Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: CDU

Antisemitismus im Jahr 2022: Vier Beispiele (Teil 1)

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Der folgende Text ist Teil 1 eines Working Paper des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) zum Thema Antisemitismus im Jahr 2022: Vier Beispiele.

1. Ukraine, Holocaustverharmlosung, „Vernichtungskrieg“ und „Zivilisationsbruch“

Einer der stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein, sprach am 22.04.2022 im ZDF-Morgenmagazin über einen Antrag der CDU/CSU im Bundestag für die Lieferung von schweren Waffen für die Ukraine (wer wirklich gute Nerven hat, kann sich das in der Mediathek anschauen). Am 28.04.2022 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Damit ist Deutschland seit 1945 das erste Mal wieder im Krieg gegen Russland. Die Ukraine hat schon angekündigt, auch Ziele in Russland anzugreifen, damit wäre Deutschland Teil eines Angriffskrieges auf das Territorium Russlands.

In diesem knapp fünfminütigen Gespräch im ZDF, das pars pro toto für die aktuelle deutsche Ideologie steht, verharmlost dieser CDU-Politiker den Holocaust auf bemerkenswerte Weise. Er verwendet erstens das Wort „Vernichtungskrieg“, um den ganz normalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der sich um gar nichts vom Angriffskrieg auf Jugoslawien von der NATO und Deutschland 1999 oder von den USA und ihren Verbündeten 2003 im Irak, von Saudi-Arabien bis heute im Yemen und von unzähligen weiteren Kriegen seit 1945 unterscheidet, zu dämonisieren. Es würde was ganz besonders Schreckliches in der Ukraine passieren. Und dann verwendet dieser zwar sicher nicht sonderlich gebildete, aber doch immerhin mit einer enormen Machtfülle ausgestattete CDU-Politiker gar das Wort „Zivilisationsbruch“, der von Russland und Putin in der Ukraine verbrochen werden würde:

Es ist nicht nur ein rechtswidriger Angriffskrieg, sondern ein Zivilisationsbruch sondergleichen.

Weiter fabuliert der CDU-Großagitator unwidersprochen vom ZDF-Moderator:

Die Freiheit Deutschlands und Europas wird zur Zeit in der Ukraine verteidigt.

Das ist natürlich pure faktenfreie Propaganda. In der Ukraine wird überhaupt nichts verteidigt, außer eben der Ukraine. Wenn jemand eine Gefahr für Europa darstellt, dann ist es die Ukraine mit ihren Tausenden Neonazis, die schwer bewaffnet und politisch gut vernetzt sind. Sollte die Ukraine in die EU aufgenommen werden, hätte die EU nicht nur einen extrem korrupten Oligarchenstaat an der Backe, sondern auch diese brutalen Extremisten.

In dem Vortrag „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“ von 1962, den der Soziologe und Philosoph Theodor W. Adorno vor dem Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit hielt, geht es um „Krypto-Antisemitismus“.[1] Es geht um das Gerücht, das Tuscheln, aber es geht auch um die Erinnerungsabwehr, daher der von Adornos Mitarbeiter Peter Schönbach kreierte Begriff „sekundärer Antisemitismus“.[2] Was damals „Dresden“ war ist heute „die Ukraine“:

Beispiel: das beliebte Schema des Aufrechnens; daß es zwar wahr sei, soundso viele Juden wären umgebracht worden; ‚Krieg‘ – so wird einem dann bedeutet – ‚sei Krieg, dabei flögen eben Späne, aber Dresden wäre doch auch entsetzlich gewesen‘. Kein Vernünftiger wird das bestreiten, wohl aber das ganze Schema des Denkens, die Vergleichbarkeit von Kriegshandlungen mit der planmäßigen Ausrottung ganzer Gruppen der Bevölkerung.“[3]

Ja, mehr noch: Von der Kollaboration ukrainischer Antisemiten und Judenmörder ist von dem CDU-Typen nichts zu hören. Dabei stehen in Dutzenden Städten in der Ukraine Büsten, Statuen oder Denkmäler zu Ehren solcher Antisemiten. Viele Straßen und Plätze sind nach ihnen benannt. Nehmen wir Yaroslav Stetsko als Beispiel. Zu seinen Ehren steht in der Großstadt Ternopil, ca. 130 km südöstlich von Lwiw („Lemberg“, früher Galizien), eine Büste. Wer war Stetsko? Ich komme gleich auf ihn zurück.

Verharren wir erst einmal kurz bei dem CDU-Politiker. Was motiviert ihn, den Vernichtungskrieg der Deutschen mit dem ganz normalen Krieg gerade Russlands zu analogisieren? Es liegt nahe, unterbewusst genau jene antisemitische Denkweise zu erahnen, die eben aufrechnet und damit erstens den Holocaust verharmlost und in die ganz normale Geschichte von Kriegen einbettet und zweitens somit eine stabilere deutsche nationale Identität zulässt – wenn doch andere überhaupt nicht besser sind als die Nazis damals.

All das fällt niemand mehr auf, der Mainstream stoppt solche Agitation nicht nur nicht, sondern befördert sie tagtäglich mit solchen Sendungen, den die Demokratie täglich mehr zerbröselnden, so einseitigen wie unwissenschaftlichen Talkshows, und den a-sozialen Medien vorneweg.

In diesem Fall hat die CDU mit solchen Statements Scholz und die SPD vor sich hergetrieben und am heutigen Donnerstag, 28.04., weilt der Kanzler in Japan, während der Bundestag das erste Mal in seiner Geschichte de facto einen Krieg an Russland erklärt. Was für ein historisches Versagen von Olaf Scholz und fast aller Deutschen. Scholz ist für diese seit 1945 nie dagewesene Kriegsbegeisterung, dafür waren die Deutschen ja zuvor schon berüchtigt, dankbar, wie für nichts in seinem Leben, wie es scheint:

Das Treffen der NATO auf dem US-Stützpunkt Ramstein vor wenigen Tagen unterstreicht, dass sich Deutschland, Amerika und fast der ganze Westen als Kriegstreiber verstehen. Die restliche Welt – also die übergroße Mehrzahl der Weltbevölkerung! – allerdings überhaupt nicht. Der Großteil der Weltgemeinschaft, China, Indien, Brasilien, Mexiko, Nigeria, ja ganz Mittel- und Südamerika, ganz Afrika, ganz Nahost (Israel ist gespalten, aber nicht so aggressiv gegen Russland wie Europa oder die USA) und ganz Asien (außer Japan) machen bei der Dämonisierung Russlands nicht mit, ohne den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands zu verharmlosen.

Die fünf Milliarden Euro, die der Westen, vor allem die USA, an Kriegsmaterial für die Ukraine bereitstellen, sind ein Freudenfest für die Rüstungsindustrie und werden noch mehr Menschen in der Ukraine töten. Diplomatisch wird der Krieg beendet, mit Waffenlieferungen wird er verlängert und Deutschland wie die USA und alle anderen – außer der Schweiz, die jetzt nicht mitmacht und keine Munition liefert für die deutschen Panzer – kokettieren mit Provokationen und einem Atomkrieg oder dritten Weltkrieg.

Dabei ist der Angriff Russlands auf die Ukraine zwar klar völkerrechtswidrig, aber das war der Irak-Krieg auch und das ist der aktuelle und viel mörderischere Krieg im Jemen (u.a. von Saudi-Arabien) auch, ohne jeden Aufschrei in Europa, die Opfer sind aber auch keine weißen blonden Frauen. Und entscheidend ist nun mal, wer stirbt und wer dafür verantwortlich ist. Wenn dunkelhäutige, jedenfalls nicht europäische (Australien, Neuseeland, Amerika und Kanada zählen als Ableger von Europa) Menschen in Nahost oder Afrika in Kriegen getötet werden, dann ist das keinen Aufschrei wert, Saudi-Arabien ist ja ohnehin schon ein extremer Waffenimporteur und zahlt auch gut, vor allem aber sind die Opfer weit weg und es sind keine Weißen.

Also ist der Krieg im Jemen kein Skandal, sicher gibt es auf Arte mal eine Doku zum Thema, aber keine Brennpunkte, keine Treffen in Ramstein oder Washington, D.C. Es geht um den Kapitalismus in der Ukraine, der muss mit aller Gewalt fest in westlicher Hand bleiben, Korruption hin oder her, und es geht um eine Umschreibung der Geschichte. Endlich kann das einzige Land, das wirklich mit unfassbarer Kraft und unbeschreiblichen Verlusten gegen Nazi-Deutschland kämpfte, selbst mit den Nazis in eine Linie gesetzt und ein neues Nürnberger Tribunal (heute z.B. in Den Haag) geplant werden.

Russland ist das größte Land Europas. Jetzt wird massiv daran gearbeitet, Russland und alle außerhalb Russlands lebenden Russinnen und Russen zu diffamieren und ökonomisch, sozial, kulturell auszuschließen. Es werden Konzerte mit Musik von Tschaikowsky abgesagt und Dirigenten entlassen, wenn sie nicht den Kopf von Putin gefordert haben. Diese antirussische Hetze muss umgehend aufhören.

Es muss auf diplomatischem Wege verhandelt werden. Die Ukraine muss über den Status der Ostukraine verhandeln und erklären, dass ihr militärischer Kampf gegen offenkundig Abtrünnige, der seit 2014 über 14.000 Menschenleben gekostet hat, verloren ist und es um eine Autonomie von Luhansk und Donezk gehen muss. Die Krim hat sich bereits vor Jahren in einem Referendum zu Russland bekannt, was nicht weiter verwundert, wenn man historisch argumentiert und daran erinnert, dass die Krim der Sowjetrepublik Ukraine 1954 „geschenkt“ wurde, also willkürlich Teil des Staatsgebietes wurde, nachdem es zuvor 170 Jahre russisch war und heute wieder russisch sein möchte.

Der Kern aber des Konflikts ist die Aggression durch NATO Manöver in der Ukraine seit Jahren. Der Putsch von 2014, der von den USA massiv unterstützt wurde, brachte die Ukraine endgültig auf einen ethnonationalistischen Kurs. Das heißt nicht, dass Putin und Russland nicht ebenso Ethnonationalismus betrieben und mit Dugin einen Heidegger affinen rechtsextremen Vordenker haben, der ideologisch den Kreml befeuert. Doch in Deutschland wie den USA und Europa wird der Konflikt völlig einseitig dargestellt, ein Schwarz-Weiß-Denken wie zu Zeiten des Kalten Krieges reaktiviert. Ukraine=gut, Russland=böse. Und so einfach ist die Welt nicht. Wer von dem Versprechen der USA und von Helmut Kohl, die NATO würde sich „keinen inch“ ostwärts ausbreiten nach 1990, nicht reden will, soll vom Ukrainekrieg schweigen.

Es muss um einen sofortigen Waffenstillstand gehen. Verhandlungen sind das Gebot der Stunde. Was aber macht der Westen? Er torpediert jede Verhandlung, indem er sich vollständig (sofort oder bis 2027) von russischem Öl oder Gas unabhängig machen will. Damit soll Russland tatsächlich komplett von Europa entfernt werden, so wie die offenbar in Kategorien von Sippenhaft denkenden Verantwortlichen des Tennisturniers in Wimbledon, die alle russischen und weißrussischen (!) Sportler*innen ausgeschlossen haben. Auch die UEFA und FIFA haben Russland ausgeschlossen, ja fast alle Sportverbände haben die Russen ausgeschlossen. So beendet man den Krieg in der Ukraine keine Sekunde eher, doch damit wird Vertrauen zerstört und regelrechter Hass auf alle Russen und alles Russische in einem seit 1945, selbst zu Zeiten des Kalten Krieges nicht dagewesenen Maß geschürt.

Die Ukraine muss unmissverständlich klar machen, dass sie sich von Holocausttätern, für die Denkmäler gebaut wurden, distanziert, dass sie nie in die NATO aufgenommen werden möchte und als Brückenland zwischen Russland und dem westlichen Europa fungieren könnte. Dafür gibt es Sicherheitsgarantien von Russland, die international abgesichert werden.

Auch der Angriffskrieg Deutschlands und der NATO gegen Serbien 1999 war ein Verbrechen. Es war ein doppeltes Verbrechen, erstens an der Bevölkerung in Serbien und zweitens an der Erinnerung an Auschwitz, das auf widerwärtige Weise vom damaligen (wie heute: grünen) Außenminister instrumentalisiert, ja in seinem Kern geleugnet wurde.

Diese Leute im Gefolge des US-Außenministers Austin wollen nicht etwa das Ende des Krieges in der Ukraine, sondern – völlig wahnsinnig – einen Sieg der Ukraine. Jeder Panzer, jedes Maschinengewehr und jede Flugabwehrrakete wird mehr Menschen in der Ukraine töten. Also will die deutsche Bundesregierung, dass noch mehr Menschen in der Ukraine sterben. Und natürlich will sie Russen töten, das ist eh klar. Deutschland will wieder Russen töten, das muss man sich klar machen, 77 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus. Die Rote Armee kämpfte gegen die ukrainischen Nationalisten und Antisemiten, die Teil von SS-Divisionen waren und der Wehrmacht halfen, Juden und Polen zu massakrieren. Die deutschen Waffen sollen auch helfen, die Denkmäler, die es in der ganzen Ukraine zu Ehren dieser Antisemiten und Holocaustbeteiligten gibt, zu schützen, denn das ist eine Konsequenz der militärischen Unterstützung dieses Landes.

Die jüdische Zeitung Forward hat eine umfangreiche Forschung des Journalisten Lev Golinkin publiziert, wo er das Gedenken an Antisemiten, Nazikollaborateure und Judenmörder weltweit dokumentiert. Die Ukraine hat ein besonders langes Kapitel. So heißt es über Stetsko:

Ternopil — A bust of the genocidal Yaroslav Stetsko (1912–1986), who led Ukraine’s 1941 Nazi-collaborationist government which welcomed the Germans and declared allegiance to Hitler. A rabid antisemite, Stetsko had written “I insist on the extermination of the Jews and the need to adapt German methods of exterminating Jews in Ukraine.” Five days prior to the Nazi invasion, Stetsko assured OUN-B leader Stepan Bandera: “We will organize a Ukrainian militia that will help us to remove the Jews.”

Das war die Ideologie des Vernichtungskrieges. Da mordeten die Wehrmacht, andere Nazi-Einheiten wie die SS oder die Einsatzgruppen Hand in Hand mit ukrainischen Nationalisten um Bandera (Organisation ukrainischer Nationalisten, OUN-B) oder Melnyk (OUN-M). Auch solche Denkmäler sollen jetzt mit deutschen Panzern und Geschützen verteidigt werden.

Es ist falsch, wenn Putin oder Russland von einem „Genozid“ im Donbass reden, genauso falsch wie die Rede von einem Genozid an den Ukrainern. Es ist aber für die politische Kultur der Ukraine schockierend, dass dort nach Antisemiten und Mördern, die nachweislich am Holocaust beteiligt waren, Denkmäler in der heutigen Ukraine errichtet wurden – fast alle seit Anfang der 1990er Jahre, als die heutige Ukraine entstand.

Aktuell im Kampf um Mariupol hat Putin die russische Armee und ihre Verbündeten angewiesen, das von ukrainischen Kämpfern gehaltene Stahlwerk nicht zu stürmen, sondern den Bewaffneten wie einigen dort verschanzten Zivilisten die Möglichkeit zu geben, sich zu ergeben. Das ist kein Vernichtungskrieg.

Im ZDF aber darf der CDU-Politiker eine direkte Linie vom Holocaust zum heutigen, alles nur nicht auf die Vernichtung der Bevölkerung gerichteten Krieg Russlands ziehen:

Auf dem Gebiet der Ukraine ist der Angriffskrieg von Hitler-Deutschland gegen die Sowjetunion mit besonderer Brutalität und Härte geführt worden.

Es ist exakt dieses oben analysierte Aufrechnen, das der CDU-Politiker hier betreibt. Das ist sekundärer Antisemitismus nach Adorno.

Da redet der Nicht-Historiker von der CDU von einem „Angriffskrieg“, doch das war tatsächlich der Vernichtungskrieg. Und bei diesem Vernichtungskrieg und im Holocaust waren gerade die Ukrainer aktiv beteiligt und enge Nazi-Kollaborateure. Nach einigen dieser Massenmörder sind heute in der Ukraine Straßen und Plätze benannt, nicht nur nach Stepan Bandera, dem bekanntesten Nazi-Kollaborateur und Antisemiten, sondern auch nach Roman Shukhevych, ukrainischer Nationalist und Massenmörder bei der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), Roman Rudiy, Mitglied der SS-Division Galizien, Yaroslav Stetsko, Kopf der ukrainischen Regierung, die mit der Wehrmacht und den Nazis zusammenarbeitete.

Im März 2021 wurde ein Fußballstadion in der Stadt Ternopil nach Roman Shukhevych benannt, was zu einem Protest des Simon Wiesenthal Centers bei der FIFA und zu einem Aussetzen der städtepartnerschaftlichen Kooperation mit der polnischen Stadt Zamość führte. Heute: alles vergessen, Waffen für die Ukraine!

Der Historiker Per A. Rudling hat den Antisemitismus, die völkische Purifikationsideologie („Ukraine den Ukrainern“) und die Pro-Nazi-Ideologie in einem wissenschaftlichen Aufsatz analysiert:

[The OUN periodical] Visnyk subscribed to a conspiratorial worldview. It perceived Bolshevism as a tool of Jewish dominance. The United States, as well as the Soviet Union, were controlled by Jewry, nationalist ideologues argued, and Jewish interests were setting Britain, France, and the United States against Nazi Germany. Referring to the United States, Visnyk spoke of “120 million Aryans over the ocean, under the yoke of Israel.” When Mussolini introduced anti-Semitic legislation in 1938, Visnyk approvingly cited the “practical realization” of the “Jewish question” in Fascist Italy. Nationalist intellectuals like Dontsov and Martynets presented the OUN with a racial theory.

Their repeated rejection of assimilation suggests that the OUN had internalized and “wholeheartedly accepted” a full- fledged, racial, anti-Semitic discourse by the late 1930s.36 The OUN described the 1918–1919 pogroms during the civil war in Ukraine as part of a “social liberation struggle.” Radicalized over the 1930s, anti-Semitism became particularly prominent between 1939 and 1943, reaching a high point in 1941–1942.

Leading members of the Bandera wing wanted Ukrainian Jews killed or removed, and offered to participate in the process. 39 In April 1941, the OUN(b) declared that they “combat Jews as supporters of the Muscovite-Bolshevik regime.” Its propaganda directives in the following month demanded the destruction of the Jews: “Ukraine for the Ukrainians! . . . Death to the Muscovite-Jewish commune! Beat the commune, save Ukraine!”

Soviel zu Stepan Bandera, seinem und der OUNs Antisemitismus. Warum der ukrainische Botschafter Melnyk, der am Grab von Bandera in München Blumen niederlegte und die Neo-Nazi Militärs der Asow-Einheiten feiert, ja sich Kritik verbittet und zugleich ein großer Fan des Antisemiten Bandera ist, weiterhin Botschafter in diesem Land sein darf, ist ein Rätsel. Zu normalen Zeiten wäre ein solcher Pöbler längst ausgewiesen worden. Aber die Politik von Scholz entspricht ja der Agitation des ukrainischen Botschafters, auch wenn der am liebsten Atomraketen hätte oder wenigstens das Verbot der russischen Sprache auf deutschen Schulhöfen etc.

Der Forward betont, dass auch in Deutschland weiterhin Krankenhäuser, Seenotrettungsschiffe, Straßen, Plätze oder Universitäten nach NS-Kriegsverbrechern und Antisemiten benannt sind wie nach Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Das war der letzte Krupp als Leiter des Krupp Konzern. Wegen Sklavenarbeit bei den Krupp-Werken, wo er ab 1943 alleiniger Chef war, wurde er in den Kriegsverbrecherprozessen 1947 zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt, aber 1951 von den Amerikanern begnadigt.

Seit 1931 war Alfried Krupp (1907-1967) ein eifriger Nazi und Förderer der Schutzstaffel (SS), seit 1938 Mitglied der NSDAP. Als er im Februar 1951 vorzeitig entlassen wurde, gab es Jubelstürme in Essen und er konnte zurück in die Villa Hügel fahren, wo er aufgewachsen war. Dass diese Villa eines Hauptkriegsverbrechers nicht enteignet und den Opfern der Politik der Krupp-Familie übergeben wurde, das ist symptomatisch für das Beschweigen und tatkräftige Beklatschen von Nazis in der frühen Bundesrepublik Deutschland, die ein post-nationalsozialistischer Staat war, der seine eigenen Verbrechen beschwieg und affirmierte.

Heute heißen zum Beispiel folgende Einrichtungen nach Alfried Krupp von Bohlen und Halbach:

Das Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Greifswald, das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen, der Seenotrettungskreuzer Alfried Krupp, ein Lehrstuhl für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht der Bucerius Law School sowie das Alfried Krupp College auf dem Campus der Jacobs University Bremen sind nach ihm benannt.

Der Forward-Artikel erwähnt noch weitere Nazis, nach denen Straßen oder Plätze etc. in Deutschland benannt sind, bis heute:

The country is strewn with streets honoring Wernher von Braun, who built rockets used to kill civilians in Allied nations; more than 10,000 concentration camp prisoners died constructing these weapons.

There are also streets named for Friedrich Flick, whose steel empire was built on the expropriation of Jewish businesses; Max Ilgner, an executive for IG Farben which produced the Zyklon B gas for the Auschwitz gas chambers; Albert Reinmann Jr., whose plants abused prisoners to the point where even the local Nazi Party office had to step in; and Ferdinand Sauerbruch, who headed the medicine branch of the Third Reich office responsible for authorizing horrific experiments on concentration camp inmates.

Oder denken wir an den Nazi, SS-Mann und Ariseur Hans Martin Schleyer, nach dem in Stuttgart eine Halle und in Esslingen am Neckar eine Brücke benannt sind.

Von all dem spricht der CDU-Politiker natürlich nicht. Er verharmlost aber Auschwitz und den Holocaust wie in Babi Yar unweit von Kiew, wenn er heute bei einem ganz normalen, schrecklichen, aber eben typischen Krieg wie im Blutdurst von einem „Zivilisationsbruch“ daherredet. Wadephul ist ganz stolz auf die deutsche Rüstungsindustrie, die sofort Panzer und schwere Waffen in die Ukraine liefern könnte – wäre Olaf Scholz bislang nicht so zögerlich in dieser Hinsicht.

Es ist ähnlich schockierend, dass da ein ZDF-Journalist bei der antisemitischen Rede vom „Zivilisationsbruch“, der hier und heute in der Ukraine geschehe, nicht abbricht oder die Frage stellt, ob dieser CDU-Mann überhaupt weiß, was der Zivilisationsbruch war. Denn das weiß dieser CDU-Politiker aus Schleswig-Holstein offenkundig nicht. Sonst wüsste er ob der Differenz von industriellem Massenmord an einem Volk, dem Töten um des Töten Willens in der Shoah, dem sechs Millionen Juden den Deutschen und ihren willigen Helfern wie in der Ukraine zum Opfer fielen, und einem ganz typischen Krieg.

Wer angesichts dieses ganz normalen Krieges, der nicht anders abläuft – eher harmloser – denn der Vietnam-Krieg oder der Irak-Krieg der Amerikaner oder ganz aktuell der äußerst blutige Krieg im Jemen, der schon bis zu 300.000 Tote gefordert hat, völlig durchdreht und von „Zivilisationsbruch“ daherredet, ist eine Gefahr für die Demokratie und die Holocausterinnerung.

Im Krieg herrscht Gewalt, aber vor allem geht es um Interessen. Es geht um Expansion, um Macht und Herrschaft.

Im Holocaust ging es weder um Interessen, noch um Expansion, Macht oder Herrschaft. Es ging um die Vernichtung der europäischen Juden. Jegliches Vertrauen in die Rationalität eines Kriegsteilnehmers wurde dort dementiert. Entgegen jeder Kriegslogik wurden die Juden vernichtet. Nichts auch nur im kleinsten Ansatz Vergleichbares passiert aktuell in der Ukraine oder im Jemen etc.

Es ist obszön, infam, unerträglich wie hier dieser CDU-Politiker Auschwitz verharmlost und das ZDF sendet es ohne Widerspruch, dem ZDF-Moderator ist es nur etwas zu vorschnell, dass die Deutschen ausgerechnet „Panzer“ liefern wollen, was doch nicht mal die Amerikaner, Franzosen oder Briten täten. Aber mit den Worten „Vernichtungskrieg“ und „Zivilisationsbruch“ hat der ZDF-Mann kein Problem, sonst hätte er da nachgehakt oder – wäre er konsequent – wegen antisemitischer Verharmlosung von Auschwitz dem CDU-Mann den Saft abgedreht.

Was unterscheidet Auschwitz, Sobibor, Treblinka und den Holocaust von allen anderen Verbrechen in der Geschichte der Menschheit? Dass sie mit jeglicher zivilisatorischen Gewissheit gebrochen haben. Sklaven wussten, dass sie am Leben bleiben, wenn sie sich so oder so verhalten, Kriegsteilnehmer konnten damit rechnen, gefangen genommen zu werden. Auch die auf geradezu widerwärtige Weise instrumentalisierten „Vergewaltigungen“, die dieser CDU/CSU-Vize hier erwähnt, sind bekanntlich in jedem Krieg Teil der Gewalt. Das ist kein Zivilisationsbruch.

Was war der Zivilisationsbruch? In diesem Band von 1988 steht:

Und indem Menschen der bloßen Vernichtung wegen vernichtet werden konnten, wurden auch im Bewußtsein verankerte Grundfesten unserer Zivilisation tiefgreifend erschüttert – ja gleichsam dementiert.

Weiter heißt es im Vorwort des Herausgebers Dan Diner:

Nicht die wirklichkeitsgetreue Rekonstruktion des Menschheitsverbrechens, sondern anhand des eingetretenen Dementis von auf Selbsterhaltung und Überleben gerichteten Denk- und Handlungsformen wird der Bruch offenbar, den Auschwitz zivilisatorisch tatsächlich bedeutet.

Die Journalistin Claudia Mäder sieht in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) die Inflation der maximalen verbalen Verdammung sehr kritisch. Treffend und ziemlich fassungslos geht sie auf ein Video der deutschen Bundesregierung von November 2020 zu Zeiten der Corona-Krise ein, wo ein alter Mann rückblickend diese Zeit des Rumlümmelns auf dem Sofa – dem totalitären Lockdown! – wie als Erinnerung an den „Krieg“ gegen Corona beschreibt. Und da als erster wohl der französische Präsident Macron vom „Krieg gegen ein Virus“ schwadronierte, ist es jetzt angeblich zu wenig, das, was Russland aktuell macht, einfach nur „Krieg“ zu nennen. Dabei war bis März 2020 Krieg eigentlich schon schlimm genug.

Und, ja, die russische Polizei kontrolliert sehr wohl, was die Leute so chatten oder welche Kanäle und Seiten sie in der Chronik haben etc. Auf der anderen Seite hat der andere Vladimir (Selenskyi) Oppositionsparteien verboten und Medien gleichgeschalten. Welche deutschen Medien und welche Politiker*innen der Regierung berichten von Kriegsdienstverweigerern in der Ukraine, die zum Militär- und Kriegsdienst gezwungen werden? Was für eine „Demokratie“ soll die Ukraine sein, die 18-60-jährigen Männern die Ausreise, also Flucht verweigert?

Wer heute Waffen an die Ukraine liefert, möchte unweigerlich, dass noch mehr Menschen in der Ukraine sterben. Sicher ist die unterbewusste Hauptmotivation dieser Waffenlieferungen das Töten von Russen, sehr wohl als Revanche für 1945 und den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. Wenn doch Putin irgendwie mit Hitler in einem Atemzug genannt werden kann, ja wenn beide jeweils einen „Zivilisationsbruch“ zu verantworten haben, dann sind wir endgültig quitt.

Wer jedoch heute von einem „Zivilisationsbruch“ faselt, möchte die Verbrechen der Deutschen im Holocaust diminuieren, ja diese Universalisierung leugnet das Nie Dagewesene und auch seither nie wieder Stattgefundene von Auschwitz, Sobibor, Babi Yar und Treblinka.

Wobei diesen Gedanken der Gleichsetzung von Rot und Braun oder von Moderne und NS, Landwirtschaft und Gaskammer schon kurz nach 1945 der einflussreichste deutsche Denker und Philosoph des 20. Jahrhunderts – dem eine gewisse Rolle auch bei den Coronapolitik-Kritiker*innen attestiert werden kann – formuliert hat, wie Teil 2 zeigen wird.

 

[1] Theodor W. Adorno (1962)/1998: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, in: Ders., Gesammelte Werke, Band 20/1, S. 360–383, hier S. 363.

[2] Ebd., S. 362.

[3] Ebd., S. 368.

 

Jakob – der Liebling der deutschen Volksgemeinschaft

 

Ein Wintermärchen, 2013

Auch ohne Schnee und Sonnenschein kuschelt das Land wieder, Anfang Januar 2013, es ist wie im Wintermärchen: Deutschland kennt keine Parteien mehr und nur noch Deutsche. Die Volksgemeinschaft im Jahr 2013 stellt sich hinter einen Journalisten, der auf Platz 9 der berüchtigtsten Antisemiten unserer Welt bzw. in die Top Ten der aus Sicht des Simon Wiesenthal Centers (SWC) „erwähnenswertesten antisemitischen respektive antiisraelischen Verunglimpfungen des vergangenen Jahres“ geraten ist. Was stört die Deutschen am meisten daran? Der Antisemitismus des Jakob Augstein und die Diffamierung, Dämonisierung und Ausgrenzung Israels? Das Schweigen der Augsteins dieser Welt über die wirklichen Gefahren und Kriege auf dieser Welt?

Oder stört eher die Kritik am Antisemitismus und an Deutschland? Lassen wir das „gesunde Volksempfinden“ zu Wort kommen:

„Mich interessieren nur die Macht-Mechanismen, die Broder mit seiner Empfehlung offenlegt: Wie kann eine Institution wie das Wiesenthal-Zentrum, das als seriös bewertet wird und großen politischen Einfluß besitzt, die persönliche Antipathie einer Revolverschnauze aufgreifen und aus der eigenen Arbeit eine Karikatur machen? Wird durch die Nominierung Augsteins nicht die ganze Liste überdeutlich zu dem, was sie wohl zuvor schon war: eine Farce?“

Von wem ist dieses Zitat? Von Christian Bommarius und der Frankfurter Rundschau, die Broder lieber im Knast oder Schlimmerem sähe denn als Bürger in Freiheit, von Juliane Wetzel vom sog. „The German Edward Said Center for Holocaust distortion and post-colonial Antisemitism“ an der Technischen Universität (Zentrum für Antisemitismusforschung, ZfA),  vom evangelischen Antisemitismusverharmloser Klaus Holz, dem Deutschlandradio und WDR5 und seiner Journalistin Liane von Billerbeck („Berlinerin mit ausgeglichener Klimabilanz, zwei erwachsenen Kindern, dem Hang zu märkischen Seen und Dichterfürsten“), vom Deutschen Journalistenverband (was soll man von dem auch sonst erwarten?), von Michael Wolffsohn, der Antisemitismus als eher läppischen und harmlosen „Unsinn“ umetikettiert und womöglich das Ansehen Deutschlands gefährdet sieht wenn Augstein wahrheitsgetreu kategorisiert wird, immerhin ist Augstein der anerkannte Sohn eines der seinerzeit mächtigsten Medienmänner, Rudolf Augstein, der mit Herzblut alten SS- und anderen Nazimännern im Spiegel Unterschlupf bot, sowie der leibliche Sohn von Martin Walser, dessen antisemitische Paulskirchenrede im Oktober 1998 die Abwehr der Erinnerung an den Holocaust und die Jagdsaison auf jene, die erinnern, zumal Juden, inoffiziell in der Frankfurter Paulskirche eröffnete;

oder ist das obige Zitat von der ex-Weinkönigin und stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Julia Klöckner, ihrem Kollegen im Geiste, Gregor Gysi von der antizionistischen Partei Die Linke, dem Journalisten Michel Friedman, für den weder Augstein noch Günter Grass auf so eine Liste gehören, oder doch eher von der konservativen Zeitung für Deutschland (FAZ), ihrem Feuilletonchef Nils Minkmar oder auch ihrem Interviewpartner, einem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden Salomon Korn, der  Augstein zwar so gut wie noch nie gelesen hat, aber sicher weiß, dass er zu Unrecht auf diese Liste des Simon Wiesenthal Centers gehört. Oder ist das repräsentative Zitat gar, Gottseibeiuns, von der jungen Welt, dem Neuen Deutschland, der taz, dem Freitag oder dem Vorzeige-Journalisten der ZEIT in solchen Fragen, Jörg Lau?

Nein, obiges Zitat ist von Götz Kubitschek, Autor der neu-rechten Postille Sezession, Geschäftsführer des Antaios Verlages, Co-Gründer des neu-rechten Instituts für Staatspolitik und ex-Redakteur der ebenso neu-rechten Jungen Freiheit. Selbst der Bundeswehr war sein Treiben zu bunt und er wurde 2001 vorübergehend wegen „rechtsextremistischen“ Aktivitäten entlassen. Kubitschek ist ein in der extrem rechten Szene beliebter Netzwerker, der im Oktober 2012 ein von bis zu 700 Leuten besuchtes Treffen (inklusive Politically Incorrect, PI) – „Zwischentag“ – organisierte.

Am 3. Januar 2013 stellte sich Kubitschek hinter Jakob Augstein und pries ein Büchlein an, das im Februar 2013 in seinem Verlag erscheinen soll:

„Günter Scholdt Vergeßt Broder! Sind wir immer noch Antisemiten? 96 seiten, gebunden, 8.50 € Schnellroda 2013.“

Der neu-rechte Aktivist Felix Strüning bewarb Kubitscheks extrem rechtes Netzwerk-Treffen im Oktober 2012 und lobt auch ein Antaios-Buch von Manfred Kleine-Hartlage, „Warum ich kein Linker mehr bin.“ Im selben Verlag erscheint auch einer der Superhelden der anti-muslimischen Liga, der norwegische Blogger Fjordman, der alle Muslime aus dem Westen schmeißen möchte, und zwar gründlich und langfristig (schrieb er im Dezember 2010). Antisemitismus, deutscher oder norwegischer Nationalismus, fast immer christlich grundiert, sowie Hass auf Muslime geben sich die Hand im Antaios-Verlag, der auch die Wehrmacht lobt und preist in ihrem „präventiven“ Krieg gegen die Sowjetunion, wie ein weiterer Titel dieser Propagandaschmiede verspricht. Schließlich, auch das ist Mainstream, wird der Antisemit und Käferaufspießer Ernst Jünger in diesem Verlag gefeiert.

Der Antisemitismus der rechten Szene (von neu-rechts bis rechtspopulistisch und rechtsextrem, je nach Lust und Laune soziologischer Differenzierung oder Appetit auf politikwissenschaftlichen Jargon) wird in dieser Hetze gegen Broder salonfähig. Denn obiges Zitat hätte von jedem anderen Augstein-Verteidiger kommen können. Nicht Augstein sei der Skandal, sondern Kritik am deutschen Antisemitismus, den der Sohn Martin Walsers gleichsam Pars pro toto verkörpert. Alle fühlen sich in Deutschland getroffen vom Simon Wiesenthal Center und kuscheln, von ganz links bis extrem rechts und mittendrin, wie im Wintermärchen.

 

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner