Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Compact Magazin

„Mit Nazis reden und mit Nazis Sport treiben“

Von Dr. phil. Clemens Heni, 18. Oktober 2017

Die Salonfähigkeit der Neuen Rechten zerbröselt die Demokratie und zementiert die Alltäglichkeit rechtsextremer Gewalt. Das Feuilleton klatscht, die Leitung der Frankfurter Buchmesse, die größte ihrer Art weltweit, lädt Neonazis ein und wundert sich, dass auch Neonazis kamen. Ein Blick in einen aktuellen Bestseller zeigt, warum das so ist. In dem Buch „Mit Rechten reden“ stellen die Autoren Per Leo, Daniel-Pascal Zorn und Max Steinbeis ihre „25 goldenen Regeln, die sich nach unserer Auffassung durch das Reden mit Rechten für das Leben gewinnen lassen“ auf, darunter: „5. Der andere könnte Recht haben“, „9. Achte Deinen Gegner“, „10. Ein Streit ohne Lachen ist kein guter Streit“, „18. Treibe Sport mit Nazis“ und „22. Bevor du jammerst, mach‘ Musik“.

So etwas wird heutzutage nicht nur gedruckt, sondern sogar ein Bestseller, weil alle geradezu geil darauf sind, zu erfahren, wie es sich anfühlt mit Menschen zu reden, die für den Mord an über 184 Schwarzen, People of Colour, Muslimen, Linken, Punkern, Obdachlosen, Behinderten, Nicht-Deutsch-genug-Aussehenden und anderen mit verantwortlich sind und die wieder stolz sind auf die deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen.

Schon die Historikerin Christiane Eisenberg hat vor fast 20 Jahren die Nazifizierung des Sports 1936 in ihrer Habilitationsschrift entgegen den Analysen der kritischen Sport- und Politikwissenschaft euphorisch dargestellt und wurde Professorin. Für sie waren Liegestühle, Blumenbeete und ein Kino für die Sportler der Olympiade 1936 in Berlin so berauschend und modern wie 1932 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles.

Mit Nazis Sport treiben zeigt nicht nur die moralische Verkommenheit des ganzen Landes, es zeigt vor allem, womit man heute Geld verdienen kann.

Umso beschämender, wenn selbst Kritiker der Nazis nicht auf der Höhe der Zeit sind. So sagt der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank, im Gespräch mit der taz Folgendes:

„Wir müssen die Situation noch einmal analysieren, das wollen wir auch gern mit der Buchmesse zusammen tun. Man muss für die Zukunft gucken, dass die Nazis ihre Inszenierung nicht noch einmal so durchziehen können. Ich weiß, dass es rechtlich schwierig ist, die Verlage ganz auszuschließen, auch gerade aufgrund der Erfahrung aus dem Nationalsozialismus im Umgang mit jüdischen Verlagen und Autoren. Aber rückblickend fand ich es schwierig, dass sie einfach einer unter vielen Verlagen waren und dass sie sich einen Platz im Programm einfach mieten konnten. Die Buchmesse hat durchaus versucht, damit umzugehen, und es gab auch gute Ansätze. Ich fand es bemerkenswert, dass die Buchmesse selbst eine Demonstration gegen Rassismus durchgeführt hat.“

Es war ohnehin bereits ein Fehler, dass die AAS wie auch andere Anti-Nazi-Gruppen auf diese Buchmesse gegangen sind und ja von vornherein für die Messeleitung als Alibi dienten, dass auch Neonazis eingeladen werden. Doch dieses Zitat ist ungeheuerlich. Reinfrank und die taz insinuieren, man müsse sich die Judenpolitik der Nazis und den nationalsozialistischen Antisemitismus vor Augen halten, wenn man heute Neo-Nazi-Verlage ausschließen möchte von einer Buchmesse.

Erstens ist das juristisch gar nicht belegt, was der AAS-Frontmann hier sagt: welches Gesetz soll es geben, das einem Verlag auf einer privaten (!) Veranstaltung, die Buchmesse ist eine privatkapitalistische Firma, die „Frankfurter Buchmesse GmbH“, das Recht gibt, aufzutauchen? Seit wann kann eine Buchmesse nicht entscheiden, welcher antidemokratische, zur Gewalt aufrufende Verlag nicht teilnehmen darf?

Edeka und Thalia verkaufen das rechtsextreme und verschwörungsmythische Compact-Magazin nicht mehr und das ist auch gut so und Teil einer demokratischen, wehrhaften politischen Kultur. Deshalb jaulten die extremen Rechten 2015 über diese Entscheidungen von Thalia und EDEKA.

Und selbst wenn es ein solches Gesetz gäbe: wie unmoralisch und unethisch muss man sein, um nicht offensiv zu fordern:

„ganz egal welche Grundlage es geben soll, Neo-Nazi-Verlage, die symbolisch für die über 184 seit 1989/1990 von Rechtsextremen Ermordeten und für die Bejahung des Nationalsozialismus und der deutschen Verbrecher und Verbrechen der Wehrmacht stehen, haben hier nichts zu suchen!“

Nein, dazu ringt sich die AAS nicht durch, dafür macht sie einen der größten PR-Fehler überhaupt: sie bietet den Nazis die Opferrolle an. Die hatten die Rechtsextremen schon längst angenommen, mit einem Flugblatt des Antaios Verlags vom 14. Oktober 2017, letzten Samstag, als sie die Kritik am Auftreten von Neonazis auf der Buchmesse zum Anlass nahmen, sich selbst als die Opfer wie die Juden ab 1933 zu präsentieren:

„Es ist das erste Mal seit 1933, daß im Lande der Bücherverbrennungen unliebsame Verlage und unerwünschte Bücher in einer öffentlichen Buchmesse wieder Opfer offener Gewaltakte werden.“ (Flugblatt, offenbar verteilt auf der Buchmesse am 14.10.2017)

Mit Nazis redet man nicht und man treibt auch keinen Sport mit Nazis.

Nazis gehören bekämpft und das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wie einem Ausschluss von einer Buchmesse. Damit soll gar nicht gesagt werden, dass sonst keine problematischen Verlage auf solchen Riesenevents auftauchten, auch antisemitische, ganz sicher. Aber diese Verlage sind zumindest keine körperliche Gefahr für Anwesende, während die diesjährige Präsenz von Junger Freiheit, Tumult, Antaios etc. dazu führte, dass ein Verleger mit einem Faustschlag verletzt wurde und über Tage hinweg für Linke oder dafür Gehaltene eine extreme Bedrohungssituation herrschte.

Wie tief sedimentiert mittlerweile das Gerede über „mit Rechten reden“ ist, zeigt also auf besonders absurde Weise das Interview mit dem AAS-Geschäftsführer in der taz. Evtl. würde ihm ein Geschichtsstudium helfen, zu verstehen, dass man den Ausschluss von Nazis hier und heute niemals auch nur im Ansatz mit dem Nazi-Antisemitismus nach 1933 vergleichen kann.

©ClemensHeni

TV-Duell: AfD-Propaganda-Show der vier führenden TV-Journalist*innen in ARD, ZDF, RTL und Sat1

Von Dr. phil. Clemens Heni, 4. September 2017

Das „TV-Duell“ von Merkel und Schulz war eine Fragestunde der AfD an die beiden Kandidat*innen, alle vier Journalist*innen – Sandra Maischberger, Claus Strunz, Maybrit Illner und Peter Kloeppel – haben von der ersten bis zur letzten Minute die Agenda der AfD gepusht.

Der Journalist Stefan Niggemeier sprach auf Twitter aus, was der minikleine denkende Teil der Bevölkerung dachte bzw. selbst auf Facebook oder anderen sozialen Medien gepostet hatte:

„Jetzt seit 40 Minuten nonstop: Die AfD fragt, die Große Koalition antwortet. #tvduell

Einziger Feind im Land: Nicht-Deutsche. Die reale Gefahr durch den Jihad wurde zur einzigen Gefahr stilisiert.

Die seit 1989 über 150 durch Neonazis und Rechtsextreme Ermordeten? Nicht der Erwähnung wert, peanuts.

Ganz normale Bürgermeister, die eine „Hitler-Glocke“ im Kirchturm von Herxheim in Rheinland-Pfalz feiern und stolz auf sie sind? Keine Erwähnung.

Der gleiche Bürgermeister (!) dieses wohlhabenden, sehr deutschen und strunzdoofen Weindorfes, ein Ronald Becker, möchte endlich wieder betonen, dass „Hitler“ doch auch Gutes gemacht habe – das Magazin Kontraste der ARD hatte am 31. August darüber berichtet, aber für die vier Superjournalisten ist dieser unfassbare Naziskandal keine Frage wert:

Sie ist eine der letzten ihrer Art: Die ‚Hitler‘- Glocke in Herxheim. Seit 83 Jahren hängt sie in der Dorfkirche und ruft die Gläubigen regelmäßig zum Gebet. Und das soll auch so bleiben, meinen Bürgermeister und Pfarrer. Trotz Hakenkreuz und ‚Führerspruch‘ – die Glocke klingt so schön und gehört einfach zum Ort dazu. (…)

Ronald Becker, Bürgermeister Herxheim:

„Wenn man den Namen Adolf Hitler nennt, dann ist immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten als erstes oben auf. Wenn man über solche Sachen berichtet, soll man umfangreich berichten. Dass man sagt, das waren die Gräueltaten und das waren auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir heute noch benutzen.“

So ein unglaublicher Skandal, der die politische Kultur in diesem Land aufs Erschreckendste kenntlich macht, ist den vier Mainstreamjournalisten, den Systemapologeten sozusagen, völlig wurscht. Das kümmert die nicht. Das ist keine Frage für eine Bundeskanzlerin oder einen Herausforderer, ob sie sich von einem Bürgermeister und seiner ihn verehrenden, widerlichen rheinland-pfälzischen, urdeutschen Dorfbevölkerung distanzieren und sie als das bezeichnen, was sie sind: Hitler-Anhänger.

Ein anderer Bürger dieses Dorfes sagte:

„Bürger

„Ich will sie auch gern vergessen. Das ist 70 Jahre her und für mich kein Problem.“

Diese beiden Männer haben die Nazi-Zeit in Herxheim als Kinder noch miterlebt. Später saß Bernd Schmidt sogar für die SPD im örtlichen Gemeinderat. Und dennoch ist er der Meinung:

Bernd Schmidt

„Es war nicht alles schlecht. Ich will nicht sagen, wir bräuchten heute noch mal einen Adolf Hitler, das brauchen wir nicht mehr, aber es war nicht alles schlecht, was Adolf Hitler gemacht hat.“

Kontraste

„Was war denn gut?“

Bernd Schmidt

„Als der Hitler an die Macht kam, wurden die Leute beschäftigt, die Autobahnen wurden gebaut, es gab keine Arbeitslosen mehr. Die Leute waren zufrieden.“

Dieser Bernd Schmidt ist also die männliche Ausgabe von Eva Herman, der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin. Die AfD fragt sich, warum sie bislang nur in Goebbels-Manier (Björn Höcke) hetzte, den Schießbefehl auf Nicht-Deutsche an der Grenze ins Spiel brachte (Beatrix von Storch), das Naziwort „völkisch“ wieder einführte (Frauke Petry) und Deutsche zu Nicht-Deutschen machte und rassistisch erledigen („in Anatolien entsorgen“) will (Alexander GAUland), aber nicht so offen Hitler lobte!

Die AfD sollte den vier Starjournalist*innen Illner, Maischberger, Strunz und Kloeppel die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit geben. Denn diese vier Journalist*innen sind mit verantwortlich, dass die rechtsextreme Agenda der AfD weiter tief im Mainstream verankert ist und solche Skandale, die die Wahrheit über Deutschland kenntlich machen, wie Herxheim, eben nicht auf die ganz große Tagesordnung vor dutzenden Millionen Zuschauer*innen gleichzeitig in ARD, ZDF, RTL und Sat1 kommen.

Die Agenda der extremen Rechten, von Boris Palmer (Grüne) über Ulrich Greiner und Matthias Matussek (Zeit) zu den Internetportalen Achgut, Politically Incorrect (PI), unzähligen verschwörungsideologischen Portalen, allen möglichen rechtsextremen Seiten, den Zeitschriften Compact Magazin, Junge Freiheit bis hin zu Pegida und vorneweg der AfD, wurde von den vier Vorzeigejournalist*innen gewissenhaft auf die Tagesordnung gesetzt. Islam, Doppelpass, In-die-Kirche-gehen (!): das waren die Fragen.

Vernichtungsfantasien gegenüber Linken durch AfD-Politiker im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern? Peanuts.

Nazis bei der Bundeswehr oder der Polizei? Kann man ignorieren. Dabei ist das Problem so groß, dass kürzlich bei einem Polizeieinsatz in Rostock die örtliche Polizei vom BKA, Bundesanwaltschaft und anderen Einheiten nicht vorab informiert wurde, weil nicht sicher war, ob die Rostocker Polizei Nazis in den eigenen Reihen schützen und warnen würde.

Polizeigewalt und Entzug von Akkreditierungen von Journalisten beim G20-Gipfel? Peanuts, „wir“ loben die Polizei und wollen sie besser ausstatten.

Mit der AfD wird erstmals in der Geschichte dieses Landes eine Nazipartei in den Bundestag einziehen – kein Thema für die Journalist*innen. Merkel meinte ganz am Schluss, sie würde weder mit der AfD NOCH der Linkspartei koalieren, als ob Rassismus und Nazismus das gleiche seien wie eine bescheidene linke Agenda.

Da lachen die Nazis, denn eine solche Abgrenzung ist keine: David Duke bedankte sich bei Trump, als dieser sich von BEIDEN Seiten, die in Charlottesville gewalttätig gewesen seien, den Nazis wie der Antifa, distanzierte.

Ein solches Braun=Rot-Spielchen erkennen die Nazis sofort als Weißwaschung.

Das TV-Duell zeigte, wie die AfD in wenigen Jahren dieses Land vollends zerstört hat, die politische Kultur ist eine rechtsextreme. Die Journalist*innen in diesem Land wurden durch diese vier Persönchen zu Fürsprechern der Agenda der AfD. Kein eigenes Denken, keine Kritik, sondern Affirmation des rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Diskurses der extremen Rechten.

Der einzige minikleine Lichtblick dieses unerträglichen 97-Minuten-Fernsehspektakels für die AfD war eine Rand-Bemerkung von Martin Schulz: beim Thema Jihad und Islamismus erwähnte er als einziger die Gefahr für „Israel“. Es mag ein Lippenbekenntnis sein, aber es war eines – sonst hat niemand den Judenstaat auch nur erwähnt!

Die Absurdität, Michael Müller auf die Liste des Simon Wiesenthal Centers der schlimmsten antisemitischen Äußerungen 2017 zu setzen, weil er sich z.B. nicht ausreichend von der antisemitischen BDS-Kampagne distanziert habe und gar nicht gesagt wird, dass sich seine Partei, die SPD Berlin, per Beschluss von BDS distanziert und sein Kabinett im Berliner Senat mit Klaus Lederer (Die Linke) einen der schärfsten Kritiker des Antisemitismus und pro-israelischen Redner auf Pro-Israel-Demos in seinen Reihen hat – kein Thema. Selbst die jüdische Gemeinde zu Berlin ist gegen die Aufnahme Müllers in diese Liste.

Wer darauf gehört, ist der Bürgermeister von Herxheim, Ronald Becker, mit seiner volksgemeinschaftlichen Dorfbevölkerung.

Oder Donald Trump, der sagte, bei denen, die in Charlottesville „JEWS will not replace us“ schrien, seien „fine people“ dabei gewesen. Das ist ein Top Ten Platz der schlimmsten antisemitic slurs 2017.

Auf absolut schockierende Art und Weise wurde in der ARD, dem ZDF, RTL und Sat1 am Sonntag, den 3. September 2017, ab 20. Uhr 15, also Prime Time 97 Minuten lang die Wahrheit gezeigt: so elendig ist der deutsche Journalismus, Maischberger, Strunz, Kloeppel und Illner haben das wahre Gesicht des extrem rechten Mainstreamjournalismus, der den Nazis nach dem Maul redet, gezeigt. Die Journalist*innen waren noch viel übler, angepasster an den rechtsextremen AfD-Diskurs, als die Kanzlerin bzw. Schulz, die mit ihren Plattitüden einfach nur Schlaftabletten waren wie immer (Ausnahme von Schulz siehe oben).

Die AfD war gar nicht geladen zu dem Duell und doch der einzige Sieger. Verlierer sind die Flüchtlinge, die Demokratie, linke Gesellschaftskritik und die Kritikfähigkeit des Journalismus.

©ClemensHeni

Die Welt schaut auf diese Stadt: Nazis, die AfD und das „Pack“ in Berlin stehen wieder vor dem Einzug ins Parlament

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Wer AfD wählt hat offenkundig kein Problem mit Rassismus, Deutschnationalismus und Antisemitismus.

Jede Wählerin und jeder Wähler bekommt seit über zwei Jahren mit, wie nazistisch, rassistisch, antisemitisch, völkisch und deutschnational die AfD ist.

Alle wissen das, da es noch nie eine so massenmediale Verbreitung der Hetze einer nicht mal im Bundestag vertretenen Partei wie der AfD gab, von Günther Jauch über Anne Will und Fank Plasberg hin zu Sandra Maischberger etc. pp.

Wir müssen weg von der „Konsensdemokratie“, die noch mit jedem Nazi ernsthaft redet und ihn „zurückholen“ möchte – es geht um klare Grenzen, z.B. Rassisten oder Antisemiten gerade nicht medial zu promoten und nicht in TV-Talkshows einzuladen. Das ist eine Message und Kritik des Spiegel Kolumnisten Georg Diez. Weniger die AfD promoten, denn sie ignorieren oder kritisieren. Ich würde sagen: über die AfD reden, nicht mit ihr. Das ist antifaschistische Grundausbildung.

Antifa (nicht Carl Schmitt) statt Habermas. Kritik statt Konsens.

In der AfD sprechen Agitatoren wie Goebbels, spielen mit einem Schießbefehl auf Flüchtlinge an der Grenze, promoten die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion, diffamieren das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und sind gegen Abtreibung, alle zusammen hetzen gegen Angela Merkel und wollen am liebsten eine demokratisch gewählte Kanzlerin wegputschen oder gewaltsam entfernen.

Galgen für Gabriel und Merkel auf Pegida-Demo in Dresden – Pegida ist ein ungeistiger wie praktischer Verbündeter der AfD und Pegidisten sprachen schon auf AfD-Veranstaltungen, die AfD ist gegen Moscheebauten wie in Erfurt.

Auf einer AfD-Demo wird gegen die USA agitiert und antiamerikanische Verschwörungsmythen werden promotet. Das vom extremen Rechten Jürgen Elsässer geführte Compact-Magazin fantasiert hierbei davon, das ganze Land sei von NSA und USA  besetzt – so Poster auf der großen bundesweiten AfD-Demo am 7.11.2015 in Berlin:

AfD-Demo, 7. November 2015, Berlin; Foto: Sören Kohlhuber

AfD-Demo, 7. November 2015, Berlin; Foto: Sören Kohlhuber

 

In Berlin fordert ein AfD-Mann alle Flüchtlinge in „Lager“ zu stecken, in unbewohnten Gebieten.

Jene „Klimaverschärfung“, von der die Journalistin der Stuttgarter Zeitung Katja Bauer im November 2015 sprach, ist in einem Maße eingetreten, dass es wohl nur sehr wenige AnalystInnen zu ahnen vermochten.

JEDE Wählerin und JEDER Wähler der Alternative für Deutschland (AfD), von den Funktionären nicht zu schweigen, agieren de facto antisemitisch und rechtsextrem. Es zählt die gesamte Partei und die steht – vorneweg Petry, Gauland, Meuthen, Höcke – für Antisemitismus, Rassismus, Deutschnationalismus und Kokettieren mit dem Nationalsozialismus wie der Trivialisierung und Verhöhnung der Opfer von Auschwitz, wenn Holocaustopfer mit heutigen Flüchtlingen in Zügen analogisiert werden, wie es der Berliner AfD-Vize Hugh Bronson tut.

Ein bekannte Neo-Nazi-Taktik ist heutzutage, die ungeheuerlichsten Sachen zu sagen, die entsprechende Reaktionen zu bekommen, zumindest von dem Teil der Bevölkerung, der nicht antisemitisch, rassistisch und deutschnational oder eiskalt abgeklärt ist, und dann scheibchenweise Nazi-Ideologeme oder andere problematische Topoi wieder zurückzunehmen, was in jedem einzelnen Fall unglaubwürdig ist und die WählerInnen das Augenzwinkern jeder Rücknahme natürlich sehen.

Andere wie die CSU nehmen de facto bestimmte Teile der AfD-Ideologie auf und verschärfen sie sogar noch, wie Claus Kleber im ZDF am Beispiel Horst Seehofer verdeutlichte.

Jeder Wähler und jede Wählerin in Berlin, der oder die AfD wählt, verdient Verachtung und politische und soziale Isolation. Diese Menschen gehören nicht zu einer demokratischen Gesellschaft. Sie gehören bekämpft. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Nehmen wir als letztes ein besonders krasses und abstossendes Beispiel (als ob es da eine Hierarchie des Ekels geben könnte bei der AfD):

Der Berater der Vorsitzenden der AfD, Frauke Petry, Michael Klonovsky, schreibt am 11.09.2016 auf seinem Blog:

„eine Frau ohne Kinder ist eine traurige, zuweilen sogar tragische Figur. Sie hat den eigentlichen Zweck ihres Daseins verfehlt.“ –

Angesichts dieser Frauenverachtung, die zu den „Lebensschützern“, die am 17. September 2016 in Berlin wieder aufmarschieren,  passt, gilt:

Kein Platz für die AfD, andere Mutterkreuz-Nazis, Frauenverachter und christliche FanatikerInnen in Berlin und nirgendwo sonst.

Die Ideologie der AfD ist ganz offen völkisch.

Es ist moralisch noch viel schlimmer nach 1945 das Wort völkisch zu benutzen denn z.B. 1897, damals bereitete es den Judenmord vor, ohne zu ahnen, ob und wie er passieren wird – nach 1945 ist es eine Zustimmung zu Auschwitz. Ein Wörtchen, das für die Affirmation des deutschen Verbrechens der Vernichtung des europäischen Judentums steht. Natürlich augenzwinkernd, AfD-Taktik.

Doch nicht wenige Journalisten und Historiker (gerade solche, die gegen die AfD sind) scheinen nicht zu verstehen, dass die Neue Rechte nach 1945 agiert und diese Bejahung der deutschen Verbrechen im Wieder-Verwenden eines Adjektivs wie „völkisch“ drin steckt und gerade kein Zurück ins Kaiserreich oder der Weimarer Zeit meint.

Wer heute von völkisch redet wie Petry zwinkert den AnhängerInnen zu: „Auschwitz, not sooo bad“ … Sie weiß ob der Perfidie ihrer Strategie, ohne den Holocaust zu leugnen oder offensiv zu bejahen.

Zur völkischen Ideologie der AfD gehört das Nazi-Mutterkreuz wie die neonazistische Identitäre Bewegung zur ideologischen wie organisatorischen Grundausstattung.

Gerade die Linkspartei versteht jedoch häufig gar nicht den völkischen und nazistischen Charakter der AfD, sondern kapriziert sich oft auf die „soziale Frage“, den „neoliberalen Charakter der AfD“ oder äfft die AfD nach, wie die „heilige Johanna der deutschen Nationalbewegung“, Sahra Wagenknecht. Falsch. Es geht nicht um die „soziale Frage“ bei der AfD. Es geht um Deutschland, Rassismus, Hetze gegen alle Nicht-Deutschen bzw. Deutsche mit der aus Rassistenperspektive „falschen“ Hautfarbe wie Boateng, es geht um Nationalismus, Antisemitismus und das Kokettieren mit dem Holocaust und dem SS-Staat.

Das ist der Kern der Salonfähigkeit der Neuen Rechten und nicht „Abstiegsängste“, geringe Renten oder Arbeitslosigkeit und wie die Ausreden für völkische WählerInnen alle heißen.

Wählt morgen demokratisch und lasst euch vom AfD-Kuschelkurs und der Trivialisierung der Nazi-Gefahr der AfD einer Margarete Stokowski auf SpiegelOnline (SPON) oder eines Gerhard Appenzeller im Tagesspiegel nicht aus dem antifaschistischen und demokratischen Konzept bringen.

Stokowski hatte auf SpiegelOnline ernsthaft geschrieben, dass gerade die deutsche Geschichte doch gezeigt habe, Antifaschismus sei manchmal erfolgreich und manchmal halt nicht. Keine Panik also:

Deutschland ist ein Land, das eine außerordentlich gründlich dokumentierte historische Vorlage hat, auf die man jetzt zurückgreifen könnte, um sich zu informieren, wie rechtes Denken sich verbreitet, wie Widerstand dagegen aussehen kann, warum er manchmal scheitert und manchmal erfolgreich ist.

„Manchmal“ ist der „Widerstand“ halt „gescheitert“. Manchmal!

Auschwitz, Sobibor, Bergen-Belsen, Oranienburg, Majdanek sind halt passiert, Pech. Das seien lediglich Zeichen, dass „manchmal“ der Widerstand nicht erfolgreich war. „Manchmal“, Leute, also bitte nicht aufregen oder das Präzedenzlose, nie Dagewesene der Shoah thematisieren. Die ist nur ein Beispiel, wo es halt schief ging mit dem Widerstand.

Ist halt passiert. Dieses flapsig-lässig-geschwätzige Hinweggehen über das präzedenzlose Verbrechen der Shoah durch Margarete Stokowski ist typisch für viele heutige AutorInnen. Was es z.B. für Nachkommen von Holocaustopfern oder für Holocaustüberlebende und deren Nachfahren bedeutet, wenn eine Partei wie die AfD in Parlamente einzieht, ist ihr mit solchem Gerede offenkundig völlig schnuppe.

Und Gerd Appenzeller vom Tagesspiegel, ein erfahrener Journalist, der während des Zweiten Weltkrieges 1943 in Berlin geboren wurde, attackiert gar den Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller für dessen „Alarmismus“, weil dieser auch AfD-WählerInnen scharf angeht, da die Wahl der AfD als Nazi-Revival weltweit Schlagzeilen machen würde.

Ja, würde es, lieber Tagesspiegel, und dank dem Tagesspiegel wird die AfD auch weiter trivialisiert und lieber die SPD diffamiert in ihrer scharfen Attacke auf die AfD und – das ist so wichtig – dem Fokus auf die WählerInnen der AfD, ganz normale Deutsche.

Bei aller so scharfen Kritik an Sigmar Gabriel, der aus der SPD das gemacht hat, was sie heute ist (inklusive des Kungelns mit dem islamistisch-antisemitischen Regime in Teheran), sein Wort vom deutschen „Pack“ (nicht nur in Heidenau und Sachsen) geht in die Geschichtsbücher ein, weil es die Wahrheit ist. Auch sein Mittelfinger für die Nazis der Identitären Bewegung kam aus tiefstem Herzen und das ist gut so.

Und ganz zu Recht hat Gabriel in seinem Statement in Heidenau deutlich gemacht, dass Nazis auch im Sportverein, auf der Arbeit, im Kirchenchor oder beim Rockfestival, auf der Autobahnraststätte, beim „Odin-sei-bei-mir“-Rufen im Schwarzwald, beim Paintball-Spielen in der Lüneburger Heide, beim Einkaufen, im Fußball-Stadion nicht nur in Dortmund oder Dresden, dem Boxring oder beim Rumlungern und Warten auf das nächste „du Opfer“ oder „du Jude“ (wobei sie diese Ressentiments mit nicht wenigen muslimischen Jugendlichen teilen!) isoliert, attackiert und kritisiert gehören.

Wer nicht erkennt, in welcher gesamtwestlichen, zumal gesamteuropäischen Situation wir uns befinden, wo Rechtsextreme (darunter all jene zärtlich als „besorgte Bürger“, „Rechtspopulisten“, „Protestwähler“ etc. Kategorisierten) Wahlerfolge feiern und die politische Kultur massiv nach rechts verschieben, wie in Ungarn, Österreich, Schweden, Holland, Frankreich, England (und Trump in USA) – die oder der hat nicht kapiert, was diese Zeit auch hierzulande geschlagen hat.

Es geht um die Verteidigung der Demokratie, nicht mehr und nicht weniger, egal welche demokratische Partei man wählt – wobei die CSU eine Art zweite AfD in Bayern ist und es ist wiederum der nach extrem rechts abdriftende Berliner Tagesspiegel, der für eine erzkonservative oder „stramm konservative Politik“ plädiert bzw. sie lobt:

Ist es echt so schlimm? Gehen wir mal kurz die zentralen Forderungen der CSU durch: Flüchtlingsobergrenze von 200.000 Menschen, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Burka-Verbot, Vorrang für Zuwanderer „aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis“. Sind das verbotene Forderungen, ist es rechtsradikal, gefährden solche Ansichten den sozialen Frieden? Natürlich nicht. Es ist stramm konservative Politik.

Sicher ist ein Burkaverbot höchst angesagt. Die Würde der Frau ist unantastbar.

Aber alles andere ist Rassismus, namentlich der „Vorrang für Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis“ wie auch eine „Obergrenze“ für Flüchtlinge (!).

Wenn Michael Müller in der taz schreibt:

Die Tage der politischen Leichtigkeit sind vorbei, wir erleben eine Zeit, die mehr Ernsthaftigkeit von allen erfordert.

dann hat er die Zeichen der Zeit klar erkannt. Sicher ist das auch Teil des Wahlkampfes und das heißt nicht, dass man die SPD super-duper-toll finden muss, alleine schon das Ausgrenzen eines anti-islamistischen SPDlers wie Erol Özkaraca ist problematisch und sollte kritisiert werden:

Im Sommer 2015 hatte sich Özkaraca mit seinem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, wie er Muslim, überworfen. Es ging um die Frage, wie nah Islam und Staat sich kommen dürfen. Özkaraca interpretiert seinen Glauben liberal, er besteht auf einer strikten Trennung zwischen Religion und Staat. Saleh trat dagegen ein für einen Staatsvertrag mit Berlins muslimischen Verbänden, wie in Hamburg und in Bremen. Und er zeigte sich offen für eine Änderung des Berliner Neutralitätsgesetzes, das Lehrern sichtbare religiöse Symbole verbietet, also auch Frauen ein Kopftuch.

Vor dem Bürofenster Özkaracas ist eine ganze Batterie von seinen Wahlplakaten aufgestellt, versehen mit dem Konterfei des Kandidaten sowie politischen Slogans, die angesichts der allgemeinen Einfallslosigkeit der sonstigen gedruckten politischen Aussagen teils frech, teils provokant erscheinen. „Der Rechtsstaat gilt überall. Sogar in Neukölln“ steht dort zu lesen, oder „Religion ist Privatsache. Extremismus nicht“.

Die SPD hat sich als Partei ganz klar als Anti-AfD-Partei gezeigt.

Es gibt auch in Berlin viel zu viele Menschen, die die AfD wählen werden. Es geht darum, den Prozentsatz der AfD so gering wie möglich zu halten und die Neue Rechte auch im Parlament zu bekämpfen, mit allen Mitteln. Das ist Realpolitik.

Auch bisherige oder häufige NichwählerInnen, AnarchistInnen (solange sie nicht eh libertäre Nazis sind), Antideutsche und SkeptikerInnen sollten diesmal wählen gehen, demokratisch.

Die AfD ist nicht nur eine etwas erfolgreichere NPD. Die AfD steht für eine neue deutsche Volksgemeinschaft und für das Mainstreamen von Rassismus, Deutschnationalismus und Antisemitismus. Davon konnte die NPD niemals auch nur träumen.

Leute: Es sind krasse Zeiten und krasse Zeiten verlangen krasse Handlungen. Und sei es, die AfD parlamentarisch zu bekämpfen und wählen zu gehen.

 

 

 

Deutsche Männer mit Schnappatmung. Zur Kampagne „besorgter Bürger“ und anderer Rechtsextremer gegen die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) und Anetta Kahane

Wir leben in gefährlichen Zeiten. Faschisten lieben, es „gefährlich zu denken“, ans Äußerste zu gehen, theoretisch wie praktisch. Das ist das Erbe von Richard Wagner, Carl Schmitt und Ernst Jünger.

In Berlin wird auf Demonstrationen von Neonazis, anderen „ganz normalen besorgten Bürgern“ (=“Rechtspopulisten“) wie am 30. Juli 2016 schon mal gefordert, Bundeskanzlerin Merkel „zu steinigen“, wie das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus berichtet.

Die Partei Alternative für Deutschland (AfD), Verschwörungswahnsinnige, Zeitschriften wie das vom Ex-Linken Jürgen Elsässer geführte Compact Magazin, das Deutschland als von den USA besetztes Land herbei fantasiert, Neonazis aller Art, die „Identitäre Bewegung“ und die beliebten „besorgten Bürger“ hetzen seit Jahren: „Merkel muss weg“.

In USA fordert der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, seine Gegnerin, die demokratische Kandidatin Hillary Clinton, „einzusperren“ („lock her up“), für den niederländischen Agitator Geert Wilders, der auch gegen die jüdische Beschneidung ist, klebt an Merkels Händen „Blut“, Morde durch Jihadisten seien ihr zu verdanken. Der heutige britische Außenminister Johnson verglich während der BREXIT-Kampagne die EU mit Hitler. Selten war die Trivialisierung des Holocaust so Mainstream in Europa, wir wollen von osteuropäischen oder islamistischen Formen der Holocaust-Bejahung hier erst gar nicht sprechen.

Das Klima ist so angespannt und verhetzt, dass viele nicht glauben wollten, dass der mörderischste Anschlag in der Bundesrepublik seit Jahren, der Amoklauf von München vom 22. Juli 2016 mit neun Toten und dutzenden Verletzten, kein islamistischer Anschlag war, sondern von einem rassistisch und neonazistisch motivierten, zudem psychisch kranken Täter ausgeführt wurde. David Ali S. (manche wollten wohl insinuieren, die Presse würde absichtlich den Vornamen „Ali“ nicht nennen, während ähnlich Fragende in England nicht betonten oder nicht mal erwähnten, dass der Täter ein Rassist und Rechtsextremist war) aus München tötete gezielt Migranten, was nicht nur mit schulischen Problemen in Beziehung steht, sondern auch mit einer offenkundig rechtsextremen Ideologie. Er hatte am selben Tag wie Hitler Geburtstag und freute sich darüber, zudem sah er sich als Deutsch-Iraner besonders „arisch“, während des Amoklaufs wurde ein Video aufgenommen, das seine rassistische und deutsche Ideologie fragmentarisch zum Ausdruck bringt.

Zuletzt hatte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) gezielt neun Migranten ermordet, allerdings in einem Zeitraum von 7 Jahren und nicht innerhalb weniger Minuten.

Vor diesem Hintergrund ist die Aufklärungsarbeit gegen Rechts von enormer Bedeutung.

Doch in Deutschland ist die Kritik an der Rechten verpönt, die Neue Rechte ist derzeit salonfähig, nicht Gesellschaftskritik und Antifaschismus. Das zeigt sich am FAZ-Autor „Don Alphonso“, der am 31. Juli auf Twitter schrieb, wie der Tagesspiegel-Autor Matthias Meisner gleichsam geschockt zitiert:

„Im Vergleich zu Maas, Kahane, de Maiziere, Juncker und Twitters Beihilfe ist Erdogan ein altmodischer Zensurpfuscher“

Heiko Maas, der 2014 als erster Bundesminister auf dem Global Forum for Combating Antisemitism in Jerusalem sprach und eine jüdische Aktivistin gegen Rechtsextremismus, Islamismus und Antisemitismus in all seinen Formen, Anetta Kahane, werden hier mit einem antisemitischen islamistischen Führer gleichgesetzt, ja sie seien viel schlimmer als der türkische Präsident Erdogan.

Wer sich also für Israel einsetzt wie Heiko Maas oder gegen Antisemitismus wie Anetta Kahane sei problematischer als ein brutaler, autokratischer und islamistisch fanatisierter Staatsführer wie Erdogan. Geht’s noch?

Ja, es geht noch krasser. Dieser Tweet steht nämlich nicht isoliert, er ist Teil einer Kampagne gegen die Kritik am Rechtsextremismus und am Antisemitismus. Eine Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung (AAS). Eine Kampagne zudem gegen Anette Kahane, die Vorsitzende der Stiftung, persönlich. Warum dreht das zumeist weiße, männliche Pöbelvolk so durch?

Die extrem rechte Hetze gegen alles, was links ist oder so interpretiert wird, hat seit vielen Jahren Hochkonjunktur. Von Matussek über Sarrazin zu Pegida und der AfD führt eine der neu-rechten Linien. Parallel dazu gibt es einen organisierten Rechtsextremismus, der weit älter ist und der seit Jahren die Chance sieht, den ganz großen Durchbruch zu schaffen. Eine Nazi-Partei in den Bundestag, „national befreite Zonen“, eine Pogromstimmung gegen Flüchtlinge, Nichtdeutsche und Linke bzw. so Kategorisierte, zumindest in einigen Teilen der Republik wie in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern.

Schauen wir uns mal einen ganz aktuellen Fall an, was den deutschen Antisemitismus und die AAS betrifft. Die Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) hat einen Antisemitismusskandal. Jahrelang wurden dort in einem Seminar antisemitische Texte und Dokumente als Lehrmaterial den Studierenden vorgesetzt. Der Journalist Alan Posener von der WELT berichtet darüber:

„Aber der Hochschule liegt seit dem September 2015, mithin seit elf Monaten, ein Gutachten der Amadeu-Antonio-Stiftung zu den Seminarmaterialien vor. Der Autor des Gutachtens, Jan Riebe, stellt unter anderem fest: ‚Die Texte beschäftigen sich nicht oder nur in Ansätzen mit der sozialen Lage von Jugendlichen in den palästinensischen Gebieten‘ – dem vorgeblichen Thema des Seminars. Viele Texte seien nicht wissenschaftlich, sondern ‚agitatorisch‘. Die meisten ‚widersprechen wissenschaftlichen Mindestanforderungen‘.

Über einen Text heißt es: ‚Eine solche Zusammenstellung‘ negativer Aussagen über Israel ‚ist mir in meiner langjährigen zivilgesellschaftlichen Arbeit fast ausnahmslos aus Nazikreisen untergekommen‘. Ein solches Seminar sei ‚unvereinbar mit den demokratischen Grundsätzen einer Hochschule‘.

Nun ist ein Kollege von Posener, der Publizist Henryk M. Broder als Mitbetreiber des Autorenblogs Achgut.com an der Hetzkampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) direkt beteiligt. Einer der Texte dieser abstoßenden und gefährlichen Kampagne ist  auf seinem Blog erschienen. In dem Text wird eine Beziehung von Kommunismus, Juden (Anetta Kahane ist als Jüdin bekannt) und Geld hergestellt. Es würde sich „lohnen“ gegen rechts zu arbeiten. Anetta Kahanes Tätigkeit für die Stasi wird aufgewärmt, als sei das nicht seit vielen Jahren völlig offen und bekannt. Kahane hatte 1986 einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt, weil sie erkannte, dass die DDR strukturell unfähig war, dem Neonazismus oder Rechtsextremismus zu begegnen, wozu es eine antiautoritäre, bunte Gesellschaft braucht.

Heutzutage erarbeitet sie mit ihrer Stiftung Ausstellungen über Antisemitismus in der DDR. Und eine Kritik am Antisemitismus ist bei der Neuen Rechten natürlich ein No-Go, solange man nicht ausschließlich Muslime oder Linke dafür verantwortlich machen kann.

Der Anhänger von Verschwörungsmythen Gerhard Wisnewski attackiert die AAS auf der Seite des extrem rechten Kopp-Verlages. Er bekommt Schnappatmung, weil eine heutige Mitarbeiterin der AAS, Julia Schramm, sich 2014 auf Twitter (Gottseibeiuns!) bei der Royal Air Force bedankte, die im Zweiten Weltkrieg Dresden bombardierte.

In einer unglaublich fanatischen deutsch-nationalen Stimmung – jede Fußball-Männer EM oder WM zeugt davon, allerspätestens seit 2006 im gesamtdeutschen Rausch – werden vor allem „Antideutsche“, also Kritikerinnen des deutschen Nationalismus und Antisemitismus und Rassismus, diffamiert und attackiert. Das haben rechtsextreme Verschwörungswahnsinnige übrigens mit weiten Teilen der Linken, man denke nur an Sahra-ich-wäre-so-gern-AfD-Bundesvorsitzende-Wagenknecht, die antizionistische Postille junge Welt oder die örtlichen Ableger von DKP, MLPD oder den Stammtischen ehemaliger, nun ergrauter KPD/AO-Mitglieder, gemein.

Man könnte mit Julia Schramm womöglich über ihre völlig not-wendige Kritik am Nationalismus in Deutschland reden, am aus ihrer Sicht überholten und falschen Konzept des Nationalstaats, wie sie es in einem kleinen Video kürzlich getan hat, und dabei darauf hinweisen, dass gerade die Kritik am Antisemitismus not-wendig eine Bejahung des israelischen Nationalstaats beinhaltet.

Das ist für sehr viele linke Israelunterstützer eine Aporie: hier mit Jürgen Habermas (für die Sozialdemokratischen) oder Marx und Kritischer Theorie (für die ganz Radikalen und Strammen) gegen den Nationalstaat und dort irgendwie für Israel, gegen Jakob Augstein, Jihad und den Iran.

Doch das wäre eine ganz andere Diskussion. Dass Israel der jüdische und demokratische Nationalstaat ist und als solcher zu verteidigen ist, muss erst noch in linke Theoriebildung Einzug erhalten. Da hat die „Israelszene“ noch sehr viel Arbeit vor sich liegen.

Hier und heute geht es darum, die rechtsextreme und antisemitische Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung zu attackieren und zu Fall zu bringen.

Der Journalist Christian Bommarius hat für die Berliner Zeitung zusammengefasst, mit was für einen Gruppe von Agitatoren wir es zu tun haben:

„In diesem Lager – präziser wäre: Kampfgemeinschaft – stehen die rechtsradikale Zeitung Junge Freiheit und der Publizist Roland Tichy (‚Es ist ein peinliches (sic!) Netz  der Zensur, das hier über Deutschland gelegt wird und  im Zusammenspiel mit den Parteien und vielen Medien glänzend funktioniert.‘), die islamophobe ‚Achse des Guten‘ um Henryk M. Broder, Anhänger der rechtsextremen ‚identitären Bewegung‘, der auf die Verbreitung von Verschwörungstheorien spezialisierte Kopp-Verlag mit seinem fast schon ulkigen Chefverschwörungstheorienverbreiter Udo Ulfkotte (‚Zensur-Republik Deutschland: So sollen Bürger eingeschüchtert werden‘), der rassistische Blog ‚politically incorrect‘  und  was sich derzeit sonst noch auf dem Markt intellektueller Unredlichkeit und  trostloser Unanständigkeit tummelt. Sie alle werfen Maas, der  Amadeu-Antonio-Stiftung und anderen, denen der Schutz der Menschenwürde etwas bedeutet, vor,  die Republik in eine ‚Stasi 2.0‘ zu verwandeln und mit dem ‚peinlichen Netz der Zensur‘ zu knebeln.“

Antideutsche werden dieses Land vor sich selbst retten oder es geht unter. So oder so.

Und da ist sie wieder, die Schnappatmung weißer deutscher Männer. Aber sie sind nicht alleine. Vera Lengsfeld ist bei ihnen.

 

 

2014: Ein Jahr der Klarheit

Die Bundesrepublik zwischen grünem (Hamas) und braunem (HOGESA) Nazismus und dem schwarzrotgoldenen Extremismus der PEGIDA-»Mitte«. 

Mit einem Exkurs: War Deutschland Teil des Abendlandes?

 

Das Jahr 2014 brachte Klarheit. Eine schreckliche Klarheit. Soviel Antisemitismus, soviel Pro-Hitler und Pro-Holocaust Statements, Hetze gegen Juden und Israel, muslimischen Judenhass, aber auch soviel Islamhass und Rassismus und soviel Deutsch-Nationalismus gab es selten so offen in einem Jahr. Niemand außer den Deutschen kann aufrecht gehen, dafür sind sie Weltmeister, das beliebteste Land der Welt, Angela Merkel wird zwar vom rechten »wir träumen-reden- lachen-und-fühlen-deutsch« Rand der CDU/CSU verabscheut, aber weltweit als führende Politikerin geehrt. Wenngleich Merkel sich in ihrer Neujahrsansprache von PEGIDA explizit abgrenzt, sind ihr weltpolitisches Hin- und Herschwanken, ihre Standpunktlosigkeit und die Affirmation des Bestehenden erfolgreich.

Dabei ist das Bestehende eine Mischung aus deutsch-iranischen Geschäften, sozialer Krise und Kapitalismus in Europa sowie politischen Konflikten über die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zwischen Lobhudelei für Nazis wie den Ukrainer Stepan Bandera, einer Derealisierung der Präzedenzlosigkeit der Shoah und der Stilisierung der Deutschen zu ganz normalen »Opfern« der bösen Nazis (»Unsere Mütter, unsere Väter«), was wiederum gewissen germanophilen Kreisen der weltweiten kulturindustriellen Elite gefällt (»International Grammy Award«).

Jene Kritiker, die 1989 Wi–dervereinigung ohne »e« schrieben, wurden von Helmut Kohl und der SPD, die nicht erst damals die deutsche Hymne anstimmte, diffamiert. Heute geht es so gut wie niemand mehr um eine »Alternative zu Deutschland«. Dafür gibt es die »Alternative für Deutschland« (AfD). Die Mehrheit sei a priori gut drauf, so lautet das Mantra der »Extremismustheorie« vom Schlage Uwe Backes‘, Eckhard Jesses oder Werner Patzelt, wie der Politologe Miro Jennerjahn in Anlehnung an Gesine Schwan analysierte.

 

Exkurs: War Deutschland Teil des Abendlandes?

Der Historiker Peter Viereck (1916–2006) hat in seiner Dissertation 1942 – Metapolitics. From Wagner and the German Romantics to Hitler – gezeigt, dass Deutschland nicht Teil des Abendlandes war beziehungsweise immer wieder antiwestliche »Revolten« hervorbrachte. Seine Doktorarbeit, die bereits 1941 publiziert und von Thomas Mann belobigt wurde, analysiert das antiwestliche Denken der Deutschen. Viereck macht fünf »Revolten« aus, die Deutschland vom Westen trennen. Das macht die Rede von der »Rettung des Abendlandes« gerade in Deutschland oder Dresden so ahistorisch und grotesk. Dabei schrieb Viereck seine Arbeit vor Auschwitz.

 

Die erste »Revolte«: Deutschland, das es natürlich unter diesem Namen damals gar nicht gab, kämpfte als »Germanien« gegen den »römischen Universalismus«, was sich exemplarisch in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 CE zeigte. Heinrich von Kleists »Hermannsschlacht« von 1808 setzte dieser allzu deutschen Schlacht ein literarisches Denkmal. Der Politik- und Literaturwissenschaftler Andreas Dörner hat die »Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen» am Beispiel des »Hermannsmythos« untersucht. Dabei spielt die »schwarze Fahne« eine wichtige Rolle, da sie »als Zeichen totaler Zerstörung das Ende des Kampfes« anzeigt. Der antirömische Zug Deutschlands zeigte sich auch beim antisemitischen Agitator in Österreich Ende des 19. Jahrhunderts, Georg von Schönerer, der proklamierte: »Ohne Juda, ohne Rom bauen wir Germaniens Dom«. Für den Nationalbolschewisten Ernst Niekisch war Hitler zu »mittelmeerisch«, er habe als Österreicher ein zu »sonniges Gemüt« und sei quasi »römisch«. Für den Antisemiten Niekisch (»Hitler – ein deutsches Verhängnis«, 1932) stand Hitler nicht rechts, deutsch und preußisch genug da. Auch Niekisch-Jünger wie die »ethnopluralistische«, rassistische Neue Rechte in der Folge von Henning Eichberg sind konsequent antirömisch. Rom steht für »Reich« analog zu den USA heute.

Das steht in direkter Beziehung zu Peter Vierecks zweiter »Revolte« der Deutschen: die Abwehr des Christentums durch die mittelalterlichen Sachsen und der Einsatz des heidnischen »Wotan«. Drittens steht für einen »deutschen Weg« die lutherische Reformation, die ja offenkundig anti-römisch war. Viertens analysiert Viereck die »Revolte gegen das römische Imperium, wie es sich in der westlichen Welt« zeigte. Der deutsche »Sturm und Drang« und die Neoromantiker wandten sich gegen 1789 und Frankreichs Universalismus. Das Ressentiment gegen »zuviel« Vernunft, das Promoten von Gefühlsduselei, Heimat und Ideologeme von Klopstock, Herder, vielen anderen und das »Volkslied«, das bei PEGIDA so beliebt ist wie bei Hansi Hinterseer und den schmalzigen »Volksmusikanten«, die seit Jahrzehnten ein Millionenpublikum bedienen, stehen dafür exemplarisch. Die fünfte »Revolte« war der »radikalste Bruch jemals mit der westlichen Zivilisation«:

der Nationalsozialismus.

Selbst nazistische Termini wie »Lügenpresse« evozieren nicht die Erinnerung an die übelste braun-schwarze, antiintellektuelle, reaktionäre Moderne der völkischen Bewegung, von Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg, sondern lösen Begeisterung aus. Das ist nicht nur Unwissen und Dummheit. Vielmehr ein gewolltes Liebäugeln. Für Cora Stephan ist es lediglich ein »Trick« Nazis bei PEGIDA und ähnlichen völkischen Aufmärschen als solche zu bezeichnen. Kluge »Bürger« wie Lutz Bachmann oder NDR-Autorin Cora Stephan haben hingegen erkannt, dass es bei der Kritik an PEGIDA um ein »Ablenkungsmanöver« handele. Auch Forderungen wie »Deutschland raus aus der NATO«, die auf PEGIDA-Demonstrationen großformatig propagiert werden, stören den neoliberalen, konservativen, angeblich pro-amerikanischen Kurs von Blogs wie Achgut gar nicht.

Henryk M. Broder kokettiert mit dem Extremismus der Mitte, den (nicht nur) ostdeutschen Spießbürgern, den Nationalisten, Rechtsextremisten, Neonazis und Rassisten und Antisemiten von PEGIDA und seine Gefolgschaft wie Matthias Matussek, der Kritiker der völkischen Dresdner Bewegung mit der Hitlerjugend (HJ) vergleicht, Hamed Abdel-Samad, der auch auf Facebook eine »irrationale Angst« der PEGIDA-Kritiker sieht, oder Cora Stephan sekundieren die Agitation gegen »den« Islam oder entwirklichen die rechtsextreme Gefahr. Broder ist blind ob der Teilnahme von antijüdischen Beschneidungsgegnern an den PEGIDA oder HOGESA Aufmärschen – wie Michael Stürzenberger, Bundesvorsitzender von der Kleinstpartei Die Freiheit, oder der großen Website Politically Incorrect (PI) – und schreibt:

»Wenn sich aber eine nationale Einheitsfront formiert, in der die christlichen Kirchen, der Zentralrat der Juden, die Gewerkschaften, das Handwerk, die Arbeitgeber und die üblichen Verdächtigen aus dem Kulturbetrieb Seit an Seit marschieren und alle, die an dieser Prozession nicht teilnehmen wollen, zu Dumpfbacken, Nationalisten, Rassisten, Nazis und einer ›Schande für Deutschland‹ erklärt werden, dann stimmt irgendetwas nicht mit der gelebten Demokratie in unserem Land.«

Wenn Nazis und Nationalisten, die mit Nazi-Vokabular und Deutschlandfahne »Wir sind das Volk« grölen, nüchtern im Gegensatz zu PEGIDAs Zwillingsbruder HOGESA (Hooligans gegen Salafisten), erhebt sich Broders Stimme gegen Kritiker und nicht gegen den rassistischen Mob. Er sieht gar nicht, dass es PEGIDA nicht um die islamistische Gefahr wie aus Iran oder den Judenhass von Islamisten geht. Viele PEGIDA-Aktivisten sind selbst Antisemiten und waren seit 9/11 auf Demonstrationen gegen Antisemitismus und Islamismus nicht zu sehen, und jene wenigen, die kamen, wie mit einer neonazistischen, Anti-Antifa »German Defence League (GDL)«-Flagge, hätten von den Organisatoren pro-israelischer und anti-islamistischer Kundgebungen besser des Platzes verwiesen gehört.

Dabei ist Broders Kritik an der antiamerikanischen Schadenfreude ob des 11. September und der Trivialisierung des Islamismus so aktuell wie zuvor. Denn weiterhin schreiben Altlinke wie der Herausgeber der einzigen linken Publikumszeitschrift in diesem Land, Konkret, Hermann L. Gremliza, im Dezember 2014 über den islamistischen Massenmord im World Trade Center am 11. September 2001 und die islamistischen Enthauptungen, Pogrome und Massenmorde in den letzten Jahren:

»Der Krieg, der seit dem Ende des Kalten geführt wird, spielt sich nicht da ab, sondern dort, wo die USA von Natur aus zuständig sind: weit hinten in der globalen Türkei. Er heißt war on terror und hat eine sechs-, bald siebenstellige Zahl an Menschen jeden Alters und Geschlechts umgebracht. Nicht Menschen im engeren Sinn, versteht sich, um die ein Aufhebens zu machen sich lohnte wie um die drei bis vier in Allahs Namen abgeschlachteten Amerikaner, Briten und Franzosen, die tagelang die Bildschirme füllten.« (Konkret 12/14)

Nach einer knappen Übersicht über weltweite »Sprenggürtel«-»Märtyrer«, »failed states«, »Islamisten und Mörderbanden« von »Nord- und Zentralafrika«, Erdogan, Syrien, Irak, Pakistan, Hindukusch, Hongkong bis hin nach Korea resümiert Gremliza:

»Überall legen die USA Lunten, ziehen sie ›rote Linien‹, stellen Ultimaten, schicken Drohnen, werfen Bomben.«

Dieses perfide, antiamerikanische, den Jihadismus und Islamismus als Phänomene sui generis negierende, delirierende, linke Gerede bekommt im antiwestlichen, die USA dämonisierenden Verschwörungswahnsinn der »Russia Today« / »Friedenswichtel«-Szene um das »Compact«-Magazin und Jürgen Elsässer, der früher als quasi Nachfolger Gremlizas aufgepäppelt worden war, ehe es zum Bruch kam, ein Echo.

Viele, die im Sommer angesichts des Pro-Hitler- und Pro-Holocaust-Gebrülle von (organisierten) Islamisten und (unorganisierten) Muslimen und ihren extrem rechten und linken Freunden schwiegen, sind jetzt lautstarke Kritiker von PEGIDA. Doch warum nur Nationalismus und Rassismus kritisieren und zum Antisemitismus schweigen? Linke zelebrierten mit ihren islamistischen und neonazistischen Kolleg_innen ein antizionistisch-antisemitisches Hassfestival auf den Straßen EUropas.

Was viele in der »Pro-Israel«-Szene sich jedoch weigern zu sehen: es gibt eine zunehmende Zahl von Leuten, die gegen Antisemitismus und Israelhass wie auch gegen PEGIDA, Nationalismus, Rassismus, Agitation gegen »den« Islam und Muslime und Flüchtlinge sich wenden.

2014 war somit ein Jahr der schrecklichen Klarheit: Viele Kritiker des antizionistischen Antisemitismus schweigen nicht nur zu PEGIDA, sondern stimmen in den völkischen Chor gegen Flüchtlinge, Muslime, »den« Islam, »die Lügenpresse«, »die Parteien« und »das System« mit ein, sei es offen, verbrämt oder klammheimlich.

Schließlich haben sich einige Liberale und Linke als Kritiker sowohl des Antisemitismus als auch des Rassismus, Deutsch-Nationalismus und Islamhasses erwiesen.

Wer vom Extremismus der deutschen Mitte und von PEGIDA nicht reden will, soll von der islamistischen Gefahr schweigen.

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, promovierte 2006 über »Ein völkischer Beobachter in der BRD. Die Salonfähigkeit neu-rechter Ideologeme am Beispiel Henning Eichberg« an der Universität Innsbruck; 2011 publizierte er die Studie »Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11«, 2013 das Buch »Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism«.

PEGIDA und die politische Kultur

Eine Selbstkritik der »Israelsolidarität«, DDR-»Wirtschaftsflüchtlinge« 1989, die Verteidigung des »Abendlandes» und das deutsche Weihnachtsfest 1939: »Ein Fest des Herzens, des inneren Reichtums«

 

Bundesjustizminister Heiko Maas hat völlig Recht: »PEGIDA ist eine Schande«. Die Zeitung für Deutschland hingegen, die FAZ, sieht in PEGIDA den Ausdruck einer Sehnsucht nach »Heimat«, die armen Dresdner seien »heimatlos«, wie es am 17.12.2014 auf Seite eins der FAZ heißt: »Pegida ist ein anderes Wort für die Sehnsucht nach politischer Führung. Wer nimmt sie wahr?« Der »Führer« vielleicht? Auch viele andere Medien nehmen PEGIDA mittlerweile in Schutz, von der ZEIT, die meint »echte Gefühle« bei den Aufmärschen zu erkennen, bis hin zu CICERO, das Kritiker wie Wolfgang Bosbach (CDU) oder Ralf Jäger (SPD) abmahnt und ernsthaft meint, man könnte und sollte mit PEGIDA reden bzw. müsse deren »Argumente« wahr- und ernstnehmen.

 

Angesichts von ca. 300.000 Toten in Syrien, Unruhen, Verfolgung, Mord und Krieg in weiten Teilen des Nahen Ostens, vor allem in Libyen, Syrien, Irak oder Yemen, sowie desolater ökonomischer Verhältnisse zumal in Afrika oder Osteuropa, hetzen Deutsche gegen Flüchtlinge. Ganze Familien von »Wirtschaftsflüchtlingen« aus Chemnitz, Dresden und Hoyerswerda verbrachten 1989 Weihnachten in Stuttgart, München oder Frankfurt bei gastgebenden »Wessis«. Diese Ex-Flüchtlinge aus der DDR agitieren jetzt gegen eine verglichen damit minimale Anzahl von Flüchtlingen, die aus viel katastrophaleren und lebensbedrohlicheren Zuständen fliehen. Dabei kommt nur ein Bruchteil der Flüchtlinge lebend in EUropa an, die EU-Außengrenze degradiert die Mauer in Berlin zu einem geradezu läppischen Bauwerk.

Es gibt heute Unterstützung oder zumindest mal symbolisch Geschenke für Flüchtlinge, das ist ein großer Unterschied zum Beginn der 1990er Jahre, als sich nur kleine Gruppen von ANTIFAs und antirassistischen, autonomen Gruppen um den Schutz von und die Unterstützung für Flüchtlinge kümmerten.

Doch es geht auch um Selbstkritik: haben Autoren, wie der Verfasser, in den letzten Jahren immer deutlich genug gemacht, dass es nicht gegen »den« Islam geht bei der Kritik am Islamismus? Wurde die Kritik an Thilo Sarrazin ignoriert oder nicht bemerkt, dass andere sie ignorierten? Haben »wir« immer und jederzeit betont, dass es zwischen Islam als Glauben und Islamismus als Ideologie eine Differenz gibt? Damit wird man nicht zu einem Apologeten von Religion. Wo bleibt der Aufschrei, wenn ein sehr bekanntes Blog der »Szene« einen Autor zu Wort kommen lässt, der von einer »zweiten Shoah« daher redet und den Holocaust auf groteske Weise trivialisiert und Morde an Juden von Islamisten oder Muslimen nur dazu benutzt, um gegen »den« Islam aufzuwiegeln und die Deutschen zu entschulden, wenn in dem Text einzelne Morde und Pogrome von Muslimen an Juden von 1929 oder 1840 als »zweite Shoah« rubriziert werden? »Zweite Shoah« 1929? Oder heute? Wo bleibt da der Aufschrei? Wo bleibt da die Selbstkritik, mal einen Fehler gemacht zu haben?

Haben viele Kritiker der Israelfeindschaft einfach nur weggesehen, als die übelsten rechten Sprüche von Leuten kamen, die aus welchen Gründen auch immer für Israel sind? Wurden nicht auch höchst problematische, evangelikale oder sonstige fanatische Gruppen auf Israelkongresse eingeladen oder auf Konferenzen und Veranstaltungen toleriert und nicht konfrontiert? Haben viele gar nicht gemerkt, dass ein regelrechter Hass auf alles »Liberale« und »Linke« besteht, der durch eine Kritik am Antizionismus einiger Teile der Linken (damit ist nicht nur die Partei gemeint) rationalisiert werden konnte? Wie oft haben Leute zum Beispiel misogyne Sprüche und Tendenzen goutiert, weil die Autoren oder Redner sonst »ganz ok« drauf seien?

Sodann: haben Kritiker des Antisemitismus deutlich genug gemacht, dass es um Kritik geht und nicht um die Exkulpation des deutschen Normalzustandes, wenn der Antisemitismus primär als Phänomen von Muslimen und Arabern betrachtet wird? Haben viele nicht Kompromisse, faule oder klammheimliche, mit Christen, Konservativen und Rechten gemacht, nur weil es »um Israel« geht? Wurde nicht von vielen übersehen, dass es wie ein Schlag ins Gesicht eines Kritikers der eingebildeten »deutsch-jüdischen Symbiose« wie Gershom Scholem ist, wenn all die letzten Jahren von einem angeblich »christlich-jüdischen Abendland«, zumal in Deutschland, geredet wird?

Wer nimmt schon Kritik am existierenden Rassismus in Israel zur Kenntnis, ohne damit zu einem Israelgegner zu werden? Sicher ist es einfacher, immer nur Kritik am Antisemitismus, den es ja in unglaublichem Ausmaß gibt, weltweit, zu üben, als sich auch mal realitätsgetreu mit den Zuständen in Israel zu befassen. Warum wird fast immer, wenn wieder ein Skandal aus der Palästinensischen Autonomiebehörde zu vernehmen ist, Mahmud Abbas‘ Holocaust leugnende Dissertation von Anfang der 1980er Jahre aus Moskau zitiert, ohne auch nur wahrzunehmen, dass Politikerinnen und Politiker in Israel wie die linken Zionist_innen Tzipi Livni oder Isaac Herzog in persönlichen Gesprächen in Abbas in den letzten Jahren evtl. eine moderatere und reflektiertere Stimme zu hören in der Lage sind? Sind dadurch Livni und Herzog »Verräter« und unglaubwürdig? Wissen deutsche Blogger, Schweizer oder österreichische Referenten grundsätzlich besser Bescheid als israelische, zionistische Politiker_innen wie Livni oder Herzog?

Fast alle in der Israelszene aktiven Gruppen schweigen brüllend zu PEGIDA, finden den nationalen Taumel gar prickelnd oder wiegeln ab. Wer aber gegen die iranische Gefahr, für Israel, gegen alle möglichen Formen von Antisemitismus sich engagiert aber zu rechtsextremen, volksgemeinschaftlichen Aufmärschen, die gegen Muslime hetzen, schweigt, verrät jede Idee von Aufklärung, Emanzipation, und, ja, Zionismus. Der Zionismus David Ben-Gurions, Ze’ev Jabotinsky oder Kurt Blumenfelds basierte darauf, dass Juden zwar eine Mehrheit in Israel, aber die arabischen und muslimischen bzw. christlichen und sonstigen Minderheiten »gleiche Rechte« gewährt bekommen sollten im jüdischen Staat. Israel ist eine multikulturelle Gesellschaft mit einem Anteil von über 20% Arabern/Muslimen. In der Bundesrepublik leben ca. 5% Muslime.

Auf die Bedeutung Jabotinskys Verständnis von Zionismus, das keineswegs einen homogenen, rein jüdischen Staat avisierte, sondern einen dezidiert jüdischen (und keinen binationalen!) Staat mit einer mit gleichen Rechten ausgestatteten arabischen Minderheit, wies kürzlich der britische Politikwissenschaftler und pro-israelische, aber linke Autor Alan Johnson, Herausgeber der Zeitschrift Fathom, hin. Und in Israel ist das alles auch bekannt, aber hierzulande wird in gewissen Kreisen jede Kritik an »Bibi« oder dem rechten Rand des politischen Spektrums in Israel als antizionistisch verfemt. Es geht derzeit in Israel um Zionismus versus die extreme Rechte, die natürlich auch Teil Israels ist, aber eben nicht unwidersprochen. All das wird hierzulande kaum zur Kenntnis genommen, und diese Ignoranz wird sich rächen.

Schließlich bekommt die »Israelszene« jetzt die Rechnung aus Dresden. Entweder die pro-israelischen und anti-islamistischen Aktivistinnen und Aktivisten bzw. Blogger_innen und Forscher/innen kriegen die Kurve und kehren zu einer seriösen Beschäftigung mit Antisemitismus, Islamismus und Nationalismus zurück oder PEGIDA wird dafür sorgen, dass die »Israelsolidarität« und »Islamkritik« in PEGIDA auf- und untergeht. Entweder Islamismuskritik, Israelsolidarität und Kritik am Antisemitismus und ein Lob der Vielfalt oder PEGIDA.

2006, zur Zeit des »Sommermärchens« und acht Jahre vor dem noch größeren WM-Wahnsinn, kam das nationale Apriori ins Gerede, aber nur von einer marginalen Gruppe von Autorinnen und Autoren. Man hätte die Warnzeichen sehen können. Doch dann ging es wieder um die Kritik am ubiquitären Antizionismus, eine in der Tat wichtige Kritik, bis heute und in Zukunft.

Das alles darf nicht blind machen für die Gefahr, für die PEGIDA steht. Und vieler meiner Bekannten, nicht nur auf Facebook oder auf Blogs, sehen die Zeichen der Zeit nicht und sind unfähig, Selbstkritik auch nur zu versuchen, wie es scheint.

PEGIDA, die Dresdner Volksbewegung gegen alle Nicht-Deutschen und für ein homogenes Sachsen bzw. Deutschland, möchte am 22. Dezember 2014 bei ihrem nächsten Aufmarsch Weihnachtslieder singen, wie am 15.12 angekündigt wurde. Das mag der heidnischen Tradition weiter Teile des Rechtsextremismus und der a-christlichen Vieler in der Ex-DDR entgegenstehen, aber natürlich wissen auch Neue Rechte, Heidnische und Völkische dass man in der Not Kompromisse machen muss. Schließlich gab es Millionen NSDAP-Mitglieder, ganz normale Deutsche, die Christen waren und Teil der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. Zudem gab es bekanntlich den heidnischen Zug des SS-Staates wie die »Deutsche Glaubensbewegung« um Jakob Wilhelm Hauer, wie der israelische Religionswissenschaftler Schaul Baumann in seiner Dissertation herausgearbeitet hat.

Der katholische Bund Neudeutschland war ob des Nationalsozialismus begeistert. Der Jurist und spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg Han(n)s Filbinger steht dafür ebenso wie der Heidegger-Schüler und Philosoph Max Müller, der nach 1945 in München und Freiburg Karriere machte. Angesichts der völkischen Bewegung »Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes« sei zum Anlass des bevorstehenden Weihnachtsfestes auf die nationalsozialistisch-deutsch-abendländische Tradition eingegangen.

Ideologisch für ›Volk‹ und ›Vaterland‹ gerüstet, ging es am 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg. Ein Neudeutscher, ein Mitglied des Bundes Neudeutschland, Heinrich Jansen Cron, Herausgeber des Leuchtturm, schreibt in einem kleinen Buch, in welchem er Lieder, Gedichte, Gebete und Geschichten u.a. von Gertrud Bäumer, Ernst Moritz Arndt, Adalbert Stifter oder auch Walter Flex zusammenbringt, zu Weihnachten 1939:

Es ist ein Fest des Herzens, des inneren Reichtums. Nicht das Äußere entscheidet. Gott wird – Mensch. Der Gottesmensch ist ein – Kind. Das Kind liegt in einem – Stall. Und ist doch der Herr der Welt! Mehr sein, als scheinen, den inneren Reichtum über den äußeren stellen, das ist weihnachtliche Haltung. Das ist es, was uns auch in Not, in der Fremde, im Felde sicher macht, froh und stark. Was will aber dieses Heft? Es will das Gute, das Edle, das Heilige, das in Gott und Heimat Tiefverwurzelte wecken und heben; eine Hilfe sein, Weihnachten draußen christlich und deutsch zu erleben, jegliche Ferne zu überwinden.[i]

Wenig später, zu Ostern 1940, publiziert Cron noch so ein kleines Erweckungsbüchlein:

Die großen Aufgaben, die uns in dieser Zeit Heimat und Familie, Volk und Vaterland stellen, verlangen einen kräftigen Willen. (…) ›Jesus ist wahrhaft auferstanden!‹ Also werden auch wir auferstehen. Also hat unser Erdenleben auf alle Fälle einen Sinn; also gibt es eine ewige Gerechtigkeit; also nehmen wir das Leben und auch sein Kreuz tathart und gelassen auf uns. Denn nur so erringen wir das ewige Leben; nur wenn wir nach Kräften Christi Tapferkeit erstreben, werden wir auch mit ihm auferstehen! Mit diesem Leben ist nicht alles aus. Der Tod verliert seinen Stachel, die Gefahr die Lähmung, die Zukunft wird licht. Wir erheben die Herzen, tragen hoch das Haupt; denn uns erfüllt eine gewaltige Hoffnung. Gott wird unsere Treue krönen, unsere Familie schützen, unser Volk erretten; wir wissen ja: Christ ist erstanden![ii]

Am Beginn des Holocaust und des (Vernichtungs-)Krieges in Polen sowie im Westen Europas segnen deutsche Christen den Weltkrieg und feiern ein fröhliches Osterfest. Das Motto könnte nicht heideggerscher oder djihadistischer lauten: »Der Tod verliert seinen Stachel«. Salafisten, Islamisten und Jihadisten aller Länder könnten sich an diesen Deutschen ein Vorbild nehmen.

Der Publizist Henryk M. Broder mag symptomatisch für das Nicht-Erkennen der Gefahr, für die PEGIDA steht, zitiert werden. Er hat die Sache komplett auf den Kopf gestellt – angesichts von Nazis, Populisten und einem rassistischen Mob in Dresden schreibt er: »Das, was früher der Nationalsozialismus war, das ist heute der Islamismus«. Dabei gibt es genügend Beispiele, wo Islamisten wie Yusuf al-Qaradawi, einer der alten aber führenden Sunni-Islamisten, Hitler öffentlich lobten. Aber darum geht es PEGIDA gar nicht. Sie wollen ein »reines« Deutschland. 1978 hätte Broder das noch erkannt, als er ein Buch herausgab mit dem Titel »Deutschland erwache. Die neuen Nazis. Aktionen und Provokationen.«

Nein: das, was früher der Nationalsozialismus war, ist heute in Deutschland eher schon PEGIDA, jedenfalls laufen da auch Leute mit, die den SS-Staat gut finden.

Die wollen ein »arisches« Dresden, selbst 2,5% Nicht-Deutsche sind denen zu viel. Und sie wollen die wundervollen deutschen Traditionen bewahren, man denke nur an Höhepunkte des »christlichen Abendlandes« wie Weihnachten 1939 im »Deutschen Reich«.

Einer der PEGIDA-Mitmacher ist der Bundesvorsitzende der Partei Die Freiheit, Michael Stürzenberger, der auch für das extrem rechte Internetportal »Politically Incorrect« (PI) schreibt, das ganz begeistert ist ob PEGIDA und live davon berichtet. Stürzenberger sprach am 15.11.2014 auf der Hooligan-Kundgebung in Hannover und peitschte die Hooligans und Neonazis ein: »Wo sind die Freunde unseres deutschen Vaterlandes?«, woraufhin der Mob unter anderem mit unschwer als Hitlergrüßen zu erkennenden Bewegungen antwortete.

Stürzenberger agitiert gegen die jüdische Beschneidung, so wie er denken viele bezüglich der Beschneidung, das ist mehrheitsfähig in einem Land wie Deutschland, von der FAZ zur jungle world und der Giordano Bruno Stiftung.

Wie Anhänger von Verschwörungsmythen glauben die PEGIDA-Rechten dem »System« nicht, sie reden von »der« »Lügenpresse« und glauben einer Presse, die in der Tat an Propaganda schwer zu überbieten ist: Russia today.

Gegen die freie Presse, gegen die jüdische und muslimische Beschneidung und gegen Einwanderung – PEGIDA steht für »Ausländer raus«. Doch selbst Antisemitismus und Antiintellektualismus aus den Reihen der PEGIDA-Protagonisten und Aktivisten, darunter zählen auch Autorinnen für das verschwörungsmythische Magazin Compact, halten offenbar viele in der Pro-Israel-Szene nicht davon ab, den Rassismus von PEGIDA zu unterstützen. Eine Compact-Autorin und »Kameradin« von Jürgen Elsässer ist Melanie Dittmer, die früher bei der Jugendorganisation der NPD, den »Jungen Nationaldemokraten« (JN) aktiv war und heute im Umfeld der rechtsextremen »Identitären Bewegung«. Sie sprach z.B. bei einem DÜGIDA (Düsseldorf gegen…) Aufmarsch am 8.12.2104 und ist die Anmelderin der BOGIDA (Bonn gegen …).

Broder kritisierte 2012 die Agitation gegen die jüdische und muslimische Beschneidung. Doch er sieht offenbar nicht, dass der deutsche Mainstream gegen das Judentum und die Beschneidung ist. Viele bei PEGIDA sind Leser von Seiten wie PI im Internet, die wie dokumentiert gegen die Beschneidung und somit gegen jüdisches und muslimisches Leben hetzt.

Doch wen verteidigt Broder, wenn er Kritik an PEGIDA abwehrt und PEGIDA kleinredet, affirmiert und sich über Kritikerinnen des Rassismus wie Gesine Schwan lustig macht? Ich hatte schon 2007 rechte Tendenzen bei Broder und ACHGUT analysiert und resümierte:

Der Kampf gegen den Djihad jedoch lediglich als Vorwand, gerade für die BILD-Zeitung, den Spiegel, die WELT, sich noch gemütlicher einzurichten, gerade in Deutschland, dem Land der unbegrenzten Schuldabwehrmöglichkeiten?

Wer vom verbrecherischen Alltag des Nationalsozialismus nicht mehr reden möchte, sollte vom politischen Islam schweigen.

Die Juden sind die Juden von heute und nicht die Muslime, wie Jascha Nemtsov zu Recht gegen Armin Langer einwendet. Es geht jetzt aber nicht um die falsche Analogie von Antisemitismus und Islamkritik. PEGIDA ist ein Ausdruck von Rassismus, von Nationalismus, Islamhass und von Antisemitismus gleichermaßen, das Beispiel Stürzenberger und PI zeigen das anschaulich. Das Problem ist PEGIDA und nicht die Antifa und auch nicht Gesine Schwan.

Der Islamfaschismus wie in Iran ist schlimm genug, und die Hitler-Fans unter nicht wenigen Islamisten und Muslimen in Deutschland sind auch übel genug. Aber angesichts von Deutschlandfahne und »Wir sind das Volk« Gebrülle so die Realität zu derealisieren, wie Broder und sein Fanclub es tun, das ist bezeichnend.

Als Forscher/in sollte man sich einfach mal anschauen, wie die »abendländische Tradition« in Deutschland aussah. Dass Deutschland gar nicht abendländisch war, sondern antiwestlich, völkisch und nationalsozialistisch, wie der Historiker Peter Viereck bereits 1941 in seiner Dissertation »Metapolitics« auf beeindruckende Weise analysiert hat und von niemand anderem als Thomas Mann dafür in einem Brief vom 7. September 1941 gelobt wurde, spielt hier gar keine Rolle. PEGIDA sieht sich ja als deutsch und abendländisch.

Weihnachten 1939, Ostern 1940 und die diesbezüglichen Texte eines »Neudeutschen« oder Vertreter des »christlichen Abendlandes« wie Heinrich Jansen Cron sind nur Beispiele für das, was PEGIDA in Dresden, der Stadt, die nicht gerade für Toleranz und Vielfalt steht, hingegen für Antisemitismus 1848, für Richard Wagner und Michail Bakunin, verteidigen möchte: das christliche Abendland oder das, was Deutsche darunter verstehen.

Wie die Politikerin und Publizistin Jutta Ditfurth am 16.12.2014 auf 3Sat im Fernsehen sagte, erleben wir derzeit die wohl »schlimmsten rechtspopulistischen, antisemitischen, rassistischen Aufmärsche seit 1945«; hinzufügen würde ich: die schlimmsten Aufmärsche in Ergänzung zu den antisemitischen Aufmärschen im Sommer 2014, als vor allem Islamisten und Muslime, eskortiert von Neonazis und Linken, Pro-Hitler und »Juden-ins-Gas«-Parolen brüllten, im ganzen Land. Doch das war eben nicht »der« Islam und es waren nicht »die« Muslime und schon gar nicht »die Flüchtlinge«, die zu großen Teilen aus islamistischen Ländern geflohen sind. Jihadisten gehen ja vielmehr von Düsseldorf, Berlin oder Neu-Ulm in den »Heiligen Krieg« in den Nahen Osten und nicht andersherum.

PEGIDA indiziert, zu was das WM-Wahn-Land Deutschland im Jahr 2014 fähig ist und in den kommenden Jahren fähig sein wird. Für was stehen PEGIDA, DÜGIDA, BOGIDA und alle anderen rechten Aufmärsche? Wer sich die Aufmärsche anschaut, erkennt neben vorbestraften Kriminellen und Neonazis vor allem ganz normale deutsche Spießbürger auf der Straße. Schwarzrotgold ist ihre Fahne und Strategie, »wir sind das Volk« und »IHR nicht« ihre Parole und »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« der Sinngehalt, Agitation gegen »das System« aus Medien und Politik die Taktik, das als Fackel umfunktionierte Mobiltelefon ihr Symbol, die Gleichsetzung von Täter (SS-Staat) und Befreier (UdSSR) ihre mainstreammäßige Ideologie, dazu als altdeutsches Pendant »Familie, Heimat und Patriotismus« statt »Gender-Mainstreaming und Diversität«, Nationalismus, völkische Homogenität und Hass auf Andere ihr Motiv und Weihnachtslieder ihre Melodie.

Angesichts von Millionen Flüchtlingen weltweit ist die Anti-Flüchtlingsbewegung PEGIDA eine Schande für die Menschheit. PEGIDA ist ein Indikator für die politische Kultur in der Bundesrepublik. Sie zeigt die »Salonfähigkeit der Neuen Rechten« an.

 

[i] Heinrich Jansen Cron (1939): Weihnachten fern der Heimat. Ein Heft der einsamen oder gemeinsamen Weihnachtsfeier draußen, Köln: J.P. Bachem, S. 3.

[ii] Heinrich Jansen Cron (1940): Neues Leben. Ein Ostergruss seelischer Erstarkung, Köln: J. P.. Bachem, S. 3, Herv. d.V.

 

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA). Er ist Autor von fünf Büchern, zuletzt erschien „Kritische Theorie und Israel“ (Berlin 2014).

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