Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Die Zeit

Der Militärstratege Maxim Biller, eine Hungersnot und Waffengewalt in Gaza

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Viele Deutsche und vor allem die kulturelle Elite des Landes, die sich doch sonst zu allem sofort und wortgewaltig äußern, haben am 7. Oktober 2023 geschwiegen oder gelacht – es ging ja auch nur um Juden, die massakriert wurden. Die Täter waren Palästinenser, nicht nur die Hamas und der Islamische Jihad, auch Zivilistinnen machten mit und feierten das Abschlachten von Jüdinnen und Juden oder kochten einen Hirsebrei für die verschwitzten und blutverschmierten Söhne und Brüder – in den Häusern der massakrierten jüdischen Israelis in den Kibbutzim, zum Beispiel in Nir Oz.

Wir haben es täglich mit Antisemitismus im Alltag zu tun, seien es verschleierte muslimische Frauen, die sich ein Palästinensertuch um die Schulter legen, wenn sie in den Bus einsteigen, säkulare linksradikale Antisemiten, die mit ihren Graffiti „Free Gaza“ Tod den Juden und Israel meinen, oder aber verdruckster und erinnerungsabwehrender im deutschen Mainstream, wie die Jüdische Allgemeine am 29. Mai 2025 berichtet:

Endlich ist die Vergangenheit Geschichte oder die Geschichte Vergangenheit. Das jedenfalls erklärt Gabor Steingart, Ex-Handelsblatt-Chefredakteur und Gründer von Media Pioneer, in seinem jüngsten Kommentar im Nachrichtenmagazin »Focus«. Denn »Deutschland war Gefangener der Hitlerzeit«, so behauptet er, und mit den kritischen Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz an Israels Kriegsführung im Gazastreifen »hat diese Haltung ein Ende«.

Das ist der Ausgangspunkt.

Es muss darum gehen, Israel zu unterstützen und den Zionismus zu verteidigen.

Israel muss als jüdischer und demokratischer Staat erhalten bleiben.

Kampf gegen Antisemitismus heißt logisch auch Kampf gegen den Antizionismus.

Daher ist es auch so eine Katastrophe, dass ein Linker und Antizionist jetzt beste Chancen hat, Bürgermeister der Stadt mit den meisten Juden weltweit zu werden – in New York City.

Worum geht es? Der Schriftsteller Maxim Biller hat in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit eine seiner Kolumnen publiziert – Morbus Israel. Warum regen sich die Deutschen immer so über die Juden des Nahen Ostens auf?

Darin rechtfertigt er die Strategie, dass Palästinenser*innen in Gaza Hunger leiden und nimmt achselzuckend zur Kenntnis, ja verteidigt, dass immer wieder Palästinenser von israelischen Soldaten offenbar willkürlich erschossen werden.

Maxim Biller schreibt (Die Zeit, 26. Juni 2025, Feuilleton, S. 44):

Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß.

Dass auch die israelischen Geiseln dann hungern – was juckt das den Superstrategen und Kolumnisten Biller? Hat er sich je mit den Angehörigen der Geiseln unterhalten, die seit über einem Jahr einen Deal fordern und panische Angst haben um ihre Liebsten, die durch die Hungersnot noch zusätzlich leiden?

Es gibt in der Tat Millionen ganz normale Deutsche, die wie ihre Großväter gegen ‚den‘ Juden kämpfen oder Israel mit den Nazis vergleichen, man schaue sich die täglichen Leserbriefe in jeder ganz normalen deutschen Tageszeitung an.

Das hat aber exakt gar nichts mit der internationalen Kritik an den vermuteten Kriegsverbrechen in Gaza oder der Siedlergewalt im Westjordanland zu tun und der religiös-extremistischen Ideologie und Praxis der israelischen Regierung.

Aktuell kritisieren zumal Zionisten in Israel ihr eigenes Land und die Kriegsführung.

Es geht um die Verteilung von Essenspaketen im Gazastreifen. Dazu schreibt die Haaretz, die links und zionistisch ist, am 27. Juni 2025 (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

„Es ist ein Schlachtfeld“, sagte ein Soldat. „Wo ich stationiert war, wurden jeden Tag zwischen einem und fünf Menschen getötet. Sie werden wie eine feindliche Macht behandelt – keine Maßnahmen zur Kontrolle der Menschenmenge, kein Tränengas – nur scharfes Feuer mit allem, was man sich vorstellen kann: schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser. Sobald das Zentrum geöffnet wird, hören die Schüsse auf, und sie wissen, dass sie sich nähern können. Unsere Art der Kommunikation ist das Gewehrfeuer“.

Der Soldat fügte hinzu: „Wir eröffnen frühmorgens das Feuer, wenn jemand versucht, sich aus einigen hundert Metern Entfernung zu nähern, und manchmal stürmen wir einfach aus nächster Nähe auf sie zu. Aber es besteht keine Gefahr für die Truppen.“ Ihm zufolge „ist mir kein einziger Fall von Gegenfeuer bekannt. Es gibt keinen Feind, keine Waffen.“

Was schreibt Maxim Biller nur einen Tag zuvor in der Zeit?

Kommt ein Israeli zum Arzt und sagt: »Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?« »Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollten«, sagt der Arzt, »aber raten würde ich es Ihnen nicht. Auch nicht nach unserer Therapie.«

Das ist nicht lustig oder ‚scharf‘, sarkastisch oder polemisch, das ist zynisch und menschenverachtend.

Biller verachtet nicht ’nur‘ palästinensische Zivilist*innen (so übel die in weiten Teilen sein mögen und am 7. Oktober mitgemacht haben auf die eine oder andere Weise), sondern auch israelische Soldaten, die das nicht mehr aushalten und mit der Haaretz darüber sprachen.

Er verachtet noch mehr die Palästinenser*innen in Gaza, die ja schon zuvor zu Zehntausenden Opfer von israelischen Angriffen wurden, wovon offenbar sehr wohl auch bis zu 20.000 Hamas-Kämpfer waren, aber darüber hinaus ca. 30.000 Zivilist*innen.

Die Redaktion der Zeit hat diese Abgründe des Textes nicht erkannt und der Text wurde gedruckt.

Dann gab es einen Aufschrei von einigen Leser*innen der Zeit und die Redaktion hat auf lächerliche Weise den auch online publizierten Text wieder depubliziert – nachdem er Hunderttausendfach gedruckt in jedem Kiosk vorliegt.

Das ist lachhaft und zeigt die doppelte Unprofessionalität der Zeit.

Wer von einer „strategisch richtigen Hungerblockade“ schreibt, ist ein Zyniker, kein Kritiker des Antisemitismus der Deutschen, den es ja ohne Ende in der Tat gibt.

Der Text von Maxim Biller schadet Israel und den Juden.

Biller ist keineswegs ein Polemiker wie es zum Beispiel Eike Geisel war, der den Antisemitismus der ganz normalen Deutschen zumal der frühen 1990er Jahre luzide attackierte und offenlegte.

Doch Biller ist kein Polemiker, er ist ein Zyniker, der im Kern die schlimmen Zustände, womit hier die israelische Kriegsführung gemeint ist, affirmiert und nicht aufheben oder bloßlegen möchte.

Er lebt offenkundig in einer Zeitschlaufe der Jahre 1998 bis 2002, als der antisemitische Schriftsteller Martin Walser im Oktober 1998 in seiner Paulskirchenrede die Abwehr der Erinnerung an den Holocaust im deutschen Mainstream fest verankerte und dafür vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Bundeskanzleramt eingeladen wurde, am 8. Mai 2002.

Zwar ist die Abwehr der Erinnerung weiterhin sehr weit verbreitet und hat mit dem Postkolonialismus noch ein weiteres linkes Muster des Antisemitismus hinzubekommen.

Doch heutzutage, nach 25 Jahren Pro-Israel-NGO-Szene, haben wir einen konservativen Kanzler, der sich bei Israel bedankt, das islamfaschistische Regime in Teheran in seine Schranken gewiesen zu haben, und „die Drecksarbeit“ für uns gemacht zu haben, einmal abgesehen davon, dass militärisch noch gar nicht klar ist, was genau erreicht wurde mit den israelischen und amerikanischen Militärschlägen im Iran. Ein Ende des islamistischen Regimes in Teheran ist leider nicht absehbar – doch Israel hat die Möglichkeit, jederzeit dort militärisch einzugreifen, was sehr wichtig ist.

Was Biller nicht erwähnt, weil es nicht passt: Der Bundestag, der den Ukraine-Krieg nicht diplomatisch beendet sehen möchte, sondern ihn weiter anfachen tut und auch die unerträgliche Aufrüstung beschlossen hat und Deutschland zu einem Militärstaat machen wird, der 20 bis 30 Prozent des gesamten Bundeshaushalts für Kriegsvorbereitung („Verteidigungshaushalt“) ausgeben wird die nächsten Jahrzehnte, hat die letzten Jahre Resolutionen gegen die antisemitische Boykottbewegung gegen Israel BDS sowie für den Schutz jüdischen Lebens verabschiedet.

Gleichzeitig haben wir eine aggressive zumal linke antisemitische Szene, die am 7. Oktober 2023, als Palästinenser und die Hamas 1200 Jüdinnen und Juden in einem genozidalen Massaker im Süden Israel, in Kibbutzim, Moshavs und auf einem Musikfestival auf unschilderbare Weise abschlachteten, lachte, kicherte, klatschte oder aber großteils schwieg. Es wurden von der Hamas und den Palästinensern 251 Geiseln genommen, viele wurden in „Geiseldeals“ freigelassen – im Gegenzug zum Freilassen von kriminellen und blutbeschmierten palästinensischen Terroristen, die aus israelischen Gefängnissen freikamen – von denen vermutlich nur noch 20 leben.

Der Krieg, den die Hamas am 7.10.23 begann und den Israel einige Wochen später als Abwehrkrieg gegen den Jihad, Islamismus und antizionistischen Palästina-Kult als Abwehrkrieg fortführte, war notwendig und berechtigt. Es wurde aber seit langer Zeit klar, dass ein Krieg gegen eine in der Zivilbevölkerung vernetzte Terrororganisation nicht zu gewinnen ist. Die Angehörigen und Freund*innen der Geiseln, das Hostage Forum, sind seit 2024 in höchster Alarmbereitschaft, weil sie der israelischen Regierung vorwerfen, nicht genug zur Freilassung der Geiseln zu tun.

Die rechtsextreme israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu, der selbst eher ein Opportunist war, konservativ, aber nicht rechtextrem wie Ben Gvir oder der selbst ernannte Faschist Smotrich, hat mehrere Geiseldeals offenbar vorsätzlich nicht gemacht, weil das das Ende des Gaza-Krieges bedeutet hätte. Das Ziel ist aber nach der Zerstörung von Gebäuden (50 Prozent aller Gebäude sind vollständig zerstört), auch die mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen zu vertreiben oder zur Emigration zu bewegen.

Biller schreibt:

Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß. Das Drama, das sie dann aufführen, begleitet von der bigotten Beschwörungs-
formel »Das Völkerrecht! Das Völkerrecht!«, mit der sie niemals Leute wie Sinwar oder Ali Chamenei belegen würden, hat nichts mit einer zivilisierten politischen Auseinandersetzung zu tun.

Richtig. Aber: Nur weil Antisemiten mit dem Wort „Völkerrecht“ herumfuchteln, gerade und fast immer nur, wenn es um Israel und die Juden geht, heißt das nicht, dass es kein Völkerrecht gibt!

Der Springer-Konzern und Andreas Rosenfelder von der Tageszeitung Die Welt stellen sich hinter Biller:

Wer auch nur ein paar Zeilen von Maxim Biller gelesen hat, der weiß, dass dieser tragische Sarkasmus, der die jüdische Literaturtradition von der deutschen mit ihrer auftrumpfenden Thomas-Mann-Ironie unterscheidet, ein Wesensmerkmal seiner Texte ist. Anstatt zu vertuschen und zu verschleiern, spricht der Witz die unerträgliche Realität aus, dass der Kampf gegen den Hamas-Terror im Alltag der Soldaten konkret bedeutet, „auf Araber zu schießen“. Und in der Antwort des Arztes benennt der Witz die noch brutalere Wirklichkeit, dass es für diese Unerträglichkeit keine Therapie gibt. Denn sie betrifft die Existenz jedes Juden in Israel.

Das ist eben Ideologie und faktenfrei. Das Erschießen von nach Nahrung anstehenden Zivilist*innen ist ein Verbrechen – wenn der Haaretz-Bericht so stimmt und es gibt außer Dementi der IDF keinen Grund, ihm nicht zu glauben – und hat mit der „Existenz jedes Juden in Israel“ nichts zu tun – abgesehen von dem ethischen und moralischen Schaden für Juden in Israel, die durch solche IDF-Aktionen entstehen.

Die Berliner Zeitung hingegen schreibt:

Ausführlich hat sich auf Instagram der Autor und Verleger Dinçer Güçyeter zu Billers Text geäußert. Der 2023 für seinen Roman „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnete Schriftsteller wendet sich direkt an Maxim Biller: Kollegen öffentlich zu diffamieren gehöre eigentlich nicht zu seinem Geschäftsmodell, schreibt Gücyeter. „Gestern, beim Lesen deiner Kolumne, habe ich mich gefragt, wie ein Autor so über seine Wut stolpern kann. Die ganze Nacht habe ich nach einer Antwort gesucht. Dieser Zynismus, dieses Gemetzel unter dem Schleier des Wortes ist genauso schmerzhaft wie die Meinung von Ahnungslosen, die sich für Nahostexperten halten, weil sie mal eine Shisha von unten gesehen haben.“

Die kapitalistische Weltwirtschaft verstößt tagtäglich seit Jahrzehnten gegen das „Völkerrecht“. Das juckt von den Eliten kaum jemand, das ist klar. Weltweit hungern aktuell ca. 735 Millionen Menschen. Das ist aber kein Grund, auch die mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen in Gaza vorsätzlich und perfide hungern zu lasen – und die jüdischen Geiseln somit auch.

Das Institut für Menschenrechte hält fest:

Nach Angaben der Vereinten Nationen hungern weltweit 735 Millionen Menschen. Und das, obwohl jeder Mensch ein Recht auf Nahrung hat. Warum ist das so?

Sarah Luisa Brand: Gleich vorab: Im Jahr 2024 müsste kein Mensch mehr hungern, denn es wird genug Nahrung für alle produziert. Hunger ist also vor allem die Folge ungleichen Zugangs zu Nahrung. Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht genug zu essen haben, beispielsweise Armut, Diskriminierung oder soziale Benachteiligung. Kriege und bewaffnete Konflikte führen dazu, dass Menschen ihr Zuhause und ihr Einkommen verlieren und landwirtschaftliche Flächen, Betriebe oder Infrastruktur zerstört werden.

(…)

Das Menschenrecht auf Nahrung besagt, dass Nahrung für jeden Menschen angemessen, verfügbar, zugänglich und bezahlbar sein muss. Völkerrechtlich verbindlich ist es in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 verankert. 2004 verabschiedete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom „Freiwillige Leitlinien zur Unterstützung der schrittweisen Verwirklichung des Rechts auf Nahrung im Kontext nationaler Ernährungssicherung“.

In der Berliner Zeitung heißt es weiter zu Maxim Biller, dem großen Strategen ohne Empathie und Ethik:

Die Kolumne, die in ihrer Drastik einen Einblick in das Denken vieler Unterstützer Israels erlaubt, mag sich zwar vor allem an vielen Deutschen und ihren Doppelstandards etwa bei der Kritik an Israels Regierung abarbeiten und mit der Wucht des durchaus nachvollziehbaren Hasses Punkte treffen. Dieser rhetorische Angriff Billers geht aber vor allem auf die Kosten der Palästinenser. Und deshalb kommt nun vehementer Widerspruch.

Das ist die Pointe. Es geht Biller nur um die deutschen Befindlichkeiten, die Schuldabwehr und Schuldumkehr. Dieses Muster gibt es, aber es greift hier nicht, weil man sieht, wie wenig Biller im internationalen Diskurs über den sinnfreien Krieg in Gaza drinsteckt. Er ignoriert offenkundig die von IDF-Soldaten beschriebenen und nicht widerlegten Verbrechen.

Zudem schreibt die Berliner Zeitung in dem zitierten Text:

Auf Instagram hat sich auch der 1987 in Haifa geborene Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus geäußert, der seit 2010 in Berlin lebt und 2023 mit seinem Romandebüt „Birobidschan“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand, ein Buch, das auch im Feuilleton der Zeit sehr gut besprochen worden ist. Nicht nur, dass Dotan-Dreyfus sein Zeit-Abonnement aufgrund von Billers Text gekündigt hat und zum Boykott der Zeitung aufruft. Er schreibt:„Das Problem, liebes Zeit-Team, ist nicht ein Text von Maxim Biller. Das Problem ist, dass ihr eine Atmosphäre kreiert habt, in der ein solcher Text entstehen kann.“

Die bekannte Journalistin der Times of Israel, Sarah Tuttle-Singer, eine wortgewaltige wie zarte Zionistin, eine der bekanntesten Stimmen der Times of Israel von Anbeginn, schreibt angesichts des Haaretz-Berichts, von dem sie hofft, dass er nicht stimmt, auf Facebook:

Es tut weh, dies zu schreiben. Aber es muss gesagt werden.

Ich liebe mein Land.

Ich liebe Israel in all seiner unmöglichen, widersprüchlichen Schönheit. Ich liebe den Klang der hebräischen Sprache im Wind und den Jasmin, der in den Ritzen dieses zerbrochenen, heiligen Landes blüht. Ich liebe die Menschen, die hier leben – Menschen, die der Gefahr entgegenlaufen, nicht vor ihr weglaufen.

(…)

Es gibt keine Sicherheit beim Abschlachten.

Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn man die Hungernden ins Visier nimmt.

Es gibt keinen Sieg, wenn wir auf dem Weg dorthin unsere Seelen verlieren.

Und ja, wir begraben immer noch unsere Toten vom 7. Oktober. Wir beten immer noch – jeden einzelnen Tag – für unsere Geiseln. Wir sind immer noch voller Angst und Wut. Aber diese Schrecken geben uns nicht das Recht, unsere eigenen zu begehen.

Ich glaube immer noch an unsere Soldaten. Ich glaube immer noch an dieses Land. Aber Glaube ohne Verantwortlichkeit ist blinde Loyalität. Und blinde Loyalität ist gefährlich.

Wenn Haaretz Lügen veröffentlicht hat, dann sollten sie einen hohen Preis für die Verleumdung unserer Soldaten und unseres Landes zahlen.

Aber wenn diese Berichte wahr sind – und ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie es nicht sind – dann müssen alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Von jedem Soldaten, der das Feuer auf Zivilisten eröffnet, über die gesamte Befehlskette bis hin zum Premierminister selbst.

Denn auch das alles ist Liebe. Kämpferische, fordernde Liebe, die sagt: Ihr müsst es besser machen. Wir müssen es besser machen. Oder all dies bedeutet überhaupt nichts.

Schließlich ist ganz Israel füreinander verantwortlich.

Das ist Zionismus. Das ist eine „kämpferische, fordernde Liebe“ zu Israel und kein zynisches Geschwätz.

Sarah Tuttle-Singer möchte die IDF vor sich selbst retten, Maxim Biller, der Schaukelstuhl-Zionist aus Deutschland mit Laptop, möchte offenkundig eher noch mehr Verbrechen, weil es anders nicht gehen würde.

Richtig: Ohne die Islamfaschisten der Hamas gäbe es diesen Krieg gar nicht. Punkt.

Aber ohne Netanyahu und seine ignorante Fan-Basis wäre es vermutlich gar nicht zum 7.10 gekommen – Warnungen wurden absichtlich ignoriert, unter anderem weil sie von weiblichen IDF-Sicherheitsexpertinnen kamen und die patriarchale Führungsstruktur der IDF das lächerlich machte; es war zu wenig Militär vor Ort und der Grenzzaun war alles nur nicht unüberwindbar –  und zumal dieser Krieg vermutlich längst beendet und die Geiseln endlich befreit.

Die Zerstörungen im Gazastreifen, das Zerstören von Tausenden von Häusern sind militärisch nicht zu begründen, die Rückkehr der Geiseln haben sie nicht gebracht. Das offen ausgesprochene Ziel der israelischen Regierung ist die Vertreibung oder Zusammenpferchung der Palästinenser auf ca. 25 Prozent der Fläche des Gazastreifens und die Wiederbesiedelung mit jüdischen/israelischen Siedlern.

Es gibt also eine rechtsextreme Regierung in Jerusalem, die alles dafür tut, die Zweistaatenlösung – die seit 1947 von den Arabern und Palästinensern abgelehnt wird! – unmöglich zu machen.

Wenn die von Israel bewaffneten islamistischen Gruppen wie die Shabab-Miliz und andere in Gaza für dieses Töten von Zivilist*innen auch mitverantwortlich sein sollten, liegt auch hierbei die Verantwortung bei der Besatzungsmacht, Israel.

Das ist der ethische Grundgedanke des Philosophen Emmanuel Levinas, auf den ich ja die letzten Monate schon hinwies, da er 1982 in Beirut bei dem (christlichen) Massaker an Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila die Besatzungsmacht Israel verantwortlich machte, da sie es hätte verhindern können und müssen:

„Aber es gibt auch eine ethische Grenze dieser politischen Existenz, eine ethisch notwendige“ sagt er am 28. September 1982 in dem Gespräch mit Shlomo Malka und Alain Finkielkraut, wenige Tage nach dem Massaker an einigen Hundert bis zu Tausenden Palästinensern in Sabra und Schatila.

Levinas wendet sich auch gegen den „Messianismus“ und betont die Bedeutung der Verinnerlichung von Gewalt durch den (so überlebensnotwendigen) Sieg im Sechstagekrieg 1967, wovon 1970 auch der Linkszionist Amos Oz in einem Gesprächsband mit israelischen Soldaten berichtet hat („Man schießt und weint“). Von diesem Leiden ist Biller weit entfernt, er schreibt auch nicht „sarkastisch“, wie viele seiner rechten Freund*innen (von express.at bis Nius etc. pp.) meinen, sondern wie gesagt: zynisch. Und Zynismus ist mit dem Bestehenden – hier der Gewalt der IDF in Gaza – einverstanden.

Sarah Tuttle-Singer hofft, dass die Verbrechen, von denen die Haaretz berichtet, so nicht stattgefunden haben. Dass es die über 500 Toten jedoch gibt, ist unbestritten, fast täglich berichten ja die Medien darüber wie die Times of Israel. Doch Biller stellt nicht mal in Abrede, dass die Verbrechen passieren, sondern behauptet, im Witz verkleidet, dass sie notwendig seien wie das Aushungern von über zwei Millionen Menschen.

Und das ist nicht mehr eine freie Meinungsäußerung, sondern das ist Affirmation und Agitation und hat mit einer Kritik am deutschen Antisemitismus rein gar nichts zu tun.

Natürlich hat Biller mit seiner Attacke auf Markus Lanz grundsätzlich Recht:

Neulich zum Beispiel, bei Lanz, der politischen Talkshow für politische Anfänger, das war noch kurz vor dem Israel-Iran-Krieg. Gerade ging es um die EU, Flüchtlinge und den opaken Minister Dobrindt, als sich im entspannt fragenden Gastgeber plötzlich alles zusammenzog. Denn jetzt war der Nahe Osten dran! Er ging in seinem Moderatorenstuhl in eine raubtierhafte Angriffshocke, er zischte und fauchte, statt zu sprechen, und versuchte immer wieder, von seinen Gästen die Aussage zu erpressen, dass Israel im Gazastreifen der Al-Kassam-Brigaden »Kriegsverbrechen« begehe. Und während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ihm erklärte, wie selbstkritisch und demokratisch die israelische Gesellschaft sei und dass er dieses Land nie aufgeben würde, rollte der nervlich stark angegriffene Moderator mit den Augen wie Elon Musk auf Ketamin.

Nur weil ein deutscher Dampfplauderer, der von allem und nichts wirklich eine Ahnung hat, von möglichen Kriegsverbrechen in Gaza redet, heißt das doch nicht, dass es die nicht geben kann! Wo lebt denn Maxim Biller? In Berlin, alles klar.

2019 schrieb ich:

Am Dienstagabend, 5. März 2019, hatte sich der gebührenfinanzierte Dampfplauderer vom Dienst, Markus Lanz, neben Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT, den ehemaligen Bundesminister und das SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi zum Plausch in die nach ihm benannte Sendung im ZDF geladen. Was der Gast dabei von sich gab – und der Moderator durchgehen ließ, ohne nachzufragen, ließ tief blicken und indiziert, wie die politische Kultur in diesem neuen Deutschland funktioniert, auch ganz ohne AfD.

Für einen ganz normalen Deutschen ist Wissenschaft unnötig. Er oder sie weiß es aus eigener Anschauung ohnehin besser. Jeder gute Deutsche hat einen „gesunden Menschenverstand“, was Kritiker als ungesund oder krank dastehen lässt. Dohnanyi machte in der Sendung den Austritt der SPD aus der Reichsregierung 1930 für den Aufstieg der NSDAP verantwortlich. Widerstand habe es massenhaft in Deutschland gegeben, nach 1933, fast jeder und jede hatte einen Juden, der versteckt oder versorgt wurde, das war der Tenor des SPDlers. So klang dieser mit vollem Kalkül vorgetragene Schrei gegen die heutige Schonzeit für Juden aus dem Munde eines SPD-Vordenkers. Es müsse Schluss sein mit der Erinnerung an die „Judenvernichtung“, die Zukunft rufe, so sprach er.

Da wird der zapplige, nie den Status des pubertierenden Strebers loswerdende Lanz, der sich quasi freut wie Oskar, der seinen ehemaligen verknöcherten autoritären Schulleiter wiedertrifft und der alleine für das Wackeln mit seinen aalglatten Schuhen einen Werbevertrag einer großen Schuhfirma erhalten sollte, ganz hellhörig. Er habe jüngst ein Interview mit dem Historiker Götz Aly gelesen, der darauf abheben würde, dass „Hitler den Sozialstaat aufgebaut habe“. Hitler und Sozialstaat, da werden Deutsche ganz wuschig, das ist spannend und irgendwie doch fast verboten. Sind eventuell gar Juden im Publikum? Oder vor den TV-Geräten? Wurden die Juden von einem ganz modernen Sozialstaat ermordet? War es gar nicht böse gemeint?

Wenn Maxim Biller Lanz so oder ähnlich kritisiert hätte, warum nicht? Hat er aber nicht, sondern er affirmiert eine nicht mehr zu rechtfertigende Kriegsführung, die den Palästinensern und Israel extrem schadet, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die einen sind tot, die anderen psychisch traumatisiert und diplomatisch isoliert.

Und nochmal, an die ganzen Biller-Fans, die jetzt heulen: Es ist klar, ohne die Hamas gäbe es diesen Krieg nicht.

Hat sich Biller mit den Berichten aus Israel mit dem offenkundig willkürlichen Feuern auf Zivilisten, die verzweifelt Nahrung von den LKWs erwarten, überhaupt näher beschäftigt?

Ist es ihm vollkommen egal, was real auf der Welt passiert, solange es nicht in sein Weltbild passt? Offenkundig hat er sich erkundigt, er weiß, dass die IDF auf Araber schießt – und er behauptet auf unerträgliche, zynische Weise, dass es halt nicht anders gehen würde.

Amos Oz dreht sich im Grab um.

Es muss um ein „neues Sprechen“ gehen, um ein Reflektieren innerhalb der völlig eingeigelten und fanatisierten Pro-Palästina- und Pro-Israel-Camps – so fordert es die pro-israelische, gegen Antisemitismus anschreibende Volontärin bei der Zeit, Anastasia Tikhomirova, vor einigen Wochen („Raus aus dem Freund-Feind-Schema„). Das wäre mal eine Lektüre gewesen für Maxim Biller.

Aber hätte Die Zeit wenigstens ein paar linkszionistische Redakteur*innen, wäre diese Kolumne von Maxim Biller, so wie sie da gedruckt steht, nicht erschienen.

 

 

 

 

 

Sensationelle Hoffnung aus dem Panik-Mainstream – DIE ZEIT sagt: „Die Impfpflicht ist tot“

Von Dr. phil. Clemens Heni, 11. Februar 2022

Es gibt Hoffnung aus Hamburg, ausgerechnet von der ZEIT, die bislang fanatischer Teil der Corona-Panikindustrie war.

Dass in Karlsruhe keine Richter*innen arbeiten, die eine Ahnung von Demokratie, Verhältnismäßigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Epidemiologie, Public Health, Soziologie, Psychologie, Philosophie etc. haben, das ist jedem klar und selbst denkenden Menschen offenkundig. Die Impfpflicht wird aber nicht kommen, weder wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht im medizinischen Bereich umgesetzt werden, noch wird es eine allgemeine Impfpflicht geben.

Das sagt jetzt, Überraschung, die Wochenzeitung Die ZEIT in einem Text vom 10. Februar 2022 von Heinrich Wefing, Ressortleiter im Ressort Politik bei der ZEIT. Er sieht vier Gründe für das Ende der Impfpflicht.

 

1.) Epidemiologisch oder medizinisch sei mit Omikron keine Überlastung des Gesundheitssystems mehr zu erwarten.

Das ist zwar richtig, aber gleichzeitig Teil der nicht evidenzbasierten Panikindustrie der ZEIT, denn seit März 2020, bei Alpha, Delta und allen Variationen von SARS-CoV-2 war das Gesundheitssystem ebenso zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd überlastet.

2.) Ein psychologischer Grund: Rings herum um Deutschland öffnen die Länder wieder, beenden alle oder fast alle „Maßnahmen“, der „Boulevard“ (=Bild-Zeitung) möchte das Ende aller Maßnahmen.

3.) Die Impfpflicht hat politisch keine Chance mehr. Der Anteil der FDP-Bundestagsmitglieder, der gegen jede Impfpflicht ist, wird immer größer (Zahlen nennt die ZEIT nicht), es gäbe aber vermutlich „keine Kanzlermehrheit“ mehr. Auch die CDU unter Merz sowie viele CDU-Landesvorstände haben angekündigt, sich gegen die Impfpflicht zu stellen. Da ist enorm viel Opportunismus im Spiel, weil ja ohne den Corona-Wahn der CDU/CSU die ganze Krise seit März 2020 anders gelaufen wäre, sollte man hier ergänzen.

4.) Die Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Bayern durch Söder würde klar indizieren, dass es keine allgemeine Impfpflicht geben wird, so die ZEIT:

Vor allem bleibt eine schlichte Erkenntnis. Wenn nicht einmal eine sehr spezifische, auf wenige Menschen beschränkte Impfpflicht zum Schutz der Schutzbedürftigsten in unserer Gesellschaft organisiert und durchgesetzt werden kann, dann wird sich wohl erst recht keine allgemeine Impfpflicht für alle Bürgerinnen und Bürger organisieren und durchsetzen lassen.

Dass die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ „ein Ausdruck besonderer Sorge um [die] vulnerabelsten Menschen der Gesellschaft“ sei, ist natürlich falsch argumentiert von der ZEIT. Denn damit wird suggeriert, dass nicht geimpfte Pfleger*innen und Ärzt*innen eine Gefahr für Vulnerable darstellten. Das ist eine Falschaussage. Jeder Geimpfte kann exakt so ansteckend oder nicht ansteckend sein wie ein Nicht-Geimpfter. Das zeigen wissenschaftliche Studien wie vom amerikanischen Justizministerium und den Centers for Disease Control and Prevention (CDC), dem Pendant zum RKI.

Weiter schreibt Heinrich Wefing in der ZEIT:

Denn wenn wir auch mit Masken, Abstand und 2G-Regeln halbwegs glimpflich durch Pandemie kommen, die Intensivstationen eben nicht überlaufen und übermäßig viele Tote verhindert werden können, dann stünde eine Impfpflicht, immerhin ein ziemlich großer staatlicher Eingriff in Grundrechte, außer Verhältnis zum Ertrag.

Da zeigt sich wieder die ganze Ideologie der ZEIT und der Mainstream-Panikindustrie. Ohne jede epidemiologische Beweisführung wird irrational davon ausgegangen, dass Masken, Abstand und gar die Impf-Apartheidsregel 2G – die gegen das Grundgesetz verstößt – Gründe wären, dass „die Intensivstationen eben nicht überlaufen“ sind. Dass Schweden ohne 2G, ohne Masken und Lockdown (die extremste Form von „Abstand“) weniger Tote hat als Bayern, ja sogar insgesamt weniger Übersterblichkeit wie ganz Deutschland, das sagt Wefing nicht.

 

Dabei hat ausgerechnet die Bild-Zeitung via Filipp Piatov evidenzbasierte Arbeit geleistet und sich für die Grundrechte und die Demokratie und gegen 2G eingesetzt – nachdem natürlich die Bild-Zeitung anfangs und dann viele Monate lang ebenso Teil des antidemokratischen Panikorchesters war. Und schließlich hat der Springer-Konzern ein massives Sexismusproblem, wie vor wenigen Tagen nochmal die Financial Times in Erinnerung ruft (ob es in den USA zum Sturz von Döpfner führen wird? – „Women spoke up, men cried conspiracy: inside Axel Springer’s #MeToo moment„).

Jedenfalls zeigt die Bild-Zeitung, dass es Schweden seit März 2020 richtig und Deutschland falsch gemacht hat:

Das sagt Heinrich Wefing von der ZEIT natürlich nicht: Deutschland hat mehr Tote produziert durch die Krise, als Schweden. Und da sind die unabschätzbaren psychologischen „Kollateralschäden“ und die Millionen Toten im Trikont noch gar nicht einberechnet. Erst gestern erzählte mir eine Krankenhausmitarbeiterin, dass es aktuell so aussehen würde: Wenn ein Patient, z.B. über 60 Jahre alt, ambulante psychiatrische oder psychologische Behandlung benötige, dann hat er keine Chance. Warum? Weil die psychiatrischen und psychologischen Dienste mit den „17-jährigen Suizidgefährdeten“, die es in diesem Ausmaß in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gab, beschäftigt sind.

Das ist die wahre Corona-Triage: jungen Leuten wird noch geholfen, die Älteren haben keine Chance auf psychologische ambulante Behandlung. Zu Beginn der Krise wurde so getan, als müsste und könnte man die Alten und Vulnerablen schützen, was nicht geschah, und die Jungen wurden weggesperrt, isoliert und in die Depression getrieben.

Und all diese unermesslichen Schäden wird es in dieser Quantität und Qualität in einer Demokratie wie Schweden nicht geben. In der BRD gibt es diese Verletzungen, diese vorsätzliche Körperverletzung durch das Corona-Regime.

Positives Resultat: Wenn selbst ein Hauptvertreter der Oberstudienrats-Panikindustrie wie die Wochenzeitung DIE ZEIT von einer „Nahtoderfahrung der Impfpflicht“ spricht und postuliert „Die Impfpflicht ist tot“, dann ist die Impfpflicht auch tot!

Feiern wir das, denn ohne die Hunderttausenden Demonstrant*innen jeden Montag, seit Wochen, wären wir nicht an diesem Punkt. So wie es auch ohne die Truckerfahrer*innen in Kanada und ihrem Camp in Ottawa nicht zu einer Ankündigung des Endes der Corona-Maßnahmen in mehreren Provinzen Kanadas in den letzten Tagen gekommen wäre, wobei in Kanada jetzt auch die Konservativen und Teile der regierenden Liberalen im Parlament massiv gegen Trudeau Stimmung machen und wie auch hierzulande die besseren Argumente auf ihrer Seite haben.

Die massiven Montagsspaziergänge werden weitergehen, damit auch Klabauterbach und Scholz, Janosch Dahmen und Lindner merken: Game over, die Impfpflicht ist tot!!!

Wir müssen ganz klar festhalten: jede Maskenanordnung für Kinder, ob im Kindergarten, der Grundschule, auf weiterführenden Schulen, im Sportverein etc. pp., war epidemiologischer Bullshit und eine vorsätzliche Körperverletzung. In Schweden hat kein Kind je Maske tragen müssen und kein Kind wurde vorsätzlich gesundheitlich geschädigt. In Schweden hat auch kein Mensch in Supermärkten, Einkaufszentren oder in Schuhgeschäften, Plattenläden, Antiquariaten etc. je Maske tragen müssen.

Paternalistisch heißt es jetzt von der CDU/CSU oder auch der Bild-Zeitung und vielen anderen, dass sich die Menschen in der BRD doch brav an ihre menschenverachtenden, irrationalen, epidemiologisch absurden und sinnlosen Maßnahmen gehalten haben, jetzt könnte man „öffnen“. Jetzt, nachdem die Demokratie von Merkel und Scholz via pandemic turn, der Möglichkeit, jederzeit alles Leben stillzustellen wie im totalitären China, zerstört wurde, jetzt also könne man öffnen. Die Leute wissen doch eh, dass es kein normales Leben in diesem Land je wieder geben wird. Heute ne Karte für Wacken gekauft, morgen schon in Quarantäne! Da lacht Olaf Scholz!

Schweden ist für alle Zeiten der Beweis, dass dieses dumme Geschwätz auch von CDU/CSU, die jetzt „öffnen“ wollen, weil man öffnen könne, mit der Realität und der Wahrheit nichts zu tun hat.

Schweden ist der Leuchtturm der Aufklärung, der Sonnenaufgang der evidenzbasierten, rationalen Medizin und Public Health in Zeiten der größten politischen Krise Europas seit dem Ende der Nazi-Zeit.

Die Impfpflicht ist tot!

PEGIDA und die politische Kultur

Eine Selbstkritik der »Israelsolidarität«, DDR-»Wirtschaftsflüchtlinge« 1989, die Verteidigung des »Abendlandes» und das deutsche Weihnachtsfest 1939: »Ein Fest des Herzens, des inneren Reichtums«

 

Bundesjustizminister Heiko Maas hat völlig Recht: »PEGIDA ist eine Schande«. Die Zeitung für Deutschland hingegen, die FAZ, sieht in PEGIDA den Ausdruck einer Sehnsucht nach »Heimat«, die armen Dresdner seien »heimatlos«, wie es am 17.12.2014 auf Seite eins der FAZ heißt: »Pegida ist ein anderes Wort für die Sehnsucht nach politischer Führung. Wer nimmt sie wahr?« Der »Führer« vielleicht? Auch viele andere Medien nehmen PEGIDA mittlerweile in Schutz, von der ZEIT, die meint »echte Gefühle« bei den Aufmärschen zu erkennen, bis hin zu CICERO, das Kritiker wie Wolfgang Bosbach (CDU) oder Ralf Jäger (SPD) abmahnt und ernsthaft meint, man könnte und sollte mit PEGIDA reden bzw. müsse deren »Argumente« wahr- und ernstnehmen.

 

Angesichts von ca. 300.000 Toten in Syrien, Unruhen, Verfolgung, Mord und Krieg in weiten Teilen des Nahen Ostens, vor allem in Libyen, Syrien, Irak oder Yemen, sowie desolater ökonomischer Verhältnisse zumal in Afrika oder Osteuropa, hetzen Deutsche gegen Flüchtlinge. Ganze Familien von »Wirtschaftsflüchtlingen« aus Chemnitz, Dresden und Hoyerswerda verbrachten 1989 Weihnachten in Stuttgart, München oder Frankfurt bei gastgebenden »Wessis«. Diese Ex-Flüchtlinge aus der DDR agitieren jetzt gegen eine verglichen damit minimale Anzahl von Flüchtlingen, die aus viel katastrophaleren und lebensbedrohlicheren Zuständen fliehen. Dabei kommt nur ein Bruchteil der Flüchtlinge lebend in EUropa an, die EU-Außengrenze degradiert die Mauer in Berlin zu einem geradezu läppischen Bauwerk.

Es gibt heute Unterstützung oder zumindest mal symbolisch Geschenke für Flüchtlinge, das ist ein großer Unterschied zum Beginn der 1990er Jahre, als sich nur kleine Gruppen von ANTIFAs und antirassistischen, autonomen Gruppen um den Schutz von und die Unterstützung für Flüchtlinge kümmerten.

Doch es geht auch um Selbstkritik: haben Autoren, wie der Verfasser, in den letzten Jahren immer deutlich genug gemacht, dass es nicht gegen »den« Islam geht bei der Kritik am Islamismus? Wurde die Kritik an Thilo Sarrazin ignoriert oder nicht bemerkt, dass andere sie ignorierten? Haben »wir« immer und jederzeit betont, dass es zwischen Islam als Glauben und Islamismus als Ideologie eine Differenz gibt? Damit wird man nicht zu einem Apologeten von Religion. Wo bleibt der Aufschrei, wenn ein sehr bekanntes Blog der »Szene« einen Autor zu Wort kommen lässt, der von einer »zweiten Shoah« daher redet und den Holocaust auf groteske Weise trivialisiert und Morde an Juden von Islamisten oder Muslimen nur dazu benutzt, um gegen »den« Islam aufzuwiegeln und die Deutschen zu entschulden, wenn in dem Text einzelne Morde und Pogrome von Muslimen an Juden von 1929 oder 1840 als »zweite Shoah« rubriziert werden? »Zweite Shoah« 1929? Oder heute? Wo bleibt da der Aufschrei? Wo bleibt da die Selbstkritik, mal einen Fehler gemacht zu haben?

Haben viele Kritiker der Israelfeindschaft einfach nur weggesehen, als die übelsten rechten Sprüche von Leuten kamen, die aus welchen Gründen auch immer für Israel sind? Wurden nicht auch höchst problematische, evangelikale oder sonstige fanatische Gruppen auf Israelkongresse eingeladen oder auf Konferenzen und Veranstaltungen toleriert und nicht konfrontiert? Haben viele gar nicht gemerkt, dass ein regelrechter Hass auf alles »Liberale« und »Linke« besteht, der durch eine Kritik am Antizionismus einiger Teile der Linken (damit ist nicht nur die Partei gemeint) rationalisiert werden konnte? Wie oft haben Leute zum Beispiel misogyne Sprüche und Tendenzen goutiert, weil die Autoren oder Redner sonst »ganz ok« drauf seien?

Sodann: haben Kritiker des Antisemitismus deutlich genug gemacht, dass es um Kritik geht und nicht um die Exkulpation des deutschen Normalzustandes, wenn der Antisemitismus primär als Phänomen von Muslimen und Arabern betrachtet wird? Haben viele nicht Kompromisse, faule oder klammheimliche, mit Christen, Konservativen und Rechten gemacht, nur weil es »um Israel« geht? Wurde nicht von vielen übersehen, dass es wie ein Schlag ins Gesicht eines Kritikers der eingebildeten »deutsch-jüdischen Symbiose« wie Gershom Scholem ist, wenn all die letzten Jahren von einem angeblich »christlich-jüdischen Abendland«, zumal in Deutschland, geredet wird?

Wer nimmt schon Kritik am existierenden Rassismus in Israel zur Kenntnis, ohne damit zu einem Israelgegner zu werden? Sicher ist es einfacher, immer nur Kritik am Antisemitismus, den es ja in unglaublichem Ausmaß gibt, weltweit, zu üben, als sich auch mal realitätsgetreu mit den Zuständen in Israel zu befassen. Warum wird fast immer, wenn wieder ein Skandal aus der Palästinensischen Autonomiebehörde zu vernehmen ist, Mahmud Abbas‘ Holocaust leugnende Dissertation von Anfang der 1980er Jahre aus Moskau zitiert, ohne auch nur wahrzunehmen, dass Politikerinnen und Politiker in Israel wie die linken Zionist_innen Tzipi Livni oder Isaac Herzog in persönlichen Gesprächen in Abbas in den letzten Jahren evtl. eine moderatere und reflektiertere Stimme zu hören in der Lage sind? Sind dadurch Livni und Herzog »Verräter« und unglaubwürdig? Wissen deutsche Blogger, Schweizer oder österreichische Referenten grundsätzlich besser Bescheid als israelische, zionistische Politiker_innen wie Livni oder Herzog?

Fast alle in der Israelszene aktiven Gruppen schweigen brüllend zu PEGIDA, finden den nationalen Taumel gar prickelnd oder wiegeln ab. Wer aber gegen die iranische Gefahr, für Israel, gegen alle möglichen Formen von Antisemitismus sich engagiert aber zu rechtsextremen, volksgemeinschaftlichen Aufmärschen, die gegen Muslime hetzen, schweigt, verrät jede Idee von Aufklärung, Emanzipation, und, ja, Zionismus. Der Zionismus David Ben-Gurions, Ze’ev Jabotinsky oder Kurt Blumenfelds basierte darauf, dass Juden zwar eine Mehrheit in Israel, aber die arabischen und muslimischen bzw. christlichen und sonstigen Minderheiten »gleiche Rechte« gewährt bekommen sollten im jüdischen Staat. Israel ist eine multikulturelle Gesellschaft mit einem Anteil von über 20% Arabern/Muslimen. In der Bundesrepublik leben ca. 5% Muslime.

Auf die Bedeutung Jabotinskys Verständnis von Zionismus, das keineswegs einen homogenen, rein jüdischen Staat avisierte, sondern einen dezidiert jüdischen (und keinen binationalen!) Staat mit einer mit gleichen Rechten ausgestatteten arabischen Minderheit, wies kürzlich der britische Politikwissenschaftler und pro-israelische, aber linke Autor Alan Johnson, Herausgeber der Zeitschrift Fathom, hin. Und in Israel ist das alles auch bekannt, aber hierzulande wird in gewissen Kreisen jede Kritik an »Bibi« oder dem rechten Rand des politischen Spektrums in Israel als antizionistisch verfemt. Es geht derzeit in Israel um Zionismus versus die extreme Rechte, die natürlich auch Teil Israels ist, aber eben nicht unwidersprochen. All das wird hierzulande kaum zur Kenntnis genommen, und diese Ignoranz wird sich rächen.

Schließlich bekommt die »Israelszene« jetzt die Rechnung aus Dresden. Entweder die pro-israelischen und anti-islamistischen Aktivistinnen und Aktivisten bzw. Blogger_innen und Forscher/innen kriegen die Kurve und kehren zu einer seriösen Beschäftigung mit Antisemitismus, Islamismus und Nationalismus zurück oder PEGIDA wird dafür sorgen, dass die »Israelsolidarität« und »Islamkritik« in PEGIDA auf- und untergeht. Entweder Islamismuskritik, Israelsolidarität und Kritik am Antisemitismus und ein Lob der Vielfalt oder PEGIDA.

2006, zur Zeit des »Sommermärchens« und acht Jahre vor dem noch größeren WM-Wahnsinn, kam das nationale Apriori ins Gerede, aber nur von einer marginalen Gruppe von Autorinnen und Autoren. Man hätte die Warnzeichen sehen können. Doch dann ging es wieder um die Kritik am ubiquitären Antizionismus, eine in der Tat wichtige Kritik, bis heute und in Zukunft.

Das alles darf nicht blind machen für die Gefahr, für die PEGIDA steht. Und vieler meiner Bekannten, nicht nur auf Facebook oder auf Blogs, sehen die Zeichen der Zeit nicht und sind unfähig, Selbstkritik auch nur zu versuchen, wie es scheint.

PEGIDA, die Dresdner Volksbewegung gegen alle Nicht-Deutschen und für ein homogenes Sachsen bzw. Deutschland, möchte am 22. Dezember 2014 bei ihrem nächsten Aufmarsch Weihnachtslieder singen, wie am 15.12 angekündigt wurde. Das mag der heidnischen Tradition weiter Teile des Rechtsextremismus und der a-christlichen Vieler in der Ex-DDR entgegenstehen, aber natürlich wissen auch Neue Rechte, Heidnische und Völkische dass man in der Not Kompromisse machen muss. Schließlich gab es Millionen NSDAP-Mitglieder, ganz normale Deutsche, die Christen waren und Teil der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. Zudem gab es bekanntlich den heidnischen Zug des SS-Staates wie die »Deutsche Glaubensbewegung« um Jakob Wilhelm Hauer, wie der israelische Religionswissenschaftler Schaul Baumann in seiner Dissertation herausgearbeitet hat.

Der katholische Bund Neudeutschland war ob des Nationalsozialismus begeistert. Der Jurist und spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg Han(n)s Filbinger steht dafür ebenso wie der Heidegger-Schüler und Philosoph Max Müller, der nach 1945 in München und Freiburg Karriere machte. Angesichts der völkischen Bewegung »Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes« sei zum Anlass des bevorstehenden Weihnachtsfestes auf die nationalsozialistisch-deutsch-abendländische Tradition eingegangen.

Ideologisch für ›Volk‹ und ›Vaterland‹ gerüstet, ging es am 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg. Ein Neudeutscher, ein Mitglied des Bundes Neudeutschland, Heinrich Jansen Cron, Herausgeber des Leuchtturm, schreibt in einem kleinen Buch, in welchem er Lieder, Gedichte, Gebete und Geschichten u.a. von Gertrud Bäumer, Ernst Moritz Arndt, Adalbert Stifter oder auch Walter Flex zusammenbringt, zu Weihnachten 1939:

Es ist ein Fest des Herzens, des inneren Reichtums. Nicht das Äußere entscheidet. Gott wird – Mensch. Der Gottesmensch ist ein – Kind. Das Kind liegt in einem – Stall. Und ist doch der Herr der Welt! Mehr sein, als scheinen, den inneren Reichtum über den äußeren stellen, das ist weihnachtliche Haltung. Das ist es, was uns auch in Not, in der Fremde, im Felde sicher macht, froh und stark. Was will aber dieses Heft? Es will das Gute, das Edle, das Heilige, das in Gott und Heimat Tiefverwurzelte wecken und heben; eine Hilfe sein, Weihnachten draußen christlich und deutsch zu erleben, jegliche Ferne zu überwinden.[i]

Wenig später, zu Ostern 1940, publiziert Cron noch so ein kleines Erweckungsbüchlein:

Die großen Aufgaben, die uns in dieser Zeit Heimat und Familie, Volk und Vaterland stellen, verlangen einen kräftigen Willen. (…) ›Jesus ist wahrhaft auferstanden!‹ Also werden auch wir auferstehen. Also hat unser Erdenleben auf alle Fälle einen Sinn; also gibt es eine ewige Gerechtigkeit; also nehmen wir das Leben und auch sein Kreuz tathart und gelassen auf uns. Denn nur so erringen wir das ewige Leben; nur wenn wir nach Kräften Christi Tapferkeit erstreben, werden wir auch mit ihm auferstehen! Mit diesem Leben ist nicht alles aus. Der Tod verliert seinen Stachel, die Gefahr die Lähmung, die Zukunft wird licht. Wir erheben die Herzen, tragen hoch das Haupt; denn uns erfüllt eine gewaltige Hoffnung. Gott wird unsere Treue krönen, unsere Familie schützen, unser Volk erretten; wir wissen ja: Christ ist erstanden![ii]

Am Beginn des Holocaust und des (Vernichtungs-)Krieges in Polen sowie im Westen Europas segnen deutsche Christen den Weltkrieg und feiern ein fröhliches Osterfest. Das Motto könnte nicht heideggerscher oder djihadistischer lauten: »Der Tod verliert seinen Stachel«. Salafisten, Islamisten und Jihadisten aller Länder könnten sich an diesen Deutschen ein Vorbild nehmen.

Der Publizist Henryk M. Broder mag symptomatisch für das Nicht-Erkennen der Gefahr, für die PEGIDA steht, zitiert werden. Er hat die Sache komplett auf den Kopf gestellt – angesichts von Nazis, Populisten und einem rassistischen Mob in Dresden schreibt er: »Das, was früher der Nationalsozialismus war, das ist heute der Islamismus«. Dabei gibt es genügend Beispiele, wo Islamisten wie Yusuf al-Qaradawi, einer der alten aber führenden Sunni-Islamisten, Hitler öffentlich lobten. Aber darum geht es PEGIDA gar nicht. Sie wollen ein »reines« Deutschland. 1978 hätte Broder das noch erkannt, als er ein Buch herausgab mit dem Titel »Deutschland erwache. Die neuen Nazis. Aktionen und Provokationen.«

Nein: das, was früher der Nationalsozialismus war, ist heute in Deutschland eher schon PEGIDA, jedenfalls laufen da auch Leute mit, die den SS-Staat gut finden.

Die wollen ein »arisches« Dresden, selbst 2,5% Nicht-Deutsche sind denen zu viel. Und sie wollen die wundervollen deutschen Traditionen bewahren, man denke nur an Höhepunkte des »christlichen Abendlandes« wie Weihnachten 1939 im »Deutschen Reich«.

Einer der PEGIDA-Mitmacher ist der Bundesvorsitzende der Partei Die Freiheit, Michael Stürzenberger, der auch für das extrem rechte Internetportal »Politically Incorrect« (PI) schreibt, das ganz begeistert ist ob PEGIDA und live davon berichtet. Stürzenberger sprach am 15.11.2014 auf der Hooligan-Kundgebung in Hannover und peitschte die Hooligans und Neonazis ein: »Wo sind die Freunde unseres deutschen Vaterlandes?«, woraufhin der Mob unter anderem mit unschwer als Hitlergrüßen zu erkennenden Bewegungen antwortete.

Stürzenberger agitiert gegen die jüdische Beschneidung, so wie er denken viele bezüglich der Beschneidung, das ist mehrheitsfähig in einem Land wie Deutschland, von der FAZ zur jungle world und der Giordano Bruno Stiftung.

Wie Anhänger von Verschwörungsmythen glauben die PEGIDA-Rechten dem »System« nicht, sie reden von »der« »Lügenpresse« und glauben einer Presse, die in der Tat an Propaganda schwer zu überbieten ist: Russia today.

Gegen die freie Presse, gegen die jüdische und muslimische Beschneidung und gegen Einwanderung – PEGIDA steht für »Ausländer raus«. Doch selbst Antisemitismus und Antiintellektualismus aus den Reihen der PEGIDA-Protagonisten und Aktivisten, darunter zählen auch Autorinnen für das verschwörungsmythische Magazin Compact, halten offenbar viele in der Pro-Israel-Szene nicht davon ab, den Rassismus von PEGIDA zu unterstützen. Eine Compact-Autorin und »Kameradin« von Jürgen Elsässer ist Melanie Dittmer, die früher bei der Jugendorganisation der NPD, den »Jungen Nationaldemokraten« (JN) aktiv war und heute im Umfeld der rechtsextremen »Identitären Bewegung«. Sie sprach z.B. bei einem DÜGIDA (Düsseldorf gegen…) Aufmarsch am 8.12.2104 und ist die Anmelderin der BOGIDA (Bonn gegen …).

Broder kritisierte 2012 die Agitation gegen die jüdische und muslimische Beschneidung. Doch er sieht offenbar nicht, dass der deutsche Mainstream gegen das Judentum und die Beschneidung ist. Viele bei PEGIDA sind Leser von Seiten wie PI im Internet, die wie dokumentiert gegen die Beschneidung und somit gegen jüdisches und muslimisches Leben hetzt.

Doch wen verteidigt Broder, wenn er Kritik an PEGIDA abwehrt und PEGIDA kleinredet, affirmiert und sich über Kritikerinnen des Rassismus wie Gesine Schwan lustig macht? Ich hatte schon 2007 rechte Tendenzen bei Broder und ACHGUT analysiert und resümierte:

Der Kampf gegen den Djihad jedoch lediglich als Vorwand, gerade für die BILD-Zeitung, den Spiegel, die WELT, sich noch gemütlicher einzurichten, gerade in Deutschland, dem Land der unbegrenzten Schuldabwehrmöglichkeiten?

Wer vom verbrecherischen Alltag des Nationalsozialismus nicht mehr reden möchte, sollte vom politischen Islam schweigen.

Die Juden sind die Juden von heute und nicht die Muslime, wie Jascha Nemtsov zu Recht gegen Armin Langer einwendet. Es geht jetzt aber nicht um die falsche Analogie von Antisemitismus und Islamkritik. PEGIDA ist ein Ausdruck von Rassismus, von Nationalismus, Islamhass und von Antisemitismus gleichermaßen, das Beispiel Stürzenberger und PI zeigen das anschaulich. Das Problem ist PEGIDA und nicht die Antifa und auch nicht Gesine Schwan.

Der Islamfaschismus wie in Iran ist schlimm genug, und die Hitler-Fans unter nicht wenigen Islamisten und Muslimen in Deutschland sind auch übel genug. Aber angesichts von Deutschlandfahne und »Wir sind das Volk« Gebrülle so die Realität zu derealisieren, wie Broder und sein Fanclub es tun, das ist bezeichnend.

Als Forscher/in sollte man sich einfach mal anschauen, wie die »abendländische Tradition« in Deutschland aussah. Dass Deutschland gar nicht abendländisch war, sondern antiwestlich, völkisch und nationalsozialistisch, wie der Historiker Peter Viereck bereits 1941 in seiner Dissertation »Metapolitics« auf beeindruckende Weise analysiert hat und von niemand anderem als Thomas Mann dafür in einem Brief vom 7. September 1941 gelobt wurde, spielt hier gar keine Rolle. PEGIDA sieht sich ja als deutsch und abendländisch.

Weihnachten 1939, Ostern 1940 und die diesbezüglichen Texte eines »Neudeutschen« oder Vertreter des »christlichen Abendlandes« wie Heinrich Jansen Cron sind nur Beispiele für das, was PEGIDA in Dresden, der Stadt, die nicht gerade für Toleranz und Vielfalt steht, hingegen für Antisemitismus 1848, für Richard Wagner und Michail Bakunin, verteidigen möchte: das christliche Abendland oder das, was Deutsche darunter verstehen.

Wie die Politikerin und Publizistin Jutta Ditfurth am 16.12.2014 auf 3Sat im Fernsehen sagte, erleben wir derzeit die wohl »schlimmsten rechtspopulistischen, antisemitischen, rassistischen Aufmärsche seit 1945«; hinzufügen würde ich: die schlimmsten Aufmärsche in Ergänzung zu den antisemitischen Aufmärschen im Sommer 2014, als vor allem Islamisten und Muslime, eskortiert von Neonazis und Linken, Pro-Hitler und »Juden-ins-Gas«-Parolen brüllten, im ganzen Land. Doch das war eben nicht »der« Islam und es waren nicht »die« Muslime und schon gar nicht »die Flüchtlinge«, die zu großen Teilen aus islamistischen Ländern geflohen sind. Jihadisten gehen ja vielmehr von Düsseldorf, Berlin oder Neu-Ulm in den »Heiligen Krieg« in den Nahen Osten und nicht andersherum.

PEGIDA indiziert, zu was das WM-Wahn-Land Deutschland im Jahr 2014 fähig ist und in den kommenden Jahren fähig sein wird. Für was stehen PEGIDA, DÜGIDA, BOGIDA und alle anderen rechten Aufmärsche? Wer sich die Aufmärsche anschaut, erkennt neben vorbestraften Kriminellen und Neonazis vor allem ganz normale deutsche Spießbürger auf der Straße. Schwarzrotgold ist ihre Fahne und Strategie, »wir sind das Volk« und »IHR nicht« ihre Parole und »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« der Sinngehalt, Agitation gegen »das System« aus Medien und Politik die Taktik, das als Fackel umfunktionierte Mobiltelefon ihr Symbol, die Gleichsetzung von Täter (SS-Staat) und Befreier (UdSSR) ihre mainstreammäßige Ideologie, dazu als altdeutsches Pendant »Familie, Heimat und Patriotismus« statt »Gender-Mainstreaming und Diversität«, Nationalismus, völkische Homogenität und Hass auf Andere ihr Motiv und Weihnachtslieder ihre Melodie.

Angesichts von Millionen Flüchtlingen weltweit ist die Anti-Flüchtlingsbewegung PEGIDA eine Schande für die Menschheit. PEGIDA ist ein Indikator für die politische Kultur in der Bundesrepublik. Sie zeigt die »Salonfähigkeit der Neuen Rechten« an.

 

[i] Heinrich Jansen Cron (1939): Weihnachten fern der Heimat. Ein Heft der einsamen oder gemeinsamen Weihnachtsfeier draußen, Köln: J.P. Bachem, S. 3.

[ii] Heinrich Jansen Cron (1940): Neues Leben. Ein Ostergruss seelischer Erstarkung, Köln: J. P.. Bachem, S. 3, Herv. d.V.

 

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA). Er ist Autor von fünf Büchern, zuletzt erschien „Kritische Theorie und Israel“ (Berlin 2014).

Jakob – der Liebling der deutschen Volksgemeinschaft

 

Ein Wintermärchen, 2013

Auch ohne Schnee und Sonnenschein kuschelt das Land wieder, Anfang Januar 2013, es ist wie im Wintermärchen: Deutschland kennt keine Parteien mehr und nur noch Deutsche. Die Volksgemeinschaft im Jahr 2013 stellt sich hinter einen Journalisten, der auf Platz 9 der berüchtigtsten Antisemiten unserer Welt bzw. in die Top Ten der aus Sicht des Simon Wiesenthal Centers (SWC) „erwähnenswertesten antisemitischen respektive antiisraelischen Verunglimpfungen des vergangenen Jahres“ geraten ist. Was stört die Deutschen am meisten daran? Der Antisemitismus des Jakob Augstein und die Diffamierung, Dämonisierung und Ausgrenzung Israels? Das Schweigen der Augsteins dieser Welt über die wirklichen Gefahren und Kriege auf dieser Welt?

Oder stört eher die Kritik am Antisemitismus und an Deutschland? Lassen wir das „gesunde Volksempfinden“ zu Wort kommen:

„Mich interessieren nur die Macht-Mechanismen, die Broder mit seiner Empfehlung offenlegt: Wie kann eine Institution wie das Wiesenthal-Zentrum, das als seriös bewertet wird und großen politischen Einfluß besitzt, die persönliche Antipathie einer Revolverschnauze aufgreifen und aus der eigenen Arbeit eine Karikatur machen? Wird durch die Nominierung Augsteins nicht die ganze Liste überdeutlich zu dem, was sie wohl zuvor schon war: eine Farce?“

Von wem ist dieses Zitat? Von Christian Bommarius und der Frankfurter Rundschau, die Broder lieber im Knast oder Schlimmerem sähe denn als Bürger in Freiheit, von Juliane Wetzel vom sog. „The German Edward Said Center for Holocaust distortion and post-colonial Antisemitism“ an der Technischen Universität (Zentrum für Antisemitismusforschung, ZfA),  vom evangelischen Antisemitismusverharmloser Klaus Holz, dem Deutschlandradio und WDR5 und seiner Journalistin Liane von Billerbeck („Berlinerin mit ausgeglichener Klimabilanz, zwei erwachsenen Kindern, dem Hang zu märkischen Seen und Dichterfürsten“), vom Deutschen Journalistenverband (was soll man von dem auch sonst erwarten?), von Michael Wolffsohn, der Antisemitismus als eher läppischen und harmlosen „Unsinn“ umetikettiert und womöglich das Ansehen Deutschlands gefährdet sieht wenn Augstein wahrheitsgetreu kategorisiert wird, immerhin ist Augstein der anerkannte Sohn eines der seinerzeit mächtigsten Medienmänner, Rudolf Augstein, der mit Herzblut alten SS- und anderen Nazimännern im Spiegel Unterschlupf bot, sowie der leibliche Sohn von Martin Walser, dessen antisemitische Paulskirchenrede im Oktober 1998 die Abwehr der Erinnerung an den Holocaust und die Jagdsaison auf jene, die erinnern, zumal Juden, inoffiziell in der Frankfurter Paulskirche eröffnete;

oder ist das obige Zitat von der ex-Weinkönigin und stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Julia Klöckner, ihrem Kollegen im Geiste, Gregor Gysi von der antizionistischen Partei Die Linke, dem Journalisten Michel Friedman, für den weder Augstein noch Günter Grass auf so eine Liste gehören, oder doch eher von der konservativen Zeitung für Deutschland (FAZ), ihrem Feuilletonchef Nils Minkmar oder auch ihrem Interviewpartner, einem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden Salomon Korn, der  Augstein zwar so gut wie noch nie gelesen hat, aber sicher weiß, dass er zu Unrecht auf diese Liste des Simon Wiesenthal Centers gehört. Oder ist das repräsentative Zitat gar, Gottseibeiuns, von der jungen Welt, dem Neuen Deutschland, der taz, dem Freitag oder dem Vorzeige-Journalisten der ZEIT in solchen Fragen, Jörg Lau?

Nein, obiges Zitat ist von Götz Kubitschek, Autor der neu-rechten Postille Sezession, Geschäftsführer des Antaios Verlages, Co-Gründer des neu-rechten Instituts für Staatspolitik und ex-Redakteur der ebenso neu-rechten Jungen Freiheit. Selbst der Bundeswehr war sein Treiben zu bunt und er wurde 2001 vorübergehend wegen „rechtsextremistischen“ Aktivitäten entlassen. Kubitschek ist ein in der extrem rechten Szene beliebter Netzwerker, der im Oktober 2012 ein von bis zu 700 Leuten besuchtes Treffen (inklusive Politically Incorrect, PI) – „Zwischentag“ – organisierte.

Am 3. Januar 2013 stellte sich Kubitschek hinter Jakob Augstein und pries ein Büchlein an, das im Februar 2013 in seinem Verlag erscheinen soll:

„Günter Scholdt Vergeßt Broder! Sind wir immer noch Antisemiten? 96 seiten, gebunden, 8.50 € Schnellroda 2013.“

Der neu-rechte Aktivist Felix Strüning bewarb Kubitscheks extrem rechtes Netzwerk-Treffen im Oktober 2012 und lobt auch ein Antaios-Buch von Manfred Kleine-Hartlage, „Warum ich kein Linker mehr bin.“ Im selben Verlag erscheint auch einer der Superhelden der anti-muslimischen Liga, der norwegische Blogger Fjordman, der alle Muslime aus dem Westen schmeißen möchte, und zwar gründlich und langfristig (schrieb er im Dezember 2010). Antisemitismus, deutscher oder norwegischer Nationalismus, fast immer christlich grundiert, sowie Hass auf Muslime geben sich die Hand im Antaios-Verlag, der auch die Wehrmacht lobt und preist in ihrem „präventiven“ Krieg gegen die Sowjetunion, wie ein weiterer Titel dieser Propagandaschmiede verspricht. Schließlich, auch das ist Mainstream, wird der Antisemit und Käferaufspießer Ernst Jünger in diesem Verlag gefeiert.

Der Antisemitismus der rechten Szene (von neu-rechts bis rechtspopulistisch und rechtsextrem, je nach Lust und Laune soziologischer Differenzierung oder Appetit auf politikwissenschaftlichen Jargon) wird in dieser Hetze gegen Broder salonfähig. Denn obiges Zitat hätte von jedem anderen Augstein-Verteidiger kommen können. Nicht Augstein sei der Skandal, sondern Kritik am deutschen Antisemitismus, den der Sohn Martin Walsers gleichsam Pars pro toto verkörpert. Alle fühlen sich in Deutschland getroffen vom Simon Wiesenthal Center und kuscheln, von ganz links bis extrem rechts und mittendrin, wie im Wintermärchen.

 

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