Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: FU Berlin

Ein finnischer Fußballer mit Anstand, ein vulgärer Bayern-Star und eine lächelnde Professorin der FU Berlin in Teheran

Von Dr. phil. Clemens Heni, 9. Januar 2019

Im Januar 2019 weigert sich der finnische Fußball-Nationalspieler Riku Riski zu einem Trainingslager der finnischen Nationalmannschaft nach Katar zu fliegen. Das ist ein herausragendes, ja fast einzigartiges Beispiel für einen selbst denkenden Leistungssportler und für Kritik an einem menschenverachtenden Regime. Riski riskiert damit seine weitere Karriere in der Nationalmannschaft. Er zeigt Anstand und ist angewidert von den vielen Toten, die schon jetzt auf den unsäglichen Baustellen zur geplanten Fußball WM 2022 unter den Augen der fußballgeilen westlichen Welt in Katar zu beklagen sind. Von der Korruption in der FIFA, den TV-Werbeverträgen der kapitalistischen Welt, der Ignoranz der kulturindustriell verblödeten Massen zu sich zu-Tode-arbeitenden asiatischen Arbeitern in Katar ist es nur ein Mausklick.

Der Autor der Zeitung Freitag, Timo al-Faroog, ist ganz begeistert über kopftuchtragende Frauen in Schweden, wie er nach Ankunft eines Fluges mit dem „garantiert judenreinen Unternehmen Qatar Airways von Doha“ in Stockholm schrieb, wie das Blog tw24 sarkastisch kommentiert. Katar is also en vogue.

Es wundert daher nicht, dass dem FC Bayern München diese Baustellen-Toten nichts ausmachen und er auch dieses Jahr in der islamistischen, mörderischen BaustellenHölle von Katar sein Trainingslager bezieht. München hat auch einen Franck Ribéry, der zusammen mit seiner Frau einem Sohn den Namen „Saif al-Islam“ oder auf Deutsch „Schwert des Islam“ gab (was unter Kindesmisshandlung fallen sollte). Angesichts von Kritik an seinem Verzehr von einem goldblattverzierten Steak für 1200€ in einem Restaurant pöbelt er auf vulgärste Weise, betont auch hier seine fanatische muslimische Religiosität und zeigt auf unfassbare Art und Weise, was für Vergewaltigungsfantasien er hat (Ribéry schrieb auf Twitter auf Französisch, Übersetzung und Text von n-tv):

„‘Beginnen wir mit den Neidern und Hatern, die durch ein löchriges Kondom entstanden sein müssen: F**** eure Mütter, eure Großmütter und euren gesamten Stammbaum.‘ Er schulde den Menschen überhaupt nichts, schrieb er weiter und fügte an, dass er seinen Erfolg vor allem Gott, sich selbst und seinen Vertrauten, die an ihn geglaubt haben, zu verdanken habe“.

Der Bayern-„Star“ zeigt sich als Wiederholungstäter (vor Jahren hatte er mit einer minderjährigen Prostituierten Sex, in Frankreich darf er laut einem Gerichtsurteil als „Abschaum“ bezeichnet werden). Dass ein solcher Typ wöchentlich im Fernsehen zu sehen ist und weder die Fans des FC Bayern Anstand haben und seinen Rauswurf fordern mit hunderten Transparenten vor jedem Spiel, verwundert nicht und schockiert doch. Auch die ARD Sportschau oder das ZDF Sportstudio zeigen Bilder dieses Typen weiterhin einfach so.

Niemand hat den Anstand oder Mut, Auftritte von Franck Ribéry zu zensieren, weil Männer mit solchen Gewaltfantasien nichts in der Öffentlichkeit, schon gleich gar nicht im Massenmedium Fernsehen, im Internet oder im Stadion zu suchen haben.

Blick zurück in den Februar 2018. Anfang Februar 2018 erhielt die Professorin für Arabistik an der Freien Universität Berlin, Regula Forster, den Preis für das „Buch des Jahres“ der Islamischen Republik Iran. Die Tehran Times war ganz begeistert und zeigt die lachende verschleierte Forster und den schelmisch grinsenden Hasan Rouhani, den iranischen Präsidenten, der einen großen Coup gelandet hat.

Die Freie Universität war stolz wie selten und postete ein Bild der Preisübergabe auf der offiziellen Seite der FU Berlin auf Englisch und Deutsch.

Screenshot

Was sagt Amnesty International über den Iran 2017/18?

„Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, waren weit verbreitet und wurden nicht geahndet. Geschlechtsspezifische Gewalt war weiterhin nicht strafbar. Ein entsprechender Gesetzentwurf war seit 2012 anhängig. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen lag nach wie vor bei 13 Jahren. Väter und Großväter konnten bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie Mädchen noch früher verheiraten wollten.

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Nach der Wahl berief Präsident Rohani keine Frau in sein Kabinett, trotz entsprechender Forderungen aus der Zivilgesellschaft.

Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, standen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie wurden schikaniert und festgenommen, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauten, wenn sie stark geschminkt waren oder enganliegende Kleidung trugen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzten, wurden Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen.“

Es ist also wie ein Hohn auf die Frauen im Iran, wenn Regula Forster dort einen Preis empfängt. Mehr noch:

„Gerichte verhängten in zahlreichen Fällen Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Im April amputierte man Hamid Moinee in Schiraz (Provinz Fars) eine Hand und richtete ihn zehn Tage später hin. Er war wegen Mordes und Raubes schuldig gesprochen worden. Es gab mindestens vier weitere Amputationen wegen Raubes. Die Behörden vollstreckten auch erniedrigende Strafen. So wurden im April 2017 drei Männer, denen Entführung und andere Straftaten vorgeworfen wurden, durch die Straßen von Dehloran (Provinz Ilam) getrieben. Ihre Hände waren gefesselt, und sie trugen Wasserkannen um den Hals, die zur Toilettenspülung benutzt wurden. Im Juli wurden acht Männer in Pakdasht (Provinz Teheran) auf ähnliche Weise gedemütigt. Im Mai 2017 verurteilte ein Strafgericht in der Hauptstadt Teheran eine Frau wegen einer außerehelichen Beziehung zu zwei Jahren Leichenwaschung und 74 Peitschenhieben. Der Mann wurde zu 99 Peitschenhieben verurteilt.“

2017 gab es über 507 Hinrichtungen im Iran. In Deutschland ist die Todesstrafe verpönt.

Was sagt Forster ihren Kindern, mit denen sie so peinlich wirbt auf der Seite der FU, so als ob es irgend eine Bedeutung hätte, ob eine Wissenschaftlerin oder Arabistin Kinder hat oder nicht? Da lacht also Regula Forster herzlich in Teheran und empfängt als Arabistin einen Preis des Iran. Auch der Antisemitismus von Rouhani stört sie demnach überhaupt nicht, denn Rouhani ist berüchtigt, Israel wiederholt als „Krebsgeschwür“ bezeichnet zu haben.

Es ist ein weiterer Tiefpunkt der Wissenschaft in der Bundesrepublik, dass eine führende Universität wie die FU Berlin die Verleihung eines Preises aus den blutbeschmierten Händen des Iran an eine Forscherin nicht nur hinnimmt, sondern feiert.

Auch jene Kolleginnen und Kollegen, die in der Habilitationskommission für das nun vom islamistischen Regime in Teheran gepriesene Buch saßen, haben sich meiner Kenntnis nach weder von Regula Forster noch ihrem skandalösen Auftritt bei Rouhani distanziert:

„Gudrun Krämer, Birgit Krawietz, Renate Jacobi, Gotthard Strohmaier, Almut-Barbara Renger, Uwe Puschner, Montserrat Rabadán, Victoria Mummelthei“.

Forsters Arbeit handelt vom „Dialog“ in arabischen Quellen zumal des Mittelalters – „Wissensvermittlung im Gespräch. Eine Studie zu klassisch-arabischen Dialogen“ (Leiden/Boston: Brill, 2017). Wie zynisch muss eine Forscherin sein, die ein autoritäres Regime, das gegen Dialog ist und zumal westliche Forschung diffamiert und höchstens als notwendig für den Bau einer Atombombe anwendet, hofiert?

Forster tut so, als sei sie für den Dialog, ob das nun die von ihr untersuchten arabischen Quellen hergeben, steht auf einem anderen Blatt. Doch so zu tun, als ob frau offen, tolerant, gar wissenschaftsfreundlich sei, und dann in ein hardcore antiintellektuelles, autoritär-faschistoides, religiös fanatisches, islamistisches, freie Wissenschaft bekämpfendes, frauenverachtendes, antisemitisches und den Dialog mit den Gegnerinnen und Gegnern des Jihad im Iran und außerhalb des Iran nicht nur nicht suchendes, sondern Kritiker*innen einsperrendes, folterndes und ermordendes Regime zu fahren und sich selbst zu verschleiern, also zu islamisieren – das ist an Zynismus und brutalem Verhalten schwerlich zu überbieten.

Aber das ist Mainstream an europäischen Universitäten, Regula Forster ist ja weiterhin völlig anerkannt – und das ist der Skandal. Was sagen die Studierenden an der FU dazu, jedenfalls jene Arabistik-Studierenden, die keine Islamist*innen sind? Was sagen Pädagogik-Studentinnen dazu, wenn sie wissen, dass Frauen im Iran nur unter Lebensgefahr ohne Schleier herumlaufen können?

Namentlich Gudrun Krämers pro-islamistische Ideologie habe ich am Beispiel ihrer Rezeption eines führenden sunnitischen Agitatoren, der besonders aggressiv antisemitisch ist, Yusuf Al-Qaradawi, schon vor Jahren analysiert und kritisiert.

Es wundert nicht, dass Forster, die auch an der Birzeit Universität im Westjordanland war (die keine Juden oder jüdische Israelis einstellt, nicht mal Kritiker*innen der Besatzung der Westbank) und offenkundig eine Nähe zu antiisraelischen Kaderschmieden sucht, keine Kritik erfährt, immerhin ist Krämer eine sehr bekannte, ebenfalls preisgekrönte Professorin der FU Berlin.

Was lernen wir daraus? Der finnische Fußballer Riku Riski ist geradezu ein Held, obwohl er doch nur das Allerselbstverständlichste getan hat: Er hat gezeigt, dass er Anstand hat und Menschenrechtsverletzungen nicht einfach so weglächelt. Er ist angewidert von den Hunderten Toten auf den Baustellen in Katar.

Er hat womöglich auch eine Distanz zur Ideologie eines islamistischen Landes wie Katar, wo Yusuf al-Qaradawi seit Jahrzehnten ungestört seine Hetze verbreiten konnte und kann und von deutschen Islamforscherinnen ganz entzückt als „Global Mufti“ und quasi Popstar gefeiert wird (vor Jahren dankte al-Qaradawi Hitler für den Holocaust; Bettina Gräf, eine Schülerin von Gudrun Krämer, hat kurz vor Weihnachten 2005 ihren Helden al-Qaradawi in Doha, der Hauptstadt Katars, getroffen).

Was ist ein Land wie der Iran wert, wo an keiner einzigen Universität in Philosophie, Pädagogik oder einem anderen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studienfach ein Kurs über „Nietzsches Kritik am Christentum, am deutschen Antisemitismus und an Theodor Fritsch[i] mit Bezug zur Kritik am Antisemitismus der Islamischen Republik Iran“ angeboten werden kann? Was hält Forster von der Freiheit der Wissenschaft? Warum hofiert sie ein Land, das diese Freiheit mit Füßen tritt?

Die wenigsten Wissenschaftler*innen oder Fußballer haben Anstand und würden ihre Karriere wegen der Kritik an einem menschenverachtenden Regime aufs Spiel setzen, Kritik üben und sich dissident verhalten. Riku Riski ist eine rühmliche Ausnahme.

 

[i] Siehe dazu Christian Niemeyer, „Auf die Schiffe, Ihr Philosophen!“ Friedrich Nietzsche und die Abgründe des Geistes (Freiburg: Karl Alber, erscheint Frühjahr 2019).

©ClemensHeni

„Gaza sieht immer mehr wie ein KZ aus“ – Obskurer Islamforscher zu Gast bei der Uni Osnabrück

Von Clemens Heni und Michael Kreutz

Dieser Text erschien zuerst auf Ruhrbarone

Im Jahr 2015 gab es alleine in Frankreich zwei islamistisch motivierte Massaker mit fast 150 Toten, am 7. bzw. 9. Januar in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris bzw. einem jüdischen Supermarkt und am 13. November im Club Bataclan, mehreren Cafés sowie am Stade de France, wo gerade ein Fußballfreundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland stattfand. Daraufhin wurde wenige Tage später erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik aus Terrorangst ein Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft in Hannover abgesagt.

Doch all diese spezifisch mit dem Islamismus und Jihadismus zusammenhängenden Ereignisse führen eben in der Wissenschaft, der Islamforschung wie der Islamischen Theologie, offenbar weiterhin kaum dazu, Kritik am Islamismus und Antisemitismus zu üben. So wird der Präsident der Uni Osnabrück, Prof. Wolfgang Lücke, am 14. Januar 2016 die Konferenz „Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa“ begrüßen. Es ist eine dreitägige, große Konferenz mit über vierzig Referentinnen und Referenten, organisiert vom Institut für Islamische Theologie der Uni Osnabrück und finanziert vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, dem Graduiertenkolleg Islamische Theologie sowie der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Hier kommt eine Opferhaltung zum Ausdruck, die den Islamisten letztlich nur in die Hände spielt. Kein einziger Vortrag ist der jihadistischen und islamistischen Gewalt und Ideologie gewidmet. Sicher, angesichts eines unübersehbaren rassistischen Klimas in Deutschland, von Pegida über die AfD bis hin zu Neonazis, die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verüben, ist eine Kritik am Rassismus notwendig. Doch was soll „antimuslimischer Rassismus“ sein? Rechtspopulisten mögen ein besonderes Problem mit dem Islam haben, allgemein hetzen sie aber gegen die Zuwanderung insgesamt. Sie wollen ein völkisch homogenes Deutschland.

Der eigentliche Skandal der Konferenz ist der Hauptredner, der amerikanische Islam- und Nahostforscher John L. Esposito, Jg. 1940. Er hat einen von Saudi-Arabien (mit)finanzierten Lehrstuhl und ist einer der umstrittensten Nahostforscher in Amerika. Acht Jahre ist es her, seitdem der amerikanische Nahostkenner Martin Kramer darauf hingewiesen hat, dass mit den Berechnungen bezüglich der Zahl von radikalisierten Muslimen von John Esposito etwas faul ist.

Demnach hatte Esposito eigene Umfragen unter Muslimen dahingehend interpretiert, dass nur 7% der Befragten als radikalisiert bezeichnet werden können. So gering nämlich sei der Anteil derer, die der Aussage zustimmen, dass die Anschläge vom 11. September 2001 „völlig gerechtfertigt“ seien. Dabei fiel aber unter den Tisch, dass anderthalb Jahre zuvor Esposito und seine Co-Autorin auch solche Befragten zu den Radikalisierten zählten, die der Aussage zustimmten, dass die Anschläge „weitgehend gerechtfertigt“ seien. Viele von denen, die vorher noch als radikal gegolten hatten, wurden plötzlich zu Moderaten verklärt.

Selbst Islamisten, die in der Forschung für ihre gefährliche Ideologie seit Jahren analysiert und kritisiert werden, wie die Gülen-Bewegung, Tariq Ramadan aus der Schweiz, Yusuf al-Qaradawi aus Katar oder Mustafa Ceric aus Bosnien werden von Esposito als wunderbare Beispiele für einen „moderaten“ Islamismus betrachtet. Doch es gibt keinen „moderaten“ Islamismus, wie schon der Politik- und Islamwissenschaftler Bassam Tibi in einer Kritik an Esposito vor Jahren betonte. Ein Yusuf al-Qaradawi, der Selbstmordattentate gegen Israelis für religiös rechtmäßig erklärt, wird nicht dadurch moderat, dass er ihre Durchführung auch Frauen ohne Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner zubilligt!

In seinen Büchern und Texten zeigt sich die ganze Ideologie von John Esposito. Für ihn ist der islamische „Fundamentalismus“ im Iran, dem zigtausende Menschen zum Opfer gefallen sind, das gleiche wie ein christlicher in den USA, der reaktionär sein mag, aber nicht mörderisch ist. Ebenso verglich er George W. Bush mit dem Dschihadisten, Massenmörder und Mastermind des 11. September 2001, Osama bin Laden. Solche Vergleiche mögen im Westen in manchen Kreisen populär sein, sie sind aber grundfalsch, weil beide Personen für entgegengesetzte Werte stehen.

In seinem Buch „The Future of Islam“ (Die Zukunft des Islam) von 2010 vergleicht Esposito die Situation im Gazastreifen mit KZs und somit Israel mit Nazis – eine klare antisemitische Diffamierung, nach Definition des amerikanischen Außenministeriums und der internationalen Antisemitismusforschung.

Mehr noch: im August 2014 beschuldigte Esposito auf Twitter den Holocaustüberlebenden Elie Wiesel, dieser spiele angesichts der Ereignisse in Gaza eine „Holocausts-Trumpfkarte“ aus. Wiesel hatte zu Recht betont, dass die islamistische Terrororganisation Hamas endlich aufhören solle, Kinder als Schutzschilde zu missbrauchen. Er wies darauf hin, dass Juden schon vor über 3500 Jahren dem Menschenopfer eine Absage erteilt hatten und solche Praktiken für einen zivilisatorischen Rückfall hielten. Für Esposito aber war das kein Grund nachzuhaken, sondern Anlass zur Diffamierung. So reden in Deutschland üblicherweise nur Neonazis und extreme Rechte.

Schließlich hat Esposito in seinem Buch „Die Zukunft des Islam“ auch dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, ohne jeden Beleg (!) die Aussage unterstellt, „Muslime wollen die Welt beherrschen“. Solche Aussagen wie auch andere Verdrehungen in seiner Darstellung disqualifizieren Esposito als Redner. Frisch hat das Behauptete aber nicht nur nicht gesagt, sondern sich dezidiert dagegen gewandt, Muslime zu diffamieren. Davor warnt er nachdrücklich. Esposito dagegen versucht eine deutsche Bundesbehörde, die den Islamismus beobachtet und vor ihm warnt, zu diskreditieren.

Wollen der Präsident der Uni Osnabrück, die über vierzig Referentinnen und Referenten wie auch die involvierten Landes- wie Bundesministerien einer solchen Rabulistik, diesem Antisemitismus und dieser Verharmlosung des Islamismus wirklich Vorschub leisten?

 

Clemens Heni Nassau Inn Princeton 05252009

Dr. phil. Clemens Heni

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

 

 

 

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Dr. phil. Michael Kreutz

Dr. phil. Michael Kreutz ist Arabist und Islamwissenschaftler in Münster

Hofiert eine Berliner Verfassungsrichterin einen palästinensischen Terrorverdächtigen auf einer Konferenz bei Brot-für-die-Welt?

Von Dr. phil. Clemens Heni

 

Brot-für-die-Welt, das bekannte evangelische „Hilfswerk“,

plant für den 7. Juli 2014 in Berlin eine Konferenz zum israelischen Sicherheitszaun bzw. zur Antiterrormauer. Einer der Redner soll Shawan Jabarin sein. Er war oder ist Mitglied der palästinensischen Terrororganisation PFLP, die seit den 1960er Jahren unter anderem für ihre Entführungen und die Ermordung von Juden und Israeli berüchtigt ist.

Jabarin wurde 2003 von Jordanien die Einreise verweigert, da Jordanien seine Terroraktivitäten fürchtet. Der israelische Oberste Gerichtshof hat Jabarin im Juni 2007 bescheinigt, eine Art Dr. Jekill/Dr. Hyde-Person zu sein, also einerseits Terror zu planen und zu verüben und andererseits den lächelnden und harmlosen Menschenrechts-Aktivisten zu spielen.

Shawan Jabarin

Jabarin ist Leiter der Nichtregierungsorganisation Al-Haq in Ramallah, die in antisemitischer Diktion Israel „Apartheid“ vorwirft, „Bewegungsfreiheit“ für Selbstmordattentäter fordert und gegen den Sicherheitszaun agitiert sowie Israel als jüdischen Staat ablehnt. Die antizionistische Agitationsseite Electronic Intifada promotet Jabarin als Interviewpartner.

Jabarin hat sich öffentlich für die „binationale Lösung“ ausgesprochen, also das Ende Israels. Im Oktober 2009 trat er auf einer Konferenz neben Omar Barghouti, dem Gründer der antisemitischen BDS-Bewegung, auf, die sich für den „Boykott Israels“ einsetzt.

Nun möchte die Berliner Juristin Prof. Dr. Heike Krieger von der Freien Universität Berlin und Richterin am Verfassungsgerichtshof Berlin gemeinsam mit dem unter Terrorverdacht Stehenden auf der Konferenz in Berlin auftreten. Aufgrund ihrer Publikationsliste ist Frau Krieger keine Expertin bezüglich dem Nahen Osten oder in Bezug auf Israel, die Hamas, islamistischen und palästinensischen Terror. Auch zu Antisemitismus, Antizionismus, Islamismus oder der Ideologie der PFLP scheint sie noch nicht, jedenfalls nicht eingehend, geforscht zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass sie auf einer so speziellen Konferenz, die nur gegen Israel gerichtet ist, auftritt, hat sie doch offenbar bezüglich Israel gar keine Expertise vorzuweisen. Auch mit Bombenanschlägen gegen Israel oder der jahrelangen Kampagne gegen Israels Sicherheitszaun und anderen Delegitimierungskampagnen gegen den Judenstaat scheint sie sich noch nicht näher befasst zu haben, das ist jedenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr wirkt es, als ob sie mit juristischem Fachwissen helfen möchte, Israel zu delegitimieren und Terrorabwehr zu erschweren.

Prof. Dr. Heike Krieger, Freie Universität Berlin

Krieger selbst macht in ihrer Vortragsankündigung gar keinen Hehl daraus, worum es ihr geht:

 „States’ and the EU’s duty of non-recognition and obligation not to render aid or assistance in maintaining the situation created by the construction of the wall;“

[Die Verpflichtung von Staaten und der EU, die Mauer nicht anzuerkennen und weder Unterstützung noch sonstige Hilfe bei der durch die Mauer entstandenen Situation zu leisten;]

Von einer neutralen Forschungsfrage kann hier keine Rede sein. Vielmehr übernimmt Frau Krieger unhinterfragt das palästinensische Narrativ.

Am 31. Juli 2002 explodierte in der Frank Sinatra Caféteria an der Hebräischen Universität Jerusalem eine Bombe. Neun Menschen verloren dabei ihr Leben, fünf Israeli und vier Amerikaner. 85 Menschen wurden verletzt. Damals gab es noch keinen Sicherheitszaun; palästinensische Terroristen wie die Hamas, die sich stolz zu dem Mordanschlag bekannte, konnten ungehindert solche Verbrechen begehen.

Durch eine Bombe der Terrororganisation Hamas zerstöre Frank Sinatra Caféteria, Hebräische Universität Jerusalem, 31. Juli 2002; neun Tote, 85 Verletzte

Der Historiker und Antisemitismusforscher Robert S. Wistrich entkam damals nur knapp dem Mordanschlag, da er wenig zuvor in der Caféteria war. Ich war selbst im Dezember 2002 erstmals in dieser Caféteria. Als ich Ende Mai 2014 im Rahmen einer Konferenz gegen Antisemitismus mal wieder in der Caféteria war, war die Erinnerung an den Anschlag noch wach.

Einige Konferenzteilnehmer, die wie ich im Gästehaus der Hebräischen Universität in unmittelbarer Nähe der Frank Sinatra Caféteria übernachteten, erzählten mir von ihrem mulmigen Gefühl und einer gewissen Angst, dort zu übernachten. Zwar ist die Hebräische Universität auf dem Mount Scopus heutzutage gesichert, aber das ist immer relativ. Doch ohne den Sicherheitszaun wäre die Situation weit gefährlicher, in ganz Israel.

Frau Heike Krieger hat einen sicheren Arbeitsplatz in Berlin-Dahlem und sie muss auch nicht fürchten, dass eine Uni-Caféteria oder die beliebte Patisserie Aux Delices Normands an der Ecke Ihnestr./Garyst., unweit der Boltzmannstr., wo Frau Krieger arbeitet, von Terroristen in die Luft gesprengt werden.

Aux Delices Normands, Berlin-Dahlem, Ihnestr.

 

 

Der israelische Sicherheitszaun bzw. die Sicherheitsmauer haben unzählige palästinensische und andere Terroristen und Selbstmordattentäter und Selbstmordattentäterinnen abgehalten, Juden zu ermorden. Offenbar möchte Heike Krieger den Krieg gegen die Juden wieder ungehindert möglich machen.

Ist nicht die Entführung von drei israelischen Jugendlichen vor wenigen Tagen im Westjordanland Grund genug für jedwede Antiterrormaßnahme Israels? Selbst Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas hat in nie da gewesener Form die Entführung der israelischen Teenager kritisiert, und das in arabischer Sprache auf einer Konferenz der Organisation Islamischer Staaten (IOC), die nicht gerade dafür bekannt ist, sich für die Rechte von Juden einzusetzen. Darauf weist der bekannte israelische Journalist Ben-Dror Yemini in einem Kommentar hin.

Brot-für-die-Welt möchte nun offenbar das Entführen von Israeli tolerieren, indem es einen wegen Beihilfe zum Terror gegen Israeli verurteilten Mann wie Shawan Jabarin einlädt. Brot-für-die-Welt stellt sich damit in ungewohnt offener Weise gegen den jüdischen Staat, schweigt zu islamistischem und palästinensischem Terror, die ja der einzige Grund für diesen Sicherheitszaun bzw. die Antiterrormauer sind.

Das Verhalten von Heike Krieger ist nicht nur wissenschaftlich problematisch. Es ist nicht einfach so zu goutieren, dass eine von Repräsentanten der Bevölkerung Berlins gewählte Richterin mit Terrorverdächtigen kooperiert, sich gegen Antiterrormaßnahmen Israel wendet und somit dem Judenhass und der Ablehnung Israels als jüdischer Staat Vorschub leistet.

Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes Berlin

Die Beteiligung von Heike Krieger an der geplanten Konferenz am 7. Juli ist ein politischer und wissenschaftlicher Skandal. Auch das Berliner Abgeordnetenhaus sollte sich damit befassen, immerhin wurde Frau Krieger für sieben Jahre als Richterin am Berliner Verfassungsgerichtshof gewählt.

Als unabhängige Wissenschaftlerin und Richterin hat sich Frau Krieger mit ihrer Zusage zu dieser antiisraelischen, den Terror gegen Juden verniedlichenden Konferenz, diskreditiert.

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), www.bicsa.org.

 

Anregungen für die Bildungsarbeit und die politische Selbstverständigung: „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“

Original auf www.hagalil.com am 5. Juli 2007

 

Die fünf Autoren nehmen sich mit dem leicht und ohne größere wissenschaftliche Ambitionen geschriebenen Bändchen „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“ ein sehr wichtiges und aktuelles Thema vor. Alle fünf Autoren sind Politologen, gleich zwei davon waren bzw. sind Professoren für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin (Zeuner und Stöss), ein weiterer ebenda wissenschaftlicher Angestellter (Fichter). Das wird der Bedeutung des größten und bekanntesten politikwissenschaftlichen Instituts in der Bundesrepublik, dem Otto-Suhr-Insitut (OSI), durchaus gerecht.[1]

Empirisch basiert das Buch auf Erhebungen von vier der Autoren über die Einstellungen von Gewerkschaftsmitgliedern bzw. Funktionären zu Rechtsextremismus. Von 6,6 Mio. Gewerkschaftsmitgliedern in Deutschland haben weniger als 10% ein „geschlossenes gewerkschaftliches Überzeugungssystem“ (S. 8). Verglichen mit Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern haben z. B. in der Mittelschicht 18% (gegenüber 7%) der Gewerkschafter eine klar erkennbare rechtsextreme Einstellung (S. 53). Das ist bemerkenswert. Bei der Unterschicht sind es wenig überraschende 33% der Nicht-Mitglieder im Vergleich zu 28% der gewerkschaftlich organisierten (S. 52).

Insgesamt zeigt sich, dass die Gewerkschaften mit 19% Prozent Rechtsextremen dem Prozentsatz der nicht organisierten mit 20% entsprechen, Gewerkschafter also auch im Fall Rechtsextremismus ein „Spiegelbild“ der Gesellschaft in Deutschland sind. Im Osten ist lediglich zu konstatieren, dass insgesamt mit 27% deutlich mehr Rechtsextreme zu verzeichnen sind (18% im Westen), und Gewerkschaften etwas weniger rechtsextrem eingestellt sind als die unorganisierten (22,5% zu 28,1%) (S. 32f.). Wer sich die Hetzkampagne gegen als „Heuschrecken“ vorgestellte Unternehmer bzw. Finanzspekulanten durch den ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Müntefering vergegenwärtigt (S. 13)[2], Parolen von Gewerkschafter sieht, welche sich gegen „Verrat am Vaterland“ wenden (S. 99), oder gar die IG Metall-Zeitschrift anschaut, welche 2005 in antisemitisch-antiamerikanischer Diktion gegen „Die Aussauger“, welche in Form einer Stechmücke mit langem Rüssel und US-Hut dargestellt sind, agitiert (S. 84) und dieses Cover auch auf scharfe Kritik hin vom Verantwortlichen und IG Metall Vorsitzenden Jürgen Peters verteidigt wurde[3], oder schließlich den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer von „vaterlandslosen Gesellen“ daher reden hört bzw. seine ‚Hoffnung‘ vernimmt, dass Deutschland weiterhin „Exportweltmeister“ bleiben möge (S. 86f.), ist ob solcher empirischer Umfragewerte unter Gewerkschaftern kaum verwundert. Ob daran das von eben jenem Jürgen Peters ausgerufene „Mainstreaming“ einer „Europäisierung der IG Metall“ von November 2006, welches als probates Mittel gegen nationale Überheblichkeit und Rechtsextremismus angeführt wird (S. 88), etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich.

Die Autoren gehen mehrfach kritisch auf das Gerede von ‚amerikanischem Kapitalismus‘ versus ‚europäischem Sozialstaatsmodell‘ ein und verwahren sich gegen Antiamerikanismus, ja erwähnen zu Recht den New Deal der1930er Jahre, der Arbeiterrechte gestärkt hat (S. 85) und lehnen die NPD-Propaganda gegen Globalisierung ab (S. 64). Sie fordern wieder mehr gesamtgesellschaftliches Engagement der Gewerkschaften, ja plädieren für eine Politisierung der Gewerkschaften, eine politische Bildung im alltäglichen gewerkschaftlichen Tun und beziehen sich auf einige ihrer Ansicht nach positiven, antinationalistische Beispiele gewerkschaftlicher Organisierung- und Aufklärungsarbeit (S. 103-105).

Die relevanteste der gesamtgesellschaftlichen Perspektiven, welche von den fünf Politologen hochgehalten wird, ist jedoch neben den hehren Tönen gegen Nazis bereits deutscher Mainstream:

„Während sein [des Nationalstaats, C.H.] Repressionspotential im Zuge neuer Kriege und des sogenannten ‚Kampfes gegen den Terror‘ nach innen und außen oft sogar noch weiter aufgerüstet wird, gibt er sozialintegrative Aufgaben preis, die dem Schutz der lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit zugute kamen und auch die Bewegungsfreiheit von Unternehmen beschränkt haben“ (S. 63).

Ohne den bösen Kampf der Amerikaner und ihrer Alliierten, der demnach angeblich von Deutschland gar unterstützt wird, gäbe es bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld für „sozialintegrative Aufgaben“.

Wow! Das ist eine tollkühne und gewiss typisch deutsche Begründung gegen den War on Terror. Diese im Kern islamophile Verweigerungshaltung den wirklich großen Problemen des 21. Jahrhunderts gegenüber ist eine gewerkschaftliche Meisterleistung. Chapeau, die Herren. Besser könnte das kein rhetorisch gewandter NPD-Redner machen. Oder natürlich die nationalbolschewistische junge Welt, die Linke (PDS/WSAG), die Autonomen, die Antiimperialisten, Grüne, Frauen/Lesben, Anti-Hartz-IV-Protestler, Friedensratschläge, militante Gruppen oder auch weite Teile der SPD vom antizionistischen Rand der CDU à la Norbert Blüm nicht zu schweigen.

Wenn ich mich erinnere welcher Hass mir entgegenschlug, von super linken NachwuchswissenschaftlerInnen mit dem besten Gewissen, die selbstverständlich seit Jahrzehnten Anti-Nazi-Arbeit machen und in linken Buchläden in Berlin arbeiten oder in Göttinger Antifazusammenhängen steck(t)en, als ich in gewerkschaftlichem Rahmen im Sommer 2002 eher zufällig ein kleines, süßes Muffin-Küchlein mit noch kleinerer US-Fahne dabei hatte und auf meinem Tisch stellte, oder im gleichen Kontext von derselben Runde, nach ein paar Bier allerdings, wie selbstverständlich Michel Friedman als „ekliger Typ“ diffamiert und sein am selben Tag ausgestrahltes TV-Interview mit Israels Ministerpräsident Ariel Scharon gezielt gemieden wurde, von wenigen Ausnahmen abgesehen, und das alles mit einem Tonfall und einem Duktus, der später im Jahr 2002 nur noch von Jürgen W. Möllemann getoppt wurde, dann wird vieles klarer bezüglich Gewerkschaften und Deutschland heute. Wenn ich dann auch noch sehe wie im Rahmen der Hans-Böckler-Stiftung bzw. ihrer DoktorandInnen antizionistische ‚Kollegen‘, nicht nur aber auch weil sie Migranten sind, in Schutz genommen wurden und der Antisemitismus solcher Typen nur von wiederum wenigen erkannt und scharf kritisiert wurde, wenn ich all diese kleinen persönlichen Erlebnisse mit Gewerkschaftern die letzten Jahre seit 2002 revue passieren lassen, wird das Bild noch klarer.

Schließlich noch ein Beispiel: ein großes gewerkschaftliches Bildungswerk, das DGB-Bildungswerk München, hat erst nach heftigen Protesten eine Veranstaltung mit ihrem langjährigen und sehr stark im Bildungsprogramm als Referent, mit vielen Einzelveranstaltungen involvierten Kollegen Heinz Vestner abgesagt. Und er wird als Referent weiter beschäftigt, obwohl seine antizionistischen Tiraden seit Jahren bekannt ist.[4] Dass so eine Ankündigung für eine Veranstaltung überhaupt gedruckt und für die Veranstaltung geworben wurde, ist bereits skandalös.[5] Typisch gewerkschaftlich wird die Sache dadurch, dass sich der Referent eben als Linker, der gegen Nazis und Rechtsextremismus ist, gezeigt habe.

Für das Herbst/Winter-Programm 2007/2008 hat das DGB-Bildungswerk München Vestner wiederum als häufigen Referenten engagiert, z. B. mit Seminaren über die US-Außenpolitik seit „1776“ und der amerikanischen „Jagd nach Profit“, womit also, wenn das Seminar mit der Gründung der USA beginnt (!) das ‚Wesen‘ der Amerikaner gemeint ist![6] Komplementär dazu jauchzt der Lieblingsreferent dieses großen gewerkschaftlichen Bildungswerkes wiederum wenn er den Namen Chavez hört und dessen Ruf nach einem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“[7] laut hinaus schreit oder proklamiert: „Daumendrücken ist angesagt“ bezüglich „Erwacht Lateinamerika“, denn ist Chavez nicht ein toller Hecht und Nachfolger Bolivars?[8] Nach den Kriterien der fünf Autoren des hier rezensierten Buches zu urteilen, wäre Vestner eher nicht in das Raster ‚rechtsextrem‘ gefallen. Doch was heißt das in einer Zeit, wo gerade linke, ‚progressive‘, ‚liberale‘ Antisemiten zurecht ins Blickfeld geraten?

Das Raster (S. 30-31) der Politologen ist viel zu grobmaschig und altbacken, demnach sei Rechtsextremismus gekennzeichnet durch 1.) „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, 2.) „Chauvinismus“, 3.) „Ausländerfeindlichkeit“, 4.) „Antisemitismus“, 5.) „Sozialdarwinismus“ und 6.) „Verharmlosung des Nationalsozialismus“. Weder bei der Kategorie 4) noch jener von 6) taucht das Beispiel des Antizionismus auf. Antisemitismus zeigt sich jedoch heute häufig als Antizionismus, der Antisemitismus mit reinem Herzen, wie er schon von Jean Améry 1969 („der ehrbare Antisemitismus“) oder von Vladimir Jankélévitch 1970 („Verzeihen?“) dechiffriert wurde. Der Hass auf Israel, die Schuldprojektion der Deutschen, nach der z. B. und gerade die Israelis einen „Holocaust an den Palästinensern“ verüben würden oder der Anti-Terrorschutzwall das gleiche sei wie die Berliner Mauer oder die Behandlung der Palästinenser im Westjordanland jener im Warschauer Ghetto ähnele, sind doch ubiquitär. All diese antisemitischen Reflexe sind Alltag bei deutschen Kirchen, Politikern aller Parteien, den Medien, der Wissenschaft und der Gesellschaft insgesamt, auch den Gewerkschaften natürlich. Allein das Jahr 2007 bietet für jede dieser Kategorien abschreckende Beispiele. Jedoch: als Kategorie für Rechtextremismus taucht Antizionismus gar nicht auf bei den Autoren dieses Bandes.

Was jedoch den Autoren sehr wichtig ist als Beitrag im Kampf gegen Rechtsextremismus ist das linke Ressentiment gegen Krieg und jenes gegen den Kampf gegen den islamischen Faschismus, den ‚heiligen Krieg‘, der keineswegs nur Israel, vielmehr den Westen, die Moderne, zuerst natürlich die USA, bekämpfen und zerstören möchte. Dem Djihad werden sich deutsche Gewerkschafter offenbar so wenig in den Weg stellen wie sie bislang so bewusst inaktiv (wenn nicht klammheimlich feixend) waren gegen den antijüdischen Boykottaufruf ihrer britischen Kollegen von der University and College Union (UCU).[9]

Das Thema muss also lauten: „Gewerkschaften und Antisemitismus“. Gegen Nazis sind doch ziemlich viele, wenn auch nicht alle, wie der Bürgermeister und FDPler aus Mügeln nachdrücklich zeigt und auch vom bayerischen Ministerpräsidenten der Zukunft, Günter Beckstein, mit der Parole „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ sekundiert wird, gerade jetzt. Doch so wichtig es ist solche Konservativen und Reaktionären zu bekämpfen, so wichtig und absolut untypisch, weil nicht links-identitär ist es, den Antizionismus der Deutschen ins Visier zu nehmen und darum auch nicht zum siebenhundertdreiundsechzigsten Mal einen großen Bogen machen wie die Autoren dieses hier rezensierten Büchleins. Sie wollen nur ihre typisch linke OSI-Identität wahren und nicht lernen, dass manchmal, in historischen Momenten, Krieg die einzige Chance ist bzw. war im Kampf gegen den Faschismus bzw. Nationalsozialismus.

Wer sich dessen bewusst ist, dass einer der Gründer des Konservativismus im 20. Jahrhundert in den USA, Peter Viereck war, der gegen seinen Nazi-Vater rebellierte und konservativ wurde, Freiheit erhaltend, sowie später, in hohem Alter, nach 9/11, auch den neo- (oder neo-neo-?) konservativen Kampf gegen den neuen Faschismus, den grünen, befürwortete, erkennt die von deutschen und sonstigen Linken gezielt völlig verdeckte Dimension im amerikanischen Konservativismus. Dieser zeigt sich in der Person Vierecks als Aufstand gegen einen Nazi-Vater (sein Vater war Hitler-Verehrer seit den 1920er Jahren), später mit der Waffe in der Hand im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen. Solche Antifaschisten jedoch geben für einen ganz normalen deutschen Gewerkschafter kein Vorbild ab. Schade eigentlich.

Anmerkungen:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Otto-Suhr-Institut
[2] http://www.kritiknetz.de/muentefering_konkret.pdf
[3] http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/88736
[4] http://www.hagalil.com/archiv/2007/06/dgb.htm
[5] Die Ankündigung ist so krass, dass ich sie hier im Wortlaut und komplett zitiere: Veranstaltung mit Dr. Heinz Vestner im DGB-Haus, 18.07.07, Raum 006, 5€: „Frieden in Nahost? Als 1993 die Oslo-Verträge unterzeichnet waren, begannen hierzulande alle zu jubeln über den damit angeblich einsetzenden „Friedensprozess“ im Nahen Osten. Daraus ist bekanntlich nichts geworden – trotz ‚road map‘ und ‚Fischer-Plan‘. Die Israelis haben kaltblütig ihre Siedlungspolitik fortgesetzt, eine bis zu 8 m hohe Mauer gegen die Palästinenser errichtet und den Libanon – wiedermal – angegriffen. Dieses ‚Spiel‘ läuft seit 1948. Ist es da ein Wunder, dass Palästinenserorganisationen wie Hamas und Hisbollah immer mehr Zulauf haben? Wer Gewalt sät, wird immer Gewalt ernten. Wieso eigentlich ist die Todesursache Arafats bis heute ‚unbekannt‘?“ Bereits am 06.03.-2007 hatte Vestner im DGB-Bildungswerk eine Veranstaltung zu Hugo Chavez, dem Duz-Freund des iranischen Holocaustleugners und die Zerstörung Israels planenden Ahmadinedschad, damit angepriesen, dass gefragt wurde: „Was also ist dran an diesem Kerl [Chavez, C.H.]? Ne ganze Menge nämlich“, siehe http://www.dgb-bildungswerk-bayern.de/pdf/Muenchen/internet_07_1k.pdf , S. 46.
[6] http://www.dgb-bildungswerk-bayern.de/muenchen/progr_07_2.pdf , S. 48.
[7] Ebd.: 58.
[8] Ebd.: 46.
[9] http://www.jungle-world.com/seiten/2007/33/10425.php

hagalil.com 05-07-07

 

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