Folgen der Lockdownpolitik.[118] Wie ignorant und mittelklassen-arrogant-weiß muss man sein, um diese unabschätzbaren Gefahren nicht zu sehen?

Wie ignorant muss mann und frau sein, um nicht zu sehen, dass häusliche Gewalt in Berlin, Köln, Duisburg, Esslingen am Neckar (die Zeitschrift Argument, Wolfgang Fritz + Frigga Haug wie auch Georg Restle kommen da her) oder Euskirchen, München, Heinsberg und Stuttgart, Leipzig, Greifswald und Lübeck im Jahr 2020 zugenommen hat, weil die Menschen wie Tiere zu Hause eingesperrt waren und sind? Und dieses Eingesperrtsein wollen die Protagonist*innen von #ZeroCovid noch verschärfen.

Wie kinderfeindlich muss ein Mensch sein, um nach insgesamt bald sechs Monaten Schulschließungen noch mehr Schulschließungen und Kita-Schließungen zu fordern? Wie unglaublich erbärmlich und menschenverachtend muss man sein, wenn man noch krassere Lockdowns fordert, wenn wir erschütternde Bilder von Kleinkindern sehen, die im Alter von 2 Jahren beim Gang ins Haus sich die Hände desinfizieren?

Dabei ist die medizinische Situation ganz einfach: Es hätte von Anfang an nur und ausschließlich um den Schutz der vulnerablen Gruppen gehen müssen. Das sind Menschen über 80, die noch dazu krank sein müssen, um in Lebensgefahr zu geraten. Und an irgendwas werden Menschen in diesem Alter immer sterben.

Aus medizinischer Sicht ist ZeroCovid also erstmal vollkommen unmöglich. Eine Atemwegserkrankung wie die Grippe/Influenza oder ein Virus wie SARS-CoV-2 kann man nicht stoppen. Coronaviren waren schon immer Teil von Grippeerregern und haben schon immer auch zum Tod geführt.

Warum starben 1918 vor allem Menschen im Alter von 28 Jahren im Durchschnitt? Womöglich deshalb, so die internationale Forschung, weil sie die schwere russische Grippe von 1889/90 nicht erlebt hatten und somit keinerlei T-Zellen oder sonstige Immunität erwerben konnten.[119]

Es wird ein dramatisches ‚Spiel‘ werden, wenn Australien und Neuseeland sich in zwei oder vier Jahren wieder für die Welt öffnen sollten und die Bewohner*innen dann merken, dass sie viel zu wenig Immunität gegen Corona haben, weil ihnen der Kontakt mit harmlos Infizierten fehlte.

Der Kern ist aber nicht dieser medizinische Irrsinn von ZeroCovid. Der Kern ist ein totalitäres Denken.

Am 17. Januar publizierte eine Gruppe von vier linksradikalen Leuten eine sehr wichtige Stellungnahme gegen ZeroCovid. Darin heißt es:

Dieser Text wird aus schierer Verzweiflung geschrieben. Verzweiflung darüber, dass Menschen, welche[] wir bisher als unsere Verbündeten angesehen haben, im Dauerfeuer der medialen Covid-Panik wohl das Hirn geschmolzen sein muss; darüber, dass Gruppen, welche wir als Teil einer progressiv-subversiven Zivilgesellschaft angesehen haben, alle ihre Ideale über Bord werfen und päpstlicher werden als der Papst (…).

Die Schreibenden (4Stück an der Zahl) arbeiten alle im Gesundheitssektor. 1x Ärzt_in für Innere Medizin, 1x Intensivpfleger_in, 1x Onkologiepfleger_in, 1x Notfallsanitäter_in. Alle sind auf die eine oder andere Art täglich mit den Auswirkungen von Covid19 konfrontiert. Zu bagatellisieren ist nicht unser Ziel. Covid19 stellt uns alle vor immense Herausforderungen und die Entscheidungen, denen manche von uns fast täglich ausgesetzt sind, hätten wir uns nie gewünscht treffen zu müssen.

Aber trotzdem fragen wir uns wie es sein kann, dass sich die politischen Koordinaten in derart kurzer Zeit so gravierend verschoben haben, dass antiautoritäre und linksradikale Gruppen, Strukturen und Einzelpersonen in kompletter Ignoranz der sozialen Verhältnisse in diesem Land Forderungen nach dem staatlichem Totalzugriff aufstellen.

Statt den Diskurs des medizinischen Totalitarismus aktiv zu bekämpfen, wird die ‚solidarische‘ Gefängnisgesellschaft gefordert. Der biopolitisch legitimierte Angriff, angst-gerechtfertigt als lebensschützender Absolutheitsanspruch, umgesetzt vom Staat samt polizeilichen Sondervollmachten wird nicht nur stillschweigend hingenommen, sondern noch proaktiv gefordert. Es geht den linksradikalen Akteuren nicht mehr um eine Dialektik der Befreiung, stattdessen setzen sie i[n] kompletter Unkenntnis der Funktionsweise von moderner Herrschaft eine Dialektik der Repression in Kraft.

Wir sind entsetzt darüber und können es nicht verstehen, wie das Gerede vom Totalshutdown ernsthaft geglaubt werden kann, ohne wissen zu wollen, dass die europaweite Umsetzung weite Teile der unteren europäischen Gesellschaftsschichten einer bis dato nie dagewesenen Repression aussetzen wird. Glaubt etwa allen ernstes jemand, dass große Teile der ‚gefährlichen Klassen‘ sich freiwillig einsperren lassen?“

Zwar haben die vier Autor*innen einen typisch linksradikalen Bezug auf den „Kampf gegen den Terror“, den sie ablehnen und sich offenkundig wenig mit der bis heute existenten enormen Gefahr des Islamismus, Jihad und des islamistischen Antisemitismus befassen, und darüber hinaus haben sie auch noch einen affirmativen Zugang zum Begriff der „Sexarbeiter*innen“ (vulgo Prostitution, Ware Körper gegen Geld), doch sie treffen die fanatische ZeroCovid-Bewegung (wo es die gleichen ProtagonistInnen Pro-Sexarbeit und Pro-Islamismus-Verharmlosung gibt) frontal:

Jetzt haben wir den Ausnahmezustand. Beispielloses Aushebeln bürgerlicher Freiheiten und Persönlichkeitsrechte; jede Woche wird weiter diskutiert, welche Einschränkungen noch stärker vorgenommen werden. Nicht nur Schweigen viel zu viele von uns aufgrund der schieren Geschwindigkeit des autoritären Staatsumbaus, mit #ZeroCovid fordert der sich selbst als ‚linksradikal‘ bezeichnende Teil der Zivilgesellschaft auf einmal 100%ige Zuspitzung desselben.

Wir fassen uns wirklich an den Kopf und fragen uns, wo die politische Analyse geblieben ist bzw. ob jemals überhaupt eine vorhanden war. Dass es eine Diskrepanz zwischen Sein und Schein gibt, daran haben wir uns schon gewöhnt, aber dass Gruppen wie die Interventionistische Linke und FAU Forderungen supporten, bei denen ein Franz-Josef Strauß Pipi inne Augen und Hose bekäme, lässt uns den Mund offen stehen unter unseren FFP Masken.

Als Feigenblatt der autoritären Staatstransformation liefern sie dem Extremismus der Mitte nicht nur ein absolutes Deus Ex Machina, sondern große Teile der widerständigen Zivilgesellschaft auf dem Silbertablett gleich mit. Ihre Forderung nach der staatlich verordneten und durchgesetzten Totaleinsperrung kann nur, da sie nicht freiwillig geschehen wird, mit staatlichen Sondervollmachten geschehen, welche, einmal etabliert und erprobt den Maßstab politischer Freiheiten dauerhaft aushöhlen werden. Ein Staat, welcher seinen Bürgern sämtliche Freiheitsrechte verwehren kann, nimmt sie dauerhaft, selbst wenn er sie gütigerweise irgendwann wieder zugestehen sollte.

Eine friedliche Transformation der Gesellschaft, welche besagte Akteure nach eigenem Verlautbaren anstreben, wird so auf Dauer verunmöglicht. Darin besteht die Dialektik der Repression und es ist ein schrecklich bitterer Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die gesellschaftliche Linke es war, welche sich ihr eigenes Grab geschaufelt haben wird.

Die Kritik am „medizinischen Totalitarismus“ passt exakt zur Kritik am „medizinischen Imperialismus“ des Soziologen und Professors Robert Dingwall aus England. Er beschreibt, wie 1655/56 Puritaner das Weihnachtsfest kontrollieren wollten und jeder fröhlichen, ausgelassenen Stimmung den Kampf ansagten. Das führte jedoch zu Aufständen in London und anderen Orten. 1657 wurde die Regel wieder abgeschafft. Gesunde Ernährung oder nicht selten unsinnige Untersuchungen, auch manche Vorsorge-Untersuchungen, oder der Verkauf von Alkohol sind regelmäßig Themen der „medizinischen Imperialisten“, also jenen, die ihren Einflussbereich ausbreiten wollen.

So wurde 2005 die Lizenz zum Ausschank von Alkohol in Großbritannien gelockert und viele dachten, es würde jetzt wie in Europa Alkohol primär zum Essen getrunken. Doch daran hielten sich bis heute die Pub-Besucher*innen in England bzw. UK gerade nicht. Doch mit Covid wird nun versucht, das wieder einzuführen: Alkohol nur in Verbindung mit Essen.

Dingwall kritisiert auch die patriarchale und antifeministische Dimension des “medizinischen Imperialismus”, der seit den 1960er Jahren sehr wohl zurückgedrängt werden konnte, jedenfalls in manchen Bereichen wie den Frauenrechten (z.B. Abtreibung), aber jetzt mit Covid-19 ein extremes Revival und eine ungeahnte Ausdehnung erlebt:

Medical sciences are different from other life sciences. Biologists study nature as it is. If one organism damages or kills another, that is simply how the world works. Medical sciences make moral judgements: a virus is a Bad Thing not just an interesting research topic. Mostly, this moralizing is not a problem.

We all prefer to live longer lives, free of pain and suffering. Sometimes, though, ordinary people are willing to tolerate a risk because this brings other benefits. Medical science can struggle to accept this choice because its ideal society gives absolute priority to health. The result is what sociologists call ‘medical imperialism’, the extension of medical rules over ever greater areas of everyday life. It is paternalist, and often patriarchal.

Since the 1960s, there has been a big pushback against this project. Ordinary people have demanded better justifications for medical actions and the right to share in making decisions that affect them. Homosexuality is no longer defined as a mental disorder. Women have taken more control over what happens to their bodies.

Dingwall geht auf einen Kern der ganzen Pandemie ein: die anlasslosen Massentests. Anlasslos deshalb, weil ja fast alle getesteten Personen keine Symptome haben und nicht krank sind. Das gab es in der Geschichte der Medizin noch nie, dass die ganze Welt auf ein Virus getestet wird, ohne dass die Menschen krank sein müssen. Sie werden erst durch einen positiven SARS-CoV-2-Test krank gemacht, von denen abgesehen, die tatsächlich an Corona erkrankt sind, die aber auch keinen Test benötigen, weil offenkundig ist, dass sie krank sind und nur noch schwer atmen können.

Dingwall, der auch Berater der britischen Regierung in medizinisch-soziologischen Fragen ist, sieht eine große Gefahr und eine perfide Strategie hinter diesen Massentests. Wollen damit etwa der Staat, das Gesundheitssystem oder auch private Firmen kostenlos Unmengen an Material sammeln von Menschen, die später eventuell auch im Kampf gegen die ganz normale Grippe eingesetzt werden sollen?

The COVID-19 mass testing program has been strongly criticized as unscientific and unethical by scientists of the standing of Sir Muir Gray, formerly the health department’s chief adviser on screening and co-author of the international standard textbook on the subject. Its claimed benefits should not go unquestioned. How has it come to be accepted? Some medical scientists have seen the program as an opportunity to do research without the usual inconveniences of peer review and ethics approval.

It is a way to get lots of data about the virus and the population without asking about the justification or the relevance of the knowledge. Others have pushed the argument that testing for COVID might be a pilot for eliminating other respiratory infections.

Dingwalls messerscharfe Analyse trifft exakt die totalitären Monster von ZeroCovid:

This is a particularly sinister movement. There is a small, but articulate and well-connected, body of medical opinion that would like to maintain social distancing, face covering and other restrictions indefinitely because this might reduce the transmission of influenza, common colds and other respiratory viruses that we have lived with for thousands of years.

The emergency is an opportunity to redesign everyday life around this single goal. Such actions are not scientific but an assertion of the morality of medical imperialism, that any infection is a blot on the face of humanity and must, if possible, be eradicated rather than managed. There is a moral alternative that says we must balance the management of respiratory viruses against the harms of control.

Given that most respiratory infections – even Covid-19 – are trivial inconveniences for most people, we also need to think about their wider impacts on social and economic life, on child development, on the stigmatization of people who cannot comply, and on the social conflict that may be generated.“

Zurück zur Kritik an ZeroCovid auf Indymedia, dem bekanntesten online Portal der linxradikalen, autonomen und anarchistischen Szene. Die vier Autor*innen schreiben:

Wir können nicht anders, als allen Verrat und Versagen vorzuwerfen, welche sich mit #ZeroCovid gemein machen. #ZeroCovid ist nicht die Antwort, sondern erwächst sich als unser schlimmster Alptraum. Dass ausgerechnet ein Teil unserer Genoss_innen diesen Alptraum ohne Zögern promoted, stößt uns nur weiter von diesen Teilen linker Segmente ab.

Wir rufen jede und jeden einzelnen, der oder die diese Zeilen hier liest dazu auf, die Solidarität mit #ZeroCovid und allen, welche sich mit ihnen gemein machen, aufzukündigen und sie als das zu benennen, was sie in unseren Augen sind: autoritäre politische Kräfte, welche vermeintlich in unserem Namen sprechen, unsere Worte und Sprache benutzen, aber nur eines sind: unsere Feinde.“

Die riesige Enttäuschung über das Verhalten vieler ihrer linken „Genoss*innen“ führt die Autor*innen zu einer weiteren, persönlichen, Leben und Tod kritisch und realitätsnah reflektierenden – es sind alle vier im medizinischen Bereich tätige Aktivist*innen –, sehr wichtigen und klaren Distanzierung:

An dieser Stelle sind ein paar weitere Worte zu uns, den Schreibenden angebracht: Wir gelten, wie das so schön gesagt wird, als systemrelevant. Wir sind in diesem Leben nicht von dem Fluch der Arbeitslosigkeit betroffen, werden in diesen überalterten Gesellschaften nicht zum Surplusproletariat gezählt. Keine Maschine wird uns zu unserer Lebenszeit ersetzen können, wir sind also von den Verwerfungen der Automatisierung und Zwangsdigitalisierung so nicht betroffen.

Unsere Arbeit ist (zum größeren oder kleineren Teil) körperlich, egal wie hart der Shutdown wird, wir sind nicht gefährdet. Unsere Patienten schon. Täglich mit dem Ausschuss dieser Gesellschaft konfrontiert zu sein bei dem Anspruch, Egalität, Staatsferne und antiautoritäre Umgangsweisen umzusetzen ist nicht leicht.

Was nicht heißt, dass wir alle unsere unterschiedlichen Arbeiten nicht als explizit politisch begreifen. Leider sind wir damit auf weiter Flur alleine, zeichnen sich Ärzte und Pflegekräfte unserer Erfahrung nach leider durch einen überproportional hohen Anteil an statusbewussten Menschenfeinden aus.

Aus dem politischen Anspruch an unsere Arbeit erwächst eine zentrale Sache: Der Schutz unserer Patienten gegenüber anderen Pfleger_innen und Ärzten, gegenüber dem Krankenhaus als Institution, gegenüber der Polizei, Behörden, Gerichten, Schließern, teilweise ihren Angehörigen.

Diese Schutzfunktion ist eine permanente Gratwanderung zwischen Paternalismus, Autonomie, unserer jeweiligen fachlichen Kompetenz und der damit einhergehenden Wissenshierarchie und dem Willen des Patienten. Im Namen von abstrakter Gesundheit „Leben“ zu schützen ist für uns undenkbar, schließlich sind wir alle häufig mit dem Wunsch nach Sterben konfrontiert.

Der Wunsch zu Sterben ist selten primär, er ist fast immer ein Nicht-Leben-Wollen-um-jeden-Preis. Das heißt, dass jede_r von uns sich damit auseinandersetzen muss, dass Patienten für sich Entscheidungen treffen, von denen wir wissen, dass sie später oder früher (meist früher) mit dem Tod des Patienten einher gehen. Und das ist nicht nur in Ordnung, sondern alternativlos.

So wie wir zwischen der Erde unter unseren Füßen und dem Himmel über unseren Köpfen kein anderes transzendentes System akzeptieren (sei es Gott, der Staat, der Kapitalismus, o.ä.), so undenkbar ist es für uns eine Kampagne zu unterstützen, welche von ihren inhärenten Prinzipien zutiefst dem zuwider läuft, was wir täglich jede_r von uns in seinem Bereich versuchen als gelebte anarchistische Ethik umzusetzen.

Endlich ergreifen somit auch explizit linkradikale Autor*innen das Wort, etwas, was Gerald Grüneklee, Peter Nowak und ich bereits im Mai 2020 mit unserer Buchpublikation „Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik[120] versucht hatten:

Und das sei hier explizit als Kampfansage an #ZeroCovid verstanden: wir werden unseren Überzeugungen gemäß alles tun, um uns und unsere Patienten gegen euren Angriff auf uns und die Prinzipien, welche wir für richtig halten, zu schützen. Aus tiefster Überzeugung kündigen die Schreibenden ihre Solidarität mit euch auf.

Ihr entspricht dem, was wir, als explizit im Gesundheits(un)wesen Tätige, zutiefst verachten. Uns ist nicht entgangen, wie viele Pflegende und Ärzte unterschrieben haben bei euch. Wir können uns wiederholen, was wir an anderer Stelle bereits geschrieben haben: aus dem deutschen Gesundheitswesen erwachsen uns nur Blüten der Reaktion. Gesundheitsarbeitenden, welche sich mit #ZeroCovid verbünden, unterstellen wir, ihr autoritäres Begehren auszuleben, welches sie auch bei uns als unsere Kolleg_innen tagtäglich hundertfach zeigen.“

Auch die Abgrenzung von Querdenken ist wichtig, auch wenn ganz sicher nicht alle Teilnehmer*innen von Querdenken-Events Faschisten sind (das betont sogar der Staats- und Verfassungsschutz), ja mittlerweile teilen ja sogar die Querdenken-Spitzenleute um Ballweg den Wahnsinns #ZeroCovid-Kurs der extremen Linken, wie wir noch sehen werden. Die vier anonymen Autor*innen der autonom-anarchistischen Szene resümieren also:

Der Kampf, welchen wir täglich gegen Covid19 führen ist der gleiche, welchen wir gegen #ZeroCovid und jegliche Form des staatlich-kapitalistischen autoritären Angriffes führen. Es gäbe an dieser Stelle noch sehr viel zu schreiben und zu sagen, aber mehr schaffen wir heute nicht. Als letztes wollen wir allerdings noch klarstellen, dass wir mit den drecks Faschisten von Querdenken nichts zu tun haben.

Amore Anarchia Autonomia. [im Original „Armore“, was womöglich ein Schreibfehler war]

Immerhin hat selbst ein Autor der taz den Irrsinn von ZeroCovid erkannt: Thomas Gerlach, bekannt als „Bester Lehrling beim Pflügen der Herbstfurche im Kreis Burg b. Magdeburg (1983)“. Gerlach schreibt am 14. Januar 2021:

Halbtotalitäre Fantasie. Die Initiative ‚Zero Covid‘ will das Coronavirus durch einen mehrwöchigen Total-Lockdown bezwingen. Die Ideen sind weltfremd und wenig zielführend.

Deutschland stand und steht für den Untertan, für autoritäre Charaktere, für Nazi-Blockwartdenken, für Denunziation, Polizeistaat, Behördenwillkür, Monsterbegriffe aus dem Wörterbuch des Unmenschen, in der Coronakrise auch besonders eklatant für Un­wiss­en­schaft­lich­keit, Irrationalismus, Gruppendenken und Antiintellektualismus quer durch alle politischen Lager. Eine Volksgemeinschaft des medizinischen Imperialismus.

Wer links, antitotalitär, antiimperialistisch und antifaschistisch ist, wendet sich gegen ZeroCovid und alle seine Unterstützer*innen.

Schluss mit den Lockdowns, Schluss mit dem Maskenwahnsinn, Schutz den Schutzbedürftigen und das NUR in Absprache mit diesen zumeist sehr alten und vereinsamten Menschen.

Es gab in der Geschichte der BRD-Linken keinen größeren Feind der Emanzipation wie die Protagonist*innen von #ZeroCovid.

Auf dem Wissenschaftsblog Spektrum schreibt Lars Fischer („Warum Covid-19 nie wieder verschwinden wird“) am 14. Januar 2021:

Sars-CoV-2 ist keiner der großen historischen Killer wie Pocken, Pest oder Malaria, sondern nur ein mäßig tödliches Atemwegsvirus. Streng genommen will man es nicht vernichten, sondern zu den Akten legen, um sich um wichtigere Themen zu kümmern. Genau das wird passieren, wenn sich die Impfungen als effektiv erweisen. Wer von dem Virus etwas zu befürchten hat, wird sich impfen lassen, wie gegen Grippe. Und alle anderen schniefen sich tapfer durch die Erkältungssaison, wie bisher auch. Nur dass ein weiteres unangenehmes Virus in der allgemeinen Welle mitschwimmt.

Das Problem heißt Szientismus

Merkel betont wie fast alle Politiker*innen weltweit, dass sie „der Wissenschaft“ folge in Zeiten der Coronakrise. Jeder kritische Forscher, ob nun Philosoph, Sozial- oder Naturwissenschaftler sollte da skeptisch werden. Gibt es „die Wissenschaft“? Gibt es nicht gerade angesichts von Corona ganz unterschiedliche epidemiologische, virologische, geistes- und sozialwissenschaftliche Ansätze, die sich häufig diametral widersprechen? Gibt es nicht den kritischen Public Health-Ansatz, der die Gesamtheit der Bevölkerung bzw. die internationalen Konsequenzen jeder Politik im Blick haben sollte und niemals eine Ein-Punkt-Politik präferiert?

Wenn wir analysieren, dass z.B. ein PCR-Test gar nicht dafür gemacht ist, Krankheit oder Infektiosität zu diagnostizieren, gibt es nicht „die Wissenschaft“, sondern offenkundig die Position von Drosten, Wieler, Lauterbach, Merkel und dem gesamten Establishment versus den kritischen Forschungen z.B. von Ioannidis, Bhattacharya, Bhakdi, Haditsch etc. Doch Merkel hat autoritär gesetzt, sie würde sich an „der“ Wissenschaft orientieren. Das kann nicht wahr sein, da sie nur das eine Gesicht der Aufklärung sieht und sehen möchte, das in der gegenaufklärerischen Corona-Zeit so aggressiv zu sich selbst kommt, wie schon lange nicht mehr.

Der Philosoph Michael Esfeld hat das Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Freiheit in einer Kritik am Szientismus dargelegt. Er schreibt:

Das Zeitalter der Aufklärung hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite steht die Befreiung des Menschen, ausgedrückt zum Beispiel in Immanuel Kants Definition der Aufklärung als ‚Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit‘ (Kant, ‚Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?‘ (1784), erster Satz). Auf der anderen Seite steht der Szientismus mit der Idee, dass naturwissenschaftliches Wissen unbegrenzt ist: Es umfasst  auch den Menschen und alle Aspekte unserer Existenz. Diese Seite kommt zum Beispiel in Julien Offray de la Mettries L’homme machine (1747) zum Ausdruck. Beide weisen Wissensansprüche traditioneller Autoritäten wie zum Beispiel der Kirche zurück. Die von Kant betonte Seite zielt dann darauf ab, jeder mündigen Person die Freiheit zu geben, ihre eigenen, überlegten Entscheidungen zu treffen. La Mettries Seite bahnt hingegen der Position den Weg, der zufolge naturwissenschaftliches Wissen die angemessenen Entscheidungen sowohl auf der individuellen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene vorzeichnen kann.

Diese beiden Seiten kann man bis in die griechische Antike zurückverfolgen. Gemäß Aristoteles‘ Politik ist die Organisation von Staat und Gesellschaft eine Frage von Entscheidungen, welche die Bürger in gemeinsamer Beratung zu treffen haben. Für Platon hingegen ist es eine Frage des Wissens, wie man das individuelle und das gesellschaftliche Leben zu gestalten hat. Dementsprechend sollen die Philosophen herrschen, wie er in seinem Hauptwerk Der Staat darlegt. In der Neuzeit nimmt dann das naturwissenschaftliche Wissen die Stelle ein, die Platon dem Wissen zuschreibt, das durch philosophisches Nachdenken erlangt wird.[121]

Demnach hat sich Merkel gegen Kant und für La Mettrie, für Platon und gegen Aristoteles, für Drosten und gegen Bhakdi, für Wieler und gegen Ioannidis entschieden. Ja, sie hat nicht mal darüber diskutiert oder die beiden Parteien angehört. Kant wurde gar nicht erst ins Bundeskanzlerinnenamt eingeladen, um das überspitzt zu formulieren. Das trifft nun auch auf die allseits als Spinner oder Rechtsextremisten bezeichneten Querdenker zu, auch die haben sich für La Mettrie und gegen Kant entschieden, für China und den Lockdown, gegen die rationale Debatte, gegen Heterogenität und den wissenschaftlichen Diskurs, für den Szientismus. Esfeld nimmt auch den „Marxismus“ als Beispiel für Szientismus,[122] was völlig richtig ist, allerdings nicht den kritischen Marxismus von Herbert Marcuse,[123] Theodor W. Adorno, Max Horkheimer[124] oder von Günther Anders,[125] die alle kritische Kantianer waren und keine Szientisten, trifft.

Ironisch wird es nun, wenn wir sehen, dass die extrem rechte Querdenken-Bewegung, die sich immer vorgeblich gegen die Regierungspolitik stellte, schon vor ihren linken Genoss*innen am 31. Dezember 2020 einen „Mega-Lockdown“ forderte,[126] der sich mit den Forderungen der linken #ZeroCovid-Bewegung bzw. den #ZeroBrain-Leuten vom 12. Januar 2021 deckt. Der Querdenken-Gründer Michael Ballweg aus Stuttgart zeigt dabei nicht nur seinen autoritären Charakter, sondern sieht sich auch größenwahnsinnig als Ansprechpartner für die Bundesregierung, als ob er – nicht minder größenwahnsinnig wie Drosten etc. – ohne demokratisches Mandat Politik machen könnte. Er habe also der Bundesregierung „angeboten“, einen zweiwöchigen „Mega-Lockdown“ zu machen:[127]

Unter anderem sollen Unternehmen und Fabriken komplett geschlossen und der Flugbetrieb sowie der öffentliche Nahverkehr eingestellt werden. Laut der Initiative habe die Bundesregierung während des ersten Lockdowns viele Fehler begangen und solle sich nun ein Beispiel an China nehmen. Dort sei die Pandemie bereits besiegt, heißt es in der Mitteilung.[128]

Querdenken kommt damit nur einer Forderung von Merkel nach, sich mehr an China und weniger an Querdenken zu orientieren, Kritik, Demonstrationen und Dissidenz mögen nämlich weder Querdenker noch die Bundesregierung:

Die Tageszeitung Die Welt berichtet am 2. Dezember 2020 vom „Online-Digital-Gipfel der Bundesregierung“ Folgendes und zitiert Bundeskanzlerin Angela Merkel:

Wo kommen wir da raus? Wo kommt China raus? Wo kommt Südkorea raus? Wenn die alle mal viel besser die Masken tragen und nicht so viel ,Querdenker‘-Demos haben, sondern derweil schon wieder wirtschaftlichen Aufschwung, dann fragt sich, wo Europa landet nach dieser Pandemie.[129]

Das ist der Kern des Jahres 2020 und aller folgenden Jahre, die noch kommen werden. Das ganze antidemokratische Denken von Merkel und der Politik zeigt sich in diesem Zitat. Die Kanzlerin mag keine Diskussionen, keine Kritik und keine freie Meinungsäußerung, keine Demonstrationen.

Gab es seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland eine antidemokratischere Äußerung eines Kanzlers in diesem Land?

Ballweg bietet also der Politik an, 83 Millionen Menschen zwei Wochen einzusperren und die gesamte Industrie zu stoppen, in diesem nicht evidenzbasierten, wahnwitzigen und totalitären, ja auf die Spitze getriebenen szientistischen Denken, danach sei das Virus verschwunden. Selbst wenn es das wäre, was maßt sich dieser Wicht an, ja wer ist dieser Mann, der meint, mit der Bundesregierung „verhandeln“ zu können, ob so ein Einsperren der Bevölkerung nicht gut wäre? Das ist ein Verhalten wie es Drosten an den Tag legt.

Ironisch ist, dass diese Forderung nach dem „Mega-Lockdown“ von einer Gruppe kommt, die jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet wird, obwohl diese Forderung auch von vielen Linken und ARD-Journalisten geteilt wird via #ZeroCovid. Diese Hybris hüben wie drüben, rinks wie lechts, zeigt, wie gefährlich Querdenken ist, analog zu den #ZeroCovid-Fanatiker*innen und weiten Teilen der Politik, die ja mit den Lockdowns de facto die gleiche Politik macht, nur nicht so extrem wie Ballweg, die rechten Querdenker oder die linke #ZeroCovid-Bewegung es sich wünschen.

Auch das Portal „Volksverpetzer“, das primär für die Unterstützung der unwissenschaftlichen und irrationalen Politik von Söder, Drosten, Merkel steht, ist jetzt ganz euphorisch, dass die extremem Rechten wie Querdenken – die sich mit Reichsbürgern trafen, worüber die Seite berichtete – jetzt auf Mega-Lockdown-Kurs sind:

„Harter Lockdown = Mehr Freiheiten

Durch einen derartig laschen ‚Lockdown‘, der diesen Namen nicht wirklich verdient, kaufen wir uns aber nichts: Wir nehmen Wirtschaftsschäden und viele Tote in Kauf – und mit einem ‚Lockdown‘, der auch ohne neue Virusmutation bis März andauern müsste, auch viele Einschränkungen unserer Freiheiten. Und ‚unter Kontrolle‘ kann man den Zustand auch nicht bezeichnen. Wer also mehr Freiheiten möchte, muss – auf den ersten Blick paradoxerweise – für einen harten Lockdown plädieren. Was wir bei Volksverpetzer bereits Ende November (auf Empfehlungen vieler Expert:innen, die wir darin zitiert haben) gemacht haben“.[130]

Diese Liebe zum autoritären Verhalten ist absolut schockierend und zeigt, wie wenig seit 1945 gelernt wurde. Da sind sich solche selbst erkorenen „Volksverpetzer“ und radikale Linke mit den Reichsbürger-Kumpeln von Querdenken offenbar völlig einig: Sperrt die Bevölkerung ein! Sperrt sie noch mehr ein, als ohnehin! Da das zu wenig Einsperren seit November immer mehr Corona-Tote brachte, wollen wir einen Mega-Lockdown!

Diese autoritären Charakterstrukturen sind in der Gesellschaft weit verbreitet, von ARD-Moderator Restle über solche Denunziant*innen hin zu Ballweg und den Querdenkern, die jetzt den Lockdown affirmieren, wenn er besonders brutal durchgeführt wird und alle Menschen zwei Wochen 24 Stunden eingesperrt sind und jegliche Industrie, die Post, der Verkehr, alles stillgestellt ist, ja die Flughäfen zu sind und die Grenzen geschlossen, damit auch kein einziger Flüchtlinge mehr rein kann und auch ganz sicher keine Hilfslieferung für die befürchteten 130 bis 270 Millionen Hungertoten im Globalen Süden geliefert werden können. Die häusliche Gewalt würde nie gekannte Ausmaße erreichen, Kinder durchdrehen, es würde ja eine 24/7 Ausgangssperre herrschen.

Dieser totalitäre Wahnsinn ist also tödlich und er ist die Fantasie der extremen Linken und Rechten gleichermaßen, Querdenken und Georg Restle im selben Boot. Noch nie so bitter gelacht, der vorgebliche Antifaschist mit den Nazis zusammen für den Mega-Lockdown oder #ZeroCovid. China und Merkel als Vorbilder für Querdenken und die szientistische Linke.

Diese Liebe zum autoritären Verhalten zeigt zudem, dass wir es geradezu mit einer Volksgemeinschaft des Szientismus zu tun haben: Von den extremen Linken über Drosten, Merkel, Söder und die Politik hin zu den extremen Rechten wie Querdenken plädieren alle dafür, nur und wirklich nur mit Lockdowns, die ‚wissenschaftlich‘ und ‚wahr‘ seien, ein Virus ‚bekämpfen‘ zu müssen. Dass es im Winter immer mehr Tote gibt, wird gar nicht mehr diskutiert, noch weniger, dass Schweden auch ohne Lockdown grade jetzt im Winter weniger Tote hat als die meisten europäischen Länder. Stand 29. Januar 2021 hat Schweden im 7-Tages-Durchschnitt 15 Corona-Tote, Deutschland hat im 7-Tages-Schnitt 719 Tote pro Tag (von ca. 3000 Toten am Tag und der völligen Beliebigkeit, ob diese Menschen „an“ oder nur „mit“ Corona starben).[131] Deutschland hat ca. 8 mal mehr Einwohner*innen als Schweden, aber aktuell 47 mal mehr sog. Corona-Tote.

Völlig unabhängig von den Todeszahlen ist offensichtlich, wie wenig Aufklärung, Würde und Selbstbestimmung zählen.

Machbarkeit und Wahrheit werden gesetzt und nicht wissenschaftlich diskutiert. Es wird davon ausgegangen, wie im Szientismus, dass es „die“ Wahrheit und „den“ Schlüssel zum Erfolg gibt. Dabei ist Erfolg schon ein unbrauchbarer Begriff, wenn es um ein Grippe-Virus geht, und Corona ist eine Art Grippe-Virus, eine Atemwegserkrankung, unabhängig davon, ob es ansteckender und weniger tödlich oder tödlicher als die Grippe/Influenza ist oder nicht.

Michael Esfeld hat im Dezember 2020 in seiner Kritik an der Leopoldina klar gemacht, warum gerade der Szientismus Teil des Problems, ja ein Kern des Problems ist und sich gegen jede Form des Lockdowns positioniert. Seine Positionierung ist wie die Kritik seines Kollegen Thomas Aigner ein herausragendes Beispiel für angewandte Wissenschaft – Esfeld wendet seine Kritik am Szientismus, die er bei Suhrkamp publiziert hat, in der Corona-Zeit an:

Es gibt keine stichhaltige wissenschaftliche Begründung für den Versuch, die Ausbreitung des Coronavirus durch zentrale staatliche Planung und mit massiven Eingriffen in die Grundrechte zu unterbinden. (…)

Unter deontologischen Kriterien gibt es keine Berechtigung dafür, in der vorliegenden, akuten Situation der Ausbreitung des Coronavirus Grundrechte auszusetzen und sich durch technokratische Planung des gesellschaftlichen bis hin zum familiären Leben über die Würde der betroffenen Menschen hinwegzusetzen.

Statt fundierter Wissenschaft erleben wir aktuell ein Wiedererstarken des Szientismus und seines politischen Gebrauchs – der Idee, dass es ein naturwissenschaftliches Wissen gibt, das auch den Menschen und alle Aspekte unserer Existenz umfasst, und dass sich die Gesellschaft gemäss diesem Wissen planen und gestalten lässt.

Dagegen ist Aufklärung geboten im Sinne eines Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, in die unsere Gesellschaft durch eine unheilige Allianz aus angeblichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Zwangsmassnahmen hineinzulaufen droht.“[132]

Querdenken und KenFM

Die Querdenken-Bewegung ist also seit Ende Dezember 2020 auf quasi extrem linkem Kurs und fordert einen „Mega-Lockdown“. Sie folgt damit Angela Merkel und sieht im diktatorischen Regime in China einen Heilsbringer oder ein Vorbild, wie man Corona und ein Virus wie einen Feind im Krieg bekämpfen und besiegen könnte.  Man kann ein solches, relativ harmloses Virus wie Corona – verglichen mit einer bakteriellen Infektionskrankheit wie Cholera, mit Polio oder auch mit HIV – aber nicht besiegen, nur eindämmen, immer nur demokratisch und in Absprache mit den Menschen. Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass die Menschen lernen, mit einem weiteren Virus ganz normal zu leben, neben der Influenza gibt es jetzt Corona, das ist nicht schlimm. Die Auslöschungsideologie gegenüber einem solchen Virus jedoch ist medizinischer Irrsinn und demokratischer Wahnsinn.

Die Mega-Lockdown-Kampagne von Querdenken kommt nur wenige Wochen nach dem Bekanntwerden von Treffen von Querdenkern wie Ballweg mit Reichsbürgern.[133] Mittlerweile beobachtet der Verfassungsschutz Baden-Württemberg die Bewegung.[134] Ein kurzer Rückblick auf die Aktivitäten in 2020 ist interessant. Seit März 2020 gibt es Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Corona-Politik in Deutschland.

Wie gesagt, ist es Teil der Corona-Panikindustrie, dass fast alle Kritiker*innen der Corona-Politik von den Mainstreammedien, NGOs, der Zivilgesellschaft und weiten Teilen der Bevölkerung mehr oder weniger schnell als irrational, rechts oder rechtsextrem, esoterisch, als Impfgegner*innen oder Verschwörungstheoretiker*innen diffamiert werden. Das eskalierte nach den Großdemonstrationen von Querdenken711 in Berlin am 1. August und dann am 29. August. Diese Art der Corona-Kritik meint, weder links noch rechts zu sein und kooperiert doch nonstop mit den extremen Rechten.

So trat auf Querdenken-Demos der Buchautor Thorsten Schulte auf, der in seinem Machwerk Fremdbestimmt. 120 Lügen und Täuschung von 2019 die deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg ablehnt, antisemitisch agitiert und eine Trennung von Deutschen („deutsches Volk“) und Juden vornimmt, George Soros diffamiert und gegen die „Globalisten“ mobilisiert.[135]

Dass Schulte Arm in Arm mit dem HNO-Arzt Bodo Schiffmann am 1. August in Berlin sprach, ist schockierend. Es zeigt, wie schnell vorgeblich unpolitische Menschen wie Schiffmann in kurzer Zeit mit Rechtsextremisten kooperieren. Das Buch von Schulte bedient viele rechtsextreme, verschwörungsideologische, rassistische, antisemitische und deutsch-nationale Topoi.

Es gibt also in der Tat nicht wenige Aktivist*innen, die irrational daherreden oder in der Bill und Melinda Gates Stiftung eine Verschwörung zur Impfung der ganzen Welt sehen. Nehmen wir aber mal folgenden Text:

Wenn die Mächtigen in München das Schicksal des Planeten verhandeln, darf der reichste Mensch der Welt nicht fehlen: Auch Bill Gates ist bei der Sicherheitskonferenz. Der Microsoft-Gründer hat sich vom Software- zum Weltrettungs-Monopolisten entwickelt: Die Bill & Melinda Gates Foundation ist mit rund 40 Milliarden Dollar die vermögendste Privatstiftung der Welt. Sie vergibt Fördermittel von jährlich rund vier Milliarden Euro für Projekte und Forschung zur Armuts- und Hungerbekämpfung, Landwirtschaft und Gesundheit. Das hat dem Milliardär mit einem Vermögen von 85,2 Milliarden Dollar nicht nur viel Anerkennung gebracht, sondern auch Einfluss auf Regierungen, Universitäten und die Vereinten Nationen.

Wäre diese Analyse im April oder Juli oder August 2020 auf einer solchen Demonstration wie in Berlin, Stuttgart oder Ulm vorgetragen worden, wäre sofort von Verschwörungstheorie die Rede gewesen. Allerdings stammt diese journalistische Recherche vom Februar 2017 von der Autorin Kathrin Hartmann, die ihren Text in der Frankfurter Rundschau publizierte.[136]

Gleichwohl gibt es angesichts von Corona massive rechte, rechtsextreme, antisemitische, verschwörungsmythische Agitation. Dazu gehört die sogenannte Querfront, also zwischen links und rechts oszillierende und camouflierende Akteur*innen, die z.B. ihre Abscheu vor Angela Merkel und deren Flüchtlingspolitik von 2015 in die Corona-Zeit transportieren.

Der YouTuber, Journalist und Aktivist Ken Jebsen (KenFM) ist einer der führenden Agitatoren in der Anti-Coronamaßnahmen-Szene. Der Organisator der bundesweiten Querdenken-Demos Michael Ballweg aus Stuttgart (der dort im November 2020 Oberbürgermeister werden wollte[137]) verlinkt z.B. Videos von seinen Demos, die Jebsen aufgenommen hat.

Jebsen hatte 2011 seinen Job beim RBB Rundfunk verloren. Das lag an einer verschwörungsmythischen, antisemitischen und die deutsche Schuld am Holocaust kleinredenden bzw. universalisierenden E-Mail, die er einem Gesprächspartner geschickt hatte und die dann publik wurde. In dieser Mail hieß es:

sie brauchen mir keine holocaus informatinen zukommen lassen. ich habe mehr als sie. ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat. der neffe freuds. bernays. in seinem buch propaganda schrieb er wie man solche kampagnen durchführt. goebbels hat das gelesen und umgesetzt. ich weis wer die rassendatten im NS reich möglich gemacht hat. IBM mit hollerithmachinen. ich weis wer wärend des gesamten krieges deutschland mit bombersprit versorgt hat.standartoil also rockefeller.[138]

Die Universalisierung der deutschen Schuld ist nicht untypisch für linke wie rechte Schuldprojektion. Demnach sind der böse Kapitalismus, die Hollerithmaschine oder Propagandatechniken der Kulturindustrie verantwortlich. Aber es wird nicht mehr die antisemitische Traditionslinie z.B. von „Turnvater“ Jahn, Ernst Moritz Arndt, Richard Wagner, dem Rembrandtdeutschen Julius Langbehn und der völkischen Bewegung betrachtet, sondern die Schuld auf den Westen, am liebsten auf Amerika und die Juden selbst projiziert.

Die Schuldprojektion auf andere, wenn es um den Holocaust geht, ist durchaus ein Bestandteil der politischen Kultur in Deutschland, damit ist Jebsen überhaupt kein Außenseiter, nur sagt das kaum jemand so vulgär und offen, der zu dem Zeitpunkt bei einer ARD-Rundfunkanstalt angestellt war. Der Journalist Alan Posener hat Jebsen kritisiert:

Es ist natürlich kein Zufall, dass Bernays Jude war. Unter den vielen Autoren, die seit Gustave LeBons bahnbrechendem Werk über die Psychologie der Massen (1895) zum Thema Massenbeeinflussung erschienen, wird das Werk ‚des Juden‘ herausgegriffen; erst seine finsteren Methoden der Manipulation hätten den Holocaust möglich gemacht. Dabei erschien Bernays Buch ‚Propaganda‘ erst 1928, und auf Deutsch erst lange nach dem Krieg. Auch wenn Bernays selbst in seinen Memoiren behauptete, Goebbels hätte das Buch gelesen, ist das mehr als unwahrscheinlich. Und wäre auch unnötig gewesen, denn Adolf Hitler hatte schon 1924 in ‚Mein Kampf‘ der Frage der Massenpsychologie und der Propaganda großen Raum gewidmet und die Techniken beschrieben, die sein Schüler Goebbels anwendete. Im Übrigen war Bernays, obwohl selbst an PR- und Propagandakampagnen – zum Beispiel für die Tabakindustrie – aktiv beteiligt, zugleich auch ein Kritiker der von ihm entwickelten und beschriebenen Methoden; sein Buch sollte der Aufklärung dienen; und vermutlich erfand er die Geschichte mit Goebbels, um zu unterstreichen, wie gefährlich die Massenmanipulation sei.

Durchweg also verwendet Jebsen die Technik der Umkehrung und der Schuldabwehr: Wer entwickelt die Methoden zur Erfassung der Datenmassen, die nötig waren, um die Juden von den Ariern zu sondern? IBM. Wer liefert das Benzin für Hitlers ‚Blitzkrieg‘? Standard Oil. Wer liefert die Technik der Manipulation, um die Massen gegen die Juden aufzuhetzen? Ein amerikanischer Jude. Skandalös ist nicht die Behauptung, der Holocaust sei ‚erfunden‘, habe also nicht stattgefunden; skandalös ist die Behauptung, ein Jude habe ihn ‚erfunden‘, also in die Welt gesetzt. Wer ist also an Hitler Schuld? Nicht der Antisemitismus der deutschen Gesellschaft; nicht die Autoritätshörigkeit der deutschen Bürokratie; nicht der Revanchegeist, der in der Wehrmacht herrschte – nein, die Amis und die Juden, die üblichen Verdächtigen (…).[139]

Es ist also ein Skandal und Ausdruck politischen Unvermögens oder aber des Paktierens von Michael Ballweg und vielen weiteren Protagonist*innen im Lager der Maßnahmen-Kritiker, dass Ken Jebsen via KenFM zu einem der Hauptpromoter der Anti-Coronapolitik und der Querdenken-Bewegung avancierte.

NachDenkSeiten

Die NachDenkSeiten (NDS) sind typisch für als Kapitalismuskritik getarnte antisemitische Ressentiments (inklusive dem Antizionismus), was die aggressive Positionierung der NachDenkSeiten und ihres Machers Albrecht Müller für die Kabarettistin Lisa Fitz oder für Jürgen Todenhöfer eindrücklich zeigt.[140]

Müller (Jg. 1938) saß für die SPD im Bundestag und war in den 1970er Jahren bis Anfang der 1980er Jahre im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Hel­mut Schmidt tätig. Lisa Fitz steht in der Tat sinnbildlich für sehr viele sich „links“ oder als Anti-Nazi verstehenden Leute, die nie verstehen werd­en, wie Antisemitismus funktioniert, z.B. so: „Rothschilds, Rockefeller, Soros und Konsorten. Die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten“. Diese Ideologie aus einem Song von Fitz, die das Abstrakte des Kapi­ta­lismus personalisiert und dabei gerade Juden (Rothschild, Soros) namentlich ne­n­nt, und ihre Nähe zu Putins Propagandamedium Russia Today (RT), ist un­schwer zu erkennen.[141]

Kritiker werden von Albrecht Müller im oben verlinkten Text als „Antisemitenjäger“ diffamiert. Dabei stellen viele Linke insofern in der Tat heutzutage ein massives Problem dar, als sie den Wahnsinn der Coronamaßnahmen nicht nur nicht erkennen, sondern unterstützen. Man muss also gegen die katastrophalen und zum Nicht-Nachdenken aufpeitschenden NachDenkSeiten und gegen manche jener Linken, die die NachDenkSeiten oder alle möglichen Anti-Coronamaßnahmen-Kundgebungen kritisieren, gleichermaßen aktiv werden und politisch skeptisch und kritisch bleiben.

Also versuchen, rational die geistige oder besser ungeistige Situation der Zeit zu analysieren. Diese Linken haben es verpasst, sich wissenschaftlich zumal mit der amerikanischen und sonstigen internationalen kritischen Forschung zu SARS-CoV-2 zu beschäftigen – wie fast alle in Deutschland diesbezüglich versagen. Eine sehr informative Kritik der autoritären staatlichen Maßnahmen in der Coronakrise, die medizinisch und sozialwissenschaftlich argumentiert, liefert der Kinderarzt Dr. Martin Hirte aus München.[142] Am 16. Mai 2020 sagte er auf einer „Freiheitsversammlung“ an der Münchener Freiheit:

Das Asylrecht ist seit Wochen ausgesetzt. Das Leben von Flüchtlingen hat keinen Preis. Liebe AfD-Mitglieder: Ihr könnt nach Hause gehen. Ihr habt schon gewonnen. Wir wissen alle: Die Coronavirus-Krankheit ist nicht ungefährlich. Für pflegebedürftige alte Menschen kann sie das Ende bedeuten. Aber es sterben jedes Jahr 60 000 Menschen an Lungenentzündung. Vor allem alte Menschen. Es würde reichen, diese Gruppe zu schützen.

Hirte nimmt aber auch Verschwörungsideologen und explizit Rechte in Schutz und verharmlost deren gefährliche Ideologie:

Liebe Politiker und Journalisten: wenn Rechte und Verschwörungstheoretiker auf die Straße gehen, fragt sie doch mal was sie antreibt. Vielleicht gehören einige ja zum dem Prekariat, das wir jetzt gerade vergrößern, zu den 4 Millionen Langzeitarbeitslosen, Mini-Jobbern und Hartz-IV-Empfängern. Menschen, die verständlicher Maßen verzweifelt sind. Und die wütend sind auf den obszönen Reichtum, mit dem manche meinen, die Wissenschaft, die Medien und die Weltpolitik beeinflussen zu dürfen.

In welcher Beziehung steht Martin Hirte zu anderen Kritikern der Coronamaßnahmen wie Ronald Weikl, der sich auf so viele problematische rechte Online-Plattformen positiv bezieht? Die Seite „AusLiebezumGrundgesetz“ verlinkt Reden von Weikl[143] und ruft wie Hirte zu „Freiheitsversammlungen“[144] (in München) auf.

Man muss ganz sicher kein Freund der pro-iranischen und die Gefahr des Islamismus verharmlosenden Grünenpolitikerin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sein, um ihre Cha­r­akterisierung von Tichys Einblick, der von Weikl auch als lesenswertes Anti-Main­stream-Medium in der Coronakrise angepriesen wird, als „neurechte Plattform“, „deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht“, zu teilen. Diese scharfe Kritik an Tichys Einblick ist eine Meinungsäußerung, die im Juni 2020 auch vom Oberlandesgericht Stuttgart als solche bestätigt wurde, Tichy verlor den Prozess.[145]

Rubikon

Weitere Lautsprecher der Kritik oder auch des Ressentiments gegenüber der Coronapolitik, die fast alle auch mit Ken Jebsen verbunden sind, ihn verlinken oder er sie, sind die Ex-Tagesschau-Sprecherin und nationalistische Agitatorin Eva Herman sowie Seiten oder Zeitschriften wie PI News, Tichys Einblick, NachDenkSeiten, Compact-Magazin, eigentümlich frei, der Journalist Martin Lejeune, Jens Wernicke und seine ebenfalls bei Coronapolitikgegnern sehr beliebte Seite Rubikon, Epoch Times und viele weitere.

Diese Seiten und Personen haben die häufig berechtigte Kritik an der Corona-Politik lediglich als Aufhänger genommen, um damit ihre schon zuvor bekannte verschwörungsmythische, antisemitische, esoterische, linke, rechte oder Querfront Agenda massenhaft zu verbreiten. Viele Mediziner*innen, die als Experten häufig in der Tat Wichtiges zu sagen haben, scheuen sich nicht, mit diesen Medien zu reden, entweder aus Naivität, inhaltlicher Zustimmung oder Hilflosigkeit, weil die großen und kleinen, jedenfalls seriöseren Medien sie ignorieren oder diffamieren.

Ein Rubikon-Autor ist Stefan Kraft, der im Herbst 2020 im Wiener ProMedia Verlag zusammen mit dessen Verleger Hannes Hofbauer das Buch Lockdown 2020. Wie in Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern herausbrachte.[146] Es stellt sich die Frage, warum Andreas Sönnichsen, Vorsitzender des Vereins Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM) einer der Autoren in diesem Buch ist, da doch der ProMedia Verlag wegen wiederholtem Antisemitismus in Österreich und Deutschland in die Schlagzeilen kam.

Der preisgekrönte Historiker und langjährige Leiter des Dokumentationsarchivs Österreichischer Widerstand (DÖW), Honorarprofessor an der Universität Wien, Wolfgang Neugebauer, schreibt:

Radikale Israel-Feindschaft ist heute nicht nur bei rechten und linken Extremisten zu finden, sondern auch bei demokratischen Linken, die sich mit den Schwächeren in diesem Konflikt, den Palästinensern, solidarisieren. Ich erwähne z. B. den Generalsekretär der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft, Fritz Edlinger, der im Promedia-Verlag das antisemitische Machwerk ‚Blumen aus Galiläa‘ des fälschlicherweise als Juden ausgegebenen Israel Shamir herausgab. In diesem Buch wird unter anderen klassischen antisemitischen Stereotypen mit dem aus dem amerikanischen Neonazismus kommenden Begriff ZOG (Zionist Occupied Government, zionistische Besatzerregierung) operiert.[147]

Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) publizierte am 8. März 2018 einen Text des Publizisten Florian Markl, der unterstreicht, dass der ProMedia Verlag offenkundig ein Antisemitismusproblem hat:[148]

Wie es um seine historische Sensibilität bestellt ist, zeigte sich 2005, als Edlinger im Wiener ProMedia-Verlag ein Buch mit dem Namen ‚Blumen aus Galiläa. Schriften gegen die Zerstörung des Heiligen Landes‘ herausgab. Durch dessen Autor, Israel Shamir, höre man, so Edlinger, ‚das ‚andere‘ Israel, das in Europa – und vor allem im deutschsprachigen Mitteleuropa – kaum zu Wort kommt.‘ Tatsächlich hatte Shamir freilich mit dem ‚anderen Israel‘, das unter den als ‚Israel-Kritikern‘ verharmlosten Feinden des jüdischen Staates so beliebt ist, wenig zu tun. Er war schwedischer Staatsbürger, hörte auf den bürgerlichen Namen Jöran Jermas, war orthodoxer Christ und pflegte Kontakte zu Neonazikreisen.

Dass dessen Ansichten vom Judentum im deutschsprachigen Raum kaum zu hören waren, wie Edlinger beklagte, lag daran, dass es sich dabei um gänzlich ungeschminkten, rohen Antisemitismus handelte. Karl Pfeifer stellte damals eine Sammlung von Zitaten aus ‚Shamirs‘ Werk zusammen, die keines weiteren Kommentars bedarf. Für Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes war das Buch ‚eine der antisemitischsten Hetzschriften, die nach 1945 in Österreich erschienen sind‘. In Frankreich wurde der Verkauf des Buches wegen ‚Aufwiegelung zur Diskriminierung und Aufruf zum Hass und zur Gewalt‘ gerichtlich verboten, der Herausgeber wurde zu einer Geld- sowie zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

Edlinger, der stets behauptet, Israel-Kritik habe nichts mit Antisemitismus zu tun, bezeichnete im Interview mit der Islamisten-Seite Muslim-Markt den Autor ‚Shamir‘ als ‚kritische(n) und scharfzüngige(n) Mann‘, die Kritik an der antisemitischen Hetzschrift diffamierte er als ‚massive und hysterische Kampagne‘. Erst später distanzierte sich Edlinger halbherzig von einzelnen Passagen des Buches, in die man Antisemitismus ‚hineininterpretieren‘ könne.

Der Chef des ProMedia-Verlags, Hannes Hofbauer, reagierte auf die Kritik an dem Judenhass, den er publiziert hatte, auf die übliche Weise: ‚Der Angriff auf das Buch von Israel Shamir zielt unserer Meinung nach deutlich darauf ab, Kritik an Israel mit der Keule des Antisemitismusvorwurfs unmöglich zu machen.‘

2017 publizierte wiederum Edlinger als Herausgeber bei Hofbauer im ProMedia Verlag das Buch „Palästina – Hundert Jahre leere Versprechen: Geschichte eines Weltkonflikts“, das ebenso problematisch ist und den antizionistischen Antisemitismus befördert:

Als Autor mit dabei ist auch Omar Barghouti, der sich als Anführer der auf einen umfassenden Boykott Israels abzielenden BDS-Bewegung offen zum Ziel der Zerstörung Israels bekennt: ‚Ich bin völlig und kategorisch gegen Binationalismus, da er davon ausgeht, dass es zwei Nationen mit gleichen moralischen Ansprüchen auf das Land gäbe‘, so Barghouti. ‚Israel als einen ‚jüdischen Staat’ auf unserem Land zu akzeptieren, ist unmöglich.‘[149]

Es ist also schon befremdlich, dass einer der bekannten Coronapolitik-Kritiker und führender Vertreter der evidenzbasierten Medizin wie Andreas Sönnichsen grade im ProMedia Verlag sich zur Coronapolitik äußert.[150] Durch den Co-Herausgeber Stefan Kraft ist auch der Bezug zu Rubikon gewährleistet. Das Neue Deutschland berichtete am 23. April über die „Hygienedemos“ um Anselm Lenz, eine Art Vorläufer der „Querdenken“-Demos, wo er dann später in Berlin auch auftrat:

‘Die Leute, die da kommen, sind ein ganz anderes Kaliber: Da ist das extrem rechte Pegida-Spektrum vertreten sowie einzelne bekannte Neonazis. Links-progressive Stimmen sind nur selten vernehmbar‘, sagt Frank Metzger vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) zu ‚nd‘. Vertreten seien der Neonazi und selbst ernannte Volkslehrer Nikolai Nerling, CompactTV und andere extrem rechte Youtuber und Blogger sowie Martin Lejeune, der den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verehrt.[151]

Gunnar Kaiser

Es gibt  wie gezeigt sehr viele Linke und Grüne, die grade angesichts von Corona völlig durchdrehen und #ZeroCovid fordern. Sie haben damit Angela Merkel, die nicht evidenzbasierte und antidemokratische, politisierte Virologie und die politische und kulturelle Elite insgesamt noch mehr agitiert, als diese ohnehin seit März 2020 auf Panikkurs waren.

Viele dieser Grünen und Linken sind durchaus in jenem Milieu zu finden, die nicht selten Veranstaltungen mit irgendwie problematischen (oder auch fälschlich als problematisch bezeichneten) Personen oder Gruppierungen absagen und absagen lassen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass es natürlich grundsätzlich Absagen geben sollte, warum gibt es denn sonst seit Jahrzehnten Antifa-Demos gegen Naziaufmärsche, Nazi-Parteitage oder andere rechtsextreme Veranstaltungen? Warum gibt es sonst jedes Jahr in Berlin Gegendemos gegen den islamistisch-iranisch-antisemitischen Al-Quds-Marsch, der endlich verboten gehört? Warum gibt es sonst Protest gegen BDS-Veranstaltungen?

Die beiden Initiatoren Gunnar Kaiser und Milosz Matuschek haben im September 2020 einen Appell publiziert, der sich gegen die „Cancel Culture“ wendet. Aufhänger war u.a. die Ausladung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhardt von einem Hamburger Kulturfestival. Doch der eigentliche Anlass ist ein typischer neu-rechter Ansatz: Alle sollen zu jedem Thema immer und überall sprechen dürfen. Es dürfe keine Sprechverbote geben. In dem Appell „Für freie Debattenräume“ heißt es:

Absagen, löschen, zensieren: seit einigen Jahren macht sich ein Ungeist breit, der das freie Denken und Sprechen in den Würgegriff nimmt und die Grundlage des freien Austauschs von Ideen und Argumenten untergräbt. Der Meinungskorridor wird verengt, Informationsinseln versinken, Personen des öffentlichen und kulturellen Lebens werden stummgeschaltet und stigmatisiert. Es ist keine zulässige gesellschaftliche „Kritik“ mehr, wenn zur Durchsetzung der eigenen Weltsicht Mittel angewendet werden, die das Fundament der offenen liberalen Gesellschaft zerstören.

Schon an diesem ersten Absatz des Aufrufs merkt man, wie unwissenschaftlich und normenfrei diese ach-so-liberalen Initiatoren sind. Was soll eine „offene liberale Gesellschaft“ sein? Meinen sie die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft? Inwiefern ist diese frei oder freier als andere Gesellschaftsformationen? Jedenfalls ist es gerade nach 2017 und dem Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) in den Deutschen Bundestag realitätsfern zu behaupten, der „Meinungskorridor“ werde „verengt“. Angesichts von Corona könnte man das sagen, doch Corona wird hier nicht erwähnt und der Aufhänger ist eine Kabarettistin, der Antisemitismus vorgeworfen wird (ob nun berechtigt oder nicht, ist eine andere Frage).

Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören bekannte konservative, rechte, neu-rechte und extreme Rechte, liberale und manche linke Publizist*innen und Aktivist*innen, von Dieter Nuhr (ARD) über Matthias Matussek bis hin zu Rüdiger Safranski sind viele bekannte Namen mit dabei. Matuschek publizierte am 22. Januar 2021 einen Text zu aktuellen Formen des Widerstands gegen die Coronapolitik.

So wichtig grundsätzlich der Widerstand gegen diese menschenfeindliche Politik ist, so bezeichnend ist, dass er ein Video des Journalisten Boris Reitschuster vom 18.01.2021 teilt, in dem eine Frau zu sehen ist, die in Bayern (Fürth) eine „Spontandemonstration“ zuerst ganz alleine durchführte und mit einem Megafon sprach. Nach wenigen Minuten kam sie auf die Polizei zu sprechen, die sich doch besser um die vielen „Pädophilen“ kümmern sollte, die frei herumliefen. Das erinnert sehr stark an rechtsextremes Vokabular und an die Verschwörungsideologie der QAnon-Bewegung. Reitschuster selbst hat eine Nähe zu reaktionären und homophoben politischen Kreisen, wie sich anlässlich einer Kundgebung im September 2020 in Berlin zeigte.[152]

Der Autor Gerhard Henschel, der auch schon interessante Bücher zur Kritik des Antisemitismus geschrieben hat („Neidgeschrei. Antisemitismus und Sexualität“, 2008) und womöglich einen besseren Ort für seine Kritik an Kaiser und Matuschek als die antizionistische junge Welt hätte finden können, kritisiert den Appell von Kaiser und Matuschek wie folgt:

Wer aber sind die Stummgeschalteten und unsichtbar Gewordenen? Sind es die omnipräsente Kabarettistin Lisa Eckhart, der Bestsellerautor Thilo Sarrazin und der rechtsradikale Verleger Götz Kubitschek? Nein, sie können es nicht sein, denn sie sind weder stumm noch unsichtbar. Und welche Informationsinsel ist untergegangen, wenn man einmal von Gerhard Freys 2019 verblichener Nationalzeitung absieht?

Fragen könnte man das Götz Aly, Norbert Bolz, Peter Hahne, Monika Maron, Dieter Nuhr, Boris Palmer, Wolfgang Sofsky, Cora Stephan und Günter Wallraff, die zu den Erstunterzeichnern des Appells gehören, doch sie würden einem die Antwort schuldig bleiben, denn es gibt sie schlichtweg nicht, die ominösen Stummgeschalteten und unsichtbar Gewordenen. Darüber scheint sich jedoch keiner der Unterzeichner Gedanken gemacht zu haben.

Ohne die Vielzahl von Einladungen zu TV-Talkshows vor September 2017 wäre es der AfD nicht so leicht gefallen, mit über 12 Prozent der Stimmen in den Bundestag einzuziehen. Einer der Unterzeichner des Appells von Kaiser und Matuschek ist der Journalist Alexander Grau.

Wie extrem rechts weite Teile der Pro-Israel-Szene mittlerweile sind, zeigt sich an ihm, der im Januar 2018 auf einem kleinen Symposium der Gruppe „Scholars for Peace in the Middle East“ (SPME) als Referent auftrat und im April 2018 die „Erklärung 2018“ vehement verteidigte.[153]  Ich war 2007 Gründungsmitglied der deutschen Sektion von SPME, wurde aber von autoritären Charakteren wegen meiner Kritik an Donald Trump nach dessen Wahl zum US-Präsidenten einstimmig ausgeschlossen, was meine Kritik nur bestätigte.

Grau hatte im Oktober 2017 anlässlich der neonazistischen Umtriebe auf der Frankfurter Buchmesse die Stände von rechtsextremen und neurechten Verlagen wie Antaios oder der Jungen Freiheit verteidigt.[154] Damals ging es vor allem um den Auftritt des Rechtsextremen Björn Höcke und von Vertretern der neonazistischen Identitären Bewegung. Damit hat der Cicero-Autor Grau demnach keinerlei Probleme. Graus Position führt heute keineswegs zur Diskreditierung, sondern zur Einladung einer Gruppe wie SPME.

Der Publizist und „Youtuber“ (129.000 Abonnenten, Stand 23.01.2021) – was für ein Wort bzw. Geschäftsmodell für viele Leute heutzutage (auch sog. „Influenzer“) – Gunnar Kaiser hat während der Coronakrise viele Videos gemacht, in denen er mit anderen Kritikern spricht oder seine eigene Position verdeutlicht.  Entgegen seiner eigenen Darstellung, gegen die extreme Rechte zu sein – was er u.a. in einer Kritik an einigen rechten Büchern wie von Alain de Benoist, dem Vordenker der Neuen Rechten in Frankreich zu untermauern versucht –, hat Kaiser kein Problem mit AfD-nahen CDU-Politikern wie dem Crash-Propheten Max Otte zu reden, der von 2018 bis Januar 2021 Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung war.

Dabei ist allein der Name dieser Stiftung eine Zumutung für Erasmus. Gegen Ende der Weimarer Republik, im Jahr 1932, offenbar den NS-Staat gedanklich schon vor Augen, heißt es bei einem Autor des katholischen Bundes Neudeutschland – zu dem ich vor einigen Jahren ausführlich forschte[155] – in dessen Werkblättern:

In der Sache z. B. stärkere Berücksichtigung von Heimatboden und Volks­ge­meinschaft; denn meine Beziehung zum Vaterland geht über den Mutt­er­boden, auf dem ich zu Hause bin und meine Beziehung zum Gesamt-Volk über meine engere und weitere Nachbarschaft. Die Hinkehr des Volkes zum Nationalismus ist zugleich eine Abkehr vom Sozialismus-Bolschewismus, der den Menschen zu einem internationalen (außerhalb der Nation stehenden) aus Boden und Familie entwurzelten Allerweltsbürger macht, dessen Grund­satz lautet:
‚Wo ich gut zu essen bekomme, fühle ich mich zu Hause‘
(Ubi bene, ibi patria).[156]

Dieser Kosmopolitismus, der aus dem Spruch Ubi bene, ibi patria Ciceros abgeleitet werden kann und auch von dem Humanisten Erasmus von Rott­er­dam (1466–1536) positiv übernommen wurde, wurde also bereits zu demo­krat­ischen Weimarer Zeiten heftig abgewehrt. Die Diffamierung ‚ent­wurz­elter Aller­welts­bür­ger‘ kenn­zeichnet diesen katholischen Bund Neu­deut­schland schon vor 1933.

Heute ist die AfD ein Hauptpromoter deutscher Heimatideologie und sang nach ihrem Wahlsieg am 24.09.2017 in Berlin auf ihrer Wahlparty das Deutschlandlied, während wir Antifas draußen gegen die Nazi-Partei demonstrierten,[157] die im Traffic Club an der Ecke Otto-Braun-Straße / Karl-Marx-Alle /Alexanderstraße, vis-à-vis vom Alexanderplatz, feierte.

Otte ist auch Unterzeichner der rassistischen „Erklärung 2018“ von Broder und Vera Lengsfeld (Achgut). Kaiser spielt gerne den ‚weder-rechts-noch-links’ Typen, hat aber doch fast nur rechte bis sehr rechte Gesprächspartner (meist Männer), nachdem er zuvor auch liberale Coronapolitik-Kritiker wie den Richter Thorsten Schleif oder den Historiker René Schlott interviewte. In einem Video schlägt er einer kleinen Elite unter seinen Zehntausenden Abonnenten oder Fans und Zuschauer*innen vor, sich ein Haus in Mittelitalien (oder wo anders) zu kaufen, um eine Art Zufluchtsort zu haben, und dort u.a. auch die Bücher und Texte des Nazis und Antisemiten Martin Heidegger zu lesen bzw. sich von diesen Texten zu solchen Holzwegen inspirieren zu lassen.

Das kommt en passant, so wie Kaiser wie selbstverständlich mit Max Otte redet, als sei das nicht skandalös, einen AfD-nahen Typen zu interviewen. Man sieht die neu-rechte Ausrichtung von Gunnar Kaiser auch in einer Buchempfehlung am 1. Januar 2020, vor der Coronakrise, wo er im Freien Lektüre anpreist. Unter den 12 Büchern, die er seinen Fans für 2020 empfiehlt, ist auch Ernst Jüngers „Auf den Marmorklippen“. Kaiser findet das besonders prickelnd, da er während des Anpreisens dieses neu-rechten Lieblingsschriftstellers, Antisemiten und Käferaufspießers selbst auf eben solchen Marmorklippen stand.

Zur Relevanz von Jünger als antidemokratischem Hetzer von 1920 bis 1933, zu seinen Aktivitäten während der NS-Zeit und seiner nationalistischen Publizistik nach dem Ende des SS-Staates siehe eine kritische Studie von Horst Seferens.[158] Kaiser outet sich als langjähriger Ernst Jünger Fan und preist in seiner Büchervorschau 2020 auch Jüngers „Waldgang“ an. Seferens analysiert Ernst Jüngers Schrift Der Waldgang von 1951:

Zu den Bestimmungen des Waldgängers gehört es, daß er sich von der sich neu etablierenden Macht verfolgt und ausgegrenzt wird. Für Jünger gehört die Feindbestimmung zu den konstitutiven Momenten einer Staatsgründung. (…) Für die von ‚Verhaftungen, Durchkämmungen, Eintragungen in Listen, Pressung zu Zwangsarbeit und fremdem Herresdienst‘ bedrohten Deutschen bleibt, so suggeriert Jünger, der Waldgang die einzig mögliche Existenzform. Darüber hinaus kennzeichnet Jünger das deutsche Volk als eine von ‚Enterbten und Entrechteten‘, die nun die Nachfolge in der Rolle der Deklassierten vom ‚Proletariat‘ übernehmen. Jünger muß eine gewaltige Geschichtsklitterung betreiben, um die Täter in die Rolle von Opfern zu versetzen: Das Verbrechen von Krieg und Völkermord wird ausgeblendet und stattdessen auf die Siegermächte projiziert, denn in der ‚Niederlage wurde die Absicht, ihn [den Deutschen] auf ewig zu entrechten, ihn zu versklaven, ihn durch Aufteilung zu vernichten, an ihm erprobt.[159]

Diese sekundäre antisemitische Reaktionsform, die verbrecherischen Deutschen zu Opfern zu stilisieren – grade auch Jünger, den Wehrmachtssoldaten, der im besiegten Paris feierte –, ist ein Kernideologem von Der Waldgang. Auch Kaiser geht oft in den Wald, mehrere seiner Videos sind am Waldesrand bzw. in der Natur.

Konsequent kulminiert das Youtuber-Dasein von Gunnar Kaiser in einem fast zweistündigen Gespräch mit dem antiisraelischen Journalisten und Selbstdarsteller Jürgen Todenhöfer, der jüngst eine eigene Partei gegründet hat. Die narzisstische Selbstüberschätzung Kaisers zeigt sich auch in einem Film über ihn selbst, wie er im Januar 2021 eine Reise nach Schweden macht, um sich dort den Alltag in einem Nicht-Lockdown-Land anzuschauen, was ja sehr sympathisch ist.

Seine beiden Gesprächspartner, ein Dachdecker und ein Fotograf, sind jetzt nicht sonderlich bemerkenswert, vielmehr die filmische Stilisierung von Kaiser zu einer Art Ikone der Anti-Coronapolitik-Szene, wenn er sich nur mit Badehose bekleidet in ein vom Eis aufgehacktes Wasserloch eines Tümpels begibt und danach mit einem Schäferhund und einer winterlich gekleideten weiblichen Reisebegleitung rumtollt und Schneebälle wirft. Slow-motion, unterlegte Musik und Luftbilder aus Schweden runden den postpubertären Film mit Hang zum Größenwahn ab – er nennt seine Videos „Kaiser TV“, wobei die Art Kaisers zu reden, keinerlei Ironie erkennen lässt.

Achgut

Bei aller not-wendigen Kritik sei gleich vorab festgehalten: Achgut[160] ist ein Medium, das viele wichtige Texte zur Kritik der Coronamassenpanik publiziert und tagtäglich der Ort ist, wo man Informationen erhält, die einem der Mainstream großteils vorenthält bzw. sie versteckt und nicht so präsentiert, wie sie präsentiert werden müssten. Um einigermaßen psychisch stabil diese Mega-Krise zu überstehen, sind Portale wie Achgut oder das kleine und eher linke Portal Corodok[161] wichtig.

Man muss dabei versuchen, die Informationen zu rezipieren, ohne sich vom teils schwer erträglichen Duktus und problematischen Ideologemen gerade bei Achgut abhalten zu lassen. Feindbilder von Achgut sind primär Greta Thunberg und das Thema menschgemachter Klimawandel, die Themen Gender und Feminismus sind ebenfalls negativ konnotiert, eine Nähe zur AfD ist zweifellos vorhanden, auch wenn der Großteil der Autoren eher liberal-konservativ und FDP-affin zu sein scheint.

Gleichwohl gibt es aber auch Beiträge, die Marlene Dietrichs Auftritte bei der US Army cool finden – und Marlene Dietrich ist berühmt für ihre Antwort: „Deutschland? Nie wieder!“ Das ist der Slogan der linksradikalen antideutschen Bewegung: Nie wieder Deutschland, wie man es oft auf Demonstrationen hören konnte und kann – „Nie, nie, nie wieder Deutschland, wir scheißen auf das Vaterland.“[162]

Es gibt sinnvolle und kritische Texte auf Achgut wie diesen:

Leben ist kein Selbstzweck. Wir wollen uns freuen, begegnen, etwas erreichen, Spaß haben, singen, tanzen, uns freuen. Viele von uns gehen große Risiken ein. Beim Auto- und Motorradfahren, auf der Skipiste, beim Bergsteigen, Surfen, Segeln, Trinken, Rauchen, Kiffen und Spritzen. Jeder von uns geht irrational Risiken ein, die sich für ihn vielleicht rational nicht lohnen und sein Leben verkürzen. Aber wir lachen, freuen uns und haben Spaß daran. Vielleicht verleugnen wir sogar die Risiken, um die wir wissen. Aber das ist unser gutes Recht. Es ist unser Leben. Und nicht das Leben von Angela Merkel oder Markus Söder. (…) Unseren Kindern stehlen wir nicht nur die Bildungschancen. Sondern die Freude und die Erfahrung, mit ihren Altersgenossen aufzuwachsen. Und das Erfolgserlebnis. Wie absurd ist es, wenn Abiturfeiern im Autokino abgehalten werden und die Partys, mit denen diese Menschen ihren Erfolg feiern wollen, aus Pandemiegründen gecancelt werden. Man stiehlt diesen Menschen ihren Erfolg. Und der ist nicht wieder einholbar. Das gleiche gilt für Familienfeiern, Geburtstage, Hochzeiten. Unseren Erfolg zu feiern, wird uns versagt. (…) Söder, Ramelow und Konsorten haben uns unserer Rechte beraubt. Aber wir sind es, die das zulassen. Der Untergang der Verhältnismäßigkeit hat auch damit zu tun, dass wir alle das fast klaglos hinnehmen, statt den Irrsinn zu ignorieren. Und Merkel lacht zwar nicht, aber freut sich über den nicht vorhandenen Widerstand.  (…) Corona ist der Eingang des Menschen in die selbstverschuldete Unmündigkeit.[163]

Dass man wichtige und kritische Informationen zur Coronapolitik erhält, gilt nur für sehr wenige einigermaßen seriöse Seiten, in UK wären das lockdownsceptics[164] oder auch TalkRadio,[165] auch das sind jeweils keine Linken, eher Anti-Linke und Pro-Brexit-Portale, aber man bekommt viele wichtige Informationen; in den USA ist es inspirierend, sich die neuesten Entwicklungen vor allem in Florida anzuschauen, wo der Gouverneur Ron DeSantis (der auch ein übler Pro-Trump Mann war und Republikaner ist) schon im September alle Strafen fürs Nicht-Maskentragen oder Abstandslosigkeit abgeschafft hat (und auch Bestrafte amnestierte).

Florida hat schon im September betont, wie wichtig der Schutz der Alten ist, Schnelltests an Alters- und Pflegeheimen sind dabei sehr wichtig. Das hätte auch hierzulande seit Monaten gelernt werden können – und Achgut weist darauf immer wieder hin –, dass Corona eine sehr spezifische Krankheit ist, die gerade nicht für alle Menschen gefährlich ist, sondern fast nur für Menschen über 75 und das auch nur, wenn sie schwer vorerkrankt sind.

Es muss ausschließlich um diesen Schutz gehen, immer in Abstimmung mit den Menschen: Es gab nichts Menschenunwürdigeres als das totale Isolieren von Alten- und Pflegeheimbewohner*innen sowie von Patient*innen in Krankenhäusern und Hospizen. Es ist sogar sehr gut, wenn sich möglichst viele junge Menschen – das sind alle unter 60 – mit Corona anstecken, da es ein harmloses Virus ist, wie die Forschung betont. Denn nur durch Ansteckung (oder Impfung, aber es werden sich niemals alle Menschen impfen lassen, gerade auch im Ärzte- und Pflegebereich gibt es erhebliche Zurückhaltung, was das Impfen betrifft) entwickelt eine Gesellschaft Immunität. Das ist bei jeder Grippe auch so.

Die Europäische Versammlung, ein Zusammenschluss von aktuell 47 Staaten von Portugal bis zur Türkei, Russland, Irland, Deutschland, England etc., erklärt am 27. Januar 2021, dass es unter keinen Umständen eine Unterscheidung geben darf zwischen gegen Corona geimpften und nicht geimpften Menschen.[166]

Warum sind, empirisch belegt, Kinder vom Bauernhof oder aus krassen (Ex-)Industriegebieten (Bitterfeld, Oberhausen) oder Gebieten mit Kohleheizung und weniger Teppichböden weniger anfällig für Allergien?[167] Womöglich auch, weil sie mit vielen Krankheitserregern frühzeitig in Kontakt kamen. Wer aseptisch abgekapselt im öko-kapitalistischen Neubaugebiet aufwächst, hat im Zweifelsfall bei jeder Grippewelle eine gefährliche Situation. Auf die Bedeutung des Sich-gegenseitig-Ansteckens im Herbst unter Studierenden weist Professor Robert Dingwall aus England in Gespräch mit dem Verfasser hin.[168]

Achgut ist also einer der größeren Autorenblogs im deutschsprachigen Raum und hat eine konservativ-liberale, antifeministische[169] bis neu-rechte Ausrichtung. Im Gegensatz zu den meisten anderen hier vorgestellten Anti-Corona-Politik-Seiten, namentlich KenFM und somit Querdenken, ist es nicht antisemitisch und nicht antiamerikanisch. Das ist das atlantische Moment von Achgut, was sich aber wiederum selbst in den Schwanz beißt, weil bis zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und teilweise sogar noch danach Trump auf Achgut promotet und als irgendwie normaler US-Präsident verharmlost wurde.

Dabei war kein US-Präsident der jüngeren Geschichte so antisemitisch wie Donald Trump: Er sah „ganz feine Leute“ unter den Neonazis, die 2017 in Charlottesville eine linke Frau ermordeten und schrien „Jews will not replace us“; er agitierte gegen Flüchtlingsunterstützergruppen, zu denen auch jüdische Synagogen-Gemeinden in den USA zählten, und hat somit seinen Anteil an der Stimmung gegen Juden, die zum schlimmsten Massaker an Juden in der Geschichte Amerikas in einer Synagoge in Pittsburgh führte.[170]

Trump hat unzählige antisemitische Verschwörungsmythen verbreitet und namentlich gegen George Soros agitiert und Anhänger*innen der antisemitischen Verschwörungswahnwichtelszene um QAnon im Weißen Haus empfangen, wie oben gezeigt (29. August …).

Nach den blutigen Randalen im Kapitol am 6. Januar 2021 hat ein Autor auf Achgut zwar zu Trumps Rauswurf aus dem Weißen Haus aufgerufen, aber einige Tage später wird exakt jene Rede Trumps, um die es geht, auf Achgut von einem anderen Autor nicht nur in Teilen übersetzt, sondern auch noch verteidigt und nur ein minikleiner Auszug gebracht, ohne die verschwörungswahnsinnigen Passagen in dieser über 60 Minuten dauernden Rede Trumps unweit des Kapitol in Washington, D.C., zu erwähnen:

Diese Worte sprach Donald Trump, nachdem seine Profilseiten auf Twitter und Facebook blockiert wurden, während zur gleichen Zeit auf diesen und vielen anderen Portalen behauptet wurde, der amerikanische Präsident habe die Menschen, die das Kapitol gestürmt hatten, mit seiner Rede in der Hauptstadt Washington zu den Taten aufgestachelt.

Die zur Diskussion stehenden Stellen in der Rede (im Original hier) finden Sie hier ebenfalls in deutscher Übersetzung. Entscheiden Sie selbst, ob Sie darin eine Aufwiegelung erkennen können.

Der Schauspieler Gerd Buurmann, der meint „Demokratie heißt auch Donald Trump anzuhören“, übersetzt dann nur einige kurze Passagen, wobei auch die bereits die Aufstachelung zur Gewalt sehr wohl beinhalten können („Aber wir werden versuchen, unseren Republikanern, den Schwachen, etwas zu geben, weil die Starken unsere Hilfe nicht brauchen. Wir werden versuchen, ihnen den Stolz und die Kühnheit zu geben, die sie brauchen, um unser Land zurückzuholen.“)

Der Achgut-Gastautor verlinkt aber die ganze Rede Trumps und weiß somit, was für eine groteske, vor Realitätsverlust und Verschwörungsideologie einer „gestohlenen Wahl“ triefende Rede hier vorliegt – aber Buurmann tut so, als ob gerade in dieser Rede nicht klar ersichtlich sei, dass Trump ein Verschwörungswahnsinniger ist. Der Kölner Blogger übersetzt ja auch nur wenige Sätze dieser langen Rede, in der es z.B. heißt:

What I was told, if I went from 63 million, which we had four years ago to 66 million, there was no chance of losing. Well, we didn’t go to 66. We went to 75 million and they say we lost. We didn’t lose.

Wie ein kleiner Junge redet hier Trump daher, dass ihm dies oder das versprochen worden sei, wenn er dies oder jenes erreiche und dann sei es nicht so gekommen, weil ein anderer doch besser gewesen sei. Bei der Wahl zum 46. US-Präsidenten 2020 bekam Trump 74,222,959 Stimmen und Joe Biden 81,283,074. In den entscheidenden Bundesstaaten war es zwar teils sehr knapp, aber es gibt keinerlei Anzeichen von Wahlfälschung.

Wie ein Achgut-Autor insinuieren kann, dass Trump in seiner Rede am 6.1.21 keinen Wahnsinn und keinen Aufruf zum Marsch aufs Kapitol verbreitete, ist schleierhaft. Es zeigt aber die Affinität zu Trump auf Achgut seit dem US-Wahlkampf 2016 und fügt sich in eine allgemeine neu-rechte Ideologie ein.

Das Onlinetagebuch Achgut („Achse des Guten“) um Henryk M. Broder und Dirk Maxeiner ist also seit vielen Jahren auf einen rechten Kurs abgebogen. Ihr ehemaliger Kollege und Mitbetreiber Michael Miersch stieg deshalb Anfang 2015 aus.[171] Achgut hat auch schon sehr üble rechte Kampagnen wie gegen die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) und deren Leiterin Anetta Kahane mitgemacht und befeuert. Einer der damaligen Autoren ist Ansgar Neuhof, ein Anwalt aus Berlin, der auch Corona kritische Texte publiziert, an denen man nicht sofort erkennt, dass er eine krass antilinke Agenda betreibt.

Namentlich die Corona-Updates des Arztes Gunter Frank aus Heidelberg auf Achgut sind informativ, pointiert und sehr wichtig,[172] aber relativieren nicht die sonstige neu-rechte Ausrichtung des Blogs, wo dann auch Leute schreiben, die bei rechten Zeitschriften wie Tichys Einblick auftauchen wie Neuhof.[173]

Achgut hat eine Scharnierfunktion zwischen bürgerlich-konservativ, liberal-konservativ und rechtsextrem bzw. neu-rechts. Broder selbst sprach bei der AfD-Bundestagsfraktion auf einer Veranstaltung. Die Antikommunistin und via der Rot-Gleich-Braun-Ideologie der „Prager Deklaration“ ihres Superhelden Joachim Gauck (der Super-GAUck für die politische Kultur der BRD) den Holocaust diminuierende Publizistin Vera Lengsfeld[174] ist eine bekannte Autorin von Achgut und agiert häufig zusammen mit Broder.

Während zum Beispiel René Zeyer auf Achgut die Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion sehr richtig darstellt und die widerwärtige Häme fast der gesamten deutschen Presselandschaft, der politischen und kulturellen Elite angesichts der großen Militärparade Putins in Moskau auf dem Roten Platz am 75. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland attackiert,[175] ist Achgut viel häufiger Tummelplatz für neu-rechte Texte und Ideologie.

Broder selbst bedient regelmäßig die nach rechts offene Ideologie, wenn er z.B. Häme gegen die Antifa Punkband Feine Sahne Fischfilet verbreitet.[176] Lengsfelds und Broders Unterstützung für die flüchtlingsfeindliche „Erklärung 2018“ sagt alles über dieses neu-rechte Heimat-Milieu, zu dem auch der Philosoph Rüdiger Safranski und natürlich der mittlerweile Ex-SPDler Thilo Sarrazin gehören.[177]

Ein witziges oder sarkastisches Video wurde von der Schweizerin Tamara Wernli am 6. September 2020 auf Achgut hochgeladen: „In zehn einfachen Schritten zum Corona-Polizisten!“[178] Die Ankündigung fasst die aktuelle Situation Anfang September 2020 zusammen:

Eigentlich sind es gute Nachrichten: Die Corona-Mortalitätsrate ist in den meisten europäischen Ländern sehr tief. Die Intensivbetten sind kaum belegt. Die große Mehrheit der Menschen hält sich an die Maßnahmen und geht überraschend gut mit der Pandemie um. Für einige spielt das aber keine Rolle – denn auf die paar Uneinsichtigen, die Zweifler, kommt es offenbar an. Mit ihnen steht oder fällt eine Gesellschaft. Darum sehen sich immer mehr Leute verpflichtet, Individuen, die sich nicht zu hundert Prozent an die Regeln halten oder auch die Maßnahmenpolitik hinterfragen, öffentlich zu beschimpfen, zu diffamieren und zu maßregeln.[179]

Das Video selbst untermalt dann diesen Eindruck. Wernli macht satirisch auf die aggressiven Mitbürger aufmerksam, die überall die Maske verteidigen, andere Bürger in U-Bahnen angreifen oder laut beleidigen, sollten sie, ob mit oder ohne Attest, keine Maske tragen. Allerdings ist es befremdlich und bezeichnend für das Achgut-Umfeld, dass die YouTuberin Tamara Wernli auch problematische Interviews führt, wie am 06. Juni 2020 mit dem „Corona-Kritiker“ Daniele Ganser. Das Gespräch dauerte über zwei Stunden.[180]

Der oben bereits erwähnte Daniele Ganser ist ein bekannter Verschwörungsideologe,[181] der bezweifelt, dass am 11. September 2001 islamistische Selbstmordattentäter das World Trade Center in New York City sowie das Pentagon angegriffen haben, beziehungsweise er fabuliert, es stünden geheime Mächte dahinter oder sie hätten die Angriffe absichtlich geschehen lassen. Er fantasiert von unterschiedlichen Verschwörungsszenarien, die in der Forschung allesamt widerlegt sind.

Dass gerade eine Achgut-Autorin einem solchen für die Corona-Szene sehr wichtigen Verschwörungsideologen, der damit dem Antiamerikanismus und dem Antisemitismus Vorschub gibt, publiziert wird, obwohl gerade Broder als Achgut-Betreiber (neben Dirk Maxeiner) sich stark gegen die Leugnung des 11. September als islamistisches Verbrechen wendet und selbst Amerika- wie Judenhass bekämpft, ist bezeichnend. Der Amerikanist Michael Butter, der zu Verschwörungsideologien forscht, ist ein Kritiker von Daniele Ganser und wurde deshalb schon mit Shitstorms belegt. Butter schreibt 2019:

Tatsächlich aber stellt Ganser Suggestiv­fragen, reisst Zitate und Bildquellen aus dem Zusammen­hang und verschweigt alles, was nicht in sein Argument passt. Seine Ausführungen lassen nur den Schluss zu, dass die US-Regierung oder ein Teil von ihr hinter den Anschlägen steckt. Zwei Beispiele: Ganser weist immer wieder darauf hin, dass an 9/11 zwei Flugzeuge in Gebäude in New York flogen, aber drei Gebäude zusammen­stürzten. Beim dritten Gebäude handelte es sich um WTC 7, ein kleineres Neben­gebäude der Zwillings­türme des World Trade Center, das der offiziellen Untersuchung zufolge einstürzte, weil das Feuer der Twin Towers übergegriffen hatte. Ganser zeigt in seinen Vorträgen gerne ein kurzes Video des Einsturzes und zitiert dann einen Baustatiker, der erklärt, Symmetrie und Geschwindigkeit des Einsturzes würden darauf hindeuten, dass das Gebäude gesprengt worden sei. Ganser zeigt seinem Publikum aber nicht die vollständige Version des Videos, in der klar zu erkennen ist, dass das Gebäude keineswegs symmetrisch und auch nicht im freien Fall einstürzt. Und er zeigt auch nicht eines der Videos, welche den Einsturz von der anderen Seite des Gebäudes zeigen und auf denen man erkennt, wie schwer WTC 7 bereits beschädigt war.[182]

In der schrecklichsten, peinlichsten und am meisten schockierenden aller Präsidentschaftswahlkampfdebatten im US-Fernsehen am Abend des 29. September 2020 aus Cleveland, Ohio, hat sich US-Präsident Donald Trump hinter die Faschisten, Nazis, Schläger und Antisemiten der „Proud Boys“ gestellt. Auf die Frage des komplett überforderten oder unfähigen Moderators Chris Wallace:[183]

„Are you willing, tonight, to condemn white supremacists and militia groups and to say that they need to stand down?“ sagte Trump floskelhaft: „Sure, I’m willing to do that.“ Doch wenig später sagte Trump Folgendes:

Well, Proud Boys, stand back and stand by. I’ll tell you what, somebody’s got to do something about antifa and the left because this is not a right-wing problem, this is a left-wing problem.[184]

Damit stellt sich Trump hinter Faschisten, Nazis und Antisemiten und gegen die Antifa. Biden hingegen sagte, dass Antifa eine Idee sei und keine feststehende Gruppe. Die Anti-Antifa jubelt wie nie zuvor – diese Neonazis wurden von einem US-Präsidenten gefeiert im blutigen Kampf gegen die Linke. Nicht nur die US-Medien, auch die Times of Israel[185] und die NGO Anti Defamation League (ADL)[186] sind schockiert. Ich hatte am 21. November 2018 über jene „Proud Boys“[187] geschrieben:

[Der rechtsextreme britische Aktivist und Pegida-Redner in Dresden Tommy] Robinson ist ein enger Freund von Gavin McInnes, der in USA lebt und mit dem er nun eine Vortragsreise nach Australien plant. Wer ist McInnes? Am 12. Oktober 2018 fand eine Veranstaltung im Metropolitan Republican Club in New York City mit den 2016 von McInnes gegründeten ‘Proud Boys’ statt. Sie sind als rechtsextreme Schläger in ganz USA bekannt. McInnes war einer der Mitbegründer des Vice-Magazins und wird als früher Protagonist der Hipster-Bewegung betrachtet. 2008 verließ er Vice. Im August 2018 sperrte Twitter seinen Account und den anderer ‘Proud Boys’ wegen deren Extremismus. Das Southern Poverty Law Center in USA stuft sie als Hassgruppe ein.

Am 12. Oktober 1960 ermordete der Rechtsextreme Otoya Yamaguchi den Vorsitzenden der sozialistischen Partei Japans, Inejiro Asanuma, auf einer Wahlkampfveranstaltung in Tokio mit einem Samuraischwert. Dieser brutale Mord wurde nun am 12. Oktober 2018 von Gavin McInnes im Metropolitan Republican Club nachgespielt – mit einem Plastikschwert in der Hand nahm er die Rolle des Mörders ein und meinte, diese Szene sei ‘sehr inspirierend’.

Das Blog Achgut war schon am 28.09.2020 ganz aufgeregt und blickte offenbar gebannt auf die bevorstehende Debatte Trump/Biden bzw. die Wahl zum US-Präsidenten Anfang November. Der Achgut Gastautor Georg Etscheit stellte sich am 28. September 2020 unzweideutig hinter den schon lange als Pro-Faschisten, Antisemiten und Pro-Nazi berüchtigten Trump („Warum ich Donald Trump die Daumen drücke“),[188] denken wir wie gesagt nur an Charlottesville und die Neonazis, die dort wüteten und eine Frau ermordeten („very fine people among them“,[189] der Neonazi-Mörder kommt lebenslang ins Gefängnis).[190]

Trump hat mit seiner tagtäglichen Hetze gegen Andere, gegen „den Anderen“ wie der Philosoph Emmanuel Lévinas gesagt hätte, gegen Migranten, Flüchtlinge, Muslime, Latinos, gegen – im neu-rechten und Neo-Nazi Jargon – „Globalisten“ und George Soros, eine aggressive, rassistische wie antisemitische Stimmung geschaffen, die im schrecklisten antisemitischen Massaker in der Geschichte Amerikas kulminierte.

Der Journalist Adam Server hat im Atlantic am 28. Oktober 2018 klar gemacht, dass alle, die Trumps Agitation mitgemacht oder befeuert haben, ihren Teil der Schuld tragen an diesem Massaker an 11 Juden in der Tree of Life Synagoge in Pittsburgh am 27. Oktober 2018:

The Tree of Life shooter criticized Trump for not being racist or anti-Semitic enough. But with respect to the caravan, the shooter merely followed the logic of the president and his allies: He was willing to do whatever was necessary to prevent an ‘invasion’ of Latinos planned by perfidious Jews, a treasonous attempt to seek ‘the destruction of American society and culture.’

The apparent spark for the worst anti-Semitic massacre in American history was a racist hoax inflamed by a U.S. president seeking to help his party win a midterm election. There is no political gesture, no public statement, and no alteration in rhetoric or behavior that will change this fact. The shooter might have found a different reason to act on a different day. But he chose to act on Saturday, and he apparently chose to act in response to a political fiction that the president himself chose to spread and that his followers chose to amplify.

As for those who aided the president in his propaganda campaign, who enabled him to prey on racist fears to fabricate a national emergency, who said to themselves, ‘This is the play’? Every single one of them bears some responsibility for what followed. Their condemnations of anti-Semitism are meaningless. Their thoughts and prayers are worthless. Their condolences are irrelevant. They can never undo what they have done, and what they have done will never be forgotten.[191]

Etscheit mag das Massaker in der Synagoge 2020 vergessen haben und sieht sich selbst womöglich als Gegner Trumps, doch seine Ironie hat außer ihm womöglich kaum jemand erkannt, denn er jubilierte geradezu vor der großen TV-Debatte zur US-Präsidentenwahl:

Hätte es den ganzen Medien-Zinnober und das nicht enden wollende Trommelfeuer auf die leibhaftige Verkörperung des Teufels im Weißen Haus nicht gegeben, wären die bislang vier Jahre seiner Regierung eine ziemlich normale republikanische Präsidentschaft gewesen.[192]

Kein denkender Mensch hätte Trumps Präsidentschaft bis zu diesem Zeitpunkt als „ziemliche normale republikanische Präsidentschaft“ bezeichnet. Das gilt insbesondere für Trumps Sympathien für Neonazis in Charlottesville und für seine geistige Mittäterschaft, beim Schüren von Antisemitismus, der mit dem Massaker in der Tree of Life Synagoge am 27. Oktober kulminierte.

Dass Trump ein Volksverhetzer ist – und nicht ‚nur‘ ein narzisstischer Spinner – gilt ebenso für Trumps Auftritt am 29. September 2020, den man kaum als “normal” bezeichnen kann – auch nicht für republikanische Verhältnisse. Es war eine „Scheißshow“, wie es Dana Bash, Anchorwoman bei CNN, in Anlehnung an das Verhalten und die Sprache Trumps in ungewöhnlich deutliche Worte fasste.[193]

Es war eine Pro-Faschismus-Show und Anti-Antifa-Show von Trump. Wer Trump wählt oder unterstützt, unterstützt damit auch die von ihm gefeierten „Proud Boys“, Faschisten, Nazis und Antisemiten und kämpft gegen die Antifa. Nie wurde das deutlicher als am 29. September 2020. Auf den Corona-Demos im August 2020 in Berlin wurde Trump gefeiert, riesige USA-Fahnen wurden geschwenkt und Trump nicht zuletzt im Sinne der antisemitischen und verschwörungsmythischen QAnon-Bewegung als Held der Bewegung herbeigesehnt. Die regelrechte ‚Anrufung‘ Trumps konnte man auf einer rechtsextremen Kundgebung kurz vor dem Sturm auf die Reichstagstreppen am 29. August 2020 sehen.

Interessant ist mit Blick auf die Corona-Szene, dass der Verschwörungsideologe Daniele Ganser sowohl von den Seiten Rubikon wie auch NachDenkSeiten gelobt wird und via Paul Schreyer auch mit Multipolar in Verbindung steht und via Tamara Wernli eben auch von Achgut indirekt promotet wird, was seine Bedeutung für diese Anti-Coronapolitik-Szene unterstreicht.[194]

Der zitierte Michael Butter, Professor für amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen, macht es sich jedoch am Beispiel Corona sehr einfach, für ihn gibt es offenbar keine große Differenz zwischen jenen, die das Virus leugnen und jenen, die die übertriebene und nicht evidenzbasierte Gefahr, die Corona entgegen den Fakten darstelle, kritisieren.

In der FAZ schreibt Butter am 8. August 2020 über „Aufregung in den Echokammern“ und die Anti-Corona-Demonstrationen wie jene am 1. August 2020 in Berlin. Natürlich ist seine Kritik an den Verschwörungsideologen wichtig und richtig, aber sie trifft halt nur einen bestimmten Teil des Problems. Zu Corona selbst und zu jenen, die aus Unsicherheit nicht zu Verschwörungen, sondern zum autoritären Staat greifen, sagt er nichts.

Das zeigt sich auf Seite eins derselben Ausgabe der FAZ, in der Jasper von Altenbockum ohne jede Fachkenntnis in den Raum wirft, dass es „Quarantäne“ und „Schulschließungen“ so lange geben wird, bis es einen „Impfstoff“ gebe, das sei die „neue Normalität“. Die FAZ möchte also gar nicht wissen, ob ein Impfstoff möglich oder notwendig ist, sie setzt in Carl Schmittscher Manier einfach auf den Ausnahmezustand. Der Antisemit und Nazi-Jurist Carl Schmitt schrieb bekanntlich:

Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. (…) Der Ausnahmefall offenbart das Wesen der staatlichen Autorität am klarsten (…) die Autorität beweist, dass sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht.[195]

Nie war dieser Satz in der Geschichte der Bundesrepublik wahrer als im Jahr 2020. Es ist also einfach, wenn die FAZ die Rechtsextremen kritisiert, sich aber de facto an einer Schmittschen Ideologie vom Souverän orientiert, ohne dass der Grund des Notstandes erklärt werden müsste. Darauf weisen ja auch viele Jurist*innen in Zeiten der Coronakrise hin.

Auf einer Passauer Kundgebung „Freiheit2020“ sprach am 13. Juni 2020 Dr. Ronald Weikl, stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ (MWGFD). Vorsitzender ist Sucharit Bhakdi.[196] Der Verein MWGFD verlinkt die Rede von Weikl und hat nationalistisches Pathos, die Buchstaben GFD sind in schwarzrotgold getaucht.[197]

So ist es auch kein Wunder, dass der eloquente Weikl allerhand Skandalöses vom Einzelhandel in Bayern zu erzählen hat (dass Menschen mit Attesten zum Nicht-Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung dennoch bestimme Läden nicht betreten dürfen, andere Elektronikläden hingegen doch), in seiner Rede wie selbstverständlich die zwischen linkem Verschwörungswahnsinn, Rechtsextremismus, Querfront und sonstiger Neuer Rechten oszillierenden Seiten KenFM, Achgut, Politically Incorrect (PI News), NachDenkSeiten, Rubikon und andere hochjubelt. Das seien die kritischen Medien.

Vom Antisemitismus von PI, einer Seite, die sich schon vor Jahren mit Michael Stürzenberger[198] gegen die Brit Mila[199] und somit gegen jüdisches Leben in Deutschland aussprach, der rassistischen Hetze gegen Flüchtlinge und Muslime auf PI News ist da kein kritisches Wort zu hören.

Mit dem Antisemitismus von Politically Incorrect (PI) hat Achgut nichts am Hut, ja ist, wie zitiert, an vorderster Front gegen den Antisemitismus von Ken Jebsen (KenFM), der viele Videos von Querdenken-Demos gemacht hat und mit Querdenken um Michael Ballweg aus Stuttgart eng kooperiert, aktiv. Das relativiert aber unterm Strich nicht die mehr oder weniger neu-rechte Gesamtausrichtung von Achgut. Am 23. Januar 2021 berichtet Achgut:

YouTube sperrt Kanal von Ken Jebsen dauerhaft

YouTube hat den Kanal ‚KenFM‘ von Ken Jebsen endgültig gesperrt, meldet bild.de. Ein YouTube-Sprecher habe am Freitag mitgeteilt: ‚Videos auf dem Kanal KenFM haben gegen unsere Covid-19-Richtlinien verstoßen‘. Zum dritten Mal seien Community-Richtlinien missachtet worden. Nach den Regeln von YouTube werde ein Kanal dauerhaft gelöscht, wenn innerhalb von 90 Tagen dreimal gegen diese Richtlinien verstoßen werde. Der Dienst habe bereits im Mai 2020 dafür gesorgt, dass Jebsen kein Geld mehr durch Werbeeinblendungen verdienen konnte. Im November sei der Zugang zu Jebsens Videos zeitweise gesperrt gewesen.

In der Corona-Krise habe sich Jebsen auf seinem Kanal mit einer halben Million Abonnenten vorzugsweise an Microsoft-Milliardär Bill Gates (64) und seiner Frau Melinda (55) abgearbeitet. Seine Botschaften: Das Paar hätte ‚mehr Macht als Roosevelt, Churchill, Stalin und Hitler seinerzeit zusammen‘. Gates‘ angebliches Ziel: die Zwangsimpfung – und damit ‚Dezimierung‘ – der ganzen Menschheit. Außerdem denke Gates darüber nach, Menschen im Rahmen von Impfungen gezielt zu sterilisieren. Vor über zehn Jahren war Jebsen in seiner ehemaligen RBB-Sendung ‚KenFM‘ mit antisemitischen Äußerungen und der Verharmlosung des Holocaust aufgefallen.“

Das rechte Postergirl Annabel Schunke wird am 29. Januar 2021 von Achgut als arme „Ausgestoßene der Woche“ dargestellt,[200] dabei war sie wie viele andere Erstunterzeichnerin der rassistischen Erklärung 2018[201] gegen Flüchtlinge.

Mit dabei war neben Broder, Lengsfeld, also dem Kern von Achgut, der neu-rechte Autor Karl-Heinz Weißmann, der nationalistische Agitator Uwe Tellkamp, dessen Aktivitäten Hermann L. Gremliza dazu veranlasste, sein Buch „Haupt- und Nebensätze“ bei Suhrkamp zurückzuziehen, da Suhrkamp sich weigerte, Tellkamp als Autor rauszuschmeißen,[202] und nicht zuletzt, neben vielen anderen Namen aus der extrem rechten Szene, auch der Publizist Michael Klonovsky, der den Journalisten Alan Posener antisemitisch beleidigte.[203] Somit zeigt sich abschließend sehr wohl, in welch rechtem Fahrwasser Achgut seit Jahren schippert.

Joe Biden: Corona für Amerikaner so tödlich wie Nazi-Deutschland

Der 46. Präsident der USA, Joe Biden, sprach auf seiner Inauguration am Mittwoch, den 20. Januar 2021 davon, dass an Corona so viele Amerikaner gestorben seien, wie im Zweiten Weltkrieg Soldaten im Krieg gegen die Deutschen.[204] Dieser groteske Vergleich eines Krieges gegen Nazi-Deutschland und eines ganz normalen Virus zeigt den Wahnsinn in der westlichen Welt, wie er seit 2020 viele Hirne angegriffen hat.

Die Deutschen im Nationalsozialismus brachten sechs Millionen Juden um, fingen den schrecklichsten Krieg in der Geschichte der Menschheit an, der über 50 Millionen Menschen den Tod brachte – vor allem in der Sowjetunion –, und Biden entblödet sich nicht und vergleicht den Kampf gegen die Deutschen mit der Bekämpfung eines Virus. Das ist so unwissenschaftlich, so ahistorisch und am Thema vorbei, dass es viele Jahre dauern wird, bis die Menschen wieder lernen – wenn sie es in der Mehrheit überhaupt lernen wollen –, dass ein Virus, ein natürlicher Virus, kategorial verschieden ist von menschlicher Gewalt, zumal jener präzedenzlosen Gewalt, wie sie von den Deutschen des Nationalsozialismus ausging.

Hätte Joe Biden wenigstens die amerikanische Version des Robert Koch-Instituts (RKI), die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) studiert, wüsste er, dass das CDC betont, dass lediglich sechs Prozent der Corona-Toten ausschließlich an Corona starben, alle anderen hatten im Schnitt 2,9 schwere Vorerkrankungen, wo dann Corona nur ein Faktor neben anderen war, der zum Tode führte:

Table 3 shows the types of health conditions and contributing causes mentioned in conjunction with deaths involving coronavirus disease 2019 (COVID-19). For 6% of the deaths, COVID-19 was the only cause mentioned. For deaths with conditions or causes in addition to COVID-19, on average, there were 2.9 additional conditions or causes per death. The number of mentions for each condition or cause is shown for all deaths and by age groups.[205]

Donald Trump hat der Demokratie in den USA massiven Schaden zugefügt, er ist ein sexistischer Gewalttäter, Narzisst, Rassist, Verschwörungsideologe und hat dem Antisemitismus in den USA Vorschub geleistet. Er hat aber als einziger führender westlicher Regierungschef Kritik an der Corona-Panikindustrie geäußert: Nach seiner kurzen Corona-Erkrankung hat er sich alleine auf dem Balkon im Weißen Haus seine Maske vom Gesicht gerissen und zuvor in einer Ansprache gesagt: „Und eine Sache ist sicher: Lasst euch von Corona nicht dominieren!“[206]

Man kann nur Angst bekommen vor einem Präsidenten wie Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris, die beide keinen Bezug zur Geschichte und zur medizinischen Realität eines Virus zu haben scheinen. Wie in Deutschland werden die tatsächlichen oder angeblichen Corona-Toten nie in Beziehung gesetzt zur normalen Sterblichkeit in einem Jahr. Nie werden die unfassbaren Schäden weltweit auch nur angesprochen, die die Lockdown-, Massenpanik- und Maskenobsession haben und noch haben werden.

Die vielen Millionen Toten im Globalen Süden, den Nicht-Industrieländern, werden nicht nur hingenommen, sondern durch die Lockdown-Politik großteils erst produziert, wie die internationale Forschung befürchtet. Professor John Ioannidis von der Universität Stanford schätzte schon vor der Coronakrise, dass z.B. die Wirtschaftskrise von 2010 bis 2018 in Griechenland bis zu 3000 extra Tote pro Jahr gefordert hat,[207] die als Resultat der drastischen Austeritätspolitik zu werten sind. So sanken zum Beispiel die Ausgaben für das Gesundheitssystem von 2008 bis 2012 um 25 Prozent.[208]

Es gibt keinen Krieg gegen ein Virus. Wer vom Krieg gegen Corona gleichsam faselt, hat keinen Begriff von Gesellschaft, Geschichte und Natur. Wer den Unterschied zwischen intentionaler Politik wie dem Angriffskrieg des Nationalsozialismus 1939 ff. und einem Virus nicht kennt, ist denkbar ungeeignet, das wichtigste politische Amt der Welt zu übernehmen.

Vorschlag zur Güte: zwei neue halbe Mitglieder für die Leopoldina

Es könnte in diesem BICSA Working Paper andeutungsweise klar geworden sein, dass Antisemitismus ein komplexes Phänomen ist, das in der Mitte der Gesellschaft so fest verankert ist wie links und rechts. Durch den Rückzug des Geologen Thomas Aigner aus der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz (die mit der Leopoldina kooperiert), der die Corona- und Lockdownpolitik der Bundesregierung, die sich von der Leopoldina beraten ließ, kritisiert[209] und somit seinem Kollegen, dem Philosophen Michael Esfeld[210] in dessen Kritik am unwissenschaftlichen und undemokratischen Agieren dieser Eliteeinrichtung auf seine Weise folgte, ist ein Platz in einer Wissenschaftsakademie frei geworden.

Ich denke, die Historikerin Miriam Rürup, die frisch gekürte Leiterin des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, und die Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin (ZfA), Stefanie Schüler-Springorum, sollten sich diesen frei gewordenen Platz in der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz teilen und als neu geschaffenen Platz in der Leopoldina für sich in Anspruch nehmen und neu aufgenommen werden.

Die Leopoldina braucht dringend good news. Es wäre also eine der beliebten Win-win-Situationen. Beide Forscherinnen sind Vertreterinnen jenes Anti-Cancel-Culture Aufrufs für mehr Toleranz gegenüber BDS. Damit zeigen sie wenig Kritik am antizionistischen Antisemitismus, was durch ihre explizite Unterstützung des postkolonialen, den Holocaust verharmlosenden Autors Achille Mbembe noch verstärkt wird. Das wiederum passt wie gezeigt exakt zur postkolonialen Holocaustverharmlosung des Leopoldina Historikers Wolfgang Eckart.

Es passt insofern sogar ironischerweise zum „Appell für freie Debattenräume“ der eher neu-rechten Agitatoren um Gunnar Kaiser und Milosz Matuschek. Die Unterstützung der #ZeroCovid-Kampagne durch einen Mitarbeiter des ZfA ergänzt wiederum eine Tendenz zum Autoritarismus, was Corona betrifft.

Es gibt also im Zeitalter von Corona sowohl bei nicht wenigen Kritiker*innen der Coronapolitik antisemitische Tendenzen, als auch bei typischen Vertreter*innen der kulturellen Elite sowie der Mainstream-Coronapolitik den Hang zu antisemitischen Ressentiments, sowie paternalistische und autoritäre Verhaltensweisen ungeahnten Ausmaßes und unterschiedlicher Art, schon vor Corona und während der Corona-Krise.

Die Desinfektionsspray-Obsession angesichts eines anwesenden Juden von einem guten Deutschen und Anti-Antisemiten wie Jan Böhmermann schon Jahre vor Corona mag sinnbildlich stehen für antijüdische Ressentiments in Deutschland, nicht zuletzt bei Linken oder sich so Kategorisierende, sowie für den Reinheitswahn, den viele Millionen Coronagläubige seit 2020 an den Tag legen.

Corona ist ein Virus, das für eine bestimmte Gruppe von alten, sehr alten oder/und kranken Menschen gefährlich werden kann. Erwachsene Menschen können aber Risiken selbst einschätzen, dafür braucht kein selbst denkender Mensch „Mutti“.

Paternalismus ist autoritär und hat in einer Demokratie nichts verloren. Natürlich kann jeder Mensch sich mit Corona infizieren und schwer erkranken oder gar sterben – aber wir können auch alle an einer Grippe sterben, an einem Krankenhauskeim (wie es zehntausendfach jedes Jahr passiert!) nach einer blutigen Beinoperation, oder an einer Lungenentzündung, wenn die Polizei Demonstrant*innen bei kaltem Wetter mit Wasserwerfen bekämpft und mann oder frau erst 12 Stunden später wieder im Trockenen ist.

Viele Hundert Millionen Menschen im Globalen Süden haben viel existentiellere Probleme als eine „Epidemie der Alten“ wie Corona – und das nicht mit 84 Jahren, sondern mit 3, 7 oder 24 Jahren etc.: Hunger, Ernährung, sauberes Wasser, eine warme Mahlzeit, eine rechtzeitige Schutzimpfung als Kind (wie vor Masern).

Die Coronapolitik ist ganz sicher nicht das „wohl größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, wie einer der führenden Vertreter der Anti-Coronapolitik-Szene verkündet.

Die antidemokratische Reaktionsweise von unzähligen Blockwarten, die irrationale, nicht evidenzbasierte und unwissenschaftliche Politik hat das Land auf viele Jahrzehnte verschuldet und psychisch in den Ausnahmezustand versetzt. Wie viele „Kollateraltote“ das zur Folge haben wird, werden die nächsten Jahre zeigen.

Es gilt ruhig, sachlich, evidenzbasiert, rational und kritisch die Coronapolitik weiter zu verfolgen und die undemokratischen Aspekte zu bekämpfen.

Vielleicht wird im Rückblick das Jahr 2020 dann doch weltpolitisch als das Jahr erinnert, wo die arabische Welt begann, Frieden mit dem jüdischen Staat Israel zu schließen. Die diplomatischen Annäherungen der Vereinigten Arabischen Emirate, von Bahrain und Marokko sind fantastische Zeichen für Israel.[211]

Wenn selbst der BDS-Gründer Omar Barghouti kleinlaut verkündet,[212] die Palästinenser sollten sehr wohl einen israelischen Impfstoff akzeptieren, dann ist das womöglich der Anfang vom Ende von BDS, egal was deutsche Forscher*innen für Erklärungen abgeben.

Daher gilt: Die Zukunft der coolen[213] Coronapolitik-Kritik wird liberal, links und nonkonformistisch sein, oder sie wird nicht sein. In Anlehnung an den Kritischen Theoretiker Max Horkheimer gilt: Wer von den antisemitischen Verschwörungswahnwichteln einerseits, der Panikindustrie, dem Totalitarismus der linken #ZeroCovid- und der rechten „Querdenken-Mega-Lockdown“-Kampagne und der irrationalen, verfassungsfeindlichen Mainstream-Coronapolitik andererseits nicht reden möchte, soll von der Demokratie und den „Lehren aus der Geschichte“ schweigen.

 

Endnoten

[1] „Über die Rolle von Fußnoten in Wissenschaft und Literatur ist  noch nicht viel geschrieben worden. Fest steht jedoch, daß sie ein Reservat sind, in dem sich die Subjektivität ungestraft austoben darf“, Redaktion 170C, Zeitschrift für den Rest, Hamburg, Nr. 11, September/Oktober/November 1995, S. 91. Das war die erste Fußnote meiner Zwischenprüfungsarbeit im Fach Politikwissenschaft an der Universität Tübingen im Herbst 1995 zum Thema „Ent-wicklung als Tod“. Das Thema Globaler Süden war die ganzen 1990er Jahre über ein Schwerpunkt meines Studiums und meiner außeruniversitären Aktivitäten wie z.B. im Bundeskongreß Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO). Zu dieser Zeit begann auch meine Rezeption der Forschung von Ivan Illich („Fortschrittsmythen“), einem Fortschritts-, Machbarkeits- und Medizin-Kritiker, der jetzt 2020/21 wieder so enorme Aktualität besitzt – „Nemesis der Medizin“. Eine ausführliche Studie über Illichs Kritik der Medizin und der Medikalisierung, der Bedrohung der Menschen durch das medizinische System, wäre dringend not-wendig. Im Februar 2021 erscheint eine neue Biographie zu Ivan Illich: David Cayley (2021): Ivan Illich. An Intellectual Journey, University Park (PA): Pennsylvania State University Press. Cayley hat sich kritisch mit der Coronakrise beschäftigt: David Cayley (2020): Questions About the Current Pandemic From the Point of View of Ivan Illich, http://www.davidcayley.com/blog/2020/4/8/questions-about-the-current-pandemic-from-the-point-of-view-of-ivan-illich-1; David Cayley (2020a): The Prognosis. Looking the consequences in the eye, Oktober 2020, https://reviewcanada.ca/magazine/2020/10/the-prognosis/. Seine gewisse Analogie von 9/11 und Corona bezüglich problematischen Gesetzen etc. würde ich bestreiten (dafür ist der Islamismus ein viel zu großes und gefährliches Thema, das keineswegs an 9/11 begann, sondern viel früher). Cayley hat aber vollauf Recht, dass es sich herausstellen könnte, dass „wir“ vor Corona Angst hatten (fast alle), aber nicht vor den antidemokratischen Reaktionen – und dass wir womöglich vor der falschen Gefahr Angst hatten: „To be sure, an unknown, highly infectious virus does present a serious public health emergency. And yes, we had to do something. But perhaps we responded with an extremely destructive policy; perhaps we responded without waiting to find out what we were dealing with. Our reaction requires a degree of justification that I have not yet seen from those in charge. We’ve had plenty of Churchillian rhetoric, lots of flattery, cheerleading, and sentimentality, but little that I would call debate over policy. Nonetheless, three elementary points ought to be plainly legible. First, in the absence of a vaccine, we have only postponed our reckoning with this virus. Second, our efforts to temporize rather than improvise in the face of threat have done a huge amount of harm. And, finally, the almost instant willingness to accept that ‘everything has changed’ has opened the door to far worse evils in future. Perhaps we have been afraid of the wrong things.“ David Cayley (2020b): Pandemic Revelations, 4. Dezember 2020, http://www.davidcayley.com/blog. Ich bin über die Seite von Silja, die ich vom gemeinsamen Studium bei Ivan Illich Mitte der 1990er Jahre an der Uni Bremen her kenne, auf David Cayley gestoßen, https://samerski.de/?p=390. Sehr hellsichtig auch die Biographie von Thierry Paquot (2012)/2017: Ivan Illich. Denker und Rebell. Aus dem Französischen übertragen von Henriette Cejpek und Barbara Duden, München: C.H. Beck, zu unserer wahnwitzigen Coronazeit passt z.B. S. 91: „Niemand ist mehr sein eigener Herr. Er kann die Beschwerden nicht spüren und im Bett bleiben, er muss ein medizinisches Zertifikat vorlegen!“ Ivan Illich (1975): Die Nemesis der Medizin. Die Kritik der Medikalisierung des Lebens. Aus dem Englischen von Thomas Lindquist und Johannes Schwab, München: C.H. Beck.

[2] „Was Linke nicht kapieren werden: Nie zeigte sich der Kern der Neuen Rechten so brutal wie am 9. Oktober 2019 – Der antisemitische Anschlag auf die Synagoge und die Juden in Halle“, 11. Oktober 2019, https://www.clemensheni.net/was-linke-nicht-kapieren-werden-nie-zeigte-sich-der-kern-der-neuen-rechten-so-brutal-wie-am-9-oktober-2019-der-antisemitische-anschlag-auf-die-synagoge-und-die-juden-in-halle/.

[3] „Die geistigen Brüder des Neonazis in Hanau: AfD, Merkelhasser, Don Alphonsos Agitation gegen ‚Kulturmarxismus‘“, 20. Februar 2020, https://www.clemensheni.net/die-geistigen-brueder-des-neonazis-in-hanau-afd-merkelhasser-don-alphonsos-agitation-gegen-kulturmarxismus/.

[4] „Hope is in the air: the Israeli ‘Common Sense Model’ for Corona in context“, 2. Januar 2021, https://www.clemensheni.net/hope-is-in-the-air-the-israeli-common-sense-model-for-corona-in-context/.

[5] Clemens Heni (2017): Editorische Vorbemerkung, in: Fania Oz-Salzberger/Yedidia Z. Stern (Hrsg.): Der israelische Nationalstaat. Politische, verfassungsrechtliche und kulturelle Herausforderungen. Aus dem Englischen von Clemens Heni und Michael Kreutz (456 S., = The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Nahen Osten, Band 6), Berlin: Edition Critic, S. 15–26.

[6] „Will Bibi’s Corona mass panic destroy Israel?“, 8. Juli 2020, https://www.clemensheni.net/will-bibis-corona-mass-panic-destroy-israel/.

[7] AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 – 6 OWi – 523 Js 202518/20, https://openjur.de/u/2316798-facsimile.html. Darin heißt es u.a.: „Soweit eingriffsintensive Maßnahmen, die an sich einer besonderen Regelung bedürften, unter Rückgriff auf Generalklauseln nur im Rahmen ‚unvorhergesehener Entwicklungen‘ zulässig sein sollen, ist diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt. Bereits im Jahr 2013 lag dem Bundestag eine unter Mitarbeit des Robert Koch-Instituts erstellte Risikoanalyse zu einer Pandemie durch einen ‚Virus Modi-SARS‘ vor, in der ein Szenario mit 7,5 Millionen (!) Toten in Deutschland in einem Zeitraum von drei Jahren beschrieben und antiepidemische Maßnahmen in einer solchen Pandemie diskutiert wurden (Bundestagsdrucksache 17/12051). Der Gesetzgeber hätte daher im Hinblick auf ein solches Ereignis, das zumindest für ‚bedingt wahrscheinlich‘ (Eintrittswahrscheinlichkeit Klasse C) gehalten wurde, die Rege-lungen des Infektionsschutzgesetzes prüfen und ggf. anpassen können. Hinzu kommt – und dieses Argument ist gewichtiger –, dass am 18.04.2020, dem Tag des Erlasses der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO, weder in Deutschland im Ganzen betrachtet, noch in Thüringen eine epidemische Lage bestand, angesichts derer es ohne die Ergreifung von einschneidenden Maßnahmen durch die Exekutive unter Rückgriff auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel bzw. die (den Anforderungen der Wesentlichkeitslehre ebenfalls nicht genügenden) Spezialermächtigungen des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG zu ‚nicht mehr vertretbaren Schutzlücken‘ gekommen wäre. Es gab keine ‚epidemische Lage von nationaler Tragweite‘ (§ 5 Abs. 1 IfSG), wenngleich dies der Bundestag mit Wirkung ab 28.03.2020 festgestellt hat. Diese Einschätzung ergibt sich bereits allein aus den veröffentlichten Daten des Robert Koch-Instituts“.

[8] https://healthpolicy.fsi.stanford.edu/people/jay_bhattacharya.

[9] „‘The total number of infections allows us to determine the infection fatality rate. In Gangelt, the IFR after the SARS-CoV-2 outbreak is 0.37 percent,” says lead investigator Prof. Dr. Hendrik Streeck, Director of the Institute for Virology at the University Hospital Bonn“, „Heinsberg Study results published“, 4. Mai 2020, https://www.uni-bonn.de/news/111-2020.

[10] Michael Nedelmann (2020): Far more people may have been infected by coronavirus in one California county, study estimates, 20. April 2020, https://edition.cnn.com/2020/04/17/health/santa-clara-coronavirus-infections-study/index.html.

[11] „Dr Jay Bhattacharya addresses ReOpen Cal Now Conference“, https://www.youtube.com/watch?v=WfM-Nn4ET_U.

[12] Man schaue sich den unfassbaren Schwund von über 6000 freien Intensivbetten im Januar 2021 bei fast exakt gleicher Belegungszahl mit Patient*innen (ca. 20.000) seit dem Sommer 2020 hier an: https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/zeitreihen.

[13] Ein besonders verkommener widerwärtiger, sich kommunistisch dünkender und unwissenschaftlicher Text gegen Prof. Hendrik Streeck und Dr. Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erschien in der Februar 2021 Ausgabe von Konkret. Ein Thomas Kunkel, der so blöd war, „2005 im ersten Anlauf durch die Epidemiologie-Klausur gefallen“ zu sein, wie er stolz als Personenangabe schreibt, und eine Nadja Rakowitz schreiben hetzen gegen Streeck und Gassen, die die „Regierungsmaßnahmen“ evidenzbasiert Ende Oktober 2020 kritisiert hatten („Ärzte und Wissenschaftler werben für Strategiewechsel in Pandemiebekämpfung“, 28.10.2020, https://www.kbv.de/html/1150_48918.php): „Es handelte sich im Kern eher um ein von liberalen Interessen geleitetes Papier als um eine fachliche Stellungnahme. Es dürfte allen Beteiligten dabei klar gewesen sein, dass der propagierte Verzicht auf staatliche Schutzmaßnahmen für ein Ableben jenes Teils des Humankapitals, der sein Mindesthaltbarkeitsdatum im Sinne der (Re-) Produktion überschritten hat, sorgen würde. Kurzum: Man nahm die hohen Todeszahlen billigend in Kauf.“ („Die Halbgötter müssen verrückt sein“, Konkret 2/21, S. 18–20, hier S. 20). Nun, die „hohen Todeszahlen“ (ob sie besonders hoch sind, wissen wir erst im epidemiologischen Rückblick in einigen Jahren) gibt es wegen dem Winter und zudem wegen den Lockdown-Fetischist*innen in Konkret und im Bundeskanzlerinnenamt, bei der Leopoldina, der Charité und dem Robert Koch-Institut sowie weiten Teilen ganz normaler Deutscher, vornehmlich der Grünen- und SPD-CDU-CSU-Linkspartei-Wähler*innen. Der wörtliche Wahnsinn von solchen Autoren wie Kunkel und Rakowitz zeigt sich darin, dass sie entgegen dem internationalen Forschungsstand behaupten, der Lockdown wäre weniger tödlich als ein Nicht-Lockdown. Dabei werden durch Merkels Lockdowns mehr Menschen getötet, was ja jeder an den Zahlen sehen kann. Und weil die Zahlen im November so stark anstiegen, wurde der Lockdown im Dezember verlängert. Weil es im Dezember noch mehr Tote gab, wurde er im Januar nochmal verlängert und dann im Februar etc. pp. Der Hygienestaat hat mit Schutz der Fragilen und Kranken so viel zu tun wie Konkret mit linker Analyse und Kritik: nichts. Die Alten werden isoliert und jeder Immunabwehr beraubt, die Jungen psychisch, sozial, kulturell und ökonomisch in den Abgrund getrieben. Dabei wären viele alte und kranke Menschen im Winter auch ohne Lockdown gestorben, aber alle sog. „Kollateraltoten“ hätte es nicht gegeben, keine soziale, psychologische, kulturelle und ökonomische Katastrophe ungeahnten Ausmaßes seit 1945. Es gab und gibt zu keinem Zeitpunkt eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, da diese gar nicht definiert ist, sie ist hygienestaatlicher Willkür ausgesetzt. Schon planen manche besonders fanatischen Bundesländer den Notstand bis Ende 2022 fortzuschreiben bzw. den ‚rechtlich‘ (da facto verfassungsfeindlichen) Rahmen abzustecken. Der irrationale, unwissenschaftliche Text in Konkret feiert Drosten, ohne zu erwähnen, dass in der maßgeblichen Studie der Weltgesundheitsorganisation über die Sterblichkeit durch Corona (auf die ich noch eingehen werde) nicht ein Text von Drosten zitiert wird, weil er nichts dazu erforscht hat, aber eine Studie von Streeck wird zitiert. Im Gegensatz zu Konkret fordern die Great Barrington Declaration und ganz ähnlich auch deutsche Expert*innen wie Prof. Matthias Schrappe oder Prof. Hendrik Streeck und Dr. Andreas Gassen den gezielten Schutz bestimmter sehr kleiner Bevölkerungsgruppen, aber nur in Absprache mit diesen. Merkel, Spahn und die Politik haben diese Gruppen gerade nicht gezielt geschützt, sondern eingesperrt und isoliert, also noch empfänglicher gemacht für jede Art von Krankheit. Stress, Angst, Isolation, unsagbare Panik fördern jede Art von Krankheit. Corona ist für die Gesamtgesellschaft relativ harmlos und nicht die Pest, auch wenn das weder Merkel noch Konkret je lernen werden, dafür sind beide zu vernarrt in den perfiden Drosten. Die beiden Konkret-Schreiberlinge hetzen die Leserschaft geradezu gegen Streeck auf, der mit großem Bild als ein „Virologe mit politischem Auftrag“ der Landesregierung NRW dargestellt wird. Grotesker geht es gar nicht mehr: Streeck hatte so gut wie Null Einfluss auf die Regierungspolitik, trotz seinem Beraterstatus, während Drosten de facto bis heute die Regierungsgeschäfte von Merkel übernommen hat (zusammen mit einem Tierarzt). Diesen Realitätsverlust teilen die Konkret-Redaktion und die Konkret-Autor*innen allerdings mit vermutlich immer noch weit über 80 Prozent der ganz normalen Deutschen, anfänglich mit über 99,99 Prozent (März/April 2020). Da ich den langjährigen Herausgeber von Konkret, Hermann L. Gremliza (1940–2019) persönlich kannte und er mir auch Teile seiner Krankengeschichte erzählte und die Bedeutung von evidenzbasierter Medizin und vertrauenswürdigen Ärzten unterstrich, bin ich mir sicher, Gremliza hätte solchen staatsfetischistischen, strunzdeutschen, autoritären, Anti-Arbeiterklassen-Schreibtisch-Pseudo-Linken, ja solchen gegen die Milliarden von Menschen im Globalen Süden agierenden, Ausgangssperren und Blockwartdenken geil findenden, poststalinistischen Autor*innen niemals einen Platz in Konkret gegeben oder aber ihnen ganz schwäbisch „oine an d’Gosch na“ gegeben. Oder aber, mit Gremlizas engem Freund Horst Tomayer (1938–2013) gesprochen: „Wenn ich die Ed-von-Schleck-Teleprompter-Antlitze der Leute betrachte, die als Politiker auftreten, obwohl sie das Wort Staatskunst nicht einmal buchstabieren, geschweige denn substantiell begreifen können, trösten mich die Worte des großen Humanisten Horst Tomayer: ‚Die müsste man alle an die Wand stellen.‘ Um dann, er war ein Bühnenprofi par excellence, nach einer Kunstpause für das entsetzt sich gerierende Publikum, zum Schluss zu kommen: ‚Und dann für immer da stehenlassen.‘ Und uns damit lehrte: Es geht doch“, Wiglaf Droste (2018): Tomayers Trost, 20.04.2018, https://www.jungewelt.de/artikel/331126.tomayers-trost.html.

[14] „Medizinprofessor: Das ständige Lockdown-Jojo ist ‚völlig wirkungslos‘“, 13. Januar 2021, https://www.focus.de/gesundheit/coronavirus/aeltere-weiter-ungeschuetzt-scharfe-kritik-an-corona-politik-aneinanderreihung-von-lockdowns-voellig-wirkungslos_id_12856904.html: „Seit Frühjahr 2020 kritisiert Matthias Schrappe, ehemaliger Berater des Bundes in Gesundheitsfragen, mit seinem Experten-Rat den Corona-Kurs. Seitdem fordert er auch, die Älteren besser zu schützen. Weil das noch immer nicht geschehen sei, bescheinigt er der Politik ‚völliges Versagen‘. Medizinprofessor Matthias Schrappe und seine Arbeitsgruppe finden deutliche Worte: Obwohl von Anfang an klar gewesen wäre, dass man es mit einer ‚Epidemie der Alten‘ zu tun habe, sei seitens der Politik auch fast ein Jahr nach den ersten Corona-Fällen in Deutschland bisher nichts geschehen, um die verletzlichste Bevölkerungsgruppe zu schützen – außer einer hilflos anmutenden Aneinanderreihung von Lockdowns, die sich gerade für die Hochgefährdeten als ‚völlig wirkungslos‘ erwiesen habe.“

[15] Einige Teile dieses Working Papers erschienen erstmals als Teile von Kapiteln in dem Buch Clemens Heni (Hg.) (2020): Gefährderansprache. Wie die Regierungs-Politik, eine nicht evidenzbasierte Virologie und Verschwörungswahnwichtel die demokratische Gesellschaft zerfleddern, Berlin: Edition Critic, https://www.editioncritic.de/allgemein/neuerscheinung-im-oktober-2020-clemens-heni-hg-gefaehrderansprache/; diese Teile wurden alle überarbeitet, umstrukturiert und mit viel neuem Material und weiteren Abschnitten ergänzt. Einige Abschnitte dieses Working Papers sind zudem in den letzten Monaten online erschienen, sie waren als Teil dieses Papers geplant.

[16] Irving L. Janis (1972): Victims of Groupthink: a Psychological Study of Foreign-Policy Decisions and Fiascoes. Boston: Houghton Mifflin; Irving L. Janis (1971): „Groupthink“. Psychology Today, November 1971, S. 84–90, https://web.archive.org/web/20100401033524/http://apps.olin.wustl.edu/faculty/macdonald/GroupThink.pdf.

[17] http://www.matthias.schrappe.com/index.htm.

[18] „Denn auch wenn alle müde sind – genau jetzt ist unser aller Verzicht besonders entscheidend. Pandemieexperten wiesen nicht umsonst vor den Beratungen von Bundeskanzlerin Merkel und den Ministern auf den gefährlichen Wendepunkt hin, an dem Europa mit der Verbreitung der neuen Virusvarianten gerade steht. ‚Wir müssen jetzt was machen, wenn wir speziell das Aufkeimen der Mutante in Deutschland noch beeinflussen wollen‘, sagte unter anderem der Virologe Christian Drosten. ‚Später kann man das nicht mehr gut machen, dann ist es zu spät.‘“ https://www.rnd.de/gesundheit/corona-news-der-woche-jetzt-brauchen-wir-frische-energie-OM57T3V4VBACNFVCCMCO3XD4SQ.html. Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun, mit Panikmachen sehr wohl, es gibt wissenschaftlich überhaupt keine Anzeichen, dass auf einmal Millionen Menschen tot auf den Straßen liegen, weil angeblich das ohnehin nur für eine äußerst kleine Gruppe von Menschen gefährliche Virus auch noch mutiert sei (was Viren immer tun). Was das RND nicht sagt: Gerade Drosten ist seit Monaten in der Kritik, vor allem weil sein PCR-Test-Artikel von Januar 2020 von 22 internationalen Expert*innen als unwissenschaftlich und massiv fehlerhaft kritisiert wird, https://cormandrostenreview.com/report/. Ein Gericht in Portugal hat geurteilt, dass ein PCR-Test keinerlei Aussage darüber trifft, ob eine Person krank oder infektiös ist, https://www.theportugalnews.com/news/2020-11-27/covid-pcr-test-reliability-doubtful-portugal-judges/56962.

[19] https://www.corona-in-zahlen.de/landkreise/lk%20tirschenreuth/.

[20] Michael Esfeld/Philip Kovce (2021): Corona, Lockdown, Vernunft und Politik: Was genau lehrt uns die Wissenschaft?, 27. Januar 2021, https://www.nzz.ch/feuilleton/corona-lockdown-vernunft-und-politik-was-genau-lehrt-uns-die-wissenschaft-ld.1598398.

[21] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.11.11.20229708v1.full.pdf.

[22] Das zeigt eine Grafik, die ein Doktorand in Philosophie an der Cornell Universität in den USA aus offiziellen Daten zusammengestellt hat, basierend auf Todeszahlen „an“ (oder „mit“, diese Unterscheidung wird hier gar nicht gemacht und muss noch gemacht werden) Corona von Oktober 2020 bis Mitte Januar 2021, https://twitter.com/phl43/status/1353102674124812288/photo/1.

[23] „A recent study carried out here in Stockholm found that only 17% of those who supposedly died of covid in care homes actually had covid as the primary cause of death“, Sebastian Rushworth (2021): Here’s a graph they don’t want you to see, 25. Januar 2021, https://sebastianrushworth.com/2021/01/25/heres-a-graph-they-dont-want-you-to-see/. Die hierzu verlinkte Studie ist auf Schwedisch, https://www.sll.se/verksamhet/halsa-och-vard/nyheter-halsa-och-vard/2021/01/genomlysning-om-dodsfall-vid-sabo/.

[24] Rory Callaghan (2020): How reliable is the PCR test for viral diagnosis? A review,  https://selfcare.global/how-reliable-is-the-pcr-test-for-viral-diagnosis-a-review/. Man kann dort ein Video mit Mullis sehen, wo er betont, dass ein PCR-Test nicht zeigen kann, ob eine Person krank ist. „The conclusion from the PCR test inventor and a range of experts in their field seems to be the same. ‚Just because the test result is positive doesn’t mean you have the virus. It doesn’t mean there is no virus, but this has been infiltrated by interests for America and the rest of the world.‘“ Siehe auch einen Text von Januar 2021 von Callaghan, der u.a. Zahlen in Relation setzt: „The 2 million refers to the apparent “covid related” deaths at the end of 2020. Let’s take a minute to celebrate every life. Every life is equally valuable.

The 17 million refers to the number of people dying each year from infectious disease. Nearly 50,000 men, women and children are dying every day from infectious diseases; many of these diseases could be prevented or cured for as little as a single dollar per head.

The 150million refers to the extra 2% (on top of the previous 7%) of humanity that was pushed into extreme poverty in 2020

The 790 million refers to the 1 in 10 that are currently living with the burden of mental health challenges, strongly linked with isolation and disconnection.

The 1 billion refers to the 1 in 8 people that will go to bed hungry tonight, and tomorrow night 2020/2021“, Rory Callaghan (2021): 2020 in review: Was it a pandemic? Mass Hysteria? Or a global realignment?, https://selfcare.global/2020-in-review-was-it-a-pandemic-mass-hysteria-or-a-global-realignment/.

[25] „Mehr noch: Auch der Verweis des BayVGH auf seine eigene Entscheidung vom 8.12.2020 zu 20 CE 20.2875 verfängt tatsächlich nicht. Dort hat der BayVGH wörtlich ausgeführt: ‚Das Beschwerdevorbringen, PCR-Tests könnten keine Infektionen nachweisen, greift nicht durch. PCR-Tests sind grundsätzlich nicht ungeeignet, um die Infektionsgefahr von SARS-CoV-2 abzubilden. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (BayVGH, B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; OVG NW – B.v. 30.11.2020 – 13 B 1658/20.NE – juris Rn. 32 f.).‘

Diese Darstellung ist als Argumentation rein verfassungsrechtlich schon im Ansatz schwierig. Denn nicht alles, was ‚grundsätzlich nicht ungeeignet‘ ist, ist auch im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung schon hinlänglich geeignet. Das Tasten nach einer Feder ist nicht grundsätzlich ungeeignet, wenn man nach einer Ente sucht. Man darf sich dann aber auch nicht wundern, wenn man einen Tirolerhut für eine Ente hält. Die weitere Begründung des BayVGH zeigt aber auch, daß der Senat augenscheinlich in der Vorstellung lebt, es gäbe ‚den‘ PCR-Test. Das ist aber rein tatsächlich unzutreffend. In Wahrheit  gibt es eine unabsehbare Vielzahl von PCR-Tests, die – und das ist entscheidend – mit unterschiedlichen Replikationszyklen arbeiten. Ein PCR-Test mit 25 Zyklen (25Ct) liefert wesentlich andere Testergebnisse als ein Test mit 30, 35 oder gar – wie der ‚Drosten-Test‘ – 45 Zyklen (in den Worten der WHO Information Nr. 2020/05: ‚The cycle threshold (Ct) needed to detect virus is inversely proportional to the patient’s viral load.‘). Ein PCR-Testergebnis kann daher allenfalls dann ein „geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2“ sein, wenn der Ct-Wert zu statistischen Vergleichs- und Erkenntniszwecken generell und lückenlos offengelegt wird. Eine derartige verbindliche „Eichung“ ist auch aus Rechtsgründen zweifellos einforderbar. Maße, Gewichte und Zeitbestimmungen unterliegen von Verfassungs wegen mit guten Gründen der Rechtsklarheit ebenfalls der bundesgesetzlichen Normierung: Art. 73 Nr. 3 GG“, Carlos A. Gebauer (2021): Urteile lesen statt Richter mobben, 26. Januar 2021, https://www.achgut.com/artikel/urteile_lesen_statt_richter_mobben. Gebauer trat im Fernsehen bei RTL in einer Gerichtsshow als Richter auf, ist FDP-Politiker und Erstunterzeichner des rechten „Appells für freie Debattenräume“, siehe dazu das Kapitel „Gunnar Kaiser“.

[26] https://www.lrb.co.uk/the-paper/v33/n22/jenny-diski/what-might-they-want.

[27] „Welche Folgen die Leugnung von Aids tatsächlich haben könnte, haben die beiden Forscher in einer früheren Studie am Beispiel Südafrika vorgerechnet. Der damalige Präsident Thabo Mbeki schränkte im Jahr 2000 kostenlose Aids-Medikamente ein, schon ein Jahr zuvor hatte er entschieden, keine Medikamente mehr zur Verhinderung von Mutter-Kind-Übertragungen zu verteilen. Die Wissenschaftler schätzen, dass in den Jahren 2000 bis 2005 dadurch mindestens 330.000 Menschen unnötig beziehungsweise unnötig früh an Aids gestorben sein sollen. Auch die HIV-Übertragung auf 35.000 Babys hätte demnach verhindert werden können. (mak, derStandard.at, 28.5.2010)“, https://www.derstandard.at/story/1271377151720/die-zweifel-der-aids-leugner.

[28] BMI (2020): „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid-19.pdf?__blob=publicationFile&v=4.

[29] „Schon im Januar, so heißt es in seinem Haus, habe er in Leitungsrunden gemahnt, die Corona-Gefahr ernst zu nehmen. Mitte Februar soll er die Grundsatzabteilung gebeten haben, sich die Lage in den anderen Ländern und die Gefahren für Deutschland genauer anzusehen. Nachdem am 10. März das Papier von sieben Ökonomen über die wirtschaftlichen Implikationen der Krise auf dem Tisch lag, bat Seehofer seinen Staatssekretär Markus Kerber, selbst Ökonom und früher Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, ein Strategiepapier zu erarbeiten – und zwar eins, das ein Worst-Case-Szenario ausleuchtet. Kerber stellte eine Gruppe von rund zehn Fachleuten zusammen. Michael Hüther und Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft, außerdem Christoph M. Schmidt und Boris Augurzky vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Drei Tage arbeiteten die Wissenschaftler rund um die Uhr, am 22. März war das Papier fertig. Das war der Sonntag, an dem die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin die Ausgangsbeschränkungen beschlossen. Am kommenden Tag hatte der Chef des Kanzleramts das Papier auf dem Tisch“, Eckart Lohse/Markus Wehner/Helene Bubrowski (2020): Wie sagt man es den Leuten? Düstere Szenarien oder Appelle an die Einsicht der Bürger: Wie die Regierung in dieser Krise kommunizieren kann, 02. April 2020, https://zeitung.faz.net/faz/politik/2020-04-02/f8e7cfb89e5590d367435a9fa8a0a702/?GEPC=s5.

[30] BMI 2020, S. 13.

[31] Ebd.

[32] Ebd.

[33] Ebd.

[34] Stand 28.09.2020: „Angaben gemäß § 5 TMG. Partei Widerstand2020“, „Vertreten durch: Ralf Ludwig Kirsten König Christina Morgenthaler Dirk Helwig“, https://widerstand2020.de/impressum.html.

[35] https://widerstand2020.de/.

[36] https://www.instagram.com/p/CHsv38iKXZw/?utm_source=ig_embed&utm_campaign=embed_video_watch_again; https://www.volksverpetzer.de/bericht/quedenker-polizei-ss/.

[37] https://swprs.org/.

[38] Sebastian (2020): Die Zerstörung des Corona-Hypes, 28.06.2020, https://www.youtube.com/watch?v=kqVL7KR-Qyk.

[39] Sebastian (2020a): Die Zerstörung des Corona Hypes | Statement von Sebastian & Markus Haintz, 06. Juli 2020, https://www.youtube.com/watch?v=TChJrgYa0nk.

[40] Raphael Bonelli (2020): So werden Corona-Kritiker mundtot gemacht // Teil 1 (Raphael Bonelli), 08. Juli 2020, https://www.youtube.com/watch?v=KDWH5ckKgKw.

[41] Wolfgang Wodarg (2020): Lösung des Corona-Problems: Panikmacher isolieren, Flensburger Tageblatt, 29.02.2020.

[42] Wolfgang Wodarg (2020a): Corona – Wem können wir noch glauben? – Dr. Wodarg im Gespräch, 14.07.2020, https://www.youtube.com/watch?v=odFmUFeqH6o.

[43] Martin Schwab (2020):  Meinungsfreiheit und wissenschaftlicher Diskurs in der Corona-Krise. Zugleich in Sachen Transparency International Deutschland: Eine Erwiderung auf den Bericht der Untersuchungskommission im Fall Wolfgang Wodarg, 04. Oktober 2020, https://clubderklarenworte.de/wp-content/uploads/2020/10/Prof.-Schwab-zu-Wodarg.pdf?fbclid=IwAR1JyVlL5Zrd0pUYxxcqgV1yy
Wjvd_iVOc85mJQDVVRVYGJK9m3M9n8SIkk
, S. 24.

[44] Marianne Gronemeyer (1993): Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

[45] Ebd., S. 28.

[46] Zit. nach ebd., S. 29.

[47] Ebd., S. 30.

[48] Ebd., S. 36.

[49] Klaus Hödl (1997): Die Pathologisierung des jüdischen Körpers. Antisemitismus, Geschlecht und Medizin im Fin de Siècle, Wien: Picus Verlag.

[50] Ebd., S. 20.

[51] Ebd., S. 32.

[52] Ebd., S. 52.

[53] Ebd., S. 54.

[54] Ebd., S. 55.

[55] Ebd., S. 68.

[56] Oliver Polak (2018): Gegen Judenhass, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

[57] Ebd., S. 75.

[58] Ebd., S. 77.

[59] Ebd., S. 78 f.

[60] Jan-Henrik Wiebe (2020): „Masken stören mehr als Nazis“, 29.08.2020, https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_88483916/corona-demo-in-berlin-sie-fordern-freiheit-und-bejubeln-putin.html. Einen Tweet mit dieser Message zu der FDP-Politikerin hatte Böhmermann retweetet.

[61] Initiiert wurde die Stellungnahme von folgenden Einrichtungen: Arbeitskreis • Berliner Festspiele, Thomas Oberender (Intendant) • Berliner Künstlerprogramm des DAAD, Silvia Fehrmann (Leiterin)• Bündnis Internationaler Produktionshäuser: • FFT Düsseldorf (Forum Freies Theater ), Kathrin Tiedemann (Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin)• HAU Hebbel am Ufer / Berlin, Annemie Vanackere (Intendantin)• HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste / Dresden, Carena Schlewitt (Intendantin)• Kampnagel / Hamburg, Amelie Deuflhard (Intendantin)• Künstlerhaus Mousonturm / Frankfurt am Main, Matthias Pees (Intendant)• PACT Zollverein / Essen, Stefan Hilterhaus (Intendant)• tanzhaus nrw / Düsseldorf, Bettina Masuch (Intendantin)• Deutsches Theater Berlin, Ulrich Khuon (Intendant)• Einstein Forum Potsdam, Susan Neiman (Direktorin)• Goethe-Institut, Johannes Ebert (Generalsekretär)• Haus der Kulturen der Welt, Bernd Scherer (Intendant)• Jüdisches Museum Hohenems, Hanno Loewy (Direktor)• Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers (Künstlerische Direktorin) • Moses Mendelssohn Zentrum für Europäisch-Jüdische Studien, Miriam Rürup (Direktorin)• Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK), Barbara Plankensteiner (Direktorin)• Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Hartmut Dorgerloh (Generalintendant)• Wissenschaftskolleg zu Berlin, Barbara Stollberg-Rilinger (Rektorin)• Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin, Stefanie Schüler-Springorum (Leiterin); Weitere Unterzeichner*innen des Plädoyers • Deutscher Bühnenverein, Carsten Brosda (Präsident)• DOK Leipzig, Christoph Terhechte (Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer)• Düsseldorfer Schauspielhaus, Wilfried Schulz (Generalintendant u. Festivalintendant Theater der Welt 2021)• Forum Transregionale Studien, Andreas Eckert (Vorstandsvorsitzender) • Münchner Kammerspiele, Barbara Mundel (Intendantin)• Nationaltheater Mannheim, Christian Holtzhauer (Schauspielintendant)• Schauspiel Köln, Stefan Bachmann (Intendant)• Staatsschauspiel Dresden, Joachim Klement (Intendant)• Theater Krefeld-Mönchengladbach, Michael Grosse (Generalintendant) • Thalia Theater, Joachim Lux (Intendant Thalia Theater u. Präsident des Deutschen Zentrums des Internationalen Theaterinstituts (ITI))• Völkerkunde Museen in Leipzig, Dresden und Herrnhut, Léontine Meijer-van Mensch (Leiterin)• Württembergischer Kunstverein, Hans D. Christ und Iris Dressler (Direktoren) Der Arbeitskreis dankt für fachlichen Rat und Diskussionsbeiträge: • Aleida Assmann (Professorin em. für Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft)• Stephan Detjen (Journalist)• Emily Dische-Becker (Journalistin)• Anselm Franke (Kurator)• Andreas Görgen • Wolf Iro (Kulturmanager und Autor)• Wolfgang Kaleck • Christoph Möllers (Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie)• Michael Wildt (Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus). Möllers war 2020 als Kritiker einiger Facetten der Coronapolitik in Erscheinung getreten, wobei nicht unbedingt ersichtlich war, wie offen er gegenüber Veranstaltungen mit BDS-Bezug (also antisemitische Veranstaltungen) zu sein scheint. Es muss natürlich darum gehen, dass umgehend, heute, alle Theater, Kultureinrichtungen, Universitäten etc. wieder öffnen. Diese Liste aber zeigt, wie immer, um was es dabei auch geht: Nicht naiv klatschen, weil jemand behauptet, angeblich gegen (alle Formen von) Antisemitismus zu sein oder gar „weltoffen“…

[62] Zu Wolfgang Benz siehe Clemens Heni (2011): Das Ende seriöser Antisemitismusforschung, in: Ders. (2011a): Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11 (= The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Antisemitismus, Bd. 1), Berlin: Edition Critic, S. 219–246.

[63] Clemens Heni/Michael Kreutz (2020): Peter Schäfer machte das Jüdische Museum zum Inkubator für Israel-Ressentiments. Der Ex-Direktor bot BDS-Unterstützern und Forschern, die Islamophobie und Antisemitismus vergleichen, eine Plattform. Das geht nicht. Ein Gastbeitrag, 2. Januar 2020, https://www.tagesspiegel.de/kultur/die-grenzen-der-toleranz-peter-schaefer-machte-das-juedische-museum-zum-inkubator-fuer-israel-ressentiments/25383316.html; „Blätter für deutschen und internationalen Antisemitismus?“, 5. Februar 2020, https://www.clemensheni.net/blaetter-fuer-deutschen-und-internationalen-antisemitismus/.

[64] Thomas Thiel (2020): Dialog mit einer Maus. Verharmlosungen in der BDS-Debatte, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 23. Dezember 2020, S. 9.

[65] „SWC’s Top Ten Worst Global Anti-Semitic Incidents for 2020“, 29. Dezember 2020 https://www.wiesenthal.com/assets/pdf/top-ten-worst-global.pdf; https://www.wiesenthal.com/about/news/top-ten-2020.html.

[66] „Bundestag verurteilt Boykottaufrufe gegen Israel“, https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw20-de-bds-642892; Drucksache 19/10191, 15.05.2019, „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/101/1910191.pdf.

[67] Esther Dischereit (1995): Übungen, jüdisch zu sein, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 168–170.

[68] Vgl. dazu auch den Abschnitt „Beim Friseur nach der russischen Besetzung von Afghanistan“ in Günther Anders (1982): Ketzereien, München: C.H. Beck, S. 205 f.

[69] Julia Amberger (2020): Robert Koch und die Verbrechen von Ärzten in Afrika. Zu Kolonialzeiten war es üblich, dass Forscher skrupellos mit Afrikanern experimentierten, allen voran die Deutschen. Auch Robert Koch zwang kranke Menschen in Konzentrationslager und testete an ihnen neue Gegenmittel. Die Gräueltaten der kolonialen Tropenmedizin wirken bis heute, 26.12.2020, https://www.deutschlandfunk.de/menschenexperimente-robert-koch-und-die-verbrechen-von.740.de.html?dram:article_id=489445.

[70] Theodor W. Adorno (1998)/1962: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, in: Ders., Gesammelte Schriften, Band 20/1, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 360–383.

[71] Siehe dazu die Kapitel „The Uniqueness of the Holocaust“ sowie „Universalizing the Holocaust“ in Clemens Heni (2013): Antisemitism – A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism (= The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studies in Antisemitism, Vol. 3), Berlin: Edition Critic, S. 231–283 bzw. 301–383.

[72] Clemens Heni (2018a): Der Komplex Antisemitismus. Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch: Deutsch, Berlin: Edition Critic, S. 361–382.

[73] „Gerda Henkel Preis geht an Achille Mbembe“, 11.06.2018, https://www.tagesspiegel.de/kultur/kamerunischer-historiker-gerda-henkel-preis-geht-an-achille-mbembe/22670750.html: „Die mit 100 000 Euro dotierte Auszeichnung wird Mbembe am 8. Oktober in Düsseldorf verliehen. Der Wissenschaftler wurde dieses Jahr auch mit dem Ernst-Bloch-Preis der Stadt Ludwigshafen und 2015 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet.“

[74] https://www.th-reutlingen.de/de/hochschule/lehrende/prof-dr-nausner.html.

[75] Michael Nausner (2018): Ambivalenzen der Partizipation. Theologische Reflexionen zur Teilhabe unter postkolonialen Bedingungen, in: Andreas Nehring/Simon Wiesgickl (Hg.), Postkoloniale Theologien II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, S. 38–52, hier S. 43. Edward Said ist auch hier, wie wirklich in fast jedem Beitrag postkolonialer Theoriebildung, der Star schlechthin, vgl. ebd., S. 42, Anm. 19. „Geht es um das Verhältnis des Islam zu Europa, dann liegen die Islamwissenschaften ganz auf der Linie des verstorbenen Literaturwissenschafters Edward Said, des Säulenheiligen der postkolonialen Theorie. Bei Said fielen alle Islamwissenschafter und Historiker in Ungnade, die dem arabischen oder dem islamischen Nationalismus zu widersprechen wagten. Saids Epigonen entscheiden heute über Stellen, Stipendien und Projekte – und damit über unser Bild vom Islamismus“, Michael Kreutz (2020): Die Islamwissenschaft kuscht vor dem Islamismus. Im Namen Allahs halten muslimische Gewalttäter die Welt in Atem, doch auf die Religion und die Kultur des Islam lassen viele Islamwissenschafter nichts kommen. Attentäter sehen sie gerne als Opfer, Neue Zürcher Zeitung, 11. Dezember 2020, S. 19.

[76] Achille Mbembe (2014): Kritik der Schwarzen Vernunft. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, Berlin: Suhrkamp.

[77] Max Horkheimer/Theodor W. Adorno (1947)/1969: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main: Fischer.

[78] Nausner 2018, S. 45.

[79] Die Neue Zürcher Zeitung hat die antizionistische Ideologie von Mankell pointiert kommentiert: „Immer weiter treibt Mankell die Anklagen, die, frivol im Vergleich und infam in ihren Nazi-Allusionen, zuletzt in Zerstörungsphantasien münden. Die Israeli würden ‚Leben vernichten‘, so Mankell, und für den Staat Israel in seiner jetzigen Form gebe es keine Zukunft: ‚Der Untergang dieses verächtlichen Apartheidsystems ist das einzig denkbare Resultat, da er notwendig ist. Die Frage lautet also nicht, ob, sondern wann es geschieht.‘ Selbst eine Zwei-Staaten-Lösung würde die ‚historische Besatzung‘ nicht rückgängig machen, denn Mankell sieht ‚keinerlei Gründe dafür, dass [die israelische Staatsgründung] eine völkerrechtlich legitime Handlung war‘. Wenn aber die grosse ‚südafrikanische Lösung‘ dereinst Realität sein wird (sprich die freiwillige oder zwangsweise ‚Abwicklung‘ Israels), ‚wird es vom einzelnen Israeli abhängen, ob er oder sie bereit ist, auf seine Privilegien zu verzichten und in einem palästinensischen Staat zu leben‘. Was insofern kein Problem darstellt, als Mankell auf seiner Reise durch die palästinensischen Gebiete keinerlei Antisemitismus festgestellt hat, sondern lediglich ‚normalen Hass auf die Besatzer‘…“, Andreas Breitenstein (2010): Ein blinder Passagier, Neue Zürcher Zeitung, 09.06.2010, https://www.nzz.ch/ein_blinder_passagier-1.5999804.

[80] Nausner 2018, S. 45.

[81] Mbembe 2014, S. 290, Anm. 9. Es ist auch typisch, dass Mbembe gleich zu Beginn seiner Studie en passant, aber offenbar gezielt, in einer Fußnote Israel als Beispiel für „imperiale Praktiken“ mit einem Literaturhinweis kritisiert. Man kann Israel wie auch Neuseeland oder Frankreich oder andere westliche Demokratien kritisieren, aber es tendiert zum Ressentiment, wenn ein Autor nur ein einziges Mal auf den Judenstaat zu sprechen kommt, und das rein diffamatorisch, weder analytisch noch den Staat bejahend, aber gewissen Politiken – wie in anderen Demokratien – kritisierend, hier: die Besatzung des Westjordanlandes. In der Fußnote werden als heutige Beispiele für „imperiale Praktiken“ vor allem die USA und Israel kritisiert, Mbembe 2014, S. 18, Anm. 19.

[82] Schmidt, Fabian (2020): Virologe Streeck entkräftet Verschwörungstheorien. Was denkt einer der führenden deutschen Corona-Experten über abstruse oder auch plausibel klingende Thesen von Verschwörungstheoretikern, „Querdenkern“ oder Impfgegnern?, 17. September 2020, https://www.dw.com/de/virologe-streeck-entkr%C3%A4ftet-verschw%C3%B6rungstheorien/a-54959531.

[83] „Viermal gefährlicher als eine Grippe. Coronavirus: Verschwörungstheorien haben gegen Top-Virologen Hendrik Streeck keine Chance“, 11.10.2020, https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/coronavirus-verschwoerungstheorien-virologe-hendrik-streeck-grippe-leiter-heinsberg-studie-bonn-90053780.html.

[84] Clemens Heni (2020a): Jenseits von Ausnahmezustand und Verschwörungswahnsinn: Kritiker*innen der Corona-Massenhysterie aller Länder vereinigt euch, 20. März 2020, https://www.clemensheni.net/jenseits-von-ausnahmezustand-und-verschwoerungswahnsinn-kritikerinnen-der-corona-massenhysterie-aller-laender-vereinigt-euch/.

[85] Gerry Shih (2020): Conspiracy theorists blame U.S. for coronavirus. China is happy to encourage them, 05. März 2020, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/conspiracy-theorists-blame-the-us-for-coronavirus-china-is-happy-to-encourage-them/2020/03/05/50875458-5dc8-11ea-ac50-18701e14e06d_story.html.

[86] Lijian Zhao, 12. März 2020 auf Twitter: „It might be US army who brought the epidemic to Wuhan“, https://twitter.com/zlj517/status/1238111898828066823?s=20.

[87] Aaron Bandler (2020): Rosanna Arquette Claims in Deleted Tweet That Israel Knew About Coronavirus and Put ‘Lives at Risk for Profit’, 17. März 2020, https://jewishjournal.com/news/united-states/312218/rosanna-arquette-claims-in-deleted-tweet-that-israel-knew-about-coronavirus-and-put-lives-at-risk-for-profit/. Rosanna Arquette ist eine Schauspielerin (u.a. „Pulp Fiction“, 1994), die am 17. März 2020 in einem Tweet die perfide Frage aufwarf, ob Israel schon seit einem Jahr an einem Impfstoff arbeite und dass die Pharma-Firma des Bruders von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Kushner Oscar, der Hauptinvestor in den neuen Impfstoff sei. Das ist eine typische Verschwörungsideologie, wie wir sie auch in anderer Form vom Coronaskeptikerlager kennen. Doch genau auf solche perfiden Ideologien gehen weder die Deutsche Welle und Streeck noch die Fuldaer Zeitung ein.

[88] Kasra Aarabi (2020): Iran Knows Who to Blame for the Virus: America and Israel. The regime’s ideological army is spinning conspiracy theories even as it helps spread the virus among Iran’s long-suffering people, 19. März 2020, https://foreignpolicy.com/2020/03/19/iran-irgc-coronavirus-propaganda-blames-america-israel/.

[89] Louis Fishman (2020): As Coronavirus Cases Spike in Turkey, So Does anti-Semitism. Erdogan is cracking down on ‘provocative’ and ‘unfounded’ social media posts on the coronavirus. Will he halt pro-government channels spreading conspiracy theories blaming the outbreak on the Jews?, 19. März 2020, https://www.haaretz.com/middle-east-news/turkey/.premium-as-coronavirus-cases-spike-in-turkey-so-does-anti-semitism-1.8682725.

[90] Rossella Tercatin (2020): Will the coronavirus lead to yet another spike in antisemitism in the US? „It happens every time there is a major pandemic: it happened with Africans around Ebola, and it happened recently with the Orthodox community in New York City around the measles scare that we had“, 09. März 2020, https://www.jpost.com/Diaspora/Antisemitism/Will-the-coronavirus-lead-to-yet-another-spike-in-antisemitism-in-the-US-620252.

[91] Alyssa Weiner (2020): Global Trends in Conspiracy Theories Linking Jews with Coronavirus, 01. Mai 2020, https://www.ajc.org/news/global-trends-in-conspiracy-theories-linking-jews-with-coronavirus.

[92] Angesichts einer Anti-Coronamaßnahmen-Demonstration in Hannover Anfang September 2020, auf der es wenige Nazis oder Reichsbürgerfahnen gegeben habe, schreiben drei Journalist*innen: „Auch ein anderer ist sich sicher, es seien ‚Finanzkräfte, die im Hintergrund wirken, die nicht in der ersten Reihe stehen‘, am Werk. Der nächste sieht einen ‚Staatsputsch‘ hinter dem sehr ‚wenige Reiche, sehr Mächtige‘ stecken würden. Das Parlament spiele dabei keine Rolle mehr. Fast alle von uns auf der Demonstration Befragten sehen Drahtzieher im Hintergrund, die bei der Pandemie und den Maßnahmen gegen diese eine Rolle spielen würden. Mal ist es Bill Gates, dann wieder George Soros oder Finanzeliten, die angeblich die Fäden ziehen. Johanna Thiemecke von der Amadeu Antonio Stiftung gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sieht in solchen Sichtweisen ‚antisemitisch strukturiertes Denkverhalten‘, bei dem Einzelne für die Pandemie und ihre Auswirkungen verantwortlich gemacht würden“, Philipp Hennig/Jörg Hilbert/Lea Struckmeier (2020): Corona-Demos: Was eint die Protestierenden?, 15.09.2020, https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Corona-Demos-Was-eint-die-Protestierenden,coronademo204.html. Bei aller richtigen Kritik am Antisemitismus und an Verschwörungswahnwichteln erkennt man doch erschreckend wenig Reflektionsvermögen der drei Autor*innen, was die Gefährdung der Demokratie durch die Regierungspolitik und eine politisierte Virologie betrifft.

[93] Weiner 2020.

[94] Simone Rafael (2020): Wie Heiko Schrang sich als „friedlicher Kämpfer“ der rechten Esoterik inszeniert, 5. August 2020, https://www.belltower.news/rechtsalternative-medien-wie-heiko-schrang-sich-als-friedlicher-kaempfer-der-rechten-esoterik-inszeniert-102187/.

[95] https://david-claudio-siber.de/#home.

[96] „Nach Rauswurf: Grünen-Politiker Siber wehrt sich“, 10.09.2020, https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Nach-Corona-Demo-Flensburgs-Gruenen-Politiker-Siber-wehrt-sich,siber100.html.

[97] Dirk Gerhard (1976): Antifaschisten. Proletarischer Widerstand 1933–1945, Berlin: Wagenbach.

[98] „Rede von David Claudio Siber in Konstanz“, 04.10.2020, http://dschneble.tssd.de/blog/?p=8938#
more-8938
.

[99] Eckert wendet sich gegen George W. Bush, der nach 9/11 Verschwörungsmythen ablehnte und bezieht sich affirmativ auf die Verschwörungsideologen Daniele Ganser und Gerhard Wisnewski, „Samuel Eckert über 9/11, Corona, Wahrheit und Standhaftigkeit, Kurzversion von Reinhard Franz“, 20.08.2020, https://www.youtube.com/watch?v=yjZc_wYzRY8.

[100] „Dr. Bodo Schiffmann und Samuel Eckert gehen für 2 -3 Wochen auf Tour – hier der Tourbus“, 17.09.2020, https://www.youtube.com/watch?v=hQA1dYKKLxM.

[101] „BERLIN AFTERMATH – Live mit Jürgen Elsässer und Oliver Janich“, 31.08.2020, https://www.youtube.com/watch?v=9UAF84nwct8&app=desktop.

[102] Hannes Opel (2020): Im Stream mit Rechtsaußen Wie nah sich Querdenker und Rechtsextreme sind, 02. September 2020, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.im-stream-mit-rechtsaussen-wie-nah-sich-querdenker-und-rechtsextreme-sind.0c8053c0-ba9c-4111-b8f8-ddc1ece47f9c.html.

[103] Paul Starzmann (2016): Wie das „Compact“-Magazin antisemitische Klischees bedient, 09.09.2016, https://www.vorwaerts.de/artikel/compact-magazin-antisemitische-klischees-bedient; Kevin Culina/Jonas Fedders (2016): Im Feindbild vereint. Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact, Münster: edition assemblage.

[104] Katja Thorwarth (2017): „Der Hitler-Stalin-Vergleich hat eine enorme Entlastungsfunktion“. Antisemitismusforscher Clemens Heni über „sekundären Antisemitismus“, das Bedürfnis nach Relativierungen und das „perfide“ Herbeizitieren eines „christlich-jüdischen Abendlandes“, Frankfurter Rundschau, 16./17. Dezember 2017, S. 34–35; leicht erweiterte Online-Ausgabe am 18. Dez. 2017: „Sommermärchen bereitete der AfD den Boden“. Die WM 2006 hat den Umgang mit der deutsch-nationalen Identität verändert. Auch ist es en vogue, den Holocaust zu relativieren. Gespräch mit dem Antisemitismusforscher Clemens Heni, http://www.fr.de/kultur/antisemitismus-sommermaerchen-bereitete-der-afd-den-boden-a-1409276.

[105] Simone Rafael (2020a): Covid-Parade im Schatten der Reichsflagge, 29. August 2020, https://www.belltower.news/querdenken-demonstration-in-berlin-covid-parade-im-schatten-der-reichsflagge-103175/.

[106] Die ganze undifferenzierte Pro-Lockdown und Pro-Masken etc. Position der AAS sieht man in Publikationen wie diesen: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/eindaemmung-einer-pandemie-gelingt-vor-allem-durch-solidaritaet/. „Was wir alle tun können, um sowohl eine Ausbreitung des Coronavirus als auch einen Einschnitt unserer Grundrechte durch den Staat zu vermindern, ist, uns vernünftig und solidarisch zu verhalten. Das heißt, wir halten uns an Abstandsregeln sowie Husten- und Nies-Etiquette, waschen uns häufig die Hände, fassen uns nicht ins Gesicht, tragen eine Maske in geschlossenen Räumen und reduzieren physische Kontakte zu anderen Menschen auf ein notwendiges Minimum. Dabei kann ich mich selbst nur bedingt schützen, sondern ich schütze vor allem andere und verlasse mich darauf, dass diese mich schützen.“ Das ist die Regierungsposition und hat nichts mit einer zivilgesellschaftlichen Analyse zu tun. Es zeigt auch, dass die AAS den internationalen epidemiologischen und Public Health-Forschungsstand nicht zur Kenntnis nimmt. Die Arroganz, nur wer die irrationale Regierungslinie via „#stayathome“ (nichts anderes ist gemeint) vertritt, handele „solidarisch“ – aber schweigt zu den befürchteten 130 Millionen extra Hungertoten im Globalen Süden, ist unerträglich und steht für weite Teile der NGO-Szene in diesem Land, grade im Bereich Antisemitismus und Antifaschismus. Vor dem Hintergrund der vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und Jay Bhattacharya befürchteten 130 Millionen Hungertoten wegen den Lockdowns von Ländern wie USA oder Deutschland ist folgende Propaganda der Amadeu Antonio Stiftung besonders abstoßend: „COVID-19 ist lebensbedrohlich und hochgradig ansteckend. Jedes Jahr sterben in Deutschland Menschen an der Grippe. Im Winter 2017/2018 kostete eine besonders schlimme Grippewelle laut Angaben des Robert-Koch-Instituts rund 25.000 Menschen das Leben, in den meisten Jahren sind es deutlich weniger. An die Grippe und ihre Auswirkungen haben wir uns gewöhnt, durch Impfungen können wir uns vor ihr schützen. Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist jedoch deutlich gefährlicher, als die Grippe. Es ist sehr viel ansteckender (eine Person steckt im Schnitt mehr Menschen an) und birgt ein höheres Risiko für manche Menschen, dass die Krankheit einen schweren bis tödlichen Verlauf nimmt. Zudem gibt es bislang keinen Impfstoff. Wer behauptet, COVID-19 sei nicht gefährlicher als eine Grippe, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern eine unüberschaubar große Zahl anderer Menschen. Wer außerdem behauptet, die Mehrheit müsse sich zugunsten eines kleinen Teils der Gesellschaft einschränken, obwohl für die meisten gar keine Gefahr bestünde, ist gleich mehrfach auf dem Holzweg. Zum Einen konnte bisher noch nicht lange genug an dem aktuellen Coronavirus (SARS-CoV-2) geforscht werden, um zu wissen, bei wem schwere Verläufe zu erwarten sind. Zum Anderen – und noch viel wichtiger – ist es inhuman und antizivilisatorisch, Menschen mit einem schwachen Immunsystem zugunsten der Mehrheit – oder schlimmer noch – der Wirtschaft zu opfern. Eine menschenfreundliche Gesellschaft hat den Anspruch, auch jene zu schützen und zu pflegen, die für die Gemeinschaft keinen „Nutzen“ darstellen. Jedes Menschenleben ist gleichsam schützenswert, und jede Bedrohung der schwächsten Mitglieder einer Gesellschaft stellt eine Bedrohung der Gesellschaft an sich dar.“ https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/covid-19-ist-gefaehrlich/. Sie schreiben nicht, dass die Grippe 1970 laut Robert Koch-Institut mit 0,29 Infektionssterblichkeit schlimmer war als die weltweit von Corona aktuell errechnete Infektionssterblichkeit von 0,23 Prozent, so die WHO. Sie gehen nicht mal darauf en passant ein, sondern gerieren sich als die Glücksbringer der Welt und NUR die AAS oder die Bundesregierung wissen, wie gefährlich Corona ist – ohne auf die internationale Forschung zu hören, ja sie zu ignorieren. Corona kann für Menschen über 70 gefährlicher sein als eine Grippe – aber für den riesigen Teil der Bevölkerung unter 70 ist Corona eben weniger gefährlich. Auch dieser Duktus der AAS – wie der von Merkel, Söder, Kretschmann, ZU WISSEN, dass Corona gefährlicher sei als die Grippe (obwohl wir empirisch zeigen können, dass junge Menschen viel seltener durch Corona sterben als durch eine Grippe) – ist bezeichnend für unsere Zeit. Diskutieren kann man mit solchen Menschen nicht mehr, sie zeigen in jeder Zeile, dass sie für eine wissenschaftliche und rationale Diskussion verloren sind.

[107] Katharina Zach (2020): Corona-Demo: Redner zerrissen Regenbogenfahne auf der Bühne. Grüne Andersrum bringen Sachverhaltsdarstellung ein. Teilnehmer sollen Reichsflagge bei sich gehabt haben. Andere Demos ruhig, 05.09.2020, https://kurier.at/chronik/wien/corona-demo-redner-zerrissen-regenbogenfahne-auf-der-buehne/401022617. Ein Transparent auf der Demo hatte den neonazistischen Slogan „Heimatschutz statt Mundschutz“.

[108] „The RNC yanked a speaker who promoted an anti-Semitic conspiracy theory. Trump often highlights Mary Ann Mendoza as an advocate for harsh immigration policies. She has some other strange beliefs“, 25.08.2020, https://www.vox.com/2020/8/25/21401858/rnc-canceled-mary-ann-mendoza-anti-semitic-conspiracy-theory-protocols-elders-zion.

[109] „Warum auf der Corona-Demo die Regenbogenfahne zerrissen wurde. Homosexuelle zählen nicht nur zum Feindbild der extremen Rechten“, 06.09.2020, https://www.derstandard.de/story/20001198
15761/warum-auf-corona-demos-dieregenbogenfahne-zerrissen-wird
.

[110] https://corona-ausschuss.de/.

[111] John P. A. Ioannidis (2020): Infection fatality rate of COVID-19 inferred from seroprevalence data, 14. Oktober 2020, Bulletin of the World Health Organization; Type: Research Article ID: BLT.20.265892, httpKonkrets://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf.

[112] „Covid-19: World in ‘for a hell of a ride’ in coming months, Dr Mike Ryan says WHO official estimates that 750m people globally have likely had coronavirus to date“, 2. Oktober 2020, https://www.irishtimes.com/news/ireland/irish-news/covid-19-world-in-for-a-hell-of-a-ride-in-coming-months-dr-mike-ryan-says-1.4370626. Professor John Ioannidis spricht in einer anderen Studie davon, dass die „Global infection fatality rate is 0.15‐0.20% (0.03‐0.04% in those <70 years)“, John Ioannidis (2020a): Global perspective of COVID‐19 epidemiology for a full‐cycle pandemic, European Journal of Clinical Investigation, 7. Oktober 2020, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/
10.1111/eci.13423
.

[113] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-01-19-de.pdf?__blob=publicationFile.

[114] Udo Buchholz/Silke Buda/Annicka Reuß et al. (2016): Todesfälle durch Influenzapandemien in Deutschland 1918 bis 2009. Bundesgesundheitsbl. 59, S 523–536 (2016), 17. März 2016, https://doi.org/10.1007/s00103-016-2324-9.

[115] Siehe Endnote 111.

[116] Zu Butler siehe Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus (= The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Nahen Osten, Band 2), Berlin: Edition Critic.

[117] „Likewise, David Beasley, Executive Director of the World Food Programme (WFP), warned of alarming global hunger and food insecurity, with the number of people ‘marching towards starvation’ spiking from 135 million to 270 million as the pandemic unfolded.  He stressed that 2021 will be catastrophic.  ‘Famine is literally on the horizon and we are talking about the next few months,’ he said.  Noting how the WFP stepped in to deliver aid when the global airline industry shut down at the start of the pandemic, he warned anew that 2021 risks becoming the worst humanitarian crisis year since the founding of the United Nations, ‘and we will have to step up’, „Amid Threat of Catastrophic Global Famine, COVID-19 Response Must Prioritize Food Security, Humanitarian Needs, Experts Tell General Assembly“, 4. Dezember 2020, https://www.un.org/press/en/2020/ga12294.doc.htm.

[118] https://www.unicef.org/press-releases/children-cannot-afford-another-year-school-disruption.

[119] G. Dennis Shanks/John F. Brundage (2012): Pathogenic Responses among Young Adults during the 1918 Influenza Pandemic, Emerging Infectious Diseases, Feb., 18(2), S. 201–207, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3310443/.

[120] Gerald Grüneklee/Clemens Heni/Peter Nowak (2020): Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik (mit Gerald Grüneklee und Peter Nowak, Geleitwort von Rebecca Niazi-Shahabi, Berlin: Edition Critic.

[121] Michael Esfeld (2019): Wissenschaft und Freiheit: Das naturwissenschaftliche Weltbild und der Status von Personen, Berlin: Suhrkamp, S. 7.

[122] Ebd., S. 8.

[123] Herbert Marcuse (1964)/1967: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, Neuwied und Berlin: Luchterhand Verlag.

[124] Horkheimer/Adorno 1947 (Dialektik der Aufklärung).

[125] Günther Anders (1956): Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, München: C.H. Beck; Günther Anders (1980): Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, München: C.H. Beck. Zu einer Kritik u.a. der Marxschen Arbeitsontologie, die szientistische Züge hat, siehe Jürgen Langenbach (1982): Selbstzerstörung. Zur Identität von abstrakter Arbeit (Technik) und Faschismus, München: Raben Verlag.

[126] „Wir fordern den 14tägigen Mega-Lockdown. 6 Personen stellvertretend für Wirtschaft & Gesellschaft setzen sich für einen Mega-Lockdown ein, um ihre Freiheit wieder zu erlangen“, sowie das Video „Mega-Lockdown statt Dauerschleife“ von Michael Ballweg, 31.12.2020, https://querdenken-711.de/ (abgerufen am 30.01.2021).

[127] „Michael Ballweg: Es ist ja so, die Bundesregierung spricht nicht mit uns. Wir haben verschiedenste Forderungen gestellt. Wir haben jetzt ein Dreivierteljahr die Forderung gestellt, die Maßnahmen sofort aufzuheben. Wir haben der Bundesregierung ein Angebot gemacht, in der Form, dass wir einen zwei Wochen langen Mega-Lockdown akzeptieren würden, wenn es danach wieder brummt und damit der Bundesregierung auch einen Ausweg geboten“, Alexander Wallasch (2021): Michael Ballweg: Der Querdenker-Chef ist für einen Mega-Lockdown?, 23. Januar 2021, https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/michael-ballweg-der-querdenker-chef-ist-fuer-einen-mega-lockdown/.

[128] Julian Baumann (2021): „Querdenken 711“. „Von China lernen“: Corona-Gegner fordern plötzlich zwei Wochen Mega-Lockdown, 12.01.2021, https://www.echo24.de/welt/von-china-lernen-corona-gegner-fordern-ploetzlich-zwei-wochen-mega-lockdown-zr-90165821.html.

[129] „‘Wenn die alle besser die Masken tragen und nicht so viel ,Querdenker‘-Demos haben …‘“, 02. Dezember 2020, https://www.welt.de/politik/deutschland/article221568228/Corona-Wo-landet-Europa-nach-dieser-Pandemie-fragt-sich-Merkel.html#Comments.

[130] https://www.volksverpetzer.de/bericht/querdenken-ballweg-harten-lockdown/, 19.01.2021.

[131] https://www.worldometers.info/coronavirus/country/sweden/; https://www.worldometers.info/coronavirus/country/germany/.

[132] Michael Esfeld (2020): Wissenschaft und Aufklärung in der Corona-Krise, Dezember 2020, https://www.libinst.ch/publikationen/LI-Briefing-Esfeld-Wissenschaft-und-Aufklarung.pdf.

[133] Wulf Rohwedder (2020): Treffen mit ‚Reichsbürgern‘. ‚Querdenker‘ im ‚Königreich‘. Die ‚Querdenker‘-Bewegung betont, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen – obwohl ihr Verhalten immer wieder Zweifel daran nährt. Ein Vorfall am Wochenende lässt diese weiter wachsen, 19.11.2020, https://www.tagesschau.de/investigativ/querdenken-reichsbuerger-101.html.

[134] „Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet ‚Querdenken‘-Bewegung“, 09. Dezember 2020, https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/verfassungsschutz-baden-wuerttemberg-beobachtet-querdenken-bewegung-100.html: „Die Präsidentin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes Beate Bube sieht mit Blick auf die Organisatoren sowie das Netzwerk in Baden-Württemberg Überschneidungen zu bereits bekannten Extremisten. Demnach gebe es sowohl ideologische als auch personelle Gemeinsamkeiten mit dem Milieu der ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ und dem Rechtsextremismus. Als Beispiel nannte sie ein ‚Arbeitstreffen‘ der ‚Querdenken‘-Gruppe in Thüringen mit dem prominenten Reichsbürger Peter Fitzek, der sein eigenes sogenanntes Königreich Deutschland ausgerufen hat. ‚Gezielt werden extremistische, verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte mit einer legitimen Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vermischt‘, sagte Bube. Hinzu komme die bewusste, überregionale Zusammenarbeit mit anderen bekannten extremistischen Akteuren, die sich in jüngerer Zeit weiter verfestigt hat. Diese Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stehen in deutlichem Widerspruch zu offiziellen Verlautbarungen von ‚Querdenken 711‘, sich von Extremismus jeglicher Art zu distanzieren.“; „Verfassungsschutz: Beobachtung der „Querdenken“-Bewegung richtig“, 21. Januar 2021, https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/querdenken-bewegung-wird-von-verfassungsschutz-beobachtet-100.html.

[135] Thorsten Schulte (2019). FremdBestimmt. 120 Jahre Lügen und Täuschung, Bautzen: VFFW – Verlag für Frieden, Freiheit & Wahrheit.

[136] Kathrin Hartmann (2017): Bill & Melinda Gates-Stiftung. Die Privatisierung der Weltrettung, 19. Februar 2017, https://www.fr.de/wirtschaft/privatisierung-weltrettung-11077887.html.

[137] „‘Querdenken‘-Initiator will Stuttgarter Oberbürgermeister werden“, 19.06.2020, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.michael-ballweg-kandidiert-querdenken-initiator-will-stuttgarter-oberbuergermeister-werden.dbad6a6e-9800-4460-80ed-d5a56269e9bb.html.

[138] Der Journalist Henryk M. Broder hatte damals diese Mail von Jebsen dokumentiert, „ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat”, 06.11.2011, https://www.achgut.com/artikel/ich_weis_wer_den_holocaust_als_pr_erfunden_hat/.

[139] Alan Posener (2017): Norbert Häring und Ken Jebsen, 26. November 2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/11/26/norbert-haering-und-ken-jebsen/.

[140] Albrecht Müller (2020): Lisa Fitz, Georg Schramm, Jürgen Todenhöfer, Andreas Zumach, u.a.m. waren auch schon Opfer der obskuren Antisemitenjäger aus München, 11. März 2020, https://www.nachdenkseiten.de/?p=59209. Dabei wendet sich Müller gegen die Kritik eines Bündnisses gegen Antisemitismus in München, das eine Veranstaltung mit Jürgen Todenhöfer abgesagt wissen wollte, das Bündnis schrieb: „Zu erinnern ist auch, dass er [Todenhöfer] Gaza als ‚Konzentrationslager‘ bezeichnete (und Israel damit implizit mit dem Nationalsozialismus auf eine Stufe stellte) und behauptete, die Palästinenser*innen zahlten ‚den höchsten Preis für Deutschlands schwere Schuld gegenüber den Juden‘. Völlig zu Recht kommentiert Martin Krauß, Politikredakteur der Jüdischen Allgemeinen, diesen Satz damit, dass Todenhöfer dadurch ‚gleich zwei antisemitische Evergreens in einem Satz untergebracht [hat]: den, wonach die Juden an ihrem Leid kassierten, und den von den Opfern, die zu Tätern geworden seien.‘ Und in dem gemeinsam mit den Söhnen Mannheims verbreiteten Song ‚Nie mehr Krieg‘ heißt es, Muslim*innen ‚tragen den neuen Judenstern‘. (…) Doch ist Antisemitismus nicht das einzige Problem im Zusammenhang mit Todenhöfers Agitation. Darüber hinaus empfahl er die Lektüre der NS-Rassentheoretikerin Sigrid Hunke, die auch in der Neuen Rechten breit rezipiert wird, und relativiert regelmäßig reaktionäre Machthaber und Organisationen wie Erdogan, Assad und den IS. Zu seiner Zeit als Rechtsaußen in der CDU in den 1980er Jahren sprach er zudem von ‚TV-Negern‘ und ‚Scheinasylanten‘, die er von deutschen Vertriebenen unterschied. Eine Distanzierung von diesen Aussagen seitens Todenhöfers ist uns nicht bekannt. Kurzum: Bei Jürgen Todenhöfer handelt es sich um einen rechten Agitator, der reaktionäre, antisemitische und rassistische Inhalte in einem Duktus verbreitet, dass sie auch in breiteren gesellschaftlichen Schichten Anklang finden. Er darf dabei als Musterbeispiel eines Querfrontaktivisten gelten. Wir fordern Sie folglich dazu auf, die Veranstaltung mit ihm abzusagen“, https://lbga-muenchen.org/2019/04/05/offener-brief-an-die-geschaeftsfuehrer-des-muffatwerks-bzgl-der-veranstaltung-mit-juergen-todenhoefer-am-14-april/.

[141] Zur Kritik an Lisa Fitz, RT Deutsch, der ARD-Sendung Die Anstalt oder dem (Querfront) Portal Sputnik siehe Katja Thorwarth (2019): Lisa Fitz und das Propaganda-Problem, 08.01.2019, https://www.fr.de/meinung/lisa-fitz-propaganda-problem-11066233.html; Katja Thorwarth (2019a): Lisa Fitz und die „Drachenreiter“ der Rothschilds, 03.09.2019, https://www.fr.de/meinung/lisa-fitz-drachenreiter-rothschilds-10979411.html.

[142] https://www.martin-hirte.de/coronavirus/.

[143] http://ausliebezumgrundgesetz.de/2020/06/08/rede-von-dr-ronald-weikl-mwgfd/.

[144] http://ausliebezumgrundgesetz.de/2020/05/28/freiheitsversammlung-muenchen/.

[145] „Roland Tichy scheitert mit erneuter Klage gegen Claudia Roth“, 10.06.2020, https://www.tagesspiegel.de/politik/gericht-gibt-bundestagsvizepraesidentin-recht-roland-tichy-scheitert-mit-erneuter-klage-gegen-claudia-roth/25905744.html.

[146] Hannes Hofbauer/Stefan Kraft (Hg.) (2020): Lockdown 2020. Wie in Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern, Wien: ProMedia Verlag.

[147] Wolfgang Neugebauer (2007): Stellungnahme zum Neuen Antisemitismus. Dr. Doris Sottopietra-Gedächtnis-Symposion des Ludwig Boltzmann-Instituts für Historische Sozialwissenschaft und des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien am 6. März 2007, https://www.lbihs.at/NeugebauerSottopietra.pdf.

[148] Florian Markl (2018): Gedenken einmal anders: Israel-Bashing im SPÖ-Institut am 13. März, 08. März 2018, https://www.ikg-wien.at/jmfmena-gedenken-einmal-anders-israel-bashing-im-spoe-institut-am-13-maerz/.

[149] Ebd.

[150] Weitere Autor*innen in dem Sammelband „Lockdown 2020“ sind u.a. Ulrike Baureithel, Rolf Gössner, Bernhard Heinzlmaier, Joachim Hirsch, Andrej Hunko, Alfred J. Noll, Peter Nowak, Walter van Rossum, Gerhard Ruiss, Nicole Selmer, Valentin Widmann.

[151] Martin Kröger (2020): Antifaschisten kritisieren Querfront-Aufzug. Sogenannte Hygiene-Demonstration wird immer stärker von extrem rechten Teilnehmern vereinnahmt, 23.04.2020, https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135841.hygiene-demonstration-antifaschisten-kritisieren-querfront-aufzug.html.

[152] „Die dritte Tour des ‚Busses der Meinungsfreiheit‘ des homo- und transfeindlichen Bündnisses ‚Demo für alle‘ (DfA), diesmal mit dem vorgeblichen Thema ‚Stoppt Kentlers Sex-Pädagogik‘, zieht in diesen Tagen kaum noch Interessierte und Mitstreiter*innen an. Bei der zweiten Kundgebung im Rahmen der Tour an diesem Dienstag in Berlin lauschte nur eine Handvoll den Ausführungen des Teams rund um Organisatorin Hedwig von Beverfoerde, darunter die regionalen AfD-Abgeordneten Tommy Tabor und Thorsten Weiß. Der reichweitenstarke Propagandist Boris Reitschuster streamte dafür live vom Protest (ebenso wie die ‚Epoch Times‘), die Aufrufzahlen bei Youtube waren bereits binnen weniger Stunden fünfstellig. Beverfoerde beklagte sich ihm gegenüber über Gegendemonstrant*innen, die ‚mit falschen Vorstellungen über uns indoktriniert‘ würden – es sei ‚einfach irre, dass man gegen Kindesmissbrauch vorgeht und dafür dann als Nazis beschimpft wird.‘ In dem gleichen kurzen Interview beklagte sie sich über ‚Gender-Ideologie‘, ‚linke Doktrin‘, ‚Frühsexualisierung an Schulen‘, dass ‚kleinen Kindern‘ Homosexualität ‚ohne Anlass aufoktroyiert‘ werde, dass ‚Kinder zur Homosexualität angeleitet werden‘ oder dass der ‚Unsinn‘, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe, für eine ‚Kulturrevolution genutzt‘ werde. (…) In Erfurt hatte Beverfoerde am Wochenende zugleich mit einem Infostand und der Moderation eines Panels (‚Die Familie stärken‘) an der jährlichen ‚Schwarmintelligenz‘-Veranstaltung teilgenommen, die von Klaus Kelle (Ehemann der Anti-LGBTI-Aktivistin Birgit Kelle) organisiert wird und rechte Teile der Union (speziell ‚Werte-Union‘) mit AfD-Politikern und rechten Netzwerken und Medien zusammenführen soll. Medienpartner sind etwa die ‚Junge Freiheit‘ und die katholische ‚Tagespost‘, zu den Sponsoren zählen die ‚Demo für alle‘ selbst, CitizenGo und der CDU- und DfA-nahe Elternverein NRW. Zu den Rednern gehörte Hans-Georg Maaßen, Klaus Kelle ließ sich später beim Hassbus in Erfurt blicken. 2018 hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an seiner ‚Schwarm‘-Veranstaltung teilgenommen. (…) Berlin und Erfurt sollen laut der ‚Demo für alle‘ die einzigen Kundgebungen der Bus-Tour sein, geplant seien aber weitere Halte bis Samstag. Bilder in den sozialen Netzwerken der Organisation zeigten bereits Halte in Dresden (im Gespräch mit Passant*innen) und Chemnitz am Karl-Marx-Monument (‚Unser Stopp symbolisierte unseren Protest gegen die heute weit verbreitete Familienfeindlichkeit, die vor allem auf marxistische und sozialistische Theorien zurückgeht‘). Außerdem traf sich Hedwig von Beverfoerde zu einem Gespräch mit Politikwissenschaftler Werner Patzelt, das später veröffentlicht werden soll. ‚Unter anderem erklärte er, dass die ‚Sexualpädagogik der Vielfalt‘ durch ihren Einsatz gegen ‚Heteronormativität‘ die Heterosexualität als gesellschaftliche Norm der Sexualität infrage stelle und abwerte‘, so das Mitglied der ‚Werte-Union‘ laut der ‚Demo für alle‘, „‘Demo für alle‘: Hassbus floppt, aber Gefährlichkeit bleibt. In Berlin kam am Dienstag fast niemand zu der Kundgebung vor dem Roten Rathaus, in Erfurt versammelten sich erheblich mehr Gegendemonstrant*innen. Doch die Organisatorin vernetzt sich weiter, ihre Hetze wird viral verbreitet“, 9. September 2020, https://www.queer.de/detail.php?article_id=37023.

[153] http://europe.spme.org/nachrichten-aus-dem-akademischen-bereich/das-spme-symposium/23354/; Alexander Grau (2018): „Demokratie besteht nicht aus Denkschriften“, 05.04.2018, https://www.cicero.de/erklaerung-2018-kritik-migration-ernst-elitz-buergerbewegung: „Die Kritik an der sogenannten Erklärung 2018 bricht nicht ab. Dabei kommt die Bewegung aus allen Schichten der Bevölkerung. Genau deshalb ist sie ein Erfolg, schreibt Alexander Grau in seiner Replik auf Ernst Elitz“.

[154] Alexander Grau (2017): Meinungsfreiheit ist nicht nur ein Recht der Linken, 21.10.2017, https://www.cicero.de/kultur/frankfurter-buchmesse-meinungsfreiheit-ist-nicht-nur-ein-recht-der-linken (05.05.2018). Auch der Blogger und Fußballexperte Alex Feuerherdt schreibt mitunter für Cicero, https://www.cicero.de/kultur/antisemitismus-in-deutschland-empathie-gibt-es-nur-fuer-tote-juden (24.09.2018), und setzt damit die von ihm fantasierte „Israelsolidarität“ gerade auch mit solchen neuen Rechten einem Tauchbad in das ihn umgebende braune Gewässer aus. Dazu zählt eine Veranstaltungsreihe in Leipzig, u.a. im linken Szenezentrum „Conne Island“ im Frühjahr/Sommer 2018, die zu massiver Kritik führte, da dort unter den wenigen Referenten neben Feuerherdt auch Thomas Maul war, https://www.facebook.com/70jahreisrael (24.09.2018), ein Autor der Hauspostille Bahamas, der am 9. Mai 2018 in einem Facebook-Post anlässlich von Israels 70. Geburtstag und einer Bundestagsrede von Alexander Gauland (AfD) schrieb: „Immer wieder erscheint die AFD objektiv als EINZIGE Stimme der Restvernunft im Deutschen Bundestag“, https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=2406724599353319&id=664646443561152 (24.09.2018). Maul wiederum hat in der Coronakrise einige informative Artikel auf Achgut publiziert, https://www.achgut.com/autor/maul_t.

[155] Siehe Kapitel 3) Der katholische Bund Neudeutschland und der Nationalsozialismus in Heni 2018 (Komplex Antisemitismus), S. 151–259.

[156] Karl Gies (1932): Nationale Haltung, in: Werkblätter, 5. Jg., Heft 3, Juni, S. 55–63, hier S. 61.

[157] https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/proteste-gegen-afd-party-am-alexanderplatz.

[158] Horst Seferens (1998): „Leute von übermorgen und von vorgestern“. Ernst Jüngers Ikonographie der Gegenaufklärung und die deutsche Rechte nach 1945, Bodenheim: Philo.

[159] Ebd., S. 102.

[160] https://www.achgut.com/.

[161] https://www.corodok.de/.

[162] Eine sehr gute Übersicht über weitere linke Demosprüche findet sich hier: https://hannover.linksjugend.li/demosprueche/; dabei ist für das Thema Corona auch relevant (grade auch contre coeur von vielen Linken, die jetzt #ZeroCovid unterstützen und dem Staatsfetischismus huldigen):

„Fallpauschalen? – Abschaffen!

Streik im Krankenhaus, Streik in der Fabrik! – Das ist unsere Antwort auf eure Politik!

Mehr Personal – Für das Klinikum!

Einer guten Pflege – steht Profit im Wege!

Ohne Streik – wird sich nix verändern!“.

[163] Carl Christian Jancke (2021): Der staatliche Raub der Lebenslust, 30. Januar 2021, https://www.achgut.com/artikel/der_staatliche_raub_der_lebenslust.

[164] https://lockdownsceptics.org/.

[165] https://www.youtube.com/channel/UCm0yTweyAa0PwEIp0l3N_gA.

[166] „Covid-19 vaccines: ethical, legal and practical considerations“, „7.3 with respect to ensuring high vaccine uptake: 7.3.1 ensure that citizens are informed that the vaccination is NOT mandatory and that no one is politically, socially, or otherwise pressured to get themselves vaccinated, if they do not wish to do so themselves; 7.3.2 ensure that no one is discriminated against for not having been vaccinated, due to possible health risks or not wanting to be vaccinated“, https://pace.coe.int/en/files/29004/html.

[167] Kathrin Burger (2015): Gesünder leben in Bitterfeld. In der DDR gab es viel weniger Allergiker als im Westen. Lag es an den Kohleöfen, den zugigen Fenstern oder am guten Essen?, 26.09.2015, https://taz.de/!5232932/: „Mit ihrer Besonderheit sind die DDR-Bürger nicht allein. Auch Studien an der russisch-finnischen Grenze zeigten erstaunliche Ergebnisse: Dort reagierten nur zwei Prozent der russischen Kinder in Tests auf Birkenpollen allergisch, auf finnischer Seite waren fast 30 Prozent betroffen. Ebenso sind die Amische im US-Staat Indiana, die eine vorindustrielle Lebensweise auf Farmen pflegen, kaum allergiegeplagt.“ Das sind selbstredend nur einige Aspekte des möglichen Unterschieds von Allergie-Ursachen in weniger aseptischen und stärker aseptischen Alltagsumgebungen.

[168] „Prof. Robert Dingwall on Corona, Sociology and the UK situation“, 14. November 2020, https://www.clemensheni.net/prof-robert-dingwall-on-corona-sociology-and-the-uk-situation/. Zu Dingwall siehe auch meine Beiträge „Big cities, mental health and Covid: Learning from sociologists Georg Simmel and Robert Dingwall“, 24. Dezember 2020, https://www.clemensheni.net/big-cities-mental-health-and-covid-learning-from-sociologists-georg-simmel-and-robert-dingwall/; „Hoffnung aus England – Prof. Dingwall, Daily Mail: “Im Februar Masken ins Lagerfeuer werfen”, 12. Januar 2021, https://www.clemensheni.net/hoffnung-aus-england-prof-dingwall-daily-mail-im-februar-mit-masken-lagerfeuer-anzuenden/.

[169] Besonders aggressiv antifeministisch und politisch so reaktionär wie viele andere antifeministische Autor*innen auch älteren Semesters, agitiert die Achgut-Autorin Ulrike Stockmann (2020): Voll cool! Lass Dich sterilisieren!, 30.11.2020, https://www.achgut.com/artikel/voll_cool_lass_dich_sterilisieren.

[170] „Das schlimmste antisemitische Massaker in der Geschichte Amerikas – ab jetzt klebt an allen Trumpunterstützern Blut“, 28. Oktober 2018, https://www.clemensheni.net/das-schlimmste-antisemitische-massaker-in-der-geschichte-amerikas-ab-jetzt-klebt-an-allen-trumpunterstuetzern-blut/.

[171] Michael Miersch (2015): Na dann ohne mich, 20. Januar 2015, https://www.achgut.com/artikel/na_dann_ohne_mich. Die Kritik von Miersch ist bis heute exakt zutreffend: „Ich möchte mich nicht mehr täglich ärgern, wenn Menschen verbal ausgegrenzt und herabgesetzt werden, weil sie als Moslems geboren wurden. Menschen nach Herkunft zu beurteilen finde ich boshaft. Sippenhaft ist absolut inakzeptabel. Es geht aber nicht nur um den immer wieder verwischten Unterschied zwischen Islam-Kritik und monokulturellem Dünkel. Ich finde es auch nicht lustig, wenn auf der Achse behauptet wird, die EU ähnele immer mehr der UdSSR und der Euro sei die schlimmste Destruktion seit dem Zweiten Weltkrieg. Mir missfällt das reflexhafte Eindreschen auf alles, was unter dem Verdacht steht, ‚links‘ zu sein. Ich finde nicht, dass das heutige Deutschland dekadent ist. Und ich finde auch nicht, dass sexuelle oder andere Abweichungen von der Norm Verfallserscheinungen sind. Mir geht die verlogene Idealisierung der christlichen Familie als Keimzelle der Nation gegen den Strich, genauso wie Häme und die Gehässigkeit gegenüber Minderheiten. Es ist etwas völlig Anderes, ob man sich über eine political correctness lustig macht, die jede noch so schräge Minderheit in Watte packen will, oder über Menschen, die solchen Minderheiten angehören. Besonders stört mich dabei der hohe apokalyptischer Ton, den ich an Öko-Predigern immer kritisierte, der sich inzwischen jedoch auf der Achse ausgebreitet hat. Die aufgeregten Warnrufe vor der EU, dem Euro, der Migration, dem Untergang des Abendlandes klingen ganz genauso wie die Klimakassandras. Gelassenheit und Distanz – zwei wichtige journalistische Tugenden – sind verloren gegangen.“

[172] https://www.achgut.com/autor/frank_g.

[173] Zur Kampagne gegen Kahane und die AAS von Achgut siehe Clemens Heni (2017a): Eine Alternative zu Deutschland. Essays, Berlin: Edition Critic, S. 142–145.

[174] „81 Jahre Hitler-Stalin-Pakt“, 23.08.2020, https://www.achgut.com/artikel/80_jahre_hitler_stalin_pakt; zu Gauck und der Rot=Braun-Ideologie siehe die kritischen Beiträge in Clemens Heni/Thomas Weidauer (Hg.) (2012): Ein Super-GAUck. Politische Kultur im neuen Deutschland, Berlin: Edition Critic.

[175] René Zeyer (2020): Eine Erinnerung für deutsche Schnösel, 26.06.2020, https://www.achgut.com/artikel/eine_erinnerung_fuer_deutsche_schnoesel.

[176] https://www.achgut.com/artikel/broders_spiegel_steinmeier_auf_der_zweiten_welle, 07.09.2020; Broder meint, Bundespräsident Steinmeier habe in seiner ersten Amtszeit primär erreicht, dass seine Unterstützung der Punkband Feine Sahne Fischfilet in Erinnerung bliebe; zu einem Bild dieser Band mit meinem Buch „Der Komplex Antisemitismus“, in dem es auch um Broder, Heimat, AfD und die Neue Rechte geht, https://www.clemensheni.net/feine-sahne-fischfilet-die-coolste-antifa-band-und-die-kritische-antisemitismusforschung/, 13.11.2018.

[177] Zur Erklärung 2018, Achgut, Broder und Heimattümelei siehe u.a. das Kapitel „Antisemitismus im Zeitalter von „Sommermärchen“, „Heimat“ und AfD in Heni 2018 (Komplex Antisemitismus), S. 571–634.

[178] Tamara Wernli (2020): In zehn einfachen Schritten zum Corona-Polizisten!, 06.09.
2020, https://www.achgut.com/artikel/in_zehn_schritten_zum_corona_polizist.

[179] Ebd.

[180] „‘Abgewertet werden ist schmerzhaft‘ – Daniele Ganser im Gespräch“, https://www.youtube.com/watch?v=ZxKKYPviV4I.

[181] Zur Kritik an Ganser siehe Roger Schawinski (2019): Verschwörung. Die fanatische Jagd nach dem Bösen in der Welt, Basel: NZZ Libro, S. 35–57.

[182] Michael Butter (2019): Die Methode Ganser. Der Schweizer Historiker Daniele Ganser ist die Lichtgestalt einer Community, in der die Verschwörungs­theorien blühen. Sie trägt und stützt ihn – während er sich selber vornehm zurückhält, 13.04.2019, https://www.republik.ch/2019/04/13/die-methode-ganser.

[183] „Wallace, who I have said before is one of the best interviewers in political journalism, lost control of the debate within the first five minutes — and he never came close to getting it back. The result was a cross-talk shout-fest that ill-served anyone who tried to watch this debacle“, Chris Cillizza (2020): Hits and misses from the first Trump-Biden debate, 30. September 2020, https://edition.cnn.com/2020/
09/29/politics/first-presidential-debate-hits-and-misses/index.html
.

[184] Ben Collins/Brandy Zadrozny (2020): Proud Boys celebrate after Trump’s debate callout. On their account on the social media app Telegram, the Proud Boys appeared to take the statement as marching orders, 30. September 2020, https://www.nbcnews.com/tech/tech-news/proud-boys-celebrate-after-trump-s-debate-call-out-n1241512.

[185] „Far-right US group jubilant at Trump name-check, appears to gear up for violence. ‘Trump basically said to go f*** them up! this makes me so happy,’ says leader of Proud Boys after US president told white supremacists to ‘stand back, stand by’ during debate“, 30. September 2020, https://www.timesofisrael.com/far-right-us-group-jubilant-at-trump-name-check-appears-to-gear-up-for-violence/.

[186] „Are the Proud Boys antisemitic? The Proud Boys group is a far-right, “western chauvinist” fraternal organization. They were also name-checked by US President Donald Trump during the debate“, 30. September 2020, https://www.jpost.com/american-politics/trump-told-far-right-group-proud-boys-to-stand-back-stand-by-at-debate-643930.

[187] Clemens Heni (2018b): Was hat der rechtsextreme Mord am Vorsitzenden der sozialistischen Partei Japans mit dem Israelkongress in Frankfurt am Main zu tun?, 21. November 2018, https://www.clemensheni.net/was-hat-der-rechtsextreme-mord-am-vorsitzenden-der-sozialistischen-partei-japans-mit-dem-israelkongress-in-frankfurt-am-main-zu-tun/.

[188] Georg Etscheit (2020): Warum ich Donald Trump die Daumen drücke, 28.09.2020, https://www.achgut.com/artikel/warum_ich_donald_trump_die_daumen_druecke. Wegen eines anderes Textes über die Deutsche Umwelthilfe, deren Kritik an Feuerwerkskörpers (wie sinnvoll oder abstrus die immer ist), und typisch neu-rechten Invektiven gegen Flüchtlinge (am Beispiel des sexistischen Attacken in der Silvesternacht 2015 auf der Kölner Domplatte) wurde Etscheits Mitarbeit bei der Zeitschrift „Natur“ jetzt nach 15 Jahren beendet, „Ein Umweltjournalist muss gehen“, 29. Januar 2021, https://www.achgut.com/artikel/ein_oekojournalist_muss_gehen. Etscheit hatte in typisch neu-rechter Diktion geschrieben: „Erste Erfolge kann die Anti-Feuerwerks-Kampagne schon verzeichnen. So gibt es eine ganze Reihe von Händlern, darunter große Baumarktketten, die Feuerwerksartikel ausgelistet haben. Sie werden von der DUH [Deutsche Umwelthilft] auf einer Art List of Fame veröffentlicht – eine schwarze Liste renitenter Böller-Verkäufer dürfte einstweilen noch zu umfangreich sein. In vielen Innenstädten wurden zudem zentrale Plätze zu Zonen erklärt, in denen nicht mehr gezündelt werden darf. Grund sind wohl weniger die harmlosen Balkon- und Vorgartenfeuerwerke, sondern jene überwiegend frisch eingewanderten Jungmänner, die sich in der Silvesternacht zusammenrotten, keinerlei Regeln beachten und es, wie in Köln 2015 geschehen, nicht bei pyrotechnischer ‚Knallerei‘ belassen“, „Kracher der Deutschen Chinahilfe“, 29. November 2020, https://www.achgut.com/artikel/kracher_der_deutschen_chinahilfe.

[189] Siehe meinen Beitrag „‘Jews will not replace us’ – for US-President Trump, the Alt-Right are ‘fine people’“, 17. August 2917, https://blogs.timesofisrael.com/jews-will-not-replace-us-for-us-president-trump-the-alt-right-are-fine-people/.

[190] „Urteil nach Mord in Charlottesville: Lebenslänglich plus 419 Jahre Haft. Der Neonazi, der 2017 mit einem Auto in eine Demo fuhr, wurde bereits wegen Hassverbrechen verurteilt. Nun bekommt er wegen Mordes eine weitere Haftstrafe“, 16.07.2019, https://taz.de/Urteil-nach-Mord-in-Charlottesville/!5612121/.

[191] „Trump’s Caravan Hysteria Led to This. The president and his supporters insisted that several thousand Honduran migrants were a looming menace—and the Pittsburgh gunman took that seriously“, 28. Oktober 2018, https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2018/10/caravan-lie-sparked-massacre-american-jews/574213/. Siehe auch die Kritik am Antisemitismus, der von Trumps Hetze gefördert wird, im New Yorker: “There has long been a casual assumption that homegrown anti-Semitism could not happen here, that ‘The Plot Against America’ would remain the fantastical counter-factual that Philip Roth intended it to be. And yet, the warning signs have become increasingly clear. Since the 2016 Presidential campaign, anti-Semitic vitriol has exploded on the Internet. Neo-Nazis tweet swastikas and Hitler-era propaganda of leering, hook-nosed rabbis. Holocaust deniers discuss ‘The Protocols of the Elders of Zion’ in plain view. Jewish journalists and other public figures have had their profile pictures Photoshopped onto images of lampshades and bars of soap. The name ‘George Soros’ is no longer invoked as a dog whistle, but as an ambulance siren. ‘The Jewish question’ is debated on alt-right blogs and news sites. In the run-up to the election, anti-Semites began to put Jewish names in sets of triple parentheses—a yellow star for the digital age, by which to un-assimilate the assimilated. Jews rushed to claim and defang the symbol, turning it into a voluntary declaration of pride, but the scar of its origins remains. For a time after Donald Trump’s election, I collected screenshots of racist and anti-Semitic hate speech I came across. Then I stopped. The proof was everywhere, plain as day. (…) It seems clear that anti-Semitism has burrowed into the American mainstream in a way not seen since the late nineteen-thirties and early nineteen-forties, when it also fused easily with conservative isolationist fervor and racism. In ‘These Truths,’ her masterful new history of this country, my colleague Jill Lepore writes about the anti-Semites of that period, who saw ‘mass democracy and mass culture as harbingers of the decline of Western civilization.’ In 1939, the German-American Bund held a pro-Nazi rally at Madison Square Garden, attended by twenty thousand people; you can watch footage of it here, and, as vile as it is, I suggest that you do. Amid the sieg-heils, you will see Fritz Kuhn, the Bund’s leader, railing against the ‘Jewish-controlled press’ as he lays out his vision for a ‘socially just, white, Gentile-ruled United States.’ ‘We, with our American ideals, demand that the American government shall be returned to the American people who founded it,’ he says, to cheers“, Alexandra Schwartz (2018): The Tree of Life Shooting and the Return of Anti-Semitism to American Life, 27. Oktober 2018, https://www.newyorker.com/news/daily-comment/the-tree-of-life-shooting-and-the-return-of-anti-semitism-to-american-life. Zur antisemitischen Geschichte der New York Times während der Zeit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs und der Shoah siehe die brillante Studie von Laurel Leff (2005): Buried by the Times. The Holocaust and America’s most important Newspaper, New York: Cambridge University Press. 1958 gab es einen Bombenanschlag auf eine jüdische Synagoge in Atlanta (der nur zufällig keine Todesopfer forderte), und die rechtsextremen Täter wendeten sich in einem Pamphlet gegen Kommunisten, Schwarze und Juden, hierzu und weiteren Aspekten des Antisemitismus in Amerika siehe Jonathan D. Sarna (2018): „The Future of the Pittsburgh Synagogue Massacre. Is American anti-Semitism really distinctive from that of other diaspora countries? Just how worried should we be?, 6. November 2018, https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/future-pittsburgh-synagogue-massacre. Dieser Anschlag von 1958 wurde als bis dahin schlimmster antisemitischer Vorfall in den USA angesehen.

[192] Etscheit 2020.

[193] https://edition.cnn.com/2020/09/29/politics/first-presidential-debate-hits-and-misses/index.html

[194] Dieser Artikel von NachDenkSeiten verlinkt ein Gespräch von Jens Wernicke mit Daniele Ganser von 2017, Wernicke hat dann 2017 die Internetseite Rubikon gegründet, „Vom Friedensforscher zum Verschwörer: Daniele Ganser und die Medien“, 27. März 2017, https://www.nachdenkseiten.de/?p=37585. Die Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung, die sich durch die Ablehnung Israels als jüdischer Staat, der Forderung nach einem palästinensischen Rückkehrrecht und der Betonung, dass Israel seit 1948 und nicht erst seit 1967 eine „Besatzungsmacht“ sei, wird von den NachDenkSeiten auch publiziert, wie von Wolf Wetzel, der dort am 11.08.2020 schreibt (und den Text auch auf seine eigene Homepage stellt): „Und wenn Linke ebenfalls zur Hetzmasse deren dazu stoßen, die zum Beispiel den BDS-Boykott-Aufruf (Boykott, Desinvestment, Sanctions) als antisemitisch denunzieren, dann ist das kein Kampf gegen den Antisemitismus, sondern eine Verbeugung gegenüber den herrschenden Verhältnissen“,  https://wolfwetzel.de/index.php/2020/08/11/linker-mccarthyismus-das-system-der-verdaechtigung-zerstoert-nicht-nur-personen-sondern-auch-ein-gemeinsames-linkes-selbstverstaendnis/ ; NachDenkSeiten hat auch ein Interview von Wernicke mit Ken Jebsen veröffentlicht, wo dieser Israel unter dem Begriff „Zionistischer Rassismus“ fasst, 02.11.2016, https://www.nachdenkseiten.de/?p=35640. Es gibt bezüglich Wernicke folgenden Rechtsstreit mit dem Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) aus Kassel zu berichten: „Im Fall von Jens Wernicke, einem weiteren Referenten der GEW, urteilte das Amtsgericht Mainz ebenfalls zu Ungunsten des BgA Kassel. Wernicke war mehrere Jahre lang für die Interviews der ‚Nachdenkseiten‘ zuständig, einer Website, die Verschwörungstheorien verbreitet und im Querfrontmilieu geschätzt wird (Jungle World 23/2016). Das Gericht bewertete es als ehrverletzend für Wernicke, dass das BgA in seinem Blogbeitrag ‚Wernicke oder die Connection eines Bildungsreferenten‘ fälschlicherweise behauptet hatte, ein von Wernicke geführtes Interview sei zunächst auf ‚KenFM‘, der Website des Verschwörungstheoretikers Ken Jebsen, erschienen und später auf dem von Wernicke betreuten Interviewplatz der ‚Nachdenkseiten‘. Es war jedoch anders herum: Das Interview war zuerst auf den ‚Nachdenkseiten‘, dann erst auf ‚KenFM‘ veröffentlicht worden. Dem Amtsgericht Mainz zufolge ­belegen eine frühere Mitgliedschaft Wernickes im Sprecherrat der Stipen­diaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung und die zeitweilige Tätigkeit als Wahlkreismitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten sowie seine Tätigkeit für die Fraktion der Linkspartei im hessischen Landtag, dass der Kläger dem linken politischen Milieu zuzuordnen sei. Somit sei es seiner sozialen Anerkennung abträglich, zu behaupten, ein von ihm geführtes Interview sei erstmals in einem ‚rechtspopulistischen Forum‘ erschienen, wie das Gericht ‚KenFM‘ charakterisierte. Mit der Frage, warum ein ‚Rechtspopulist‘ einen ‚Linken‘ kopiert und als eigenen Autor listet, befasste sich das Gericht nicht“, Thorsten Lambeck (2018): Fragen der Ehre. Zwei Gerichte entschieden in jüngster Zeit zu Ungunsten des Bündnisses gegen Antisemitismus Kassel. Die Urteile sind zumindest politisch fragwürdig, 11.01.2018, https://jungle.world/artikel/2018/02/fragen-der-ehre.

[195] Zu diesem Zitat und zu Carl Schmitt siehe einen Artikel von Februar 2019: „In vielen europäischen Staaten, aber auch in den USA oder beispielsweise Brasilien ist eine Wende im Sinne Carl Schmitts zu beobachten. Das deliberative, kompromiss- und konsensorientierte Herrschaftsmodell scheint sich immer stärker in Richtung des dezisionistischen Exekutiv- und Maßnahmenstaates zu entwickeln.“ Begriffe wie „deliberative“ und „konsensorientierte“ Politik spielen wiederum auf Jürgen Habermas an. Man könnte jedoch meinen, die Kritik am „Exekutiv- und Maßnahmenstaat“ trifft heute auf viele Demokratien der Welt zu, namentlich auf Deutschland, Italien oder Frankreich, die sich in ihrer selbstverliebten Innensicht so unendlich weit weg dünken von Trump oder Bolsonaro, Michael Reitz (2019): Versuch über das Denken Carl Schmitts, 24.02.2019, https://www.deutschlandfunk.de/macht-und-recht-versuch-ueber-das-denken-carl-schmitts.1184.de.html?dram:article_id=439014.

[196] https://www.mwgfd.de/2020/06/rede-von-dr-ronald-weikl-am-13-06-2020-auf-der-passauer-demo-von-fuer-die-freiheit-2020%C2%A7/.

[197] Eine linke Kritik an der Passauer Szene der „Coronagegner“ zeigt richtigerweise und fundiert allerhand Bezüge zum Rechtsextremismus auf, ist aber selbst unfähig, die demokratiegefährdenden Maßnahmen der Regierung kritisch einzuordnen, „Die Passauer ‚Corona Rebellen‘-Bewegung: Überblick zu Organisation, Akteur*innen und Ideologien“, 11.06.2020, https://www.infoticker-passau.org/node/426.

[198] Michael Bothner (2020): „Der AfD das Wasser abgraben“ – Experte klärt über die Regensburger Kandidaten auf, 22. Februar 2020, https://www.regensburg-digital.de/der-afd-das-wasser-abgraben-experte-klaert-ueber-die-regensburger-kandidaten-auf/22022020/.

[199] „Während der Debatte um das Beschneidungsgesetz will Stürzenberger auch die Juden ausweisen: Wer sich ‚an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammert‘, schreibt er, ‚hat nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nichts zu suchen‘“, Stephen Geyer (2014): Virtuelle Kreuzritter. Das Weblog „Politically Incorrect“ ist das Leitmedium der deutschen Islamhasser – aber auch eine gut vernetzte Organisation mit Ortsgruppen in ganz Deutschland, die sich politisch und auf der Straße gegen Muslime und Zuwanderer einsetzen, 17.03.2014, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/180751/virtuelle-kreuzritter.

[200] Kolja Zydatiss (2021): Ausgestoßene der Woche: Boris Reitschuster, Anabel Schunke und Indubio, 29.01.2021, https://www.achgut.com/artikel/ausgestossene_der_woche_boris_reitschuster_anabel_schunke_und_indubio. Schunke und mit ihr Achgut sind eng mit der extrem rechten Szene verbunden: „Was das Sprachinstitut der ‚Gutmenschen‘, die TU Dortmund, kann, können wir schon längst, dürften sie sich gesagt haben, und haben flugs eine Jury aus dem Boden gestampft, die dem Vokabular der politisch extremen Rechten die Sprache des Willkommensklatscherpacks gegenüberstellt. Selbsternannte ‚freie Medien‘, wie die islamfeindliche ‚Hassseite‘ (Historiker und Philosoph Heiner Bielefeldt) PI-News, das rechte ‚Jürgen Fritz Blog‘, die neurechte Plattform ‚Journalistenwatch‘, ‚Philosophia Perennis‘ des völlig nach rechtsaußen abgerutschten Theologen David Berger sowie die verschwörungstheoretische Gaga-Seite ‚Die Unbestechlichen‘, hätten zwei Wochen lang 350 Vorschläge gesammelt, aus denen eine Jury Finalisten ausgewählt habe, die zur Abstimmung bereit stünden. Dass dies eine beeindruckende politische Inzestveranstaltung ist, zeigen die Jurymitglieder, die alle den rechten Medienbetrieb aktiv am Laufen halten: Vertreten sind Michael Stürzenberger, der für PI-News als auch für das Jürgen-Fritz-Blog schreibt, Jürgen Fritz (beschäftigt sich ‚verstärkt mit den Fragen der Ontologie‘), AfD-Wähler David Berger, Ex-‚Lügenpresse‘-Journalist und Identitären-Anhänger Matthias Matussek, ‚Journalistenwatch‘-Gründer und Geschäftsführer des rechten Vereins ‚Bürgerbewegung Pax Europa‘ Thomas Böhm sowie Model und Quotenfrau im Reigen Anabel Schunke, Autorin für unter anderem ‚Tichys Einblick‘ und ‚Die Achse des Guten‘,“ Katja Thorwarth (2019): Hassworte der rechten Propagandaschmiede, 06. Januar 2019, https://www.fr.de/meinung/hassworte-rechten-propagandaschmiede-11416489.html. Zur Kritik an Journalistenwatch und deren amerikanischen Unterstützern vom Middle East Forum (Daniel Pipes) siehe auch Clemens Heni (2017b): Jews should stop supporting the Alt-Right and the ene­mies of the Jewish people, 18. November 2017, https://blogs.timesofisrael.com/jews-should-stop-supporting-the-alt-right-and-the-enemies-of-the-jewish-people/; Nico Schmidt (2017): Die Amerika-Connection der Neuen Rechten, 17. Dezember 2017, https://www.zeit.de/kultur/2017-12/journalistenwatch-neue-rechte-finanzierung/komplettansicht.

[201] „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird“, 15.03.2018, https://www.erklaerung2018.de/. Neben den Erstunterzeichner*innen haben weitere gut 165.000 Menschen diese rassistische, nationalistische und Solidarität mit den Anti-Flüchtlings-Mobs hinausschreiende Erklärung unterschrieben.

[202] Konkret 11/2018 schreibt: „Das Kleine Blaue Buch ist nicht mehr im Handel. Im Frühjahr bat Gremliza den Verlag, in dessen Edition Suhrkamp seine Haupt- und Nebensätze gerade in zweiter Auflage erschienen waren, anlässlich der Versicherung der Geschäftsführung, der Autor Uwe Tellkamp, der sich zu Pegida bekannt hatte, werde weiterhin bei Suhrkamp verlegt, um Auflösung des Vertrags. ‘Ich wusste, bevor er ein Fall zu werden sich entschloss, nicht, wer oder was ein Tellkamp ist. Nun, da ich es leider weiß, werde ich jene selbstverständliche Distanz zur sympathy for the Nazi markieren, die der Verlag vermissen lässt, und fordere dessen Geschäftsführung hiermit auf, der einvernehmlichen Lösung des Vertrags mit mir zuzustimmen.’ Der Verlag stimmte zu, die noch nicht verkauften Exemplare der zweiten Auflage gibt es ausschließlich bei konkret.“

[203] „Mein Beitrag über Michael Klonovsky hat ihn offenbar getroffen. Das ist die gute Nachricht. Er reagierte mit einer antisemitischen Beleidigung. Das ist die zweite gute Nachricht. Denn es ist immer schön zu sehen, wie sich die Einpeitscher des Mobs, die sich als feine Herren gerieren, letzten Endes selbst die Maske vom Gesicht reißen, weil es doch raus muss aus ihnen“, Alan Posener (2018): Klonovsky und Himmler, 25.02.2018, https://starke-meinungen.de/blog/2018/02/25/klonovsky-und-himmler/.

[204] https://www.youtube.com/watch?v=LGukNIEIhTU.

[205] https://www.cdc.gov/nchs/nvss/vsrr/covid_weekly/index.htm?fbclid=IwAR3-wrg3tTKK5-9tOHPGAHWFVO3DfslkJ0KsDEPQpWmPbKtp6EsoVV2Qs1Q.

[206] https://www.bloomberg.com/news/videos/2020-10-06/trump-don-t-let-coronavirus-dominate-you-video.

[207] Patricia Claus (2020a): Greece Should Not Impose a Lockdown, Says Stanford’s Ioannidis, 24.09.2020, https://usa.greekreporter.com/2020/09/24/greece-should-not-impose-a-lockdown-stanford-john-ioannidis/.

[208] Ioannis Laliotis/ John P.A. Ioannidis/Charitini Stavropoulou (2016): Total and cause-specific mortality before and after the onset of the Greek economic crisis: an interrupted time-series analysis, The Lancet Public Health, Volume 1, ISSUE 2, e56-e65, December 01, 2016, online 4. Nov. 2016, https://doi.org/10.1016/S2468-2667(16)30018-4.

[209] „Protest gegen die Leopoldina: Professor der Uni Tübingen tritt aus Akademie der Wissenschaften aus“, 27. Dezember 2020, https://www.clemensheni.net/protest-gegen-die-leopoldina-professor-der-uni-tuebingen-tritt-aus-akademie-der-wissenschaften-aus/.

[210] „‘Freiheitsrechte‘ und die ‚Würde des Menschen‘ schützen: Leopoldina-Philosoph attackiert Leopoldina-Papier und den Lockdown“, 13. Dezember 2020, https://www.clemensheni.net/freiheitsrechte-und-die-wuerde-des-menschen-schuetzen-leopoldina-philosoph-attackiert-leopoldina-papier-und-den-lockdown/.

[211] „Der Mossad bringt Frieden in Nahost auf den Weg: Vereinigte Arabische Emirate nehmen diplomatische Beziehungen zu Israel auf“, 15. August 2020, https://www.clemensheni.net/der-mossad-bringt-frieden-in-nahost-auf-den-weg-vereinigte-arabische-emirate-nehmen-diplomatische-beziehungen-zu-israel-auf/.

[212] „BDS founder: If Israel develops coronavirus vaccine you can take it“, https://www.jpost.com/israel-news/bds-founder-no-need-to-boycott-israeli-developed-coronavirus-drugs-623759.

[213] Es gibt auch eine libertär-kapitalistisch-anarchistische Coronapolitik-Kritik – sehr eloquent und intellektuell inspirierend ist hierbei Jeffrey A. Tucker vom American Institute for Economic Research (AIER), die sehr viel wichtige Aufklärungsarbeit in der Coronakrise leisten, https://www.aier.org/staffs/jeffrey-tucker/, Tucker ist zudem explizit antifaschistisch und war ein Kritiker Trumps von Anbeginn, aber er ist selbstredend als US-Libertärer ein ultra-kapitalistischer Sonnyboy und hat keinen Blick für das destruktive Potential des Kapitalismus, das gerade im produktiven Moment liegt –, es gibt auch eine konservative und weitere bürgerlich-konformistische Formen der Coronapolitik-Kritik, wie beispielsweise vom Mitglied der Ethikkommission in Bayern, Prof. Christoph Lütge, der zwar ein Kritiker des Lockdowns ist, aber selbst mit seinen künstliche Intelligenz Aktivitäten und als von Facebook mitfinanzierter Institutsdirektor sicher nicht für eine emanzipatorische Gesellschaftskritik zu haben ist, er ist ein Vertreter der kapitalistischen „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“, einer contradictio in adjecto, https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/kritik-an-initiative-zerocovid-handelt-massiv-unethisch,SMXQCUX; https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-tu-finanzierung-facebook-1.4723566; https://netzpolitik.org/2019/ein-geschenk-auf-raten/; „Der Professor ist klare Vorgabe von Facebook. Weiter heißt es in dem Brief ausdrücklich, dass das neu gegründete Ethikinstitut von Gründungsdirektor Christoph Lütge, dem Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Wirtschaftsethik, der von dem früheren Siemens-Vorstand Peter Löscher gestiftet wurde, geführt werden muss. Eine Abweichung hiervon, beispielsweise die Ernennung eines anderen Institutsleiters, bedarf ausdrücklich der vorherigen schriftlichen Zustimmung von Facebook. Das liest sich gerade so, als ob Facebook Herrn Lütge zum Gründungsdirektor ernennen würde und seine Absetzung gegen den Willen von Facebook nicht vorgenommen werden darf – unter Androhung des Mittelentzugs bei Zuwiderhandlung. Die Findung eines Institutsdirektors findet im Wissenschaftsbereich in der Regel durch öffentliche Stellenausschreibungen, Bewerbungsverfahren und anschließende Auswahl durch ein unabhängiges Expertengremium statt. Ein solches Verfahren hat jedoch in diesem Fall offenbar nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Das Facebook-Schreiben ist direkt an Herrn Lütge mitadressiert. Man könnte den Brief meines Erachtens geradezu als Ernennungsurkunde für ihn auffassen“, https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/geschenk-mit-haken-facebooks-ethik-institut-an-der-tu-muenchen. Bei Tucker und den US-Libertären ist wiederum wichtig, dass sie Hoffnung geben auf ein Ende der hygienestaatlichen Zwangsmaßnahmen. Am 25. Januar 2021 berichtet Tucker darüber, dass allerhand Politiker*innen in den USA, von der Gouverneurin von Michigan Gretchen Whitmer, über die Bürgermeisterin von Chicago Lori Lightfoot bis hin zum bislang hardcore aggressiven Gouverneur vom Staat New York, Andrew Cuomo (D), weite Teile des US-Establishments ab Ende Januar bzw. Anfang Februar 2021 die Wiedereröffnung der Restaurants ankündigen, was grade bei Cuomo viele sehr verwundert, aber auch er merkt, dass es gesamtgesellschaftlicher Selbstmord wäre, abzuwarten, bis ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist – „DC Mayor Bowser confirms indoor bar and restaurant service to resume at 25% capacity starting Jan. 22“, 21. Januar 2021, https://www.foxbusiness.com/economy/dc-mayor-bowser-confirms-indoor-bar-and-restaurant-service-to-resume-at-25-capacity-starting-january-22 –, Jeffrey A. Tucker (2021): All Hail the Reopening!, 25. Januar 2021, https://www.aier.org/article/all-hail-the-reopening/.

 

Corona-Panikindustrie und Coronapolitik-Kritiker Hand in Hand: Leugnen der Präzedenzlosigkeit der Shoah im Deutschlandfunk und bei Corodok

Von Dr. phil. Clemens Heni, 29. Dezember 2020

Inhalt:

Antisemitismus und Holocaustverharmlosung beim Deutschlandfunk          1

Vordenker von DLF und Corodok: Césaire, Mbembe und der postkoloniale Antisemitismus  2

Achille Mbembe, ein Antisemit? Postkolonialismus und Antisemitismus      3

Nolte und seine Enkel 12

Leopoldina      13

Jenseits von DLF und Corodok: Nie wieder Deutschland      13

 

Antisemitismus und Holocaustverharmlosung beim Deutschlandfunk

Der Deutschlandfunk ist ein Kernelement der Corona-Panikindustrie. Seit Anfang März 2020 strahlt auch diese ARD-Sendeanstalt eine Panik aus, wie wir sie seit dem Ende des Nationalsozialismus nicht mehr erlebt haben. Natürlich gibt es hin und wieder auch etwas kritische Stimmen, aber der Haupttenor ist eindeutig: Merkel und die Politik machen das schon sehr gut und Kritiker sind tendenziell rechts, Verschwörungswahnsinnige, Nazis, Esoteriker, Covidioten, Impfgegner oder Coronaleugner. Das ist alles ganz einfach.

Den Antisemitismus der Corona-Szene kann man wissenschaftlich untersuchen, wie ich das in dem Buch „Gefährderansprache“ getan habe. Allerdings ist da entscheidend, in welchem Verhältnis und wie seriös man das tut. So sind in diesem Buch von 380 Seiten ca. 30 Seiten den verschwörungsmythischen und antisemitischen Tropen der Querdenken-Szene gewidmet, der Rest beschäftigt sich mit den viel gefährlicheren Tendenzen der Politik von Söder, Kretschmann, Michael Müller, allen Landesregierungen und der Bundesregierung, den Medien, der Öffentlichkeit.

Diese antisemitischen Teile der „Querdenken“-Bewegung haben keine Macht, keine Regierungsgewalt und bestehen aus nicht mehr antisemitischen Wirrköpfen wie wir sie schon seit vielen Jahren kennen – nehmen wir 9/11 als Startpunkt für eine besonders große antisemitische Verschwörungsszenerie, die jetzt wieder besonders viel Aufmerksamkeit bekommt durch „Querdenken“.

Das ist übel genug, aber der sich selbst als aufgeklärt dünkende Mainstream sieht die Querdenken-Bewegung als die größte Gefahr für das Land – und da ist die Lockdown-Politik eben die viel größere Gefahr, auch für die Gesundheit, denn ohne Geld wird das Gesundheitssystem noch weiter ausgetrocknet und der unerträgliche Status Quo des kapitalistischen Gesundheistsystems bleibt erhalten. Mehr Geld könnte ein besseres und nicht auf Rentabilität basierendes Gesundheitssystem bringen.

Antisemitische Gewalttäter gab es schon lange vor 2020, das brachte in dieser Hinsicht nichts Neues. Aber die Gewalt des Lockdowns und des Maskenwahnsinns, die sehr wohl viele Menschen in die Verzweiflung und in den Tod treiben kann, die ist neu und gefährlicher als verschwörungswahnsinnige Trottel, die es vor allem seit dem 11. September 2001 zu Millionen gab und eben weiterhin gibt.

Ich zeige auch, dass Prof. Hendrik Streeck, der eigentlich ein Kritiker der Panikindustrie sein möchte, dem Geschwätz vom Verschwörungswahnsinn, unter letzteren fällt nämlich  in diesem Beispiel Streecks so gut wie jede abweichende Meinung (!) (während er echte Verschwörungsmythen wie aus Iran oder von Islamisten und Neonazis in den USA nicht einmal erwähnt), auf den Leim geht in einem Interview mit der Deutschen Welle bzw. der Fuldaer Zeitung.

Während nun also der DLF primär Teil der unwissenschaftlichen und antidemokratischen Panikindustrie ist, möchte er in einem aktuellen Beitrag gerade den Namensgeber des Robert Koch-Instituts näher untersuchen. Robert Koch war ein Kolonialist bzw. im deutschen Kolonialreich aktiv. So berichtet Julia Amberger am 26. Dezember 2020, zur kuschligen Weihnachtszeit:

Robert Koch und die Verbrechen von Ärzten in Afrika

Zu Kolonialzeiten war es üblich, dass Forscher skrupellos mit Afrikanern experimentierten, allen voran die Deutschen. Auch Robert Koch zwang kranke Menschen in Konzentrationslager und testete an ihnen neue Gegenmittel. Die Gräueltaten der kolonialen Tropenmedizin wirken bis heute.

Nun ist es wichtig, sich mit den Kolonialverbrechen zu befassen, das wird in der Wissenschaft auch seit Jahrzehnten getan. Auch viele politische Gruppen beschäftigen sich damit. Doch in der gesamten Diskussion wird fast immer, seit dem postkolonialen Vordenker Aimé Césaire, wie wir gleich sehen werden, der Holocaust verharmlost und dessen spezifische und unvergleichbare Dimension weggewischt.

Amberger und der DLF schreiben ganz ernsthaft:

Deutsche Ärzte erproben an Afrikanern, was sie später an Juden perfektionieren

Die Kolonialmedizin sollte nicht Menschen in Not helfen. Sie diente dem ökonomischen Aufschwung der Kolonie – und neuen Erkenntnissen für die deutsche Wissenschaft und die Pharmaindustrie. Deshalb haben die Kolonialärzte auch den Menschen ohne Grund extrem schmerzhafte Öl- und Salzlösungen gespritzt oder sie in der Wüste ausgesetzt, um zu sehen, wie lange sie dort überleben. Jahrzehntelang verbargen sich diese Horrorgeschichten hinter den Verbrechen des Naziregimes in den KZs. Derweil haben die deutschen Ärzte an Afrikanern erprobt, was sie später an Juden, Homosexuellen und politischen Gegnern perfektionierten. Eckart:

Es gibt keine unmittelbaren Analogien zu den Vernichtungslagern im zweiten Weltkrieg, beziehungsweise während der nationalsozialistischen Diktatur. Aber wenn man sich die Struktur dessen ansieht, was dort geschah: Die Humanexperimente in einer Sondersituation der Unfreiheit, die vollkommene Abhängigkeit, die körperliche Abhängigkeit in ihrer absoluten Totalität, der Aspekt, dass Todesfälle in Kauf genommen wurden – dann muss man schon sagen, dass diese Lager den späteren Vernichtungslagern beziehungsweise den Konzentrationslagern in gewisser Weise glichen. Hinzu kommt, dass es personale Kontinuitäten gab.

Der Kronzeuge in diesem Zitat ist der Historiker Wolfgang Eckart von der Universität Heidelberg. Er sagt, dass man zwar angeblich „keine unmittelbaren Analogien zu den Vernichtungslagern“ im Zweiten Weltkrieg ziehen dürfe, aber irgendwie halt doch – denn er sagt im gleichen Atemzug:

Die Humanexperimente in einer Sondersituation der Unfreiheit, die vollkommene Abhängigkeit, die körperliche Abhängigkeit in ihrer absoluten Totalität, der Aspekt, dass Todesfälle in Kauf genommen wurden – dann muss man schon sagen, dass diese Lager den späteren Vernichtungslagern beziehungsweise den Konzentrationslagern in gewisser Weise glichen.

Das ist falsch und eine sekundär-antisemitische Reaktionsweise. Sekundärer Antisemitismus ist bekanntlich nach Adorno und Peter Schönbach ein Schuldabwehr-Antisemitismus. Die Schuld wird hier abgewehrt indem sie universalisiert wird. Das Spezifische, nie Dagewesene der Shoah wird negiert.

Es gab vor dem Nationalsozialismus und Hitler zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit die Idee und die konkrete Politik, ein ganzes Volk zu vernichten, nie zuvor wurden Millionen Menschen zu keinem anderen Zweck wie der Vernichtung deportiert. Die Juden wurden aus Paris, Heidelberg, Griechenland oder Polen deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet. Das Skandalöse an Wolfgang Eckart ist die Tatsache, dass er sogar explizit von den „späteren Vernichtungslagern“, also Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Treblinka, Kulmhof, Belzec spricht. In der Holocaustforschung wird das Präzedenzlose dieser Vernichtungslager und des Holocaust seit Jahrzehnten betont, von Raul Hilberg über Yehuda Bauer hin zu Daniel J. Goldhagen, Robert Wistrich oder Jeffrey Herf.

Die Coronapolitik-Kritik goes Holocaustverharmlosung

Der eben zitierte Beitrag des DLF vom 26. Dezember 2020 wird von der der Coronapolitik kritisch gegenüberstehenden Internet-Seite Corodok geradezu freudestrahlend am 29.12.2020 angepriesen, was tief blicken lässt:

Ob es an der DKP- und junge Welt-Nähe des Corodok-Machers Artur Aschmoneit liegt oder daran, dass der Kronzeuge des DLF, Prof. Wolfgang Eckart, angeblich früher als Student beim MSB-Spartakus war (so Wikipedia ohne Quelle), das ist hier nicht so relevant, könnte gleichwohl auf das Erbe von Hans Mommsen hindeuten, der zeitlebens den Antisemitismus herunterspielte.

Wie Mommsen suchen auch typische linke oder linksliberale und Mainstream-Protagonisten nach Kontinuitäten bürgerlicher Herrschaft, um auf keinen Fall das Spezifische des Judenhasses zu untersuchen.

Es geht in diesen Kreisen immer um rationale Gründe für den Judenmord, um Analogien, Zufälle, Traditionen, um ein Sich-Hochschaukeln oder um Tendenzen und Zwänge, aber nie um die alles entscheidende DNA der Deutschen, die antisemitisch ist, wie jüngst wieder Henryk M. Broder festhielt – „Der Antisemitismus gehört zu Deutschland, er ist Teil der deutschen DNA, wie die Liebe zum Wald und die Angst vor dem Weltuntergang. Weil der Antisemitismus wie eine Sinus-Kurve verläuft, entsteht ab und zu der Eindruck, als habe er sich aus der Realität verabschiedet. Nur – bei der nächsten Gelegenheit ist er wieder da, pumperlgesund und zu allen Schandtaten bereit“ -, und was vielen in der rechten bis sehr rechten Leserschaft von Achgut übel auffiel (ich zitiere solche no-name Kommentare hier nicht, aber sie diffamierten Broder grade wegen diesem Hinweis auf die deutsche DNA).

Vordenker von DLF und Corodok: Césaire, Mbembe und der postkoloniale Antisemitismus

Die postkoloniale Ideologie, das Präzedenzlose, nie zuvor Dagewesene des Holocaust zu leugnen, geht auf Aimé Césaire zurück, dem vor einigen Jahren in Paris ein zentraler Quai, eine große Straße unweit des Louvre und direkt am Ufer der Seine im ersten Arrondissement gewidmet wurde.

Foto: Privat

Ich schrieb 2018 in dem Buch „Der Komplex Antisemitismus“ das Kapitel „Achille Mbembe, ein Antisemit? Postkolonialismus und Antisemitismus“. Damit klar wird, warum der Deutschlandfunk und die unter Kritiker*innen der Coronapolitik beliebte Seite Corodok (1 Mio Zugriffe in einem Monat), die gerade auch den antisemitischen Aspekt des DLF-Beitrags anpreist, problematisch und unwissenschaftlich agieren, sei etwas tiefer in das Thema Postkolonialismus und Antisemitismus eingestiegen und mein Kapitel aus diesem Buch wiedergegeben.

Achille Mbembe, ein Antisemit? Postkolonialismus und Antisemitismus

Der mit 100.000 Euro dotierte Gerda Henkel Preis geht 2018 an den Politikwissenschaftler und postkolonialen Theoretiker Achille Mbembe.[1] In einem Buch zu „Postkoloniale Theologien“ von 2018 heißt es in einem Text des Theologen Michael Nausner[2] von der Theologischen Hochschule Reutlingen:

Ich glaube, die Situation, die wir heute in Europa und nicht zuletzt in Deut­schland vorfinden, wurzelt unter anderem auch in den Umständen, die Mbembe mit conditio nigra bezeichnet. Der Antisemitismus ist in Deutschland aus­führlich und vielfältig analysiert worden. Aber diejenigen Aspekte des Antisemitismus, die im kolonialen Denken wurzeln, sind noch immer weit­gehend unbekannt. Dabei würde ein ‚Zusammendenken der Gräueltaten des Ko­lonialismus sowie des Dritten Reichs […] erheblich dazu beitragen, ein nuan­ciertes Verständnis dafür zu entwickeln, ob und inwieweit der Kolon­ialismus und die Shoah als Fehler, die das Scheitern der europäischen Aufklärung signalisieren, wahrgenommen werden können oder ob beide Ereignisse eher als Teil des Projekts der Modern[e] zu verstehen sind.‘“[3]

Dieses Zitat im Zitat ist von Achille Mbembe aus seinem Band „Kritik der Schwarzen Vernunft“.[4] Diese Kritik an der Moderne kommt über 70 Jahre zu spät, die Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor W. Ad­or­no von 1944/47 hat dieses Verhältnis von Aufklärung und Regression, Moderne und Nationalsozialismus analysiert, wie ich in Kapitel 2 zeige, wo ich auch versuche, die Grenzen dieser Analyse angesichts der Forschung von Daniel J. Goldhagen herauszuarbeiten. Vor allem aber wird in dem Zitat suggeriert, der Antisemitismus habe Elemente, die „im kolonialen Denken wurzeln“. Dieser Hypothese gilt es auf den Grund zu gehen, denn sie scheint der Kern vieler postkolonialer Theoretiker*innen zu sein. Namentlich für Achille Mbembe scheint sie, so Nausner, zentral zu sein. Für Nausner ist Mbembe

so etwas wie ein afrikanisches Pe[n]dant zum europäischen Henning Mankell, der kürzlich verstorben ist und viele Jahre lang den Sommer in Schweden und den Winter in Mosambik verbracht hat[5] –,

wenn Mankell nicht gerade auf dem antiisraelischen Terrorschiff Mavi Marmara auf dem Mittelmeer schipperte, sollte man hinzufügen.[6] Es geht Naus­ner um die „Hybridität der Kulturen“.[7]

Für was steht Mbembe? In seinem Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ analysiert und kritisiert der kameruner Politologe Achille Mbembe die Gewalt des Kolonialismus und des Rassismus. Zu Recht attackiert er sowohl den Islam wie das Christentum und den Kolonialismus als universalistische Ideo­logien, die Afrika unter sich aufteilt­en, auch wenn das Wort „Ideologie“ kaum auftaucht und er eine französisch-post­struk­tur­a­list­ische Sprache in An­lehn­ung an Fou­cault, Deleuze, Guattari, Leiris u.a. benutzt. Die Ge­walt­för­mig­keit des „Neger“-Daseins, Mbembe verwendet absichtlich das Nomen „Neger“, wird plastisch und bedrückend dargestellt. Es ist nur so, dass Mbe­m­be im Rassismus und Kolonialismus die einzige und die Welt beherrschende Ide­o­logie sieht.

Die rassistische Unterwerfung über Jahr­hun­derte von Schwarzen oder people of colour sei das Muster für jede Form der Unterdrückung. Im heut­igen digitalen Fingerabdruck- und Augen-Iris-Speich­er­feti­schismus sieht er ein rassistisches Moment (z. B. das Suchen von Ge­flüchteten) und nicht etwa ein faschistoid-technisches Element von Herr­schaft. Das wird alles zusammen mit einer arg altmodischen Form von Kapi­ta­lis­muskritik vermischt.

Für die Antisemitismusforschung gilt es, Mbembe kritisch zu lesen. Es geht um folgende Stelle in seinem Band „Kritik der schwarzen Vernunft“, die alles auf den Punkt zu bringen scheint. Er bezieht sich auf den auf der karibischen Insel Martinique geborenen Schriftsteller, Politiker und Mitbegründer der „Négritude“ Aimé Césaire (1913–2008), und schreibt:

Was der Westen Hitler nicht verzeihe, sei ‚nicht das Verbrechen an sich, das Verbrechen gegen den Menschen […], nicht die Erniedrigung des Menschen an sich, sondern das Verbrechen gegen den weißen Menschen, die Erniedrigung des weißen Menschen, und dass er, Hitler, kolonialistische Methoden auf Europa angewendet hat, denen bislang nur die Araber Algeriens, die Kulis Indiens und die Neger Afrikas ausgesetzt waren‘.[8]

Dieses Zitat steht für weite Teile der postkolonialen Forschung und indiziert einen postkolonialen Antisemitismus: Es leugnet, dass die Shoah ein nie dagewesenes Verbrechen war. Juden wurden demnach nicht als Juden, sondern als „Weiße“ ermordet.

Somit leugnet Achille Mbembe in Anschluss an Aimé Césaire, dass die Shoah ein Verbrechen gegen die Juden als Juden war. Vielmehr werden Juden als „weiße“ Opfer bezeichnet, also als koloniale Täter, die Opfer anderer kolonialer Weißer wurden. Diese Perfidie ist zentral für fast die gesamte postkoloniale Literatur. Mbembe bezieht sich – wie wir sehen werden: paradigmatisch wie sehr viele postkoloniale Autor*innen – auf Aimé Césaire.

Nach Césaire ist sogar eine Straße im Herzen von Paris benannt, direkt um die Ecke vom Louvre an der Seine gelegen: der Quai Aimé Césaire im ersten Arrondissement, der am 26. Juni 2013 eingeweiht wurde.

Das zeigt, wie Césaire und das postkoloniale Denken hier und heute in Europa Mainstream ist. Achille Mbembe steht für den postkolonialen Zeitgeist, der sich selbst als „gut“ und kritisch empfindet und gar nicht zu merken scheint oder nicht merken möchte, dass der Ansatz auf einer antisemitischen Trivialisierung der Shoah basiert.

Auch Frantz Fanon (1925–1961) ist eine zentrale Quelle Mbembes. Fanon verglich in seinem Buch Schwarze Haut, weiße Masken den Rassismus gegenüber Schwarzen mit dem Antisemitismus und erinnerte an seinen Philosophielehrer von den Antillen, der meinte, er sollte achtgeben, wenn jemand etwas gegen Juden habe, da Antisemiten unausweichlich auch Rassisten seien. Das ist wissenschaftlich problematisch und ignoriert, dass auch viele Schwarze Antisemiten sind und sein können, ohne zwingend rassistisch zu sein.

Darüber und zu den Schwierigkeiten für Juden in der postkolonialen Theoriedebatte schreibt 2016 der israelische Literaturwissenschaftler Efraim Sicher.[9] Neben seiner Analyse von Fanon geht er auf den amerikanischen Menschenrechtsaktivisten W.E.B. Du Bois (1868–1963) ein, der von einem Jahrhundert des Rassismus sprach (1850–1950) und damit offenkundig den Holocaust mit einbegriff, was falsch ist und den Holocaust in seiner Präzedenzlosigkeit negiert. Der britische Soziologe Paul Gilroy sehe ebenso „Affinitäten zwischen Schwarzen und Juden“ und stelle Vergleiche von „Kolonialismus“ mit dem „rassischen Antisemitismus“ an.[10]

Seit den 1980er Jahren hat der Postkolonialismus die Debatte über die Geschichte auf den Kopf gestellt, so Sicher.[11] Antisemitismus wird seither und bis heute in Schul- und Lehrbüchern international als ein „Modell des europäischen Rassismus“ betrachtet, der wiederum aus dem „Nationalstaat“ und „totalitärer Ideologie“ entstanden sei. Und so argumentiert die postkoloniale Ideologie, der Zionismus sei schuldig, weil er ein „exklusiver Nationalismus“ sei. Der „antizionistische Historiker Ilan Pappe nennt diese mystische Umwandlung die ‚Transsubstantiation‘ der Juden von den Kolonisierten zu den Kolonisierern“ und der Philosoph Slavoj Zizek „beschuldigt den ‚Zionismus‘ sowohl am Nazismus wie am Antisemitismus schuld zu sein“, so Efraim Sicher.[12]

Die Palästinenser seien jetzt „der Andere“, ja sie seien zum „Juden“ geworden, wie schon 1920 der Schriftsteller T.S. Eliot (1888–1965) in seinem Stück „Gerontion“ schrieb, was der postkoloniale Vordenker Homi Bhabha 1998 aufgriff.[13]

Wie Sicher analysiert, basieren weite Teile postkolonialer Theoriebildung auf der Annahme, der Holocaust habe nicht primär etwas mit der Geschichte des Antisemitismus, sondern mit dem europäischen Kolonialismus zu tun, dessen „erstes Laboratorium“ der „belgische Kongo“ gewesen sei.[14]

Das ist grundfalsch und leugnet wiederum jedwede Spezifik des Antisemitismus wie die Präzedenzlosigkeit der Shoah. Diese Stilisierung des Kolonialismus zum zentralen Konflikt der modernen Geschichte und somit der Schwarzen zu dem Objekt des europäisch-amerikanischen Kolonialismus bzw. kapitalistischen Imperialismus ist auch zentraler Teil im Werk des Autors Heiner Müller, der sich selbst zum (Zitat) „Ich bin ein Neger“ stilisierte, und somit postkoloniale Theorie fürs Theater schon vor der Mode des heutigen Postkolonialismus promotete.[15]

Im Jahr 2017 begann eine Kontroverse über die Verharmlosung des Holocaust durch die postkoloniale Theorie, wobei der Journalist Alan Posener dem Historiker Jürgen Zimmerer vorwirft, mit seiner Forschung den Holo­caust zu verharmlosen:

Der Historiker Jürgen Zimmerer stellt die Auslöschung des europäischen Judentums in die Tradition des europäischen Kolonialismus. Dadurch miss­ver­steht er den Holocaust und relativiert ihn.[16]

Der Ausgangspunkt, die Geschichte des Kolonialismus, die Posener eher positiv oder aber dialektisch sieht, wäre eine eigene Studie wert. Es geht hier um die Kritik an der Verharmlosung der Shoah durch den Postkolonialismus. In einem dann folgenden Gespräch von Posener mit Zimmerer, organisiert von der Wochenzeitung Freitag und dessen Herausgeber Jakob Augstein und dem Journalisten Michael Angele, lehnen sich die beiden Freitag-Journalisten an eine antisemitische Ideologie an und sagen:

Man kann das mit der Einzigartigkeit aber auch ganz anders sehen, oder? Die aus Jamaika stammende Kulturhistorikerin Imani Tafari-Ama kümmert sich gerade in Flensburg um die Kolonialgeschichte dieser Handelsstadt, und sie hat neulich gesagt, die Europäer müssten anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels das größte Ver­brechen in der Menschheitsgeschichte sei – größer als der Holocaust. Off­en­bar hängt der Blick auf die Geschichte auch davon ab, welchem Kulturkreis man angehört.[17]

Darauf antwortet Posener:

Es gibt keinen ‚weißen‘ oder ‚schwarzen‘, ‚jüdischen‘ oder ‚christlich­en‘ Blick auf den Holocaust; es gibt, wenn wir von Wissenschaft reden, und hier ist von einer Wissenschaftlerin die Rede, nur den wissenschaftlichen Blick auf den Holocaust. Und ‚das mit der Einzigartigkeit‘ des Holocausts kann man eben nicht ‚ganz anders sehen‘, bloß weil man aus Jamaika stammt.[18]

Die jamaikanische Kulturwissenschaftlerin Imani Tafari-Ama, von Juli 2017 bis März 2018 Fellow am Flensburger Schifffahrtsmuseum mit dem Projekt „KulturTransfer. Unser gemeinsames Kolonialerbe“, unterstützt von der Kulturstiftung des Bundes in deren Programm „Fellowship Internationales Museum“,[19] wurde in der taz Gelegenheit zur Verbreitung ihrer antijüdischen, den Holocaust als präzedenzloses Verbrechen leug­nen­den Un­ge­heu­er­lich­keit­en gegeben:

Wenn ich Deutsche nach ihrer kolonialen Schuld befrage, heißt es oft, das kollektive Gedächtnis sei eben mit dem Holocaust viel zu sehr beschäftigt gewesen. Der habe alles andere verdrängt. Das mag stimmen. Trotzdem bleibt der Genozid an den Herero und Nama in Namibia bestehen; trotzdem bleiben die Unt­er­drück­ungs­maßnahmen in Togo, in Ruanda, in Tansania, in Kamerun – oder eben auf den Jungferninseln – Verbrechen, für die jemand haften muss. Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Men­schheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.[20]

Das ist eine offenbar im Mainstream angekommene neue Form der Holo­caust­leugnung, der Softcore-Variante, wie die Historikerin Deborah Lipstadt sagen würde. Das „größte Verbrechen der Men­sch­heits­ge­schichte“ sei der transatlantische Sklaven­handel und der Kolonialismus ge­wes­en – und nicht der Holocaust. Das ist eine antisemitische Geschichtsumschreibung. Im Kolon­ia­lis­mus wurde kein Volk aus keinem an­der­en Grund, als es zu vernichten, ver­nichtet.

Es gab kein cui bono in der Shoah. Die Sinnlosigkeit war das Unaussprechbare, das Unvorstellbare, der Bruch jeglichen zivilisatorischen Ver­trauens. In der Sklaverei hingegen, so schrecklich und verabscheuenswert sie war, war das Ausbeuten lebendiger Arbeitskraft Kern des Verbrechens. Es ging um Profit und Macht. Nicht so im Holocaust, der auf einer anderen Grundlage basiert: dem Antisemitismus, der kein bloßer Rassismus ist, sondern panische Angst vor „dem“ Juden anzeigt. Die postkoloniale Agitatorin Tafari-Ama scheint sehr wohl zu wissen, was sie tut, sie möchte einen Trend setzen und Juden und Holo­caust­üb­er­leb­en­de sowie deren Nach­kom­men provozieren, indem sie den Sklavenhandel als das größte Ver­brechen der Geschichte der Menschheit herbeifantasiert. Sie tri­vi­a­li­siert den Holocaust und die taz scheint das zu billigen, denn sie publizierte diesen Text ohne kritischen Kommentar. Doch Tafari-Ama fühlt sich wohl irgendwie als links und gut. Als Schwarze wähnt sie sich jenseits der Kritik.

Die Zeitschrift Peripherie („Politik Ökonomie Kultur“) teilt diese Form des postkolonialen Antisemitismus. In der Ausgabe 146/147 von August 2017 schreiben Aram Ziai und Daniel Bendix:

Ein entsprechendes ‚Pro und Kontra Kolonialismus‘-Tabu gilt in der heutigen BRD nicht. Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Des­wegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völkermord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivi­li­sat­ions­bruch‘ wahr­ge­nom­men (Diner 1996).“[21]

Wiederum wird hier Aimé Césaire bemüht und mit seinem oben angeführten skandalösen Ideologem zitiert. Juden als „weiße“ Opfer zu bezeichnen und damit den eliminatorischen Anti­semi­tismus rassismustheoretisch zu neg­ieren, ist unglaublich. Sie leugnen mehrfach das Nie-Dagewesene der Ver­nicht­ung eines ganzen Volkes, der Juden. Sie sind keine Au­sch­witz­leugner, sondern leugnen, dass es so etwas wie die Shoah nie zuvor gegeben hat.

Sie wollen den Begriff „Zivi­li­sat­ions­bruch“ vor­ver­legen und damit negieren, dass es vor Auschwitz, Sobibor, Treblinka, Belzec, Majdanek und Kulmhof niemals in der Ge­schichte der Menschheit Fabriken zur Ver­nicht­ung von Menschen gab. Sie stellen also in Abrede, dass die Juden als Volk ausgerottet werden sollten, was es nie zuvor in der Weltgeschichte gab. Es ging um die Vernichtung eines Volkes aus keinem anderen Grund, als dem, dem Volk der Juden anzugehören. Nichts dergleichen ist jemals im Kolonialismus oder einer anderen Zeit auf der Welt passiert.

Aram Ziai ist hingegen auch Herausgeber eines Buches über Postkoloniale Poli­tikwissenschaft (2016).[22] Seine Obsession, Auschwitz mit dem Kolonia­lis­mus kurzzuschließen und somit in seiner Präzedenzlosigkeit zu leugnen, zeigt sich auch hier, gleich auf Seite zwei seiner Einleitung:

Auschwitz, Wannsee-Konferenz, Vernichtungskrieg im Osten, Nürnberger Rassegesetze – das sind alles Begriffe, die wir aus dem Geschichtsunterricht kennen. Aber dass auf der Berliner Afrika-Konferenz 1884 Bismarck und andere Europäer den ganzen Kontinent unter sich aufteilten – wer weiß das schon?[23]

Schließlich trivialisiert Ziai Auschwitz und Sobibor und die Shoah ein weiteres Mal, wenn er schreibt, dass Gier und Raub Zweck der Aktion gewesen sein könnten:

Die Diskussion über die Singularität des Holocaust kann hier nur angerissen werden. Über die Singularität jedes historischen Ereignisses hinaus ist aus der Perspektive einer vergleichen Genozidforschung festzuhalten, dass der Holocaust hinsichtlich der Bürokratisierung und Industrialisierung des Massenmordes tatsächlich historisch einzigartig ist (Chalk/Jonassohn 1990). Hinsichtlich der Brutalität seiner Praktiken kann dies erschreckenderweise nicht be­haupt­et werden. Auch die (vom Verfasser früher selbst vertretene) These, dass die Vernichtung der Juden durch die Nazis im Unterschied zu anderen Genoziden nicht Mittel zum Zweck, sondern Zweck an sich war, muss angesichts der Forschungen zum mit Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung verbundenen Raub (z. B. Aly 2005) als umstritten gelten.[24]

„Umstritten“ ist die Analyse der Sinn- und Zwecklosigkeit des Holocaust nur unter Verharmlosern der Shoah. Das obige Zitat ist undurchdacht und konzediert lediglich aus taktischen Gründen, wie es scheint, dass die „Industrialisierung des Massenmordes tatsächlich historisch einzigartig ist“ – was aber gleich wieder dementiert wird, indem der Autor die Sinnlosigkeit der Vernichtung der Juden in Frage stellt und ökonomische Vorteilnahme vermutet, wie bei unzähligen Verbrechen in der Geschichte der Menschheit.

Die beiden postkolonialen Agitatoren der Peripherie, Ziai und Bendix, sind repräsentative Vertreter des heutigen Post­kolo­n­ialis­mus.[25] Noch einmal: Die beiden Autoren negieren, dass es die geplante und durchgeführte Vernichtung eines Volkes ohne jedweden militärischen oder ökonomischen Aspekt niemals zuvor gab:

Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Des­wegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völk­er­mord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivi­li­sat­ions­bruch‘ wahr­ge­nom­men.[26]

Sie behaupten damit, dass die Shoah nicht präzedenzlos war, denn es habe schon zuvor den „Zivilisationsbruch“ gegeben. Diese Leugnung der Prä­ze­denz­los­igkeit wird von der Redaktion durch­gewunken und unterstützt, also auch von dem Redaktionsmitglied Reinhart Kößler.[27] Das ist be­merk­enswert, weil er beim Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main als stellvertretender Direktor des Päd­ago­gisch­en Zentrums angestellt ist.[28]

Das Fritz Bauer Institut selbst intoniert jedoch diese Form der Holocaustverharmlosung via Komparatistik und Universalisierung, indem im Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust von 2004 mit dem Titel Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in der Einleitung ausgeführt wird:

Zurück nach Europa: Hier waren es keine Kolonialvölker, sondern Teile der eigenen Bevölkerung, die vom Hitler-Regime stigmatisiert, ausgegrenzt und schließlich ermordet wurden. Ähnlich und doch gänzlich unterschiedlich verfuhr die sowjetische Regierung mit den Bevölkerungsteilen, die ideologisch verfemt und angeblich ökonomisch überflüssig waren. Auch hier, beim so genannten ‚Hunger-Genozid‘ in Teilen der Sowjetunion, vor allem in der Ukraine, diente die gewollte Dezimierung weiter Bevölkerungsteile, wieder unter den Augen der Weltöffentlichkeit, der Durchsetzung einer Ideologie, die Menschen nicht nach ‚Rassen‘, aber nach ‚Klassen‘ einteilte.[29]

Diese Gleichsetzung von Rot und Braun trivialisiert den Nationalsozialismus auf bekannte Art und Weise, das ist die Ideologie der Rechten, aber auch vom deutschen Mainstream: Joachim Gauck, der Super-GAUck für dieses Land im Jahr 2012.

Jegliches Verständnis für das Nie-Dagewesene der Vernichtung eines Volkes, der Juden, geht hier im Orkus der Weltgeschichte unter. Die Juden seien nicht als Juden ermordet worden, sondern als „Weiße“, so die Ideologie vieler schwarzer Aktivist*innen im Zuge Aimé Césaires, wie dem eingangs zitierten Achille Mbembe oder auch der beiden Publizisten Henning Melber und Gottfried Kößler:

Der heutige namibische Premierminister Theo-Ben Gurirab hat die Weig­erung der in der Rechtsnachfolge des Deutschen Reichs stehenden Bund­es­reg­ier­ung­en, sich für das deutsche Kolonialregime, das in seinem Land von 1884 bis 1914 währte, und insbesondere für die Völkermordstrategie, mit der der land­es­weite Aufstand 1904–1907 unterdrückt wurde, auch nur zu ent­schuld­ig­en, anlässlich der Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Dur­ban An­fang September 2001 scharf kritisiert. Er stellte die Vermutung an, die­se sei nicht zuletzt darin begründet, dass die Opfer der deutschen Politik and­ers als im Zweiten Weltkrieg schwarz gewesen seien.[30]

Dieses Zitat möchte allen Ernstes Juden einen quasi privilegierten Opferstatus zusprechen. Das ist eine Art Holocaustleugnung der bemerkenswerten Art: Schwarze als Opfer von Weißen, Juden als „Weiße“ seien sozusagen nur zufällig zum Opfer gemacht worden. Das leugnet die gesamte Geschichte des „längsten Hasses“, des Antisemitismus. Jeglicher Versuch zu verstehen, was der Holocaust war, wird unterbunden, indem die typische Gewalt eines Kolonialstaates mit der nie dagewesenen Idee, ein spezifisches Volk zu vernichten, gleichgesetzt wird.

Das ist das immer wiederkehrende Muster der Verharmlosung der Shoah durch weite Teile der postkolonialen Forschungsliteratur. Wenn man sich anschaut, mit wie vielen Multiplikatoren das Fritz Bauer Institut und namentlich sein Pädagogisches Zentrum unter Kößler kooperiert – wie der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ), dem Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA), der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, der Uni Frankfurt und der Bundesregierung mit entsprechenden Förderprogrammen[31] –, zeigt sich, wie unkontrovers diese Form der Verharmlosung der Shoah heute bei Aktivist*innen gegen Antisemitismus und in Akademiker*innenkreisen durchgewunken und gefördert wird. Mehr Geld für solche Forschungszentren und Projekte, wie es seit Jahren gefordert wird, könnte kontraproduktiv sein für die Erforschung und Kritik des Antisemitismus.

Die Autoren Kößler und Melber verwenden selbst das entscheidende Wort bezüglich der deutschen Kolonialpolitik in Deutsch-Süd­west­afrika und dem Mord an den Herero und Nama ab 1904: es war eine Re­aktion der deutschen Kolonialmacht auf einen „Aufstand“. Das ist einer der alles unterscheidenden Aspekte verglichen mit dem Holocaust.

Wenn ernsthaft eine Vergleichbarkeit von einer brutalen und massenmörderischen Reaktion auf einen Aufstand mit der Vernichtung der europäischen Juden durch die Deutschen formuliert wird, wird geleugnet, dass die Juden aus dem einzigen Grund ermordet worden, dass sie Juden waren. Kein Aufstand nirgends, der die Deutschen ‚provoziert‘ hätte etc. Wir kennen das hingegen von Holocaustleugnerkreisen, die eine „Kriegserklärung“ der Juden an die Deutschen herbeifantasieren, um damit jegliche Ver­nichtungsaktion der Deutschen zu rechtfertigen und als bloße Reaktion zu diminuieren.

Auch das Projekt Freiburg postkolonial publiziert Texte Kößlers, die den gleichen Duktus haben und nicht im Ansatz verstehen, warum Kolonialismus und der Holocaust nicht miteinander verbunden sind, da koloniale Gewalt z. B. eine Re-Aktion auf Aufstände war, während die Shoah grundlos war und Rassismus kategorial verschieden ist vom Antisemitismus. Kössler bezieht sich auf Zimmerer und andere einschlägige Literatur, die für dieses analytische Versagen der postkolonialen Theorie stehen.[32]

Die antizionistische Dimension weiter Teile der postkolonialen Theorie wird in dem Band Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung (2015) von Maria do Mar Castro Varela von der Alice Salomon Hochschule Berlin und Nikita Dhawan von der Universität Innsbruck sowie dem Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies[33] deutlich.[34] Sie stellen drei der führ­enden postkolonialen Denker*innen vor: Edward Said, Gayatri Chak­ra­vorty Spiv­ak[35] und Homi Bhabha.

In ihrem Kapitel zu Said wird explizit auf seine Pro-Palä­stina-Aktivitäten eingegangen.[36] Sehr problematisch wird es, wenn sie Saids Ideologie zitieren, die arabische Seite solle den Holocaust nicht leugnen, da sie sonst schwerlich ihre eigene heutige Opferrolle betonen könne. Damit sind mit der Anerkennung der Shoah durch die Palästinenser aus Juden Täter geworden, die gegen die Palästinenser so handelten wie früher die Deutschen gegen die Juden.[37]

Der tief sitzende und in vielen Schriften Saids vorkommende Antizionismus und seine Ablehnung Israels als jüdischer Staat wird hingegen nicht erwähnt.

Zurück zur Debatte von Alan Posener mit den postkolonialen Autoren Zimmerer und Augstein et al. Es ist klar, dass einem mit antiisraelischen und antisemitischen Invektiven um sich werfenden Jakob Augstein, der nam­ent­lich 2012 das antisemitische Gedicht von Günter Grass feierte, die oben zitierte Leugnung, dass der Holo­caust das schreck­lichste Verbrechen der Geschichte der Menschheit ist, wie Tafari-Ama in der taz sagen durfte, gefällt. Also attackiert er mit seinem Kollegen Angele Alan Posener mit dieser Form des Anti­semi­tis­mus. Die Rede vom „Kultur­kreis“, so Augstein und Angele, ist schon pro­ble­mat­isch und kann das Gleiche meinen wie die Neue Rechte, die vom „Ethno­plura­lis­mus“ spricht: uni­ver­selle Werte gibt es nicht. Das scheint auch hier dahinter zu stecken.

Die Aussage von Tafari-Ama ist eine moderne Form der Holocaustleugnung, eine die nicht strafbar zu sein scheint und in der Forschung kaum je erkannt wird. Eine Softcore-Leugnung mit bestem Gewissen. Wenn der Holocaust lediglich eine Art rassistischer „Ver­schleppung“ war, dann war der Holocaust weder präze­denz­los, noch war sein Ziel, alle Juden zu ermorden, etwas Neues, Nie-Dagewesenes. Diese Auffassung ist offenkundig eine Geschichtslüge. Nie zuvor hat ein Land aus allen Teilen des Kontinents, von Paris über Athen, Berlin, Riga, Belgrad und Kiew Juden aufgespürt, deportiert und vernichtet.

Das gab es nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Sklaven wurden von Christen wie von Muslimen zu vielen Millionen qualvoll über den Atlantik oder in den Nahen Osten verschleppt – aber nicht, um sie zu ermorden, sondern um sie auszubeuten. Das ist der Unterschied ums Ganze, den postkoloniale Autor*innen, nicht sehen wollen oder können. Kein Mensch kann das Ver­brech­en der Sklaverei oder des Rassismus leugnen, wer es dennoch tut, ist rassistisch. Es ist aber ein anderes und nicht erst neuzeitliches Phänomen und in keinem Fall der Völker­mord an einem bestimmten Volk. Es war kein Völ­ker­mord, sondern brutale Ausbeutung, die häuf­ig im Tode en­dete. Kein Mass­aker der Weltgeschichte, und sie ist voll davon, hat jene Dim­en­sion wie der Holocaust.

Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit des Holocaust ist eine sehr weit verbreitete, aber nur sehr selten erkannte, geschweige denn analysierte und kritisierte Form des Post-Auschwitz-Antisemitismus. In der Forschung ist sie ein weltweiter Trend. Die Leugnung der Einzigartigkeit der Shoah ist bei Akademiker*innen wie dem Mob auf der Straße (nicht nur im Nahen Osten oder der muslimischen Welt) weit verbreitet. Ich habe dazu in meiner Studie Antisemitism: A Specific Phenomenon von 2013 ausführlich geschrieben.[38] So nennen im Jahr 2010 zwei Forscher, David Olusoga und Casper W. Erichsen ihre Studie Kaiser’s Holocaust. Sie be­haupt­en:[39]

Our understanding of what Nazism was and where its underlying ideas and philosophies came from is perhaps incomplete unless we explore what happened in Africa under Kaiser Wilhelm.[40]

Erstens ist das falsch und zweitens nicht neu. 1975 hat der Historiker Peter Schmitt-Egner eine Studie über „Kolonialismus und Faschismus“ publiziert und Antisemitismus und den Holocaust nicht als spezifische Phänomene analysiert, sondern die kapitalistische Kontinuität behauptet.[41] Wie weit verbreitet diese Form der Verharmlosung des Holocaust ist, zeigt sich an einem Text des Publizisten Henning Melber im Jahr 1992. Melber bezieht sich auf den „Staatstheoretiker Nicos Poulantzas“ und schreibt:

Sind Völkermorde und Konzentrationslager in denselben totalitären Raum eingeschrieben und Teil der Wurzeln des modernen Totalitarismus, der die Massenvernichtung zum Bestandteil eines pervertierten Zivilisations- und Kulturverständnisses erhob, gehört die Praxis der deutschen Kolonial­herr­schaft in Südwestafrika zwischen 1884 und 1915 zu den ersten Formen einer solchen Zivilisierung durch Massenvernichtung, die im deutschen Falle ihren Höhepunkt ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der kolonialen Ära im eig­enen Land erfuhr.[42]

Damit wird die Shoah nicht nur in ihrer Präzedenzlosigkeit geleugnet, vielmehr gesagt, sie sei eine Art „Zivilisierung durch Massenvernichtung“ gewesen. Sechs Millionen Juden wurden demnach ermordet, um sie oder die Länder, in denen sie lebten und wohin sie verschleppt wurden, zu „zivilisieren“. Das ist eine Art Holocaustleugnung, da sie negiert, dass der Grund der Shoah die Vernichtung der Juden war und behauptet, es wäre um eine „Zivilisierung“ gegangen. Auch der Ausdruck „im eigenen Land“ zeigt nur, dass Melber gar nicht bewusst war, dass der SS-Staat alle Juden ermorden wollte. Herausgegeben wurde das von Wolfgang Benz im ersten Jahrbuch für Antisemitismusforschung des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin.

Diese postkoloniale Position Melbers wird derzeit in der Bundesrepublik vielleicht am prominentesten von Poseners Diskussionspartner im Jahr 2017, dem Historiker Jürgen Zimmerer von der Uni Hamburg, vertreten. 2003 behauptete er in einem Artikel, die „Genozide in den Kolonien“ seien in der gleichen „Kategorie“ wie die nationalsozialistische Vernichtungspolitik.[43]

2011 kam dann eine Aufsatzsammlung Zimmerers auf den Markt, die schon im Titel die Leugnung des Nie-Dagewesenen von Auschwitz intoniert, leicht verdruckst mit einem Fragezeichen versehen: „Von Windhuk nach Au­sch­witz?“[44] Er zitiert eine bekannte Stelle von 1947 des amerikanischen Bür­ger­recht­lers W.E.B. Du Bois, der wenige Jahre nach Au­sch­witz behauptete, solche Kon­ti­nui­tätslinien von Kolo­nial­ver­brech­en hin zum Holocaust seien offenkundig und die „weiße“ Welt begehe solche Ver­brech­en schon lange:

There was no Nazi atrocity – concentration camps, wholesale maiming and murder, defilement of women or ghastly blasphemy of childhood – which Christian civilization or Europe had not long been practicing against colored folk in all parts of the world in the name of and for the defense of a Superior Race born to rule the world.[45]

Neben Hannah Arendt (1951) hat demnach[46] laut Zimmerer einer der Superstars des Postkolonialismus, Aimé Césaire, 1950 diese ungeheuerliche Passage geschrieben, die ich ja oben bei anderen postkolonialen Autoren schon zitiert habe:

(…) the humiliation of man as such, it is the crime against the white man, the humiliation of the white man, and the fact that he [Hitler] applied to Europe colonialist procedures which until then had been reserved exclusively for the Arabs, of Algeria, the colonies of India, and the blacks of Africa.[47]

Der weltweite Aufschrei – welcher eigentlich genau? – nach 1945 sei pure Heuchelei, so Césaire und seine unzähligen Epigon*innen, da die weiße kolo­n­ia­listische Welt die gleichen Verbrechen, die die Deutschen verbrochen haben, schon seit sehr langer Zeit in den Kolonien begangen habe. Es wird auch davon abstrahiert, dass in der BRD das Schweigen über die Verbrechen der Deutschen das neue „Wir“ nach 1945 ausmachte.

Die Karrieren von Bischöfen, Philosophieprofessoren oder ZDF-Mitbegründern zeigen, dass antisemitische Autoren der NS-Zeit auch nach 1945 Karriere machen konnten und der Mord an den Juden kein Problem für die bundesrepublikanische Gesellschaft darstellte. Den „Aufschrei“ hat es in Deutschland überhaupt nicht gegeben.

Der Historiker Jakob Zollmann forscht zu Deutsch-Süd­west­af­rika.[48] Entgegen Zimmerer kritisiert Zoll­mann vehement die be­haupt­eten Kon­ti­nui­täts­linien vom Kolo­nia­lis­mus hin zum Natio­nal­soz­ia­lis­mus. So sei die deutsche Herrschaft in Deut­sch-Süd­west­afrika, wie es sein­er­zeit hieß, keineswegs faschistisch ge­wes­en, sondern es habe immer wieder Wid­erstand gegen die deutsche Kolo­nial­macht gegeben. Zudem habe Afrika eine eigene Geschichte, die nicht als bloße Vorläufer-Geschichte des europ­ä­isch­en Faschismus oder des deut­sch­en Nationalsozialismus betrachtet werd­en dürfe.

Zimmerers These von der „Geburt“ des „Ostlandes“ aus dem Geist des Kolonialismus[49] weist Zollmann zurück. 2007 hatte Zollmann in einem wissenschaftlichen Beitrag für die Namibian Studies[50] die deutsche Debatte über die vorgeblichen Ver­bind­ungs­linien von Kolonialismus und Nationalsozialismus kritisiert, namentlich die Publizisten Reinhart Kößler und Henning Melber. Jene würden Hannah Arendt heranziehen, um eine „direkte Beziehung zwischen dem Sied­ler­ko­lo­nia­lismus und der Nazidiktatur“ herzustellen.[51]

Die Historikerin Birthe Kund­rus ist ebenfalls zurückhaltend mit diesen Kontinuitätslinien, wie sie Zimmerer und viele nicht-deutsche Forsch­er*innen aus dem Bereich des Post­kolonialismus be­haupt­en.[52] Sie erwähnt mehrere Autoren, die jene hist­or­ische Kontinuität eben­falls betonten, wie Aram Mattioli[53] oder Micha Brumlik.[54] Kundrus kriti­siert (wenn auch moderat) ebenfalls Kößler und Melber und deren Be­haupt­ung einer direkten Beziehung von kolonialem Rassismus und Anti­semi­tis­mus.[55]

Sie bezieht sich auf den Historiker Boris Barth, der den Mass­en­mord an Herero und Nama nicht als gezielten Genozid begreift, sondern als eine „Strafaktion“, die viel brutaler ausfiel, als geplant, und zudem als eine Re-Aktion auf einen militärischen Angriff der Kolonisierten auf den Kolonisator. Das macht das Morden nicht besser, ordnet es aber kategorial anders ein.[56] Zollmann verdeutlicht noch einmal, dass das Zurückrudern von Zimmerer, er betreibe keine Gleichsetzung von kolonialem Genozid und dem Holocaust, schon an seiner eigenen Sprache scheitert, weil die von ihm verwendete Formulierung „die Geburt des Ostlands…“ doch recht eindeutig ist:

Indeed, Jürgen Zimmerer warns against, even rejects, an equation of the Holocaust with colonial genocide (…) German colonial experience is seen by Zimmerer to have acted as a cultural (re)-source (kulturelles Reservoir) from which the National Socialists would have drawn their ideas. These rather ominously formulated ideas of Zimmerer are repeated in his piece titled Die Geburt des ‚Ostlands‘ aus dem Geist des Kolonialismus. And they do not become clearer here, as the ominous title – ‚Birth of the ‚Ostland‘ conceived by the spirit of colonialism‘, demonstrates. His title gives the impression of answering a question which has been posed by those who want to emphasize the continuities, not to say causalities, Zimmerer had just denied in his article. A birth‘ has only one reason – it is monocausal by its very nature. By choosing this title, Zimmerer has described a situation of a ‚because/therefore…‘ In his understanding the spirit of colonialism is the reason for the ‚Ostland‘ – and all that has happened there, including the extermination of the Jews. No colonialism, no ideas of Germanised Eastern Europe, no Holocaust? Zimmerer’s arguments do not convince, they confuse – not only the reader, but also the issues.[57]

Auch der Historiker Winfried Speitkamp weist das Argument, Deutsch-Süd­westafrika sei ein Vorläufer des Nationalsozialismus gewesen, zurück.[58] Er kritisiert Zimmerer und dessen Kollegen Joachim Zeller, die Her­ero und Nama nur als Opfer betrachten ohne deren Widerständigkeitohne die es jenen Massenmord gar nicht gegeben hätte – entsprechend zu würdigen.

Es ging um Macht und Herrschaft und ein cui bono. All das fehlt vollkommen beim Holocaust. Der Holocaust wollte die euro­pä­ischen Juden vernichten. Alle Juden. Und das sogar entgegen der mili­tär­isch­en Logik. Den Zweiten Welt­krieg verloren die Deutschen, den Holocaust haben sie bis zum letzten Tag durchgeführt auf den Todesmärschen.

Der Historiker Dan Diner hat 1988 den Band Zivilisationsbruch[59] herausgegeben und ist mit seinem Band Gegenläufige Gedächtnisse von 2007 ein Kritiker der Analogie von Kolonialgewalt und Holocaust.[60] Diner sagt über die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust:[61]

Die Kolonialmacht will ‚pazifieren‘, nicht vernichten.

Weiter:

Wie nahe kommen sich genozidale Kolonialkriege und Holocaust? Bei aller Absolutheit der kolonialen Gewalt – und dies im Unterschied zum kon­ven­tio­nellen Krieg zwischen sich als Gleiche anerkennenden Gegnern – steht der Holocaust als eine bloße Vernichtung jenseits von Krieg, Konflikt und Geg­ner­schaft. Weder gilt es durch Gewalt einen Willen zu brechen noch etwas zu er­zwingen. Der Vernichtungstod ist ein im Kern grundloser Tod.[62]

Es geht um eine grundfalsche linke Ideologisierung der deutschen Tat, die als faschistische Barbarei mit dem falschen Namen verbucht wurde und wird. Ja der Kampf gegen den Faschismus wurde im geschichtspolitischen, mehr noch eschatologischen Fortschrittsdenken nur als fürchterlichste Unterbrechung verstanden. Nach Diner führte das unter anderem dazu, dass viele französischen Opfer der Deutschen, die in KZs interniert und gefoltert wurden, Auschwitz nicht zur Kenntnis nahmen, es nicht konnten:

Die Emblematik der Tortur verdeckt die der Extermination. Dabei vermag gerade die Folter die Differenz zwischen Opferschaft aus Gründen einer politischen Entscheidung einerseits und der Vernichtung allein aus Gründen der Herkunft wegen andererseits anzeigen. So setzt die Folter einen zu brech­en­den politischen Willen voraus. Darin kommt – paradoxerweise – An­er­kenn­ung zur Geltung. Und so wie die Anwendung der Tortur den politisch han­deln­den Menschen voraussetzt, zahlt dieser den Preis der Pein und des Schmerzes in einem Kampf um den Erhalt seiner Würde. (…) Anders jene, die zur Ver­nicht­ung ausersehen waren – weder handelten sie dem Willen der Besatzer zuwider noch fielen sie ihrer Gesinnung wegen auf. Allein ihrer immer auch fiktiven Zugehörigkeit wegen, also ganz ohne Ansehen der Person, waren sie grundlos zur Ausrottung bestimmt. (…) Auch dass die Geschichte von Résistance und Deportation nicht zuletzt von jenen kanonisiert wurde, die im Ausgang des Weltkrieges eine Niederlage des Faschismus und den Sieg einer zukunftsfrohen Verheißung zu erkennen glaubten, trägt dazu bei. Das gilt auch für Jean Améry. In seinen Reflexionen stellt er die Tortur heraus, der er als belgischer Widerständler ausgesetzt war. Die an seine jüdische Herkunft gebundene Erfahrung von Auschwitz tritt dabei eher zurück. Im Anfang war der Widerstand. Das mit dem Ortsnamen Auschwitz verbundene Geschehen schuf sich erst später die ihm angemessenen Bilder und Begriffe.[63]

Schließlich weist Diner auf jene Menschenrechtsaktivist*innen und universalistischen Autor*innen hin, die in all ihrem Tun anthropologisieren und nicht unterscheiden, sie vergleichen und setzen gleich, um ja nicht das Unaussprechliche der Shoah in den Blick zu nehmen, sie „verfehlen“ somit „die Fundamente historischer Urteilskraft“.[64]

Wie gezeigt, ist der Postkolonialismus ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung und Propagierung von Antisemitismus. Die Gerda-Henkel-Stiftung sollte sich überlegen, ob es sinnvoll ist, Achille Mbembe, dessen Werk so zentral auf Aimé Césaires Trivialisierung des Holocaust, der Umschreibung der Geschichte, der Leugnung des Antisemitismus und der Stilisierung der Juden zu „weißen“ Opfern von anderen Weißen aufbaut, ein würdiger und angemessener Preisträger 2018 ist.

Nolte und seine Enkel

Der wohl bekannteste Vordenker der NS-Verharmlosung und der Trivialisierung von Auschwitz war der Historiker Ernst Nolte. Der Journalist Alan Posener hat dessen Funktion für die postkoloniale Holocaust-Trivialisierung analysiert. Dabei kritisiert Posener den Afrikahistoriker Jürgen Zimmerer, dessen Forschung ich oben zerpflückt habe. Posener schreibt:

„Weder die Klassenvernichtung durch die Bolschewiki 1918 ff. noch die Rassenvernichtung durch die deutschen Kolonisatoren ein Jahrzehnt davor stehen in einem ursächlichen Zusammenhang zum Völkermord an den Juden. Beide Verbrechen, die der russischen Revolutionäre und die der deutschen Konterrevolutionäre, richteten sich gegen Teile einer Bevölkerung, die sich aktiv und passiv ihren Zielen widersetzte: Die Herero und Nama hatten einen Aufstand gegen die neuen Herren ihres Landes gewagt, die neuen Herren Russlands hatten sich auch erst in einem blutigen Bürgerkrieg durchgesetzt, als Sinowjew davon träumte, den Gegnern den finalen Garaus zu machen.

Die Juden hingegen hatten den Deutschen gar nichts getan. Im Gegenteil.

Die Deutschen, die 1941 nach Osten zogen, sahen sich auch als Kolonisatoren. Ich fragte mich, ob ihnen dies erlaubte, sich über das Verbrecherische ihres Tuns hinwegzutäuschen.

So Zimmerer. Gerade so, als ob „Kolonisator“ sein einem erlaube, Verbrechen zu begehen. In Berlin war das Entsetzen über das Wüten der Truppe in Namibia groß. Aber davon abgesehen: Weder im „Generalplan Ost“, der Blaupause für die Kolonisierung, noch im Protokoll der Wannsee-Konferenz, noch in irgendeiner Notiz eines Nazigrößen oder einfachen Mörders findet sich irgendein Hinweis darauf, dass die Juden so betrachtet wurden, wie es die Kolonialtruppe vierzig Jahre zuvor die Herero betrachtet hatten. Und es war ja auch nicht so, dass die Juden nur im kolonisierten Osten „ausgerottet“ wurden. Im ganzen besetzten Europa – und in verbündeten Ländern wie etwa Vichy-Frankreich, Ungarn oder Italien – wurden sie aufgespürt und ermordet.

Tatsächlich hat selbst Ernst Noltes These vom „kausalen Nexus“ zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus mehr für sich, da die Nazis ausweislich ihrer eigenen Propaganda den Kommunismus und den Kapitalismus als zwei Varianten der „jüdischen Weltherrschaft“ ansahen, gegen die sie einen „nationalen Befreiungskampf“ führten. (Antisemiten „wehren“ sich immer, in Deutschland heute etwa gegen die „Auschwitzkeule“, die gemeinerweise von den Juden gegen sie geschwungen wird, oder in Ungarn gegen George Soros und seine „Rassenvermischungspläne“. Es ist geradezu ein Symptom des Phänomens. Es geht ihnen nicht um Unterwerfung der Juden, sondern darum, wie Hitler schrieb, sich „des Juden zu erwehren“.)“

Leopoldina

Wolfgang Eckart ist Mitglied der Leopoldina und hat auch hagiographische Schriften zu deren Geschichte verfasst. Anstatt sich nun kritisch mit der antidemokratischen, unwissenschaftlichen Politik der Leopoldina und ihrer Aufforderung, die für die Gesellschaft mörderischen Lockdowns fortzuführen, zu befassen, bevorzugt es Eckart offenkundig, lieber Kontinuitätslinien vom Kolonialzeitalter und Robert Koch hin zu Sobibor und dem NS zu ziehen. Damit schweigt er zur  heutigen antidemokratischen Politik und verharmlost den Nationalsozialismus.

Jenseits von DLF und Corodok:

Nie wieder Deutschland

All das zeigt, warum die Parole „Nie wieder Deutschland“ so relevant ist. Es sind gerade jene vor Arroganz, moralischer Überheblichkeit und Unwissenschaftlichkeit triefenden Personen, Blogs und Institutionen, die wahlweise die Coronapolitik loben oder kritisieren, aber jeweils den Holocaust in seiner Präzedenzlosigkeit leugnen.

Marlene Dietrich, Deutschland? Nie wieder, Screenshot, https://www.disorder-berlin.de/home/255-deutschland-nie-wieder-plakat.html

Wenn stimmen würde, was der Deutschlandfunk schreibt: „Deutsche Ärzte erproben an Afrikanern, was sie später an Juden perfektionieren“, dann war Auschwitz nicht präzedenzlos. Das ist aber eine Lüge. Eine soft-core Holocaustleugnung ist das, soft-core in Anlehnung an die Historikerin Deborah Lipstadt, die diesen Begriff vor Jahren einführte, um der neonazistischen hard-core Holocaustleugnung den wissenschaftlichen Begriff „soft-core Leugnung“, der auf die Verharmlosung des Holocaust zielt, zur Seite zu stellen.

Die Kritik an der antidemokratischen, irrationalen, unwissenschaftlichen, nicht evidenzbasierten Coronapolitik von Merkel, Spahn, Scholz, Klabauterbach & Co. wird links und antideutsch sein, oder sie wird nicht sein.

Wer jedoch lieber die Präzedenzlosigkeit des Holocaust in Zweifel und eine sekundär-antisemitische Reaktionsweise der wissenschaftlichen und rationalen Analyse vorziehen möchte, ist beim Deutschlandfunk (DLF) oder bei Corodok genau richtig.

 

 

[1] „Gerda Henkel Preis geht an Achille Mbembe“, 11.06.2018, https://www.tages
spiegel.de/kultur/kamerunischer-historiker-gerda-henkel-preis-geht-an-achille-mbembe/22670750.html (11.06.2018): „Die mit 100 000 Euro dotierte Auszeichnung wird Mbembe am 8. Oktober in Düsseldorf verliehen. Der Wissenschaftler wurde dieses Jahr auch mit dem Ernst-Bloch-Preis der Stadt Ludwigshafen und 2015 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet.“

[2] https://www.th-reutlingen.de/de/hochschule/lehrende/prof-dr-nausner.ht
ml (11.06.2018).

[3] Michael Nausner (2018): Ambivalenzen der Partizipation. Theologische Reflexionen zur Teilhabe unter postkolonialen Bedingungen, in: Andreas Nehring/Simon Wiesgickl (Hg.), Postkoloniale Theologien II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, S. 38–52, hier S. 43. Edward Said ist auch hier, wie wirklich in fast jedem Beitrag postkolonialer Theoriebildung, der Star schlechthin, vgl. ebd., S. 42, Anm. 19.

[4] Achille Mbembe (2014): Kritik der Schwarzen Vernunft. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, Berlin: Suhrkamp.

[5] Nausner 2018, S. 45

[6] Die Neue Zürcher Zeitung hat die antizionistische Ideologie von Mankell pointiert kommentiert: „Immer weiter treibt Mankell die Anklagen, die, frivol im Vergleich und infam in ihren Nazi-Allusionen, zuletzt in Zerstörungsphantasien münden. Die Israeli würden ‚Leben vernichten‘, so Mankell, und für den Staat Israel in seiner jetzigen Form gebe es keine Zukunft: ‚Der Untergang dieses verächtlichen Apartheidsystems ist das einzig denkbare Resultat, da er notwendig ist. Die Frage lautet also nicht, ob, sondern wann es geschieht.‘ Selbst eine Zwei-Staaten-Lösung würde die ‚historische Besatzung‘ nicht rückgängig machen, denn Mankell sieht ‚keinerlei Gründe dafür, dass [die israelische Staatsgründung] eine völkerrechtlich legitime Handlung war‘. Wenn aber die grosse ‚südafrikanische Lösung‘ dereinst Realität sein wird (sprich die freiwillige oder zwangsweise ‚Abwicklung‘ Israels), ‚wird es vom einzelnen Israeli abhängen, ob er oder sie bereit ist, auf seine Privilegien zu verzichten und in einem palästinensischen Staat zu leben‘. Was insofern kein Problem darstellt, als Mankell auf seiner Reise durch die palästinensischen Gebiete keinerlei Antisemitismus festgestellt hat, sondern lediglich ‚normalen Hass auf die Besatzer‘…“, Andreas Breitenstein (2010): Ein blinder Passagier, Neue Zürcher Zeitung, 09.06.2010, https://www.nzz.ch/ein_blinder_passagier-1.5999804 (11.06.2018).

[7] Nausner 2018, S. 45.

[8] Ebd., S. 290, Anm. 9. Es ist auch typisch, dass Mbembe gleich zu Beginn seiner Studie en passant, aber offenbar gezielt, in einer Fußnote Israel als Beispiel für „imperiale Praktiken“ mit einem Literaturhinweis kritisiert. Man kann Israel wie auch Neuseeland oder Frankreich oder andere westliche Demokratien kritisieren, aber es tendiert zum Ressentiment, wenn ein Autor nur ein einziges Mal auf den Judenstaat zu sprechen kommt, und das rein diffamatorisch, weder analytisch noch den Staat bejahend, aber gewissen Politiken – wie in anderen Demokratien – kritisierend, hier: die Besatzung des Westjordanlandes. In der Fußnote werden als heutige Beispiele für „imperiale Praktiken“ vor allem die USA und Israel kritisiert, Mbembe 2014, S. 18, Anm. 19.

[9] Efraim Sicher (2016): The Postcolonial Jew: Racialization, Delegitimization, Ambiguity, in: Robert S. Wistrich (Hg.), Anti-Judaism, Antisemitism, and Delegitimizing Israel, Lincoln und London: University of Nebraska Press (The Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism, Hebräische Universität Jerusalem), S. 79–91.

[10] Ebd., S. 81. Übersetzung dieses und der folgenden Zitate von CH.

[11] Ebd., S. 82.

[12] Ebd.

[13] Ebd., S. 84.

[14] Ebd., S. 87.

[15] Zur Kritik an Müller siehe die Doktorarbeit von Richard Herzinger (1992): Masken der Lebensrevolution. Vitalistische Zivilisations- und Humanismuskritik in Texten Heiner Müllers, München: Wilhelm Fink Verlag, S. 202–221, hier S. 221.

[16] Alan Posener (2017): Jürgen Zimmerer relativiert den Holocaust, 24.07.2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/07/24/juergen-zimmerer-relativiert-den-holocaust/ (10.06.2018).

[17] Jakob Augstein/Michael Angele (2017): Vor Auschwitz. War der Genozid an den Herero und Nama eine Blaupause für den Holocaust? Ein Streitgespräch über Rassismus und Antisemitismus, Der Freitag 34/2017, online 08.10.2017, https://
www.freitag.de/autoren/der-freitag/vor-auschwitz (03.05.2018).

[18] Alan Posener (2017a): Ernst Nolte, Jürgen Zimmerer, Jakob Augstein: Relativierer des Holocausts, 24.10.2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/10/
24/ernst-nolte-juergen-zimmerer-jakob-augstein-relativierer-des-holocausts/ (03.05.2018).

[19] https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/programme/fellowship_i
nternationales_museum/kultur_transfer.html (23.07.2018).

[20] David Joram (2018): „Koloniale Amnesie geht nicht“, 11.06.2017, http://www.
taz.de/!5416099/ (30.04.2018).

[21] Aram Ziai/Daniel Bendix (2017): Rassismus global und in Deutschland. Fünf Thesen, in: Peripherie, 37. Jg., 2017, Nr. 146/147, S. 319–325, hier S. 325.

[22] Aram Ziai (Hg.) (2016): Postkoloniale Politikwissenschaft. Theoretische und Empirische Zugänge, Bielefeld: transcript Verlag.

[23] Aram Ziai (2016a): Einleitung: Unsere Farm in Zhengistan. Zur Notwendigkeit postkolonialer Perspektiven in der Politikwissenschaft, in: Ders. (Hg.) (2016), S. 11–24, hier S. 12.

[24] Ebd., S. 16, Anm. 4.

[25] „Daniel Bendix, Dr., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien der Universität Kassel und Junior Fellow am Kolleg Postwachstumsgesellschaften der Universität Jena. Ferner ist er Mitglied von glokal e.V., einem Berliner Verein für machtkritische, postkoloniale Bildungsarbeit“; Aram Ziai, Dr., ist Heisenberg-Professor für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien an der Universität Kassel. Er ist im Vorstand der Sektion Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Mitglied der Bundeskoordination Internationalismus und aktiv bei kassel-postkolonial.de“, Peripherie, 37. Jg., 2017, Nr. 146/147, S. 375 (ohne Paginierung).

[26] Ziai/Bendix 2017, S. 325.

[27] Kößler sitzt ohnehin in der Redaktion, zudem saß er für diese Nummer in der „Schwerpunktredaktion für dieses Heft“.

[28] https://www.fritz-bauer-institut.de/mitarbeiter-paedagogik.html (12.06.2018).

[29] Fritz Bauer Institut (Hg.) (2004): Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben im Auftrag des Fritz Bauer Instituts von Irmtrud Wojak und Susanne Meinl, Frankfurt/New York: Campus; Irmtrud Wojak/Susanne Meinl (2004): Einleitung, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 7–18, hier S. 9.

[30] Reinhart Kößler/Henning Melber (2004): Völkermord und Gedenken. Der Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 37–76, hier S. 40. Auch 2015 bezieht sich Kößler weiterhin auf dieses antisemitische Zitat, dass der Holocaust primär deswegen vom Westen erinnert werden würde, weil die Opfer „Weiße“ gewesen seien, Reinhart Kössler (2015): Namibia and Germany: Negotiating the Past, Windhoek: University of Namibia Press, S. 80.

[31] So z. B. in der Tagungsreihe „Blickwinkel“ von 2011–2018: „‚Blickwinkel. Anti­semitismuskritisches Forum für Bildung und Wissenschaft‘ ist ein Projekt der Bildungsstätte Anne Frank (Frankfurt/ Main) in Kooperation mit dem Pädagogischen Zentrum des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘ (Berlin) und des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin“, https://www.stiftung-evz.de/fileadmin/
user_upload/EVZ_Uploads/Handlungsfelder/Handeln_fuer_Menschenrechte/Anti
semitismus_und_Antiziganismus/Blickwinkel_2018.pdf (06.05.2018). Die Ankündigung zur Tagung im Juni 2018 zeigt die analytische Hilflosigkeit dieses Projekts, das Antisemitismus nur als „Vorurteil“ unter anderen zu fassen vermag: „Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit – Migrationsgesellschaft, Konkurrenzen, Bild­un­gs­­strategien: Diese Stich­wor­te prägen zunehmend die gesellschaftliche, wissenschaftliche und pädagogische Auseinandersetzung mit Vorurteilen und mit aus­grenz­enden Denk- und Deutungsmustern. Vielfach schwankt die Diskussion zwi­sch­en Eifer und Orientierungslosigkeit, zwischen eindeutigen Positionen und Diff­erenziertheit“, ebd.

[32] Reinhart Kössler (2007): Genocide, Apology and Reparation – the linkage between images of the past in Namibia and Germany, Juli 2007, http://www.
freiburg-postkolonial.de/Seiten/Koessler-Linkages-2007.pdf (10.05.2018).

[33] https://www.frcps.uni-frankfurt.de/?page_id=200 (05.05.2018).

[34] Maria do Mar Castro Varela/Nikita Dhawan (2015): Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. 2., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage, Bielefeld: transcript Verlag.

[35] Spivak hat sich mehrfach für die antisemitische BDS-Bewegung ausgesprochen, z. B. im Januar 2017 angesichts einer Debatte innerhalb der Modern Language Association in USA, die über BDS abstimmte, siehe dieses Video mit ihr https://
vimeo.com/195907261#t=91s (05.05.2018); 2014 unterstützte sie mit Judith Butler und vielen anderen antiisraelischen Aktivist*innen einen BDS-Boykottaufruf, http://hyperallergic.com/wp-content/uploads/2014/06/BDS-Open-Letter-final.
pdf (05.05.2018).

[36] Castro Varela/Dhawan 2015, S. 140–150.

[37] Ebd., S. 144: „Für Said ist sowohl der unhinterfragte Zionismus als auch die Weigerung innerhalb der arabischen Welt, den Holocaust anzuerkennen, zu kritisieren. Wie bereits erwähnt, war eine der Reaktionen auf Saids Kritik [am Osloer Friedensabkommen von 1993, CH] Zensur, die von Zionisten als auch von arabischen Nationalisten gleichermaßen gefordert wurde.“

[38] Zur postkolonialen Ideologie „Von Windhuk bis Auschwitz“ siehe Heni 2013, S. 132–150; zur Einzigartigkeit des Holocaust ebd., S. 231–283; zur Universalisierung des Holocaust ebd., S. 301–383.

[39] David Olusoga/Casper W. Erichsen (2010): The Kaiser’s Holocaust. Germany’s Forgotten Genocide and the Colonial Roots of Nazism, London: faber & faber. Den Hinweis auf diese Studie verdanke ich Jakob Zollmann. Herzlichen Dank, Jakob.

[40] Olusoga/Erichsen 2010, S. 13.

[41] Peter Schmitt-Egner (1975): Kolonialismus und Faschismus. Eine Studie zur historischen und begrifflichen Genesis faschistischer Bewußtseinsformen am deutschen Beispiel, Giessen/Lollar: Verlag Andreas Achenbach.

[42] Henning Melber (1992): Kontinuitäten totaler Herrschaft: Völkermord und Apartheid in ‚Deutsch-Südwestafrika.‘ Zur kolonialen Herrschaftspraxis im Deutschen Kaiserreich, in: Wolfgang Benz (Hg.), Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1, Frankfurt/New York: Campus, S. 91–116, hier S. 91.

[43] Jürgen Zimmerer (2003): Holocaust und Kolonialismus. Beitrag zu einer Archäologie des genozidalen Gedankens, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 51, Nr. 12, S. 1098–1119, hier S. 1118.

[44] Jürgen Zimmerer (2011): Von Windhuk nach Auschwitz? Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust, Münster: Lit.

[45] Zitiert nach Zimmerer 2011, S. 16. Er bezieht sich auf einen Artikel von Robin Kelly (1999): „Poetics of Anticolonialism“ im Journal Monthly Review.

[46] Zimmerer 2011, S. 16.

[47] Aimé Césaire (1950): Discours sur le colonialisme, zitiert in Zimmerer 2011, S. 15. Zimmerer zitiert nach Andrew Zimmerman, Anthropology and Antihumanism in Imperial Germany, Chicago 2001, S. 246.

[48] Jakob Zollmann (2010): Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.

[49] Zimmerer 2011, S. 254–289.

[50] Jakob Zollmann (2007): Polemics and other arguments – a German debate rev­ie­wed, in: Journal of Namibian Studies, Jg. 1, Nr. 1, S. 109–130, hier S. 110.

[51] Ebd., S. 110.

[52] Birthe Kundrus (2010): Kolonialismus. Imperialismus. Nationalsozialismus? Chancen und Grenzen eines neuen Paradigmas, in: Claudia Kraft/Alf Lüdtke/Jür­g­en Martschukat (Hg.), Kolonialgeschichte. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, Frankfurt/New York: Campus, S. 187–210; Birthe Kundrus (2006): Kontinuitäten, Parallelen, Rezeptionen. Überlegungen zur ‚Kolonisierung‘ des Nationalsozialismus, in: WerkstattGeschichte, Jg. 15, Nr. 43, S. 45–62.

[53] Kundrus 2006, S. 47.

[54] Ebd.

[55] Ebd.

[56] Ebd., S. 49.

[57] Zollmann 2007, S. 118. Der Grund für die postkoloniale Szene, den Mord an Herero und Nama als gewollten Genozid zu betrachten, ist auch ökonomischer Natur, wie Zollmann festhält, ebd., S. 116: „In 2001 former Namibian Minister of Foreign Affairs, Theo Ben-Gunrab, called his German counterpart Joschka Fischer, a racist because German exculpations of guilt had only been addressed to ‚Whites‘. German refusals to pay reparations, on the grounds that the Holocaust/Shoah was particularly singular and cannot be compared with instances of colonial genocide, are thought to be racist by Herero Paramount Chief Riruako because compensation was only given to ‚Jews‘, that is ‚Whites‘. These rather questionable allegations have been taken up on the German side quite vindictively. (…) Yet, the result of this argument is the collapse, on the most basic materialist level, of a distinction between Holocaust and colonial genocide.“

[58] Winfried Speitkamp (2006): Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart: Reclam, S. 186.

[59] Diner (Hg.) 1988.

[60] Dan Diner (2007): Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

[61] Über Diners Kritik am Zionismus angesichts des Nationalsozialismus und von Auschwitz (siehe z. B. ebd., S. 24 f.) wäre an anderer Stelle zu schreiben; zu seiner bis heute skandalösen, publizierten Habilitationsschrift von 1980, wo er forderte, Israel solle den „Abbau“ seiner „zionistischen Struktur“ betreiben und binational werden, wie auch über seine heutige Unterstützung von Israel attackierenden, der binationalen Ideologie anhängenden Forscher*innen, vgl. Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin: Edition Critic, S. 70–75.

[62] Diner 2007, S. 81.

[63] Ebd., S. 79 f.

[64] Ebd., S. 108.

 

Masken raus und Nazis raus – Aber die Linken unterstützen lieber den Tod in den Nicht-Industrieländern. Der Fall Regensburg

Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. November 2020

 

Anstatt sich seriös und wissenschaftlich, ja politisch mit der Corona-Krise zu befassen, gibt es eine Hetze in diesem Land, die es seit 1945 nicht mehr gab.

Dagegen war der deutsche Herbst 1977 nur ein laues Lüftchen.

Heute hetzen sie nicht mehr gegen Kommunisten und Terroristen, sondern gegen Bürger*innen, die gegen die unsagbar irrationale Coronapolitik der Regierungen sind.

Die Weltgesundheitsorganisation betont, dass für Menschen unter 70 Jahren Corona weniger tödlich ist als die Grippe: Letalität 0,05 Prozent. Das sagt die WHO, wissenschaftlich fundiert – wer anderes behauptet, lügt und hetzt.

In people < 70 years, infection fatality rates ranged from 0.00% to 0.31% with crude and corrected medians of 0.05%.

Für ältere Menschen kann Corona gefährlicher sein als eine Grippe, aber es starben bislang im Jahr 2020 in Deutschland fast exakt diejenigen Menschen, die ohnehin gestorben wären. Woher wissen wir das? Es gibt keine Übersterblichkeit, sprich: es sind so viele Menschen gestorben, wie man 2020 statistisch erwartet hat.

Wo es aber noch mehr Tote als üblich gibt, das sind die Nicht-Industrieländer, die armen Länder der Welt. Deshalb wurde 2020 der Friedensnobelpreis an das World Food Programme der Vereinten Nationen verliehen (WFP), das viele Hunderttausende Tote befürchtet, die wegen der Coronamassenpanik weltweit sterben werden.

Seien es weggebrochene Lieferketten von Waren, ausbleibende Touristen, verschobene Impfungen (wie gegen Masern), geschlossene Schulen, die vielen Millionen Kindern die einzige nahrhafte Mahlzeit am Tag bieten, oder sei es wegen Kriegen, die noch weniger in der Weltöffentlichkeit Thema sind, während die Rüstungsexporte der westlichen Welt plus Russland und China für das Elend auf der Welt verantwortlich sind.

Die größten Heuchler jedoch sind jene „Linken“, die als Lakaien von Söder, Merkel, Scholz, Michael Müller oder Kretschmann fungieren, die schreien „Masken auf, Nazis raus“, wie aktuell in Regensburg.

Nazis raus ist richtig und Auftritte von antisemitischen, rechtsextremen, rassistischen, verschwörungsmythischen und deutsch-nationalen Agitatoren wie Thorsten Schulte, der am Samstag in Regensburg auf einer „Querdenken“-Kundgebung reden soll, sind elendig. Schulte sollte ausgeladen werden, wie alle rechten Redner*innen.

Aber die Antifa ist nicht besser – ja, realpolitisch noch schlimmer als die machtlosen Nazis und Rechten. Denn die Antifa und die selbst ernannten Linken sorgen dafür, dass der Tod in den Nicht-Industrieländern auch ohne Unterbrechung weitergeht.

Die selbst-verliebten Regensburger*innen fantasieren, dass grade im Freien das Virus sich übertrage – bar jeder wissenschaftlichen Erkenntnis. Man könnte darüber lachen, aber diese Leute unterstützen eine mörderische Coronapolitik mit ihrem Mitmachen und Selbst-Verschleiern (da lacht der Jihad!).

Der Lockdown und die Reisebeschränkungen sollen unbeschränkt weiter gelten, egal wie viele Von-der-Hand-in-den-Mund Tagelöhner*innen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene in Indien, Afrika oder auf den Philippinen elendig krepieren – und zwar explizit und laut World Food Programme wegen der präzedenzlosen Massenpanik aufgrund eines ganz normalen, nur eben neuen Art Grippevirus. Wer anderes behauptet, lügt. Corona ist gefährlich – aber nur für eine sehr kleine Gruppe von Menschen. Wer behauptet, Corona sei für die gesamte Gesellschaft ein „Killervirus“, lügt und trägt zum Tode unzähliger gesunder Menschen hierzulande und in den Nicht-Industrieländern bei.

Wer den Maskenwahn mitmacht, obwohl wir wissen, dass man ein respiratorisches Virus niemals verhindern kann, trägt zu Tod und Elend bei. Wer weiterhin der Tagesschau glaubt, dass wir z.B. 18.000 neue Corona-Fälle hätten, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank – die Zahl ist um den Faktor 10 höher! Das zeigt die Ungefährlichkeit von Corona. Warum spricht die WHO von bis zu 750 Millionen Corona-Fällen, aber das RKI nur von ca. 51 Millionen? Weil die WHO besser rechnen kann und in diesem Fall wissenschaftlicher arbeitet.

Es geht um den Schutz der Alten und Kranken. Wer weiterhin die ganze Gesellschaft mit Restaurant- und Theaterschließungen terrorisiert, rettet nicht einen Menschen, aber tötet viele Tausend hier und dort.

Nochmal, für die Ich-kann-nicht-so-gut-Lesen-Fraktion: Wenn es in Deutschland keine Übersterblichkeit gibt, dann sind auch keine Massen an Menschen gestorben, die nicht ohnehin dieses Jahr gestorben wären. Daher ja das durchschnittliche Todesalter von ca. 82 Jahren in Deutschland oder England etc. pp.

Und noch ein Wort zu diesen Witzfiguren, die sich „Antifa“ nennen und in Bayern, Berlin, Köln, Wuppertal, Hamburg oder Regensburg und Stuttgart dümmlich rumhüpfen, sich maskieren und als die moralischsten Menschen der Welt vorkommen: Ihr seid mitverantwortlich für den Tod von Menschen. Ihr seid mitverantwortlich für die fortgesetzte, extrem kapitalistisch-patriarchal-paternalistische Coronapolitik von Merkel, Johnson, Macron und allen 16 Ministerpräsident*innen hierzulande.

Ich war schon bei der Antifa, als die meisten von euch noch nicht mal geboren waren. Ich hab mehr zur Kritik am Antisemitismus (auch von „Querdenken 711“, Ken Jebsen etc. pp.) beigetragen als jeder eurer selbstverliebten Aufkleber, Transparente, Aufrufe oder Parolen – weil ich nicht den Tod von Kindern und Erwachsen im Trikont goutiere, so wie ihr das gewalttätig tut.

Im Gegensatz zu euch beziehe ich mich auf die internationalistische Parole „Hoch die internationale Solidarität!“  –  DAS war schon immer DER Slogan der linken Szene, fast so gut wie „Nie, nie, nie wieder Deutschland – wir scheißen auf das Vaterland!“

Im Gegensatz zu euch haben die drei Protagonist*innen der Great Barrington Erklärung Sunetra Gupta, Martin Kulldorff und Jay Bhattacharya das Elend in den Nicht-Industrieländern im Blick.

Im Gegensatz zu euch egoistischen Würstchen haben zumal Gupta und Bhattacharya aus England bzw. den USA ihre Vorfahren aus Indien, sie wissen, was Elend bedeutet.

Das gilt auch für Sucharit Bhakdi, der weiß, was Hunger, Elend und Tod in Thailand bedeuten.

Das alles ignoriert ihr elenden selbst ernannten Linken, die ihr das Geschäft des großen Kapitals, des Staatsfetischismus und des Patriarchats mitmacht – „husch, husch ins Körbchen, sonst gibts kein Abendbrot von Mutti und Vati versohlt euch den Hosenboden!“; „Brav seid ihr gewesen, Grüne Jugend und Antifa, jetzt könnt ihr mit Mama und Papa auch die Geschenke an Weihnachten genießen“.

Es lebe die internationale Solidarität.

Nieder mit den Nazis, der AfD, der NPD und vielen anderen ach-so-hirnlosen Verschwörungstrotteln und „Querdenkern“.

Nieder mit den heuchlerischen Linken, die den Coronawahnsinn mitmachen und sich jeder wissenschaftlichen Diskussion verweigern.

Nieder mit den heuchlerischen SPD (CSU-CDU-Linken-Grünen etc.) -Bürgermeister*innen, die Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Coronamassenpanik verbieten.

Von euch „bürgerlichen Parteien“ werden die Nazis und die AfD lernen, wie man 83 Millionen Menschen in eine ein- oder zwei- oder mehrjährige Massenpanik versetzt und sie dazu bringt, noch jedes Grundrecht auszusetzen, um „das Leben“ zu schützen.

Die Nazis, die Querfront und andere Antisemiten und Verschwörungswahnwichtel sind wie immer Demokratiefeinde und sehr gefährlich – aber noch gefährlicher sind aktuell die Antifa, die Bundesregierung und die 16 Landesregierungen, da sie hier und heute die Grundrechte einschränken bzw. abschaffen (Spahn und Söder exekutieren ihre Coronapolitik auf antidemokratische Art und Weise und die Antifa klatscht), Berufsverbote erlassen, die größte Wirtschaftskrise seit 1945 absichtlich herbeiführen und viele Tausend Menschen in den Tod treiben, hier und vor allem in den Nicht-Industrieländern.

Während die Fließbänder bei VW, Audi, Mercedes, BMW und die Verkäufe bei Lidl, Aldi und OBI den Status Quo sichern sollen, sind die Theater und Universitäten geschlossen – „systemrelevant“ sind nur der Betrieb des Kapitalismus und die Antifa.

Die wirklich widerlich ich-verliebten „Linken“ hierzulande, die im Sozialstaat alles abfedern können, die schweigen zu den elendig krepierenden Kindern und Erwachsenen in den Nicht-Industrieländern, die keinen Sozialstaat haben. Dem bürgerlichen Mainstream waren die Kollateraltoten des Kapitalismus schon immer scheißegal – aber die Linken taten so, als würde sie das jucken. Tut es nicht, die Linken nehmen die Kollateraltoten der Coronamassenpanik hin und brüllen die Kritiker*innen nieder oder werden gewalttätig.

Es lebe die Great Barrington Erklärung, die einzige solidarische Antwort auf die Coronamassenpanik der widerwärtigen kapitalistisch-patriarchalen Welt.

 

Demokratiefeinde demonstrieren in Berlin gegen die Coronapolitik

Von Dr. phil. Clemens Heni, 29. August 2020

Wer sich etwas den livestream der aktuellen Kundgebung von Querdenken 711 aus Stuttgart an der Siegessäule in Berlin anschaut, merkt, dass es dort nicht primär um die Kritik an der sehr problematischen Coronapolitik der Bundesregierung und der 16 Landesregierungen geht – sondern um die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie.

Mehrere Redner forderten ein eher plebiszitäres System, bei allen wichtigen Fragen sollen Volksentscheide her. Damit gäbe es in Deutschland von heute auf morgen die Todesstrafe und Antisemitismus würde zur Staatsreligion erhoben, um das mal überspitzt zu formulieren.

Diese Forderung nach Volksentscheiden und der Abschaffung der Bundesrepublik Deutschland durch Anselm Lenz vom „Demokratischen Widerstand“ und gleichnamiger Wochenzeitung wird ergänzt vom Vorredner Heiko Schrang, der gegen die vorgebliche Finanzherrschaft der Elite („Hochfinanz“) und die Korruption der Politik hetzt – ersteres ein ganz alter antisemitischer Topos.

Es wurde von Rednern auf der großen Bühne von Querdenken 711 am Großen Stern (Siegessäule) der Austritt aus der NATO und der EU gefordert. Der extrem rechte Agitator und antiamerikanisch-antisemitische Verschwörungsideologe Samuel Eckert, der den islamistischen Charakter des 11. September 2001 leugnet und geheime Mächte am Werke sieht, war federführend mit dabei.

Parallel dazu versuchten Hunderte Neonazis das Reichstagsgebäude zu stürmen, sie wurden glücklicherweise umgehend von der Polizei abgedrängt. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der dieselben Neonazis mit ihren schwarz-weiß-roten Reichsflaggen oder den Reichskriegsflaggen oder den antisemitischen Q-Symbol der QAnon-Bewegung und mit riesigen US-Flaggen den ganzen Tag über mit den bürgerlichen Demonstrant*innen mitlaufen konnten, ist schockierend. Auch der Agitator Jürgen Elsässer und sein rechtsextremes und antisemitisch-verschwörungsmythes Compact Magazin waren mit Q-Symbol auf einem kleinen Fähnchen mit dabei.

Eine noch viel größere schwarz-rot-goldene Deutschlandfahne und viele weitere Deutschlandfahnen erinnerten an den nationalistischen Furor von 2006 („Sommermärchen“) – also viele TeilnehmerInnen waren insofern ganz normale Deutsche, was schlimm genug ist.

Es liefen sicherlich auch viele Tausend demokratische und ernsthaft von der brutalen Coronapolitik genervte Menschen auf dieser selbst von der Polizei mit ca. 38.000 Teilnehmern bezifferten Demo mit.

Doch wie man den ganzen Tag über jedenfalls weit weg im livestream sehen konnte, wurden Nazis nicht ausgegrenzt. Sicher gab es Teilnehmer*innen, die z.B. – das konnte man sehen – mit einer Israelfahne direkt neben einer Reichsflagge (Nationalflagge des NS-Staates, schwarz-weiß-rot) standen und diese überflügeln wollten, was aber absurd wirkte. Es gab zu viele Reichsflaggen. Das sind wie gesagt nicht „nur“ sehr üble Neue Rechte oder die Querfront, sondern das sind kampferprobte Neonazis, Gewalttäter und Schläger.

Es braucht endlich eine linke und liberale Kritik an der Corona-Politik. Nie wurde das deutlicher als an diesem 29. August 2020. Und diese seriöse Kritik an der Corona-Politik, die wird kommen und sich verbreiten – damit die Demokraten wieder gemeinsam gegen Neonazis und Demokratiefeinde aktiv werden können. Heuchler jedoch sind jene Antifas (wie die geschätzte und wichtige Arbeit leistende Seite Belltower der Amadeu Antonio Stiftung, inkl. der Kollegin Simone Rafael), die sich zwar zurecht gegen Nazis heute auf der Demo stellten und darüber berichten, aber zu der unerträglichen Demokratiebeschädigung und der Gefährdung von Menschen sowie weltweiten „Kollateralschäden“ der katastrophalen und irrationalen Coronapolitik schweigen.

Die Organisatoren um Michael Ballweg aus Stuttgart haben eindeutig gezeigt, dass sie mit extremen Rechten und der Querfront kooperieren und ihnen die große Bühne boten – wie gesagt, dort wurde u.a. von Anselm Lenz das Ende der Bundesrepublik Deutschland eingefordert. Da lachen die Neonazi-Schläger am Bundestag, dass sie so eine sich revolutionär dünkende Unterstützung im Festanzug erhalten.

Post-Stalinisten, Neue Rechte und Antifeministinnen Hand in Hand gegen die linke Kritik am Coronawahnsinn

Von Dr. phil. Clemens Heni, 27. Juni 2020

Es gibt zwei unterschiedliche Richtungen und Organe, die beide so tun, als wären sie nicht Mainstream und die sinnbildlich stehen für das Bejahen des Ausnahmezustandes und des Notstandes angesichts der Coronakrise. Da ist die linke Monatszeitschrift Konkret und dort das immer wieder neu-rechte Ideologie bedienende Online-Tagebuch Achgut.

Während zum Beispiel René Zeyer auf Achgut die Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion sehr richtig darstellt und die widerwärtige Häme fast der gesamten deutschen Presselandschaft, der politischen und kulturellen Elite angesichts der großen Militärparade Putins in Moskau auf dem Roten Platz angesichts des 75. Jahrestags des Sieges über Nazi-Deutschland attackiert, ist Achgut viel häufiger offen für neu-rechte Texte und Ideologie. So feierte dort jüngst die antifeministische Starautorin Birgit Kelle das Muttersein angesichts der Coronakrise.

Kelle schreibt:

Man darf mit Spannung erwarten, wie viele der Mütter nach der Krise immer noch denken, die Fremdbetreuung bereits von Babys sei alternativlos. Die Entschleunigung dieser Zeit schafft Spielraum für neue Erfahrungen und Emotionen, die man sich vorher als Mutter eventuell selbst verboten hat. Wie viele Mütter hören bereits seit Jahren nur, was sie alles angeblich nicht können? Gerade beweisen Millionen von ihnen, dass sie zu Erstaunlichem fähig sind, wenn es sein muss. Mögen sie sich das niemals wieder ausreden lassen.

Das zwangsweise Einsperren von Kindern wird als „Entschleunigung“ bezeichnet, ein Zynismus, den Kelle mit vielen auch alternativ-links-grünen Müttern teilen mag.

Grundsätzlich frappiert das Ignorieren aller anderen Frauen(gruppen), die sich nicht devot dem patriarchalen Reproduktionsdogma gebeugt haben, der Misshandelten, der Singles, der Seniorinnen, derer, die gerade ihre Existenz verloren haben – aber die sind ja auch vernachlässigbar, leisten sie doch nicht den einzigen wirklich wertvollen Beitrag, dessen man qua Ovarienbesitz fähig ist.

In Konkret (6/20, S. 21) wiederum zeigt Veronika Kracher ihre ganze Unkenntnis der Sachlage, lobhuldigt dem Einpeitscher, Panikmacher und wissenschaftlich höchst problematisch forschenden Drosten und macht aus einer linken Zeitschrift ein Propagandamedium für den Staatsnotstand, indem sie rational denkenden EpidemiologInnen, kritischen VirologInnen, anderen MedizinerInnen und allen sonstigen Kritiker*innen nichts weniger als Mord vorwirft:

… autoritär revoltierende Jammerlappen, denen ihre Freiheit, andere für sich krepieren zu lassen, wichtiger ist als das Tragen einer Schutzmaske.

Kracher ist sicher kein Jammerlappen, lediglich eine Person, die wirklich eine von Bakterien, Schweiß und Schleim vollgesogene Maske sich vor die große Klappe klemmt, undeutlich daherredet, wenn möglich rot-schwarze Streifen auf die Maske malt und sich wirklich mega lebensrettend vorkommt. Damit ist sie absoluter Panik-Mainstream. Bald bekommt sie einen Vertrag als Werbetexterin für Katjes. Jegliche wissenschaftliche (medizinische, sozialwissenschaftliche, psychologische, philosophische) Kritik an solchen Masken im Privatgebrauch ignoriert die delirierende Autorin, womit sie im selben Boot wie ihr Kollege Tomasz Konicz (ebd., S. 20) sitzt, der meint, das „Kapital“ wünsche sich ein Ende des Lockdowns genauso herbei wie das „Verschwörungstheoretiker“ und „Nazis“ tun würden. Konicz ist offenbar ein Fan von Merkel, Scholz und Söder, somit sowohl vom großen Kapital wie auch den Notstandsgesetzen.

Da war die tatsächliche Neue Linke 1964-68 in dieser Hinsicht weiter und bekämpfte die geplanten Notstandsgesetze.  Heute jubeln die Linken von der Linkspartei über Wannabe-Kanzler Habeck – der natürlich kein Linker ist, aber als irgendwie links der Mitte firmiert – hin zur Jugendantifa, die erbärmlichst mit ihren selbst geschneiderten Masken dümmlich herumhampeln.

Man ist schon erstaunt, wie wenig Demokratiekunde bei diesen drei AutorInnen angekommen ist seit 1945, bei Kelle, Kracher und Konicz. Das völlig willkürliche, beliebige Aussetzen von fast allen Grundrechten verursacht nicht mal ein Achselzucken, sondern frenetischen Beifall, auch wenn Kracher ernsthaft meint, sie könne sich dem Lager der Kritiker der „Maßnahmen des autoritären Staats“ zuordnen.

Immerhin gab es in der darauffolgenden Konkret (7/2020) zwei Leserbriefe, die „die polemische Herabwürdigung von fast allem, was sich kritisch zu Corona verhält“, „unakzeptabel“ beziehungsweise „beängstigend“ finden.

Auf einer Passauer Kundgebung „Freiheit2020“ sprach am 13. Juni 2020 Dr. Ronald Weikl,

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stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ (MWGFD). Vorsitzender ist eben Sucharit Bhakdi, dessen neues Buch „Corona Fehlalarm?“ (geschrieben mit seiner Frau Karina Reiß) ich jüngst anpries. Doch dieser Verein MWGFD verlinkt die Rede von Weikl und hat nationalistisches Pathos, die Buchstaben GFD sind in schwarzrotgold getaucht.

So ist es auch kein Wunder, dass der eloquente Weikl allerhand Skandalöses vom Einzelhandel in Bayern zu erzählen hat (dass Menschen mit Attesten zum Nicht-Tragen eines Mund-Nase-Schutzes dennoch bestimme Läden nicht betreten dürfen, andere Elektronikläden hingegen doch), in seiner Rede wie selbstverständlich die zwischen linkem Verschwörungswahnsinn, Rechtsextremismus, Querfront und sonstiger Neuer Rechten oszillierenden Seiten KenFM, Achgut, Politically Incorrect (PI News), Nachdenkseiten, Rubikon und andere hochjubelt. Das seien die kritischen Medien. Vom Antisemitismus von PI, einer Seite, die sich schon vor Jahren mit Michael Stürzenberger gegen die Brit Mila und somit gegen jüdisches Leben in Deutschland aussprach, der rassistischen Hetze gegen Flüchtlinge und Muslime auf PI News oder Achgut, vom antisemitischen Verschwörungswahnsinn von KenFM (Ken Jebsen: „ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat“), Rubikon (wie angesichts 9/11) oder den Nachdenkseiten, ist da kein kritisches Wort zu hören.

Grade die Nachdenkseiten sind typisch für als Kapitalismuskritik getarnte antisemitische Ressentiments (inklusive dem Antizionismus), was die aggressive Positionierung der Nachdenkseiten und ihres Machers Albrecht Müller für die Kabarettistin Lisa Fitz eindrücklich zeigt. Müller (Jg. 1938) saß für die SPD im Bundestag und war in den 1970er Jahren bis Anfang der 1980er Jahre im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt tätig.

Lisa Fitz steht in der Tat sinnbildlich für sehr viele sich „links“ oder als Anti-Nazi verstehenden Leute, die nie kapieren werden, wie Antisemitismus funktioniert, z.B. so: „Rothschilds, Rockefeller, Soros und Konsorten. Die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten“. Diese Ideologie aus einem Song von Fitz, die das Abstrakte des Kapitalismus personalisiert und dabei gerade Juden namentlich nennt,  und ihre Nähe zu Putins Propagandamedium Russia Today (RT) hat die Journalistin der Frankfurter Rundschau Katja Thorwarth kritisch analysiert.

Kritiker werden von Albrecht Müller im oben verlinkten Text als „Antisemitenjäger“ diffamiert. Dabei sind viele Linken insofern in der Tat heutzutage ein massives Problem, als sie den Wahnsinn der Coronamaßnahmen nicht nur nicht erkennen, sondern unterstützen. Man muss also gegen die katastrophalen und zum Nicht-Nachdenken aufpeitschenden Nachdenkseiten und gegen manche jener Linken (wie in Regensburg), die die „Nachdenkseiten“ oder alle möglichen Anti-Coronamaßnahmen-Kundgebungen kritisieren, gleichermaßen aktiv werden und politisch skeptisch und kritisch bleiben – also versuchen, rational die geistige oder besser ungeistige Situation der Zeit zu analysieren. Diese Linken haben es verpasst, sich wissenschaftlich zumal mit der amerikanischen und sonstigen internationalen kritischen Forschung zu SARS-CoV-2 zu beschäftigen – wie fast alle in Deutschland diesbezüglich versagen.

Eine sehr informative Kritik der autoritären staatlichen Maßnahmen in der Coronakrise, die ziemlich umfassend medizinisch und sozialwissenschaftlich argumentiert, liefert der Kinderarzt Dr. Martin Hirte aus München. Am 16. Mai 2020 sagte er auf einer „Freiheitsversammlung“ an der Münchener Freiheit:

Das Asylrecht ist seit Wochen ausgesetzt.
Das Leben von Flüchtlingen hat keinen Preis.
Liebe AfD-Mitglieder: Ihr könnt nach Hause gehen.
Ihr habt schon gewonnen.

Wir wissen alle: Die Coronavirus-Krankheit ist nicht ungefährlich.
Für pflegebedürftige alte Menschen kann sie das Ende bedeuten.
Aber es sterben jedes Jahr 60 000 Menschen an Lungenentzündung.
Vor allem alte Menschen. Es würde reichen, diese Gruppe zu schützen.

Hirte nimmt aber auch Verschwörungsideologen und explizit Rechte in Schutz und verharmlost deren gefährliche Ideologie:

Liebe Politiker und Journalisten: wenn Rechte und Verschwörungstheoretiker auf die Straße gehen, fragt sie doch mal was sie antreibt. Vielleicht gehören einige ja zum dem Prekariat, das wir jetzt gerade vergrößern, zu den 4 Millionen Langzeitarbeitslosen, Mini-Jobbern und Hartz-IV-Empfängern.
Menschen, die verständlicher Maßen verzweifelt sind.
Und die wütend sind auf den obszönen Reichtum, mit dem manche meinen, die Wissenschaft, die Medien und die Weltpolitik beeinflussen zu dürfen.

Doch in welcher Beziehung steht Martin Hirte zu anderen Kritikern der Coronamaßnahmen wie Ronald Weikl, der sich auf so viele problematische rechte Online-Plattformen positiv bezieht? Die Seite „AusLiebezumGrundgesetz“ verlinkt Reden von Weikl und ruft wie Hirte zu „Freiheitsversammlungen“ (in München) auf.

Man muss ganz sicher kein Freund der pro-iranischen und die Gefahr des Islamismus verharmlosenden Grünenpolitikerin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sein, um ihre Charakterisierung von Tichys Einblick, der von Weikl auch als super tolles Anti-Mainstream-Medium in der Coronakrise angepriesen wird, als „neurechte Plattform“, „deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht“, zu teilen. Diese scharfe Kritik an Tichys Einblick ist eine Meinungsäußerung, die im Juni 2020 auch vom Oberlandesgericht Stuttgart als solche bestätigt wurde, Tichy verlor den Prozess.

Eine seriöse, liberale, linke Kritik der willkürlichen, autoritären und in die Gesundheitsdiktatur oder den Überwachungstechnikfaschismus führenden Politik ist weiterhin absolut marginal – aber es gibt sie.

Die viele Jahre eher verdeckt gehaltene Staatsliebe der vorgeblich kritischen neuen Linken zeigt jetzt ihre poststalinistische Fratze. Der Kinder-Küche-Herd Antifeminismus der alten und neuen Rechten zeigt sich im selber Brotbacken und kuschligen Homeschooling der gefangen gehaltenen Kinder. Diese perfide Affirmation der Coronamaßnahmen und des Lockdowns bejaht somit auch das Alleinlassen der Demenzkranken und Alten in Alten- und Pflegheimen, die von Beginn der Krise an nie wirklich geschützt, sondern eingesperrt wurden und jetzt völlig am Ende sind. Achgut changiert offenkundig zwischen Kritik an den Coronamaßnahmen und dem euphorischen Kokettieren mit der Kinder-Küche-Herd-Ideologie von Birgit Kelle und ihrem nicht zu unterschätzenden rechten Umfeld.

Die irrationale Panik vor einem Virus, das erwiesenermaßen für Menschen ohne Vorerkrankung unter 65 Jahren so gut wie vollkommen harmlos ist (siehe die Forschungen von John A. Ioannidis et al. aus Stanford)

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und auch 87jährige nicht grundsätzlich bedroht, nur, wenn die Person ohnehin ein schwaches Immunsystem hat und massiv vorerkrankt ist – diese Panik zeigt, mit was für erbärmlichen Gestalten wir seit jeher lebten, links und rechts und im vollgefressenen Wohlstands-Mainstream. Es gibt weltweit viel größere Gefahren auf dieser Welt als SARS-CoV-2: Armut, Wassernotstand, Hitzewellen ungeahnten Ausmaßes, Kriege (deutsche Rüstungsindustrie) und so weiter.

Wenn jetzt bei all diesen Gefahren auch in Industriegesellschaften – Influenza (Grippe), Klimawandel, Alkohol, Rauchen, Autoverkehr, Luftverschmutzung, Allergien etc. pp. – der absolute Notstand ausgerufen wird (wie es manche Ökoleninist*innen fordern, so der Kritiker Peter Nowak in unserem Buch „Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik“), dann ist das ein Leben im Polizeistaat. Dann ist das ein Leben auf Abruf. Heute hier, morgen schon in Quarantäne oder im Lockdown.

Diese Todespanik, die als Konsequenz die Leute antreibt, lieber die ganze Welt einzusperren, anstatt die wirklich Gefährdeten zu schützen und für ein seriöses, kostenfreies und sehr großes Gesundheits- und Pflegesystem zu sorgen, diese Todespanik schlummerte ganz offenkundig in allen Menschen, fast allen Menschen.

Jede schwerere Grippe von 1970 oder 2018 war weit schlimmer als dieses Virus – und niemand wäre je auf die Idee gekommen, eine Gesundheitsdiktatur zu errichten. Jetzt schon. Warum? Die weltweite Gleichzeitigkeit dieser Panik ist umso schockierender. Der simultane Wahnwitz der a-sozialen Medien von Facebook bis Twitter, Instagram und Youtube mag ein entscheidender Faktor sein, die Leute hetzen sich selbst und andere 24/7 auf.

Extrem raffinierte oder perfide Politiker*innen haben Anfang 2020 diese nie dagewesene Panik der fast gesamten Gesellschaft umgehend erkannt und setzten zum größten Experiment der Weltgeschichte an – und alle machten mit, Linke fühlen sich als die Retter der Welt (wie immer) und die Rechten träumen von alten Volksgemeinschaftszeiten (wie immer). Konkret und Achgut flankieren mit den zitierten Texten den fanatischen Mainstream und denken beide, sie seien dissident.

Exakt wie Konkret agitiert denn auch der Berliner Tagesspiegel (hier: Sebastian Leber) gegen Menschen, die sich völlig zu Recht weigern, dem irrationalen Wahnsinn des Maskentragens (bis vor kurzem waren noch das Robert-Koch-Institut oder die WHO gegen das Tragen von Masken im Alltag) Folge zu leisten:

Vermutlich hilft da nur eines: die Verweigerer selbst anzusprechen und ihnen klarzumachen, dass sie sich schämen sollen. Dass Typen wie sie die Pandemie verlängern, teuer erkaufte Erfolge im Kampf gegen das Virus zunichte machen und Menschenleben gefährden. Dass sie niemals wissen werden, welche Infektionsketten sie losgetreten, welche Oma durch ihre Rücksichtslosigkeit auf dem Gewissen haben.

Wenn das seriöser Journalismus sein soll, dann wird Werder Bremen (Platz 1 der „ewigen Bundesligatabelle“ was die Anzahl der Spiele betrifft, vor dem 34. Spieltag der „Coronasaison“ sind es 1899) heute noch auf Platz 15 in der Bundesliga springen.

Man könnte darüber lachen, wäre die Situation nicht so dermaßen katastrophal, irrational und ernst. Die Neuen Rechten sind eine Gefahr wie schon vor dem Frühjahr 2020. Merkel, Scholz und Söder sind die großen Gewinner. Vernunft und Aufklärung haben verloren. Auch dank der „Linken“.

Jenseits von Ausnahmezustand und Verschwörungswahnsinn: Kritiker*innen der Corona-Massenhysterie aller Länder vereinigt euch

Von Dr. phil. Clemens Heni, 20. März 2020

 

Die Bundesrepublik Deutschland steht 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus am Abgrund, das Ende der Demokratie ist sichtbar. Das liegt daran, dass eine Naturwissenschaftlerin Bundeskanzlerin ist, die wie eine Getriebene einem einzigen Institut – dem Robert-Koch-Institut in Berlin – Folge leistet und aufgehört hat, kritisch zu reflektieren.

Naturwissenschaften sind sehr wichtig – aber in der Gesellschaft braucht es mindestens genauso stark die Sozial- und Geisteswissenschaften, die die Politik mitbestimmen müssen, wenn eine Demokratie nicht Gefahr laufen will, ein technokratischer Polizeistaat zu werden.

Es wird so getan, als müsste alles – wirklich alles – getan werden, um vor allem alte und kranke Menschen zu schützen. Das Coronavirus hat in Italien Menschen getötet, die im Schnitt 79,5 Jahre alt und massiv vorerkrankt waren. Das ist schrecklich, zeigt aber auch, dass es eine sehr spezifische Gruppe von Menschen trifft und gerade nicht die Pest ist, die teils 30 Prozent der Bevölkerung Europas im Mittelalter hinwegraffte, und zwar unterschiedslos welchen Alters.

Dass es angeblich um den Schutz von besonders bedrohten Menschen geht, ist zudem eine Lüge. Darauf weisen nun zwei Jura-Professoren in der FAZ hin, Florian Meinel von der Humboldt Universität zu Berlin und Christoph Möllers von der Universität Würzburg:

„So ist auch der Konsens, Alte und Vulnerable vor dem Virus zu schützen, weniger unschuldig, als er klingt. Eine vergleichbare individuelle und vor allem ökonomische Opferbereitschaft gab und gibt es weder zur Eindämmung der Erderwärmung und der HIV-Epidemie noch zur Rettung von Flüchtlingen und der Reduzierung von Verkehrstoten.“

Auch für Allergiker*innen gibt es keine Hilfen, es ist eine schleichende Krankheit, chronisch, aber nicht weniger tödlich als dieses Virus, betrifft zudem viele Millionen Menschen, die häufig nicht mal 79,5 Jahre alt werden. Und wir wissen, dass z.B. Ambrosia durch den Verkehr und die Umweltbelastung noch aggressiver wird.

Ebenfalls in der FAZ im Feuilleton analysiert der Jurist Hinnerk Wißmann von der Universität Münster:

„Wir müssen nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unsere Freiheit verteidigen.“

Er unterstreicht, dass eine Gesellschaft völlig in sich zerfällt, in eine Monade, wie man geschichtsphilosophisch sagen könnte, wo nur noch einzelne Gruppen oder das nackte Individuum existieren, aber keine Gesellschaft mehr. Vor allem wird klar gesagt, was wichtig ist und was eigentlich unnötig ist. Buchläden, Kneipen, Schulen, Universitäten sind verzichtbar, nur Teile der Verwaltung, vor allem aber die Polizei und die Krankenhäuser sind wichtig. Das ist Element eines Polizeistaats und keiner parlamentarischen Demokratie. Wißmann betont, dass ein Seuchen-Notstand oder Ausnahmezustand in einer sehr kleinen lokalen Situation möglich ist, aber niemals auf staatlicher oder jetzt gar fast weltweiter suprastaatlicher Ebene.

Wie Meinel und Möllers betonen, ist das größte Problem beim „Ausnahmezustand“ nicht der Zeitpunkt, ihn zu verhängen, „sondern darin, ihn zu beenden“. Sie sehen eine extreme Gefährdung der Demokratie, die sich via Ausnahmezustand selbst ein Misstrauensvotum ausspräche.

Eine ganz ähnliche Gefahr für die Demokratie sieht der Historiker René Schlott vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. In einem Gespräch mit dem Radiosender WDR 5, „Neugier genügt“, ist er fassungslos, wie heutzutage von Technokraten Politik gemacht wird, wie Virologen quasi alle politischen Entscheidungen nicht nur beeinflussen, sondern festlegen – und Soziologen oder Politikwissenschaftler*innen und Philosoph*innen und Jurist*innen keinerlei Mitsprache haben. Es wird so getan, als ob nur die Medizin entscheiden könne, was eine Gesellschaft braucht. Dabei kann die ganze Gesellschaft zerstört werden, wenn wegen einiger Tausend Toten in Europa (in Deutschland bislang unter 50) die Grundrechte von 80 Millionen – bzw. ganz Europas, der ganzen USA etc. pp. – außer Kraft gesetzt werden. Dass aufgrund dieser Ausgehverbote und ausgerufenen Katastrophenfälle viel Tausende, Zehntausende, Hunderttausende schwer kranke Menschen, die z.B. psychisch sehr labil sind, in den Suizid, in die völlig Vereinsamung und Isolation oder den wirtschaftlichen Bankrott (egal wie hoch die Rettungspakete sind) getrieben werden, dass Menschen, die regelmäßig Physiotherapie benötigen, um am Leben gehalten zu werden, viele Wochen oder gar Monate einfach dem Verfall hingegeben werden, dass Kindern und Schüler*innen gesagt wird, es ist nicht so wichtig, ob ihr was lernt und gemeinsam was lernt, es gibt doch das Internet und Aufgaben kann man auch alleine zu Hause machen: das alles zerstört jede demokratische Vereinbarung, auf der unsere westlichen Gesellschaften basieren.

Denn alle wissen: dieses Virus ist nicht gefährlicher als die schleichende Zerstörung der Natur, die Milliarden Menschen bedroht, und nicht nur ein paar Tausende.

Dazu kommen die extrem rechten, autoritären Maßnahmen des Technikfaschismus, das Sammeln und Benutzen aller Handydaten von Menschen, die im Verdacht stehen, mit Corona-Infizierten Kontakt gehabt zu haben, wie auch das Einfordern von Blockwartmentalität, wie wir es heute noch aus China kennen. Deutschland ist aber nicht China.

China wiederum, wie ein Sprecher des dortigen Außenministeriums, fantasiert, die USA stünden hinter dem Virus und wollen China schaden. Solcher Verschwörungswahnsinn kommt in anderer Form auch im Iran, der Türkei oder in Russland vor. Schon wird der Coronavirus, sein Entstehen und die Verbreitung etc. antisemitisch gedeutet.

Selbst hierzulande als Linke bekannte Leute werden jetzt zu autoritären Demokratiegefährdern und werfen Kritikern der Massenhysterie vor, die alten oder kranken Menschen zu gefährden – der Publizist Sascha Lobo spricht als Kritiker der Hysterie von „Vernunftpanik“. Es gibt bei sehr vielen Menschen in der Bundesrepublik, von Österreich oder Frankreich ganz zu schweigen, ein sehr großes Bedürfnis nach dem starken Führer. Das zeigt auf nie gekannte Weise seit 1945, wie wenig der demokratische Aushandlungsprozess verinnerlicht wurde.

Es muss jetzt um eine gesellschaftliche Diskussion gehen, die den geplanten Ausnahmezustand zurückweist und bekämpft. Andernfalls wird die Demokratie in ihren Grundfesten zerstört. Schon jetzt wissen die extremen Rechten wie autoritären Linken, dass es von heute auf morgen möglich ist, alle Theater zu schließen, Demonstrationen zu verbieten, das Asylrecht auszusetzen (also grundgesetzwidrig zu handeln) und Menschen zu Hause einzusperren und nur zum Einkaufen unter Polizeischutz raus zu lassen. Das hat alles gar nichts mit der angeblichen Sorge um die Alten und Kranken zu tun, sondern mit der Vorliebe für autoritäres undemokratisches Verhalten.

Es muss jetzt um Gelassenheit, Ruhe und Besonnenheit gehen, vor allem aber um menschliche Solidarität und demokratisches Handeln.

Blätter für deutschen und internationalen Antisemitismus?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 05. Februar 2020

Die Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ ist eines der bekanntesten politischen und politikwissenschaftlichen Periodika im deutschsprachigen Raum. Wer ein Public Intellectual ist oder meint zu sein und sich irgendwie als „aufgeklärt“, „liberal“ oder „links“ versteht, publiziert dort. Nicht weniger als 22 Personen gehören zum „Herausgeberkreis“, von Katajun Amirpur über Jürgen Habermas und Seyla Benhabib hin zu Dan Diner, Claus Leggewie und Micha Brumlik reicht die typische Palette, angeführt von Albrecht von Lucke und der Redaktion. Die Themen reichen von Rechtsextremismus über Kapitalismus zu Ökologie, Philosophie und Antisemitismus in der DDR.

Doch wie so oft, wird es schwierig, sobald es um Juden und den Zionismus geht. Klar wird in den Blättern an die toten Juden der Shoah erinnert. Aber wie steht die Zeitschrift zu den lebenden Juden in Israel? Das zeigt sich exemplarisch in der Februar-Ausgabe 2020 der Blätter. Dort schreibt Lothar Zechlin über „Israelkritik gleich Antisemitismus?“.

Der 1944 geborene Zechlin war Professor für Öffentliches Recht und Hochschulmanager, er wäre vor einigen Jahren um ein Haar Präsident der Hochschulrektorenkonferenz geworden und unterlag in einer Stichwahl. Zu seinen Publikationen gehören „Minderheitenschutz im deutschen und französischen Aktienrecht“, „Streik, Strafrecht, Polizei. Juristischer Leitfaden für Konflikte mit der Staatsgewalt“ oder „Understanding and developing your role as a leader“ bis hin zu „Schadensersatzansprüche bei Klassenfahrten“. Als Publizist zu Antisemitismus oder Antizionismus ist Zechlin bislang nicht in Erscheinung getreten.

Zechlin geht es um die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), einem Zusammenschluss von derzeit 34 Staaten, die sich auf folgende Definition verständigt haben:

Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und / oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen.

Das nennt Zechlin „konturlos“. Dass sich also 34 führende Industrienationen und weitere Länder hinter diese Definition stellen, sei „konturlos“ – was ist mit den anderen gut 160 Staaten, die nicht zur IHRA gehören und für die der Hinweis auf Hass gegen Juden kein Problem darstellt, oder gar Freude evoziert? Die Indifferenz der Weltgemeinschaft war schon während des Holocaust katastrophal. Was bringen all die warmen Wort des Gedenkens, wie sie gerade von solchen Blättern kommen, wenn die lebenden Juden hier und heute im Stich gelassen werden?

Der Bundestag würde nun mit seiner Anti-BDS-Resolution von Mai 2019 die IHRA Definition gar „verfälschen“, wie die Blätter insinuieren, und Hass auf Israel als Form von Antisemitismus aufnehmen:

Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten.

Das ist jedoch keine Verfälschung, sondern nur eine Konkretisierung der IHRA Definition, die ja ganz absichtlich und nach vielen Jahren der Diskussion diesen Zusatz wie weitere Beispiele anfügte.

Geradezu zynisch schreibt Zechlin:

Die Nahost-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik stellt dazu fest: ‚Einzelne Vertreter dieser Bewegung [BDS] dürften von Judenhass motiviert sein und manche Aktionen können auch problematisch sein. Das entspricht aber nicht dem Mainstream dieser Bewegung‘.

So wird antisemitische Alltagsgewalt entwirklicht oder affirmiert. Zudem wird nicht der wissenschaftlichen Definition gefolgt, die die Ablehnung jüdischer Souveränität, den heutigen Antizionismus, als antisemitisch definiert. Es ist ein Unterschied ums Ganze, ob jüdische Gruppen vor der Shoah und vor 1948 antizionistisch waren oder nach der Gründung des jüdischen Staates. Wer heute antizionistisch ist, nimmt die Zerstörung Israels und den Tod von Juden billigend in Kauf. Sodann führen die Blätter aus:

…dürfte sich die Unterstützung in aller Regel auf das nichtantisemitische Programm und nicht einzelne Exzesse beziehen.

Lothar Zechlin weiß also, dass sich BDS-Unterstützer*innen „in aller Regel“ auf das „nichtantisemitische Programm“ von BDS beziehen und „nicht“ auf „einzelne Exzesse“. Er hat jedoch überhaupt nicht definiert, dass das geforderte Rückkehrrecht, also das Programm von BDS, antisemitisch ist, weil es völkerrechtlich jüdische Souveränität in einem eigenen Staat ablehnt. In einer Fußnote hat der 75jährige Autor sich abgesichert und autoritär gesetzt, dass Judenhass kein Judenhass ist, wenn er sich „nur“ gegen den Staat der Juden richtet:

Selbst wenn man die Forderung nach Rückkehrrecht und staatsbürgerlicher Gleichheit der Palästinenser als Bedrohung der Existenz Israels als eines jüdischen Staates ansieht (was zu diskutieren wäre), handelte es sich um einen nicht aus Judenfeindlichkeit gespeisten Antizionismus.

Der BDS-Mitbegründer Omar Barghouti wendet sich konstant gegen Israel als jüdischer Staat, erst vor wenigen Monaten wieder in einem Leserbrief an die New York Times: Er möchte einen Staat für Juden und Araber und lehnt den Zionismus und den „jüdischen Staat“ kategorisch ab. Das ist antisemitisch. Das ist BDS. Barghouti schreibt am 24. April 2019:

As the philosopher Joseph Levine has written, ‚The very idea of a Jewish state [in Palestine] is undemocratic, a violation of the self-determination rights of its non-Jewish citizens, and therefore morally problematic.‘

Das ist auch die Position der Philosophin Judith Butler, die jüngst von der Barenboim-Said Akademie eingeladen wurde, wobei die Veranstaltung dann doch angeblich aus „organisatorischen Gründen“ abgesagt wurde, aber die Intention spricht Bände und die Diskussion mit Butler soll nachgeholt werden. Dabei wird Butlers völlige Ablehnung des Zionismus in Israel auch von solchen Autoren völlig zu Recht attackiert, die selbst Kritik am gegenwärtigen Zustand des Landes haben, aber sehen, dass die Ablehnung des jüdischen Staates an und für sich zu gar keiner Verbesserung führen wird – dafür Juden in Gefahr bringt.

Eine der bedeutendsten NGOs im Kampf gegen Antisemitismus ist die Anti-Defamation League (ADL) aus den USA. Sie definiert ganz eindeutig, dass es nicht anitsemitisch ist, Israel oder jedes andere Land zu kritisieren. Es ist aber sehr wohl antisemitisch, den „jüdischen Staat“ als solchen abzulehnen:

Is criticism of Israel always anti-Semitic?

No. Anti-Israel activity crosses the line to anti-Semitism when:

All Jews are held responsible for the actions of Israel.

Israel is denied the right to exist as a Jewish state and equal member of the global community.

Traditional anti-Semitic symbols, images or theories are used.

Eine Kritik an der Besatzung des Westjordanlandes gibt es seit 1967 – eine Kritik aus zionistischer Perspektive wie von Amos Oz. BDS hingegen übt keine Kritik an der Politik Israels. BDS und zwar jeder einzelne BDS unterstützende Mensch, möchte Israel als jüdischen Staat zerstören, denn das ist das Programm von BDS, egal wie diese oder jener persönlich das Programm interpretiert, es ist objektiv antisemitisch – eine subjektiv antisemitische Haltung kommt bei vielen noch hinzu.

Zechlin macht sich nicht mal die Mühe Barghoutis ablehnende Haltung gegenüber dem jüdischen Staat zu erwähnen. Diese ignorante oder unwissenschaftliche Herangehensweise ist jedoch nicht nur den Blättern für deutsche und internationale Politik vorbehalten, sie ist Mainstream unter jenen Forscher*innen, Politiker*innen und Aktivist*innen, die den Anti-BDS-Beschluss des Deutschen Bundestages bekämpfen.

Dass die Blätter für deutsche und internationale Politik, die Crème de la Crème des deutschen sozial- und geisteswissenschaftlichen Establishments, sich so offen und aggressiv gegen die Anti-BDS-Resolution des Deutschen Bundestags stellt, sagt alles über die politische Kultur und Situation für Juden und Israel in diesem Land. Es gibt eine ganz dünne Schicht von seriösen Politiker*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, darunter jedoch brodelt die Lava der antiisraelischen Elite Seite an Seite mit dem immer abrufbaren Mob („Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“, wie es zumal muslimische und arabische Hetzer*innen herausbrüllen).

 

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