Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Antizionismus

Anregungen für die Bildungsarbeit und die politische Selbstverständigung: „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“

Original auf www.hagalil.com am 5. Juli 2007

 

Die fünf Autoren nehmen sich mit dem leicht und ohne größere wissenschaftliche Ambitionen geschriebenen Bändchen „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“ ein sehr wichtiges und aktuelles Thema vor. Alle fünf Autoren sind Politologen, gleich zwei davon waren bzw. sind Professoren für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin (Zeuner und Stöss), ein weiterer ebenda wissenschaftlicher Angestellter (Fichter). Das wird der Bedeutung des größten und bekanntesten politikwissenschaftlichen Instituts in der Bundesrepublik, dem Otto-Suhr-Insitut (OSI), durchaus gerecht.[1]

Empirisch basiert das Buch auf Erhebungen von vier der Autoren über die Einstellungen von Gewerkschaftsmitgliedern bzw. Funktionären zu Rechtsextremismus. Von 6,6 Mio. Gewerkschaftsmitgliedern in Deutschland haben weniger als 10% ein „geschlossenes gewerkschaftliches Überzeugungssystem“ (S. 8). Verglichen mit Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern haben z. B. in der Mittelschicht 18% (gegenüber 7%) der Gewerkschafter eine klar erkennbare rechtsextreme Einstellung (S. 53). Das ist bemerkenswert. Bei der Unterschicht sind es wenig überraschende 33% der Nicht-Mitglieder im Vergleich zu 28% der gewerkschaftlich organisierten (S. 52).

Insgesamt zeigt sich, dass die Gewerkschaften mit 19% Prozent Rechtsextremen dem Prozentsatz der nicht organisierten mit 20% entsprechen, Gewerkschafter also auch im Fall Rechtsextremismus ein „Spiegelbild“ der Gesellschaft in Deutschland sind. Im Osten ist lediglich zu konstatieren, dass insgesamt mit 27% deutlich mehr Rechtsextreme zu verzeichnen sind (18% im Westen), und Gewerkschaften etwas weniger rechtsextrem eingestellt sind als die unorganisierten (22,5% zu 28,1%) (S. 32f.). Wer sich die Hetzkampagne gegen als „Heuschrecken“ vorgestellte Unternehmer bzw. Finanzspekulanten durch den ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Müntefering vergegenwärtigt (S. 13)[2], Parolen von Gewerkschafter sieht, welche sich gegen „Verrat am Vaterland“ wenden (S. 99), oder gar die IG Metall-Zeitschrift anschaut, welche 2005 in antisemitisch-antiamerikanischer Diktion gegen „Die Aussauger“, welche in Form einer Stechmücke mit langem Rüssel und US-Hut dargestellt sind, agitiert (S. 84) und dieses Cover auch auf scharfe Kritik hin vom Verantwortlichen und IG Metall Vorsitzenden Jürgen Peters verteidigt wurde[3], oder schließlich den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer von „vaterlandslosen Gesellen“ daher reden hört bzw. seine ‚Hoffnung‘ vernimmt, dass Deutschland weiterhin „Exportweltmeister“ bleiben möge (S. 86f.), ist ob solcher empirischer Umfragewerte unter Gewerkschaftern kaum verwundert. Ob daran das von eben jenem Jürgen Peters ausgerufene „Mainstreaming“ einer „Europäisierung der IG Metall“ von November 2006, welches als probates Mittel gegen nationale Überheblichkeit und Rechtsextremismus angeführt wird (S. 88), etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich.

Die Autoren gehen mehrfach kritisch auf das Gerede von ‚amerikanischem Kapitalismus‘ versus ‚europäischem Sozialstaatsmodell‘ ein und verwahren sich gegen Antiamerikanismus, ja erwähnen zu Recht den New Deal der1930er Jahre, der Arbeiterrechte gestärkt hat (S. 85) und lehnen die NPD-Propaganda gegen Globalisierung ab (S. 64). Sie fordern wieder mehr gesamtgesellschaftliches Engagement der Gewerkschaften, ja plädieren für eine Politisierung der Gewerkschaften, eine politische Bildung im alltäglichen gewerkschaftlichen Tun und beziehen sich auf einige ihrer Ansicht nach positiven, antinationalistische Beispiele gewerkschaftlicher Organisierung- und Aufklärungsarbeit (S. 103-105).

Die relevanteste der gesamtgesellschaftlichen Perspektiven, welche von den fünf Politologen hochgehalten wird, ist jedoch neben den hehren Tönen gegen Nazis bereits deutscher Mainstream:

„Während sein [des Nationalstaats, C.H.] Repressionspotential im Zuge neuer Kriege und des sogenannten ‚Kampfes gegen den Terror‘ nach innen und außen oft sogar noch weiter aufgerüstet wird, gibt er sozialintegrative Aufgaben preis, die dem Schutz der lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit zugute kamen und auch die Bewegungsfreiheit von Unternehmen beschränkt haben“ (S. 63).

Ohne den bösen Kampf der Amerikaner und ihrer Alliierten, der demnach angeblich von Deutschland gar unterstützt wird, gäbe es bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld für „sozialintegrative Aufgaben“.

Wow! Das ist eine tollkühne und gewiss typisch deutsche Begründung gegen den War on Terror. Diese im Kern islamophile Verweigerungshaltung den wirklich großen Problemen des 21. Jahrhunderts gegenüber ist eine gewerkschaftliche Meisterleistung. Chapeau, die Herren. Besser könnte das kein rhetorisch gewandter NPD-Redner machen. Oder natürlich die nationalbolschewistische junge Welt, die Linke (PDS/WSAG), die Autonomen, die Antiimperialisten, Grüne, Frauen/Lesben, Anti-Hartz-IV-Protestler, Friedensratschläge, militante Gruppen oder auch weite Teile der SPD vom antizionistischen Rand der CDU à la Norbert Blüm nicht zu schweigen.

Wenn ich mich erinnere welcher Hass mir entgegenschlug, von super linken NachwuchswissenschaftlerInnen mit dem besten Gewissen, die selbstverständlich seit Jahrzehnten Anti-Nazi-Arbeit machen und in linken Buchläden in Berlin arbeiten oder in Göttinger Antifazusammenhängen steck(t)en, als ich in gewerkschaftlichem Rahmen im Sommer 2002 eher zufällig ein kleines, süßes Muffin-Küchlein mit noch kleinerer US-Fahne dabei hatte und auf meinem Tisch stellte, oder im gleichen Kontext von derselben Runde, nach ein paar Bier allerdings, wie selbstverständlich Michel Friedman als „ekliger Typ“ diffamiert und sein am selben Tag ausgestrahltes TV-Interview mit Israels Ministerpräsident Ariel Scharon gezielt gemieden wurde, von wenigen Ausnahmen abgesehen, und das alles mit einem Tonfall und einem Duktus, der später im Jahr 2002 nur noch von Jürgen W. Möllemann getoppt wurde, dann wird vieles klarer bezüglich Gewerkschaften und Deutschland heute. Wenn ich dann auch noch sehe wie im Rahmen der Hans-Böckler-Stiftung bzw. ihrer DoktorandInnen antizionistische ‚Kollegen‘, nicht nur aber auch weil sie Migranten sind, in Schutz genommen wurden und der Antisemitismus solcher Typen nur von wiederum wenigen erkannt und scharf kritisiert wurde, wenn ich all diese kleinen persönlichen Erlebnisse mit Gewerkschaftern die letzten Jahre seit 2002 revue passieren lassen, wird das Bild noch klarer.

Schließlich noch ein Beispiel: ein großes gewerkschaftliches Bildungswerk, das DGB-Bildungswerk München, hat erst nach heftigen Protesten eine Veranstaltung mit ihrem langjährigen und sehr stark im Bildungsprogramm als Referent, mit vielen Einzelveranstaltungen involvierten Kollegen Heinz Vestner abgesagt. Und er wird als Referent weiter beschäftigt, obwohl seine antizionistischen Tiraden seit Jahren bekannt ist.[4] Dass so eine Ankündigung für eine Veranstaltung überhaupt gedruckt und für die Veranstaltung geworben wurde, ist bereits skandalös.[5] Typisch gewerkschaftlich wird die Sache dadurch, dass sich der Referent eben als Linker, der gegen Nazis und Rechtsextremismus ist, gezeigt habe.

Für das Herbst/Winter-Programm 2007/2008 hat das DGB-Bildungswerk München Vestner wiederum als häufigen Referenten engagiert, z. B. mit Seminaren über die US-Außenpolitik seit „1776“ und der amerikanischen „Jagd nach Profit“, womit also, wenn das Seminar mit der Gründung der USA beginnt (!) das ‚Wesen‘ der Amerikaner gemeint ist![6] Komplementär dazu jauchzt der Lieblingsreferent dieses großen gewerkschaftlichen Bildungswerkes wiederum wenn er den Namen Chavez hört und dessen Ruf nach einem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“[7] laut hinaus schreit oder proklamiert: „Daumendrücken ist angesagt“ bezüglich „Erwacht Lateinamerika“, denn ist Chavez nicht ein toller Hecht und Nachfolger Bolivars?[8] Nach den Kriterien der fünf Autoren des hier rezensierten Buches zu urteilen, wäre Vestner eher nicht in das Raster ‚rechtsextrem‘ gefallen. Doch was heißt das in einer Zeit, wo gerade linke, ‚progressive‘, ‚liberale‘ Antisemiten zurecht ins Blickfeld geraten?

Das Raster (S. 30-31) der Politologen ist viel zu grobmaschig und altbacken, demnach sei Rechtsextremismus gekennzeichnet durch 1.) „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, 2.) „Chauvinismus“, 3.) „Ausländerfeindlichkeit“, 4.) „Antisemitismus“, 5.) „Sozialdarwinismus“ und 6.) „Verharmlosung des Nationalsozialismus“. Weder bei der Kategorie 4) noch jener von 6) taucht das Beispiel des Antizionismus auf. Antisemitismus zeigt sich jedoch heute häufig als Antizionismus, der Antisemitismus mit reinem Herzen, wie er schon von Jean Améry 1969 („der ehrbare Antisemitismus“) oder von Vladimir Jankélévitch 1970 („Verzeihen?“) dechiffriert wurde. Der Hass auf Israel, die Schuldprojektion der Deutschen, nach der z. B. und gerade die Israelis einen „Holocaust an den Palästinensern“ verüben würden oder der Anti-Terrorschutzwall das gleiche sei wie die Berliner Mauer oder die Behandlung der Palästinenser im Westjordanland jener im Warschauer Ghetto ähnele, sind doch ubiquitär. All diese antisemitischen Reflexe sind Alltag bei deutschen Kirchen, Politikern aller Parteien, den Medien, der Wissenschaft und der Gesellschaft insgesamt, auch den Gewerkschaften natürlich. Allein das Jahr 2007 bietet für jede dieser Kategorien abschreckende Beispiele. Jedoch: als Kategorie für Rechtextremismus taucht Antizionismus gar nicht auf bei den Autoren dieses Bandes.

Was jedoch den Autoren sehr wichtig ist als Beitrag im Kampf gegen Rechtsextremismus ist das linke Ressentiment gegen Krieg und jenes gegen den Kampf gegen den islamischen Faschismus, den ‚heiligen Krieg‘, der keineswegs nur Israel, vielmehr den Westen, die Moderne, zuerst natürlich die USA, bekämpfen und zerstören möchte. Dem Djihad werden sich deutsche Gewerkschafter offenbar so wenig in den Weg stellen wie sie bislang so bewusst inaktiv (wenn nicht klammheimlich feixend) waren gegen den antijüdischen Boykottaufruf ihrer britischen Kollegen von der University and College Union (UCU).[9]

Das Thema muss also lauten: „Gewerkschaften und Antisemitismus“. Gegen Nazis sind doch ziemlich viele, wenn auch nicht alle, wie der Bürgermeister und FDPler aus Mügeln nachdrücklich zeigt und auch vom bayerischen Ministerpräsidenten der Zukunft, Günter Beckstein, mit der Parole „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ sekundiert wird, gerade jetzt. Doch so wichtig es ist solche Konservativen und Reaktionären zu bekämpfen, so wichtig und absolut untypisch, weil nicht links-identitär ist es, den Antizionismus der Deutschen ins Visier zu nehmen und darum auch nicht zum siebenhundertdreiundsechzigsten Mal einen großen Bogen machen wie die Autoren dieses hier rezensierten Büchleins. Sie wollen nur ihre typisch linke OSI-Identität wahren und nicht lernen, dass manchmal, in historischen Momenten, Krieg die einzige Chance ist bzw. war im Kampf gegen den Faschismus bzw. Nationalsozialismus.

Wer sich dessen bewusst ist, dass einer der Gründer des Konservativismus im 20. Jahrhundert in den USA, Peter Viereck war, der gegen seinen Nazi-Vater rebellierte und konservativ wurde, Freiheit erhaltend, sowie später, in hohem Alter, nach 9/11, auch den neo- (oder neo-neo-?) konservativen Kampf gegen den neuen Faschismus, den grünen, befürwortete, erkennt die von deutschen und sonstigen Linken gezielt völlig verdeckte Dimension im amerikanischen Konservativismus. Dieser zeigt sich in der Person Vierecks als Aufstand gegen einen Nazi-Vater (sein Vater war Hitler-Verehrer seit den 1920er Jahren), später mit der Waffe in der Hand im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen. Solche Antifaschisten jedoch geben für einen ganz normalen deutschen Gewerkschafter kein Vorbild ab. Schade eigentlich.

Anmerkungen:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Otto-Suhr-Institut
[2] http://www.kritiknetz.de/muentefering_konkret.pdf
[3] http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/88736
[4] http://www.hagalil.com/archiv/2007/06/dgb.htm
[5] Die Ankündigung ist so krass, dass ich sie hier im Wortlaut und komplett zitiere: Veranstaltung mit Dr. Heinz Vestner im DGB-Haus, 18.07.07, Raum 006, 5€: „Frieden in Nahost? Als 1993 die Oslo-Verträge unterzeichnet waren, begannen hierzulande alle zu jubeln über den damit angeblich einsetzenden „Friedensprozess“ im Nahen Osten. Daraus ist bekanntlich nichts geworden – trotz ‚road map‘ und ‚Fischer-Plan‘. Die Israelis haben kaltblütig ihre Siedlungspolitik fortgesetzt, eine bis zu 8 m hohe Mauer gegen die Palästinenser errichtet und den Libanon – wiedermal – angegriffen. Dieses ‚Spiel‘ läuft seit 1948. Ist es da ein Wunder, dass Palästinenserorganisationen wie Hamas und Hisbollah immer mehr Zulauf haben? Wer Gewalt sät, wird immer Gewalt ernten. Wieso eigentlich ist die Todesursache Arafats bis heute ‚unbekannt‘?“ Bereits am 06.03.-2007 hatte Vestner im DGB-Bildungswerk eine Veranstaltung zu Hugo Chavez, dem Duz-Freund des iranischen Holocaustleugners und die Zerstörung Israels planenden Ahmadinedschad, damit angepriesen, dass gefragt wurde: „Was also ist dran an diesem Kerl [Chavez, C.H.]? Ne ganze Menge nämlich“, siehe http://www.dgb-bildungswerk-bayern.de/pdf/Muenchen/internet_07_1k.pdf , S. 46.
[6] http://www.dgb-bildungswerk-bayern.de/muenchen/progr_07_2.pdf , S. 48.
[7] Ebd.: 58.
[8] Ebd.: 46.
[9] http://www.jungle-world.com/seiten/2007/33/10425.php

hagalil.com 05-07-07

 

„Und glaub mir, die Wirklichkeit ist noch viel lustiger“: Gert Scobel und Hany Abu-Assad verstehen sich

Zuerst erschienen auf www.hagalil.com am 18.02.2005

Der TV-Moderator und ausgebildete Theologe Gert Scobel (Jg. 1959), Moderator der bekannten ‚Kulturzeit‘ auf 3sat, die wochentags um 19.20 Uhr zu sehen ist, bezieht sich – um ein beliebiges Beispiel dieses TV-Lieblings anzuführen – in der taz am 7.3.2003 auf Richard Wagners Tannhäuser um die ‚dekadente Schlagerparade‘ im Fernsehen abzulehnen.(1) Dabei merkt dieser Preisträger des Deutschen Fernsehpreises von 1999 und 3sat Anchorman Scobel womöglich gar nicht, daß seine bildungsbürgerliche, typisch deutsche Liebe zu Wagner mit der der Palästinenser und Hany Abu-Assads, den er so freudentrunken am 16. Februar in Kulturzeit auf 3sat interviewte, zum Tod der Juden als Opferung und zur Erlösung der Attentäter in direktem Kontext steht.

Wie der Historiker P. L. Rose feststellte, ist ein Grund „weshalb in Wagners Opern keine Juden vorkommen, der, daß diese Musikdramen Erlösungsparabeln sind und in ihnen kein Platz für Juden ist, für die es keine wirkliche Erlösung geben kann. (…) Wotan, Tannhäuser, der Holländer und schließlich Parsifal sind allesamt Wanderer und spiegeln die prometheischen Aspekte des Mythos vom Ewigen Juden wider, der seit Goethe zum festen Motivbestand der Romantik gehörte.“ (2) So wenig wie bei Wagner kommen in PARADISE NOW Juden vor, sie werden zwar am Ende ermordet, aber sie kommen als Subjekte überhaupt nicht vor. Der Film strotzt nur so von Einseitigkeit, der Fokus ist der der Täter, der Palästinenser, die ja gerade seit der andauernden Intifada von 2000 von den deutschen und europäischen Medien ohnehin als die Opfer charakterisiert werden im Hetzen gegen Israel und die Juden. Möllemann läßt schön grüßen.

Wenn Scobel am 22.7.2004 in seiner Sendung delta fragt „Das Heilige und die Gewalt – Brauchen wir Rituale? Religiöse Riten als transformierendes Element der Gesellschaft“ (3) zeigt sich bereits hier eine geistige Verwandtschaft zwischen Scobel und dem Regisseur von PARADISE NOW, Hany Abu-Assad. Er antizipiert hier schon sein Interview mit diesem Drehbuchautor und Regisseur.

Scobel mal ganz anders und doch immergleich: „Religion hat es schwer. Sie war mal für den Glauben, für Seele und Sinn verantwortlich. Im Fernsehen läuft derzeit eine Werbung, die festhält, was geschehen ist: ‚Nutella ist für die Seele.‘ Eine Nussnougatcreme erklärt sich für die Seele zuständig“.(4) Ist denn eine gut schmeckende Nußnougatcreme nicht mehr wert als Religion und Sinn? Zudem ist die Zeitschrift „DU“ für Scobel „unmittelbare Ansprache“ (5), als ob nicht die Gesellschaft je als vermittelte dem Einzelnen sich darbietet. Gert Scobel ist gegen Nutella und gegen Schlagermusik, jedoch fürs antisemitische Gesamtkunstwerk Wagners, für Religion, Rituale, Opfer und PARADISE NOW.

Ob solch geballter Ladung Affirmation herrschender Zustände ist es naheliegend, daß Gert Scobel für den Adolf-Grimme-Preis 2005 vorgeschlagen wurde, der im März vergeben wird.(6) Ob das Interview mit dem suicide bomber-Fan Hany Abu-Assad Scobels TV-Karriere trüben wird, ist mehr als unwahrscheinlich: in Deutschland gilt der Antizionismus/Antisemitismus gleichsam als Entréebillet. Dann stehen die Tore von NDR oder WDR weit offen. Auch das ZDF mit dem notorischen Anti-Amerikaner Claus Kleber freut sich.

Doch das am Mittwoch, gestern, gesendete live-Interview mit Hany Abu-Assad über PARADISE NOW übertrifft doch noch so manches. Ganz glücklich darf Abu-Assad erzählen: er habe viele „Gespräche mit suicide bombern gehabt“, die ihm das wirkliche Leben dieser Menschen näher gebracht hätten. Um „Probleme zu lösen, müsse man zu den Menschen selbst gehen“. Er sei „Pazifist“ und gegen das „Töten“, „egal ob es vom Militär oder vom Terror oder so komme.“ Die gezielte Gleichsetzung von strategischen, begrenzten, demokratisch geplanten und legitimierten Maßnahmen zur Verhinderung von Terrorattacken und Mordanschlägen durch die IDF mit den auf Vernichtung von Juden zielenden palästinensischen Angriffen ist untragbar. Daß der TV-Moderator das nicht nur durchlässt sondern geradezu ersehnte mit seiner Anmoderation von wegen einem „exzellenten Drehbuch“, verwundert jedoch nicht mehr.

Er läßt Abu-Assad die pure Ideologie des suicide bombing erzählen; Auf die Frage, wie das mit der Szene der Videos sei, die vor den Morden der Attentäter aufgenommen werden, wo doch die Kamera mehrfach versagt und die Leute Fladenbrot essen, zwischendurch etc., sagt Abu-Assad: „And believe me – in reality it is much more funnier“ (beide lachen herzlich). Viel lustiger als im Film ist also die Wirklichkeit in der Westbank, wenn sich die Palästinenser auf das Töten von Juden vorbereiten. Was würde passieren wenn ein NPD-Fraktionsmitglied aus dem sächsischen Landtag, in einem Interview mit Anne Will von den Tagesthemen sagen würde: „Die Realität unserer Kameradschaftstreffen, wo wir planen, welche Flüchtlinge, welche Synagoge und welche Antifas wir nächste Woche zu Tode prügeln, anzünden oder abstechen, diese Realität ist ur-komisch, wir hören Oi-Musik, trinken etwas, lachen, klopfen uns auf die Schenkel etc“. Was, wenn ein Nadelstreifen-Neonazi so reden würde, also mit der Wahrheit herausrücken würde wie Abu-Assad? Das wäre ein Aufschrei von SPD bis CSU, die Will müsse gehen, so eine Hetze von Nazis durchgehen zu lassen etc.

Diese Hetze ist gesendet worden, Abu-Assad sagt, er habe mit Menschen gesprochen, die vorhatten ein Attentat zu machen. Er läßt das Publikum teilhaben an den religiösen Waschungen zur Vorbereitung eines Selbst- und Massenmörders. Dann, wiederum lachend, wird Abu-Assads Aussage „Das Töten nicht in eine so böse Ecke zu stellen“ sei Motivation für den Film gewesen, stehen gelassen; ja noch mehr herausgekitzelt aus diesem Filmemacher: „um überleben zu können, töten die Menschen seit Tausenden von Jahren“. Abu-Assad betreibt eine entpolitisierende Anthropologisierung.

Schließlich – und dieser Wahnsinn ist nicht zu überbieten – geht es in dem Film PARADISE NOW, so Abu-Assad, darum zu zeigen, „wie die Menschen überleben können in so einer Situation“ – nämlich nur als suicide bomber, denen „Respekt“ gezollt werden müsse, denn auch „das Üble ist ein Bedürfnis“ (Abu-Assad) in diesem „absolut beeindruckenden Film“, mit seiner „dokumentarischen Kraft“ und den „starken Charakteren“ (Scobel). Auf der Pressekonferenz am Montag, 14.02.2005, sagte Abu-Assad: „Die Besetzung durch Israel ist es, was die Palästinenser zwingt, das zu tun, was sie tun.“

Ein Palästinenser kann demnach nur überleben indem er sich selbst und vor allem viele Juden umbringt.

Anmerkungen:
(1) http://www.taz.de/pt/2003/03/07/a0140.nf/text
(2) Paul Lawrence Rose (1999): Richard Wagner und der Antisemitismus, München/Zürich (Pendo), S. 262.
(3) http://www.seniorentreff.ch/diskussion/archiv6/a1828.html
(4) http://www.dekanat-hof.de/meinungdesmonats/meinungmaerz02.htm
(5) http://www.dumag.ch/bisher.php?id=199
(6) http://www.presseportal.de/story.htx?nr=641191&firmaid=6348

hagalil.com 18-02-2005

 

„Klaus der Woche“: Antisemitisches Video im NDR-Fernsehen

Dieser Text erschien zuerst am 28.04.2004 auf www.hagalil.com

Am 22. April 2004 wurde in der Sendung Extra 3 beim ARD-Sender NDR ein antisemitisches Video ausgestrahlt. Der „Klaus der Woche“ stellt Ariel Scharon vor. Wir möchten Sie bitten, gegen dieses Hetz-Video zu protestieren.

Scharon wird gleich zu Beginn dieses Videos im Kreise tanzender Juden gezeigt, danach: „Scharon, kennt Ihr nicht ? Erklär ich euch: Scharon ist der Chef-Boß von Israel“. „Der will da ganz viel Frieden“ und Scharon knutscht ein Tierchen auf seinem Arm. „Die Idee mit dem Frieden hat er schon damals gehabt, als er mal mit dem Panzer in Israel spazieren gefahren ist“ – 1948, Bilder von Panzern. Damit wird den ‚Kindern‘, die Extra 3 schauen, das ganze ist eine Parodie auf die Sendung mit der Maus, schon mal erklärt, nicht die arabische Seite hat den UN-Teilungsplan nicht akzeptiert und Israel nicht akzeptieren wollen, sondern die Juden, denn als solcher wurde Scharon ja im Kreis orthodoxer Juden in der ersten Scharon-Sequenz gezeigt, die Juden also fahren Panzer, merken aber plötzlich, dass da noch andere sind.

In der nächsten Sequenz sitzt der ideelle Gesamtjude, schwarz gekleidet, super lachend auf einem mit PLO-Tuch bekleideten Palästinenser, der das Schild „doof“ vor sich hin hält, auf dem Rücken. Juden quälen Palästinenser, die sind die Doofen. Das Bild vom verschlagenen, geschickten, hinterhältigen Juden, der die ‚Dummen‘ ausbeutet und benutzt, wird hier transportiert. Das ist primärer Antisemitismus.

Dem armen Arafat wurde „der Balkon vergrößert, kostenlos“ (die Mukatha angegriffen) und Siedlungen gebaut. Und was gehört zu Siedlungen dazu ? „Der größte Gartenzaun der Welt.“ Und dann mit den Bildern von in Reihe stehender suicide-bomber: „Da sind die Palästinenser vor Freude in die Luft gegangen“, und es ist eine Explosion zu sehen und zu hören. Damit wird dem antisemitischen Kindergarten, der genüßlich das NDR-Programm am Abend goutiert, erklärt, die Massenmorde an Israelis sind aus Reaktion über die Siedlungen entstanden.

Der ideologische Charakter des Islamismus und Antisemitismus/Antizionismus wird im Huldigen der suicide-bombers, die ja nur als völlig berechtigte Reaktion auf Scharon da stehen, geleugnet. Solche mediale Verkürzung hat insbesondere zu Zeiten aktueller politischer Debatten, Kongresse wie der gerade stattfindenden Konferenz des World Jewish Congress bzw. der OSZE Konferenz zu Antisemitismus eindeutig den Charakter von Aufstachelung der Bevölkerung, von Schüren von Hass auf israelische Politiker wie den israelischen Staatspräsidenten Katsav, der am Mittwoch Gast in Berlin sein wird, während das antisemitische Video des NDR bereits zur gleichen Zeit, seit dem 26.04.2004 wenigstens, online einzusehen ist.

Die Siedlungen fand nur „Meckerscheich Yassin voll Kotze“. „Und warum ? Einfach so, einer nörgelt immer“. Der Judenhasser und Freund der Nazis (vgl. Yassin Interview vom Frühjahr 2003) wird als „Meckerscheich“, der „nörgelt“, als Opfer der Israelis, als Opfer des brutalen Mörders Scharon gedacht. Der Beitrag des NDR kann geradezu als Epitaph der Hamas gelesen werden!

Den auch Rantisi wird als armes Opfer blinder Gewalt dargestellt, Scharon als der noch schrecklichere Kriegsherr wie Bush, dessen Soldaten in der vorherigen Einstellung knapp einem Bombenanschlag im Irak entkommen waren (und für diesen „Frieden selbst verantwortlich gemacht werden“, also nicht gesagt wird, daß die Freunde des Massenmörders Hussein hinter den Anschlagsserien im Irak stecken, sondern die USA selber, so der infame Bericht), was unter „Frieden im Irak“, den Scharon noch „besser“ hinbekäme, firmiert. Scharon wird als einer, der Rantisis den Kopf abschießt, was filmisch widerwärtig gemacht wird, an den Pranger gestellt, alsbald aufgehängt, zuerst als Puppe…

Es wird in diesem Video noch nicht einmal die übliche links-autonome Gleichsetzung von Bush und Bin Laden, Scharon und Yassin getrieben, sondern in der Tat gleichsam als Grabesinschrift einer ganzen Generation Hamas-Kämpfern und Ideologen wie Yassin und Rantisi gedacht, nicht als Massenmörder, sondern als Friedensfreunde, die seit 1948 von einem panzerfahrenden Ober-Boß der Israelis gedemütigt und massenhaft ermordet werden. Der Norddeutsche Rundfunk ehrt den Islamismus und seine Führer – beide eint der Hass auf Israel als jüdischem Staat.

Israelis sind Täter, die hier mehrfach in Stürmer-Manier als widerliche Juden dargestellt werden – komische Haare, schwarz angezogen, lachend auf dem palästinensischen Opfer sitzend, ihn körperlich quälend, Scharon dagegen als Tierfreund gleich in zwei Szenen ! Scharon mag Tiere und tötet Menschen, das soll rüber kommen.

Am Schluss des Videos wird ein am Baum hängender Scharon gezeigt, als Puppe (an der die Palästinenser „hängen würden“) und schließlich – jetzt ohne jede Ironie – eine Israel-Fahne verbrannt.

Das Video von Extra 3 verunglimpft die jüdische Religionsgemeinschaft, indem tanzende Juden lächerlich gemacht werden, über orthodoxe Juden und deren Frisur abwertende, geschmacklose Bemerkungen gemacht werden und die selben Juden als böse Menschen, die Palästinenser ausbeuten, auf deren Rücken sitzen und hämisch lachen.

Wir protestieren aufs Entschiedenste gegen dieses Video und rufen dazu auf, sich beim Sender zu beschweren.

Das Video ist hier zu sehen:
http://www.ndr.de/tv/extra3/

Anmerkung: Das Video wurde mittlerweile aus dem Netz genommen!

Email: fernsehen@ndr.de

hagalil.com 28-04-2004

 

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