Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Deutschland

Neuer WHO-Report: Schweden hat weniger als 50 Prozent so viel Übersterblichkeit während der Corona-Zeit 2020/21 als Deutschland

Von Dr. phil. Clemens Heni, 9. Mai 2022

Der Soziologe und Professor Robert Dingwall aus England berichtet im Telegraph von erstaunlichen ganz frischen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Man kann sich den WHO Bericht hier herunterladen. Dort findet man eine Zip-Datei mit drei Excel-Dateien, wo die Daten zu finden sind.

Dabei wird weltweit die Übersterblichkeit in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 berechnet. Übersterblichkeit meint hier logischerweise die extra Toten aufgrund aller möglichen Ursachen in diesen beiden Jahren, also Long Lockdown, Covid-19, Long Maske, Long Abstand, Long Isolation, Long Home Office, Long zu wenige Arztbesuche, Long zu seltene Krankenhausbesuche bei Herzbeschwerden oder Krebsleiden, Long keine Parties, Long Maske im Büro tragen, Long keinen Gesichtsausdruck sehen im Altersheim, Krankenhaus, Supermarkt, Long keine Open Air Konzerte, Long kein Theater, Long keine Oper, Long keine Fußballspiele, Long keine Hallenbadbesuche, Long keine Bibiliotheksbesuche etc. pp.

Schweden hat nun in Europa eine der besten Bilanzen. Dort starben nur 56 Personen mehr pro 100.000 als erwartet. In Deutschland sind es mehr als doppelt so viele Tote: 116 pro 100.000. Die Länder, deren Daten die WHO auswertete, hatten jeweils die Möglichkeit einen Entwurf des WHO Berichts zu sehen und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen. Wenn man das in absoluten Zahlen umrechnet, starben laut WHO in Deutschland in den beiden Jahren 2020 und 2021 96.280 Menschen mehr als zu erwarten gewesen wären, in Schweden aber nur 5.600, was ca. 45.000 in Deutschland entspricht, da Schweden achtmal kleiner ist. Das wiederum heißt, dass gerade mit diesen teils weltweit lange Zeit drakonischsten Maßnahmen Deutschland mehr als 50.000 Tote mehr produziert hat mit seiner Coronapolitik als Schweden. In Schweden gab es bekanntlich nie einen Lockdown, lediglich Großereignisse wurden gestoppt, aber weder Läden noch Schulen wurden geschlossen. Es gibt nie eine Maskenpflicht in Schweden. Und die allerfanatischsten bis heute sind die Deutschen (und die Österreicher), wo immer noch im öffentlichen Nah- und Fernverkehr der Maskenwahn tobt. Auch in Arztpraxen gilt weiter Maskenpflicht, Ausnahmen: Zahnarztpraxen. Wenn nun ein Orthopäde oder ein Herzspezialist alle Patient*innen zuerst zwei oder drei Minuten in den offenen Mund schaut und danach die Hüfte, das Bein oder das Herz untersucht, dann haben wir es hier auch mit einer Art Zahnarztpraxis zu tun und niemand muss sich im Wartezimmer oder Flur maskieren.

Dingwall jedenfalls stellt fest, dass diese Zahlen der WHO die gesamte riesige Panikmache auch in UK ad absurdum führen, weil es Schweden einfach rationaler und deutlich besser gemacht hat. Die Daily Mail zeigt, dass in Westeuropa nur noch Italien schlechter dasteht als Deutschland, Schweden ist eines der besten Länder:

Es ist jetzt interessant, wie die Statistik-Expert*innen um Professor Göran Kauermann von der LMU (München) das jetzt einschätzen, diese Arbeitsgruppe hat die Coronapolitik der Deutschen Bundesregierung häufig und zurecht kritisiert.

Die Daily Mail zitiert Epidemiologen, die unterstreichen, dass der schwedische Weg der viel rationalere und menschenfreundlichere war – Peru mit seinen hardcore Lockdowns hat weltweit die schlechteste Bilanz:

Cambridge University epidemiologist Dr Raghib Ali told MailOnline: ‚It’s certainly true that the approach taken by Sweden — keeping schools open and relying mainly on voluntary changes in behaviour rather than government mandates — has led to outcomes much better than were predicted and most of Western Europe.

‚This is similar to what we’ve seen in the UK with voluntary changes in behaviour in England leading to similar outcomes to those in other home nations which had more government mandates.‘

Professor Carl Heneghan, an expert in evidence-based medicine at the University of Oxford, told MailOnline: ‚Sweden’s approach not to interrupt transmission entirely but to reduce the pandemic’s health impact has largely been vindicated by the recent mortality results.

‚Countries with hard lockdowns, such as Peru, ended up with worse outcomes.

Verglichen mit Schweden starben also in Deutschlands Krieg gegen ein Virus 51.000 mehr Menschen. Hätte Deutschland den epidemiologisch sinnvolleren Weg Schwedens beschritten, wären diese 51.000 Menschen evtl. noch am Leben. Wo bleiben die Sanktionen gegen die Deutsche Bundesregierung, gegen die 16 Landesregierungen, weil sie Zehntausende Menschenleben zu verantworten haben aufgrund ihrer brutalen, irrationalen, medizinisch falschen und epidemiologisch absurden Coronapolitik?

Linker russischer Putinkritiker Nikolai Platoschkin wendet sich gegen den Krieg, gegen die Nazis in der Ukraine, gegen Antisemitismus und die Sanktionen gegen Russland

Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. März 2022

Eine weitere Leserin meiner Seite wies mich vorhin auf dieses höchst aufschlussreiche Video des sehr beliebten linken russischen Diplomaten, Wissenschaftlers und Politikers Nikolai Platoschkin hin. Platoschkin wurde 2021 zu fünf Jahren auf Bewährung verurteilt, weil er den russischen Staat verunglimpft und zu Massenprotesten aufgerufen habe. Zuvor war er fast ein Jahr lang mit seinen beiden Mitbewohner*innen, seiner Frau und seiner Katze und 5000 Büchern unter Hausarrest gestellt worden. Er geht in Berufung.

Platoschkin war von Ende der 1980er Jahre bis Anfang der 2000er Jahre Diplomat, unter anderem in Deutschland. Er spricht fließend deutsch und ist Autor von 18 Büchern. Sein russischer YouTube Kanal hat 715.000 Abonnent*innen:

In seinem 20-minütigen Video in deutscher Sprache erläutert Platoschkin, dass er wie viele Russen eng mit der Ukraine verbunden ist, verwandtschaftlich, freundschaftlich, über Bekannte. Er will dass der Krieg beendet wird. Doch der Krieg im Donbas hat 14.000 Tote gefordert, seit 2014, und dieser Krieg scherte die Europäer überhaupt nicht! Es ging ja auch gegen die 90 Prozent Russen, die dort leben.

Er betont aber auch die Erinnerungsabwehr an den Holocaust und den Nazi-Terror in der Ukraine, wo jetzt Straßen nach Judenschlächtern benannt werden, und damit meint er nicht nur Stepan Bandera.

Über seine politischen Positionen gegen Putin und für eine linke, sozialistische Stimme in Russland, haben 2021 verschiedene Medien berichtet.

 

Für Amnesty International sind die Vorwürfe gegen Platoschkin „haltlos und politisch motiviert“. Auf dem Portal der Organisation erklärt Natalia Zviagina, Chefin des Moskauer Amnesty-Büros: „Das Urteil gegen Platoschkin ist ein weiterer Nagel im Sarg der Rede- und Versammlungsfreiheit in Russland.“

Staatsanwaltschaft und Gericht hätten Kritik an der Regierungspolitik mit Anstachelung zu Aufruhr und Verbrechen gleichgesetzt. Vor der Parlamentswahl im September gebe es immer härtere Repressalien gegen Andersdenkende. Das Regime sperre Kri­ti­ke­r*in­nen aus dem ganzen politischen Spektrum ein und mache sie mundtot.

Werden die Berliner Zeitung oder die taz auch jetzt von seinem Video, das explizit an ein deutsches Publikum sich richtet, von seiner Distanz zu Putin und seiner Distanz zur pro-ukrainischen Agitation, von seiner Kritik an der Erinnerungsabwehr an die Nazi-Verbrechen und den Holocaust in der Ukraine und seiner Kritik an den anti-russischen Sanktionen, die gerade Menschen wie ihn treffen, berichten?

Das wäre mal eine Stimme, die im Gegensatz zu allen deutschen Talkmastern (w/m/d) auch eine differenzierte Ahnung von den russischen Gegebenheiten hat, eine Stimme zudem, die von Mut und Kritik zeugt, zwei Eigenschaften, die man in Deutschland, dem Land der großen Volksgemeinschaft gegen Corona und jetzt gegen Russland, nicht kennt.

Also: Schaut euch dieses Video von Nikolai Platoschkin an, es lohnt sich:

https://youtu.be/O9F4I0ZbqAg

Warum lieben die Deutschen die Bundeswehr, die Ukrainer und vor allem den Frieden so sehr wie kein anderes Land? Liegt es an „dem“ Russen?

Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. März 2022

Es gibt kein Volk auf Erden, das so sehr den Frieden liebt wie die Deutschen. Das sehen wir dieses Wochenende wieder an den Demonstrationen „für die Ukraine“, doch das sahen wir auch im ganzen zwanzigsten Jahrhundert. 1914, 1933/39 und dann 1989 wollten die Deutschen doch immer nur Frieden und Freiheit, es hat zwar nicht immer optimal geklappt, aber der Wille war da und schließlich gibt es doch nur einen Autor, der gar einen „Weltfrieden“ vordachte: Klar, Immanuel Kant.

Aber mal im Ernst: Das Beste wäre, der Ukraine-Krieg endet noch heute. Der Krieg Putins ist völkerrechtswidrig, er ist ein Angriffskrieg und durch nichts zu rechtfertigen, auch nicht durch klar belegbaren Nazi-Tendenzen in der ganzen ukrainischen Gesellschaft. Auch nicht dadurch, dass die NATO z.B. 1999 auch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zusammen mit Gerhard Schröder, Joschka Fischer und den Deutschen gegen Serbien durchführte mit Tausenden Toten, auch in Belgrad.

Die Ukraine wird ’neutral‘, verzichtet auf NATO- und EU-Mitgliedschaft, beendet die Kooperation mit Neo-Nazi-Mitgliedern in Bataillonen und Regimentern (Azow) sowie Regierungsbänken aller Art, erklärt (wenigstens formal), dass sie die Holocaust-Kollaboration ihres Nationalhelden Stepan Bandera, nach dem Plätze, Straßen, Briefmarken, ja ganze Jahre benannt wurden und werden, schrecklich findet und sich einen neuen Nationalhelden sucht.

Die Falken in den USA drehen komplett hohl und ziehen das ganze Land mit. Der Dollar könnte als weltweite Leitwährung abdanken, wenn der Handel mit Russland komplett ausgesetzt wird. Es wird ganz neue Bündnisse geben, Russland-China-Indien, riesige Märkte. Das wird nicht gerade ökologisch zugehen und wenigstens Russland und China sind keine Demokratie-Champions, um das vorsichtig zu formulieren. Dabei wollten die USA die Ukraine noch nie Europa zuführen, das „Fuck the EU“ in einem Telefonat der führenden US-Außenministeriumsmitarbeiterin Nuland im Gespräch mit dem US-Botschafter in der Ukraine 2014 zeigte nicht nur wie unglaublich offensiv und aggressiv die USA versuchten, die neue antirussische Regierung in Kiew zu bestimmen, sondern es zeigte eben auch, wie die USA Europa verabscheuen. Da geht es in der Tat um kapitalistische Einflusssphären, Kämpfe innerhalb der Bestie.

Das Öl-Embargo gegen russisches Öl von Seiten der USA und die Panik an den Öl-Börsen sorgt für die aktuell höchsten Spritpreise weltweit. Das ist hinterhältig, weil ja alle denken, das liege am Krieg Russlands. Doch daran liegt es nicht primär. Würde Russland seine Öllieferungen nach Europa einstellen, dann gäbe es hier mal so ne richtige Krise. Doch entgegen dem Westen sanktioniert Russland bislang kaum, Öl und Gas werden weiter täglich in den vertraglich vereinbarten Mengen und Preisen geliefert.

Glauben McDonald’s und alle möglichen amerikanischen und europäischen Firmen tatsächlich, dass es die Opposition in Russland stärkt, wenn sie ihren Betrieb in Russland einstellen und auf nie dagewesene Weise ein ganzes Land vom westlichen Weltmarkt abkoppeln wollen? Merkt jemand, was für ein Wahnwitz das ist, wie irrational, sinnlos und brutal? Gerade jene, die gegen Putin sind und gerne zu McDonald’s gehen werden jetzt doch eher denken, wie absurd der Westen hier überdreht und gar nicht versucht, diplomatisch die Krise zu beenden, sondern das ganze Land – ganz Russland! – soll „ruiniert“ werden. Eine seriöse Reaktion wäre es, weder Waffen an die Ukraine zu liefern, noch die Beziehungen zu Russland vollständig abzubrechen und jeden einzelnen Russen (m/w/d) als regelrechten Feind der Menschheit zu definieren, sondern weltoffen und zart zu bleiben. Nur: der Westen war nie weltoffen und zart!

Die mediale Hetze gegen alles Russische hat unglaubliche Formen genommen, man kann das gar nicht glauben – doch dann besinnt man sich und merkt, dass es in Deutschland außer Israel und Juden noch einen zweiten Hauptfeind gibt: die Russen. Die Rede von Schröder, Scharping, Fischer und jetzt von Scholz, dass 1999 Auschwitz oder ein Genozid im Kosovo hätte verhindert werden müssen, war eine widerwärtige Lüge, auch Putins Rede von einem Genozid im Donbas ist eine Lüge. Doch während Putin von der ganzen Welt gehasst wird, wird Scholz verehrt und darf seinem Militarismus und somit Deutsch-Nationalismus frönen wie kein Kanzler (m/w/d) vor ihm.

Im US-Fernsehsender MSNBC sagte jetzt der ehemalige US-Botschafter in Russland und Professor an der Stanford Universität Michael McFaul in Bezugnahme auf einen Kommentar im ukrainischen Fernsehen, dass doch Hitler im Gegensatz zu Putin nicht die eigenen Leute getötet habe, Hitler habe „keine deutsch sprechenden“ Menschen bzw. „ethnischen Deutschen“ ermordet. Diese Holocaustleugnung an den deutschen Juden, diese Leugnung des Mordes an Linken, Gewerkschaftern, Behinderten, Sinti und Roma, Konservativen und vielen anderen, kam live im TV in der Rachel Maddow Show. Es gab einen Aufschrei und der Clip wurde aus der Mediathek gelöscht – aber er wurde gesendet und das spricht doch Bände für den Holocaust verharmlosenden, antisemitischen und antikommunistischen Wahn, den viele in den USA und im Westen aktuell verspüren!

Es reicht nicht, einen schrecklichen Krieg abzulehnen, nein: es muss zwingend Hitler ins Spiel kommen. Das zeigt nicht nur das unterirdische historische Wissen (hier in den USA), sondern vor allem die psychische Notwendigkeit, sich selbst als das absolut Gute darzustellen, Putin als das absolut Böse und das immer am allerbesten, indem man den Holocaust verharmlost. Mission accomplished!!

Interessant ist, dass der oberste außenpolitische Sprecher der Europäischen Union jetzt zugibt, dass es ein historischer Fehler war, der Ukraine eine mögliche NATO Mitgliedschaft schmackhaft zu machen, da dies nicht geschehen werde. Sehen wir das als Beschwichtigung der EU oder nur als weiteren perfiden Schachzug, weil es mal wieder nicht ernst gemeint ist? Hoffen wir mal, der Mann meint es ernst:

Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily, der auf seine alten Tage (89 Jahre alt) geradezu liberale Züge zu entwickeln scheint, hat wie schon bei Corona auch jetzt eine sehr reflektierte und de-eskalierende Meinung. So wie Schily sich vehement gegen die Impfpflicht ausspricht, so plädiert er jetzt in der WELT für ein Schweizer Modell für die Ukraine: verschiedene Landesteile, starker Gegensatz von Ost und West, unterschiedliche Sprachen und Kulturen, aber ein zusammenhängendes Staatsgefüge. Ob mit oder ohne Krim sollte dann auch verhandelt werden.

Es gab es seit dem Ende des Nationalsozialismus nicht mehr, dass in Deutschland – und diesmal sogar auf der ganzen Welt außer in Asien und Afrika, also nur im reichen und besonders fanatischen Teil der Welt: Europa und Nordamerika – eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen zum Abschuss freigegeben wird: Russen. Alle Russen werden verdächtigt, Pro-Putin, also Pro-Krieg zu sein. Dass es sogar ehemals Putinanhänger*innen geben mag, die gegen den Krieg sind, weil der Russland beschädigt, ist denkunmöglich, solange diese Menschen nicht öffentlich (!) Abbitte leisten. Das Verhalten der Bundesregierung und der ganzen Gesellschaft gleicht einem mittelalterlichen Ablasshandel – wer sich von Putin distanziert, obwohl er oder sie russisch ist, hat evtl. noch eine Chance, Teil der Menschheit zu bleiben. Für alle anderen gilt laut Facebook:

Mordaufrufe sind OK, solange sie gegen Putin oder Russen adressiert sind und von Leuten kommen, die das a-soziale Medium Facebook in den baltischen Staaten, Ungarn und einigen anderen namentlich genannten Staaten verwenden. Vor wenigen Jahren sprach die ARD noch von der Nato als Kriegstreiber in der Ukraine … Ein aktueller Text auf Telepolis betont unter Bezugnahme auf mehrere Bundeswehr-Vertreter, einen Oberst a.D. und andere, dass die NATO eine sehr große Verantwortung hat für diesen Krieg, sie hat aggressiv und antirussisch agiert und das seit vielen Jahren. Die politikwissenschaftliche Schule des „Realismus“, die sogar Pro-USA und Pro-NATO ist, hat sich seit den 1990er Jahren scharf gegen jede NATO-Osterweiterung ausgesprochen – aber sie wurden nicht gehört, der Fanatismus im Weißen Haus wie in Europa war und ist grenzenlos.

Wie der Spectator schreibt, sind jetzt Todesdrohungen gegenüber Russen auf Facebook wieder erlaubt, solange man in angrenzenden Ländern wie dem Baltikum, Ungarn, Ukraine etc. lebt. Explizite Todesdrohungen sind keine Hassrede mehr für Facebook, weil es ja nachvollziehbar scheint und gegen Russen geht. Kein Witz!

 

Selbst linke und vorgeblich ansonsten antimilitaristische Ukrainer werben jetzt für mehr Waffen für die Ukraine. Dabei betont der Interviewpartner der linken Zeitung Analyse und Kritik, dass es angeblich 2014 mehr Nazis in der Ukraine gegeben habe als heute, ohne das zu spezifizieren. Aufmärsche von Hunderten bewaffneten Kämpfern des rechtsextremen Azow-Bataillons in den letzten Jahren allein in Mariupol machen doch skeptisch, wie ungefährlich Neonazis aktuell in der Ukraine sind. Das heißt übrigens überhaupt nicht, dass nicht auch bei den pro-russischen Aktivist*innen Rechtsextreme oder/und Dugin-Anhänger*innen aktiv sind. Wir werden unten sehen, wie wichtig es hingegen ist, die längeren politisch-kulturellen Entwicklungen zu betrachten, hier bezüglich von Erinnerungspolitik und Neonazismus in der Ukraine.

Es darf offenbar in der Bundesrepublik Deutschland nur noch eine Meinung geben, die Reihen fest geschlossen, die Volksgemeinschaft geeint. Zuerst gab es Corona, wo jede, wirklich jede substantiell abweichende Meinung diffamiert und die Kritiker*innen zum Abschuss freigegeben wurden, jetzt ist es der Ukraine-Krieg Russlands, der die Deutschen wieder zu einem Kumpen Blei zusammen geschrumpft, mit nur einem Ziel: „Russland ruinieren“.

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Der Diplomatie-Historiker, Publizist und Buchautor Ted Galen Carpenter, Jahrgang 1947, Senior Fellow am Cato Institut, verurteilt den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine, aber er stellt klar, dass es eine unerträgliche Heuchelei ist, wenn Amerika und der Westen so tun, als ob imperialistische und völkerrechtswidrige Kriege seit 1945 Tabu gewesen wären. Es ist eine Lüge, wie Carpenter betont.

Er führt die völkerrechtswidrigen Kriege und Angriffe der NATO in Ex-Jugoslawien 1995, gegen Serbien 1999, in Afghanistan und dem Irak nach 9/11, in Libyen 2011 an. Genauso völkerrechtswidrig die aktuell Putin und Russland agieren, agierte die NATO in den letzten Jahrzehnten auch:

Eine deutsche Frau, deren Großvater nach ihrer eigenen Erzählung im April 1945 mit der Nazi-Wehrmacht gegen die Rote Armee kämpfte und somit vermutlich Russen tötete und Hitler zum Sieg verhelfen wollte, spricht Bände, wenn sie wiederum Russland „ruinieren“ möchte:

Verschiedene psychologische Reaktionsweisen kann man hier analysieren. Handelt es sich bei Baerbock um einen „Wiederholungszwang“? Oder um eine „Projektion“?

In einem aktuellen Text auf den NachDenkSeiten (NDS), die ich ja schon oft und mit triftigen Gründen kritisiert habe, der viel vulgärmarxistische Phrasen drischt, aber auch etwas Freud anwendet und insofern durchaus Nachdenkenswertes andenkt, steht:

Wenn ich sehe, wie mit Schaum vor dem Mund Russland und sein Präsident verbal immer weiter in die Nähe von Hitlerdeutschland geredet werden, dann ist das meines Erachtens nichts anderes als eine Projektion, um die Verdrängung der eigenen Geschichte nicht wahrnehmen zu müssen! Man leugnet etwas bei sich selbst und unterstellt es dem Gegenüber. Das entlastet.

Der Text verkennt zwar die Bedeutung Hitlers für den Nationalsozialismus, ja lehnt den Begriff „Nationalsozialismus“ in typisch vulgär-marxistischer Weise ab und macht auch Max Horkheimer keinen Gefallen, indem er mit seinem verkürzten Zitat über die enge Beziehung von Kapitalismus und Faschismus herum wedelt, hat aber doch den einen oder anderen interessanten Gedanken:

Projektion ist nicht die einzige mögliche Reaktion auf die Abspaltung und Verdrängung der deutschen Geschichte. Ein anderer psychischer Mechanismus ist der Wiederholungszwang: Alles, was nicht integriert wurde, wird so lange wiederholt, bis es bewusst begriffen und integriert worden ist. So wundert es nicht, dass seit Corona der Totalitarismus in neuem Gewande aufersteht und Deutschland dabei den Scharfmacher in Europa gibt. Im Zuge dessen ähnelt die deutsche Gesellschaft immer mehr dem, was sie Russland vorwirft: Untertanengeist und Blockwartmentalität blühen, der Meinungskorridor verengt sich zunehmend, alternative Medien werden diffamiert oder verboten und die Ideologie einzelner Interessenvertreter bestimmen in offenbarungsreligiöser Weise die öffentliche Meinung, wogegen der rationale Diskurs der Meinungsvielfalt weitgehend unterdrückt wird. Die Gesellschaft wird holzschnittartig in Gut und Böse unterteilt und die Politik wird immer undemokratischer. Das Land wurde in den letzten Jahre hauptsächlich von einer Einzelperson dominiert, die ähnlich lange an der Macht war wie Wladimir Putin, und niemand kann garantieren, dass es unter Olaf Scholz anders wird.

Der Journalist Peter Nowak hat 2018 die Ukraine-Russland Krise und die deutsche Haltung am Beispiel eines typischen deutschen Politikers kritisiert:

Über eine grassierende Geschichtsvergessenheit bei der Debatte über Russland in Deutschland

„Jetzt reicht es aber. Verlassen Sie den Donbaz“, herrschte der CDU-Politiker Elmar Brok seinen Diskussionspartner Dmitri Tultschinski an. Der ehemalige Leiter des russischen Senders Rossiya Sevodnya in Berlin sollte mit Brok und der Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien, Gwendolyn Sasse, im Deutschlandradio die Frage „Steht Putins Russland zu Recht am Pranger?“ diskutieren.

Am Pranger stand aber schnell der „Putinversteher“ Tultschinski, dem zwei Diskussionspartner gegenüberstanden, die den sogenannten Westen vertraten, die in Russland die Gefahr sehen, die gestoppt werden muss. Dass Brok da manchmal eher wie ein General wirkte, der gegen die Russen den Krieg doch noch gewinnen will, war eine besonders unangenehme Begleiterscheinung. Die wird aber kaum noch diskutiert. Die deutschen Verbrechen an Bürgern der Sowjetunion und Russlands werden heute nicht mehr erwähnt.

Ganz offenkundig baut der aktuelle Russenhass auf eine sehr lange und tiefe Tradition in Deutschland auf. Während Russland in den letzten 200 Jahren nicht einmal Deutschland angegriffen hat, aber teils sehr positive intensive Beziehungen pflegte, haben die Deutschen Russland allein im 20. Jahrhundert zweimal angegriffen und im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Sowjets getötet.

***

Wie willkürlich die deutsche Politik ist, zeigen die aktuellen Demonstrationen gegen Russland bzw. für die Ukraine. Da dürfen Zehntausende auch ohne Abstand und Maske herumlaufen, während schon ein paar Spaziergänger*innen an einem Montag die Bullen zum Glühen bringen. Dass Russland keine freie Meinungsäußerung zulässt, ist schrecklich, wir kennen das antiliberale, antidemokratische Regime in Moskau. Doch wer spricht vom seit acht Jahren dauernden Krieg im Donbas und den Gewalttaten der ukrainischen Regierung und den mit ihr verbundenen Milizen?

Wer spricht von der antirussischen politischen Kultur und Politik in der Ukraine seit dem gewaltsamen Sturz der Regierung 2014, die vom CIA ganz offen unterstützt wurde? Schließlich jedoch ergänzen sich Putin und zumal die Deutschen wieder in ihrer unfassbaren Panik vor Corona. Wer spricht von der objektiven Gefahr der NATO-Osterweiterung für Russland? Wo bleibt eine emanzipatorische Kritik am Antidemokraten, Nationalisten und Großmachtträume hegenden Putin und die Kritik an der nationalistischen, antisemitischen, neo-nazistischen Gegenwart in der Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit 1991?

Es marschieren in der Ukraine seit Jahren Neo-Nazis auf, wie z.B. in der jetzt heftig umkämpften Stadt Mariupol die Azow-Brigaden bzw. das Azow-Regimente, das regulärer Teil der ukrainischen Armee ist. Da sind viele Neonazis mit dabei, die mit Hakenkreuzfahnen für sich werben, gegen Roma oder Russen Pogrome veranstalten und auch brutal antiliberal, antifeministisch und patriarchal auftreten. Wo bleibt da die Kritik unserer ach-so-westlich-weltoffenen Medien? Wie sieht es mit der nationalistischen Sprachpolitik, die sich gegen das weit verbreitete Russisch wendet, in der Ukraine aus?

Wie sieht es mit dem Antifeminismus in Russland aus, wo eine aggressive Kampagne für mehr Kinder von Putin seit Jahren läuft und die Unabhängigkeit von Frauen torpediert wird? Wo sind die Berichte über die täglichen Angriffe auf die russische Bevölkerung im Donbass seit 2014, und zwar militärische wie politische und sozialpolitische Angriffe – Menschen bekommen nur Sozialleistungen auf ukrainischem Gebiet, jenseits des Donbas, und da hinzukommen ist ein Spießrutenlauf, da rechtsextreme Banden wie die Azow-Brigaden diese Gegend kontrollieren, siehe auch Mariupol.

Wie sieht es mit der Meinungsfreiheit in Kiew aussieht, sagen wir für russische Anti-Putin Leute, die sowohl gegen den Krieg als auch gegen Selenskyi und seine Unterstützung von Neo-Nazis sind? Doch wie schon bei Corona und der Impfpflicht werden in den Massenmedien kaum kritische Stimmen vernommen, Zeitungen wie Die Welt bringen zwar dissidente Positionen, die aber kaum mehr als Alibicharakter haben und die extreme antirussische Hetze der Bild-Zeitung nicht verdecken können.

Es gibt viele wissenschaftliche Artikel zur Gedenkpolitik, zu Rechtsextremismus und Antisemitismus in der Ukraine. Die Politikwissenschaftlerin und Slavistin Laura Schultz hat 2017 eine Aufsatz zur Kritik rechter Tendenzen in der Ukraine publiziert (S. 183-197).

Schultz geht gleich zu Beginn auf die typische Reaktion im Westen ein, wenn das Thema Rechtsextremismus auf den Tisch kommt. Da wird abgewiegelt, entwirklicht und geleugnet, was für eine tiefe politisch kulturelle Bedeutung der Rechtsruck hat und wie stark der Einfluss der Neonazis auf dem Maidan tatsächlich war. Eine Gruppe von anti-linken oder die Rechten verharmlosenden Forscher*innen hat auf der Seite der Heinrich-Böll-Stiftung eine solche Warnung an linke Kritiker*innen der Nazis im Jahr 2014 publiziert, weil diese Kritik nur Putin Vorschub leisten würde. Exakt das erleben wir auch heute. 2014 hießt es:

Obwohl wir den rechten Aktivitäten auf dem Euromaidan kritisch gegenüberstehen, sind wir besorgt über eine unerfreuliche Erscheinung in zu vielen internationalen Medienberichten über die jüngsten Ereignisse in der Ukraine. In etlichen Reportagen und Kommentaren wird in der einen oder anderen Weise die Rolle, der Stellenwert und der Einfluss ukrainischer Rechtsradikaler in Kiew überbewertet bzw. fehlinterpretiert. Einigen Berichten zufolge wird die ukrainische proeuropäische Bewegung von ultranationalistischen Fanatikern unterwandert, getragen oder gar übernommen. Bestimmte Kommentare erwecken den irreführenden Eindruck, dass die ukrainischen Proteste von derartigen Kräften erzeugt wurden oder gesteuert werden.

Zwei der Unterzeichner sind die Historiker Andreas Umland und Timothy Snyder. Snyder ist ein typischer Vertreter der den Holocaust verharmlosenden Rot=Braun These. Sein zumal in Deutschland preisgekrönter Bestseller „Bloodlands“ ist eine Art Bibel für Rechtsextreme im Osteuropa und hat mit seriöser Holocaustforschung wenig zu tun. Ich habe mich ausführlich mit dieser Schrift beschäftigt, unter anderem in dem Kapitel „Ernst Nolte’s ‘grandson?’ – Timothy Snyder“ in meiner Studie „Antisemitism: A Specific Phenomenon“ von 2013 (S. 313-372).

2017 schrieb ich („Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ein Antisemitismus-Problem“) über Snyder:

2013 bekam der Holocaustverharmloser Timothy Snyder, ein enger Freund Judts, ebenfalls den Arendt-Preis, den die Stiftung zusammen mit dem Senat der Hansestadt Bremen seit 1994 jährlich verleiht. Snyders Bestseller Bloodlands ist eines der ungeheuerlichsten antijüdischen Bücher überhaupt, er macht sich geradezu einen Spaß daraus, zu betonen, wie klein die Gruppe der deutschen Juden gewesen sei, die im Holocaust ermordet wurde. Snyder schrieb, dass die meisten deutschen Juden, die 1933 lebten, eines „natürlichen Todes“ gestorben seien – warum also die Aufregung wegen des 9. Novembers 1938, Bergen-Belsen, den Wäldern von Litauen, Babi Yar oder Auschwitz?

Snyder ging noch weiter und meinte, der Westen, vor allem Europa, hätte die westeuropäischen Juden, die nach Auschwitz deportiert und dort vergast wurden, deshalb erinnert, weil das die „bourgeoisen Juden“ gewesen seien (!). Die armen osteuropäischen Juden würden hingegen vergessen, was an Infamie schwerlich zu überbieten ist, denn wenn jemand die Juden als die Opfergruppe der Shoah vergisst und klein redet, dann ist es Timothy Snyder.

In seinem Buch Bloodlands fantasiert er von einem Territorium, das es als solches natürlich gar nicht gab, in dem 14,5 Millionen Menschen ermordet worden seien – von Stalin und dann von Hitler. Es geht für den Revisionisten Snyder mit Stalin und der Hungerkrise in der Ukraine 1932 los, Auschwitz ist für ihn viel später, kein Zivilisationsbruch und nur ein Puzzleteil im Morden der beiden Diktatoren, als die er Stalin und Hitler in dieser völlig veralteten Forschung, die der Great Man Theory des 19. Jahrhunderts anhängt, präsentiert.

Völlig konsistent mit dem linken Geschichtsrevisionismus war die Preisverleihung des Arendt-Preises an Joachim Gauck 1997, einem Vorläufer von Snyder.

In meiner Studie von 2013 zitierte ich auch einige andere scharfe Kritiker des Ansatzes von Timothy Snyder, wie den israelischen Holocausthistoriker Prof. Dan Michman, den Historiker am Institut für Zeitgeschichte in München Dr. Jürgen Zarusky oder den deutsch-israelischen Historiker Prof. Dan Diner. Diner hat seine Position gegen Snyder zugespitzt formuliert. Für Snyder, der auf aggressive und unwissenschaftliche Weise Stalin und Hitler analogisiert und einen völlig abstrusen, fiktiven Raum mit dem Namen „Bloodlands“ bezeichnet, der grob zwischen dem Baltikum und dem Schwarzen Meer sowie zwischen Ostpolen und der Ukraine liegt, entwirklicht vollkommen das Nie-Dagewesene und Spezifische von Auschwitz und dem eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen. Der Holocaust hat für Snyder nur als Teil dieser irrationalen Konstruktion von „Bloodlands“ Bedeutung, und die beginnen nicht zufällig 1932 mit der ukrainischen Hungersnot, die überhaupt gar nicht mit der gezielten Vernichtung eines ganzen Volkes auch nur im Ansatz verglichen werden kann. Diner schreibt:

Es bleibt dabei: Die Leiden eines an Hunger zugrunde gehenden ukrainischen Kindes unterscheidet sich keinen Deut von dem eines jüdischen Kindes im Getto oder angesichts der Gaskammer. Indes galt es nicht, alle Ukrainer als Ukrainer und überall zu Tode zu bringen. Zudem war der von Stalin zu verantwortende, wenn nicht gar willentlich herbeigeführte Hungertod in der Ukraine und nicht nur in der Ukraine, vielmehr im gesamten sowjetischen Schwarzerdebereich ebenso wie im Nordkaukasus, nicht wesentlich ethnisch begründet, sondern zog all jene ins Verderben, die ebendort ansässig waren – in der Ukraine vornehmlich ethnische Ukrainer, aber auch dort lebende Polen, Juden und Angehörige anderer Nationalitäten. Für Juden als Juden war der ihnen von den Nazis vorbehaltene Tod gleichwohl regelhaft, Überleben allein dem Zufall geschuldet. Diese und andere an diesen fundamentalen Umstand gemahnende Unterscheidungen sind Timothy Snyder selbstverständlich geläufig. Er lässt sie auch ständig und immer wieder in seinem Buch zu Worte kommen. Gleichwohl sind sie eher von salvatorischer Bedeutung, will heißen: Sie sind für die von ihm konstruierte Erzählung eigentlich folgenlos.

Lara Schultz geht in ihrem Bericht auf jene Erklärung auf der Seite der Böll-Stiftung ein und schreibt:

Auf dem Maidan versammelte sich, darauf legten auch ukrainische Berichterstatter*innen großen Wert, ein Querschnitt der Bevölkerung. Das heißt natürlich: auch Nazis. Von Anfang an fehlte in der Protestbewegung eine Abgrenzung und Distanzierung von der extremen Rechten. Eine enge Kooperation mit Neonazis wurde so normalisiert, mit der Folge, dass Nazis anschließend in wichtige politische Ämter kamen und eigene Bataillone aufstellten, um im Osten des Landes zu kämpfen. Dies zu äußern, so wurde der Autorin und anderen Journalist*innen vorgeworfen, sei Wasser auf die Mühlen Putins, der sowieso die gesamte Ukraine als ‚faschistisch‘ diffamiere. Nur deshalb nicht über die ukrainische Rechte zu berichten, wie es im Februar 2014 in einem prominenten offenen Brief von Sozial- und Geisteswissenschaftler*innen gefordert wurde [hier der Link zu Seite der Böll-Stiftung, CH], wäre dennoch falsch: Don’t shoot the messenger! (S. 184)

Sie attackiert den Slavisten und Politologen Andreas Umland, der mit Snyder und Dutzenden anderen diesen die rechte Gefahr verharmlosenden Brief bei der den Grünen nahestehenden Böll-Stiftung publizierte, da Umland schon damals Putin mit Hitler verglich und „Parallelen zum Nationalsozialismus“ herbei fantasierte (S. 185). Sie kritisiert weitere pro-westliche einseitige Schuldzuweisungen, aber auch einseitige anti-westliche Vorwürfe wie an Jörg Kronauer, der 2014 ein Buch über die Ukraine und den deutschen Einfluss bei diesem „Expansionsprojekt des Westens“ extrapoliert. (Ebd.)

Sie erwähnt, dass die Ukraine in ihrer heutigen Gestalt als Staatsgebilde erst seit 1991 existiert (S. 188), im Gegensatz zu den baltischen Staaten. Ein Großteil der Bevölkerung spricht Russisch, erst seit 1991 gilt Ukrainisch als Amtssprache (S. 187f.). Sie geht auf die Spaltung der 1929 gegründeten „Organisation Ukrainischer Nationalisten (Orhanizacija ukrains’kich nacionalistiv, OUN)“ im Jahr 1940 ein, fortan gab es die OUN-M (für Melnyk) und OUN-B (für Stepan Bandera).

Schultz geht auf die Erinnerungs- und Gedenkpolitik in der heutigen (Stand 2017) Ukraine ein. Und das ist bezeichnend, was man dort vorfindet:

Auf dem zentralen Platz des Lycakivs’kyi Friedhofes in L’viv (Westukraine) stehen meterhohe weiße Kreuze, die, durch Jahreszahlen kenntlich gemacht, an die Opfer des Holodomor erinnern. Daneben findet sich ein Gedenkstein für die ukrainische Armee (inklusive der 14. Waffen-Grenadier-Division, also der SS-Division Galizien), daneben Gräber von nach dem Krieg verstorbenen Mitgliedern der OUN-UPA. (S. 191)

Wenn heute überall Stepan Bandera, die OUN und die Ukrainische Aufständige Armee (Ukrajins’ka Povstans’ka Armija, UPA) (S. 192) als Helden gefeiert werden, muss man wissen, wofür die OUN stand (S. 192f.):

Jaroslav Stec’ko, Vize der OUN-B, ließ in seiner autobiografischen Schrift von 1941 keinen Zweifel am eliminatorischen Antisemitismus der OUN:

‚Moskau und die Juden sind die größten Feinde der Ukraine. Als Hauptfeind betrachte ich Moskau, welches die Ukraine mit Gewalt in Unfreiheit gehalten hat, nicht weniger beurteile ich die Juden als ein schädliches und feindliches Schicksal, die Moskau helfen, die Ukraine zu verknechten. Daher beharre ich auf dem Standpunkt einer Vernichtung der Juden und der zweckdienlichen Einführung deutscher Methoden der Extermination der Juden in der Ukraine, ihre Assimilation ausschließend‘ (Berkhoff/Carynnyk 199: 162). [Das ist ein wissenschaftlicher Artikel aus den Harvard Ukrainian Studies von 1999, CH]

2013/14 wurde Bandera zu einem Schlüsselsymbol der Proteste auf dem Maidan. (…) Diese Wertschätzung [Banderas, CH ] wurde nun auch gesetzlich verankert: Mit dem Gesetz über die rechtliche Stellung und die ehrende Erinnerung an die Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im zwanzigsten Jahrhundert, No. 314-VIII vom 9. April 2015 kann strafrechtlich belangt werden, wer Kritik an der wohlwollenden Einschätzung der OUN-UPA äußert. Kontroversen sind somit ausgeschlossen.

So wie überall in Europa, von Finnland über Schweden, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Ungarn, Österreich gibt es eben auch in der Ukraine extrem rechte Tendenzen, die immer mehr im Mainstream andocken. Sicher gibt es nicht überall so viele Neonazis in der Regierung wie in der Ukraine in den letzten Jahren (der Artikel ist wie gesagt von 2017). Aber die großen Linien der politischen Kultur sind klar: Es geht seit 1991 in der Ukraine um einen sehr starken Nationalmythos, um Nationalismus und eine Abwehr der Erinnerung an die Verbrechen Banderas und der OUN/UPA, die Tausende Juden und Zehntausende Polen ermordeten.

***

Was heißt das? Wir müssen der Diplomatie eine Chance geben, sie ist die einzige, die wir haben. Russland muss den Krieg beenden, aber das wird nur mit einem Kompromiss gehen, die Ukraine muss klare Zugeständnisse machen, primär eine Abkehr von einer NATO-Mitgliedschaft. Was würden die USA tun, wenn ein neues Militärbündnis in Mittelamerika, bestehend z.B. aus Mexiko, El Salvador und Nikaragua als neues Mitglied plötzlich Kanada einladen möchte und dort regelmäßig Kampfübungen mit Zehntausenden Soldaten unweit von Toronto abhalten würde? Diesen Gedanken hat der oben zitierte Diplomatiehistoriker, der Putins Krieg scharf verurteilt, ihn aber kontextualisiert:

One can readily imagine how Americans would react if Russia, China, India, or another peer competitor admitted countries from Central America and the Caribbean to a security alliance that it led—and then sought to add Canada as an official or de facto military ally. It is highly probable that the United States would have responded by going to war years ago. Yet even though Ukraine has an importance to Russia comparable to Canada’s importance to the United States, our leaders expected Moscow to respond passively to the growing encroachment.

They have been proven disastrously wrong, and thanks to their ineptitude, the world is now a far more dangerous place.

Wenn jetzt selbst in der Ukraine linke Gesellschaftskritiker mehr Waffen vom Westen fordern, aber nicht etwa – was viel naheliegender wäre – für einen Gebärstreik plädieren, dann zeigt sich, dass in Russland, wo der Protest gegen den Krieg offenbar schwach ist, aber auch mit Gefängnis bedroht wird, wie in der Ukraine vorwiegend junge Männer als Kanonenfutter in den Krieg geschickt werden. Es gibt keine patriarchalere Institution wie eine Armee, Befehl, Gehorsam, Männerbund und Gewalt, inklusive sexueller Gewalt auf allen Seiten, sind die schrecklichen Konsequenzen. Diese jetzt auch noch mit mehr Waffen für die Ukraine zu verlängern oder aber in Deutschland die Bundeswehr so stark aufzurüsten wie noch nie seit ihrem Bestehen, das zeigt, wie ähnlich sich die Politiker*innen weltweit doch sind.

Der Rechtsruck aber, die Liebe zu „Heimat“ und Nation, ‚Sommermärchen‘ 2006, die AfD, Pegida, die Liebe zum Eigenen und der Hass auf Andere ist seit Jahrzehnten auch in der Ukraine angekommen, nachdem sie 1991 als neuer Staat in seiner heutigen Form entstand. Die Stadt Dniproperovs’k hörte sich zu sowjetisch an und wurde im Mai 2015 umbenannt in Dnipro. (Schultz 2017, S. 194) So lief es ja auch mit Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), während Straßen und Plätze in der BRD weiter fröhlich nach Hindenburg, Bismarck oder Richard-Wagner benannt sind. Honni soit qui mal y pense.

Der geradezu idiosynkratische Hass auf alles Russische ist schockierend. Da scheint etwas ganz tief im deutschen Unbewussten angetriggert zu werden. Massenmorde in Ruanda und anderen Teilen Afrikas oder ganz aktuell im Yemen, das von den Saudis zerbombt wird und einen Stellvertreterkrieg mit dem Iran erlebt, all das interessiert so gut wie kein Schwein. Da geht es nicht um blonde Frauen, die Opfer eines Krieges werden, sondern um Nicht-Weiße. Vor allem aber ist da jeweils „der“ Russe nicht involviert. Nicht mal die Amerikaner und Trump hatten es geschafft, eine solche Ablehnung an allem Amerikanischen zu stiften und das will was heißen beim so ubiquitären Antiamerikanismus in diesem Land. Auch Israel hat es nicht geschafft, so uneingeschränkt und total abgelehnt zu werden wie aktuell Russland und alle Russen weltweit.

Dieser Russenhass muss sofort aufhören. Russen und die Sowjetunion haben Europa von den Deutschen und Nazis befreit. Und es ist eine unerträgliche Ironie der Geschichte, ein Wiederholungszwang offenbar, dass gerade das Land, dessen Nationalisten so eng mit den Nazis, der SS und der Wehrmacht kooperierten, die Ukraine, Bandera, die OUN und UPA heute Nationalhelden in der Ukraine sind und die Deutschen dieses Land unterstützen wie sie noch nie etwas unterstützt haben seit 1945.

Selbst ungeimpfte Ukrainer*innen dürfen ungetestet Zug fahren und werden dafür bejubel, auf Demos für die Ukraine gelten plötzlich keine Abstandsregeln mehr und keine Maskenpflicht. Es ist ja für eine gute Sache und diese Seuche Corona ist irgendwie doch nur dann besonders schlimm, wenn es um Demonstrationen von Kritiker*innen der verfassungsfeindlichen, irrationalen, unwissenschaftlichen und antidemokratischen Coronapolitik geht.

Aber während eine Kritik an Russland auf allen Ebenen erwünscht, ja eingefordert wird von der stramm geschlossenen Volksgemeinschaft der Friedensfreunde, die jetzt 100 Milliarden extra locker machen für die Zukunft der Friedens-Bundeswehr, die nur mit Konfetti und Broschüren mit Kants „Ewigem Frieden“ schießt, ist die so not-wendige Kritik am Nationalismus, an der Erinnerungsabwehr an die Shoah und die Beteiligung von Bandera, der OUN und UPA am Holocaust verpönt.

Seit Jahren wird der Kriegshaushalt in Deutschland erhöht und hat jetzt mit dem Wahnsinns-100-Milliarden-„Sondervermögen“ von Scholz den Gipfel dessen erreicht, was wir „autoritäre Demokratie“ nennen könnten, wie der Freitag in Analogie zum SPD-Verhalten bei den Kriegskrediten 1914 schreibt.

Dieser Autoritarismus, Nationalismus und eine politische Kultur der Stolzdeutschen sind ein längerer Prozess, der nicht erst mit 1989 begann, aber natürlich durch den Mauerfall unglaublichen Auftrieb erhielt. Hunderte Morde an Migrant*innen, Walsers Paulskirchenrede gegen die Erinnerung an Auschwitz, seine Einladung ins Bundeskanzleramt zu Schröder am 8. Mai 2002, das „Sommermärchen“ mit Jürgen Klinsmann 2006, der schwarz-rot-goldene Rausch 2014 mit seinem anti-argentinischen Rassismus („so laufen die Deutschen…“) am Brandenburger Tor hin zur rassistischen Pegida-Bewegung, dem Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag 2017 hat jetzt seit der Coronapolitik und dem Ukraine-Krieg seine volksgemeinschaftliche Vollendung gefunden.

Schauen wir abschließend nochmal, wer so in der Politik in der Ukraine in den letzten Jahren mitmischte und was das für die dortige politische Kultur bedeutet, auch sprachlich. Laura Schultz schreibt:

Dass Nazis und extreme Rechte, die sich auf dem Maidan profiliert hatten, später mit politischen Ämtern bedacht würden, war abzusehen. So war es dann auch im Kabinett Jacenjuk I: Der stellvertretende Ministerpräsident Oleksandr Sic, Verteidigungsminister Ihor Tenjuch, Umweltminister Andrij Mochnik und Landwirtschaftsminister Ihor Svajka hatten damals alle ein Svoboda-Parteibuch. [Fußnote der Autorin: „Die ‚Allukrainische Vereinigung Svoboda‘ (dt. Freiheit) ist eine extrem rechte und nationalistische Partei unter dem Vorsitz von Oleh Tjanybok. 1991 wurde sie unter dem Namen ‚Sozial-nationale Partei der Ukraine‘ gegründet“] Auch Generalstaatsanwalt Oleh Machnickij war Mitglied der Partei Svoboda. Bildungsminister Serhij Kvit wurden Sympathien für den Rechten Sektor nachgesagt. Dmytro Bulatov, Minister für Jugend und Sport, war Mitglied der neonazistischen Ukrainischen Selbstverteidigung UNA-UNSO, ebenso Tetjana Cornovol, damalige Vorsitzende der nationalen Anti-Korruptions-Kommission. Der damalige Chef des Rats für die nationale Sicherheit und Verteidigung, Andrij Parubij, war Mitbegründer der Svoboda Vorgängerpartei, der Sozial-nationalen Partei der Ukraine. Und Dmytro Jaros, ehemaliger Majdan-Kommandant, ‚Führer‘ der neonazistischen Organisation Dreizack und Rechter Sektor, war Parubijs Stellvertreter im Rat. Dieser Erfolg von faschistischen Gruppen und eine derart hohe Regierungsbeteiligung von extremen Rechten war in europäischem Maßstab einmalig. Derzeit ist beispielsweise Andrij Parubij Parlamentspräsident, während der ehemalige Kommandant des Azov-Bataillons Vadym Trojan Polizeichef in Kiew ist. (S. 194)

All das rechtfertigt keine Sekunde einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands – aber es zeigt, mit was für einem Land wir es mit der Ukraine zu tun haben. Schultz schreibt:

Die Majdan-Revolution war unter anderem Ausdruck einer nationalen antirussischen Identität. Der ukrainische Dreizack, Blumenkränze im Haar, reich bestickte Blusen und Hemden waren Symbole, die auch die Fernsehaufnahmen prägten. Dass sich Teile des Majdans positiv auf den ja nach Sichtweise Freiheitskämpfer oder NS-Kollaborateur zu bezeichnenden Bandera beriefen, dass der OUN-Schlachtruf ‚Ruhm der Ukraine – den Helden Ruhm!‘ und die Beteiligung von organisierten Neonazis auf dem Majdan gängig waren, war Wasser auf die Mühlen Russlands, dessen Propaganda auf dem Majdan eine neue faschistische Junta sah oder eine direkte Parallele zur historischen, mit Nazis kollabierenden OUN ziehen konnte. (S. 195)

Ironischerweise beendet sie ihren instruktiven Artikel, indem sie betont, dass es doch ironisch oder „zynisch“ ist, dass die Ukraine insofern tatsächlich sich nach Europa orientiert, weil wir in Europa doch seit Jahren einen starken Rechtsruck haben.

Wie beendete der ukrainische Präsident und vormalige Fernseh-Clown Selenskij seine Rede vor der Münchener Sicherheitskonferenz – das war einige Tage vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine:

Ruhm der Ukraine.

Wir aber sollten uns mit der jahrzehntelangen Erinnerungsabwehr in Deutschland beschäftigen, mit der mehr oder weniger offenen, mehr oder weniger schamlosen Bezugnahme auf ‚unsere‘ Großväter und Urgroßväter wird heute wieder gefordert, „Russland zu ruinieren“.

In einem aktuellen Radiokommentar für das freie Radio Flora aus Hannover kritisiert der Historiker Hubert Brieden die „Kriegsrhetorik“ und „Karrieregeilheit“ von Scholz, Merz oder Habeck. Er setzt dann etwas vorschnell beide Weltkriege im 20. Jahrhundert unter die Rubrik „Einflusssphäre“, also intoniert die kapitalistisch-imperialistische Dimension, was beim Nationalsozialismus scheitert, Auschwitz hatte keinen Grund, kein Ziel, war kein Interesse des Kapitals. Es ging um die Vernichtung der Juden um der Vernichtung willen, wie ich in Bezug auf die internationale Forschung in meinem zitierten Band „Antisemitism: A Specific Phenomenon“ quellenbasiert zeigte.

Aber Brieden resümiert in einem autobiografischen Rückblick auf seinen Vater, der als Wehrmachtssoldat in der Ukraine war, und meint damit auch die aktuelle Bundesregierung:

Der Hauptfeind steht im eigenen Land.

Ein kleiner Palast für Israelhass im Herzen von Berlin? Die Bundesregierung, die Barenboim-Said-Akademie und der Antisemitismus

Von Thomas Weidauer* und Clemens Heni*, juedische.at, 17.06.2015

Am Montag, den 15. Juni 2015, wurde in Berlin das Richtfest der Barenboim-Said-Akademie gefeiert. Die deutsche Bundesregierung untertstützt den Bau mit 20 Millionen Euro, was 2/3 der Gesamtkosten ausmacht, und wird sich auch später an der Finanzierung der laufenden Kosten des Prestigeobjektes beteiligen. Kulturstaazsministerin Monika Grütters sagte:

 „Mit der Barenboim-Said Akademie feiern wir heute ein wegweisendes kulturelles Versöhnungsprojekt, das uns auch in Berlin einen kleinen Beitrag zum Friedensprozess im Nahen Osten leisten lässt. Jeweils drei Jahre lang werden hier bis zu 100 israelische und arabische junge Menschen, entlastet von dem oft kriegerischen Lärm ihrer Heimat, aufeinander hören, miteinander musizieren, sich gegenseitig achten und, so hoffen wir, die Botschaft in die Welt tragen: Frieden ist möglich.“

Zugegen beim Richtfest waren auch der Barenboim-Said-Akademie- Präsident Michael Naumann, der Kukturstaatssekretär des Berliner Senats Till Renner sowie ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, Andreas Görgen. Der kanadisch-amerikanische Stararchitekt Frank Gehry hat das Gebäude entworfen und wurde per Videobotschaft zugeschaltet.  Barenboim war ganz euphorisch.

„Frieden ist möglich“ – das hört sich vielversprechend an, doch entspricht es der Wahrheit? Wer war Edward Said? Und wer ist Daniel Barenboim? Für was steht seine Stiftung, die Daniel-Barenboim-Stiftung, auf deren Homepage die Akademie vorgestellt wird?

Auf Barenboims Homepage steht:

„Über die Jahre hat das West-Eastern Divan Orchestra Beziehungen zu vielen Organisationen in Israel, Palästina und anderen Teilen der Welt aufgebaut. Einige Organisationen existierten – mit vergleichbaren Zielen – schon vor dem Divan und einige wurden von Mitgliedern oder Ehemaligen des Orchesters gegründet, aber alle gemeinsam verdienen unsere volle Unterstützung.“

Sodann werden fünf Gruppen aufgeführt:

Al-Kamandjati (www.alkamandjati.com)
Barenboim-Said Conservatory / Orpheus (
www.orpheus-music-edu.org)
Friends School Ramallah (
www.palfriends.org)
Palestinian Medical Relief Society (
www.pmrs.ps)
Musikkindergarten Berlin (
www.musikkindergarten-berlin.de)

“Al-Kamandajati” verweist gleich auf der Startseite (aufgerufen am 17.06.2015) auf folgenden Text von Juli 2014 bezüglich des Abwehrkrieges gegen die Hamas:

 “This latest Israeli attack against Gaza is a crime that must be understood within the context of Israeli occupation and apartheid. For over six decades Palestinians have been systematically bereaved of their lands, their water and their freedom of movement.”

Die bloße Existenz Israels wird hier in Abrede gestellt, wenn keineswegs von der Besatzung des Westjordanlandes seit 1967, vielmehr von einer Besatzung „seit über sechs Jahrzehnten“ geredet wird, also seit 1948, der Gründung des Staates Israel. Auch die Diffamierung Israels als „Apartheid“ kommt hier vor – ist das das „kulturelle Versöhnungsprojekt“, von dem die Bundesregierung beim Richtfest am Montag sprach?

Die nächste von Barenboim unterstützte Einrichtung ist die „Friends School of Ramallah“.

In deren „Summer Newsletter 2015“ wird die Nakba erwähnt, die palästinensische „Katastrophe“ von 1848, ohne dabei zu erwähnen, warum es zu den Vertreibungem kam: weil die Araber sich im November 1947 weigerten , den UN-Teilungsplan für Palästina anzunehmen und neben dem (jüdischen) Staat Israel einen (weiteren) arabischen Staat zu gründen. Schon 1937 hatten die Araber den Teilungsplan der Briten abgelehnt, während die Zionistische Bewegung ihn angenommen hätte. Zudem haben die umliegenden arabischen Staaten die Palästinenser dazu gezwungen, Israel zu verlassen, da ein Dortbleiben dem jüdischen Staat Akzeptanz verschafft hätte. Zwar kam es von jüdischer Seite zu einzelnen Verbrechen-die in Israel heute breit diskutiert werden-während es in der arabischen Welt kaum jemanden gibt, der die Vertreibung von fast einer Million Juden anspricht.

Barenboim selbst scheint ein Anhänger des palästinensischen Rückkehrrechts zu sein und propagiert somit die Zerstörung des jüdischen Staates Israel, wenn er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung 2012 sagt:

„Es ist doch absurd“, sagt er, „dass Woody Allen noch heute Abend nach Israel ziehen könnte, eine palästinensische Familie, die tausend Jahre lang dort gelebt hat, aber nicht.“

Barenboim erwähnt gar nicht den grotesken Charakter dieser palästinensischen angeblichen Flüchtlinge. Es handelt sich hierbei um ca. 5 Millionen Menschen, davon sind jedoch nur ein paar Zehntausend tatsächlich 1948/49 geflohen bzw. vertrieben worden. In krassem Gegensatz zu allen anderen Flüchtlingen weltweit wird nämlich bei Palästinensern der Flüchtlingsstatus vererbt! Das wird durch die ausschließlich für die Palästinenser zuständige United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), die auch von der deutschen Bundesregierung finanziell unterstützt wird, organisiert und perpetuiert.

Während Israel ca. eine Million jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern nach 1948 in die Gesellschaft integrierte, weigern sich arabische Staaten wie Syrien, der Libanon, Jordanien und weitere Staaten die Palästinenser als Staatsbürger zu integrieren. Vielmehr wird auf zynische Weise deren Flüchtlingsstatus zementiert, die Flüchtlingslager dienen als Faustpfand im Kampf gegen Israel.

Dabei haben die Araber in Israel gar kein Interesse an einer Rückkehr dieser angeblichen (und der wenigen noch lebenden tatsächlichen) Flüchtlinge! Die UN haben 1947 – so wie die britische Peel Commission 1937, die bereits die unüberbrückbaren politischen und weltanschaulichen Differenzen von Arabern/Muslimen und Juden erkannte – ausdrücklich von einem jüdischen und einem arabischen Staat gesprochen, doch die Araber („Palästinenser“) lehnten das ab.

Und da wären wir beim Thema arabischer und muslimischer Antisemitismus. Jede Präsenz von Juden auf „arabischem“ oder „muslimischem“ Land wird abgelehnt, so die antisemitische Ideologie. Jene, die eine Einstaatenlösung (oder einen binationalen Staat) propagieren, wollen Juden lediglich als Minderheit am Leben lassen, gerade ohne jede politische Eigenständigkeit und Souveränität. Und, nochmal: selbst die Mehrheit der Araber in Israel möchte keinen solchen Staat, da sie keine demokratieunfähigen oder –unwilligen, verhetzten und antisemitischen Palästinenser an ihrer Seite haben wollen.

Ganz davon zu schweigen, dass in Paris, Chicago, Brüssel oder Berlin geborene „Palästinenser“ keinerlei Bezug zu Israel haben und es völlig absurd ist, ihnen ein „Rückkehrrecht“ zu gewähren. Das erinnert vielmehr an ewiggestrige Nazis in Deutschland, die bis heute von einem Rückkehrrecht der vertriebenen Deutschen nach Polen oder der Tschechischen Republik, der Slowakei, Rumänien oder Bulgarien etc. träumen.

Auf das historisch gesehen unlogische und absurde palästinensische „Recht auf Rückkehr“ weist auch der bekannte israelische Journalist Ben Dror Yemini in seinem Buch „The Industry of Lies“ (Hebräisch 2014) hin. Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe Volker Beck (Die Grünen) sprach sich wie andere Politiker und Redner im April 2015 gegen eine Konferenz des „Palestinian Return Center“ aus London und der Palästinensischen Gemeinde in Deutschland in Berlin-Treptow und somit gegen das palästinensische Rückkehrrecht aus, da dies Israel zerstören würde. Es ginge um das gleichberechtigte Nebeneinander von Israel und einem möglichen Staat „Palästina“ Seite and Seite mit Israel, so mehrere Redner.

Es ist in der politischen Kultur der Bundesrepublik Konsens, dass das Plädieren für eine Rückkehr der Deutschen nach Polen oder der Tschechischen Republik und anderer Länder Revanchismus ist und zudem Flüchtlinge niemals ihren Status hätten auf ihre Nachfahren übertragen können. Warum also wird via UNRWA bezüglich der Palästinenser anders geurteilt? Das ist unlogisch und nicht nachvollziehbar.

Es scheint ein antijüdisches Ressentiment dahinter zu stecken, da Juden und Israel anders behandelt werden denn andere Gruppen bzw. Länder. Was wäre in Europa und in Polen zu Recht für ein Aufschrei zu vernehmen, wenn die deutsche Bundesregierung mit 20 Millionen Euro eine Akademie unterstützen würde, die von Personen und mit ihnen assoziierten Gruppen getragen bzw. geprägt wird, die von einem „Rückkehrrecht der Schlesier nach Polen“ daher reden?

Die Araber in Israel ziehen ihre geschützte Minderheitenposition im jüdischen Staat Israel einer möglichen Mehrheit im Staate mit aus aller Welt kommenden, fünf Millionen Arabern vor. Niemand leugnet, dass es auch in Israel, wie in jedem westlichen Land, Rassismus gibt – doch im Gegensatz zur PA oder den arabischen Ländern wird dieser Rassismus gegen Araber in Israel von der überwiegenden Mehrheit kritisiert und bleibt niemals unwidersprochen.

In einer Art Gedicht wird sodann im Sommernewsletter 2015 der Boys School Ramallah „lyrisch“ der Mord an Juden in Israel angekündigt, wenn die Palästinenser endlich ihr „Rückkehrrecht“ in Anspruch nehmen könnten:

„We don’t only hold our keys

We will return and forget about ever being refugees

And you will leave or “rest in “peace” “. [Anführungszeichen so im Original, d.V.]

Im selben hetzerischen Text eines Schülers, der die von Barenboim unterstützte und angepriesene Schule in Ramallah besucht, wird das Märtyrertum propagiert:

„I’d rather be a martyr than be on your unjust venue

Which causes us to call for another menu

Whether it consists of harm and pain

You, Israel, are one to blame.”

Das ist Ramallah im Frühsommer 2015! Mit deutscher Unterstützung?

Als weiteres Vorzeigeprojekt wird von der Daniel-Barenboim-Stiftung die „Palestinian Medical Relief Society“ (PMRS) angeführt. Die hat auf ihrer Website, nun ja, einen Bericht über den Krieg im vergangenen Sommer, der eine einzige Verleumdung Israels darstellt:

Darin wird Israel nicht nur das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen, sondern etwa behauptet,

“The war Israel is waging on Gaza right now is not about self-defense, it is not even about destroying Hamas. It is a war about complete control over a territory and a people and it is being conducted with complete disregard for human life.“

Die PMRS steht dem vor zehn Jahren ins Leben gerufenen BDS Movement nahe. Diese Bewegung ruft dazu auf, Israel mit Boykotten auf allen Ebenen zu bekämpfen, nicht in Israel zu investieren und die jüdische Demokratie mit Sanktionen für ihre Existenz zu bestrafen. BDS-Aktivisten bedrohen Menschen, die ihre Ansichten nicht teilen, nicht selten mit Gewalt, in Südafrika gehört der Ruf „Shoot the Jew“ offenbar zum festen Repertoire dortiger BDS-Anhänger. In Berichten von der „First Palestinian Conference for the Boycott of Israel“ (2007) heißt es: „The organizing committee expresses its special thanks to (…) PMRS-Palestinian Medical Relief Society“.

Edward Saids Witwe Mariam Said ist eine Vertraute Barenboims und aktiv involviert im „West-Eastern-Divan-Orchestra“ (WEDO). Im März 2010 verteidigte sie Barenboim auf der antiisraelischen Seite „Electronic Intifada“  und versicherte den Agitatoren, dass Barenboim ganz im Sinne Edward Saids agiere, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln. Mariam Said unterstrich, dass viele aus den Reihen von WEDO und dem Umfeld von Daniel Barenboim den Boykott gegen Israel unterstützen würden.

Alle diese Beispiele zeigen: Die von Daniel Barenboim und seiner Stiftung unterstützten und promoteten Projekte fördern die Hetze gegen den jüdischen Staat Israel, sie verlangen ein palästinensisches Rückkehrrecht, welches einer, wenn nicht der Hauptgrund für das Scheitern der seit vielen Jahren geführten Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde ist. Sie preisen zudem das Märtyrertum, schweigen zum Islamismus der Hamas und des islamischen Jihad und drohen Juden mit Gewalt.

Von all dem hat man beim Richtfest am 15. Juni 2015 in Berlin nichts gehört. Die Frage ist: schaut sich die deutsche Bundesregierung die Projekte, die sie mit 20 Millionen Euro Steuergeldern unterstützt, überhaupt an? Wenn ja, unterstützt die Bundesregierung den in diesem Text dokumentierten Antisemitismus einiger jener Gruppen, die von Daniel Barenboim auf seiner Seite hochgelobt werden? Hat sich die Bundesregierung, haben der Berliner Senat oder Michael Naumann jemals mit der Ideologie von Edward Said beschäftigt, nach dem nun im Herzen von Berlin eine luxuriöse Akademie benannt wird?

Schon 1969 bezeichnete Edward Said (1935–2003) die Araber als „die neuen Juden“. 1979 setzte er Israel mit dem südafrikanischen Apartheidstaat gleich. In seinem bekanntesten Buch Orientalismus von 1978, denunzierte er Israel als das letzte orientalistische, also imperialistische, westliche und rassistische Land. 1987 sagte Said in einem Interview, die Juden hätten die Lehren aus ihrem eigenen Leiden unter Nazi-Deutschland nicht gezogen. Für ihn verhalten sich die Juden/Israeli gegenüber den Palästinensern heute so, wie die Nazis sich gegenüber den Juden verhalten haben.

Diese Ideologie wird nun offenbar sehenden Auges von der deutschen Bundesregierung mit 20 Millionen Euro Baukosten plus Teilen der laufenden Kosten nach Eröffnung der Akademie unterstützt.

Deutschland, Deutschland, du tüchtiges Land.

 

 

*Thomas Weidauer ist Blogger und Vorsitzender des Vereins für Gesellschaftskritik und Antisemitismusforschung e.V.

*Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism.

 

Özgida – eine antirassistische Antwort auf Pegida

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Pegida – »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« – spiegelt exakt die schwarzrotgoldenen Fahnenmeere vom Sommer 2006 und Sommer 2014 wider: deutscher Nationalismus im 21. Jahrhundert, der zwischen Günther Jauch, Jogi Löw, Thomas Müller und Lutz Bachmann, dem Macher der Dresdener Pegida Aufmärsche, hin und her pendelt. Symbol der Aufmärsche ist die schwarzrotgoldene Fahne. Bis zum 9. November 1989 Symbol der Ewiggestrigen und Neonazis aller Schattierungen, hat die Fahne mitsamt dem Liedgut eine steile Karriere hinter sich.

 

Die offenen Nazis wie die HoGeSa – »Hooligans gegen Salafisten« – werden durch die Biederfrauen- und männer flankiert. Eine neue deutsche Volksgemeinschaft, deren Gründungsdaten einerseits der 9. November 1989, andererseits der Sommer 2006 waren, als das »nationale Apriori« sich bis zur Kenntlichkeit zeigte, in allen Teilen der Gesellschaft in der Bundesrepublik.

 

Kernpunkt von Pegida, Dügida (»Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes«) und HoGeSa und ihren jeweiligen Ablegern ist Folgendes: sie finden Islamismus, Gewalt und Propaganda keineswegs problematisch, aber bitte nicht in »unserem« Land bzw. nicht in Europa. Jeder habe sich den jeweiligen »Sitten« des »Gastlandes« anzupassen, so »wie wir uns in Ägypten auch den dortigen Sitten anpassen«.

 

Das Neue und womöglich Gefährliche an Pegida ist der Massencharakter. Organisiert u.a. von typisch DDR-Sozialisierten, eigentlich nicht sehr christlichen Personen und auch nicht von Odin-statt-Jesus geprägten Neuen Rechten und Heiden, inszenieren sie sich vor allem in Dresden und im Osten als Revival des nationalen Aufbruchs von 1989. Sie propagieren »wir sind EIN Volk« und wollen die Rede von »Ossis und Wessis« hinter sich lassen, wie es in Dresden auf einer der Kundgebungen hieß. Wer hier »essen« wolle, müsse »Deutsch sprechen« können, hieß es ernsthaft in Dresden auf einer Pegida-Kundgebung. Danach müssten weite Teile Bayerns am Hungertuch nagen.

 

Doch Späße mit CSU-Leitanträgen mag die Wochenzeitung Die Zeit gar nicht. Ihr Redakteur für Politik, Lenz Jacobsen, sieht »echte Gefühle« bei den »Demonstranten« von Pegida und attackiert die Antifa und andere scharfe Kritiker der extrem rechten Aufmärsche ganz unverhohlen:

 

Ein Teil der Öffentlichkeit, der selbstgefällig-linke, spottet über die Gefühle. Diese ängstlichen ostdeutschen Idioten, kommen einfach nicht klar mit Veränderung! Ein großer Spaß ist das auf Twitter und auf den Gegendemonstrationen. Die Antifa ist auch dabei und beschimpft wie immer alles rechts von sich als Nazis.

 

Wie ein Redakteur einer angesehenen Zeitung sich dazu versteigen kann, die Antifa zu diffamieren und zu insinuieren, sie würde alles was »rechts« von ihr steht, als »Nazi« bezeichnen? Nun, da mag womöglich ein Einverständnis mit der schwarzrotgoldenen Grundausrichtung von Pegida vorherrschend sein.

Pegida ist in der Tat taktisch sehr geschickt, sie holen die Leute da ab wo sie stehen oder liegen: direkt neben einer Thomas-Müller-Bettdecke oder einer Deutschlandfahne, die in allen denkbaren Größen Hunderttausende, wenn nicht Millionen noch aus WM-Wahn-Zeiten im Hause, am Haus, am Balkon, auf dem (Dixi-)Klo, im Auto, am Kinderwagen oder am Fahrradhelm haben. Das ist eindeutig massenkompatibler als HoGeSa mit ihrem offenen Hooliganismus und »Kategorie C«-Neonazismus, wobei deren Randale mit 5000 Neonazis, Hooligans und anderen schon gefährlich genug sind. Deutsche laufen aufrecht und stramm, nicht so wie Argentinier oder x-beliebige andere Ausländer, das weiß die Welt seit die WM-Feier am Brandenburger Tor so ablief, wie sie ablief. Im Notfall spielt die Polizei Helene Fischer um die Volksgemeinschaft zu verinnerlichen und weniger materiellen Schaden an eigenen Fahrzeugen zu nehmen.

 

Was weder der Zeit-Redakteur noch selbsternannte »Islamkritiker« verstehen: es geht um Ideologiekritik. Wer sich islamistischer Ideologie entgegenstellen will, muss das weltweit tun und nicht von »Traditionen«, »Gastgebern« und »Sitten« sprechen, die jeweils zu schätzen seien. Islamismus ist in Indonesien eine genauso große Gefahr für Muslime und andere wie in Frankreich oder Syrien. Es ist bezeichnend für den deutschen Rassismus, dass in Sachsen, wo so wenige »Nicht-Biodeutsche« leben wie kaum sonstwo in Westeuropa, besonders gegen Nicht-Deutsche agitiert wird. Es geht gar nicht gegen Islamismus an sich, es geht gegen Muslime in Sachsen und Deutschland. Dass passt haargenau zur Neuen Rechten, wie wir sie von ihrem Vordenker Henning Eichberg seit den frühen 1970er Jahren kennen. Die neu-rechte Ideologie des »Ethnopluralismus« meint genau dieses Nebeneinanderherleben von »Kulturen«, im Nahen Osten die islamische, in Europa die christliche etc. etc.

 

Leider hat man auch in der Pro-Israel-Szene mitunter das Gefühl, manche wollten nur gegen »den« Islam agitieren, nicht zwischen Islam als Glaube und Islamismus als Ideologie unterscheiden, wie es führende Islamforscher weltweit seit Jahrzehnten fordern.

Mehr noch: So nennt der Journalist Stefan Frank in einem Blogbeitrag Morde von Muslimen und Islamisten an Juden eine »zweite Shoah«:

A New Shoah, so lautet der Titel des wichtigen Buchs, das der italienische Journalist Giulio Meotti vor fünf Jahren über die Opfer dieses Völkermords veröffentlicht hat. Zu widersprechen ist ihm in einem Punkt: Diese Shoah ist nicht neu. Die Fatah mordet seit über einem halben Jahrhundert, in den 1940er Jahren gab es die Massaker der Fedayin, seit 1931 die Bombenanschläge der Gruppe von Izz ad-Din al-Qassam und davor seit Jahrhunderten Pogrome. Statt von einer »neuen« sollte also besser von einer zweiten Shoah gesprochen werden.

Dabei finde diese »zweite Shoah« also nicht nur heute statt, nein, schon Massaker wie jenes von 1929 in Hebron oder Morde an Juden in den letzten Jahrhunderten (wie 1840) seien Ausdruck dieser »zweiten Shoah«. Eine zweite Shoah vor der ersten? Geht es noch grotesker und absurder oder perfider? Eichmann als Nachahmer des muslimischen Judenhasses des 19. Jh. oder schon zuvor? Hier geht es in reaktionärer, unkritischer Diktion um eine Ontologisierung des islamischen Antisemitismus, bar jeder spezifischen Ideologiekritik des Islamismus als politischer Massenbewegung seit dem 20. Jahrhundert (nehmen wir die Gründung der Muslimbrüder 1928 durch Hasan al-Banna zum Ausgangspunkt). Der Nationalsozialismus und der Holocaust werden klein geredet und in ihrer Spezifik derealisiert, Auschwitz erscheint in einem Kontinuum muslimischen Judenhasses. Wie soll man so ein geistiges Wahngebäude bezeichnen, das von einer zweiten Shoah daher redet, ohne einmal innezuhalten und sich die Differenz ums Ganze zwischen Pogromen, Morden und Massakern in früherer Zeit und der industriellen Produktion von Toten im Holocaust zu vergegenwärtigen?

Dabei ist es grundsätzlich nicht falsch, muslimischen Antisemitismus zu thematisieren, ja, das ist sogar ein außerordentlich wichtiges Thema. Aber so wie es Stefan Frank angeht, wird die Shoah trivialisiert und erscheint als eine Art Massaker, analog dem Mord an fünf Israeli vor wenigen Wochen in einer Synagoge in Jerusalem.

Das Dramatische ist, wie wenig Leuten aus der sog. Pro-Israel-Szene diese problematischen Aspekte des Textes von Stefan Frank auffallen, der Text wird wie reflexhaft hundertfach auf Facebook und in anderen sozialen Medien geteilt und verbreitet. Pegida wiederum setzt die UdSSR, Nazi-Deutschland, den Islam und die Antifa gleich, symbolisch werden alle vier in den Müllhaufen der Geschichte verfrachtet, was zumindest bei der Gleichsetzung von rot und braun die klammheimliche Freude des Bundespräsidenten hervorkitzeln könnte. Diese Art Gleichsetzung von Täter (Nationalsozialismus) und Opfer bzw. Befreier (UdSSR) sowie die Schuldprojektion auf die Opfer (Juden/Israel) sind typischer Bestandteil des sekundären Antisemitismus, jenes nach der Shoah. Die Gleichsetzung von rot und braun ist seit Jahren ein Sport unter Elite-Forschern von Yale bis zur Humboldt-Universität und nun auch des Mobs auf der Straße.

Pegida Supporters March In Duesseldorf AqQ4zgA(Quelle)

 

Mehr noch: die »Pro-Israel-Szene« oder wie sie sich nennen mag, hat durchaus Anschlusspunkte an Pegida und deren Umfeld. Das gilt jedenfalls vom Duktur her für einen weiteren Text eines anderen Bloggers. Der Text ist ein perfides, höhnisches Sich-Lustig-Machen über eine ermordete junge Frau, die den Mut hatte sich männlicher Gewalt entgegen zu stellen und anderen Frauen bzw. Mädchen zu helfen. Die Empathielosigkeit gegenüber einer von einem männlichen Schläger getöteten Frau ist ungeheuerlich. »Fragen« werden hier nicht gestellt, wie manche meinten, sondern gehetzt, aus purem Hass auf Muslime bzw. Deutsche mit einem türkischen Elternhaus. Mit solchen Typen und Blogs kann auch keine Kritik am Antisemitismus je reüssieren. Wir alle wissen, was los wäre, hätte ein Neonazi oder ein Muslim einen CSUler oder einen Juden erschlagen: da wäre der Aufschrei riesig, zumindest in der sich als »Pro-Israel-Szene« dünkenden Gruppe von Leuten. Nicht zu sehen, wie menschenverachtend dieser Autor auf seinem Blog hier schreibt, das ist schockierend. Leute wie dieser Blogger, die Menschen, die ermordet wurden, so verhöhnen, wollen sich als »Kritiker« gerieren? Das ist Hetze, das ist Hass und Verachtung gegenüber einer jungen Frau, die tot geschlagen wurde, weil sie sich gegen einen Mann gewehrt hat und anderen geholfen hatte, die wiederum von Männern attackiert worden waren. Der Text ist geradezu genüsslich geschrieben, der Autor genießt sichtlich sich über eine tote Muslima lustig zu machen. Und das ist so perfide, da stockt einem der Atem. »Der Tod von Tuğçe Albayrak hat auch sein Gutes, bringt Hoffnung für die Zukunft. Als Organspenderin wird sie mehrere Leben retten, darunter nicht nur reiche Ölscheichs.« So über eine tote Person zu reden, ist pure Menschenverachtung.

Das ist aber exakt der Stoff, der Pegida nährt und umgekehrt. Um eine Kritik an Herrschaft, an Antisemitismus, Islamismus und Terror geht es nicht. Im Kern geht es um eine Diffamierung »des« Islams und »der« Ausländer, die durch den Terminus »Wirtschaftsflüchtling« auf eine mainstreamkompatiblere Weise zum Abschuss freigegeben werden.

Um was es eigentlich bei der Diskussion um Islamismus und Multikulturalismus geht, hat die Aktion Dritte Welt Saar 2009 in einer Flugschrift auf den Punkt gebracht, was ich 2011 in meiner Studie »Schadenfreude. Islamforschung un Antisemitismus in Deutschland nach 9/11« zitierte:

 

Sarrazin, der ehemalige Finanzsenator der rot-roten Koalition in Berlin, spricht von ‚zwanzig Prozent der Bevölkerung, die nicht ökonomisch gebraucht werden‘ und liefert die rassistische Begleitmusik zur kapitalistischen Krise gleich mit. Dieser gefährlichen Melange aus Rassismus und Sozialdarwinismus ist entschieden entgegenzutreten. Als Ruf nach der Durchsetzung gleicher Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten für alle hier lebenden Menschen ist die Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft nach wie vor berechtigt und aktuell. (…) Es geht um ein gutes Leben für ausnahmslos alle Menschen. Und es ist gerade der ‚Schmelztiegel‘ und die ‚Vermischung‘, die einen emanzipatorischen Multikulturalismus kennzeichnen. Es geht nicht um den ‚Erhalt von Kulturen‘, weder der ‚deutschen‘ noch der ‚christlichen‘, der ‚westlichen‘ oder der ‚islamischen‘. Es geht um die Verteidigung und Durchsetzung zivilisatorischer Mindeststandards wie Freiheit von Folter, gleiche Rechte und gleiche Wertschätzung für alle Menschen, um das Recht aller Menschen, weder ‚illegal‘ noch ‚überflüssig‘ zu sein, um Gleichstellung der Geschlechter und Emanzipation der Frau, Befreiung von der Herrschaft religiösen Wahns, Trennung von Staat und Religion, Befreiung aus Clanherrschaft und Patriarchat – um nur einige zu nennen. Hinter sie darf es kein Zurück geben.

Özgida, ein Supermarkt in Berlin-Schöneberg, mag als eine kleine symbolische Antwort auf Pegida dienen. Ideologiekritisch ist noch viel Arbeit nötig, um Pegida und die derzeitige politische Kultur der Bundesrepublik adäquat in Worte zu fassen.

 

Das Ende des Ludwig-Börne-Preises – Über den „post-humanistischen Denkraum“ des Peter Sloterdijk

Für Gerhard Oberschlick

 „Deutsche wie Affen wenden hundertmal eine Nuß in der Hand herum, ehe sie zu knacken. Sie spielen so lange damit, daß ihnen die Nuß oft entfällt, aber sie verlieren lieber die Frucht als die Geduld. Indessen haben sie gute ehrliche Zähne, und endlich kommen sie auf den Kern. Dieser Kern ist das Leben und die Schale das Buch. Man ist den Deutschen nicht willkommen, wenn man ihnen eine geschälte Nuß gibt, sie lieben das Krachen […]“

Ludwig Börne, 1821 (Aus dem Text „Der ewige Jude“)

 

Die Grundsteinlegung für das Stadtschloss in Berlin im Juni 2013, Angela Merkels biederfraulicher Nationalismus sowie die Vergabe des Ludwig-Börne-Preises am 16. Juni 2013 an den Philosophen Peter Sloterdijk zeigen nachdrücklich, dass dieses Land eine Zukunft für die Vergangenheit hat. Deutschland boomt. Seit dem ‚Fußball-Sommer‘ 2006 sieht man so viele Deutschlandfahnen, schwarzrotgoldene Aufkleber und Devotionalien an Balkonen, Autos, Häusern oder Kleidern wie noch nie. Laut einer internationalen Umfrage der BBC in über 20 Ländern ist Deutschland das beliebteste Land der Welt. Das zeigt z.B. wie wichtig und raffiniert Diplomatie und globale Werbekampagnen großer Unternehmen oder der Politik sind, und es zeigt ebenso dass wenige Menschen sich mit einem Land, seinen Bewohnern und seiner Sprache kritisch befassen. Kein Wunder: die wenigsten Interviewten werden Deutsch können und kaum jemand der Interviewten analysiert oder kritisiert deutsche Ideologie oder die politische Kultur in diesem Land der letzten Jahrzehnte.

 

Also zählt nur das Offenkundige: Seit 1945 hat Deutschland keinen Weltkrieg mehr angefangen und also sei es ein friedliches Land. Nach dem 11. September 2001 ist das Land zudem auf einem rot-grünen „deutschen Weg“ (früher hätte man es den Heideggerschen „Holzweg“ genannt), entgegen dem imperialistischen und bösen Amerika, wie die Braunen und Schwarzen anerkennend registrierten. Bravo, Germania, schallt es allenthalben.

 

2012 bekam die anti-israelische Agitatorin Judith Butler den Adorno-Preis der Stadt Frankfurt.[ii] Mehr konnte der bekannteste Kopf der Kritischen Theorie kaum beleidigt werden. Und nun wieder eine Beleidigung für einen großen Denker, wenn abermals die Stadt Frankfurt am Main, die heimliche Bundeshauptstadt seit 1945, direkt involviert ist, Peter Sloterdijk den Ludwig-Börne-Preis zuzusprechen.

 

1999 forderte Sloterdijk in einer Rede auf Schloss Elmau „Regeln für den Menschenpark“, und meinte damit biologische und gentechnische ‚Möglichkeiten‘ der ‚Optimierung‘ von Einzelnen. Er umarmte sein Vorbild Martin Heidegger, der als „kleiner schlauer Mann aus Meßkirch“ liebkost wird, und dessen „Brief über den Humanismus“ von 1946 wie folgt:

„Denn indem Heidegger in dieser Schrift, die der Form nach ein Brief sein wollte, Bedingungen des europäischen Humanismus offenlegte und überfragte, eröffnete er einen trans-humanistischen oder post-humanistischen Denkraum, in dem sich seither ein wesentlicher Teil des philosophischen Nachdenkens über den Menschen bewegt hat.“

Sloterdijk weiter:

„Das Wort Humanismus muß aufgegeben werden, wenn die wirkliche Denkaufgabe, die in der humanistischen oder metaphysischen Tradition bereits als gelöste erscheinen wollte, in ihrer anfänglichen Einfachheit und Unausweichlichkeit wiedererfahren werden soll. Zuspitzend gesprochen: Wozu erneut den Menschen und seine maßgebliche philosophische Selbstdarstellung im Humanismus als die Lösung anpreisen, wenn sich gerade in der Katastrophe der Gegenwart gezeigt hat, daß der Mensch selbst mitsamt seinen Systemen metaphysischer Selbstüberhöhung und Selbsterklärung das Problem ist? Diese Zurechtrückung der Frage Beaufrets geschieht nicht ohne meisterliche Bosheit, denn sie hält, in sokratischer Manier, dem Schüler die in der Frage enthaltene falsche Antwort vor. Sie geschieht zugleich mit denkerischem Ernst, denn es werden die drei kuranten Hauptheilmittel in der europäischen Krise von 1945: Christentum, Marxismus und Existentialismus Seite an Seite als Spielarten des Humanismus charakterisiert, die sich nur in der Oberflächenstruktur voneinander unterscheiden – schärfer gesagt: als drei Arten und Weisen, der letzten Radikalität der Frage nach dem Wesen des Menschen auszuweichen.“

Die Rede von „metaphysischer Selbstüberhöhung“ möchte obsessiv wegführen von einer Analyse des Nationalsozialismus. Nicht deutsche Ideologie oder das Fortleben des Nationalsozialismus in der Demokratie werden hier in den Fokus genommen, vielmehr der Humanismus, gegen den die Deutschen im SS-Staat und im Zweiten Weltkrieg ohnehin gekämpft hatten. Sloterdijk unternimmt in seiner Elmauer Rede den Versuch, den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und die Shoah als spezifisch deutsche Verbrechen zu negieren, die Schuld auf den Humanismus oder die „metaphysische Selbstüberhöhung“ zu projizieren und zugleich die Befreier vom SS-Staat, hier: Amerika und die UdSSR, als Täter einer unheilvollen Welt zu bestimmen:

„Tatsächlich deutet Heidegger die geschichtliche Welt Europas als das Theater der militanten Humanismen; sie ist das Feld, auf dem die menschliche Subjektivität ihre Machtergreifung über alles Seiende mit schicksalhafter Folgerichtigkeit ausagiert. Unter dieser Perspektive muß sich der Humanismus als natürlicher Komplize aller nur möglichen Greuel anbieten, die im Namen des menschlichen Wohls begangen werden können. Auch in der tragischen Titanomachie der Jahrhundertmitte zwischen Bolschewismus, Faschismus und Amerikanismus standen sich – aus Heideggers Sicht – lediglich drei Varianten derselben anthropozentrischen Gewalt und drei Kandidaturen für eine humanitär verbrämte Weltherrschaft gegenüber – wobei der Faschismus aus der Reihe tanzte, indem er seine Verachtung für hemmende Friedens- und Bildungswerte offener als seine Konkurrenten zur Schau stellte. Tatsächlich ist Faschismus die Metaphysik der Enthemmung – vielleicht auch eine Enthemmungsgestalt der Metaphysik. Aus Heideggers Sicht war der Faschismus die Synthese aus dem Humanismus und dem Bestialismus – das heißt die paradoxe Koinzidenz von Hemmung und Enthemmung.“

Diese Rede von der „anthropozentrischen Gewalt“ verwischt oder leugnet, dass konkrete Menschen, Deutsche, Täter waren. Die Anthropologisierung von Gewalt ist seit 1945 ein probates Mittel deutsche Schuld zu negieren, indem sie universalisiert wird. Sei es ‚die Moderne‘ für den Poststrukturalismus, ‚der Kapitalismus‘ für viele Linke oder ,Bevölkerungspolitik mit anderen Mitteln‘ für modische Historiker, „anthropozentrische Gewalt“ für Sloterdijk oder natürlich die Noltesche Rede von der „asiatischen Tat“, die Hitler Recht gibt und den Zweiten Weltkrieg als präventives Mittel affirmiert: es gibt viele Möglichkeiten der Analyse des Spezifischen des Nationalsozialismus, des Antisemitismus und des präzedenzlosen Charakters des Holocaust auszuweichen sowie eine sekundär antisemitische Reaktionsweise zu generieren.

Bevor ich etwas detaillierter auf Heideggers „Brief über den Humanismus“ eingehe, noch ein Wort zu einem weiteren Text von Sloterdijk von 1999, „Die Kritische Theorie ist tot.“ Er schreibt zwei Briefe an Jürgen Habermas und Thomas Assheuer und regt sich fürchterlich darüber auf, dass Habermas die biopolitischen Zumutungen seiner Elmauer Rede („Regeln für den Menschenpark“) offenbar weniger gelassen hinnahm als erwartet, und kommt zum Kern neu-deutscher Ideologie seit 1989/1990:

„Die Ära der hypermoralischen Söhne von nationalsozialistischen Vätern läuft zeitbedingt aus. Eine etwas freiere Generation rückt nach.“

Diese „freiere Generation“ war just 1999, als Sloterdijk das schrieb, dabei, die erste neonationalsozialistische Terrorgruppe zu formieren, den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), der ab dem Jahr 2000 seine Mordserie mit zehn Morden, darunter an neun Migranten, begann. Vor allem jedoch ist Sloterdijk nur ein akademisch-philosophisches Echo von Walsers Paulskirchenrede von Oktober 1998 (wiederum in Frankfurt). Die „freiere Generation“, die Sloterdijk 1999 herbei schreibt, war seit Anfang der 1990er Jahre als „Selbstbewusste Nation“ der Neuen Rechten in Erscheinung getreten, dutzende Migrantinnen und Migranten, Linke, Obdachlose und andere wurde ermordet, von 1990 bis heute fielen in der Bundesrepublik ca. 150 Menschen Neonazis zum Opfer.

Der Karlsruher TV-Philosoph Sloterdijk sagte im Gespräch mit dem österreichischen „Standard“ am 27. November 2002:

„Man darf nicht vergessen, der 11. September ist ein Ereignis, das man in einer Unfallstatistik des Landes gar nicht wahrnehmen würde. Zwei- oder dreitausend Tote innerhalb eines Tages liegen innerhalb der natürlichen Varianz. Das ist die Sprache der Kälte der Statistiker, und die müsste im Grunde jene einer wissenschaftlichen Politikberatung sein. In Wirklichkeit läuft die Sache ganz andersherum: Es wird eine Angelegenheit, die gar nicht so hochrangig zu behandeln wäre, wie ein Weltkriegsgrund manipuliert. Das zeigt, dass hier eine hochneurotische, vielleicht sogar narzisstisch-psychotische Struktur verletzt worden ist.“

Unabhängig vom empirischen Schwachsinn dieses Satzes (in den USA starben im Jahr 2001 laut Statistik umgerechnet pro Tag ca. 115 Personen durch Verkehrsunfälle, doch was kümmern einen deutschen, ideologiegetränkten und vom Ressentiment gegen Amerika gleichsam überschäumenden Professor schon Fakten): diese Schadenfreude nach 9/11 teilte Sloterdijk mit weiten Teilen des deutschen Establishments, vom Antisemitismusexperten Wolfgang Benz über den Männerforscher Klaus Theweleit und die Berliner Politikerin Adrienne Goehler bis hin zur internationalen Fachzeitschrift „Die Welt des Islams“, die einen Text des syrischen Dissidenten Sadik al-Azm publizierte[iii], der diese Schadenfreude, ganz spontan und aus tiefstem Herzen, am 11. September 2001 während eines Gastaufenthalts in Japan verspürte und Mühe hatte, vor seinen geschockten japanischen Kollegen nicht los zu prusten. Linke in Berlin, Bremen oder Hamburg tranken „Bin Laden“-Cocktails an 9/11 und die PDS (Die Linke) faselte von „so was kommt von sowas“. Für Horst Mahler war es ein Festtag.

Für Sloterdijk sind die USA und Israel „Schurkenstaaten“. Heideggerisch gedacht, regen sich für Sloterdijk die USA oder Israel über Terroranschläge viel zu sehr auf, dabei ginge es gerade mal um 3000 ermordete, pulverisierte, verbrannte, zerquetschte oder zerfetzte Menschen, die einem Seinsdenker oder Zyniker, der immer nur nach dem „Sein“, dem „Wie“ und nicht dem „Was“ fragt, völlig schnuppe sind. Ganz ähnlich war der Systemtheoretiker Niklas Luhmann nur am Funktionieren von Systemen interessiert, am „Wie“ und nicht am „Was“, weshalb er einmal in einem Gespräch nicht die Nazi-Ideologie und das Unfassbare des Holocaust, vielmehr auf groteske Weise die vermeintliche Ähnlichkeit von amerikanischer Besatzungsbürokratie nach dem 8. Mai 1945 mit dem NS-Staat betonte.

 

Menschen mit Fehlern, mit Fanatismus und Hass, deutscher oder heute eher jihadistischer Lust am Morden mithin, werden eskamotiert, von Heidegger wie von Sloterdijk, die beide primär in (vorsokratischen) Blasen denken möchten.

 

Was aber hat es mit Heideggers Brief über den Humanismus auf sich?

“Der Mensch gilt als das animal rationale.“[iv] Für Heidegger hat die Metaphysik den Menschen zu einem zwar deutlich unterschiedenen, aber eben doch Lebewesen wie Tier und Pflanze gemacht.

„Die Metaphysik verschließt sich dem einfachen Wesensbestand, dass der Mensch nur in seinem Wesen west, in dem er vom Sein angesprochen wird.“[v]

Heidegger setzt in seinem berühmt-berüchtigten Brief über den Humanismus, welchen er 1946 geschrieben und wenig später, 1947, publiziert hat, mit einer Ideologie des Anti-Ismus ein und geriert sich als jenseits des Angesagten, Affirmativen stehend bzw. denkend. Das ist für Sloterdijk ein zentraler Aspekt: ein vorgeblicher anti-Ismus und ein Aufbruch zu „Neuem“.

 

Der folgenreiche Text Heideggers ist eine Antwort auf einen Brief von Jean Beaufret. Dieser hatte am 6. Juni 1944 begonnen Heidegger zu verstehen. Ja, am 6. Juni 1944, dem D-Day, jenem Tag der verlustreichen Landung der Alliierten in der Normandie. Die Meldung über diese Landung und die bevorstehende Befreiung Frankreichs und Europas vom Nationalsozialismus war Beaufret keine größere Freude wert, er war vielmehr wie gebannt von seiner Heidegger-Lektüre. Dieser historische Augenblick muss im Gedächtnis behalten werden: Die amerikanischen und britischen Soldaten landen an der Küste in Frankreich, wecken die größten Gefühle der Hoffnung auf Überleben bei den Opfern der Deutschen und ein französischer Denker freut sich darüber gar nicht wirklich, vielmehr ob seines „Verstehens“ der Heideggerschen Philosophie. Das ist der Ausgangspunkt für den Brief über den Humanismus.[vi]

Heidegger ist gegen den Humanismus allein schon, weil dieser ein „Ismus“ ist:

„Sie [also Beaufret, C.H.] fragen: Comment redonner un sens au mot ‘Humanisme’? Diese Frage kommt aus der Absicht, das Wort ‚Humanismus‘ festzuhalten. Ich frage mich, ob das nötig ist. Oder ist das Unheil, das alle Titel dieser Art anrichten, noch nicht offenkundig genug? Man misstraut zwar schon lange den ‚-ismen‘. Aber der Markt des öffentlichen Meinens verlangt stets neue.“[vii]

Die Kategorie des Seins wird von Heidegger hypostasiert, Sein sei letzter Grund allen Daseins. Die konkreten Gegenstände, jedes Seiende, ob Blume, Wasser oder Luft, von Menschen ganz zu schweigen, geraten hierbei ins Hintertreffen, ja sie werden weggeschoben. Wer das Seiende als zentral erachte, sei völlig daneben.

Der Philosoph Günther Anders (1902-1992) hat die Heideggersche Ideologie untersucht. Anders ist einer der frühesten Kritiker Heideggers. Schon 1929 hatte er, noch unter seinem bürgerlichen Namen Günther Stern, vor der Kantgesellschaft den Vortrag Die Weltfremdheit des Menschen gehalten. Die darin explizierte Unfestgelegtheit der Menschen wurde auch zu einem a priori des Philosophen Jean Paul Sartre und des französischen Existentialismus, by the way. Anders‘ Analyse des Heideggerschen Daseins aus dem Jahr 1946 ist wegweisend:

“Das Dasein hat keine Eltern, denn es ist ‚geworfen‘; es zerfällt nicht in Geschlechter; es zeugt nicht weiter; es hat keinen Leib. Weder ist es beherrscht noch herrscht es; es ist unpolitisch; es kennt keine Rechte, keine Pflichten; weder Kultur noch Natur; es freut sich nicht; es liebt niemanden und nichts; mit keiner Gruppe solidarisiert es sich; es hat keinen Freund, kurz: es ist ein hoffnungslos amputiertes Dasein, das die wirklichen Fragen, d.h. die wirklichen Schwierigkeiten unseres Daseins schon deshalb nicht beantworten kann, weil es sie gar nicht fragt.“[viii]

Das träfe auch auf Sloterdijk zu: sein „Dasein“, das sich so äquidistant gibt, jenseits von „Ismen“, liebt nicht und will nicht geliebt werden, daher womöglich auch der Wunsch nach teilweiser genetischer Planbarkeit von Einzelnen im „Menschenpark“.

Günther Anders zeigt auf einen zentralen Aspekt bei Heidegger: jener fragt gar nicht nach dem Seienden, er wie auch Sloterdijk (auf seine Weise) kratzen gewissermaßen da, wo es gar nicht juckt, beim Sein oder den Sphären. Die neuzeitliche Philosophie seit Descartes sei dem Humanismus verpflichtet gewesen, so der schwarz- oder hinterwäldlerische Denker aus dem Breisgau. Ja, schlimmer noch: Seit dem Niedergang der Vorsokratiker und dem Erscheinen von Plato und dann Aristoteles auf der Welt seien die Metaphysik und somit der Mensch in den Mittelpunkt gerückt. Wie schrecklich!

Wirklich ursprünglich können nur Vorsokratiker – nicht alle Griechen, nur diese ursprünglich ‚Wesenden‘ – sein und natürlich die Deutschen (die meisten, bis auf Goethe und Schiller, z.B.). Heidegger setzt einfach:

„Der Humanismus fragt bei der Bestimmung der Menschlichkeit des Menschen nicht nur nicht nach dem Bezug des Seins zum Menschenwesen. Der Humanismus verhindert sogar diese Frage, da er sie auf Grund seiner Herkunft aus der Metaphysik weder kennt noch versteht.“[ix]

Geschichte wird bei Heidegger nicht gemacht, vielmehr geschickt, vom Sein. Diese Lächerlichkeit vermochte es jedoch nicht, ihn zu diskreditieren, vielmehr ist diese anti-subjektive Philosophie der Renner geworden, zumal nach 1945, zuerst in Frankreich und dann auch in Deutschland und weit darüber hinaus. Die bürgerliche Gesellschaft spricht gern und obsessiv vom ‚Sachzwang‘, was als eine Art Trivialisierung des tagtäglich geschickten Seins betrachtet werden könnte.

Was es konkret heißt, dass Menschen keineswegs als Täter zu begreifen sind, wie es z. B. angemessen wäre bezüglich der deutschen Soldaten im Vernichtungskrieg der Wehrmacht, zeigt dieser deutsche Denker. Die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg waren keineswegs am Humanismus interessiert, wie Heidegger bald hervorheben wird, allerdings nur unter der Prämisse, dass jene Soldaten Hölderlin, einen für Heidegger wahren Deutschen und Denker, kannten:

“Das Sein als das Geschick, das Wahrheit schickt, bleibt verborgen. Aber das Weltgeschick kündigt sich in der Dichtung an, ohne dass es schon als Geschichte des Seins offenbar wird. Das weltgeschichtliche Denken Hölderlins, das im Gedicht ‚Andenken‘ zum Wort kommt, ist darum wesentlich anfänglicher und deshalb zukünftiger als das bloße Weltbürgertum Goethes.“[x]

Wenige Monate nach dem Ende des Nationalsozialismus will der nationalsozialistische Denker, der nicht nur wegen seines NSDAP-Parteibeitrags, den er regelmäßig zahlte, ein echter Nazi war, vielmehr philosophisch den Nationalsozialismus vordachte (schon in „Sein und Zeit“, 1926) und ab 1933 aktiv gestaltete, Semester für Semester, „anfänglicher und deshalb zukünftiger“ denken und keinesfalls weltoffen. Er wollte wieder und immer noch partikulare Verstocktheit predigen und gegen das „Weltbürgertum“ aufwiegeln. Was soll „bloßes Weltbürgertum“ heißen? Soll schon wieder wie zu Nazi-Zeiten das ‚Anfängliche, Bodenständige, Reaktionäre‘ als das ‚Moderne‘ und ‚Zukunftsträchtige‘ ausgegeben werden? Erinnern jedenfalls will Heidegger seine deutschen Soldaten der Wehrmacht, die noch „anfänglich“ oder „ursprünglich“ gedacht hätten und im altgriechischen und neudeutschen Denken zugleich für den Vernichtungswahn gegen die Juden gern ihr Leben ließen. Unmittelbar nach der oben zitierten Passage gegen das „bloße Weltbürgertum“ Goethes heißt es:

„Aus demselben Grunde ist der Bezug Hölderlins zum Griechentum etwas wesentlich anderes als Humanismus. Darum haben die jungen Deutschen, die von Hölderlin wussten, angesichts des Todes Anderes gedacht und gelebt als das, was die Öffentlichkeit als deutsche Meinung ausgab.“[xi]

Peter Sloterdijk bezieht sich 1999 bewusst auf diesen „Brief über den Humanismus“ von Heidegger und applaudiert somit subkutan noch Jahrzehnte später den Wehrmachtssoldaten und anderen „jungen Deutschen“, die im Sinne Heideggers „von Hölderlin wussten“ als sie die Juden massakrierten oder vergasten.

Heidegger möchte „seine“ deutschen Soldaten retten und Sloterdijk hilft ihm dabei, das ‚elende Gejammere über die Shoah‘, wie es für ihn Jürgen Habermas und die Kritische Theorie repräsentieren, zu überwinden. Die jungen deutschen Soldaten, so Heidegger 1946, hätten gar nicht das gedacht, was „die Öffentlichkeit“ dachte und als „deutsche Meinung“ ausgab. Vielmehr seien diese Soldaten offenbar für die „Würde“ des Seins gestorben, denn sie seien – so sie Hölderlin kannten, laut Heidegger – gerade nicht im Sinne des Humanismus gestorben. Damit reklamiert der Schwätzer aus Meßkirch die deutschen Soldaten für sich und seine Schule, ja die deutschen Landser erscheinen als die wahren Recken im Kampf für das Sein und gegen den Humanismus (und die Juden).

Dann sagte Heidegger 1949 in einem seiner Bremer Vorträge Folgendes:

„Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern (…)“[xii]

Diese Art, den Holocaust zu trivialisieren, ist typisch für den sekundären Antisemitismus, jenen nach Auschwitz.

Die Menschen sind für Heidegger „Hirte[n] des Seins“[xiii], wie es 1946 heißt, und das Sein ist ja ‚Geschick‘. Die deutschen Soldaten der Wehrmacht werden geehrt – die beiden Söhne Heideggers waren Soldaten für Nazi-Deutschland -, die Opfer des Nationalsozialismus und deutschen Vernichtungswahns nicht einmal erwähnt. Aber Heidegger ist geschickt genug, dies etwas zu verpacken und zu raunen:

„Weil gegen den ‚Humanismus‘ gesprochen wird, befürchtet man eine Verteidigung des In-humanen und eine Verherrlichung der barbarischen Brutalität.“[xiv]

Heidegger insinuiert, er sei gar kein Menschenfeind, und wird von Sloterdijk sekundiert. Diese rhetorische Floskel jedoch, die vorgibt die „barbarische Brutalität“ nicht zu „verherrlichen“, dementiert sich selbst. Die Ablehnung von Metaphysik als vom Menschen ausgehende Denkbewegung, die Subjektivität basal in sich trage, führt den deutschen philosophischen Vordenker der Vernichtung, der schon vor 1933 zum Tode vorlief[xv], hierzu:

„Mit dem Heilen zumal erscheint in der Lichtung des Seins das Böse. Dessen Wesen besteht nicht in der bloßen Schlechtigkeit des menschlichen Handelns, sondern es beruht im Bösartigen des Grimmes. Beide, das Heile und das Grimmige, können jedoch im Sein nur wesen, insofern das Sein selber das Strittige ist.“[xvi]

Eine bessere Ent-Schuldung der Deutschen ist gar nicht formulierbar. Das Sein, was auch immer das sei, sei „strittig“ und sich nicht sicher, ob es „das Heile“ oder „das Grimmige“ schicken soll. Egal, was auch immer geschickt wird, es ist das Sein. Das ist Antisubjektphilosophie, welche die Verbrechen und Verbrecher reinwäscht und „das Böse“ nicht aus Handlungen kommen sieht, von Einzelnen gar oder einer SS-Einheit, vielmehr als dem Wesen des Seins inhärent betrachtet.

Daran anschließend formuliert der Seinsdenker Heidegger diese Entschuldung aller deutschen Verbrecher noch etwas präziser, in seinem existenz-ontologischen Jargon:

„Zu fragen bleibt, ob denn nicht, gesetzt daß Denken zur Ek-sistenz gehört, alles ‚Ja‘ und ‚Nein‘ schon eksistent ist in die Wahrheit des Seins. Ist es diese, dann sind ‚Ja‘ und ‚Nein‘ in sich schon hörig auf das Sein. Als diese Hörigen können sie niemals dasjenige erst setzen, dem sie selber gehören.“[xvii]

Sprich: diejenigen, welche das Gas in die Gaskammern von Auschwitz-Birkenau warfen, konnten gar nicht anders, weil sie dem „Sein“ gehören, ja sie sind „hörig“ gewesen. Weder „Ja“ noch „Nein“ hätten daran etwas geändert.

In Sloterdijks Rekurs auf Heidegger von 1999 sowie in seinen ungeheuerlichen, abstoßenden Bemerkungen von 2002 steckt die antiamerikanische Ideologie des „deutschen Weges“ oder der „pränatalen Selektion“ (Sloterdijk).[xviii] Das haben die extremen Rechten umgehend erkannt.[xix] Heute werden allenthalben, zumal nach 9/11, deutsche Wege[xx] gesucht, in explizitem Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Jahr nach dem 11. September 2001 ‚erkannte‘ die extrem rechte „Junge Freiheit“ sehr treffsicher, es sei frappierend, dass gerade unter Rot-Grün ein deutscher Weg vorgeschlagen wird – Kronzeuge ist Peter Sloterdijk:

„Interessant ist daher ein Interview, das der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk kürzlich dem Wiener Magazin Profil gegeben hat. Sloterdijk, der sich als Grün-Wähler vorstellte (…), bekannte sich zu Schröders ‚deutschen Weg‘. (…) Auch Schröders USA-Kritik stellt Sloterdijk in einen nationaldeutschen Kontext. Der Kanzler habe signalisiert, daß in den deutsch-amerikanischen Beziehungen ein neues Kapitel aufgeblättert werden müsse: weg von der bisherigen Vasallenposition. Der Philosoph greift den von Bush geprägten Begriff der ‚rogue states‘ auf (…). (…) für ihn seien die USA und Israel ‚rogue states‘, weil sich beide aus ihrem Selbstverständnis heraus nicht in die internationale Staatengemeinschaft einordnen wollten. Zum 11. September meinte er, hier seien ‚Autohypnose‘ und ‚Hysterisierung‘ am Werk. (…) Niemand im deutschen Vaterlande (ist dieses Wort überhaupt noch erlaubt?) fiel es ein, wenigstens die Frage zu stellen, warum auf der Linken (aus welchen Motiven auch immer) plötzlich das nationale Thema gefragt ist – während Bürgertum und C-Parteien beredt schweigen.“[xxi]

2005 sprach auch der damalige Feuilletonchef der Tageszeitung „Die Welt“, Eckhard Fuhr, vom deutschen „Vaterland“ der „Berliner Republik“.[xxii] Solch wieder erwachtes nationales Pathos korreliert intensiv mit einem Antiamerikanismus. Fuhr spricht sich zwar nicht gegen den ‚jüdischen Bolschewismus‘, dafür gegen den heutigen „Freiheits-Bolschewismus“[xxiii] der USA aus.

2004 folgte die neu-rechte Postille „Volkslust“ Sloterdijks anti-antifaschistischem Furor und seiner Sehnsucht nach dem Ende der Ära der „hypermoralischen Söhne“ – oder Töchter:[xxiv]

„Darüber hinaus fordern uns die volklichen Veränderungen geradezu heraus, daß wir nach unseren ureigenen Wurzeln, nach unserer ureigenen Identität suchen. Genauso wichtig wie der Blick auf unsere nicht mehr nur ‚reindeutsche‘ Zukunft ist es, unseren Kindern aufzuzeigen, wer oder was sie sind, was Deutschland eigentlich ist. Diese Frage bleibt weiterhin offen. Unsere Kinder sollen nicht mehr verschämt zu Boden blicken, wenn sie jemand fragt, woher sie kommen und sie sollen sich im Klaren darüber sein, daß die deutsche Geschichte nicht nur aus Auschwitz und Buchenwald besteht.“[xxv]

Die Position, „daß die deutsche Geschichte nicht nur aus Auschwitz und Buchenwald“ bestehe, ist heute kein genuin rechtsextremer Standpunkt mehr (so er es je war) im geschichtspolitischen ‚Diskurs‘, vielmehr ist diese Auffassung seit Mitte der 1970er Jahre allmählich und offensiv Allgemeingut geworden. Die Neuen Rechten begrüßen natürlich diese nationalen Tendenzen und Sloterdijk ist einer ihrer Kronzeugen, neben Walser und Grass, der nicht nur 2012 ein antisemitisches Gedicht, vielmehr schon früher deutschnational schrieb; „Volkslust“ honorierte diese allzu Deutschen:

„Was im ‚Historikerstreit‘ u. a. zwischen Ernst Nolte und Jürgen Habermas schon auftauchte, setzte sich in anschließenden geschichtspolitischen Debatten um die angemessenen Erinnerungskulturen fort, in denen über Sinn und Zweck der ›Vergangenheitsbewältigung‹ gestritten wurde. Dazu gehören Martin Walsers Aufruhr gegen die ‚Auschwitzkeule‘, die ‚patriotischen‘ Beiträge eines Günther Grass, der schließlich auch in jener ‚Vertreibungsdebatte‘ seine Stimme erhob, das neue Sprechen über den Bombenkrieg also und die Opferdimension der deutschen Selbstwahrnehmung, Sloterdijks starke Töne vom ‚Tod‘ einer moralisierenden (Post-)Kritischen Theorie und dem Anbruch einer neuen Epoche ironisch-gelassenen Weiterdenkens. Dazu gehören popkulturelle Phänomene wie die Elektropunkband ‚Mia‘ mit ihrer sensibel-‚nationalen‘ Variation des Erich Fried Gedichtes ‚Was es ist‘, Paul van Dyks und Peter Heppners Lied ‚Wir sind wir‘, skurrile Debatten um ‚Deutschquoten‘ im Rundfunk und vieles mehr.“[xxvi]

Vor diesem Hintergrund ist es so bezeichnend wie untragbar, dass Peter Sloterdijk den Ludwig-Börne-Preis erhält. Es ist eine Farce und ein Skandal, da somit präfaschistische Biopolitik, neudeutsche Unverschämtheit und altdeutsches Raunen zu Ehren kommen, die zwar zur gegenwärtige Lage in der Bundesrepublik passen, aber Ludwig Börne völlig zuwider wären.

Henryk M. Broder wird seinen Ludwig-Börne-Preis aus Protest gegen die Preisverleihung an Sloterdijk zurückgeben. Es wäre ein weiteres Zeichen intellektueller Redlichkeit wenn Salomon Korn, der im überschaubaren Vorstand der Ludwig-Börne-Stiftung sitzt, diesen Posten unter Protest abgeben würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Korn, ein Kritiker des Antisemitismus und deutscher Zumutungen (jedenfalls mancher), Sloterdijk auch nur im Geringsten schätzt. Und somit war es ein historischer Fehler, Hans Ulrich Gumbrecht als Laudator für den diesjährigen Börnepreis zu wählen, hat doch Gumbrecht nicht zuletzt mit seinem affirmativen Bezug auf den präfaschistischen Ernst Jünger in seinem Buch „1926. Ein Jahr am Rand der Zeit“ dem postmodernen oder kulturrelativistischen Kokettieren mit jenen, die die Demokratie, die Weimarer Republik zerstören halfen und somit dem antisemitischen Mordsregime des SS-Staates freudig den Weg bahnten, gezeigt, wie problematisch er selbst zu denken pflegt.[xxvii] Dass Gumbrecht dann Sloterdijk auswählte ist nur konsequent und zeigt, dass auch ein jahrelanger Aufenthalt in USA oder die amerikanische Staatsbürgerschaft aus einem Deutschen noch keinen Denker oder gar Kritiker machen muss. Schon 2008 hat Gumbrecht in einer Laudatio auf Sloterdijk, dem der „Lessing-Preis für Kritik“ verliehen wurde, seinen Freund auf fast schon peinlich-demütigende Art und Weise umschlungen und gepriesen, Heideggers enormen Einfluss auf Sloterdijk hervorgehoben ohne den Hauch von Distanz zum anti-humanen ‚Denker‘ Heidegger, und in der überarbeiteten Druckversion auch explizit und mit Verve Sloterdijks „Regeln für den Menschenpark“ gewürdigt.[xxviii]

Börne oder eine/r, die oder der einigermaßen in seinen Fußstapfen zu gehen in der Lage wäre, heute, würde allein schon beim Gebrauch des Wortes „Menschenpark“ laut aufschreien. Doch Gumbrecht und das kulturindustrielle, politische und wissenschaftliche Establishment der Bundesrepublik, goutieren diese in Sprachform gezwungene Menschenverachtung des post-humanen Autors. Die Wahl Gumbrechts zeigt zudem wie ungemein originell die Idee der Börnestiftung war, ihn als Laudator auszuwählen und Gumbrecht zeigt seinen Einfallsreichtum, fünf Jahre später wieder sein Vorbild Sloterdijk zu würdigen.

Was sind die Kennzeichen des nationalen Apriori im heutigen Deutschland?

Walser[xxix] und Gauck[xxx], Grass[xxxi] und J. Augstein, der sich gegen Israel und hinter den Ex-SS-Mann stellt, sowie das posthumanistische Doppel Sloterdijk/Gumbrecht stehen exemplarisch für 1) Erinnerungsabwehr an die Shoah, 2) Antizionismus und Schuldumkehr sowie gleichsam 3) auf der Metaebene für den „post-humanistischen Denkraum“, das Promoten von Heidegger in Zeiten der Post-Postmoderne, die Abkehr vom Subjekt, den Hass auf den Humanismus und das Ressentiment auf Amerika und Israel. Selbst wenn Gumbrecht nicht jedes Ressentiment seines Duzfreundes teilt, applaudiert er doch nonstop dem ganzen Sloterdijk und promotet dadurch dessen Ressentiments.

Börne war ein Polemiker und Kritiker des Zeitgeistes, Sloterdijk ist ein Zyniker und Großaffirmator. Jihadistischer Massenmord wie an 9/11 gereicht dem Börnepreisträger zu einer Gefühlskälte und zu Schadenfreude, die die übliche bürgerliche Kälte atomisierter Arbeitskraftbesitzer fast schon als kuschlig-warm erscheinen lässt und in der Tat für typisch deutsche Sekundärtugenden spricht, die auch zu einer erneuten Art Posener Rede führen könnte, wie Broder 2002 kritisierte. Sloterdijk macht die deutsche Schuld am Holocaust zu einem Problem des Humanismus und verallgemeinert das Spezifische und Präzedenzlose der deutschen Verbrechen. Das kommt gut an, nicht nur bei der Börnestiftung, auch bei der „Jungen Freiheit“ oder der „Volkslust“.

Die neu-deutsche Ideologie Sloterdijks folgt der altdeutschen. Sloterdijk transponiert den Jargon Heideggers ins 21. Jahrhundert. Der Karlsruher Universitätsangestellte gefällt sich selbst im „post-humanistischen Denkraum“. Lächelnd wird das Ende des Menschen beklatscht, nicht nur in Frankfurt. Stolz auf Deutschland und seine moralfreie Jugend, die den von Sloterdijk herbei geschrienen Tod der Kritischen Theorie zelebriert und wieder fröhlich den Wehrmachtsopas gedenkt und die BDM-Omas tätschelt oder besonders schöne Vergiss-Mein-Nicht auf dem Friedhof pflanzt: Das sind die Formen des nationalen Apriori, 2013.

Der diesjährige Ludwig-Börne-Preisträger zeigt geradezu paradigmatisch, wie sekundärer Antisemitismus funktioniert: Peter Sloterdijk propagiert einen „post-humanistischen Denkraum“ und möchte mit Heidegger den Humanismus für den SS-Staat und den Holocaust verantwortlich machen und die Deutschen entschulden. Schuldabwehr und Schuldprojektion gehen Hand in Hand. Amerika und Israel werden von Sloterdijk 2002 nicht nur klammheimlich oder verdruckst (wie von sehr vielen Deutschen), vielmehr ganz offen und aggressiv als „Schurkenstaaten“ diffamiert und dafür wird er seither gleich mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Das sagt alles über die Eliten wie die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland im frühen 21. Jahrhundert aus, im Zeitalter nach 9/11.

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, ist Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), www.bicsa.org, und studierte in den 1990er Jahren am Philosophischen Seminar der Universität Tübingen.

 

 

 


[i]

[ii] Das könnte gleichwohl auch ein Grund sein, warum Deutschland so geliebt wird, wenngleich die Mehrzahl der eher einfach strukturierten und zufällig ausgewählten internationalen Interviewpartner, Butler nicht kennen dürfte, die Elite oder politische Aktivisten in vielen Ländern jedoch sehr wohl.

[iii] Sadik J. Al-Azm (2004): Islam, Terrorism and The West Today, „Die Welt des Islams“, Vol. 44, Nr. 1, S. 114–128.

[iv] Martin Heidegger (1946)/1967: Brief über den Humanismus, in: ders. (1967): Wegmarken, Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann, S. 145-194, hier S. 153.

[v] Ebd.: 155.

[vi] Vgl. Hassan Givsan (1998): Heidegger – das Denken der Inhumanität. Eine ontologische Auseinandersetzung mit Heideggers Denken, Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 359f. Beaufret war später auch ein Freund des Holocaustleugners Robert Faurisson, vgl. ebd.: 360.

[vii] Heidegger 1946: 147.

[viii] Günther Anders (1946)/2001: Nihilismus und Existenz, in: ders. (2001): Über Heidegger. Herausgegeben von Gerhard Oberschlick in Verbindung mit Werner Reimann als Übersetzer. Mit einem Nachwort von Dieter Thomä, München: Verlag C.H. Beck, S. 39-71, hier S. 50.

[ix] Ebd.: 153.

[x] Ebd.: 170.

[xi] Ebd.

[xii] Martin Heidegger (1949): Einblick in Das Was Ist. Bremer Vorträge 1949, ders. (1949a): Bremer und Freiburger Vorträge, Gesamtausgabe Band 79, Frankfurt a.M.: Vittorio Klostermann, S. 3-77, hier S. 27.

[xiii] Anders 1946: 172.

[xiv] Ebd.: 176f.

[xv] „Die Charakteristik des existenzial entworfenen eigentlichen Seins zum Tode läßt sich dergestalt zusammenfassen: Das Vorlaufen enthüllt dem Dasein die Verlorenheit in das Man-selbst und bringt es vor die Möglichkeit, auf die besorgende Fürsorge primär ungestützt, es selbst zu sein, selbst aber in der leidenschaftlichen, von den Illusionen des Man gelösten, faktischen, ihrer selbst gewissen und sich ängstenden Freiheit zum Tode“ (Martin Heidegger (1926)/1953: Sein und Zeit, siebte, unver. Aufl., Tübingen: Max Niemeyer Verlag, S. 266). Die folgende Passage macht noch deutlicher, wie Schicksal, Tod und Dasein sich zu einem völkischen Knäuel verbinden. Es ist bezeichnend, dass wesentliche Vertreter der Philosophie des 20. Jahrhunderts wie Hannah Arendt, Jürgen Habermas, Jacques Derrida, Hans-Georg Gadamer oder auch Michel Foucault solche Passagen des rein zeitlich vor-nazistischen Heidegger schlicht überlesen haben – oder eben affirmiert. Denn in folgender Textstelle aus Sein und Zeit ist Heideggers Denken deutlich dem deutschen Neuen Nationalismus der Weimarer Republik verpflichtet. Sie indiziert den Wunsch eine Demokratie zu zerstören, um eine schicksalhafte, todessehnsüchtige Seinsdiktatur zu errichten bzw. sich einfach ‚schicken‘ zu lassen: „Das Dasein kann nur deshalb von Schicksalsschlägen getroffen werden, weil es im Grunde seines Seins in dem gekennzeichneten Sinne Schicksal ist. Schicksalhaft in der sich überliefernden Entschlossenheit existierend, ist das Dasein als In-der-Welt-sein für das ‚Entgegenkommen‘ der ‚glücklichen‘ Umstände und die Grausamkeit der Zufälle erschlossen. (…) Wenn das Dasein vorlaufend den Tod in sich mächtig werden läßt, versteht es sich, frei für ihn, in der eigenen Übermacht seiner endlichen Freiheit, um in dieser, die je nur ‚ist‘ im Gewählthaben der Wahl, die Ohnmacht der Überlassenheit an es selbst zu übernehmen und für die Zufälle der erschlossenen Situation hellsichtig zu werden. Wenn aber das schicksalhafte Dasein als In-der-Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes. Das Geschick setzt sich nicht aus einzelnen Subjekten zusammen, sowenig als das Miteinandersein als ein Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte begriffen werden kann. Im Miteinandersein in derselben Welt und in der Entschlossenheit für bestimmte Möglichkeiten sind die Schicksale im vorhinein schon geleitet. In der Mitteilung und im Kampf wird die Macht des Geschickes erst frei“ (ebd.: 384). Diese völkische Ontologie, die ein „Miteinandersein“ als a priori setzt und nicht dem politischen Willen, Vernunft gar, unterstellt, ist Kernbestandteil nationalsozialistischer Weltanschauung. Zum Versagen der Philosophie des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Philosophie Heideggers, des ganzen Heideggers, vgl. Hassan Givsan (1998a): eine bestürzende Geschichte: Warum Philosophen sich durch den „Fall Heidegger“ korrumpieren lassen, Würzburg: Königshausen & Neumann; dieses dünne Buch ist eine Fußnote zu Givsan 1998.

[xvi] Heidegger 1946: 189.

[xvii] Ebd.: 190.

[xviii] Peter Sloterdijk (1999): Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, hier S. 46.

[xix] Der folgende Abschnitt ist großteils aus Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970 – 2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum, S. 22f.

[xx] So Egon Bahr (2003): Der deutsche deutsche Weg. Selbstverständlich und normal, München (Karl Blessing); Werner Abelshauser (2003): Kulturkampf. Der deutsche Weg in die Neue Wirtschaft und die amerikanische Herausforderung, Berlin: Kulturverlag Kadmos.

[xxi] Carl Gustaf Ströhm (2002): Deutscher Weg. Plötzlich verkehrte Fronten, in: Junge Freiheit, Nr. 41, 04. Oktober 2002.

[xxii] Eckhard Fuhr (2005): Wo wir uns finden. Die Berliner Republik als Vaterland, Berlin: Berlin Verlag. „Übrigens ist die SPD auch heute noch die einzige demokratische Partei, bei der das ›D‹ für Deutschland steht“ (ebd.: 149).

[xxiii] Ebd.: 110.

[xxiv] Dieser Abschnitt ist aus Heni 2007, 418.

[xxv] Anna Helena Wegner (2004): Identität, Migration und neue Kultur, in: Volkslust, 2004, H. 1, S. 34–35, hier S. 35.

[xxvi] Alexander Raoul Lohoff (2005): Annäherungen an eine volkliche Linke. Worum es gehen kann und worum nicht, ein unsystematischer Versuch, in: Volkslust, 2005, H. 2, S. 16–53, hier S. 47.

[xxvii] Der Romanist und Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht liebäugelt mit Ernst Jüngers Spiel ›Den-Boden-unter-den-Füßen-verlieren‹, wenn er Jüngers nekrophile Kriegsbeschreibungen mit den ›Erlebnissen‹ von Matrosen und Schiffspassagieren im Jahr 1926 gleichsetzt, vgl. Hans Ulrich Gumbrecht (1997)/2001: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit. Übersetzt von Joachim Schulte, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 358.

[xxviii] Hans Ulrich Gumbrecht (2008)/2009: In der Welt sein und auf der Bühne stehen. Die intellektuelle Physiognomie von Peter Sloterdijk, in: Marc Jongen/Sjoerd van Tuinen/Koenraad Hemelsoet (Hg.), Die Vermessung des Ungeheuren. Philosophie nach Peter Sloterdijk, München: Wilhelm Fink, S. 19-28, hier S. 23.

[xxix] „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule (…)“.

[xxx] Gauck sagte 2006: „Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocaust. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist. Offensichtlich suchen bestimmte Milieus postreligiöser Gesellschaften nach der Dimension der Absolutheit, nach dem Element des Erschauerns vor dem Unsagbaren. Da dem Nichtreligiösen das Summum Bonum – Gott – fehlt, tritt an dessen Stelle das absolute Böse, das den Betrachter erschauern lässt. Das ist paradoxerweise ein psychischer Gewinn“.

[xxxi] „Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden?“

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