Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Felice Schragenheim

Ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden. Eine retrospektive Kritik an Aimée und Jaguar

Original auf LizasWelt am 17. September 2006

Die deutsche Selbstversöhnungsrhetorik erreichte mit dem Film Aimée und Jaguar von Max Färberböck, der auf seine Weise das Textmaterial des gleichnamigen Buches von Erica Fischer umsetzte, im Jahre 1999 einen weiteren Höhepunkt. Das wurde insbesondere von der Schriftstellerin Esther Dischereit bereits damals deutlich festgehalten:

„Die feministischen Reflexionen über nazideutsche Täterinnen waren immer recht spärlich und spät gefallen. Und Aimée wirkt entlastend, so wurde letztlich nicht die Geschichte der Felice Schragenheim geschrieben, sondern die von Lilly Wust. Die Stilisierung zur Love-Story, wie die Geschichte im Titel eines Dokumentarfilms über Jaguar und Aimée genannt wurde, und zu einem – wenn möglich – neuen deutschen Kultfilm entspräche dem fortschreitenden Wir-Gefühl. Da haben die Täterinnen schon fast so viel gelitten wie die Opfer, und die Nicht-Opfer sind den Opfern emphatisch jedenfalls beinahe gleich. Alle handelnden Personen im Film haben verdeckte Namen, nur Jaguar nicht. Sie heißt Felice. Sie kann keinen Einspruch erheben. Es fehlt nicht mehr viel, bis Auschwitz als das kollektive Massada der Deutschen in eine geläuterte nationale Selbstdefinition eingeht. Opfer sind alle und Erinnerung gemeinsam: die Toten aber könnten beiseite bleiben. Die stören. Überlebende manchmal noch mehr. Ehre, Würde, Vermögen, Leben der Opfer waren schon gestohlen, bleibt noch deren Geschichte.“

Dischereit hat gründlich recherchiert, Akten studiert, die Stationen des Überlebens der Jüdin Felice Schragenheim in Berlin zwischen 1941 und 1944, ihr Fliehen von der Prager Straße 29 zur Claudiusstraße, vom Nollendorfplatz nach Friedenau etc. erkundet sowie den Konnex von Deportation, Untertauchen und einer letzten Möglichkeit – der Beziehung zu einer ganz normalen, deutschen Frau, die Schutz bieten könnte – dargestellt. Liebe als Rettungsanker, wie Dischereit aufzeigt:

„Im Vorwort [von Erica Fischer] heißt es, dass die Überlebenden keinen Frieden mit Lilly Wust schließen können und wollen. Nein, können sie auch nicht, wenn da Schuld wäre, gäbe es keinen Grund, ‚Aimée’, Lilly Wust, zu einer Retterin zu stilisieren. Die Buchautorin Erica Fischer äußerte unlängst, ihr scheine es im Film immerhin gelungen, ‚mit dem Thema nicht voller Schuld, Selbstbezichtigung und Schwere umzugehen’. Nun ja, es gibt wohl Themen, da gibt es Schuld und Schwere, und auf Selbstbezichtigung warten die Staatsanwaltschaften noch immer.“

Dabei ist es gewiss kein Zufall, dass das Material einer arischen Deutschen wie Lilly Wust nicht den Behörden, sondern einem Regisseur vorgelegt wurde. Schlimmer noch: Der Film ist ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden. Er basiert auf den Fantasmen der Lilly Wust, die von Erica Fischer lanciert wurden und in Deutschland, dem Land der großen Wiedergutmachung mit sich selbst, bestens ankommen. Denn das Publikum ist eine Volksgemeinschaft der besonderen Art: Künstler, Kulturtheoretikerinnen und Kulturtheoretiker, Feministinnen, Berlinale-Fans und programmatische Lesben kommen gleichermaßen auf ihre identitären Kosten. Am Ende des Streifens wird Felice Schragenheim ermordet; die Vorgeschichte wird dabei jedoch vollkommen entstellt. Dass Felice beispielsweise ihrer Geliebten Lilly noch auf dem Sammelplatz der Gestapo einen Erbschein unterschrieb, den letzere – vormals stramme Nationalsozialistin – nach dem Krieg bei der überlebenden Schwester sowie Freundinnen und Freunden von Felice einlösen wollte, kommt gar nicht erst vor. Esther Dischereit stellt klar:

„Am 28.7.44 erhält Lilly Wust eine Schenkungsurkunde von Felice Schragenheim; am 21.8.1944 wird Felice Schragenheim deportiert. Also drei Wochen später. In den Krimis kommt an dieser Stelle immer eine Lebensversicherung vor, anschließend der Tote. Das hätte uns stutzig gemacht.“

Dischereit berichtet darüber hinaus von vielen Geschenken, die Felice Lilly machte bzw. machen musste: „Frauenkleider aus Foulardseide und feinem Leinen, Abendkleid aus Taft…“ Und selbst Lillys Besuch im Konzentrationslager Theresienstadt – von dem der Deutschen mit Mutterkreuz und der Manie, ihre jüdische Geliebte bevorzugt vor ihren SS-Freunden auf Partys zu präsentieren, alle im Untergrund lebenden Juden und Jüdinnen abgeraten hatten – wird in dem Film nicht in seiner für Felice eine Todesgefahr heraufbeschwörenden Dimension dargestellt. Doch weder das noch die Tatsache, dass Lilly Wust eine waschechte Nationalsozialistin war, hat die Szene, insbesondere die Frauen-Lesben-Szene, nachhaltig irritieren können – offenbar aber auch nicht die Leiterin des Jüdischen Museums Berlin, Cilly Kugelmann.

Elenai Predski-Kramer jedoch, jüdische Überlebende und Freundin von Schragenheim, stellt die Fragen, die sich aufdrängen. Sie ist enttäuscht und traurig ob der Geschichtsfantasmen von Wust, die Erica Fischer als Wahrheit niederschrieb und verkaufte. Wer sich kritisch mit Aimée und Jaguar beschäftigen möchte, dem sei daher neben dem bereits zitierten Beitrag von Esther Dischereit der auf einem Gespräch mit Predski-Kramer basierende und im Gegensatz zu Erica Fischer deren Stimme sehr ernst nehmende Artikel von Katharina Sperber empfohlen, „Eine andere Version: Schmerzhafte Erinnerungen einer Überlebenden“. In ihm heißt es zu Beginn:

„Wie vor den Kopf geschlagen fühlte sich Elenai Predski-Kramer, als sie vor acht Jahren die Auslage einer Buchhandlung betrachtete. Zwischen all den Titeln, die da ausgestellt waren, entdeckte sie einen Buchdeckel mit einem großen Schwarz-Weiß-Foto. Darauf zwei Frauen im Badeanzug am Havelstrand. Beide Frauen kannte sie. Die eine ist die Jüdin Felice Schragenheim, die andere Lilly Wust, eine mit dem Mutterkreuz dekorierte Nazi-Mitläuferin.“

Fischers Geschichten interessierten seinerzeit sofort mehrere Verleger; das Buch erfuhr zahlreiche Auflagen – weltweit, wie sie stets betont – und wurde in dreizehn Sprachen übersetzt. Selbst die unwissendsten, sich aber irgendwie zum Thema „Juden“ hingezogen fühlenden Menschen haben nicht selten zumindest ein Buch in ihrem kleinen Bücherregal: Erica Fischers Aimée und Jaguar eben – eine allzu deutsche Story, die nicht aneckt und daher gefällt.

Ihr Plot hat den Fokus auf die arische Lilly gerichtet; das ist die Basis sowohl für den Film als auch für das Buch. In ersterem wird das bereits zu Beginn deutlich, in der Szene mit dem „lesbischen Blick“ nämlich, die die Perspektive Wusts einnimmt – eine Sicht, die den ganzen Film bestimmt und somit keine Brüche, Zweifel oder gar die Frage nach Schuld aufkommen lässt. Denn es geht nicht um Kritik, es geht um Identität. Gleichwohl ist es falsch, die Vereinnahmung von Felice für derlei Identitätspolitiken – durch lesbische Frauen einerseits und durch Jüdinnen andererseits – in einem Dritten, einem vermeintlichen Ort der Nicht-Identität, aufgehen zu lassen, wie es im 2001 veröffentlichten Beitrag „Of Death, Kitsch, and Melancholia – Aimée und Jaguar: ‚Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943’ or ‚Eine Liebe größer als der Tod’?“ von Anna M. Parkinson geschieht*.

Parkinson argumentiert dabei in Anlehnung an Judith Butlers Konzept von gendered Melancholie. Demnach habe Lilly nach der Deportation und Ermordung von Felice sich selbst „zur Jüdin gemacht“ und das verlorene Objekt der Begierde verinnerlicht – eine melancholische Introversion also, die Parkinson mit Freud untermauert wissen möchte. Dass Lilly Wust aufgrund einer möglichen Verantwortung für die Deportation von Felice selbst Anteil an deren Ermordung haben könnte, zieht Parkinson in ihrem beredten Abstrahieren von diesen realen Fragen und Fakten jedoch nicht in Betracht. Doch wie kam die Gestapo an eines der wenigen Fotos von Felice, die außer Lilly nur andere Jüdinnen in Besitz hatten? Und weshalb ließ Lilly sich einen Erbschein unterschreiben? Warum, schließlich, hat sie ihre Freundin – so dies denn stimmt – in Theresienstadt besucht, obwohl alle Jüdinnen ihr abgeraten hatten von diesem narzisstisch motivierten Besuch, der – in einem Konzentrationslager! – nur die Liebe bestätigt sehen wissen wollte?

Wären das nicht alles Gründe für eine radikale Infragestellung der Erinnerungen einer Lilly Wust? Es sind jedenfalls die Fragen der jüdischen Freundin von Felice, die Fragen Elenai Predski-Kramers. Parkinsons Analyse ist demgegenüber geradezu grotesk: Ohne die Frage nach all diesen Schuldanteilen auch nur zu stellen, zimmert sie sich eine kultur- und gender studies-theoretische Analyse zusammen, die im typischen Stil der Sozial- und Kulturwissenschaft Täter und Opfer in einem sehen möchte – alles sei im Fluss, lautet die Botschaft. Dass eine solche Analyse eine Derealisierung der Wirklichkeit darstellt, ist jedoch offensichtlich. Denn wenn sich beispielsweise die arische Deutsche Wust beim Einmarsch der Roten Armee in Berlin Anfang 1945 den gelben Stern gleichsam stolz ans Revers heftet, ist das gerade nicht „ironically“, weil Felice ihn nie trug. Parkinson lässt letztlich die Geschichten von Wust und Fischer unbeanstandet und zeigt eine die Empathie gleichsam eskamotierende Ferne zu der realen Überlebenden Elenai Predski-Kramer. Man könnte also von einer kulturtheoretischen Derealisierung sprechen.

Im Rekurs auf Freud kann Parkinson zwar interessante Elemente von Melancholie, Identitätsverweigerung und -wandel auftun, nicht aber die konkrete Historie erhellen. Denn die Leidensgeschichte der Jüdin Felice wird nicht aus ihrer Sicht oder aus der ihrer noch lebenden Freundin Elenai Predski-Kramer erzählt und festgehalten, sondern aus der die jüdische Perspektive derealisierenden Perspektive einer arischen Deutschen.

Zudem: Wie kommt es zu dem unglaublichen Spitznamen „Jaguar“? Gerade die existenziell bedrohte, vom Verhalten ihrer deutschen Umwelt abhängige Jüdin wird dadurch zur Jägerin gemacht, die sich eine deutsche Geliebte sucht. Würde die Geschichte aus Felices Sicht erzählt, wäre es nie zu so einem grotesken und infamen Namen gekommen. Doch gerade mit ihm reüssieren Buch und Film. Es wird kokett mit der – nach Parkinsons bloß „ironischen“ – Verkehrung von Opfer und Täterin, Jägerin und Geliebter hantiert. Doch es ist natürlich keine Ironie, sondern der deutsche Fokus, der hier dominiert.

Die Abstraktion von der deutschen Volksgemeinschaft – auch nach 1945 – durch das Fokussieren der lesbischen Liebe lässt das von Dischereit so treffend bezeichnete „Massada der Deutschen“ traurige Wirklichkeit werden. Zu suggerieren, weder die eine noch die andere „Seite“ habe Recht, wie Parkinson es tut, mag zwar der Diskursanalyse, den gender studies mithin, schmeicheln, schlägt sich jedoch wenigstens subkutan auf die Seite der Siegerin, der egomanischen Nazisse Lilly Wust. Es geht um deren Identität – eine deutsche Identität mit Feder und Kamera im Gefolge. Noch einmal Esther Dischereit:

„Das Leben der in Auschwitz getöteten Jüdin Felice Schragenheim scheint durch die Akteurin ‚Aimée’, real Lilly Wust, hindurch und über diese vermittelt. ‚Jaguar’ – im Kosenamen eine grotesk absurde Verkehrung darüber, wer hier Jäger und wer hier Gejagte ist. Das ist eine Übernahme aus dem gleichnamigen Buch, in dem die Geschichte bereits so angelegt ist, dass wir letztlich erfahren, wie sehr die Nicht-Jüdin, Kosename ‚Aimée’, leidet. Durch den Filter ihrer Person erfahren wir von der Verfolgungsgeschichte der Jüdin, die die Deutsche ‚Aimée’ wie in einem Mysterienspiel auf sich nimmt und posthum zu ihrem Leiden macht. In Talk-Sendungen in Deutschland verstieg sich die authentische, nun schon betagte ‚Aimée’, Lilly Wust, zu der Bemerkung, die Tote erscheine ihr gegen Abend. Statt Hitler-Bild ist nun ein siebenarmiger Leuchter in Betrieb. Und – mit dem jüngst zur Welt gekommenen Baby der Maria Schrader sei nun wieder eine wunderbare Felice auf der Welt.“

Heute nun werden die Dokumente der Lilly Wust einem allzu deutschen Publikum dargeboten; von „Arierin“ und „Tränen“ ist viel die Rede. Ganz normale Deutsche, die auf dem Rücken ihrer jüdischen Opfer oder „Freundin“ ihre pekuniären, emotionalen und politischen Geschäfte mach(t)en, wollen das letzte Wort behalten, Geschichte bestimmen und umschreiben. Für immer. Auch mit „jüdischen Kronzeugen“ des Jüdischen Museums Berlin.

* In: Helmut Schmitz (Hrsg.): German Culture and the Uncomfortable Past, Aldershot u.a. (Ashgate), Seite 143–163

 

Ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden: Eine retrospektive Kritik an „Aimée und Jaguar“

Dieser Text wurde zuerst am 25. April 2004 auf www.hagalil.com publiziert

Die deutsche Selbstversöhnungsrhetorik hat mit dem Film „Aimée und Jaguar“ von Max Färberböck, der auf seine Weise das Textmaterial des gleichnamigen Buches von Erica Fischer filmisch umsetzte, im Jahre 1999 einen weiteren Höhepunkt erreicht. Das wurde insbesondere von Esther Dischereit bereits zur selben Zeit klar und deutlich festgehalten.

Dischereit hat gründlich recherchiert, Akten gewälzt, die Stationen des Überlebens, des Fliehens von der Prager Straße 29 zur Claudiusstraße, vom Nollendorfplatz nach Friedenau etc. der Jüdin Felice Schragenheim in Berlin 1941-1944 erkundet, den Konnex von Deportation, Untertauchen und einer letzten Möglichkeit: einer Beziehung zu einer ganz normalen, deutschen Frau, die Schutz bieten könnte, dargestellt. Liebe als Rettungsanker. All das ist bei Dischereit auch online nach zu lesen, vgl. unten.

„Im Vorwort [von Erica Fischer] heißt es, daß die Überlebenden keinen Frieden mit Lilly Wust schließen können und wollen. Nein, können sie auch nicht, wenn da Schuld wäre, gäbe es keinen Grund, ‚Aimée‘, Lilly Wust, zu einer Retterin zu stilisieren. Die Buchautorin Erica Fischer äußerte unlängst, ihr scheine es im Film immerhin gelungen, ‚mit dem Thema nicht voller Schuld, Selbstbezichtigung und Schwere umzugehen‘. Nun ja, es gibt wohl Themen, da gibt es Schuld und Schwere und auf Selbstbezichtigung warten die Staatsanwaltschaften noch immer“( Esther Dischereit (2001): Mit Eichmann an der Börse. In jüdischen und anderen Angelegenheiten, Berlin (Ullstein), S. 71)

Denn auch gewisse Teile des interessierten Publikums, das ansonsten sehr offen ist für radikale Kritik an Deutschland und Antisemitismus, haben sich an diesem Punkt der innerdeutschen Selbstversöhnung, die von Dischereit verweigert wird, resistent gezeigt. Die Erzählungen einer Erica Fischer haben offenbar eine lange Haltbarkeitsdauer. Da selbst die Stimme einer jüdischen Überlebenden des Holocaust in diesem Fall nichts zu zählen scheint, möchte ich dieser Stimme wenigstens ein klein bißchen Raum verschaffen und an sie erinnern, sie aufwärmen.

Die aktuelle Rezension des Bildbandes „Erica Fischer: Das kurze Leben der Jüdin Felice Schragenheim „Jaguar“, Berlin 1922 Bergen-Belsen 1945. Mit Reproduktionen und Fotos von Christel Becker-Rau, dtv, München 2002″, der das Buch „Aimée und Jaguar“ (Erica Fischer), dessen Erstauflage 1994 erschienen war, Ende 2002 noch einmal publikumswirksam untermalen möchte, von Petra M. Springer, deren kleiner aber bezeichnender Artikel zuweilen über Monate hinweg auch von Online-Magazinen sehr positiv aufgenommen wurde und im Original auf http://www.neuewelt.at (Ausgabe 4/5 2003) nachzulesen ist, ist ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden. So heißt es:

„Die Liebe zueinander veränderte das Leben beider Frauen grundlegend. Lilly ließ sich scheiden, Felice gab ihre Tarnung auf und lieferte sich dadurch ihrer großen Liebe aus. Das Glück der beiden währte aber nur kurze Zeit.“

Hier wird schon festgezurrt, daß es sich um „Liebe“ gehandelt habe, primär (!), und nicht um die einzig verbliebene Möglichkeit für eine Jüdin im Berlin jener Jahre zu überleben.

Sie basiert auf den Phantasmen der Lilly Wust, die von Frau Fischer seit Jahren lanciert werden und natürlich in Deutschland, dem Land der großen Wiedergutmachung mit sich selbst, ankommen. Das Publikum ist eine Volksgemeinschaft der besonderen Art: Künstler, KulturtheoretikerInnen, Feministinnen, Berlinale-Fans und unkritische Lesben kommen gleichermaßen auf ihre identitären Kosten.

Denn es liegt ein weiterer Fall von Verwertung jüdischen Lebens in dem Film Aimée und Jaguar vor, der auf der wahrhaften Geschichte beruhen soll (!), dessen Hauptdarstellerinnen auf der Berlinale 1999 den silbernen Bären bekamen, als beste Darstellerinnen. In diesem Film wird das Leben der Jüdin Felice Schragenheim und ihrer Geliebten Lilly Wust (die noch lebt) im Berlin der Jahre 1943/44 gezeigt. Am Ende wird Felice ermordet. Die Vorgeschichte wird dabei nicht nur in dem Film entstellt. So hat sie z. B. ihrer lesbischen Geliebten Lilly Wust noch auf dem Sammelplatz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) einen Erbschein unterschrieben, den Lilly Wust, vormals stramme Nazi-Frau, nach dem Krieg bei der überlebenden Schwester und FreundInnen von Felice einlösen wollte, was in dem Film gekonnt verschwiegen wird.

„Am 28.7.44 erhält Lilly Wust eine Schenkungsurkunde von Felice Schragenheim; am 21.8.1944 wird Felice Schragenheim deportiert. Also drei Wochen später. In den Krimis kommt an dieser Stelle immer eine Lebensversicherung vor, anschließend der Tote. Das hätte uns stutzig gemacht“(Dischereit 2001: 69)

Es ist gewiß kein Zufall, daß das Material einer arischen Deutschen wie Lilly Wust nicht der Staatsanwaltschaft sondern einem Regisseur vorgelegt wurde.

Dischereit berichtet auch von vielen weiteren Geschenken, „Frauenkleidern aus Foulardseide und feinem Leinen, Abendkleid aus Taft“…

Noch der Besuch von Felice im KZ Theresienstadt, von dem alle im Untergrund lebenden Juden und Jüdinnen der arischen Deutschen mit Mutterkreuz und der Manie, ihre (jüdische) Geliebte gerade vor ihren SS-Freunden auf Parties zu präsentieren, abgeraten hatten, wird nicht in seiner Todesgefahr heraufbeschwörenden Dimension erkannt. Elenai Predski-Kramer, die jüdische Überlebende und Freundin von Felice, stellt diese Fragen. Sie ist stark enttäuscht, getäuscht und traurig ob der Geschichtsphantasmen von Wust, die von Fischer als Wahrheit angenommen wurden. Noch 1999 als Esther Dischereit ihre Recherchen veröffentlichte und als erste die Hintergründe des skandalösen Films von Färberböck beleuchtete, hatte Dischereit Elenai P.s Namen nicht ausgeschrieben. Frau Predski-Kramer wollte nicht genannt werden. Die Verletzungsgefahr ist zu hoch in diesem Deutschland. Doch Jahre später, viele Auflagen und Preise für Aimée und Jaguar später, möchte Elenai Predski-Kramer nicht länger schweigen und tritt mit großem Mut an die Öffentlichkeit. Katharina Sperber hat auf sehr einfühlende, nachdenkliche, kritische, emphatische Art und Weise aus den Gesprächen mit Elenai Predski-Kramer einen sehr wichtigen Artikel verfasst (vgl. link).

Doch selbst dieser Artikel wird z. B. von einer Petra M. Springer nicht zur Kenntnis genommen. Auch sie schlägt mir ihrer Rezension Predski-Kramer ins Gesicht. Da Springers Artikel schon über ein Jahr alt ist und sie offenbar kein Bedürfnis sah, ihn zu ergänzen, zu revidieren gar, halte ich diese harsche Kritik für unabdingbar.

Viele Ungereimtheiten (die in den unten angehängten links zu Dischereit und Sperber sehr gut nach zu lesen sind) lassen Fragen über Fragen offen, schließlich Wut:

„Die feministischen Reflexionen über nazideutsche Täterinnen waren immer recht spärlich und spät gefallen. Und Aimée wirkt entlastend, so wurde letztlich nicht die Geschichte der Felice Schragenheim geschrieben, sondern die von Lilly Wust. Die Stilisierung zur Love-Story, wie die Geschichte im Titel eines Dokumentarfilms über Jaguar und Aimée genannt wurde, und zu einem – wenn möglich – neuen deutschen Kultfilm entspräche dem fortschreitenden Wir-Gefühl. Da haben die Täterinnen schon fast so viel gelitten wie die Opfer, und die Nicht-Opfer sind den Opfern emphatisch jedenfalls beinahe gleich. Alle handelnden Personen im Film haben verdeckte Namen, nur Jaguar nicht. Sie heißt Felice. Sie kann keinen Einspruch erheben. Es fehlt nicht mehr viel, bis Auschwitz als das kollektive Massada der Deutschen in eine geläuterte nationale Selbstdefinition eingeht. Opfer sind alle und Erinnerung gemeinsam: die Toten aber könnten beiseite bleiben. Die stören. Überlebende manchmal noch mehr. Ehre, Würde, Vermögen, Leben der Opfer waren schon gestohlen, bleibt noch deren Geschichte”(Esther Dischereit 1999).

Daß es zumal in der linken Szene der Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus immer um das Suchen der eigenen Widerständigkeit ging und geht hat bis auf den heutigen Tag verhindert, die Rolle der Linken bei der Mythifizierung des guten Volkes zu hinterfragen. Noch nicht einmal die Tatsache, daß Lilly Wust, die arische Deutsche, eine Nazi-Frau war, hat die Szene, mithin und insbesondere die FrauenLesben-Szene nachhaltig irritiert. Die (vermeintlich) lesbische Liebe hat alles übertüncht und die deutsche Narzisstin konnte ihren Coup landen. Im Film mit deutscher Besetzung (Maria Schrader, Juliane Köhler) und deutschem Regisseur (Max Färberböck) wurde das mit einem silbernen Bären auf der Berlinale 1999 ausgezeichnet. Bei einer Geschichte die so grotesk und infam an der Wahrheit vorbei schrammt, die Worte einer Überlebenden denen einer deutschen „Nazi-Mitläuferin“ nicht vorzieht sondern übergeht, bei solch einer Geschichte wird mir übel.

Wer sich also kritisch und nicht links-identitär mit dem Nationalsozialismus beschäftigen möchte, dem und der seien die beiden wichtigsten Texte einer Hinterfragung der Phantastereien Erica Fischers empfohlen: erstens Esther Dischereits Artikel in der FR, der komplett bereits in der Wochenzeitung aus der Schweiz vom 20. Mai 1999 abgedruckt worden war (http://www.hagalil.com/archiv/99/10/jaguar.htm) und zweitens der auf einem Gespräch mit der Freundin von Felice Schragenheim basierende und im Gegensatz zu Erica Fischer die Stimme von Elenai Predski-Kramer sehr ernst nehmende Artikel von Katharina Sperber aus der FR vom 07. Januar 2003:

„Eine andere Version: Schmerzhafte Erinnerungen einer Überlebenden

Von Katharina Sperber

Elenai Predski-Kramer, mit der im KZ ermordeten Felice Schragenheim befreundet, erzählt eine andere Version von „Aimee und Jaguar“

Wie vor den Kopf geschlagen fühlte sich Elenai Predski-Kramer, als sie vor acht Jahren die Auslage einer Buchhandlung betrachtete. Zwischen all den Titeln, die da ausgestellt waren, entdeckte sie einen Buchdeckel mit einem großen Schwarz-Weiß-Foto. Darauf zwei Frauen im Badeanzug am Havelstrand. Beide Frauen kannte sie. Die eine ist die Jüdin Felice Schragenheim, die andere Lilly Wust, eine mit dem Mutterkreuz dekorierte Nazi-Mitläuferin“ (http://www.berlin-judentum.de/frauen/predski.htm).

Auf geradezu obszöne Weise geriert sich Erica Fischer (Ende Januar 2003) zum Opfer; auf alle Argumente, die Dischereit oder Predski-Kramer und andere KritikerInnen ihrer Geschichtsklitterung bringen, reagiert sie gar nicht, schweigt sie einfach, wie in einem hagalil-forum (des größten deutschsprachigen, jüdischen Magazins im Netz) und möchte einfach nur ihren „Erfolg“, der „gut tut“, genießen:

„Veröffentlicht am Montag, 27. Januar 2003 – 15:21 Uhr:

Betrifft: Felice Schragenheim („Jaguar“)
Beitrag 117

Sie irren entschieden, Frau Inge: An Haut und Zähnen haben die Deutschen entschieden mehr verdient. Ich finde Ihren Vergleich widerwärtig. Die Lebensgeschichte von Felice Schragenheim ist ebensowenig gefälscht wie die vielen anderen Biographien, die ohne die Möglichkeit des direkten Befragens der Betroffenen geschrieben wurden und werden. Sie ist nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Unbeweisbare Spekulationen habe ich allerdings nicht aufgegriffen. Ich weiß nicht, wer Sie sind und womit Sie sich das Leben verdienen, ich weiß nur, dass ich mit meinen Büchern gute Arbeit leiste, die von Menschen, die ebenso seriös sind wie ich selbst, als das geschätzt werden, was ich mit ihnen beabsichtige: Aufklärung.

Nur eines darf eine Frau und Jüdin in den Augen Ihresgleichen wohl nicht haben: Erfolg. Neid und Missgunst sind ihr dann gewiss. Gerade Frauen und Jüdinnen sind da besonders gnadenlos. Ich wünsche Ihnen ein wenig Erfolg. Es tut einfach gut.

Erica Fischer Berlin“

Die folgende Irritation blieb ohne Antwort der angesprochenen Erica Fischer, und diese Antwort bleibt sie notgedrungen schuldig, sie müßte der Überlebenden Jüdin Elenai Predski-Kramer noch einmal, wie schon im erwähnten Bildband, der ja ihr Buch Aimeé und Jaguar nur noch potenziert in seiner Aussage: eine tragische, lesbische „Liebe im Dritten Reich“ (so die Überschrift auf www.neuewelt.at), zum wiederholten Mal die Kompetenz absprechen über Verhältnisse und Situationen zu urteilen, die Predski-Kramer selbst erlebt hat im Berlin 1942/43 und sich als Nachgeborene Erica Fischer über die realen Erfahrungen einer Überlebenden stellen:

„Veröffentlicht am Montag, 27. Januar 2003 – 21:47 Uhr:

Hallo Erica,

als ich hörte, daß Du Dich im haGalil-Forum geäußert hast, habe ich mich erst einmal gefreut, als ich Deinen Beitrag gelesen habe – allerdings weniger.

Ich finde es schwach, die Kritik an Deinem Vorgehen auf die Ebene zu reduzieren:

„Da gönnt mir eine meinen Erfolg nicht“.

Ich finde es sogar weit unter der Gürtellinie.

Ich kann durchaus verstehen, wie es zur ersten Auflage von Aimee und Jaguar kam und daß Du seinerzeit einige Zusammenhänge noch nicht so klar hattest.

Ich verstehe allerdings nicht, daß Du in den folgenden Ausgaben und fremdsprachigen Übersetzungen so weitgehend bei Deiner vorherigen Darstellung geblieben bist. Was sagst Du denn zur Kritik von Elenai Predski-Kramer?

Als Esther Dischereit den Artikel „Zwischen Abhängigkeit, Prostitution und Widerstand“ (http://www.hagalil.com/archiv/99/10/jaguar.htm) veröffentlicht hatte, hatten wir beide ein Gespräch. Du warst ganz verwundert und meintest:

„Das habe ich doch auch schon geschrieben“.

Wenn es denn so gewesen wäre, wären die beiden Artikel von Esther Dischereit und Frau Sperber überflüssig.

Noch zum Stichwort „Erfolg“ ein Gedanke:

Kann es sein, daß Du Dich vom Erfolg verführen hast lassen?

Viele Grüße

Iris,

die sich fragt, warum Du sie permanent ignorierst, seit der Esther Dischereit Artikel bei haGalil steht.“ (http://forum.hagalil.com/board-a/messages/3320/11923.html?1044348347)

Fischers Geschichten hingegen bekamen gleich mehrere Verleger und viele Auflagen, weltweit, das betont sie auch: Sie stellt voller Genugtuung dar, wieviele Auflagen sie erreicht hat

„Aimée & Jaguar, Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1994, 1996; dtv (Neubearbeitung), München 1998; rororo (Neubearbeitung), Reinbek 2001 (übersetzt in 13 Sprachen)“
http://www.erica-fischer.de/werkverzeichnis.html

plus dem von Petra M. Springer gepriesenen Bildband vom November 2002. Springer ist für mich ein typischer Fall von links-identitärem Gerede, das sich um kritische Darstellung nicht zu kümmern scheint.

Denn – und das mag für das Motiv, sich damit überhaupt zu befassen wegweisend sein oder wieso läuft der Film Aimèe und Jaguar nicht nur immer und immer wieder im TV sondern wird auch noch auf allen möglichen AstA-Etagen bundesdeutscher Universitäten, wie der von Bremen, von jedem x-beliebigen FrauenLesben Referat für jede neue Studentinnen-Generation gezeigt ?? – das eigene Stilisieren zu einer Opfergruppe ist für die Linke in der BRD bzw. Österreich konstitutiv.

Auch die unwissendsten Interessierten haben zumindest ein Buch in ihrem kleinen Bücherregal: Erica Fischers Aimée und Jaguar. Eine allzu deutsche Geschichte, die gefällt. Der Plot hat den Fokus der arischen Frau als Ausgangspunkt. Das ist basal für Film und Buch. Im Film wird das auf eklige Weise schon zu Beginn deutlich, als in der Szene mit dem „lesbischen Blick“der Fokus von Wust die Grundlage und den ganzen Film bestimmt, somit keine Brüche, Zweifel oder Schuld aufkommen lassen. Es geht nicht um Kritik. Es geht um Identität. Und dabei geht es mir gar nicht darum und kann es auch gar nicht darum gehen die Vereinnahmung von Felice einerseits von Lesben andererseits von Jüdinnen für ihre jeweiligen Identitätspolitiken in einem Dritten – einem vermeintlichen Ort der Nicht-Identität – aufgehen zu lassen: hiermit kritisiere ich den Artikel „Of Death, Kitsch, and Melancholia – Aimée und Jaguar: ‚Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943‘ or ‚Eine Liebe größer als der Tod‚? von Anna M. Parkinson (2001), in: Helmut Schmitz (ed.): German Culture and the Uncomfortable Past, Aldershot u.a. (Ashgate), S. 143-163.

Solche ‚Dialektik‘ ist an genau diesem historischen Ort schal und schief. Parkinson argumentiert in Anlehnung an Judith Butlers Konzept von gendered Melancholie. Demnach habe Lilly nach der Deportation und Ermordung von Felice sich selbst zur Jüdin gemacht und das verlorene Objekt der Begierde verinnerlicht, eine melancholische Introversion, die Parkinson mit Freud untermauert wissen möchte.

Daß aber Lilly Wust aufgrund ihrer möglichen direkten Verantwortung für die Deportation von Felice selbst Anteil hätte – denn wie kam denn die Gestapo an eines der wenigen Fotos von Felice, die außer Lilly nur andere Jüdinnen in Besitz hatten ?? Und wieso ließ Lilly sich einen Erbschein unterschreiben ? Und wieso schließlich hat sie Felice, so denn dies stimmt, im KZ besucht, obwohl alle Jüdinnen ihr abgeraten hatten von diesem narzistisch evozierten Besuch, der sich nur die Liebe bestätigt sehen wissen wollte (im KZ!!) und evtl. selbst große Mitschuld an der baldigen Ermordung von Felice Schragenheim trägt ??? – das verschweigt Parkinson im beredten Abstrahieren von diesen realen Fragen und Fakten.

Sind das nicht alles Anhaltspunkte einer radikalen Hinterfragung der Phantasmen einer Lilly Wust ? Es sind die Fragen der jüdischen Freundin von Felice, die Fragen Elenai Predski-Kramers. Parkinsons kulturtheoretische Analyse ist somit geradezu grotesk: ohne die Frage nach all diesen Schuldanteilen auch nur zu stellen imaginiert Parkinson sich eine kultur- und gender-studies-theoretische Analyse, die in typischem Stil gegenwärtiger Sozial- und Kulturwissenschaft Täter und Opfer in einem sehen möchte. Alles im Fluß. Daß eine solche Analyse eine Derealisierung darstellt, ist offenbar. Wenn sich die arische Deutsche Wust beim Einmarsch der Roten Armee Anfang 1945 in Berlin den gelben Stern gleichsam stolz ans Revers heftet ist das doch nicht „ironically“ (Parkinson 2001: 147), weil Felice ihn nie trug !

Parkinson läßt letztlich die Geschichten von Wust/Fischer stehen und zeigt eine Empathie gleichsam eskamotierende Ferne zu der realen Überlebenden Elenai Predski-Kramer. Ich würde es ‚kulturtheoretische Derealisierung‘ nennen. Im Rekurs auf Freud kann Parkinson zwar interessante Elemente von Melancholie, Identitätsverweigerung oder –wandel konstatieren aber nicht die konkrete Historie erhellen. Denn Täter und Opfer, die konkrete Leidensgeschichte der Jüdin werden nicht aus deren Sicht oder der ihrer noch lebenden Freundin Elenai Predski-Kramer erzählt und festgehalten sondern aus der die jüdische Perspektive derealisierenden Sicht der arischen Deutschen. Wie kommt es denn zu der unglaublichen nick-name-Bildung von „Jaguar“?

Gerade die existenziell bedrohte, vom Verhalten ihrer deutschen Umwelt abhängige Jüdin wird als Jägerin tituliert, die sich eine arische Deutsche Geliebte sucht. Wäre die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt, wäre es nie zu so einer grotesken, infamen, derealisierenden Begrifflichkeit gekommen. Doch mit so einem Titel reüssieren Buch und Film. Es wird geradezu kokettiert mit der – um Parkinsons merkwürdige Verdrehung von ‚ironisch‘ aufzugreifen – ‚ironischen‘ Verkehrung von Opfer und Täter, Jägerin und Geliebter hantiert. Doch es ist natürlich keine Ironie sondern der arisch-deutsche Fokus, der hier dominiert.

Es ist schließlich im Kontext der politischen Kultur der BRD eben kein Zufall, daß genau so ein Plot, so ein Fokus reüssiert. Erinnerungsabwehr wird so in Sinne identitärer Politik fortgeführt. Die Abstraktion von der deutschen Volksgemeinschaft auch nach 1945 im Fokussieren der lesbischen Liebe läßt das von Dischereit so treffend bezeichnete „Massada der Deutschen“ Wirklichkeit werden. Zu suggerieren, weder die eine noch die andere ‚Seite‘ habe Recht wie es Parkinson tut, mag zwar der Diskursanalyse, den gender-studies mithin schmeicheln, schlägt sich jedoch subkutan zumindest auf die Seite der Siegerin, der egomanischen Nazi-Frau Lilly Wust. Es geht um deren Identität. Deutsche Identität mit Feder und Kamera im Gleichschritt.

„Das Leben der in Auschwitz getöteten Jüdin Felice Schragenheim scheint durch die Akteurin „Aimée“, real Lilly Wust, hindurch und über diese vermittelt. „Jaguar“– im Kosenamen eine grotesk absurde Verkehrung darüber, wer hier Jäger und wer hier Gejagte ist. Das ist eine Übernahme aus dem gleichnamigen Buch, in dem die Geschichte bereits so angelegt ist, daß wir letztlich erfahren, wie sehr die Nicht-Jüdin, Kosename „Aimée“, leidet. Durch den Filter ihrer Person erfahren wir von der Verfolgungsgeschichte der Jüdin, die die Deutsche „Aimée“wie in einem Mysterienspiel auf sich nimmt und posthum zu ihrem Leiden macht. In Talk-Sendungen in Deutschland verstieg sich die authentische, nun schon betagte „Aimée“, Lilly Wust, zu der Bemerkung, die Tote erscheine ihr gegen Abend. Statt Hitler-Bild ist nun ein siebenarmiger Leuchter in Betrieb. Und – mit dem jüngst zur Welt gekommenen Baby der Maria Schrader sei nun wieder eine wunderbare Felice auf der Welt“(Dischereit 2001: 63f).

hagalil.com 25-04-2004

 

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