Von Dr. phil. Clemens Heni, 16. April 2021

Ich habe mich bekanntlich 2018 in meinem Buch „Der Komplex Antisemitismus“ unter anderem intensiv mit dem katholischen Bund Neudeutschland befasst. Unten poste ich das Kapitel zu Hans Filbinger, da es viel zeigt über die politische (Un)Kultur in Baden-Württemberg auch und gerade nach 1945.

Was jedoch selbst ein Nazi wie Filbinger nicht schaffte, das schafft Winfried Kretschmann von den Grünen: Er sperrt das ganze Ländle einfach ein. Kein Mensch, der nicht gerade einen Hund hat, darf nachts zwischen 21 Uhr und 5 Uhr das Haus verlassen. Krieg gegen ein Virus, wie ihn der große französische Denker Macron ausgerufen hat.

Wir wissen, empirisch gesichert, dass Corona für Menschen unter 60 so gut wie keine Gefahr darstellt. Die Infektionssterblichkeit liegt weltweit bei 0,15 Prozent, so Prof. John Ioannidis, an dem sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiert.

In vielen Landkreisen, wie in Heilbronn, starb nicht ein Mensch unter 35 Jahren. Das macht jede Schulschließung, jede Schließung einer Universität zu einem totalitären Willkürakt, von dem ein Filbinger nicht mal träumen konnte. Aktuell gehen die Hospitalisierungen wegen oder nur mit Covid-19 bundesweit massiv zurück, was am Frühjahr liegt. Zudem sind schon über 20 Millionen Menschen geimpft, egal wie sinnlos oder sinnvoll oder doch eher menschenversuchsmäßig („Notzulassung“ der Impfstoffe) diese Impfstoffe sind. Nach der Logik der Panikindustrie verhindert die Impfung gerade bei alten Menschen, dass die an dieser Viruserkrankung Covid-19 sterben könnten. Da fast alle Toten über 70 und die meisten über 80 Jahre alt waren, kann kaum noch jemand an Corona sterben.

Da es aktuell so gut wie keine Obduktionen gibt, wissen wir auch nicht, ob die offiziellen 200 oder 300 Toten am Tag tatsächlich an Covid-19 starben oder ob da nur ein perfider positiver Test vorlag, die Todesursache aber komplizierter war. Aber das ist trotzdem zweitrangig, da ja selbst im Jahr 2020 mit den ca. 40.000 Corona-Toten so gut wie keine Übersterblichkeit bestand, sprich: Es starben jene Menschen, die ohnehin gestorben wären. Das ist in jedem einzelnen Fall traurig, aber auch kein bisschen trauriger als jene Millionen Toten, die aufgrund der Lockdownpolitik des Westens in Sri Lanka oder Indien sterben. Doch die Toten im Globalen Süden wurden erst produziert durch die Politik, sie wären sonst eben gerade nicht gestorben – im Gegensatz zu den alten und kranken Menschen, die im Westen starben, die wären auch sonst an etwas anderem gestorben, sonst hätte es ja eine extreme Übersterblichkeit gegeben.

Es wurde zu keinem Zeitpunkt von der Politik die evidenzbasierte Medizin auch nur angehört. Da herrscht ein Fanatismus vor, der Filbinger gerührt hätte. Eine Kompromisslosigkeit, wie wir sie von Ex-K-Gruppen-Leuten wie Kretschmann kennen.

Im März 2021 wütete das Virus so wahnwitzig extrem, dass wir eine Untersterblichkeit von 11 Prozent hatten im Vergleich zu den letzten Jahren. Im Freien ist laut der Forschung eine Ansteckung so gut wie ausgeschlossen. Masken wiederum helfen überhaupt nichts – sonst hätte es ja trotz Maskenwahn nicht 70.000 Tote „an“ oder nur „mit“ Corona bislang gegeben.

Wäre Corona eine Seuche, wären allein im März und April 2020, wo es keine Maskenpflicht gab und bis Mitte März keine Beschränkungen, Hunderttausende, ja Millionen elendig verreckt. Doch es starb so gut wie niemand.

Die Folgen der Lockdowns sind katastrophal. Arbeitslosigkeit führt zu früherem Tod. Todespanik, gewollte Panik, die von Horst Seehofer (CSU) im März 2020 bestellt wurde von sog. „Wissenschaftlern“, hat das Immunsystem von Millionen Menschen geschwächt und die Demokratie in ihren Grundfesten erschüttert. Das Schweigen des Bundesverfassungsgerichts macht die Katastrophe perfekt.

Jetzt will Merkel ein totalitäres, die Gewaltenteilung de facto beendendes Gesetz erlassen, einen Zusatz zum Infektionsschutzgesetz. Aufgaben der Exekutive werden von der Legislative bestimmt – die wahnwitzige und irrationale, von keinem seriösen Wissenschaftler unterstützte Anwendung der „7-Tages-Inzidenz“ von 100 pro 100.000 Einwohner soll es ermöglichen, das ganze Land einzusperren. Dann darf sich nur noch ein Hausstand mit einer weiteren Person treffen.

Maßnahmen, von denen der Nazi Hans Filbinger nicht mal träumen konnte.

Während jedoch bundesweit die Kritik täglich schärfer wird, sogar im Bundeskanzleramt scheint es denkende und kritische, minimal kritische, Menschen zu geben, Jurist*innen in diesem Fall, so hat das alles für Baden-Württemberg überhaupt keine Relevanz. Das Ländle ist bereits so totalitär, wie der Bund jetzt erst werden soll. Das Einsperren ab einer Inzidenz von 100 von 21 Uhr bis 5 Uhr ist bereits Usus im Schwabenland und ab kommenden Montag wird das alles noch verschärft und die totalitäre Landesregierung verbietet es dann auch tagsüber, dass sich ein Haushalt mit mehr als einer weiteren Person trifft.

Wie kaum jemand hat die Infektionsepidemiologin und Medizinerin Professorin Ines Kappstein jüngst in einem Gutachten für das Amtsgericht Weimar deutlich gemacht, dass die internationale Forschungslage es nicht hergibt, dass Masken etwas bringen würden. Masken produzieren Panik und Masken machen Kinder und Erwachsene eher erst wirklich anfällig für Krankheitserreger, weil kaum ein Mensch, der nicht im OP-Saal arbeitet als Arzt oder Krankenschwester, solche Masken richtig verwendet – und zweitens, weil Masken gar nicht vor der Infektion mit einem für fast alle Menschen harmlosen Erreger wie SARS-CoV-2 schützen. Doch Erkenntnisse der Wissenschaft ignoriert Winfried Kretschmann.

Dass der entscheidende Parameter die Zahl der Patienten in Krankenhäusern ist und diese Zahl war und ist zu keinem Zeitpunkt eine auch nur annähernd katastrophale Situation gewesen, das zählt nicht. Es geht um eine Volksgemeinschaft der Hygienefanatiker und der Freiheitsfeinde.

Und da jubelt doch der Hans Filbinger und winkt von oben herab: Heil Gesundheit, Heil Hygiene! Natürlich ist Kretschmann kein Nazi. Kretschmann ist ein Grüner und ein Mensch, der nur alles Gute möchte für seine Untertanen – gerade auch nachts von 21 Uhr bis 5 Uhr. Er würde auch niemals von „Schädlingen am Volksganzen“ reden (wie Filbinger), wenn es um Demonstrationen gegen seine irrationale, nicht evidenzbasierte Coronapolitik geht. Er diffamiert nur Demonstrant*innen und freut sich über Demonstrationsverbote und über das willkürliche Festlegen von Ausgangssperren, was Filbinger Tränen der Rührung in die Augen getrieben hätte.

 

Hier das Kapitel von 2018:

 

3.1) Neudeutscher juristischer Nationalsozialismus: Hans Filbinger

Filbinger berichtet einem Bundesbruder von einem Treffen der Neu­deut­sch­en im Jahr 1933:

Aus einem ‚Jüngerenkreis‘ (…) Du fragst nach dem tatsächlich Stattgehabten in unserm Kreis? Zuviel darfst Du da nicht erwarten: Was wir getan haben, war ein An­fangen, wesentliche Menschen zu werden. Darum suchten wir Beziehung zu finden zu Ganzheitswerten wie Kunst, Gemeinschaft, Natur, Religion. Alles war be­scheidenes Beginnen.[1]

„Es ist schon sehr spät, da zieht die gleiche Gruppe – manche stecken schon im Schlafanzug mit Mantel drüber – auf den Schloßberg. Unterwegs wirds immer stiller, keiner spricht mehr. Es ist eine sternenhelle Nacht. Unten in Freiburg brennen nur noch wenige Lichter, der Münsterturm steht wie ein ragender Schatten. Wirklich andächtig singen wir vom Gipfel aus unsere schönsten Lieder. – Romantik und Ausgelassenheit, – auch das ist zuweilen notwendig und schön. Zum Abschluß unseres Einführungskreises sitzen wir im Hof unseres Heims in der Laube. Alles klingt noch einmal zusammen, was der Kreis gewollt hatte in seiner Mittlerrolle zu Gruppe und Bund und echtem Men­sch­sein. Mannheim/Freiburg i. B. Dein Hanns Filbinger.“[2]

Filbinger auf dem Weg zu „echtem Menschsein“ auf dem Freiburger Schloss­­berg. Ein Blick in eine Rede von Filbinger aus dem Jahr 1998[3] erhellt wie er diesen Nationalsozialismus erinnert. Er setzt ein:

Historisch gesichert ist heute die Tatsache, daß die etwa 13 Millionen Men­schen, die für Hitler im Jahre 1933 stimmten, keineswegs wußten oder auch nur wün­sch­ten, was sie wählten. Ihr beherrschender Gedanke war, aus der extremen wirt­schaft­lichen Notlage mit über 6 Millionen Arbeitslosen her­aus­zu­kommen.[4]

Damit wird der ‚nationale Aufbruch‘ von 1933 entschuldigend verstanden. Doch hatte die SA, diese Mörderbande vor und nach 1933, nicht klar ge­macht, um was es ging, nämlich eine antimarxistische, antijüdische, deut­sch-nat­io­nale Revolution in Deut­sch­land, antiparlamentarisch und anti­demo­­krat­isch, kriegsverherrlichend, brutal und männer­bün­d­isch? Wenig spät­er in diesem im rechts­konservativen Studienzentrum Weik­ers­heim ge­halt­en­en Vortrag Filbingers heißt es dann:

Die Deutschen waren kein Volk von Nazis.[5]

Die Deutschen also vielmehr ein Opfer? Und weiter geht es: „Die deutsche Katastrophe hat die religiöse Grundlage unseres Volkes nicht zerstört.“ Na super, möchte man jubeln: Wir – „Wir“ – Deutschen habe noch eine Grund­lage, christlich-religiös, die nimmt uns keiner. Trotz Au­sch­witz oder vielleicht auch wegen? Wie auch immer, christlich-abendländisch, das sei prima. Die Analyse der Situation unmittelbar nach 1945 wird weiter unter an Hand zweier sehr denkwürdiger Texte aus dem Umfeld Filbingers untersucht. Schon jetzt fällt unschwer auf, dass der Ausdruck „deutsche Kata­strophe“ auf den Historiker Friedrich Meinecke anspielt (nach dem das geschichswissenschaftliche Institut der Freien Universität Berlin benannt ist), der ein Buch mit diesem Titel – Die deutsche Katastrophe – 1947 in einer dritten Auflage unter seine deutsche Volksgemeinschaft gebracht hatte. Darin heißt es:

Und die große in der Luft liegende Idee, die Verschmelzung der nationalen und der sozialistischen Bewegung, fand an ihm [Hitler, CH] ohne Frage den brünst­ig­sten und den entschlossensten Exekutor. Dieser sein Anteil an einer großen ob­jek­tiv­en Idee seiner Zeit muß rundweg anerkannt werd­en.[6]

In dieser Tradition steht auch Filbinger, religiöser gefärbt womöglich, aber ebenso deutsch-national. Filbinger war im bündischen Neudeutschland aktiv, der nicht ganz auf HJ-Linie lag, aber dessen Anspruch so deutsch war wie der anderer Bewegungen auch:

Unser Bund hat bei seiner Gründung, als widerchristliche und volksfremde Kräfte das Vat­erland bedrohten, in herrlicher Begeisterung sich den Namen ‚Neu­deut­schland‘ gewählt.

Auf diese Passage weist Filbinger extra hin auf seiner Homepage.[7] Mag es der Hass auf Marxismus, Säkularismus, Atheismus oder Sozialdemokratie sowie Juden und Ostjuden oder auch areligiöse Liberale sowie Komm­un­is­mus sein, der als Kampf gegen „volksfremde“ oder „widerchristliche“ Kräfte in den deutsch-national-sozial-christlichen Herzen zu glühen beginnt, es ist die Aus­gangs­basis von Hans Filbinger: gegen „volksfremde“ Kräfte in Deutschland, 1919, 1933, 1945, 1978, 1998 bis 2007. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, sagte in Freiburg in seiner Trauerrede für Filbinger am 11. April 2007:

Wenn Baden-Württemberg in der Bildung heute bundesweit vorne liegt und wenn unser Land in den 70-er Jahren dem marxistischen Zeitgeist wid­er­standen hat, dann verdanken wir dies vor allem Hans Filbinger.[8]

Das ist in seinem agitatorischen Impetus, der alles andere als nüchtern ist, beachtlich für das angeblich ‚nach-ideologische Zeitalter‘. Doch wie hielt es Filbinger mit dem Marxismus im Allgemeinen und jüdischen Intellektuellen im Besonderen?

Kein Wunder, daß die Menschheit von den totalitären Ideologien beider Spielarten geheilt ist. In den 5Oer Jahren war die Ablehnung des Komm­u­nis­mus ebenso wie des Faschismus-Nationalsozialismus unbestritten. Doch er­staun­lich­er­weise blieb es dabei nicht. In den 60er Jahren erfahren wir eine ‚Neuaufladung ideo­lo­gischer Energien und ideeller Verführungen‘, verwandt den Ausbrüchen und Irrungen der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts. Die marx­istischen Theorien er­lebten eine Re­naissance, insbesondere bei der stud­ent­ischen Jugend. Die so­ge­nan­nte Kul­tur­re­vo­lut­ion wurde durch Vorgänge in den USA und in Frankreich in­spi­r­iert. Während sie jedoch dort relativ bald verebbte, machten es die Deut­schen gründlicher. Die Uni­ver­sitäten wurden mit wenigen Ausnahmen Schauplätze rev­olutionärer Umtriebe. Maßgebliche An­triebskraft war die ‚kritische Theorie‘ der Frankfurter Schule unter den Sozial­philosophen Marcuse, Adorno, Horck­heimer [sic!] und Habermas. Die Stich­­worte ‚Eman­zip­at­ion‘, ‚Demo­krat­isier­ung‘, ‚Sel­bst­­verwirklichung‘, ‚Ver­weig­er­ung‘, ‚antiautoritäre Erziehung‘ u.a. verwirrten die Köpfe der Studenten und führ­t­en zu den bekannten Exzessen. Lehre und Forschung an vielen un­s­er­er hohen Schul­en wurden stark beeinträchtigt. Damit einher ging jene ‚Befreiung zur Sex­u­a­li­tät‘, deren Auswirkungen wir heute in der Lawine von Por­nographie und Per­ver­sion erleben müssen.[9]

Juden wie Adorno seien also für neue „totalitäre Ideologien“, „Pornographie und Perversion“ verantwortlich, „Horckheimer“ [sic] habe die Forschung „be­ein­trächt­­igt“ und zu „Exzessen“ angeheizt. Dieser Antisemitismus und diese Angst vor Glück, Sexualität[10] und Emanzipation, ja dieses Ressentiment gegen autonome Lebensweisen, die nicht religiös, hierarchisch und herr­schaftlich sind, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne, sind typische Ideologeme der Katho­lik­en des Bundes Neudeutschland der 1930er Jahre. Die Ideologie Filbingers aus dem Jahr 1998 lässt einen Blick in sein Wirken im Natio­nal­soz­ia­lismus sinnvoll erscheinen.

1935 schreibt Hans Filbinger als junger, sehr en­gagierter Mann für seinen Bund Neudeutschland einen pro­gram­matischen Ar­tikel: Natio­nal­soz­ialistisches Strafrecht. Kritische Wür­dig­ung des geltenden Straf­­ge­setz­buch­es und Ausblick auf die kommende Straf­rechtsreform.

Schon seit Jahrzehnten ist eine lebhafte Problematik um unser geltendes Straf­ge­setz­buch entstanden. Das Gesetzbuch trat im Jahre 1871 in Kraft und ist durch die Entwicklung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens längst überholt. Das Bedürfnis nach einem Strafrechtsneubau wurde immer dring­en­der, die Re­form­lit­er­atur schwoll mehr und mehr an und schließlich wurde im Jahre 1925 dem Reichs­­rat ein Entwurf vorgelegt. Aber es kam nicht zum Ge­setz und das war gut so. Denn dem Entwurf fehlte, genau so wie dem Reichs­strafgesetzbuch, die einheitliche welt­anschauliche Grundlage. Es muss­te For­der­ungen der verschiedensten Welt­an­schau­ungsgruppen be­rück­sicht­igen und dies geschah auf Kosten der Klarlinigkeit und Geschlossenheit. Erst der Natio­nal­sozialismus schuf die geistigen Vor­aus­setz­ung­en für einen wirk­samen Neu­bau des deutschen Rechts und in der Tat sind die Arbeiten schon so weit vor­geschritten, dass das deutsche Volk in Bälde sein neues Strafgesetzbuch er­halten wird.[11]

Filbinger macht sich als angehender Jurist dezidiert für die Schaffung eines natio­nalsozialistischen Strafrechts stark. Die Heterogenität einer Demo­­kratie sei für ein neues Strafgesetzbuch schädlich gewesen, weswegen er auch aus juristischer Per­­spektive die Weimarer Republik ablehnt:

Das geltende StGB, das von liberalem Geiste geschaffen wurde, stellte in den Mitt­el­punkt seiner Schutzbestimmungen das Individuum. Die Existenz des freien Ein­zel­nen, dessen größtmögliche Freiheit von staatlichen Eingriffen und seine ge­sich­erte wirtschaftliche Betätigung war das Ziel des alten StGB.

Das nationalsozialistische Strafrecht.

Für das nationalsozialistische Strafrecht dagegen wird der Schutz der Volks­ge­mein­­schaft an erster Stelle stehen. Der Einzelne wird nicht mehr als Einzelner, sondern als Glied der Gesamtheit gesehen und erhält als solches nur seinen straf­rechtlichen Schutz.“[12]

Dieser Antiindividualismus ist Kernbestandteil des Nationalsozialismus. Nur das Volk, die Volksgemeinschaft und der Staat zählen, subjektive Wünsche, Interessen, Hoffnungen und Sehnsüchte werden zugunsten einer homogenen Gemeinschaft abgewehrt und bekämpft. Der Staat und die Volks­ge­meinschaft sind oberstes Ziel jeden Handelns. Das möchte Filbinger juristisch festlegen lassen.

Diese Denkweise war dem Liberalen unbekannt. (…) Das Verbrechen gegen den Staat ist darum kein Schlag gegen eine bürokratische Institution, sondern Angriff gegen den Bestand der Volksgemeinschaft, also schwerstes Ver­brech­en, das die Rechts­ordnung überhaupt kennt. ‚Die erstarkte Staatsgewalt sieht in der Wach­sam­keit gegenüber Angriffen auf ihren inneren und äußeren Bestand und in der Bereitstellung einer wirksamen Abwehr ihre erste Auf­gabe.‘ Daher wurden die Hoch- und Landesverratsbestimmungen noch vor Er­scheinen des Re­form­ge­setz­buch­es durch Novellengesetze neugefasst. Sie ent­halten geg­en­üb­er früher be­deut­en­de Verschärfungen, vor allem durch die Androhung der Todesstrafe und die Schaff­­ung neuer Tatbestände.[13]

Schwerstes Verbrechen sei ein Verbrechen gegen den Staat, welches in Zu­kunft mit der Todesstrafe geahndet werden müsse. Es wird ein anti­anar­chistischer Staatsfetischismus erkennbar, der deutsch zu sein scheint und sich gegen jedes liberale Recht setzt. Logisch verbunden ist damit die anti­semit­ische wie eugenische ‚Volksgesundheit‘ und ‚Rasse­rein­heit‘, welche die von Filbinger pro­pa­gier­te Volksgemeinschaft hervorbringen soll:

„Schutz der Blutsgemeinschaft.

Die Bestimmungen über Hoch- und Landesverrat schützen den Staat als recht­lich or­ganisierte Volksgemeinschaft. Darüber hinaus muß diese aber auch in ihrem nat­ür­lichen Bestande und ihrem religiösen und sittlichen An­schau­ungsleben ge­sich­ert werden. Die Volksgemeinschaft ist nach natio­nal­soz­ia­list­ischer Auf­fass­ung in erster Linie Blutsgemeinschaft (d.h. das Blutselement gilt als fundierender als das ge­schicht­liche, völkische oder sprachlich-kulturelle Element). Diese Bluts­ge­mein­schaft muß rein erhalten und die rassisch wert­vollen Bestandteile des deutschen Volkes planvoll vorwärtsentwickelt werden. Die Denkschrift des preuß­ischen Ju­stiz­min­ist­ers fordert daher Schutz­be­stimm­ungen für die Rasse, für Volksbestand und Volksgesundheit, darüber hinaus aber auch für die geistigeren Ele­mente des Volksseins: für Religion und Sitte, schließlich für Volksehre und Volks­frieden. Im Zusammenhang damit erhält auch die Familie im Hinblick auf ihre Be­deut­ung für die Volks­ge­mein­schaft einen umfassenden strafrechtlichen Schutz. Höhn­ische Her­absetzung der Ehe in Wort, Bild oder Schrift läuft dem Sitt­lich­keits­em­pfinden des Volkes ebenso zuwider, wie willkürliche Eingriffe in die Zeug­ungs­kraft oder das keim­ende Leben und wird daher unter Strafe gestellt werden.[14]

Es ist bemerkenswert, dass Filbinger auch eine Art nationalen Sozialismus an­strebt, der juristisch den „liberalen Eigentumsbegriff“ überwinden möchte:

Der liberale Eigentumsbegriff, der eine unumschränkte Ver­wend­ungs­frei­heit zum Inhalt hat, wird eine starke Einschränkung erfahren.[15]

Der Biologismus und Rassismus kehrt wieder, indem die gesellschaftliche Be­dingt­heit von Devianz geleugnet wird und Ab­weich­ler von der Norm als „Schädlinge am Volksganzen“, als zu eli­mi­nier­ende Feinde stilisiert werd­en:

Schädlinge am Volksganzen jedoch, deren offenkundiger verbrecherischer Hang immer wieder strafbare Handlungen hervorrufen wird, werden un­schäd­lich ge­macht werden. Das bisher geltende Strafrecht hat gegenüber solchen Schädlingen off­enkundig versagt. Man vertiefte sich in das Seel­en­leben des Verbrechers, fand dieses durch Erbanlagen, Erziehung und Umwelt ungünstig beeinflusst und war mehr auf Besserung des – meist un­ver­bess­er­lichen – Täters, als auf eine ein­drucks­volle und scharfe Strafe sowie wirk­samen Schutz der Gesamtheit bedacht.[16]

Schließlich wird ein wiederum spezifisch deutscher Aspekt her­vor­ge­hob­en: die Verschränkung von Volk und Mensch. Ein Richter kann nach genuin nationalsozialistischer Auffassung nur aus dem eigenen Volk kommen, er muss gleichsam organisch ge- und verwachsen sein mit Heimat und ‚Volks­tum‘. Gesetze gelten somit nicht universell, sowenig wie irgendein Richter Recht sprechen dürfe im NS-Deutschland, nein: nur ein ‚echter‘ Deutscher könne ‚deutsches Recht‘ sprechen:

Über all dem Einzelnen der Strafrechtsreform darf aber nicht vergessen werden, dass ein Gesetz nur dann Eingang beim Volke findet, wenn es durch lebendige Richt­erpersönlichkeiten gesprochen und verkörpert wird. Das Richt­erideal der ‚Auf­klärungszeit vom ‚Subsumptionsautomat, der bei Einwurf der Sachlage das Urteil abgibt, oder dem Manne, der nur Mund des Gesetzes ist‘ [Zitat von Heinrich Henkel: Strafrichter u. Gesetz im neuen Staat, S. 18, CH] – besteht für uns nicht mehr. Das neue Recht verlangt den neuen Juristen, der aus Kenntnis und Ver­bund­enheit mit dem Volke des Volkes Recht spricht. Mannheim. Hanns Filbinger.[17]

Hans Filbinger war wenige Jahre später dieser neue Jurist. Er kämpfte für ein ‚rassereines‘ Deutschland, autoritär, völkisch und unerbittlich. Sein ethno­plura­list­isches bzw. ‚rassebasiertes‘ Verständnis von Recht sticht stark hervor und sekundiert Carl Schmitt.[18] Aus diesem Filbinger, welcher den „Schutz der Blutsgemeinschaft“ einforderte, einen Wid­er­stands­käm­p­fer gegen den NS-Staat herbei zu fabulieren, wie es der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Günther Oett­inger getan hat,[19] ist be­zei­ch­nend für die polit­ische Kultur. Nur eine politische Kultur der Er­inn­er­ungs­ver­weig­erung lässt einen Oett­ing­er vor 700 geladenen Gästen, inklusive dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäu­b­le, das sagen, was er gesagt hat in Freiburg im Breisgau.

Ebenfalls in den Werkblättern des Bundes Neudeutschland, in denen Filbingers Plädoyer für ein nationalsozialistisches Strafrecht publiziert wurde, schaltete regelmäßig, z. B. im Heft Oktober 1937/Januar 1938, das NS-Wint­er­hilfs­werk Werbung, mit Reichsadler, Hakenkreuz und dem Spruch „Der Samm­ler und Helfer des WHW steht freiwillig im Dienste des Volkes. Achte ihn durch dein Opfer!“ oder aber: „Ein Volk hilft sich selbst“ Winterhilfswerk 1938/39, wie es wenig später heißt. Ein Volk hilft sich selbst – das mag als Wahlspruch auch für das Post-NS-Deutschland gelten.

Kurt Georg Kiesinger, Mitglied der NSDAP und später Bundeskanzler der BRD, dem Beate Klarsfeld unter den Rufen „Nazi! Nazi!“ am 7. November 1968 eine Ohrfeige verpasste,[20] machte den Weg frei für Hans Filbinger als Landesvater im Ländle. Filbinger hätte die warmen, ihn und das Neudeutschland inklusive Weikersheim von jedem Fanatismus, Antisemitismus und Nationalismus exkulpierenden Worte seines Nach-Nach-Nachfolgers Oettinger dankbar aufgenommen.

Wer wird später einmal Oet­t­inger exkulpieren, der die erste Strophe des Deutschlandliedes so gerne singt[21] wie sein schwäbischer Kollege Gerhard Mayer-Vorfelder (1933–2015), ehemaliger Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) von 2001 bis 2006, Vereinspräsident des VfB Stuttgart (1975–2000) und Kultus- beziehungsweise Finanzminister in Baden-Württemberg von 1981 bis 1998, der in den 1980er Jahren vorschlug, in Schulen alle drei Strophen der Hymne zu singen?[22]

Wenngleich sich bestimmte Formen eines gesamtgesellschaftlichen Trends lokal oder regional unterschiedlich äußern und Baden-Württemberg auch nach 1945 besonders anfällig für alte und neue Nazis war – Filbinger und sein Vorgänger Kurt Georg Kiesinger waren die bekanntesten Beispiele, aber auch der Wahlerfolg der NPD 1968 mit 9,82 % zeigte das Potential für rechte Politik im Ländle –, so ist doch für eine Analyse von politischer Kultur und Ideologie elementar, welche Entwicklungs- und Veränderungsprozesse sie generell in einem Land erfahren. Insofern kann die Analyse beispielsweise einer einzelnen Gruppe wie dem Bund Neudeutschland exemplarisch stehen. Das dialektische Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem ist im Auge zu behalten. Deshalb wird, über Filbinger hinaus, im Folgenden die generelle Ausrichtung des katholischen Bundes Neudeutschland analysiert.

 

[1] Hanns Filbinger (1933): Aus einem ‚Jüngerenkreis‘, in: Werkblätter von Neudeutschland Älterenbund, Heft 7/8, 6. Jg., Okt./Nov., S. 204–205, hier S. 204.

[2] Ebd., S. 205.

[3] Hans Filbinger (1998): Festvortrag von Prof. Dr. Hans Filbinger auf der 7. Weikersheimer Hochschulwoche 1998: Dr. Hans Filbinger Meine Bilanz in den Umbrüchen unseres Jahrhunderts“, http://www.hans-filbinger.de/indexprint.php?kat=DO
KUMENTE&ukat=Festvortrag%201998&uukat=&uuukat=&printstatus=1 (03.09.
2009).

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Friedrich Meinecke (1947): Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Er­inn­erungen. Dritte Auflage, Wiesbaden: Eberhard Brockhaus Verlag, S. 107.

[7] http://www.hans-filbinger.de/images/gaubrief.gif (12.04.2007).

[8] Günther H. Oettinger (2007): Ansprache des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther H. Oettinger anlässlich des Staatsakts zum Tod von Ministerpräsident a. D. Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Filbinger am 11. April 2007 im Freiburger Münster, http://www.sz-online.de/nachrichten/dokumente/filbinger.pdf (12.05.
2008).

[9] Filbinger 1998.

[10] Gerhard Henschel (2008): Neidgeschrei. Antisemitismus und Sexualität, Hamburg: Hoffmann und Campe.

[11] Hanns Filbinger (1935): Nationalsozialistisches Strafrecht. Kritische Würdig­ung des gelt­enden Strafgesetzbuches und Ausblick auf die kommende Strafrechtsreform, in: Werkblätter, 7. Jg., Heft 5–6, März/April, S. 265–269, hier S. 265.

[12] Ebd., S. 266.

[13] Ebd., S. 267.

[14] Ebd.

[15] Ebd., S. 268.

[16] Ebd.

[17] Ebd., S. 269.

[18] Vgl. Raphael Gross (2000): Carl Schmitt und die Juden, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

[19] „Auch Kauder nannte Filbinger einen Gegner der Nazis“, FAZ, 22.04.2007, http:
//www.faz.net/aktuell/politik/streit-um-oettinger-rede-auch-kauder-nannte-filbinger-einen-gegner-der-nazis-1438391.html (05.07.2018): „Mit Günther Oettinger hat nicht zum ersten Mal ein Christdemokrat den verstorbenen früheren Marinerichter und Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Filbinger, einen Gegner der Nazis genannt. Auch CDU/CSU-Fraktionschef Kauder hat diese Meinung vertreten.“

[20] Im Frühjahr 2018 gab es eine Ausstellung in Paris zu Ehren von Serge und Beate Klarsfeld, Marc Zitzmann (2018): „Den Opfern verpflichtet. Das Mémorial de la Shoah in Paris zeigt das Engagement von Serge und Beate Klarsfeld, Jüdische Allgemeine, 08. Februar 2018, https://www.juedische-allgemeine.de/article/view
/id/30774 (05.07.2018).

[21] „Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Günther Oettinger hat bei einer Veranstaltung die erste Strophe des Deutschlandliedes (‚Deutschland, Deutschland über alles …‘) gesungen und damit scharfe Kritik bei der SPD des Landes ausgelöst. Oettinger sang bei einer Feier der Tübinger Landsmannschaft Ulmia, einer Burschenschaft“, 19. Juni 2000, http://www.rp-online.de/politik/erste-strophe-des-deutschlands-liedes-gesungen-aid-1.2257216 (12.05.2018). Dieser völkische Nationalismus führte nicht zum vorzeitigen Ruhestand, sondern half Oettinger, seine Karriere als EU-Kommissar voranzutreiben.

[22] Peter Ahrens (2015): „Der schwäbische Patriarch“, 18.08.2015, http://www.
spiegel.de/sport/fussball/gerhard-mayer-vorfelder-ist-tot-der-schwaebische-patri
arch-a-1048610.html (05.07.2018).