Wissenschaft und Publizistik als Kritik

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„Bekämpft die Linkszionisten“ und andere „Verräter“ … Bibi, Gabriel und die Folgen

Wie ein Mantra trägt die deutsche Israelszene seit Jahren das Schild „Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten“ vor sich her. Nun ist Israel tatsächlich die einzige Demokratie im Nahen Osten, was angesichts von islamistischen oder/und arabischen Regimen in Teheran, Ankara, Riad oder Kairo nicht sonderlich schwer ist. Was allerding sehr schwer ist, und schwer vorstellbar aus europäischer Perspektive, ist die Tatsache, dass Israel trotz konstanter Vernichtungsdrohungen seiner arabischen und muslimischen Nachbarn seit 1948 eine parlamentarische Demokratie mit einer vielfältigen Zivilgesellschaft geblieben ist. Aber eben seit 1967 auch eine Besatzungsmacht mit klaren undemokratischen Aspekten. So können z.B. die Siedler im Westjordanland, das nicht zum Staatsgebiet Israels gehört, wählen, während das die dort lebenden Palästinenser nicht können – und auch nicht können dürfen, das ist völlig klar. Eine Einstaatenlösung mit gleichen Rechten für alle wäre eine Katastrophe und das Ende des Judenstaates. Dieses Wahlrecht der Siedler zeigt aber das „Dilemma der israelischen Demokratie“ an, wie der Politikwissenschaftler Anton Pelinka in seinem Buch „Israel: Ausnahme- oder Normalstaat“ 2015 schreibt.

‚Es gibt keine israelische Außenpolitik, nur Innenpolitik‘, sagte einmal der amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Ganz exemplarisch zeigt sich das an dem von Benjamin Netanyahu auf die Bühne der Weltpolitik gehobenen Eklat mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel. Letzterer wollte sich auf seinem Antrittsbesuch in Israel unter anderem und ohne Kameras und ohne Pressekonferenz, eben weil sich der Außenminister (mittlerweile?) offenbar sehr wohl bewusst ist, wie kritische Berichte über Israel im Ausland ankommen, mit zwei linken, kritischen NGOs treffen, Breaking the Silence und B’tselem.

B’tselem – das „israelische Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten“, wurde im Februar 1989 von Intellektuellen und Aktivisten gegründet, darunter auch Amos Oz. Die NGO wendet sich übrigens sehr wohl auch gegen palästinensischen Terror. Amos Oz, der Abraham-Geiger-Preisträger 2017, hat einen aktuellen Spendenaufruf auf der Homepage geschalten. 2016 berichtete der Deutschlandfunk über Einschüchterungen gegenüber der NGO und anderen oppositionellen Gruppen in Israel.

Netanyahu kannte das Besuchs-Programm Gabriels schon seit Wochen, davon gehen viele politischen Beobachter und Kenner diplomatischer Spielregeln aus. Es war also klar, was Gabriel vor hatte und das war auch keine Überraschung. Auch pro-israelische Politiker und Aktivisten wie der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Volker Beck, trafen sich schon mit den genannten israelischen NGOs. Beck findet die Absage des Treffens durch Netanyahu falsch, wie auch das Delegationsmitglied Gabriels, Marieluise Beck, die gleichwohl und zu Recht anmahnt, dass es „Beifall von der falschen Seite“ gibt, und damit müssen israelische NGOs, die sich kritisch mit Israel befassen, rechnen. Doch das rechtfertigt wiederum keineswegs die so unsouveräne wie undemokratische Absage durch Bibi.

Die beiden inkrimierten NGOs sind gegen die Besatzungspolitik Israels im Westjordanland, kämpfen für Menschenrechte und sehen sich, wie Breaking the Silence, selbst als zionistisch an, kooperieren explizit nicht mit der antisemitischen BDS-Bewegung, wie sie schreiben. Im Gegenteil, Breaking the Silence möchte die „Legitimität des Staates Israel bewahren“, wie sie auf ihrer Homepage unterstreichen.

Natürlich kann man jede Kritik an Israel so interpretieren, dass sie BDS in die Hände spiele. Mit dieser antidemokratischen Erpressung mach Netanyahu ja auch seit Jahren Politik und die deutsche Israelszene folgt. Als ich 2015 beim letzten Global Forum for Combating Antisemitism in Jerusalem war, gab es einen merkwürdigen Moment. Im großen Saal mussten sich alle erheben, minutenlang – bevor der große Ministerpräsident hereinkam. Eine gute Bekannte von mir, eine israelische Forscherin, wollte für Bibi nicht aufstehen, schon gar nicht wie zu einer Königszeremonie minutenlang vorher.

Aber natürlich hatte Netanyahu fast alle auf seiner Seite, es geht schließlich um den Kampf gegen Antisemitismus. Doch exakt diese mitunter obsessive Sichtweise auf mögliche oder eingebildete Feinde oder gar neue Hitlers hat der israelische Präsident Reuven Rivlin auf der offiziellen Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Shoah am 25. April scharf kritisiert.

Mehr noch: Rivlin empfing am Abend des 25. April selbstverständlich auch Gabriel, doch so selbstverständlich ist das gar nicht – wie die Haaretz berichtet, empfängt der israelische Präsident Außenminister anderer Länder nur auf Empfehlung des Außenministeriums. Und wer ist derzeit israelischer Außenminister? Netanyahu! Ein „zynisches Spiel“ treibt er also, lässt Rivlin Gabriel empfangen, weigert sich aber selbst, den deutschen Außenminister zu treffen, um somit bei der ideologisch wirklich extremen Rechten (Bennett etc.) zu punkten. Netanyahu selbst ist gar kein ideologisch extremer Rechter, er ist ein Zyniker. Er tue alles für seine Macht, so Haaretz. Mit der einen Hand lädt er Gabriel aus, um ihn mit der anderen zu Rivlin zu schicken, der politischen Nr. 1 im Land!

Ob nun die proisraelischen Proklamationen der beiden hier in Frage stehenden NGOs mit all ihren Aktivitäten in Deckung zu bringen sind, steht auf einem anderen Blatt. Die Aktivitäten sind vor allem gegen die Besatzung des Westjordanlandes gerichtet und dokumentieren anonymisiert Aktionen der israelischen Armee kritisch. B’tselem wurde zuletzt auch schon massiv und zu Recht kritisiert, da sie schon mal in führender Position einen antisemitischen Palästinenser beschäftigte, der dann später entlassen wurde.

Breaking the Silence will offenkundig Israel verbessern, ja schützen und ein Beenden der Besatzung ist für sie dazu ein essentielles Mittel.

Die beiden NGOs sind dennoch, ja gerade wegen ihrer wohl als linkszionistisch zu bezeichnenden Position auch in Israel gerade unter der politischen Rechten und extremen Rechten völlig umstritten, ja das Feindbild in Israel schlechthin. Und manche ehemaligen Mitglieder dieser NGOs mögen sich auch dessen bewusst sein, dass offenkundig die Antisemiten weltweit begierig jedwede wirkliche oder vermeintliche problematische Aktivität der IDF aufgreifen, um Israel an und für sich zu diffamieren (darauf weist Marieluise Beck hin) und seine Auflösung als jüdischer Staat zu fordern oder aber, wie es Islamisten und Jihadisten tun, zum Mord an allen jüdischen Israelis aufzurufen, um Jerusalem zu „befreien“, wie sie es nennen.

Beide NGOs sind legale Gruppierungen und Teil der (noch) sehr vielfältigen israelischen Zivilgesellschaft, so wie zum Beispiel antirassistische Autonome, die die Aushöhlung oder Abschaffung des Asylrechts kritisier(t)en und die deutschen Zustände attackieren (solange sie nicht gerade damit beschäftigt waren, antizionistische Pamphlete zu schreiben), Teil jener in der BRD waren und in marginalsten Teilen noch sind.

Nun ist Gabriel nicht gerade als Intellektueller, Forscher oder wortgewandter Kritiker bekannt, eher als volksnaher Retter kapitalistischer Lebensmittelkonzerne und als sozialdemokratischer Haudrauf, der nicht selten trifft – wie seinen eigenen Nazivater oder die Neonazis der Identitären Bewegung, die er mit einem Stinkefinger begrüßte und Pegida und dessen Umfeld zurecht als „Pack“ bezeichnete.

Er hat aber völlig unreflektiert vor fünf Jahren bei einem Besuch in der heftig umstrittenen – gerade unter linken Zionisten scharf in Frage gestellten – Stadt Hebron das Wort „Apartheid“ bezüglich Israel gebraucht, was einer Diffamierung des Judenstaates gleichkommt und gerade keine interne, israelisch-linkszionistische Kritik mehr ist. Gleichwohl wird hierzulande kaum über das wirklich Problematische auch der Situation in Hebron diskutiert, wo wenige Juden massiv durch die IDF beschützt werden müssen. Wie es überhaupt zur Wiederbesiedelung Hebrons durch einige wenige Juden kam, wäre eine eigene kleine Studie wert.

Und jetzt hatte Gabriel, im sozialdemokratischen Eifer des Gefechts, SPDler wie Juden als Opfer des Holocaust bezeichnet, wenig später wurde das natürlich korrigiert, aber so ein Satz passiert einem nicht. Es zeigt das desolate Niveau innerhalb der heutigen Sozialdemokratie („Sozialdemokraten waren wie Juden die ersten Opfer des Holocaustes. Die einen waren Opfer politischer Verfolgung, die anderen des Rassenwahns.“)

Es geht in der ganzen Affäre Ende April 2017 aber weniger um Gabriel und seine Auffassung der Geschichte, von Hebron oder der Besatzung, sondern um Netanyahu. Es geht um Israel. Und hier versagt die komplette deutsche, selbst ernannte Israelszene.

Netanyahu also setzte Gabriel ein Ultimatum und erhob somit kleine NGOs mit einem relativ überschaubaren Budget, verglichen mit dem Staatshaushalt Israels, auf die gleiche Stufe wie seine Regierung. Gabriel ging nicht darauf ein und das Treffen platzte in der Tat. Bibi wollte ein paar Punkte bei den Ultrarechten in Israel gewinnen, da er innenpolitisch massiv unter Druck steht.

Netanyahu und seine deutsche, fast vollständig nicht-hebräisch sprechende Gefolgschaft behaupten, Breaking the Silence würde israelische Soldaten als „Kriegsverbrecher“ diffamieren. Doch stimmt das? Ein Text (auf hebräisch und englisch) des preisgekrönten Journalisten Haggai Matar sagt genau das Gegenteil, die Gruppe würde vielmehr die Soldaten unterm Strich in Schutz nehmen und die Politik für deren oft nicht unproblematischen Aktionen in Haftung nehmen. Der israelische Professor für Kommunikationswissenschaft am renommierten Interdisciplinary Center in Herzliya, Gadi Wolfsfeld, verteidigt Breaking the Silence ebenso, wie auch der frühere sehr bekannte IDF Eliteeinheitskommandeur von Sayeret Matkal, Amiram Levin, wie die New York Times im Dezember 2015 berichtete. Levin wiederum ist derzeit so enorm frustriert über die rechte politische Elite und die politische Kultur in Israel, dass er, bald 71 Jahre alt, am 4. Juli für die Vorwahlen zum Kandidaten für die Arbeitspartei kandidieren wird.

Maj. Gen. (ret.) Amiram Levin.Tomer Appelbaum read more: http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.786064

Nach Netanyahus Absage an Gabriel am Dienstag, den 25. April 2017 nachmittags, passierte also das zu Erwartende: die gesamte deutsche Israelszene brüllte los, hyperventilierte, schrie und tobte, Gabriel sei unerträglich und habe als „Diplomat versagt“ (Alan Posener). Der Aktivist und Organisator des Israelkongresses von I Like Israel (ILI) und Honestly Concerned (HC), , verglich das Treffen Gabriels mit den linken Zionisten bzw. den beiden NGOs mit einem Treffen eines anderen Außenministers mit den Terroristen der RAF, den rechtsextremen Reichsbürgern oder dem Neonazi und Holocaustleugner Horst Mahler. Ähnlich die Publizistin Jennifer Nathalie Pyka, die zeigt, was sie von der Demokratie und der Zivilgesellschaft hält und schreibt:

„‘Zivilgesellschaft‘ wiederum, darunter versteht Gabriel die NGOs ‚B’Tselem‘ und Breaking the silence‘. Gruppierungen also, die sich vor allem bei kritischen Europäern, die gewöhnlich auch auf genaue ‚Herkunftsnachweise‘ von israelischem Obst und Gemüse achten, einen Namen gemacht haben. Dass beide NGOs mit der israelischen Zivilgesellschaft so viel zu tun haben wie PEGIDA und der schwarze Block mit der deutschen, muss den Außenminister nicht kümmern.“

Damit sekundiert sie die frühere Israelkongressmoderatorin Melody Sucharewicz, die zwei Tage zuvor, am 26.4.2017, eine ebenso antidemokratische und Links und Rechts extremismustheoretisch gezielt gleichsetzende Tirade in der Hamburger Morgenpost abließ:

„Und doch käme Netanjahu im Traum nicht auf den Gedanken, sich mit Vertretern der ‚regierungskritischen‘ Antideutschen oder der Pegida zu treffen.“

Angela Merkel würde aber ganz sicher Netanyahu nicht vorschreiben, dass er sich entweder mit ihr oder mit „antideutschen“ Aktivisten zu treffen habe. So eine Ab- wie Aufwertung von NGOs oder eben der Zivilgesellschaft – Demokratienachhilfe für Pyka: jede nicht staatliche Organisation oder Gruppierung ist Teil der „Zivilgesellschaft“ oder einfach der „Gesellschaft“, wie cool oder bescheuert und gefährlich eine solche Gruppe auch immer sein mag – würde Merkel wohl kaum unterlaufen.

Der ehemalige, langjährige Israelkorrespondent der ARD, Richard C. Schneider, hat die Gemengelage sehr präzise analysiert:

„Ich habe erst mal einen Tag gebraucht, um das ganze Ausmaß des Netanjahu-Gabriel Streits zu verstehen. Die Reaktionen sind ja sofort da gewesen, auf beiden Seiten. Also fangen wir erst mal mit dem Offensichtlichen an: Was Netanjahu getan hat, war unsinnig. Zunächst einmal, weil Israel eine Demokratie ist und es deswegen völlig ok ist, wenn Gabriel die beiden NGOs treffen will. Dann natürlich auch aus ganz banalen Gründen. Es ist ja immer dasselbe Schema: wenn ich meinen Gegner klein halten will, dann ‚übersehe‘ ich ihn am besten. Also: Wenn Netanjahu nichts gesagt hätte, dann hätte Gabriel B’tselem und BtS getroffen und das wär’s gewesen. Denn – er kann diese NGO’s immer sehen und sprechen, und sei’s nur, daß er Vertreter nach Berlin einlädt. Infos zu bekommen, ist heute ja nicht weiter schwierig. So aber hat Netanjahu diese Gruppierungen – im Ausland – hochgewertet, sozusagen ‚auf sein Level‘ hochgeholt. Und er hat in Kauf genommen, daß der wichtigste und engste Freund Israels innerhalb der EU, also Deutschland, erneut ‚verschnupft‘ ist, to say the least. Macht das Sinn?“

Schneider resümiert:

„Doch schlimmer noch als der Eklat mit Deutschland ist das, was in Israel tatsächlich geschieht: Der Versuch dieser Regierung, Menschen oder Gruppierungen, die andere politische Anschauungen haben als sie selbst, mundtot zu machen. Das geschieht schon lange, zumindest wird es versucht. Mittels entsprechender Gesetzesvorlagen, aber auch mittels eines öffentlichen Diskurses, der politische Gegner zunehmend desavouiert. Das allerdings ist ein Phänomen, das man in vielen westlichen Demokratien beobachten kann.“

So ist dieser Eklat ein Lehrstück in Demokratiekunde und den antidemokratischen Tendenzen, ja den Ausgrenzungstendenzen in der deutschen Israelszene. Man könnte drüber lachen, wäre es nicht ein so ernstes Thema.

Was all diese losbrüllenden Typen nicht verstehen wollen: Deutschland wie auch die USA unter Obama sind Verbündete des Judenstaates, und zwar explizit eines jüdischen Staates Israel. Gabriel als Antisemiten zu denunzieren und ihn de facto in eine Reihe mit BDS, dem Iran oder arabischen Antisemiten zu stellen, ist grotesk, infam, aber politisch gewollt.

Das Ziel der deutschen Israelszene scheint zu sein, analog zu jenem der aktuellen israelischen Regierung, die ja niemals für Israel als Ganzes steht, sondern nur für einen Teil Israels: Die (extreme) Rechte in Israel soll gestärkt werden, koste es, was es wolle. Und natürlich wissen die deutschen Aktivisten und Blogger alles viel besser als liberale oder linke Israelis.

Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hat die Ausladung Gabriels durch Netanyahu scharf kritisiert und als ein Zeichen von politischer „Schwäche“ analysiert.

Insofern möchte die deutsche Israelszene ein schwaches Israel, eines, das sich blamiert, NGOs auf Regierungsniveau hebt, sie innenpolitisch aber völlig an den Rand drängt und bedroht. Diese Szene unterstützt Israel dabei, befreundete Regierungen, von denen es nun nicht gerade viele gibt (!), als quasi antisemitisch zu diffamieren. Netanyahu und die deutsche Israelszene scheinen einen massiven Realitätsverlust zu erleiden, wenn sie nicht mehr zwischen jihadistischen Vernichtungswünschen, der iranischen Gefahr, BDS-mäßiger Diffamierung oder philosophischer, Judith Butler-mäßiger Delegitimierung des zionistischen Projektes und kritischen, aber völlig pro-zionistischen Positionen wie von John Kerry oder selbst einem Sigmar Gabriel zu unterscheiden vermögen.

Dieses Jahr jährt sich der Sechstagekrieg zum 50. Mal und somit auch der Beginn der Besatzung der Westbank, des Westjordanlandes oder von Judäa und Samaria. Das wird weltpolitisch einige Aktivitäten mit sich bringen. Und jetzt ist die Zeit, das zionistische Projekt zu verteidigen – gegen die rechte Regierung von Netanyahu, die dabei zu sein scheint, die Opposition gegen die Besatzung zu kriminalisieren und zu delegitimieren.

Nie war die Kritik an der Besatzung wichtiger als heute. Das sehen auch Hunderte ehemalige Generäle, Offiziere und andere Führungspersönlichkeiten der israelischen Armee, des Geheimdienstes oder der Polizei so. Sie haben sich 2014 in „Commanders for Israel’s Security“ zusammengeschlossen. Auf diese Organisation und deren Einsatz gegen die Besatzung und für Israels Sicherheit weist der amerikanische Journalist Rob Eshman aus Los Angeles im Jewish Journal hin.

Es geht um die Kritik an rechten Regierungen und an der israelischen Besatzung des Westjordanlandes, beides zutiefst zionistische Anliegen. Dabei muss die scharfe Attacke und Kritik des Palestinian Rejectionism, also der palästinensischen Weigerung, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, komplementär zur Seite stehen.

Diese Anliegen nicht zu erkennen, ja Netanyahu in allem was er tut zu folgen und gerade jetzt peinlichste und politisch desaströse „Liebeserklärungen“ an ihn (wie in der taz) zu publizieren, zeigt, wie desolat hierzulande über Menschenrechte, Zionismus, Israel und die Besatzung diskutiert wird.

Früher hätte man gedacht, es wäre ein Fortschritt, wenn z.B. die taz weniger antisemitische und mehr pro-israelische Artikel publizierte. Ein Pyrrhussieg, wenn dabei das Denken, die Analyse und Kritik wie das Wahrnehmen des Menschenrechtsdiskurses, die Kritik an der Besatzung und die Aktivitäten des Linkszionismus in Israel auf der Strecke bleiben.

Offener Brief an Moshe Zuckermann: Kritik, das Unheimliche und der Zeitgeist

Von Dr. phil. Clemens Heni, 12. März 2017

Die Deutschen mögen nur tote Juden, Islamisten gar keine. Das ist der Ausgangspunkt antideutscher Kritik unserer Zeit. Kein Land der Welt wird weltweit mit Vernichtung bedroht, nach doppelten Standards gemessen, dämonisiert und attackiert wie der jüdische Staat Israel. Antisemitismus, inklusive heutigem Antizionismus, ist sehr weit verbreitet, in akademischen, feuilletonistischen, aktivistischen bis hin zu jihadistischen Varianten.

Die UN verurteilt kein Land der Welt so häufig und nachgerade obsessiv, wie Israel. Hätten die Araber 1947 den UN-Teilungsplan akzeptiert, gäbe es heute einen jüdischen und einen arabischen, palästinensischen Staat in Teilen von Eretz Israel.

Doch das enthebt Israel nicht einer Selbstkritik, wie jede Demokratie sich permanent selbst hinterfragen sollte, um sich zu verbessern.

Ihr Artikel „Deutsche Befindlichkeiten. Wie eine vorgebliche Antisemitismusbekämpfung zur ideologischen Farce gerät“ bringt einige Aspekte der deutschen Linken und der sog. Israelszene (und namentlich der „Antideutschen“ darin) durchaus treffend auf den Punkt. Doch Ihre Motivation scheint keineswegs eine israelsolidarische Kritik zu sein, mit der Intention, den Zionismus zu verbessern. Eher beschleicht einen bei Ihnen das Gefühl des „Unheimlichen“ von Freud, so wie Sie es 1988/89 in Ihrer bei Saul Friedländer eingereichten Dissertation über die Rezeption der Französischen Revolution im deutschen Vormärz gegen Ende anführen:

„Freud veranschaulicht diesen Zusammenhang von Verdrängtem und Angst anhand von Beispielen und weist, unter anderem, darauf hin, daß wir ‚auch einen lebenden Menschen unheimlich [heißen], und zwar dann, wenn wir ihm böse Absichten zutrauen.’“[i]

In Ihrem Text vom 10. Februar 2017 schreiben Sie über die Israelszene und „antideutsche Kommunisten“:

„Denn nicht nur mit dem Kommunismus hatte diese Bewegung nicht sehr viel zu schaffen, auch ihr Anspruch, ‚antideutsch‘ zu sein, erwies sich als hohles Gerede: Da ihnen ihre historische Identifikationsmatrix infolge des Zusammenbruchs des Sowjetkommunismus abhanden gekommen war, fand der Antifazweig der ehemals ‚antideutschen Kommunisten‘ seine neue Identität in einem nebulösen Antideutschtum, das sich darin manifestierte, dass man sich mit ‚Juden‘ vorbehaltlos zu solidarisieren habe, weil Deutschland Schlimmstes an ihnen verbrochen hatte.“

Auch wenn die Kritik am häufig reduktionistischen Verständnis von „antideutsch“ durchaus zutreffend ist, so sind doch Leute, die sich mit Israel solidarisieren, grundsätzlich sympathischer als jene, die mit Leuten kooperieren, die das Werk Nazi-Deutschlands vollenden wollen, wie der Iran oder ungezählte arabische, islamistische Hetzer, Prediger und ihr muslimisches, BDS-mäßiges oder rechts/linksdeutsches Fußvolk.

Weiter schreiben Sie:

„Dass sie sich nicht entblöden, kritische jüdische Intellektuelle schmähend zu verfolgen, um eine vermeintliche ‚Israel-Solidarität‘ zu wahren, ist ein beredtes Zeugnis ihres eigenen neurotischen Zustands als in Deutschland lebende Juden. Dass sich deutsche Behörden und Funktionsträger von ihnen einreden lassen, wer und was ‚antisemitisch‘ sei, macht darüber hinaus evident, zu welch bedenklicher Neuralgie der offizielle Umgang mit Juden im heutigen Deutschland inzwischen geronnen ist.“

Man könnte meinen, Ihnen ginge es um eine tatsächliche und nicht nur eine „vermeintliche“ „Israelsolidarität“. Aber stimmt das?

Grundsätzlich haben Sie, denke ich, mit einer Kritik der teils abstrus einseitigen, undifferenzierten und Juden als Subjekte gerade nicht ernst nehmenden, ja sie und die israelische Realität bewusst ignorierenden deutschen Israelszene einen Kern des Problems exakt benannt. Doch nehmen Sie, geehrter Herr Zuckermann, Juden als Subjekte ernst, namentlich linke, liberale oder auch konservative politische Zionisten, die für einen jüdischen und demokratischen Staat Israel einstehen und für diesen Judenstaat kämpfen, intellektuell, mit der Waffe der Kritik oder auch mit der Waffe in der Hand?

Sie stellen sich als Verteidiger Israels vor:

„[Israel] steht vor der Wahl zwischen der (nicht gewollten) Zwei-Staaten-Lösung, deren Verwirklichung in einen innerjüdischen Bürgerkrieg münden könnte, und der sogenannten binationalen Lösung, die aber als Apartheid-Struktur vollzogen würde. Dass beide Lösungen das Ende des historischen zionistischen Projekts bedeuten könnten, mag, ja muss einen um sein Land besorgten Israeli in die Kritik, womöglich auch in die politische Agitation treiben.“

Es gibt derzeit in der Tat nicht wenige Israelis und Vertreter*innen der „Israelsolidarität“, die kein Problem mit US-Präsident Trump und seinem aus dem Munde eines US-Präsidenten nie da gewesenen Kokettieren mit der Ein- oder Zweistaatenlösung haben. Manche Israelis sehen in Trump eine Art Messias und sehen die Besatzung nicht als Problem, sondern als prophetisches Siedeln. Viele linke oder liberale und auch konservative, zionistische Israelis sind jedoch weiter für eine Zweistaatenlösung.

Ihr Text erschien in dem nationalbolschewistischen Agitationsblatt junge Welt, was es unwahrscheinlich macht, dass Sie es mit Ihrer Sorge um den Erhalt Israels ernst meinen könnten. Die Schenkelklopfer der jw-Abonnent*innen gegen vermeintliche „Antideutsche“, die Ihr Text ausgelöst hat, sind eklig, um es ganz vornehm auszudrücken.

Viele Islamisten, Muslime, Nazis und erhebliche Teile des Mainstreams verabscheuen, ja hassen Israel. Das mag sich die letzten Jahren evtl. etwas gewandelt haben – zumindest bezüglich gewisser Teile der Linken und mancher Medienberichte, die nicht mehr nur antiisraelisch sind –, aber nicht erst, aber verschärft seit Herbst 2000 und nach dem islamistischen Massenmord von 9/11 war und ist Israelhass ein massives Problem in Germany, Europa, USA, dem Nahen Osten und weltweit. Pro-Hitler Statements, Vergasungswünsche für Juden und viele ähnliche, schockierende Stellungnahmen wie auf Facebook von Deutsch-Türken nach der Mavi Marmara Aktion 2010 zeigen die Notwendigkeit der Antisemitismuskritik.

Walser, Grass und die AfD tun ein Übriges um die Notwendigkeit der Antisemitismuskritik zu untermauern. Dazu kommen Facetten postkolonialer Ideologie, die Universalisierung der Shoah, die Gleichsetzung von Rot und Braun und natürlich die antizionistische Ideologie, die nicht nur Yad Vashem vorwirft, den präzedenzlosen Charakter der Shoah zu betonen.

Der arabisch-israelische Konflikt ist seit 1947 ein Kernproblem des Antisemitismus wie des Nahen Ostens. Es ist ein arabisch-israelischer Konflikt und nicht ein israelisch-palästinensischer, der aber hinzukommt bzw. ersteren ergänzt. Dabei ist die Weigerung der Araber und Palästinenser, Israel als jüdischen und demokratischen Staat anzuerkennen (mit einer arabischen Minderheit, die viel größer ist, als alles, was europäische Gesellschaften an Minderheiten ertragen würden, ohne faschistisch zu werden) nicht das einzige Problem. Das zu betonen ist richtig und womöglich meinen Sie das, auch wenn Sie das unbeholfen ausdrücken oder absurde, perfide, ja extrem gefährliche (für Sie vielleicht lustige oder aufregende) Umwege über Israel-Nazi-Vergleiche gehen, wie wir gleich sehen werden.

(Pro-)palästinensischer Terror und Antisemitismus sind für Sie in gewisser Weise nur eine Reaktion auf die Besatzung. Und damit zeigen Sie auf erschreckende Weise, dass sie gerade nicht wissen, was heute Antisemitismus ist – denn Juden Verschwörungen anzudichten, sie als Söhne von „Affen und Schweinen“ zu diffamieren, ihnen Blood Libels, Brunnen- oder Kaugummivergiftung anzuhängen, ihnen die Herrschaft der Medien, der USA oder des Kapitalismus zu unterstellen, sind antisemitische Topoi, die überhaupt gar nichts mit dieser oder jener Politik Israels seit 1948 oder 1967 zu tun haben. Wer Juden ins Gas wünscht, möchte damit nicht seine oder ihre Kritik an der Besatzung ausdrücken, sondern ihren oder seinen Wunsch, Juden zu töten. Das ist der Kern des Antisemitismus. Das wissen Sie nicht, obwohl Sie doch im September 2002 sagten:

„In Deutschland treffe ich einerseits auf Antisemiten, andererseits auf Leute, die mich wegen meiner kritischen Haltung als Vorzeigejuden linker Antisemiten bezeichnen. Da kann ich nur antworten: Kinder, lehrt mich nicht, was Antisemitismus ist. Ich komme aus einem Zuhause, wo man das weiß.“[ii]

Wie kommt es dann, dass Sie Bücher als „exzellent“ belobigen, als Dissertation annehmen und sie mit einem Vorwort beglücken wie jene Studie von Joachim Nicolas Trezib,[iii] die den Nationalsozialismus und den „Generalplan Ost“ mit der israelischen Landesplanung vergleichen und im Zionismus einen Aufguss rachsüchtiger alttestamentarischer Praktiken sehen? Der Vergleich des genozidalen Generalplans Ost mit Israel ist eine Schuldabwehr und Schuldumkehr, trivialisiert den SS-Staat auf unerträgliche, aber sehr typische, deutsche Weise. Mit so einer Belobigung heutiger Forschung sind Sie mitten im Zeitgeist, Herr Zuckermann. Und dieser akademische Zeitgeist ist nicht selten und hier ganz besonders antisemitisch. Sie wissen also keineswegs was Antisemitismus hier und heute bedeutet.

Die Fragestellung Trezibs ist nicht nur einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit unwürdig, sondern indiziert vor allem den antijüdischen Ton, der heute an deutschen Universitäten wieder da ist, auch Dank Ihrer Hilfe:

„Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der im Jahre 1933 durch den deutschen Humangeographen Walter Christaller (1893–1969) in seiner Dissertationsschrift entwickelten, sogenannten Theorie der zentralen Orte (Abb. 1 und 2; Abb. 38 und 39, s. Farbabbildungsteil) und ihrer Rezeption im Rahmen der unter dem sog. ‚Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums‘ (RKF), Heinrich Himmler, nach 1939 initiierten NS‐‚Generalplanung‘ für die eroberten Ostgebiete sowie ihrer Rezeption im Rahmen des als Sharonplan bezeichneten, ersten israelischen Nationalplans, in dessen Umfeld die Grundlagen der Raumordnungstheorie und ‐praxis in Israel seit der Staatsgründung im Mai 1948 bis zum Sechs‐Tage‐Krieg im Juni 1967 ausgebildet werden.“

Es geht Trezib gar nicht primär um Beweise der Beziehung von Arieh Sharon zu jenem Walter Christaller, sondern um ein Gschmäckle: wer in Zukunft über israelische Landesplanung nachdenkt oder darüber hört, soll sich an den „Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums“ (RKF) Heinrich Himmler erinnert fühlen. Das ist die Message, die das ganze Buch durchzieht und an einer deutschen Hochschule durchgewunken wurde. Das ist der Skandal.

Alle wissen, dass Israel nicht dutzende Millionen Menschen ermorden wollte, wie es der „Generalplan Ost“ vorsah. Alle wissen auch, dass Himmler für die Vernichtung von sechs Millionen Juden hauptverantwortlich war. Ihn im gleichen Atemzug wie einen Juden, Arieh Sharon, auch nur zu nennen, ist an Obszönität nicht zu überbieten. So funktioniert heute akademischer Antisemitismus.

In Ihrem vor Lob überschäumenden Vorwort zu Trezibs Studie schreiben Sie:

„Um aber auf dies ‚Skandalöse‘ eingehen zu können, sei vorab klargestellt: Es handelt sich hier um eine Arbeit, die sowohl bei der Entdeckung, Auswertung und Verarbeitung von unbekannten Archivmaterialien als auch bei der Theorie- und Begriffsbildung sowie der durchgehenden Stringenz der Argumentation herausragt.“

Dann schauen wir uns Trezibs Arbeit mal etwas näher an.[iv] Die Trivialisierung der Shoah zeigt sich bei Trezib in ihrer Rationalisierung, einer in Deutschlands Historiographie von Hans Mommsen bis Götz Aly und bei vielen weniger bekannten Autorinnen und Autoren beliebten Strategie, weder vom Antisemitismus noch von Deutschland, dafür von ganz unspezifischen Strukturprinzipien der Moderne, von Technik und Kapitalismus zu reden:

„Schivelbusch beschreibt die psychologische Komponente des Phänomens ‚Rationalisierung‘ der 1920er Jahre als Sublimierung des ‚homo militaris‘ zum ‚homo oeconomicus‘. Mit der ‚Rationalisierung‘ des Judenmords erreichte diese nicht erfolgreiche Sublimierung dann ihren Höhepunkt.“

Die Trivialisierung des Präzedenzlosen des Holocaust geht bei Trezib einher mit einer Delegitimierung und Dämonisierung von Juden und Israel. Die ganze Motivation seiner Dissertation scheint in der Diffamierung von Juden wie Arieh Sharon zu liegen, dessen israelischer nationaler Plan zur Gliederung des Landes der frühen 1950er Jahren mit dem genozidalen Programm des nationalsozialistischen Generalplan Ost analogisiert wird.

Auch am Beispiel der sog. „Technokratie“ und des Technik- und Industriediskurses zeigt sich das auf perfide Weise. So setzt Trezib in einem Kapitel mit Walther Rathenau ein, der als gleichsam fanatischer Verfechter der bösen Technokratie via Elektrizität vorgestellt wird, und er beendet das Kapitel in einer geraden Linie beim Nationalsozialismus, für den dann in dieser Hinsicht auch noch ein 1922 von Nazis ermordeter Jude – was gar nicht der Erwähnung wert ist – mit verantwortlich gemacht wird. So läuft heute die Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik und solche kruden Texte und abstrusen Linien evozieren nicht etwa Gelächter oder Kopfschütteln sondern einen Titel.

Da verwundert es dann auch nicht, dass sich Trezib an Rainer Zitelmann, ein Apologet Hitlers in spezifisch neurechter Weise und in der wissenschaftlichen Analyse des heutigen Rechtsextremismus und der Neuen Rechten einer der bekanntesten Vertreter eines Strangs – des staatszentrierten, autoritären – der Neuen Rechten seit den 1980er Jahren, gleichsam anschmiegt:

„Wie insbesondere Rainer Zitelmann betont hat, beinhaltete Hitlers Lebensraum Ideologie eine durchaus moderne geopolitische Komponente: Sie bezweckte die Errichtung eines autarken deutschen Kontinentalreichs, dem die Energiereserven und Bodenschätze des Ostens uneingeschränkt zur Verfügung stehen würden, und das damit in den Rang einer Weltmacht aufsteigen würde.“

Im Zentrum steht hierbei die Betonung des angeblich „Modernen“ des Nationalsozialismus. Zitelmann wie auch viele andere Hitlerbewunderer (die sich natürlich meist anders nennen) möchte den Nationalsozialismus sozusagen retten und verteidigen, indem er dessen „moderne“ Elemente hervorkehrt und vom präzedenzlosen Massenmord an den europäischen Juden schweigt oder ihn als Petitesse abtut, mit der zu befassen ein Deutscher keinen Grund habe. Zitelmann war zumal in den 1990er Jahren ein führender Vertreter der Neuen Rechten und des „Geschichtsrevisionismus“.

Diese neu-rechte Ideologie fällt Trezib entweder nicht auf oder aber er teilt diese Apologie des NS-Staates. Er nazifiziert die Landesplanung Israels, da auch die Nazis, wie die Juden, das ist die Botschaft der Studie, eine „Bevölkerungsverteilung“ oder gar – wie im „Generalplan Ost – einen Massenmord an Millionen „Nicht-Lebenswerten“ im Osten planten – indem er schreibt:

„Das eindeutig dominierende, zentrale und immer wiederkehrende didaktische Leitargument, das Sharon aus diesen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen der nationalen Planung in Israel herleitete, wurde durch die sogenannte population dispersal – bzw. Bevölkerungsverteilung – konstituiert. Man kann sagen, dass sich alle Einzelargumente und Konkretisierungsschritte des Plans der didaktischen Logik dieses Leitarguments unterordneten. Zum Zeitpunkt der Staatsgründung, so die Argumentation des Architekten, habe der überwältigende Anteil (82 Prozent) der jüdischen Bevölkerung ausschließlich den schmalen Küstenstreifen zwischen Haifa und Tel Aviv besiedelt.“

Bereits im Untertitel seiner Studie setzte Trezib Israel und den Sharonplan für Landesplanung mit dem genozidalen „Generalplan Ost“ in direkte Beziehung. Diese Trivialisierung des SS-Staates und die Dämonisierung des jüdischen Staates flutscht heute an Universitäten offenbar runter wie Honig. Gegen Ende seiner Studie schreibt Joachim Trezib schließlich folgende Zeilen:

„Was auch immer an Rationalität die wirtschaftlichen und räumlichen Modelle der Planer parat hielten – am Ende erwies sich die ‚göttliche Mission‘ Hitlers als ‚Erlöser Deutschlands‘, die ‚pseudoreligiöse Verklärung von Politik [im Gewande, JT] traditioneller christlicher Formen‘ als Rückfall in den eschatologischen Fundamentalismus der Vormoderne, erwies sich der NS-Rassewahn als Neuauflage des primitiven mittelalterlichen Antisemitismus; ebenso, wie sich die zionistische Kolonisation, je länger ihr Prozess andauerte, als moderner Aufguss eines als sakrosankt definierten, rational nicht zwingend begründbaren religiösen Mythos entpuppte, eine Neuauflage der in den biblischen Überlieferungen so blumig geschilderten Unbarmherzigkeit, mit der sich einst auf Gottes Geheiß die Israeliten ‚mit der Schärfe des Schwerts‘ der ‚Vertilgung‘ der kanaanitischen Städte und der ‚Vollstreckung des Banns‘ an ihren Einwohnern befleißigten. Die biblische Rhetorik erscheint in einem solchen Zusammenhang von beklemmender Aktualität.“

Nicolas Trezib macht mit diesem Zitat noch einmal unmissverständlich deutlich, wie heute Antisemitismus funktioniert (den Sie, geehrter Herr Zuckermann, nicht erkennen können oder wollen, aber salonfähig machen): er setzt Hitler mit den Zionisten gleich bzw. in direkte Beziehung. Das ist ein Post-Auschwitz-Antisemitismus. Mehr noch: Trezib diffamiert das Judentum generell, das gleichsam die Blaupause für die „Schärfe des Schwertes“ des Zionismus gegeben habe, denn die „biblische Rhetorik“ sei von „beklemmender Aktualität“. Die Verleumdung der Religion des Judentums ist altbekannt und zählt zum klassischen Repertoire des Antisemitismus. Dass Sie das nicht nur nicht erkennen, sondern diese Studie anpreisen, ist schockierend.

Auch der verurteilte Holocaustleugner, frühere Kommunist, zum Islam Konvertierte und Antizionist Roger Garaudy benutzte wie Trezib exakt diese Stelle der „Schärfe des Schwerts“, mit der die „Israeliten“ ihre Feinde abschlachteten und bezieht das ebenso auf das heutige Israel, womit er sich Freunde nicht nur bei deutschen Neonazis machte.

In diesem Zitat ist zudem das klassische Ressentiment gegen das Judentum enthalten. Das Judentum, heute durch den Zionismus repräsentiert, beinhalte bis heute die „biblische Rhetorik“ der „Schärfe des Schwertes“, sei blutrünstig und unbarmherzig. Diese Agitation gegen das Judentum, den Zionismus und Israel ist beängstigend platt, feiert aber in manchen Kreisen seit Jahren ein Stelldichein in der Diffamierung gerade monotheistischer Religionen wie dem Judentum. Wir haben das z.B. an der in der FAZ, der Giordano Bruno Stiftung, dem Mainstream der deutschen Gesellschaft, aber selbst unter sich als angeblich „antideutsch“ und besonders israelsolidarisch fühlenden linken Israelfreunden geführten Agitation gegen die Beschneidung im Jahr 2012 erlebt , die in der jüdischen Welt wie ein Schock erfahren wurde.

Trezibs Studie steht exemplarisch für eine neue Qualität des ganz nüchtern-akademisch daherkommenden sekundären Antisemitismus, eines Antisemitismus, der sich pudelwohl fühlt, links und kritisch dünkt und gerade in der Universalisierung der NS-Ideologie und vor allem der Analogisierung von Täter und Opfer, Nazi und Jude, etwas Befreiendes zu sehen scheint, womit wir im Mainstream Deutschlands angekommen sind. Schuldabwehr und Schuldprojektion gehen hier Hand in Hand. Deutschland sieht weniger düster aus, wenn auch die Landesplanung in den USA oder Israel quasi „völkisch“ oder „ethnisch“ und exkludierend waren.

Das ist der neue Antisemitismus, jener nach Sobibor, Treblinka, Majdanek, Babi Yar und Ponary. Ein Antisemitismus, der obsessiv Juden mit Nazis analogisiert, Israel und den Nationalsozialismus. Dass so etwas nicht etwa als Text in einer judenfeindlichen Postille, sondern als Dissertation an einer Universität angenommen und von einem der renommiertesten (sprich: teuersten) Verlage des Landes gedruckt wird, ist ein Skandal, der keiner ist, weil es niemandem mehr auffällt in diesem neuen Deutschland. Angenommen wurde diese Doktorarbeit vom Historiker Günther Uhlig, Zweitgutachter waren Sie, Moshe Zuckermann, unterstützt wurde die Forschung von der Gerda-Henkel-Stiftung.

Um den Skandal, der natürlich keiner ist, in diesem Land, zu komplettieren: Publiziert wurde die Arbeit von Joachim Nicolas Trezib in der Reihe „Europäisch-jüdische Studien. Kontroversen“, herausgegeben vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Potsdam, in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg im de Gruyter Verlag.

1971 schrieb der Philosoph und Holocaustüberlebende Vladimir Jankélévitch:

„Dieses schändliche Geheimnis, das wir nicht benennen können, ist das Geheimnis des Zweiten Weltkrieges und in gewisser Weise das Geheimnis des modernen Menschen: Auf unserer Moderne lastet nämlich der ungeheure Holocaust wie ein unsichtbares Schuldgefühl, selbst wenn man nicht darüber spricht. Comment s’en débarraser? Dieser Titel eines Stücks von Ionesco mag recht gut die Beunruhigungen des sichtlich guten zeitgenössischen Gewissens kennzeichnen. Das Verbrechen war zu schwer, die Verantwortung zu schwerwiegend, bemerkt Rabi mit bitterer Klarheit. Wie werden sie sich von ihrem latenten Schuldgefühl befreien? Der ›Antizionismus‹ ist in dieser Hinsicht ein un-gesuchter Glücksfall, denn er gibt uns die Erlaubnis und sogar das Recht, ja selbst die Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist der gerechtfertigte, schließlich jedermann verständlich gemachte Antisemitismus. Er ist die Erlaubnis, demokratischerweise Antisemit zu sein. Und wenn die Juden selbst Nazis wären? Das wäre wunderbar.“

Dazu kommen wie erwähnt immer abrufbare Ressentiments gegen das Judentum wie die Beschneidung, da machen dann neben der FAZ und den veganen Tierrechtlern (nicht nur in Hamburg) auch die nicht-jüdischen Neocon-Pro-Israelis mit. Gremliza hingegen macht da nicht mit.[v]

Wenn Sie nun, geehrter Herr Zuckermann, Bände publizieren, die den Titel tragen „Wider den Zeitgeist“[vi], kann man nur laut auflachen. Eine Diffamierung der Antisemitismuskritik, bei aller berechtigten Kritik an den Trotteln wie Fanatikern in den heutigen Israelszenen in USA, Europa und in Israel selbst, ja ein Vergleich des Nationalsozialismus mit Juden und Israel ist doch absoluter Mainstream. Trezibs Arbeit bedient diesen Mainstream und die Arbeit ist für Sie „intellektuell exzellent“. Wenn es Sie angeblich ernsthaft nervt, und das völlig zu Recht, dass viele in der Israelszene die Dramatik vor und nach dem Mord an Rabin vor über 20 Jahren nicht erkennen und immer nur die Schuld bei den Palästinensern suchen, warum unterstützen Sie dann Israel dämonisierende und gerade nicht solidarisch kritisierende Arbeiten wie jene Trezibs?

Nicht nur Shoah- und Nationalsozialismusverharmloser, auch Habermasianer fühlen sich als Universalisten und Kosmopoliten pudelwohl und jedem Partikularismus wie auch Emmanuel Levinas und dem jüdischen und demokratischen Staat überlegen, ohne sich je mit Levinas näher beschäftigt zu haben. Angesichts von Pegida, AfD, Orban, Brexit, Wilders, Putin, Erdogan sind natürlich Kosmopoliten sympathische Zeitgenoss*innen. Aber dialektisch gedacht gehört eben der jüdische und zionistische Partikularismus, demokratisch, dazu, der sich gerade philosophisch gegen den Universalismus und für die Differenz einsetzt. Zu kompliziert für deutsche Linke.

Viele selbst ernannte Israelfreunde interessieren sich kaum oder gar nicht für Israel und die Juden. „Lieber Adorno lesen als Hebräisch lernen“ ist deren Motto (Grigat), dabei spricht nichts gegen Adorno, aber was spricht gegen Hebräisch, wenn man sich für Israel interessiert? (Gut, ich kann auch kein Hebräisch, für einen Schwaben ist Hochdeutsch schon schwierig genug). Ihre Behauptung, die Kritische Theorie sei „inkommensurabel“ mit dem Zionismus, ist empirisch widerlegt, ohne die intellektuellen Kämpfe gerade Max Horkheimers, das Spannungsverhältnis von Judentum und Zionismus zu ignorieren. Was jedoch häufig entwirklicht wird, auch von Ihnen, sind die pro-israelischen Statements der führenden Kritischen Theoretiker Horkheimer, Adorno, Löwenthal und Marcuse, lediglich Fromm wurde ein Antizionist.[vii]

Ich sehe nicht, wo Sie sich quellenbasiert mit Adorno oder den Positionen der Kritischen Theorie zu Israel en detail je beschäftigt hätten. Es sind meist Essaybändchen oder Interviews, die Sie publizieren (seit Ihrer Diss. 1988/89), gerade zu Israel, aber unter Forschung versteht man doch etwas mehr. Hätten Sie empirisch etwas zur Kritischen Theorie geforscht, hätten Sie folgendes entdeckt:

1967 gibt es eine der ganz seltenen Stellen im Werk Adornos, wo er auf Israel und die genozidale Gefahr für Juden im Hier und Heute des Nahen Ostens zu sprechen kommt. Das ist von großer Bedeutung, wenngleich es keine intensive Beschäftigung mit dem Zionismus ersetzt – denn im Gesamtwerk Adornos spielten der Zionismus und später Israel kaum eine Rolle. Er schreibt in einem Geburtstagsgruß für Gershom Scholem:

„Scholems würdig ist die Paradoxie seiner Wirkung: heute, da er siebzig Jahre als wird, hat der Ordinarius der Universität Jerusalem bei allen Menschen, denen nicht nur am Geist des Judentums sondern am Überleben der Juden selbst etwas gelegen ist, die Autorität des Weisen gewonnen. Großartig widerspricht sie dem antiautoritären Zug seines Lebens und des von ihm Interpretierten. Seine Nüchternheit gewinnt heilsame Kraft, nicht nur gegen ideologisches Pathos sondern auch in einer Realität, in der nach wie vor die Juden, unter den schmählichsten Vorwänden, mit Vernichtung bedroht werden. Am Ende ist es Scholems Gewalt, daß er nicht apologetisch die Kräfte der Vernichtung, drinnen und draußen, verleugnete, sondern daß er ihnen seine Erkenntnis vorbehaltlos öffnete, mit einem Mut, den nur die Allerstärksten aufbringen. Wie kein Zweiter hat er die Würde der Idee des mystischen Nihilismus hergestellt.“

Diese Einschätzung Adornos wurde am 2. Dezember 1967 in der Neuen Zürcher Zeitung publiziert und ist heute so aktuell wie damals: wem am „Geist des Judentums“ etwas gelegen ist, der oder die sollte auch „am Überleben der Juden“ interessiert sein, alles andere ist Heuchelei oder eben der Jargon der Uneigentlichkeit Judith Butlers. Diese angesichts des neuen linken Antisemitismus nach dem Sechstagekrieg geäußerte Angst Adornos vor der Gefahr der „Vernichtung“ der bedrohten Juden in Israel widerlegt die von Ihnen, geehrter Herr Zuckermann, in den antiisraelischen Raum der Susann Witt-Stahl geworfene Behauptung:

„Adorno als Apologet der IDF ist schon keine Plünderung mehr, sondern eine Vergewaltigung durch perverse intellektuelle Unzulänglichkeit.“[viii]

Da Sie das ohne Kenntnis des Werks Adornos sagen, kann man Sie einfach nicht ernst nehmen. Es gibt sehr wenige Stellen Adornos zu Israel, aber jenen öffentlichen Text vom 2. Dezember 1967 müssten Sie halt schon kennen, wenn Sie wollen, dass man Sie als Adornoforscher ernst nimmt.

Dabei gibt es vertrottelte Antifas, die tatsächlich den Zweiten Weltkrieg ihrer Großväter nachspielen wollen und jetzt die Palästinenser als Opfer auswählen, die es als Volk ja gar nicht gebe und die kein Recht auf einen Staat hätten. Die gleichen Typen sind nicht selten ignorant gegen die Kritik der Mathematisierung der Welt, die ein Kernpunkt der „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno (1944/47) und eine Kritische Theorie der Naturbeherrschung ist, und blöken nur „Beton, Beton, Beton“ wie die Antilopengang.[ix]

Wenn Sie in Ihren Text im Februar 2017 schreiben:

„Denn nicht nur konnte man nun die ‚Juden‘ noch effektiver entkonkretisieren, sondern man durfte sie sich nun als ein abstraktes politisches Kollektivsubjekt denken, das Subjekt des zionistischen Staates Israel. Und als solches Subjekt wurden sie pauschal als Überlebende des Holocaust und ihr Staat entsprechend als eine geheiligte Zufluchtsstätte apostrophiert. Die Juden also in ‚Israel‘ wissend, blieb nur noch eins zu verrichten: den ‚Antisemitismus‘ im eigenen Land zu bekämpfen, und zwar rücksichtslos“,

trifft das nicht wenige Vertreter*innen der Israelszene – wobei man sich gleichwohl die Frage stellen muss, warum man gerade da aufschreit, wo ein paar wenige Aktivist*innen „rücksichtslos“ den „Antisemitismus im eigenen Land bekämpfen“ wollen. Sollen Sie etwa rücksichtsvoll vorgehen? Gleichwohl liegt darin auch eine gewisse Ignoranz gegenüber den Realitäten in Israel. Natürlich hat die Kritik am Antisemitismus nichts mit der Realität in Israel zu tun, Antisemiten ist das egal – aber Kritiker*innen des Antisemitismus und des Antizionismus müssen sich eben auch mit der innerisraelischen Kritik am Rassismus oder religiösen, extrem rechten Fanatismus in Israel befassen, wenn sie der Wirklichkeit annähernd gerecht werden wollen und Juden als Subjekte ernst nehmen.

Zudem ist es doppelt falsch, wie nicht wenige dieser (verglichen mit der Antisemitischen Internationale selbstredend höchst sympathischen) Leute gleichwohl denken: Israel ist nicht in erster Linie ein Zufluchtsort und wurde nicht wegen, sondern trotz dem Holocaust gegründet. Bekanntlich fand der erste Zionistenkongress 1897 in Basel statt. Und auch wenn krasse jüdische Antisemitinnen – die gibt es – wie Jacqueline Rose fantasieren und insinuieren, Hitler hätte sich auf dem gleichen Konzert (!) mit Wagnermusik in Paris zu „Mein Kampf“ inspirieren lassen wie Herzl zu „Der Judenstaat“ (also spätestens im Mai 1895), so hat doch 1897 mit dem Nazismus und der Shoah rein gar nichts zu tun.

Ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben, aber jene „antideutschen Kommunisten“, sind häufig anti-antideutsch und haben sowohl die Analysen von Daniel Goldhagen 1996ff. aggressiv abgewehrt, als auch jedwede Analyse politischer Kultur diffamiert; Studien wie von Peter Viereck von 1941 (Metapolitics), Paul L. Rose oder George L. Mosse waren nur hinderlich, das allgemein Bürgerliche zu attackieren, um ja nicht von dem spezifisch Deutschen zu reden, wenn es um den Antisemitismus geht.

Lars Quadfasel schreibt in Konkret Folgendes:

„Für das Image als ehrwürdige, den Niederungen des Tagesgeschäfts entzogene Institution aber ist keine bessere Spielmarke denkbar als das permanente Durchhecheln israelischer Missetaten. Diese sind, quantitativ wie qualitativ (denn wären alle Opfer von Unrecht so wohl versorgt wie die Palästinenser, wäre die Welt wirklich ein besserer Ort), von kaum zu übertreffender Bedeutungslosigkeit für das Weltgeschehen.“[x]

Das ist an Zynismus und Desinteresse am Zionismus und den Juden Israels wie einem palästinensischen Staat und der Situation hier und heute der Palästinenser*innen in der Westbank schwer zu übertreffen. Eine Steilvorlage für Post- und Antizionisten, der Israelszene Ignoranz oder Rassismus vorzuwerfen. Für Typen wie Quadfasel wäre eine tägliche Lektüre der Times of Israel (TOI) gar nicht schlecht. Aber da müsste man sich jedoch mit Israelis, zionistischen, aber nicht selten auch kritisch-zionistischen, z.B. den Rassismus in Israel thematisierenden Autor*innen befassen und das ist mühsam und macht die Causa Israel komplizierter als das Wegschauen.

Gerade Zionisten wie der Forscher, Verfassungsrechtler, Politiker und Autor und Rabin-Verbündete Amnon Rubinstein haben doch auf die verheerenden Wirkungen des religiösen Fanatismus in Israel seit 1967 verschärft hingewiesen (in seiner auch auf Deutsch vorliegenden „Geschichte des Zionismus“) und forschen zu den zionistischen und demokratischen Aspekten Israels. Auch Fania Oz-Salzberger oder Yedidia Z. Stern, Ruth Gavison, Anita Shapira, Gadi Taub, Shira Wolosky, Yaffa Zilbershats oder Alexander Yakobson und viele andere israelische Forscher*innen sind selbstkritische, aber dezidierte liberale oder linke oder einfach Mainstream-Zionist*innen. Ihnen Undifferenziertheit oder Rassismus zu unterstellen ist grotesk.

Doch Sie befassen sich mit solchen pro-israelischen (wie pro-palästinensischen) Stimmen ja gar nicht. Israel sollte nach deren Ansicht ein jüdischer und demokratischer Staat sein und bleiben, neben einem zu gründenden palästinensischen Staat. Das ist angesichts der arabischen und palästinensischen Weigerung (von Ausnahmen abgesehen, Ägypten, Jordanien, einige weitere hohe Offizielle der arabischen Welt) Israel anzuerkennen, nicht einfach, um es harmlos auszudrücken. Kein Mensch, der an der Existenz Israels interessiert ist, vergleicht deshalb (!) diesen Staat mit dem verbrecherischsten Regime aller Zeiten, dem Nationalsozialismus. Doch genau das tun Sie, indem Sie die ungeheuerliche Studie von Trezib als Dissertation annahmen und die Buchpublikation mit einem Vorwort unterstützen. Das ist keine Kritik, sondern eine Dämonisierung Israels und eine Trivialisierung des Nationalsozialismus auf typischste, allzu deutsche Art und Weise.

Nochmal: Immer nur den ANDEREN als den Täter und das Böse zu benennen, ohne die eigenen Anteile an einem Konflikt auch nur zu thematisieren, ist falsch und verkürzt. Aber wollen Sie wirklich darauf hinaus und vergleichen deshalb Israel mit Nazideutschland?

Ein negativer, unfassbarer negativer Höhepunkt für mein Verständnis einer Pro-Israelszene war das Beten für Trump vom Simon Wiesenthal Center (ich kenne diese Leute des SWC in NYC, Paris, LA, Jerusalem). Doch schon die regelrechte Hetze gegen John Kerry und die US-Administration (die ich viele Jahre regelmäßig scharf kritisierte, und auch als jemand, der exakt 2008, als Obama gewählte wurde, ein Jahr lang in USA lebte) sowie die UNSC Resolution 2334 im Dezember 2016 indizierten, wie wenig Reflektion in der Israelszene vorhanden ist.

Eine viel pro-zionistischere Rede wie jene von John Kerry haben wir selten von einem führenden Politiker gehört. Äußerst luzide, emphatisch, sachlich, fundiert, zukunftsorientiert, pro-israelisch und pro-palästinensisch (hätte das nicht David Ben-Gurion und die Staatsgründer*innen gefreut?). Gerade um Israel zu retten und die Einstaatenlösung zu verhindern, braucht es Mut und eine Kritik der Siedlungspolitik.

Wenn ich Leute, die ich teils viele Jahre kenne, höre, die meinen, diese Rede sei antiisraelisch, kann ich nur sagen: hört euch eine offizielle iranische Rede an, um eine antiisraelische Tonlage zu hören. (Pointe: iranische Reden sind auf Persisch, aber wer kann schon Persisch? Also ignorieren, wird schon so schlimm sein wie John Kerry). Viele anti-iranische Expert*innen sind ironischerweise oder absurderweise Leute, die gar nicht Persisch sprechen, lesen oder hören können. Die Irankritik hat Besseres verdient.

Wenn wir uns dann anschauen, dass Leute Trump womöglich als „Hegels List der Vernunft“ sehen, also den gefährlichsten Irrationalismus (und Antisemitismus) rationalisieren, ist das schlichtweg unfassbar. Dass der Sexismus, gerade von männlichen Autoren, derealisiert oder goutiert wird, klar. Aber auch antisemitische Verschwörungsmythen, von denen Trump voll ist, zu entwirklichen oder als listig zu rationalisieren, das ist neu für Leute, die behaupten, mal Kritische Theoretiker gewesen zu sein wie Gerhard Scheit.

Zentral dürfte sein, dass auch Ihre Leser*innen des Drecksblattes, sorry, der jw Sie womöglich gar nicht verstehen – oder aber Ihre Kritik sehr wohl kapieren, deren Pointe darin besteht, keine innerisraelische Kritik oder inner-israelsolidarische Kritik zu sein, sondern Agitation gegen Israel zu promoten, mit Koscherstempel. Weder können junge Welt-Leser*innen mit dem Einwurf, Antideutsche seien gar nicht antideutsch, etwas anfangen. Seit wann haben Vulgärmarxisten sich mit der deutschen Spezifik der politischen Kultur und des Antisemitismus und der Shoah je befasst? Diese Typen benutzen Sie, sehr geehrter Moshe Zuckermann, für Israelhass – oder benutzen Sie die jw und deren Umfeld für Ihre Ablehnung des Zionismus? Dass Ihnen als Israeli womöglich – ich weiß es nicht – an einer bestimmten Kritik am Rassismus in Israel (den es dort gibt wie in UK, AmeriKKKa oder Germany etc.), an einer Kritik am Groß-Israel der Siedler, oder der Kritik alltäglicher Diskriminierungen in der Westbank liegt – und Ihr Ziel nicht ist, Israel (als jüdischen und demokratischen Staat) zu zerstören, will das die junge Welt wissen? Glauben Sie das ernsthaft?

Sie schreiben:

„Und da begegnet man nun im deutschen Diskursfeld der nicht nur von Juden, sondern auch von nichtjüdischen Deutschen gemachten Unterstellung, diese Sorge um den Staat Israel und seine Gesellschaft – mithin das gegen alle Widerstände hochgehaltene Streben nach der Lösung des Konflikts zwischen Juden und Palästinensern und ihrer Versöhnung – sei das Werk ‚jüdischer Antisemiten‘ bzw. ‚sich selbst hassender Juden‘.“

Doch haben Sie tatsächlich Sorge um „den Staat Israel“ oder doch eher Sorge davor, nicht mehr der Vorzeigekoscherstempelverteiler für nicht-jüdische deutsche Antisemiten zu sein? Sorge um Israel ist nachvollziehbar. Und viele aus der selbst ernannten Israelszene habe die insofern in der Tat nicht, als sie sich mit dem Rassismus oder den extrem rechten, religiös-fanatischen wie nationalistischen Tendenzen der politischen Kultur wie der Gewalt der Siedler überhaupt nicht befassen und israelische, zionistische Kritik daran seit Jahrzehnten ignorieren.

Konkret schafft es nicht, luzide Israelsolidarität mit ebenso luzider Israelkritik zu verbinden. Da sind die Quadfasels dieser langweiligen und insofern elenden linken Israelszene häufig nur nicht-jüdische Bekenntnisisraelis, die sich um die konkreten Juden und deren Sorgen gerade ob des Judenstaates nicht scheren. Und doch sind die um Welten besser als die Israelhasser der jungen Welt und sonstiger Gruppen oder Forscher, die seit Jahrzehnten Sie einladen oder als Referent und Gutachter auswählen.

Auch viele Juden und Christen-für-Israel wie säkulare Agitator*innen scheren sich mitunter nicht um das konkrete Israel, sondern hetzen gegen „den“ Islam und „die“ Muslime. Nichtjüdische linke Aktivist*innen der Israelszene sind privat vielleicht gegen Trump und die extreme Rechte, aber öffentlich sind sie für Israel ohne Wenn und Aber und wenn das SWC für Trump betet und Bibi dem Narzissten ein Stelldichein gibt, dann ist Trump Pro-Israel und somit pro-jüdisch, auch wenn er am Holocaustgedenktag absichtlich (!) Juden als die einzige Opfergruppe der Shoah nicht erwähnt.

Und ich denke, das ist der Hinter-Grund Ihres Furors, der ins Schwarze trifft, oder besser gesagt: treffen könnte – angenommen, Freuds Unheimliches meinte nicht Sie.

Könnte nämlich auch sein, dass Ihnen Israel gerade nicht am Herzen liegt und sie den jüdischen Staat in einen binationalen, auf kurze Zeit arabischen Staat umgewandelt wissen wollen, dann wären Sie jedoch mit der dümmlichsten „Linken“ à la Judith Butler wie auch der hardcore Rechten wie mit Caroline Glick, den messianischen wie nationalistischen Siedlerfanatiker*innen oder auch Trump und Bibi in einem Boot.

Und Vergleiche der israelischen Landesplanung mit dem Generalplan Ost helfen, das Land weltweit zu dämonisieren, zu isolieren und zum Abschuss freizugeben. Merken Sie das ernsthaft nicht oder kichern Sie da klammheimlich, da Sie eh einen Rückzugsort in Germany haben?

Sie geben ja zu, dass es Ihnen gar nicht um konkrete Fehler (!) israelischer Politik geht, so wie das zionistische Kritik kennzeichnet, sondern:

„Die Frage, warum sich das zionistische Israel in eine historisch ausweglose Situation manövriert hat, soll hier aus der Logik des Zionismus selbst, also von einer ihm immanenten Perspektive erkundet werden.“[xi]

Solcherart Essentialismus, negativer, ja eine solche Ontologie des Zionismus ist völlig unpolitisch, da es dabei nicht um Fehler eines Staates geht, sondern um den Fehler des Staates an und für sich. Anarchistische Kritik, by the way, hat ihr gutes Recht, aber damit gerade bei Israel anzufangen, zeigt die Obsession es dem einzigen Judenstaat zu zeigen. Mit zionistischer Kritik an bestimmen Politiken Israels befassen Sie sich erst gar nicht, jedenfalls nicht für ihr deutsches Publikum, um das es ja geht, denn dieses Publikum ist Ihre Berufsgrundlage.

John Kerry hatte wie gesagt einen zionistischen Weg gewiesen, aber der wird nur diffamiert, gerade von der deutschen Israelszene, die nur nachbetet was die israelische Botschaft verkündet. Selber denken: geht nicht, aus geistigen Kapazitätsgründen nicht. Schon als Bibi meinte, der Mufti von Jerusalem, der üble Nazihelfer, hätte Hitler erst den Holocaust schmackhaft machen müssen, merkte man doch, wie absurd, antiwissenschaftlich und gleichsam fanatisch antimuslimisch (und nicht mehr antiislamistisch) hier gedacht wird.

Und wie anti-antideutsch. Wenn nämlich der Mufti Hitler zur Shoah inspirierte, war sie also eine primär muslimische Tat und da sind wir dann bei Werbekampagnen der verschwörungsmythischen Agitatorin Pamela Geller aus New York City, die auf Bussen plakatieren ließ (Bild: der Mufti im Gespräch mit Hitler, November 1941): „It’s in the Quran“. Viel mehr anti-antideutsche Ideologie geht kaum.

Aus meiner editorischen Vorbemerkung zu „Der israelische Nationalstaat“ von Fania Oz-Salzberger und Yedidia Z. Stern (Hrsg.), Januar 2017:

„Mit einem US-Präsidenten Trump als „Freund“ – manche „Marxisten“ sehen in ihm gar Hegels „List der Vernunft“, manche Juden und gewisse Israelis (wie der israelische Innenminister Arye Dery) die Ankunft des „Messias“ und eine große amerikanisch-jüdische NGO (das Simon Wiesenthal Center, repräsentiert durch seinen Gründer und Vorsitzenden Rabbi Marvin Hier) betete für Trump auf dessen Inauguration – und der beschriebenen Gefahr der Einstaatenlösung braucht Israel seriöse, liberale, linke und demokratische Stimmen. Für die israelische Soziologin Eva Illouz, die sich an Sigmund Freuds Analyse des Unheimlichen anlehnt, indiziert die positive Reaktion auf Trump ein „Erdbeben“ in der „jüdischen Welt“. Hatten Juden bislang gegen Antisemitismus und für Menschenrechte gekämpft, so stehen sie nun, so Illouz, angesichts von Trump in nicht geringen Teilen Seite an Seite mit antisemitischen Positionen und einer Unzahl weiterer auch für die Demokratie und die Menschenrechte (für alle Bewohner*innen) in Israel gefährlichen Gruppen, Personen und Tendenzen. Umso wichtiger ist es, Israel als jüdischen und demokratischen Staat zu festigen. Möge dieser Band eine Anregung zur zivilisierten Debatte, eine Stimme der zionistischen Vernunft sein – in Zeiten von Jihad und islamistischem oder säkularem Antisemitismus (wie BDS) sowie der Kakophonie eines Philosemitismus und Philoisraelismus.“

Sie haben Recht, wenn Sie darauf zielen, dass viele Aktivist*innen in der (mini-kleinen, by the way) Israelszene Rassismus in Israel nicht sehen wollen, dabei ist das unter linken oder liberalen Israelis selbstverständlich, den zu erkennen, zu kritisieren und zu bekämpfen.

Doch da kommt wieder Freuds Analyse des Unheimlichen ins Spiel. So nachvollziehbar, aus zionistischer Perspektive als „heimlich“ im Sinne von „heimelig“, „bekannt“ oder „daheim“ Ihre Kritik an der in weiten Teilen völlig unreflektierten Israelszene ist (deren Einigeln in einem selbstreferentiellen Kokon wiederum insofern verständlich ist, da so unglaublich viele andere Gruppen antiisraelisch hetzen, von BDS über Jihadisten hin zur Mitte der Gesellschaft), so unheimlich, monstermäßig, gruselig verwandelt sie sich durch Ihr Agieren, das absichtlich wirkt.

Sie promoten anti-israelische Agitatorinnen wie Tamar Amar-Dahl, der gerade ein linker Zionist und den Ausgleich mit den Palästinensern suchender Präsident wie Shimon Peres abscheulich vorkommt, und Sie unterstützen antisemitische Ressentiments und den widerlichen Nazi-Israel-Vergleich via der Studie von Trezib, um nur diese beiden Beispiele heranzuziehen. Amar-Dahls Doktorvater war der Rechtsaußen Horst Möller, Herausgeber des Buches mit dem antisemitischen, Holocaust trivialisierenden Titel „Der Rote Holocaust“. Sie waren Zweitgutachter Amar-Dahls, wie bei Trezib. Querfront ick hör dir trapsen. Honni soit qui mal y pense.

Auf eine Frage der Internet-Zeitschrift „Hintergrund“ zur Amadeu Antonio Stiftung (AAS) sagen Sie[xii]:

„Ich bitte Sie, wozu sich überhaupt damit befassen, was die Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung unbeschwert in die Welt setzt? Ich weiß nicht wer diese Frau ist. Aber wenn ich dem folge, was Sie von ihr berichten, habe ich das Gefühl, es handelt sich um eine ehemals stramme SED-Anhängerin, vielleicht sogar noch mehr, die heute versucht, ihre Vergangenheit so zurechtzurichten, dass sie mit der Ideologie  des gerade in Deutschland wehenden Zeitgeistes vereinbar ist. Ich könnte mir denken, sie war selbst mal eine dezidierte Antizionistin, die jetzt versucht, ihre ‚Jugendsünden‘ wiedergutzumachen. Das sei ihr auch psychologisch zugestanden – ich weiß nur nie, warum diese Leute immer meinen, ihre lebensgeschichtlichen Defizite und die damit einhergehenden ‚Reuen‘ in allgemeine Kategorien fassen und durch hanebüchene Ideologien kompensieren zu sollen. Bitte sehen Sie mir nach, dass ich nicht meine, mich mit den Auslassungen der Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung befassen zu müssen.“

Da lacht der Nazi aus Oberschöneweide oder aus dem Wendland und die Junge Freiheit würde Sie sicher gerne als Autor gewinnen. Um das zusammenzufassen: Sie, Herr Zuckermann, kennen die Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, überhaupt nicht, nennen sie auch nicht mit ihrem Namen – warum sollte auch ein Mann eine erfolgreiche NGO-Aktivistin, die zudem im Gegensatz zu ihm gegen Antisemitismus aktiv ist, ernst nehmen, gell? –, insinuieren, die Ihnen nicht bekannte Frau sei womöglich früher Antizionistin gewesen und habe „lebensgeschichtliche Defizite“ und somit wollen Sie den Kampf gegen Antisemitismus quasi als kalkulierte Kompensationsmaßnahme möglicher „lebensgeschichtlicher Defizite“ unbekannter Frauen diminuieren, ja völlig lächerlich machen.

Jovial gestehen Sie der Ihnen gar nicht bekannten Frau zu, mögliche und von Ihnen in den Raum geworfene „Jugendsünden“ zu bereuen. Antisemitismus- und Islamismuskritik wie auch Kritik am Antisemitismus in der DDR (darum ging es in der Frage der Postille „Hintergrund“) also nur als vorgeschobene Gründe. Mit dieser Argumentation können Sie bei jeder rechtsextremen Gruppierung „besorgter Bürger“ mit Handkuss aufgenommen werden, nicht nur in Sachsen oder Thüringen.

Wieso werfen Sie dem Zionismus seine Grundlage vor (!), dass nämlich der Zionismus die Diaspora negiert?[xiii] Viele Juden sind Zionisten und leben doch in der Diaspora, dazu gibt es unzählige Debatten und Texte, ein einziger Besuch in einem JCC (Jewish Community Center) in USA reicht, um das zu erleben (wie in New Haven, CT). Die Diaspora und Israel ergänzen sich, das ist seit 1948 ein großes innerjüdisches Thema, das jetzt durch Trump und den neuen US-Botschafter in Israel, Friedman, der linke Zionisten als „schlimmer als Kapos“ diffamiert hat, in USA enorme Aktualität bekommen hat, wie der bekannte Journalist Rob Eshman aus Los Angeles unterstreicht.

Dann sind Sie eben ein Antizionist und keineswegs ‚nur‘ ein Nichtzionist. Dabei negieren Sie, dass der Zionismus keineswegs aus dem Antisemitismus entstand, jedenfalls nicht nur, sondern ganz wesentlich eine Rückkehr darstellte und darstellt, die Sehnsucht nach einer Rückkehr zu jüdischer politischer Souveränität, die ab 1948 staatliche Realität wurde. Jede Forscherin und jeder Forscher zum Zionismus weiß das. Doch mit diesem Nichtwahrhabenwollen der Raison d’être des Zionismus stehen Sie gar nicht alleine, nicht wenige in der (antideutschen) Israelszene denken auch, Israel sei nichts als ein Zufluchtsort. Völlig falsch.

Es ist ein Wunder, dass es Israel trotz der Shoah gibt – und nicht wegen der Shoah, die sechs Millionen Juden das Leben nahm, von Deutschen organisiert und ausgeführt (sowie Helfern in ganz Europa). Viele denken auch der Holocaust sei der Grund für den Judenstaat und viele Antideutsche unterstützen Israel nur bis zur Revolution. Nach dem Kommunismus gibt’s kein Israel mehr. Tja. Insofern verständlich dass viele selbst ernannte Antideutsche sich wenig mit Israel beschäftigen bzw. primär mit dem Strand oder Nachtleben von Tel Aviv und dem Essen – da viele Israelis nicht so unbedingt super begeistert wären, nach der Revolution ohne jüdische Souveränität dazustehen und sich von den Bahamas sagen zu lassen, dass das mit der Beschneidung jetzt nicht mehr gehe.

(leicht veränderte Version, 05.09.2017).

 

[i] Mosche Zuckermann (1989): Das Trauma des „Königsmordes“. Französische Revolution und deutsche Geschichtsschreibung im Vormärz, Frankfurt a.M.: Athenäum, 373.

[ii] Moshe Zuckermann (2003): Zweierlei Israel? Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß, Hamburg: Konkret (texte 34), 137.

[iii] Joachim Nicolas Trezib (2014): Die Theorie der zentralen Orte in Israel und Deutschland. Zur Rezeption Walter Christallers im Kontext von Sharonplan und „Generalplan Ost“. Mit einem Vorwort von Moshe Zuckermann. Herausgegeben vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch‐jüdische Studien, Potsdam in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin‐Brandenburg, Redaktion: Werner Treß, Band 3, Oldenburg: De Gruyter.

[iv] Die folgenden paar Abschnitte sind aus Clemens Heni (2016): Vorwort: Zionismus und die Realität an deutschen Universitäten heute, in: Wiebke Dursthoff (2016):  Kibbutz und Bauhaus. Arieh Sharon und die Moderne in Palästina, Berlin: Edition Critic, 10–18.

[v] „Das Angebot der Deutschen, Beschneidung Unmündiger nicht als Körperverletzung verfolgen zu lassen, ist so faul wie jeder Kompromiß zwischen Tätern und Opfern. Was zu verlangen wäre, wird nicht verlangt: eine Erklärung, daß die Beschneidung nicht bestraft werden kann, weil die Deutschen das Recht, Juden Gebräuche ihrer Gemeinschaft zu untersagen, durch Auschwitz verwirkt haben, wenn nicht für immer, so doch auf eine ihren Verbrechen angemessene Zeit, sagen wir: auf tausend Jahre. So würde das besinnungslose Geschwätz vom ‚besonderen Verhältnis zu den Juden‘ endlich einmal wahr“ (Hermann L. Gremliza (2016): Haupt- und Nebensätze, Berlin: Suhrkamp, 134). Das ist der Unterschied zwischen antideutscher Kritik und den Bahamas und deren jungdeutschen Regimentern, by the way.

[vi] Moshe Zuckermann (2012): Wider den Zeitgeist. Bd. 1. Aufsätze und Gespräche über Juden, Deutsche, den Nahostkonflikt und Antisemitismus, Hamburg: Laika-Verlag.

[vii] Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin: Edition Critic.

[viii] Moshe Zuckermann (2014): ‚Antifaschismus‘ als falsches Bewusstsein. Ein ideologiekritisches Gespräch mit Moshe Zuckermann (mit Susann Witt-Stahl), in: Susann Witt-Stahl/Michael Sommer (Hrsg.): „Antifa heißt Luftangriff“. Regression einer revolutionären Bewegung, Hamburg: Laika-Verlag, 181–201, 189.

[ix] „Du kriegst Frühlingsgefühle, sind die Blumen am Blühen
Ich hingegen schiebe Krise, kriege Lust zu planieren
Hörst du die Sträucher rascheln? Hörst du die Äste knacken?
Wenn wir Bäume fällen, Platz für die Städte schaffen
Abgas, Abgas über alles, über alles in der Welt
Fick die Sonne, wir verdunkeln nun das Himmelszelt
In die Seen kippen wir Benzin
Asphalt macht Spaß, Grau ist das neue Grün“, „Das grelle Neonlicht vernichtet jede Finsternis
Ich bestelle etwas Noppenschaum im Internet
Crystal Meth, Synthetik Ästhetik
Die Natur ist mein Feind auf ewig
Tankstellendämpfe, schmelzendes Plastik
Geschmacksverstärker – ich bin ein Stadtmensch“, „Beton“, Song der Antilopengang auf dem ansonsten hörenswerten Album „Aversion“, https://genius.com/Antilopen-gang-beton-lyrics (eingesehen am 12.03.2017).

[x] Konkret 2/17, S. 31.

[xi] Moshe Zuckermann (2014): Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt, Wien: Promedia, 9.

[xii] Zuckermann 2012, 177.

[xiii] Gespräch mit Moshe Zuckermann (2002), in: Karin Joggerst (2002): Getrennte Welten – Getrennte Geschichte(n)? Zur politischen Bedeutung von Erinnerungskultur im israelisch-palästinensischen Konflikt, Münster/Hamburg/London: LIT Verlag, 111–116, 112.

©ClemensHeni

Trump, Zionism and Antisemitism

Von Dr. phil. Clemens Heni, 22. Februar 2017

Times of Israel (Blogs)

Several Jewish and non-Jewish NGOs, scholars, activists, bloggers and authors believe, the Trump administration will fight antisemitism and will be helpful both for Jews and Israel.

Their derealization of sexism is shocking enough. But no surprise either.

Let’s have a look at Trump, antisemitism and Zionism alone.

Scholars for Peace in the Middle East (SPME) argues that Trump might consider strong anti-BDS legislation. The Simon Wiesenthal Center prayed for Trump at the inauguration and the Louis D. Brandeis Center  is hopeful that Trump will be fighting antisemitism, too.

Journalist Benjamin Weinthal (Jerusalem Post) and his colleague from SPME, Asaf Romirowsky, claim:

In late December, with just weeks left in his administration, former U.S. President Barack Obama delivered a shot in the arm to the anti-Israel Boycott, Divestment, Sanctions movement, or BDS. Obama instructed the U.S. ambassador to the United Nations, Samantha Power, to abstain instead of vetoing a U.N. Security Council resolution rebuking Israeli settlement activity.

Resolution 2334 deems Israel’s presence in disputed territories in the West Bank and East Jerusalem to be illicit. Combined five days later with a didactic anti-Israel speech from Secretary of State John Kerry, the resolution administered a body blow to Israel’s brand.

The Middle East Forum’s (MEF) director Greg Roman attacks the resolution 2334, which is no surprise, but still lacks a scholarly analysis of the resolution. The Simon Wiesenthal Center puts the Obama Administration on place one of their “Top-Ten worst global antisemitic and anti-Israel incidents 2016”:

The most stunning 2016 UN attack on Israel was facilitated by President Obama when the US abstained on a UN Security Council resolution condemning Israel for settlement construction.

What says United Nations Security Council Resolution 2334 from December 2016?

Expressing grave concern that continuing Israeli settlement activities are dangerously imperilling the viability of the two-State solution based on the 1967 lines.

That is not antisemitic. On the contrary, the UNSC again reaffirms the very existence of Israel!

John Kerry’s speech was even clearer and very pro-Zionist:

This is an issue which I’ve worked on intensely during my time as Secretary of State for one simple reason: because the two state solution is the only way to achieve a just and lasting peace between Israelis and Palestinians. It is the only way to ensure Israel’s future as a Jewish and democratic state, living in peace and security with its neighbors.

This is exactly the position of leading Zionist scholars in the field, such as Fania Oz-Salzberger, Yedidia Z. Stern, Gadi Taub, Ruth Gavison or Anita Shapira, at least in my reading of their book “The Israeli Nation-State” from 2014, which I just translated into German (with my colleague Dr. Michael Kreutz) and published the book (456 pages) this week.

John Kerry wanted to “ensure” that Israel is a Jewish and democratic state. Period.

However, the self-declared pro-Israel establishment in the US or Germany, runs riot against resolution 2334 and the Obama administration. Now they embrace Trump, more or less.

Even Kenneth Marcus from the Louis D. Brandeis Center, known for thoughtful analysis and scholarship in antisemitism, rejects any analysis of the very specific way Trump fueled antisemitism in the last 15 months or longer. Marcus rather obfuscates the very new climate in the US after the election of Trump and says:

“In today’s heated political climate Marcus said anti-Semitism is rampant in both pro-Trump supporters and anti-Trump groups, among others, and should not be attributed to one source.“

It is not news that leftists are anti-Zionist, for example, but it is news that the neo-Nazi Alt Right is now sitting in the White House (Steve Bannon, Breitbart). And the unbelievable increase of antisemitic incidents in the US has very close connection to the extrem right and not to the left. Neo-Nazis have been emboldened by Trump, no doubt about this.

Marcus concludes (this is from a report about a talk he gave) and even sees Trump as a possible ally:

“The Trump Administration could be another factor in the battle against anti-Semitism. (…) Marcus credited the Trump campaign for issuing a statement expressing concern about campus anti-Semitism, and for comments indicating that the Department of Justice would address university suppression of Jewish pro-Israel speech. Marcus doesn’t know if any of this will translate into policy, but he’s hopeful.“

Crediting Trump – unbelievable.

Then, those in the pro-Israel camp who defame Kerry should listen to a single speech by Iranian President Ayatollah Ali Khamenei in order to learn how an anti-Israel speech sounds like. Then, they should listen to John Kerry’s speech about resolution 2334 and rethink their unprofessional remarks that Kerry‘s speech was a “didactic anti-Israel speech” as Weinthal and Romirowsky frame it.

If it is anti-Israel to support the Jewish and democratic state of Israel and to be against religious and nationalist fanaticism and the settlements, read: to be for a two-state solution, than most Israelis and Jews in the US and worldwide are anti-Israel.

Palestinian rejectionism is a huge problem, of course, ever since 1947 and before.

But Israeli fanaticism is also a huge problem, just listen to the six Shin Bet directors between 1980 and 2011, who are interviewed in the Oscar nominated film “The Gatekeepers” by Dror Moreh in 2012, featuring Ami Ayalon, Avi Dichter, Yuval Diskin, Carmi Gillon, Yaakov Peri, Avraham Shalom. They emphasize that the Palestinians are not just terrorists. They are political subjects and need political acceptance by Israel (and of course, vice versa, but that is NOT news).

We need a political solution, not a military solution, that is their message – and thesse former Shin Bet directors from 1980 through 2011 might know more about the Palestinians and how to fight terrorism and how not and what is good or bad for Israel than American or European activists.

But there are also those Israeli fanatics in the 1990s, including Benjamin Netanyahu, to be sure, who agitated against Yitzhak Rabin, as the film shows, until Rabin was killed, November 4, 1995. How does Israel look like today?

A Question to all those American and other Trump supporters: Is it a sign of a particular pro-Jewish approach to omit the mentioning of Jews as the only victims of the Shoah on Holocaust Remembrance Day, January 27, 2017? Historian Deborah Lipstadt called Trump’s statement a “softcore Holocaust denial.”

Finally, and most importantly, if it is pro-Israel to destroy the Jewish state and to invoke or mention (as a result of stupidity, thoughtlessness or by intention) the “one-state solution” as President Trump did during his shocking and embarrassing press conference with Netanyahu on February 15, 2017, then things are turned upside down. Trump and his folks will call it “alternative facts.”

PRESIDENT TRUMP:  So I’m looking at two-state and one-state, and I like the one that both parties like.  (Laughter.)  I’m very happy with the one that both parties like.  I can live with either one.“

No problem for the Simon Wiesenthal Center (SWC), Scholars for Peace in the Middle East (SPME) or the Louis D. Brandeis Center and their allies?

David Horowitz from the Times of Israel concludes:

“And yet, by allowing Trump’s talk of a possible single entity between river and sea to pass without contradiction, Netanyahu himself dealt a stinging, public blow to the Israel we are living in today. For if our prime minister is unwilling to speak up, loudly and clearly, in defense of a Jewish, democratic Israel within internationally recognized borders, who else will? Certainly not President Donald Trump.”

©ClemensHeni

„Gaza sieht immer mehr wie ein KZ aus“ – Obskurer Islamforscher zu Gast bei der Uni Osnabrück

Von Clemens Heni und Michael Kreutz

Dieser Text erschien zuerst auf Ruhrbarone

Im Jahr 2015 gab es alleine in Frankreich zwei islamistisch motivierte Massaker mit fast 150 Toten, am 7. bzw. 9. Januar in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris bzw. einem jüdischen Supermarkt und am 13. November im Club Bataclan, mehreren Cafés sowie am Stade de France, wo gerade ein Fußballfreundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland stattfand. Daraufhin wurde wenige Tage später erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik aus Terrorangst ein Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft in Hannover abgesagt.

Doch all diese spezifisch mit dem Islamismus und Jihadismus zusammenhängenden Ereignisse führen eben in der Wissenschaft, der Islamforschung wie der Islamischen Theologie, offenbar weiterhin kaum dazu, Kritik am Islamismus und Antisemitismus zu üben. So wird der Präsident der Uni Osnabrück, Prof. Wolfgang Lücke, am 14. Januar 2016 die Konferenz „Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa“ begrüßen. Es ist eine dreitägige, große Konferenz mit über vierzig Referentinnen und Referenten, organisiert vom Institut für Islamische Theologie der Uni Osnabrück und finanziert vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, dem Graduiertenkolleg Islamische Theologie sowie der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Hier kommt eine Opferhaltung zum Ausdruck, die den Islamisten letztlich nur in die Hände spielt. Kein einziger Vortrag ist der jihadistischen und islamistischen Gewalt und Ideologie gewidmet. Sicher, angesichts eines unübersehbaren rassistischen Klimas in Deutschland, von Pegida über die AfD bis hin zu Neonazis, die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verüben, ist eine Kritik am Rassismus notwendig. Doch was soll „antimuslimischer Rassismus“ sein? Rechtspopulisten mögen ein besonderes Problem mit dem Islam haben, allgemein hetzen sie aber gegen die Zuwanderung insgesamt. Sie wollen ein völkisch homogenes Deutschland.

Der eigentliche Skandal der Konferenz ist der Hauptredner, der amerikanische Islam- und Nahostforscher John L. Esposito, Jg. 1940. Er hat einen von Saudi-Arabien (mit)finanzierten Lehrstuhl und ist einer der umstrittensten Nahostforscher in Amerika. Acht Jahre ist es her, seitdem der amerikanische Nahostkenner Martin Kramer darauf hingewiesen hat, dass mit den Berechnungen bezüglich der Zahl von radikalisierten Muslimen von John Esposito etwas faul ist.

Demnach hatte Esposito eigene Umfragen unter Muslimen dahingehend interpretiert, dass nur 7% der Befragten als radikalisiert bezeichnet werden können. So gering nämlich sei der Anteil derer, die der Aussage zustimmen, dass die Anschläge vom 11. September 2001 „völlig gerechtfertigt“ seien. Dabei fiel aber unter den Tisch, dass anderthalb Jahre zuvor Esposito und seine Co-Autorin auch solche Befragten zu den Radikalisierten zählten, die der Aussage zustimmten, dass die Anschläge „weitgehend gerechtfertigt“ seien. Viele von denen, die vorher noch als radikal gegolten hatten, wurden plötzlich zu Moderaten verklärt.

Selbst Islamisten, die in der Forschung für ihre gefährliche Ideologie seit Jahren analysiert und kritisiert werden, wie die Gülen-Bewegung, Tariq Ramadan aus der Schweiz, Yusuf al-Qaradawi aus Katar oder Mustafa Ceric aus Bosnien werden von Esposito als wunderbare Beispiele für einen „moderaten“ Islamismus betrachtet. Doch es gibt keinen „moderaten“ Islamismus, wie schon der Politik- und Islamwissenschaftler Bassam Tibi in einer Kritik an Esposito vor Jahren betonte. Ein Yusuf al-Qaradawi, der Selbstmordattentate gegen Israelis für religiös rechtmäßig erklärt, wird nicht dadurch moderat, dass er ihre Durchführung auch Frauen ohne Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner zubilligt!

In seinen Büchern und Texten zeigt sich die ganze Ideologie von John Esposito. Für ihn ist der islamische „Fundamentalismus“ im Iran, dem zigtausende Menschen zum Opfer gefallen sind, das gleiche wie ein christlicher in den USA, der reaktionär sein mag, aber nicht mörderisch ist. Ebenso verglich er George W. Bush mit dem Dschihadisten, Massenmörder und Mastermind des 11. September 2001, Osama bin Laden. Solche Vergleiche mögen im Westen in manchen Kreisen populär sein, sie sind aber grundfalsch, weil beide Personen für entgegengesetzte Werte stehen.

In seinem Buch „The Future of Islam“ (Die Zukunft des Islam) von 2010 vergleicht Esposito die Situation im Gazastreifen mit KZs und somit Israel mit Nazis – eine klare antisemitische Diffamierung, nach Definition des amerikanischen Außenministeriums und der internationalen Antisemitismusforschung.

Mehr noch: im August 2014 beschuldigte Esposito auf Twitter den Holocaustüberlebenden Elie Wiesel, dieser spiele angesichts der Ereignisse in Gaza eine „Holocausts-Trumpfkarte“ aus. Wiesel hatte zu Recht betont, dass die islamistische Terrororganisation Hamas endlich aufhören solle, Kinder als Schutzschilde zu missbrauchen. Er wies darauf hin, dass Juden schon vor über 3500 Jahren dem Menschenopfer eine Absage erteilt hatten und solche Praktiken für einen zivilisatorischen Rückfall hielten. Für Esposito aber war das kein Grund nachzuhaken, sondern Anlass zur Diffamierung. So reden in Deutschland üblicherweise nur Neonazis und extreme Rechte.

Schließlich hat Esposito in seinem Buch „Die Zukunft des Islam“ auch dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, ohne jeden Beleg (!) die Aussage unterstellt, „Muslime wollen die Welt beherrschen“. Solche Aussagen wie auch andere Verdrehungen in seiner Darstellung disqualifizieren Esposito als Redner. Frisch hat das Behauptete aber nicht nur nicht gesagt, sondern sich dezidiert dagegen gewandt, Muslime zu diffamieren. Davor warnt er nachdrücklich. Esposito dagegen versucht eine deutsche Bundesbehörde, die den Islamismus beobachtet und vor ihm warnt, zu diskreditieren.

Wollen der Präsident der Uni Osnabrück, die über vierzig Referentinnen und Referenten wie auch die involvierten Landes- wie Bundesministerien einer solchen Rabulistik, diesem Antisemitismus und dieser Verharmlosung des Islamismus wirklich Vorschub leisten?

 

Clemens Heni Nassau Inn Princeton 05252009

Dr. phil. Clemens Heni

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

 

 

 

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Dr. phil. Michael Kreutz

Dr. phil. Michael Kreutz ist Arabist und Islamwissenschaftler in Münster

Does Germany need just another Islamist, anti-Israel and antisemitic infusion by John L. Esposito?

By Clemens Heni

75 year old John L. Esposito, Georgetown University’s Director of the Prince Alwaleed Center for Muslim-Christian Understanding and professor of International Affairs at Georgetown University in Washington, D.C., will be the keynote speaker of a big conference in Germany, Jan 14–16, 2016, about „anti-Muslim racism and hostility towards Islam in Germany and Europe.“

The conference will take place at the University of Osnabrück in the North-West of Germany, over forty speakers are invited to speak. The event is organized by the “Center for Islamic Theology,” and supported by the German Federal Government and its Ministry of Education and Research, Lower Saxony’s Ministry for Research and Culture, and the Post Graduate Program Islamic Theology.

This Center for Islamic Theology is headed by Bülent Ucar, who is the main organizer of the event alongside with his co-worker, Nina Mühe, an anthropologist and Islamic studies scholar known for her attack on Berlin’s Anti-Hijab Law in classroom. Mühe is a former fellow at a German branch of George Soros’ Open Society Institute.

Obviously, attacks like the Charlie Hebdo and Kosher supermarket massacre in Paris in January 2015 are a “reason” for many academics in the humanities and social sciences to focus on an alleged “anti-Muslim racism‟ and not on Jihad, Islamism, Muslim anti-Semitism and Muslim terrorists. This is mainstream in Europe and the Western world ever since 9/11. We are facing in part a racist and nationalist climate in Germany, indeed. But this has nothing to do with the rejection of most academics in the field of Islamic Studies to deal, let alone fight Islamism in all its forms. The true antifascism of the 21st century deals with both the neo-Nazi and Islamist threats.

In his book “Who Speaks for Islam?” (2007, together with Dalia Mogahed), Esposito used the equivalence of anti-Semitism and “Islamophobia.” In his distorted view, Jews aren’t but a “religion” and just one of two “religions with Semitic origins.” In fact, hatred of Jews is a worldwide ideology, while “Islamophobia” is rather an invention by some specific circles, namely Iran and Islamist organizations and their followers.

More recently, Esposito also started to defame Egypts’s anti-Muslim-Brotherhood stance and started his „Brigde Initiative,“ dedicated to the analysis of „Islamophobia“ and the defamation of all critics of jihad and Islamism.

Esposito is fascinated by the “Iranian Revolution” from 1979, as can be seen in his edited volume “The Iranian Revolution. Its Global Impact” (1990) and his chapter “The Iranian Revolution. A Ten-Year Perspective,” where he also emphasized the outreach of Iranian style Islamism to Muslims outside Iran. In 2010, he co-edited the volume “Islam and Peacebuilding. Gülen Movements Initiates,” where he promotes the Islamist approach of Fethullah Gülen and frames him as a kind of Islamic version of German philosopher Jürgen Habermas. Both share a “similar belief in mutual understanding, dialogue and optimism,” murmurs Esposito.

This “optimism” (a nice word for the spread of Islamism, no?) can also be seen in the work of leading Sunni cleric Yusuf al-Qaradawi, another protagonist of Esposito. In his book “The Future of Islam” (2010), the Saudi (Prince Alwaleed) funded scholar says, al-Qaradawi “claims that everything is acceptable (halal) unless proven forbidden (haram).” This makes him a moderate according to Esposito and his German colleagues Gudrun Krämer and Bettina Gräf. Gräf co-edited a book, “The Global Mufti,” with pieces by another Georgetown academic, Barbara Freyer-Stowasser (1935–2012), about “gender equality” in a fatwa about female suiciding bombing against Israel by al-Qaradawi.

In “The Future of Islam,” Esposito also invokes an equivalence between Islamic and Western “fundamentalism,” taking Ronald Reagan and the Iranian Revolution as examples, he also compares George W. Bush to Osama Bin Laden. This cultural relativist approach is well known. But jihad and the rule of religion (Islamism) is not the same as whatever democratic government in the US, Britain or Germany and France etc. does. Mustafa Ceric, former Grand Mufti of Sarajevo, is another Islamist portrayed as kosher, by Esposito. Ceric once went to the Auschwitz Memorial site, not to remember the Shoah but rather to invoke the Muslims-are-the-new-Jews-analogy. Ceric has also been criticized for his ties to the Islamist Muslim Brotherhood, among other Islamist aspects of his approach.

Finally, Esposito refers to German security expert and former head (1996–2000) of the “Federal Agency for the Protection of the Constitution,” Peter Frisch. In his 2010 book (finished in 2009), Esposito writes about Frisch as if he was head of that important institution in 2009, which is a minor problem compared to the lie, the Georgetown scholar spreads about Frisch. Esposito writes: “In Germany, Peter Frisch, head of the Bundesamt für Verfassungsschutz (Federal Office for the Protection of the Constitution), has repeatedly asserted, ‘Muslims want to rule the world.’” He does not quote form a single article by Frisch. In 2001, after 9/11, Frisch argued against the defamation of all Muslims. In 1997, Frisch argued against the rise of Islamism and the reluctance in Germany to even deal with that problem. To my knowledge, he never said that all Muslims want to rule the world. This reproach is rather a lie, invented by Esposito – who runs short to substantiate his claim. But Esposito is obviously not interested in research and quotes.

August 5, 2014, during the latest Gaza War, John L. Esposito tweeted the following: “Elie Wiesel plays the Holocaust trump card in Gaza” and links to an antisemitic homepage – “Mondoweiss.” Wiesel had said, that Jews stopped using children as sacrifices some 3500 years ago, Hamas should stop it now, too. Truly a correct statement, taken the fact that Hamas is verifiably known for abusing children and others as human shields. For Esposito this was just another reason to defame Israel and make fun of the Shoah and a Holocaust survivor.

Esposito compares Israel to Nazis, uses even more antisemitic language, promotes Islamists as possible allies and defames German officials, who headed federal offices in the fight against Jihad and Islamism.

Are these enough reasons for the Jewish Museum Berlin’s Yasemin Shooman, the mainstream weekly “Die Zeit” and its author Yassin Musharbash, the left-green-wing daily “taz” and its Daniel Bax, scholars like Andreas Zick from Bielefeld University, who even sits on Board of the US based “Journal for the Study of Antisemitism” (JSA), or historian Wolfgang Benz, former head of the “Center for Research on Antisemitism” at Technical University Berlin, dozens of other scholars, activists and authors, the Government of Lower Saxony and the German Federal Government to support and join such an event?

 

 

Gute Deutsche versus antideutsche jüdische Taxifahrer in New York. Bizarres von der „Pro-Israelszene“

Alle müssen dieses Jahr so tun, als ob sie Juden irgendwie doch mögen. Klar, die toten Juden mochten die Deutschen schon immer, vor und fast noch mehr nach 1945 (allerdings verschärft erst wieder seit den 1980er Jahren). 2015 muss mann und frau jedoch auch mal so tun, als ob die heute lebenden Juden zumindest erwähnt werden sollten, denn es sind ja die staatlich finanzierten Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum des Beginns der (west-)deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen. Es ist deshalb schon bemerkenswert, dass es diese Beziehungen gibt, weil es ja für die Welt besser gewesen wäre, hätte es nach 1945 gar kein Deutschland mehr gegeben. Das sah auch der Soziologe Helmuth Plessner so, by the way, der nach dem Nationalsozialismus, 1946/1948, gerade keinen deutschen Nationalstaat mehr wollte, vielmehr föderale Strukturen, die an die Nachbarländer angekoppelt sein sollten. Dafür wurde er noch 1981 vom Soziologen Helmut Schelsky als „Deutschenhasser“ geziehen (siehe dazu Carola Dietze, Nachgeholtes Leben. Helmuth Plessner 1892–1985). Bekanntlich jedoch gab es nach 1945 gleich zwei deutsche Staaten und seit 1990 wieder einen, der fast so groß ist wie das Deutschland von 1933 und Europa ökonomisch und politisch beherrscht wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg.

 

Um nun zu zeigen, wie sehr die Deutschen die Juden doch mögen, gibt es Ausstellungen im Deutschen Bundestag mit Grußworten in Broschüren von Bundesaußenminister Steinmeier, der gleichzeitig dem auf die Vernichtung der Juden und ihres Staates ausgerichteten Regime in Teheran die Hand schüttelt. Es gibt auch „Heimat“-Abende mit Steinmeier und Edgar Reitz, dem Vordenker der nationalistischen Heimatideologie der BRD der frühen 1980er Jahre, als „nationale Identität“ – ein Wort des Vordenkers der Neuen Rechten, Henning Eichberg – in aller Munde und Thema unzähliger Konferenzen nicht nur evangelischer oder christlich-sozialer Akademien war. Edgar Reitz hatte nämlich – und hier haben wir schon mal die bösen Amerikaner, die nachher noch eine prominente Rolle spielen werden – einmal gesagt, was ihn motiviert hatte, jene TV-Serie „Heimat“ zu drehen:

„Der tiefste Enteignungsvorgang, der passiert, ist die Enteignung des Menschen von seiner eigenen Geschichte. Die Amerikaner haben mit Holocaust [der TV-Serie, d.V.] uns Geschichte weggenommen.“

Das prädestinierte ihn offenbar, mit Steinmeier im Jahr 2015 die Feierlichkeiten zu dem runden Geburtstag der deutsch-israelischen Beziehungen einzuläuten. Alle erwähnen die „deutsche Verantwortung“, die gerade darin besteht, den Juden zu sagen, wo es langgeht. Was man sich „unter Freunden“ eben so sagt. Und das ist ja auch ein Geschäft, nicht nur im Ausstellungs- und Devotionaliengewerbe.

Der Publizist Eike Geisel hat bezüglich der deutschen Erinnerungsleistungen schon 1992 in seinem Buch „Die Banalität der Guten“ geschrieben:

„Ein halbes Jahrhundert nach der wirtschaftlichen Ausplünderung der Juden, die 1938 einen Höhepunkt erreicht hatte, sind die Vertriebenen und Ermordeten zum Material einer gemeinnützigen Wachstumsindustrie geworden: There is no business like Shoahbusiness.“

Als wollten sie seine Kritik nachträglich bestätigen, basteln heute ganz normale Deutsche aus Fotografien von Stolpersteinen ganze Wandtapeten, und der Arbeiter, der die Steine verlegt, meint, er sei geradezu „süchtig“ danach. Deutsche Obsessionen kennen keine Grenzen, wenn es um Juden geht.

Und dann gibt es auch Buffets der Luxusklasse wie im Alten Rathaus Hannover zu Ehren der diesjährigen Preisträgerin des Theodor Lessing-Preises. Geladen waren Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, der Bürgermeister von Hannover, Lokalgrößen und –patrioten, Unbekannte und weniger Bekannte, die Presse, das Fernsehen (NDR, ARD). Eine gehobene Stimmung war allseits erkennbar.

Es war eine ganz typische, aber doch so ehrliche Positionierung in der „Pro-Israel-Szene“, der nicht-jüdischen, wie es sie eher selten gibt, an diesem denkwürdigen Abend in der Altstadt Hannovers. Wir hatten es ja mit Freunden Israels zu tun. Doch wie wird man zu einem Freund Israels?

Es wurde von der Preisträgerin, die als Letzte an diesem Abend sprach, gar nicht erst um den heißen Brei geredet oder so getan, als ob frau sich für den Zionismus interessiere oder anerkenne, ganz grundsätzlich, dass Juden ein Recht auf die Errichtung oder auch Wiedererrichtung staatlicher Souveränität nach 2000 Jahren hätten oder wenigstens einen Schutzraum brauchen vor Antisemitismus. Vielmehr ging es ums Eingemachte, um den Holocaust und das Deutsch-Sein. Die Preisträgerin sprach nämlich ganz offenherzig und völlig schamlos von ihrer persönlichen Motivation, sich für Israel einzusetzen, und zwar nicht als Person, sondern als Deutsche.

Und das ging so: eines Tages, wohl so um 1970 herum, sie war noch jung, war sie in einem Taxi in New York unterwegs. Als der Taxifahrer hörte, dass sie Deutsch sprach oder bemerkte, wie sie sich als Deutsche zeigte, warf er sie aus dem Taxi. Wer sich je mit amerikanischen Freundinnen, Freunden oder Bekannten über die Post-Holocaust-Zeit unterhalten hat, weiß wie verbreitet z.B. der Boykott deutscher Produkte bei Juden in den USA damals war. Das verwundert ja überhaupt nicht.

Die Preisträgerin jedoch stand also alleine und verlassen auf einem Highway kurz vor Manhattan, so erzählte sie es. Der Taxifahrer hieß „Menachem“, das hat sie sich bis heute gut gemerkt. Und sie fühlte auf diesem Highway, wie es wohl für die Juden gewesen sein musste, als sie auf dem Weg ins KZ waren. Das hat die Preisträgerin so gesagt. Genau so.

Mehr noch: sie betonte, dass diese Begebenheit sie dazu animierte, Deutschland wieder einen guten und schönen Namen zu geben (damit nie mehr eine deutsche Frau von einem jüdischen Taxifahrer in New York aus dem Auto geschmissen wird, das war der Subtext hierbei). Sie tue alles, damit in Israel Deutschland ein schöner Name sei. Und sie ist überglücklich, wenn jüdische Kinder sie umarmen und küssen, wenn sie Süßigkeiten oder einen neuen Spielplatz bekommen. Schließlich sind ja so viele Kinder im Holocaust umgekommen. Auch das sagte sie. Und das mag auch für nicht wenige in deutsch-israelischen Gesellschaften der Grund sein, stolzdeutsch eine deutsche Fahne am Revers zu tragen, die zwar von einer israelischen flankiert wird, aber doch den deutschen Namen reinwaschen möchte. Es geht um ein Reinigungsritual. Sicher, das ist um Welten besser als der Antizionismus weiter Teile der deutschen Bevölkerung, zumal der Eliten in Politik, Wissenschaft und Kultur.

Auch viele Verfechter der Stolpersteine wollen sich offenbar gerne freikaufen (120€ kostet das) und vor allem der Welt zeigen: Deutschland erinnert und ist ein ganz schönes Land! Merkt euch das! Wir wissen, wie man mit den Millionen ermordeten Juden umgeht! (Schließlich haben wir sie auch ermordet. Oder vielmehr unsere Väter, Großväter und Onkel und deren Frauen, die auf die eine andere Weise dabei geholfen haben). Dass die Steine von Gruppen und Leuten, die bekannt sind als Israelhasser (wie in Kassel oder anderswo), verlegt werden (lassen), das stört uns gar nicht. Diese unwürdige Form des „Gedenkens“ kann einem in den Sinn kommen ob dieser Feierstunde im Alten Rathaus Hannover. So wie die Stolpersteinfetischisten der ganzen Welt in Weltmeistermanier zeigen wollen, wie massenhaft die Deutschen solche Steine verlegen und also so tun, als ob sie – und nur sie – wissen, wie man gedenkt, so wollte die Preisträgerin womöglich unbewusst zeigen, was für nicht wenige die Motivation sein könnte, sich für Israel einzusetzen: nicht wegen den Juden oder den Israeli, nein, wegen sich, wegen „uns“, wegen „Deutschland“ und seines Rufs.

Anders ausgedrückt: wenn das der nicht-antisemitische Teil des deutschen kulturellen Establishments war oder sein sollte, der sich dort traf, hat man eine Ahnung, wie es um den anderen bestellt sein muss.

Davor und danach gab es noch etwas teils unpassende, schunkelhafte Musik (es war eine Preisverleihung zu Ehren eines von Nazis 1933 ermordeten Juden) aus einem E-Piano und von einer Violine, Blumen. Und alle waren glücklich.

 

Eine, die es „geschafft“ hat – Die pro-iranische Soziologin Naika Foroutan und die „jüdische Lobby“ in Amerika

 

„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Albert Einstein

 

 

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Für die Soziologin Naika Foroutan war der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon ein „Staatsterrorist“, der frühere iranische Präsident Khatami, der von Israel als einem „krebshaften Tumor“ spricht, ein wundervolles Zeichen für einen „Kulturdialog“ des Islams mit dem Westen. Der 11. September wird von Foroutan rationalisiert, da die „Erniedrigung der Palästinenser“ Movens gewesen sei. So steht es in ihrer Dissertation von 2004. 2010 pushte Maybrit Illner die Agitatorin, Anfang Januar 2015 kam die „Expertin“ Foroutan zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Zick in der Hauptausgabe der Tagesschau zu Wort, da sie sich gegen den Rassismus und Nationalismus von PEGIDA wende. Doch Andreas Zick von der Amadeu Antonio Stiftung scheint gar nicht zu wissen, mit wem er es bei Foroutan zu tun hat. Auf der Homepage zum 50jährigen Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen wird Foroutan auch publiziert. Foroutans Doktorvater an der Universität Göttingen, der bekannte Politologe Bassam Tibi, scheint ihre Arbeit womöglich nicht en detail gelesen zu haben. Oder teilt er ihre Ideologie?

Das Beispiel der Soziologin Naika Foroutan, stellvertretende Leiterin des angesagten Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt Universität (HU) Berlin, kann exemplarisch zeigen, dass gerade auch Migranten, die es „schaffen“, die sehr gut gebildet sind und einen tollen Job im Mainstream der Gesellschaft haben, politisch zu kritisieren sind wie alle anderen, die es „schaffen“.

Damit soll der Fokus verschoben werden: es geht nicht immer nur um jene, die als „Versager“ oder Vertreter eines „Terrors der Verlierer“ (Der Spiegel) dastehen, wie Kämpfer des Islamischen Staates (IS) oder die Jihadisten von Paris. Denn als „Versager“ werden jene von den großen Medien und im Diskurs gesehen. Es gilt aber ebenso einen Blick auf die Sieger zu wagen. Technische Teile für Atombomben in Iran werden von jenen Ingenieuren entwickelt, die es „geschafft“ haben und nicht von „Versagern“ oder „Verlierern“, wobei zivilisationskritisch „Versager“ ein ganz problematischer Begriff ist. Eher ginge es um jene, die nicht ganz mitgekommen sind mit dem Fortschritt oder dem Leben, aus welchen Gründen auch immer. Doch das wäre ein eigenes großes Sujet, das hier nicht vertieft werden kann. Jihadisten haben die Wahl zwischen Töten und Nicht-Töten und es ist eine bewusste Entscheidung für das Töten der „Ungläubigen“ oder vom Glauben „Abgefallenen“ etc.

Grob gesagt geht es um Folgendes, der Journalist Michael Miersch hat das am 20. Januar 2015 in seinem Abschiedsschreiben an die Leserinnen und Leser und vor allem seine beiden Ex-Kollegen des Autorenblogs Achgut (Henryk M. Broder und Dirk Maxeiner), den er selbst mit gegründet hat vor fast 11 Jahren, so in Worte gefasst:

„Das politische Spektrum in Deutschland verengt sich auf zwei Pole: Die, die ein Problem mit dem Islam abstreiten und am ‚Elefanten im Zimmer‘ vorbei gucken. Und die, deren Antwort auf die islamische Herausforderung lautet: Scharen wir uns um Kreuz und Fahne und verteidigen wir unsere deutsche Identität.“

Erste Position trifft auf Naika Foroutan zu und viele andere, letztere auf Mierschs Kollegen Henryk M. Broder und dessen Umfeld.

Mehr noch: Naika Foroutan ist eine Kritikerin von Thilo Sarrazin und das könnte sie ja zu einer sympathischen Zeitgenossin machen. Sie tut jedoch so, als ob „der Islam“ oder „die Muslime“ das Hauptthema von Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ seien. Wer das Buch gelesen hat, weiß jedoch, dass es nur am Rande um Muslime geht. Doch nicht nur ihre „Zahlenspiele“ zeigen ihre Konfusion an, vielmehr merkt sie gar nicht, dass es bei Sarrazin um Stolz auf Deutschland geht, um die Ex-Nazi-Bürokraten, die in den 1950er Jahren das Land wieder „aufbauten“. Sarrazin hasst Menschen, die HartzIV beziehen und diffamiert nicht-promovierte wie promovierte Sozialhilfebezieher, wenn diese sich beschweren über zu wenig Heizgeld, möge doch ein zweiter Pulli reichen. Um den Islam geht es im Millionenbestseller des Möchtegern SPD-Stars „Deutschland schafft sich ab“ nur am Rande. Dafür hantiert Sarrazin mit dem philosemitischen Antisemitismus und findet Juden ganz besonders super schlau. Und Intelligenz sei vererbbar etc. Das ganze gegenaufklärerische Programm wird ausgebreitet, auf sprachlich ziemlich desolatem Niveau.

Foroutan wiederum ist stolz auf viele Türken mit Abitur. Bildung ist auch wichtig, ja. Ein unterbelichteter Aspekt ist jedoch: sind nicht gerade die gebildeten Leute, ob nun „biodeutsch“ oder nicht, das Problem, wenn es um Antisemitismus, Antiamerikanismus und die Verharmlosung des Islamismus geht?

Sind nicht viele mit Abitur wie Hochschuldozenten im Bereich Islamwissenschaft gerade Teil des Problems? 2010 rezensierte ich Sarrazins Buch für die Zeitschrift „Tribüne“ und schrieb:

„Es geht Sarrazin um Deutschland, nicht um Islamismus. Ginge es ihm um letzteren, dann würde er die herrschende Elite an Unis, Think Tanks, in der Politik, den Medien etc. angreifen müssen. Es geht dem Sozialdemokraten um die bessere Verwertung der Menschen im System. Nur wer arbeitet, soll auch essen, ein Spruch, den wir aus der deutschen Geschichte allzu gut kennen. Was letztlich in den Fabriken, den Call-Centern, den Bürovielzweckgebäuden und easy-listening-Großraumbüros so produziert wird, die Ware, ist völlig egal. Kritik ist notwendig, nicht Lob fürs deutsche Gymnasium, dem diejenigen die für die nationale wie Weltlage mit verantwortlich sind, jene die mit Iran Geschäfte machen, den Jihad gewähren lassen und Antisemitismus auf unterschiedlichster Stufe und in vielfältigster Form produzieren oder verharmlosen, entspringen. (…) Das Buch von Sarrazin hat gar nicht die Intention Jihadismus und Islamismus zu kritisieren, das ist nur ein kleines Nebenprodukt in einem seiner Kapitel. Dies haben offenbar weder Verteidiger noch Gegner verstanden. Es geht ums Kinderkriegen, um die deutsche Volksgemeinschaft der Intelligenten. Es geht um störungsfreien Betrieb im sozialdemokratischen Musterland. Es geht um Hierarchie, stolze Traditionen, um Ethno-Nationalismus und um ‚Wanderers Nachtlied‘, nicht um Reflexion und Kritik an Islamophilie, Antisemitismus und deutschen Traditionen, die zur deutsch-islamischen Liebe von Hitler und dem Mufti führten.“

Das wäre also eine Kritik an Sarrazin, die sich nicht auf Zahlenspiele oder Statistiken kapriziert, wie Foroutan es tut. Sie und ihre sechs Kolleginnen und Kollegen, die im Dezember 2010 eine Broschüre über Sarrazin publizierten, gehen mit keinem Wort auf den Antisemitismus und verwandte Ideologeme bei Sarrazin ein. Sie haben nicht bemerkt, dass Sarrazin in der Einleitung seines Buches den Islam nicht einmal touchiert, da er für seine Agitationsschrift nicht zentral ist. Unterm Strich sind beide stolz auf Deutschland, Sarrazin in der völkischen Variante, Foroutan in der den Jihad trivialisierenden Variante. Foroutan schreibt 2011 in einer Projektbeschreibung für ihr „Heymat“-Projekt an der Humboldt-Universität Berlin:

„Während internationale Konfliktereignisse wie der 11. September, der Afghanistan-Konflikt, der Irak- oder der Libanon-Krieg, samt der täglichen Berichterstattung über Terroranschläge islamistischer Fanatiker, die außenpolitische Ebene dominieren, findet auf der nationalen Ebene eine schleichende gesellschaftliche Vergiftung statt. Begriffe wie Parallelgesellschaft, Home-Grown-Terrorism, Hassprediger, Zwangsehe und Ehrenmord überlagern die Wahrnehmung der Mehrheitsgesellschaft zum Thema Islam und führen zu ansteigender Islamophobie und anti-muslimischem Rassismus.“

Sorge vor jihadistischer Gewalt hört sich irgendwie anders an.

In einer 2011 erschienenen Festschrift für Bassam Tibi schreibt die Autorin:

„Zu der Angst vor einem ‚Zivilisationsfeind‘ Islam gesellt sich die These der Bedrohung durch ‚Schurkenstaaten‘ wie z.B. Iran als Legitimation erneuter weltweiter Verteidigungs- und Aufrüstungsbereitschaft.“

Naika Foroutan Dissertation 2004

Foroutans Dissertation aus dem Jahr 2004 – Kulturdialoge zwischen dem Westen und der islamischen Welt. Eine Strategie zur Regulierung von Zivilisationskonflikten – deutet bereits an, in was für eine problematische Richtung ihre Forschung geht. Foroutan geht von der zentralen Bedeutung von „Kultur“ für die ganze Welt aus und schreibt angesichts des War on Terror, den sie ablehnt:

„Kulturdialog wird der regulative Grundsatz der post-bipolaren Weltordnung sein, trotz anachronistischer Überlebenskämpfe der neokonservativen Politik oder gerade deswegen.“

So beendet Foroutan ihre Arbeit und plädiert für den „Kulturdialog“, so als ob al-Qaida, die führende jihadistische Kraft im Jahr 2004, als die Studie beendet bzw. publiziert wurde, an einem solchen Dialog Interesse hätte. Und was für einen essentialistischen oder kulturrelativistischen Kulturbegriff hat die Autorin? Sie benutzt den schwammigen Begriff „Dialog“ nur dafür, auf alle Fälle eine militärische Antwort auf jihadistischen Massenmord zu verhindern. Für die Autorin sind Muslime und der Islam im Fokus des Westens und sie möchte keinen Krieg gegen den Jihad, sondern interzivilisatorischen Dialog, einen Dialog zwischen den Zivilisationen, vor allem der muslimischen mit dem Rest der Welt – als ob der Jihad oder Islamismus eine Kultur unter anderen sei und nicht der Feind jedes Dialogs, was vor allem für die Islamische Republik Iran gilt, die Foroutan wiederum besonders am Herzen liegt.

 

Tibis Schülerin verharmlost und rationalisiert die Terrorangriffe auf Amerika vom 11. September 2001 in vielerlei Hinsicht und sucht permanent Gründe für den „islamischen Fundamentalismus“. Dabei verwechselt sie auch Hass auf den Westen mit aufklärerischer Kritik aus dem Westen am Westen und schreibt:

„So argumentierten fundamentalistische Denker des Islam wie Seyyed Qutb oder Hassan al Turabi, sie wollten von der liberalen Regierungsform, wie sie der Westen propagiert abweichen. Sie sahen die liberale Regierungsform des Westens als gescheitert an, da sich nach Ihrer Ansicht die moderne westliche Gesellschaft offensichtlich in einer Krise befindet. Hier finden sich Parallelen zu Ideen der französischen Existentialisten, ebenso wie zu Vorstellungen deutscher Philosophen, wie Horkheimer oder Heidegger.“

Die Nachwuchsforscherin setzt islamistische, antisemitische Vordenker des weltweiten Jihad wie Sayyid Qutb und Nazis wie Martin Heidegger mit einem Dialektiker und kritischen Theoretiker wie Max Horkheimer gleich. Das ist an Perfidie schwer zu überbieten: Nur zufällig – weil er rechtzeitig fliehen konnte – überlebte der Jude Horkheimer den Holocaust. Man merkt auch wie wenig wissenschaftliche Ahnung sie von der Kritischen Theorie hat, die den Westen und die Aufklärung in der Kritik verteidigte, während Heidegger oder Qutb antiwestliche Hetzer waren.

 

Es kommt noch heftiger. Foroutan rechtfertigt den Antizionismus der arabischen Welt und fantasiert in ihrer Dissertation von einer „jüdischen Lobby“, die die USA dazu gebracht habe, im September 2001, vor 9/11, die so genannte UN-Antirassismuskonferenz im südafrikanischen Durban zu boykottieren. Foroutan schreibt in ihrer Doktorarbeit:

„Hier drängt sich für die islamische Welt, die in der Palästinafrage sehr sensibilisiert ist, die Frage auf, welche Macht die jüdische Lobby in den USA tatsächlich hat, wenn sie die Supermacht dazu bringen kann, eine Teilnahme an einer UN-Konferenz abzusagen, weil Israel dort kritisiert werden sollte.“

Wer von der „jüdischen Lobby“ und der imaginierten Macht der Juden daher redet, bedient eine typisch antisemitische Denkfigur. „Der“ Jude stecke hinter Amerika, wie es schon die Nazi-Propaganda sah, man denke nur an Johann von Leers Hetzschrift „Kräfte hinter Roosevelt“ von 1940. Für Naika Foroutan scheint es denkunmöglich, dass sich Politiker aus eigenen Stücken gegen antirassistisch verkleideten Antisemitismus wie auf der Durban-Konferenz wenden. Es muss schon die „jüdische Lobby“ dahinter stehen. Foroutan versteckt sich dabei hinter dem Ausdruck „islamische Welt“, womit sie wiederum essentialistisch die gesamte islamische Welt als pro-palästinensisch, antiamerikanisch und antiisraelisch präsentiert. „Die“ islamische Welt würde von der „jüdischen Lobby“ schwadronieren. Damit homogenisiert sie gerade „die“ islamische Welt, eine Homogenisierung, die sie sonst liebend gern den Islamismuskritikern unterstellt.

Johann von Leers gegen die „jüdische Lobby“, 1940

 

Kein Wunder, dass Foroutan den Massenmord von 9/11 rationalisiert – wohlgemerkt, so steht es nicht etwa auf einem Blog, sondern in der von Bassam Tibi angenommenen und mit einem überschwänglichen Vorwort gewürdigten Dissertation von Foroutan:

„Noch schmerzlicher mussten die USA diese Erfahrung jedoch am 11. September 2001 machen, als die Terrorakte der islamischen Fundamentalisten das Land heimsuchten. Nicht nur in der islamischen Welt wurde dabei eine direkte Verbindung zu der Erniedrigung der Palästinenser durch den Staatsterror Scharons in Israel hergestellt, auch in Europa und den USA wurde ein solcher Zusammenhang erkannt.“

Sie bezieht sich in ihrer Studie mehrfach auf Muhammad Khatami, den zum Zeitpunkt ihrer Dissertation amtierenden iranischen Präsidenten:

„Auch Kofi Annan und der iranische Staatspräsident Mohammad Chatami gelten auf internationaler Ebene als Wortführer des Dialogs zwischen den Zivilisationen. Der Begriff Kulturdialog bleibt in diesen Werken immer ein moralischer, normativer Begriff, was mit dem folgenden Zitat Chatamis verdeutlich wird.“

Diese Lobhudelei eines Islamisten wie Khatami gereicht zum Doktortitel einer deutschen Universität. Sie erwähnt den Antisemitismus Khatamis nicht. Unter seiner Präsidentschaft gewährte Teheran „nicht nur [Jürgen, d.V.] Graf Asyl, sondern auch Wolfgang Frölick [Fröhlich, d.V.], einem österreichischen Ingenieur, der vor Gericht unter Eid aussagte, dass Zyklon-B nicht zum Töten von Menschen benutzt werden konnte“, wie der Islamforscher George Michael in der Fachzeitschrift Middle East Quarterly 2007 schrieb.

 

Für Naika Foroutan ein gutes Beispiel für den „Kulturdialog“ von Islam und dem Westen? Antizionistischer Antisemitismus bei Khatami im Jahr 2000

Im Dezember 2000 nannte Khatami Israel einen zu beseitigenden „krebshaften Tumor“, und am 24. Oktober 2000 hatte Khatami im iranischen Staatsfernsehen erklärt, die islamische Welt solle sich auf eine harte Konfrontation mit dem „zionistischen Regime“ einstellen. 2011 spricht Foroutan nicht etwa vom Jihad und der Gefahr des Islamismus für Juden oder den Westen, nein, die Muslime seien die armen Opfer einer „zivilisatorischen Abgrenzungsrhetorik“.

 

Foroutans Doktorarbeit wurde prämiert, was als Resultat einer politischen Kultur des Antiamerikanismus und Antizionismus sowie einer Abwehr von Kritik am Islamismus nach 9/11 nicht verwundert:

„02/2006 Preisträgerin des Friedrich-Christoph-Dahlmann-Preises 2006, verliehen von der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität-Göttingen für die beste Dissertation 2005. 11/2005 Preisträgerin des Forschungspreises 2005 für Auswärtige Kulturpolitik der Alexander Rave Stiftung, verliehen vom Institut für Auslandbeziehungen ifa.“

 

Sie derealisiert jeglichen Aufruf zum Mord an den ‚Ungläubigen‘ von Seiten des Iran, der Islamisten und Jihadisten, wenn sie 2011 schreibt:

„Im Westen gilt die viel verbreitete Meinung, dass der Krieg der Islamisten gegen die Werte der westlichen Welt gerichtet sei, sprich gegen Pluralismus, Demokratie, Freiheit und offene Gesellschaften. In der islamischen Welt ist man vielfach der Überzeugung, der Terror richte sich gegen Fremdherrschaft, Korruption, versteckte Kriegstreiberei, Unterstützung diktatorischer Regime, Ausbeutung der islamischen Länder aus machtpolitischen und energiepolitischen Motiven und zer­fallende moralische Strukturen – daher distanzieren sich viele Muslime auch nicht so eindeutig von den Terroranschlägen.“

Damit rechtfertigt die Forscherin die klammheimliche und auch offene Schadenfreude zahlreicher Muslime über 9/11. Die Liebe zum Islam und zum Tod, die Mohammed Atta und seine jihadistischen Freunde motivierte, schockiert Foroutan anscheinend nicht. Sie rationalisiert den Islamismus und den Jihadismus, das heißt: Sie sucht rationale Gründe für das irrationale Morden. Sie möchte verstehen, wo nichts zu verstehen ist. Gegen welche „Fremdherrschaft“ richteten sich die Jihadisten in Paris im Januar 2015, die die Redaktion von Charlie Hebdo massakrierten und Juden in einem jüdischen Supermarkt ermordeten?

Hauptsache schwarzrotgold

Die deutsch-israelische Homepage aus Anlass von 50 Jahren deutsch-israelische diplomatische Beziehungen. Der Kern scheint zu sein, möglichst viele deutsche Fahnen unterzubringen und den deutschen Nationalismus als „koscher“ zu präsentieren.

 

Für ihre den Jihad trivialisierenden, entwirklichenden, als Phänomen sui generis leugnenden und den antizionistischen Antisemitismus fördernden Einsatz wird Foroutan nun (im September 2014) auf der Homepage der Israelischen Botschaft in der Bundesrepublik, dem israelischen Außenministerium, der Deutschen Botschaft Tel Aviv, dem Auswärtigen Amt und dem Goethe Institut anlässlich des 50. Jahrestages des Beginns der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen publiziert. Dort ist sie ganz euphorisch ob des (anscheinend) extrem hohen Anteils der Kleinkinder unter sechs Jahren in Frankfurt am Main mit einem migrantischen Familienhintergrund. Sie fordert einen neuen deutschen Nationalismus („Der lange Weg zum neuen deutschen Wir“), der gerade auf den migrantischen Anteil setzt. Sie ist auf ihr Herkunftsland Iran so stolz wie auf Deutschland; Amerika und Israel mag sie dagegen gar nicht, zumindest nicht, solange sie den Jihad bekämpfen (George W. Bush, Ariel Scharon).

 

Mit ihrem Hype um Fußball und das WM-Jahr 2006 macht sich Naika Foroutan gerade gemein mit dem deutschen rassistischen Mainstream, somit hat sie geholfen PEGIDA Mainstream werden zu lassen mit ihren schwarzrotgoldenen Fahnenmeeren, die direkt vom Sommer 2006, den Foroutan so liebt, herrühren. Nicht der Hauch einer Analyse oder Kritik am sekundären Antisemitismus, der mit deutschem Nationalismus immer einhergeht. Foroutan bejaht das nationale Apriori des Sommers 2006, ganz ähnlich wie Matthias Matussek, der Schriftsteller Georg Klein oder fast alle andere Deutschen.

 

Hauptsache nationalistisch und schwarz-rot-gold

Der Kern von Naika Foroutans Ideologie jedoch ist die Abwehr der Islam- und Islamismuskritik, ihr Verhöhnen der Opfer des 11. September 2001 und ihr Ressentiment gegen Ariel Scharon und die israelische Abwehr des Judenhasses. Auch hier, beim Antiamerikanismus und Israelhass, hat Naika Foroutan bei PEGIDA viele Gesinnungsgenossen. Foroutans Rede von der „jüdischen Lobby“ schließlich zeigt, wie verbreitet Antisemitismus im deutschen Mainstream an den Universitäten ist. Er wird einfach goutiert.

 

Das sind wahrlich gute Gründe für die Israelische Botschaft in Deutschland sowie das Auswärtige Amt Naika Foroutan als gelungenes Beispiel für Integration zu nehmen und ihr im 50. Jahr der deutsch-israelischen Beziehungen eine Plattform zu bieten.

 

 

 

Der Verfasser promovierte 2006 an der Universität Innsbruck mit einer Arbeit unter dem Titel „Ein völkischer Beobachter in der BRD. Die Salonfähigkeit neu-rechter Ideologeme am Beispiel Henning Eichberg.“ (Gutachter: Prof. Dr. Anton Pelinka, Prof. Dr. Andrei S. Markovits.)

PEGIDA und die politische Kultur

Eine Selbstkritik der »Israelsolidarität«, DDR-»Wirtschaftsflüchtlinge« 1989, die Verteidigung des »Abendlandes» und das deutsche Weihnachtsfest 1939: »Ein Fest des Herzens, des inneren Reichtums«

 

Bundesjustizminister Heiko Maas hat völlig Recht: »PEGIDA ist eine Schande«. Die Zeitung für Deutschland hingegen, die FAZ, sieht in PEGIDA den Ausdruck einer Sehnsucht nach »Heimat«, die armen Dresdner seien »heimatlos«, wie es am 17.12.2014 auf Seite eins der FAZ heißt: »Pegida ist ein anderes Wort für die Sehnsucht nach politischer Führung. Wer nimmt sie wahr?« Der »Führer« vielleicht? Auch viele andere Medien nehmen PEGIDA mittlerweile in Schutz, von der ZEIT, die meint »echte Gefühle« bei den Aufmärschen zu erkennen, bis hin zu CICERO, das Kritiker wie Wolfgang Bosbach (CDU) oder Ralf Jäger (SPD) abmahnt und ernsthaft meint, man könnte und sollte mit PEGIDA reden bzw. müsse deren »Argumente« wahr- und ernstnehmen.

 

Angesichts von ca. 300.000 Toten in Syrien, Unruhen, Verfolgung, Mord und Krieg in weiten Teilen des Nahen Ostens, vor allem in Libyen, Syrien, Irak oder Yemen, sowie desolater ökonomischer Verhältnisse zumal in Afrika oder Osteuropa, hetzen Deutsche gegen Flüchtlinge. Ganze Familien von »Wirtschaftsflüchtlingen« aus Chemnitz, Dresden und Hoyerswerda verbrachten 1989 Weihnachten in Stuttgart, München oder Frankfurt bei gastgebenden »Wessis«. Diese Ex-Flüchtlinge aus der DDR agitieren jetzt gegen eine verglichen damit minimale Anzahl von Flüchtlingen, die aus viel katastrophaleren und lebensbedrohlicheren Zuständen fliehen. Dabei kommt nur ein Bruchteil der Flüchtlinge lebend in EUropa an, die EU-Außengrenze degradiert die Mauer in Berlin zu einem geradezu läppischen Bauwerk.

Es gibt heute Unterstützung oder zumindest mal symbolisch Geschenke für Flüchtlinge, das ist ein großer Unterschied zum Beginn der 1990er Jahre, als sich nur kleine Gruppen von ANTIFAs und antirassistischen, autonomen Gruppen um den Schutz von und die Unterstützung für Flüchtlinge kümmerten.

Doch es geht auch um Selbstkritik: haben Autoren, wie der Verfasser, in den letzten Jahren immer deutlich genug gemacht, dass es nicht gegen »den« Islam geht bei der Kritik am Islamismus? Wurde die Kritik an Thilo Sarrazin ignoriert oder nicht bemerkt, dass andere sie ignorierten? Haben »wir« immer und jederzeit betont, dass es zwischen Islam als Glauben und Islamismus als Ideologie eine Differenz gibt? Damit wird man nicht zu einem Apologeten von Religion. Wo bleibt der Aufschrei, wenn ein sehr bekanntes Blog der »Szene« einen Autor zu Wort kommen lässt, der von einer »zweiten Shoah« daher redet und den Holocaust auf groteske Weise trivialisiert und Morde an Juden von Islamisten oder Muslimen nur dazu benutzt, um gegen »den« Islam aufzuwiegeln und die Deutschen zu entschulden, wenn in dem Text einzelne Morde und Pogrome von Muslimen an Juden von 1929 oder 1840 als »zweite Shoah« rubriziert werden? »Zweite Shoah« 1929? Oder heute? Wo bleibt da der Aufschrei? Wo bleibt da die Selbstkritik, mal einen Fehler gemacht zu haben?

Haben viele Kritiker der Israelfeindschaft einfach nur weggesehen, als die übelsten rechten Sprüche von Leuten kamen, die aus welchen Gründen auch immer für Israel sind? Wurden nicht auch höchst problematische, evangelikale oder sonstige fanatische Gruppen auf Israelkongresse eingeladen oder auf Konferenzen und Veranstaltungen toleriert und nicht konfrontiert? Haben viele gar nicht gemerkt, dass ein regelrechter Hass auf alles »Liberale« und »Linke« besteht, der durch eine Kritik am Antizionismus einiger Teile der Linken (damit ist nicht nur die Partei gemeint) rationalisiert werden konnte? Wie oft haben Leute zum Beispiel misogyne Sprüche und Tendenzen goutiert, weil die Autoren oder Redner sonst »ganz ok« drauf seien?

Sodann: haben Kritiker des Antisemitismus deutlich genug gemacht, dass es um Kritik geht und nicht um die Exkulpation des deutschen Normalzustandes, wenn der Antisemitismus primär als Phänomen von Muslimen und Arabern betrachtet wird? Haben viele nicht Kompromisse, faule oder klammheimliche, mit Christen, Konservativen und Rechten gemacht, nur weil es »um Israel« geht? Wurde nicht von vielen übersehen, dass es wie ein Schlag ins Gesicht eines Kritikers der eingebildeten »deutsch-jüdischen Symbiose« wie Gershom Scholem ist, wenn all die letzten Jahren von einem angeblich »christlich-jüdischen Abendland«, zumal in Deutschland, geredet wird?

Wer nimmt schon Kritik am existierenden Rassismus in Israel zur Kenntnis, ohne damit zu einem Israelgegner zu werden? Sicher ist es einfacher, immer nur Kritik am Antisemitismus, den es ja in unglaublichem Ausmaß gibt, weltweit, zu üben, als sich auch mal realitätsgetreu mit den Zuständen in Israel zu befassen. Warum wird fast immer, wenn wieder ein Skandal aus der Palästinensischen Autonomiebehörde zu vernehmen ist, Mahmud Abbas‘ Holocaust leugnende Dissertation von Anfang der 1980er Jahre aus Moskau zitiert, ohne auch nur wahrzunehmen, dass Politikerinnen und Politiker in Israel wie die linken Zionist_innen Tzipi Livni oder Isaac Herzog in persönlichen Gesprächen in Abbas in den letzten Jahren evtl. eine moderatere und reflektiertere Stimme zu hören in der Lage sind? Sind dadurch Livni und Herzog »Verräter« und unglaubwürdig? Wissen deutsche Blogger, Schweizer oder österreichische Referenten grundsätzlich besser Bescheid als israelische, zionistische Politiker_innen wie Livni oder Herzog?

Fast alle in der Israelszene aktiven Gruppen schweigen brüllend zu PEGIDA, finden den nationalen Taumel gar prickelnd oder wiegeln ab. Wer aber gegen die iranische Gefahr, für Israel, gegen alle möglichen Formen von Antisemitismus sich engagiert aber zu rechtsextremen, volksgemeinschaftlichen Aufmärschen, die gegen Muslime hetzen, schweigt, verrät jede Idee von Aufklärung, Emanzipation, und, ja, Zionismus. Der Zionismus David Ben-Gurions, Ze’ev Jabotinsky oder Kurt Blumenfelds basierte darauf, dass Juden zwar eine Mehrheit in Israel, aber die arabischen und muslimischen bzw. christlichen und sonstigen Minderheiten »gleiche Rechte« gewährt bekommen sollten im jüdischen Staat. Israel ist eine multikulturelle Gesellschaft mit einem Anteil von über 20% Arabern/Muslimen. In der Bundesrepublik leben ca. 5% Muslime.

Auf die Bedeutung Jabotinskys Verständnis von Zionismus, das keineswegs einen homogenen, rein jüdischen Staat avisierte, sondern einen dezidiert jüdischen (und keinen binationalen!) Staat mit einer mit gleichen Rechten ausgestatteten arabischen Minderheit, wies kürzlich der britische Politikwissenschaftler und pro-israelische, aber linke Autor Alan Johnson, Herausgeber der Zeitschrift Fathom, hin. Und in Israel ist das alles auch bekannt, aber hierzulande wird in gewissen Kreisen jede Kritik an »Bibi« oder dem rechten Rand des politischen Spektrums in Israel als antizionistisch verfemt. Es geht derzeit in Israel um Zionismus versus die extreme Rechte, die natürlich auch Teil Israels ist, aber eben nicht unwidersprochen. All das wird hierzulande kaum zur Kenntnis genommen, und diese Ignoranz wird sich rächen.

Schließlich bekommt die »Israelszene« jetzt die Rechnung aus Dresden. Entweder die pro-israelischen und anti-islamistischen Aktivistinnen und Aktivisten bzw. Blogger_innen und Forscher/innen kriegen die Kurve und kehren zu einer seriösen Beschäftigung mit Antisemitismus, Islamismus und Nationalismus zurück oder PEGIDA wird dafür sorgen, dass die »Israelsolidarität« und »Islamkritik« in PEGIDA auf- und untergeht. Entweder Islamismuskritik, Israelsolidarität und Kritik am Antisemitismus und ein Lob der Vielfalt oder PEGIDA.

2006, zur Zeit des »Sommermärchens« und acht Jahre vor dem noch größeren WM-Wahnsinn, kam das nationale Apriori ins Gerede, aber nur von einer marginalen Gruppe von Autorinnen und Autoren. Man hätte die Warnzeichen sehen können. Doch dann ging es wieder um die Kritik am ubiquitären Antizionismus, eine in der Tat wichtige Kritik, bis heute und in Zukunft.

Das alles darf nicht blind machen für die Gefahr, für die PEGIDA steht. Und vieler meiner Bekannten, nicht nur auf Facebook oder auf Blogs, sehen die Zeichen der Zeit nicht und sind unfähig, Selbstkritik auch nur zu versuchen, wie es scheint.

PEGIDA, die Dresdner Volksbewegung gegen alle Nicht-Deutschen und für ein homogenes Sachsen bzw. Deutschland, möchte am 22. Dezember 2014 bei ihrem nächsten Aufmarsch Weihnachtslieder singen, wie am 15.12 angekündigt wurde. Das mag der heidnischen Tradition weiter Teile des Rechtsextremismus und der a-christlichen Vieler in der Ex-DDR entgegenstehen, aber natürlich wissen auch Neue Rechte, Heidnische und Völkische dass man in der Not Kompromisse machen muss. Schließlich gab es Millionen NSDAP-Mitglieder, ganz normale Deutsche, die Christen waren und Teil der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. Zudem gab es bekanntlich den heidnischen Zug des SS-Staates wie die »Deutsche Glaubensbewegung« um Jakob Wilhelm Hauer, wie der israelische Religionswissenschaftler Schaul Baumann in seiner Dissertation herausgearbeitet hat.

Der katholische Bund Neudeutschland war ob des Nationalsozialismus begeistert. Der Jurist und spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg Han(n)s Filbinger steht dafür ebenso wie der Heidegger-Schüler und Philosoph Max Müller, der nach 1945 in München und Freiburg Karriere machte. Angesichts der völkischen Bewegung »Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes« sei zum Anlass des bevorstehenden Weihnachtsfestes auf die nationalsozialistisch-deutsch-abendländische Tradition eingegangen.

Ideologisch für ›Volk‹ und ›Vaterland‹ gerüstet, ging es am 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg. Ein Neudeutscher, ein Mitglied des Bundes Neudeutschland, Heinrich Jansen Cron, Herausgeber des Leuchtturm, schreibt in einem kleinen Buch, in welchem er Lieder, Gedichte, Gebete und Geschichten u.a. von Gertrud Bäumer, Ernst Moritz Arndt, Adalbert Stifter oder auch Walter Flex zusammenbringt, zu Weihnachten 1939:

Es ist ein Fest des Herzens, des inneren Reichtums. Nicht das Äußere entscheidet. Gott wird – Mensch. Der Gottesmensch ist ein – Kind. Das Kind liegt in einem – Stall. Und ist doch der Herr der Welt! Mehr sein, als scheinen, den inneren Reichtum über den äußeren stellen, das ist weihnachtliche Haltung. Das ist es, was uns auch in Not, in der Fremde, im Felde sicher macht, froh und stark. Was will aber dieses Heft? Es will das Gute, das Edle, das Heilige, das in Gott und Heimat Tiefverwurzelte wecken und heben; eine Hilfe sein, Weihnachten draußen christlich und deutsch zu erleben, jegliche Ferne zu überwinden.[i]

Wenig später, zu Ostern 1940, publiziert Cron noch so ein kleines Erweckungsbüchlein:

Die großen Aufgaben, die uns in dieser Zeit Heimat und Familie, Volk und Vaterland stellen, verlangen einen kräftigen Willen. (…) ›Jesus ist wahrhaft auferstanden!‹ Also werden auch wir auferstehen. Also hat unser Erdenleben auf alle Fälle einen Sinn; also gibt es eine ewige Gerechtigkeit; also nehmen wir das Leben und auch sein Kreuz tathart und gelassen auf uns. Denn nur so erringen wir das ewige Leben; nur wenn wir nach Kräften Christi Tapferkeit erstreben, werden wir auch mit ihm auferstehen! Mit diesem Leben ist nicht alles aus. Der Tod verliert seinen Stachel, die Gefahr die Lähmung, die Zukunft wird licht. Wir erheben die Herzen, tragen hoch das Haupt; denn uns erfüllt eine gewaltige Hoffnung. Gott wird unsere Treue krönen, unsere Familie schützen, unser Volk erretten; wir wissen ja: Christ ist erstanden![ii]

Am Beginn des Holocaust und des (Vernichtungs-)Krieges in Polen sowie im Westen Europas segnen deutsche Christen den Weltkrieg und feiern ein fröhliches Osterfest. Das Motto könnte nicht heideggerscher oder djihadistischer lauten: »Der Tod verliert seinen Stachel«. Salafisten, Islamisten und Jihadisten aller Länder könnten sich an diesen Deutschen ein Vorbild nehmen.

Der Publizist Henryk M. Broder mag symptomatisch für das Nicht-Erkennen der Gefahr, für die PEGIDA steht, zitiert werden. Er hat die Sache komplett auf den Kopf gestellt – angesichts von Nazis, Populisten und einem rassistischen Mob in Dresden schreibt er: »Das, was früher der Nationalsozialismus war, das ist heute der Islamismus«. Dabei gibt es genügend Beispiele, wo Islamisten wie Yusuf al-Qaradawi, einer der alten aber führenden Sunni-Islamisten, Hitler öffentlich lobten. Aber darum geht es PEGIDA gar nicht. Sie wollen ein »reines« Deutschland. 1978 hätte Broder das noch erkannt, als er ein Buch herausgab mit dem Titel »Deutschland erwache. Die neuen Nazis. Aktionen und Provokationen.«

Nein: das, was früher der Nationalsozialismus war, ist heute in Deutschland eher schon PEGIDA, jedenfalls laufen da auch Leute mit, die den SS-Staat gut finden.

Die wollen ein »arisches« Dresden, selbst 2,5% Nicht-Deutsche sind denen zu viel. Und sie wollen die wundervollen deutschen Traditionen bewahren, man denke nur an Höhepunkte des »christlichen Abendlandes« wie Weihnachten 1939 im »Deutschen Reich«.

Einer der PEGIDA-Mitmacher ist der Bundesvorsitzende der Partei Die Freiheit, Michael Stürzenberger, der auch für das extrem rechte Internetportal »Politically Incorrect« (PI) schreibt, das ganz begeistert ist ob PEGIDA und live davon berichtet. Stürzenberger sprach am 15.11.2014 auf der Hooligan-Kundgebung in Hannover und peitschte die Hooligans und Neonazis ein: »Wo sind die Freunde unseres deutschen Vaterlandes?«, woraufhin der Mob unter anderem mit unschwer als Hitlergrüßen zu erkennenden Bewegungen antwortete.

Stürzenberger agitiert gegen die jüdische Beschneidung, so wie er denken viele bezüglich der Beschneidung, das ist mehrheitsfähig in einem Land wie Deutschland, von der FAZ zur jungle world und der Giordano Bruno Stiftung.

Wie Anhänger von Verschwörungsmythen glauben die PEGIDA-Rechten dem »System« nicht, sie reden von »der« »Lügenpresse« und glauben einer Presse, die in der Tat an Propaganda schwer zu überbieten ist: Russia today.

Gegen die freie Presse, gegen die jüdische und muslimische Beschneidung und gegen Einwanderung – PEGIDA steht für »Ausländer raus«. Doch selbst Antisemitismus und Antiintellektualismus aus den Reihen der PEGIDA-Protagonisten und Aktivisten, darunter zählen auch Autorinnen für das verschwörungsmythische Magazin Compact, halten offenbar viele in der Pro-Israel-Szene nicht davon ab, den Rassismus von PEGIDA zu unterstützen. Eine Compact-Autorin und »Kameradin« von Jürgen Elsässer ist Melanie Dittmer, die früher bei der Jugendorganisation der NPD, den »Jungen Nationaldemokraten« (JN) aktiv war und heute im Umfeld der rechtsextremen »Identitären Bewegung«. Sie sprach z.B. bei einem DÜGIDA (Düsseldorf gegen…) Aufmarsch am 8.12.2104 und ist die Anmelderin der BOGIDA (Bonn gegen …).

Broder kritisierte 2012 die Agitation gegen die jüdische und muslimische Beschneidung. Doch er sieht offenbar nicht, dass der deutsche Mainstream gegen das Judentum und die Beschneidung ist. Viele bei PEGIDA sind Leser von Seiten wie PI im Internet, die wie dokumentiert gegen die Beschneidung und somit gegen jüdisches und muslimisches Leben hetzt.

Doch wen verteidigt Broder, wenn er Kritik an PEGIDA abwehrt und PEGIDA kleinredet, affirmiert und sich über Kritikerinnen des Rassismus wie Gesine Schwan lustig macht? Ich hatte schon 2007 rechte Tendenzen bei Broder und ACHGUT analysiert und resümierte:

Der Kampf gegen den Djihad jedoch lediglich als Vorwand, gerade für die BILD-Zeitung, den Spiegel, die WELT, sich noch gemütlicher einzurichten, gerade in Deutschland, dem Land der unbegrenzten Schuldabwehrmöglichkeiten?

Wer vom verbrecherischen Alltag des Nationalsozialismus nicht mehr reden möchte, sollte vom politischen Islam schweigen.

Die Juden sind die Juden von heute und nicht die Muslime, wie Jascha Nemtsov zu Recht gegen Armin Langer einwendet. Es geht jetzt aber nicht um die falsche Analogie von Antisemitismus und Islamkritik. PEGIDA ist ein Ausdruck von Rassismus, von Nationalismus, Islamhass und von Antisemitismus gleichermaßen, das Beispiel Stürzenberger und PI zeigen das anschaulich. Das Problem ist PEGIDA und nicht die Antifa und auch nicht Gesine Schwan.

Der Islamfaschismus wie in Iran ist schlimm genug, und die Hitler-Fans unter nicht wenigen Islamisten und Muslimen in Deutschland sind auch übel genug. Aber angesichts von Deutschlandfahne und »Wir sind das Volk« Gebrülle so die Realität zu derealisieren, wie Broder und sein Fanclub es tun, das ist bezeichnend.

Als Forscher/in sollte man sich einfach mal anschauen, wie die »abendländische Tradition« in Deutschland aussah. Dass Deutschland gar nicht abendländisch war, sondern antiwestlich, völkisch und nationalsozialistisch, wie der Historiker Peter Viereck bereits 1941 in seiner Dissertation »Metapolitics« auf beeindruckende Weise analysiert hat und von niemand anderem als Thomas Mann dafür in einem Brief vom 7. September 1941 gelobt wurde, spielt hier gar keine Rolle. PEGIDA sieht sich ja als deutsch und abendländisch.

Weihnachten 1939, Ostern 1940 und die diesbezüglichen Texte eines »Neudeutschen« oder Vertreter des »christlichen Abendlandes« wie Heinrich Jansen Cron sind nur Beispiele für das, was PEGIDA in Dresden, der Stadt, die nicht gerade für Toleranz und Vielfalt steht, hingegen für Antisemitismus 1848, für Richard Wagner und Michail Bakunin, verteidigen möchte: das christliche Abendland oder das, was Deutsche darunter verstehen.

Wie die Politikerin und Publizistin Jutta Ditfurth am 16.12.2014 auf 3Sat im Fernsehen sagte, erleben wir derzeit die wohl »schlimmsten rechtspopulistischen, antisemitischen, rassistischen Aufmärsche seit 1945«; hinzufügen würde ich: die schlimmsten Aufmärsche in Ergänzung zu den antisemitischen Aufmärschen im Sommer 2014, als vor allem Islamisten und Muslime, eskortiert von Neonazis und Linken, Pro-Hitler und »Juden-ins-Gas«-Parolen brüllten, im ganzen Land. Doch das war eben nicht »der« Islam und es waren nicht »die« Muslime und schon gar nicht »die Flüchtlinge«, die zu großen Teilen aus islamistischen Ländern geflohen sind. Jihadisten gehen ja vielmehr von Düsseldorf, Berlin oder Neu-Ulm in den »Heiligen Krieg« in den Nahen Osten und nicht andersherum.

PEGIDA indiziert, zu was das WM-Wahn-Land Deutschland im Jahr 2014 fähig ist und in den kommenden Jahren fähig sein wird. Für was stehen PEGIDA, DÜGIDA, BOGIDA und alle anderen rechten Aufmärsche? Wer sich die Aufmärsche anschaut, erkennt neben vorbestraften Kriminellen und Neonazis vor allem ganz normale deutsche Spießbürger auf der Straße. Schwarzrotgold ist ihre Fahne und Strategie, »wir sind das Volk« und »IHR nicht« ihre Parole und »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« der Sinngehalt, Agitation gegen »das System« aus Medien und Politik die Taktik, das als Fackel umfunktionierte Mobiltelefon ihr Symbol, die Gleichsetzung von Täter (SS-Staat) und Befreier (UdSSR) ihre mainstreammäßige Ideologie, dazu als altdeutsches Pendant »Familie, Heimat und Patriotismus« statt »Gender-Mainstreaming und Diversität«, Nationalismus, völkische Homogenität und Hass auf Andere ihr Motiv und Weihnachtslieder ihre Melodie.

Angesichts von Millionen Flüchtlingen weltweit ist die Anti-Flüchtlingsbewegung PEGIDA eine Schande für die Menschheit. PEGIDA ist ein Indikator für die politische Kultur in der Bundesrepublik. Sie zeigt die »Salonfähigkeit der Neuen Rechten« an.

 

[i] Heinrich Jansen Cron (1939): Weihnachten fern der Heimat. Ein Heft der einsamen oder gemeinsamen Weihnachtsfeier draußen, Köln: J.P. Bachem, S. 3.

[ii] Heinrich Jansen Cron (1940): Neues Leben. Ein Ostergruss seelischer Erstarkung, Köln: J. P.. Bachem, S. 3, Herv. d.V.

 

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA). Er ist Autor von fünf Büchern, zuletzt erschien „Kritische Theorie und Israel“ (Berlin 2014).

Kritik oder Lifestyle?

Es ist eine anstrengende, große und wichtige Aufgabe, einen bundesweiten Israelkongress zu organisieren. Es ist vor allem eine sehr gute Idee, so etwas zu tun, solange die Welt so antisemitisch und antiisraelisch ist, wie wir es seit Jahren erleben. War der Israelkongress am 10. November 2013 für eine solche pro-israelische Positionierung der richtige Rahmen?

Zuerst einmal ist für einen Intellektuellen die Aufteilung der Welt in „Laboratorien“ oder auch in „Labs“, wo dann schön getrennt Kapitalismus („Ökonomie“ oder neudeutsch „Business“), Religion, Kultur, Politik und „Lifestyle“ behandelt werden, so etwas wie eine Ohrfeige, eine Absage an Gesellschaftskritik, die ihren Untersuchungsgegenstand in seiner Totalität analysiert. Dafür gab es „Datteln für alle“, wie einer der ganz wenigen kritischen Kommentare zum Israelkongress in der „Hauptstadt“ bemerkte.

Es war der dritte Israelkongress, der diesmal nicht in Frankfurt am Main, vielmehr in Berlin stattfand. Es wurde gar nicht erwähnt, warum Frankfurt rechts oder links liegen gelassen wurde, dabei lag das u.a. an der Verleihung des Adorno-Preises an die anti-israelische Agitatorin Judith Butler im Jahr 2012 durch die Stadt Frankfurt. Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der die Entscheidung nicht selbst zu verantworten hatte, blieb gleichwohl – offiziell aus Termingründen, aber offenbar eher aus Protest – der Preisverleihung fern. Das ärgerte die auf die Israelhasserin stolzen Frankfurter aller Richtungen extrem und Feldmann geriet unter Druck. Und so sagte er jüngst sinngemäß, dass er sein Fernbleiben bei der Preisverleihung rückblickend anders sehe…

Wenn also ein Politiker einmal etwas Courage gegen Antisemitismus oder die Diffamierung Israels als Apartheidstaat zeigt, wird er prompt von allen Seiten zurück gepfiffen. Ähnlich verhielt es sich bei einem der ganz wenigen interessanten Momente im öffentlichen Leben der Kanzlerin, als diese sich am 2. Mai 2011 sichtlich erfreut über die Tötung Osama Bin Ladens zeigte, aber von ihrem Parteikollegen und Israelkongressteilnehmer Philipp Mißfelder und einer ganzen Phalanx der deutschen politischen, medialen und kulturellen Elite zurückgepfiffen wurde.

Mehrere auf dem Kongress vertretenen großen Parteienstiftungen (Adenauer, Ebert, Seidel und Böll) unterstützen auf die eine oder andere Weise auch anti-israelische oder antisemitisch agierende bzw. agitierende NGOs. Das wurde durch einen Bericht der bekannten Gruppe NGO Monitor aus Jerusalem unter der Leitung des Politologen Prof. Gerald Steinberg im Oktober 2013 bekannt. In diesem bahnbrechenden Bericht sieht man zudem wie lückenhaft die parteinahen Stiftungen sowie staatliche, kirchliche und weitere Einrichtungen über ihre nahöstlichen Aktivitäten berichten.[i] Es wird durch die empirische Forschung von NGO Monitor exemplarisch deutlich, dass häufig problematische NGOs Unterstützung erhalten. Eine solche NGO ist Miftah. Der Korrespondent aus Jerusalem, Ulrich Sahm, berichtete bereits im April 2013 über einen antisemitischen Artikel, der auf deren Homepage erschienen war und die mittelalterliche antijüdische Blood Libel propagierte. Sahm betonte auch die Unterstützung dieser NGO unter anderem durch die Konrad Adenauer Stiftung (KAS).

War es nun ein Zufall, dass Sahm, der mehrere Texte in der Hochglanzkonferenzbroschüre publizierte und häufig in Deutschland auftritt, auf der Konferenz nicht sprach, aber die KAS prominent und mit einem Stand vertreten war?

Warum meint ein Kongress sich mit politischen Stiftungen umgeben zu müssen, die doch allesamt dafür bekannt sind, wie die oben genannte Untersuchung von NGO Monitor dokumentiert, auch mit den Gegnern Israels auf die eine oder andere Weise zu kooperieren? Wer kann da ein Eintreten für Israel irgendwie ernst nehmen?

Hätte sich Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, geweigert, eine sehr kraftvolle und gegen den deutschen Antisemitismus gerichtete Rede zu halten, wenn mehr kritische Köpfe, Gruppen oder Initiativen anwesend gewesen wären anstelle vieler geschwätziger bis peinlicher Christen, Politiker oder anderer merkwürdiger Gestalten?

Ein Kongressteilnehmer aus der ex-DDR raunte mir unvermittelt schon bei der bloßen Vorstellung einer der Diskutantinnen am Nachmittag, Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, zu, dass diese z.B. „Hakenkreuze auf jüdischen Grabsteinen“ doch übertrieben darstellen würde, „um mehr Geld für ihre Arbeit zu bekommen“. Dieser Mann sieht sich als Freund Israels und der Juden, er feierte dieses Jahr drei Wochen lang seinen 60ten Geburtstag in Israel, wie er versicherte. Tolle Freunde Israels! Vielen Gruppen, Vereinen, Firmen und Organisationen scheinen vor allem die Farben schwarz-rot-gold am Herzen zu liegen, und Israel dient als Vehikel um deutsch-nationale Symbolik sozusagen koscher zu liebkosen.

Antisemitismus hat in den letzten Jahren in teils extremer Form zugenommen. Graumann verwies vor allem auf die Agitation gegen die Beschneidung. Diese Hetze wurde bekanntlich nicht nur von der FAZ, vielmehr auch von marginalen, selbsternannten Israelfreunden aus abstrusen (und häufig zu Unrecht als ‚antideutsch‘ klassifizierten) Teilen der linken Szene unterstützt und angefeuert. Er sagte, dass diese unfassbar ordinäre, vulgäre und Juden sowie das Judentum diffamierende Debatte im Sommer 2012 Juden in Deutschland gezeigt habe, wie wichtig Israel gerade auch für die Juden in der Diaspora ist. Ein Zufluchtsort für alle Fälle! Wenn es je zu einem Verbot der Beschneidung kommen würde, wäre dies das definitive Ende jüdischen Lebens in Deutschland – und Israel die Rettung, so Graumann. Vor diesem Hintergrund ist es so unerträglich und perfide dass die linke Publikumszeitschrift Konkret in einem Artikel im Sommer 2013 das jüdische Rückkehrrecht als zentralen Bestandteil der Konzeption Israels als jüdischem Staat in Frage stellte.

Auf dem Israelkongress wurde dem DGB-Vorsitzenden und Vorsitzenden des Internationalen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, der Arno-Lustiger-Ehrenpreis verliehen. Sommer ist ein außerordentlich engagierter und kämpferischer Freund Israels, was auch in seiner Dankesrede deutlich wurde, wo er sich gegen Boykottaufrufe gegen israelische Waren aussprach und auch betonte, dass er innerhalb der Gewerkschaftsbewegung nicht selten konfrontativ den Israelfeinden begegnen muss. Doch sicherlich hätte Michael Sommer diesen bedeutenden Preis auch in Gegenwart von mehr pro-israelischen Wissenschaftlern, Intellektuellen, Linken, Liberalen, Gewerkschaftern und Ungläubigen und weniger deutschnationalen Christen oder äquidistanten Parteienvertretern oder Stiftungsfunktionären entgegen genommen. Auch das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus aus Berlin lädt immer wieder Politiker_innen ein und verspricht sich davon irgendwelche Resultate. Es geht immer um Floskeln und wohlfeile Worte. Analyse und Kritik, wissenschaftliche gar, ist selten willkommen.

Folklore, kochen und geschwätzig moderieren wird gegen Antisemitismus nichts ausrichten können, so gut das auch gemeint sein mag. Israelisch kochen muss niemand davon abhalten, gegen den jüdischen Staat Israel anderweitig aktiv zu sein. Kulturalismus versus Ideologiekritik? Primär muss es um eine Kritik der Forschung und der politischen Kultur gehen, ansonsten wird es darauf hinauslaufen, Parallelwelten zu haben, die am politischen Klima wenig bis gar nichts ändern werden.

Was dieses Land bzw. Europa und der Westen braucht sind Leute die öffentlich kritisieren, dass und warum dieses Land oder ganz konkrete einzelne Unternehmen etc. mit gefährlichen Regimen kooperieren oder warum seit Jahren problematische NGOs Steuergelder der deutschen Bundesregierung (via die Parteienstiftungen z.B.) und anderer deutscher Einrichtungen erhalten oder warum Zentren für Antisemitismusforschung und Jüdische Museen antiisraelische Redner oder den Antisemitismus diminuierende jungdeutsche Forscher einladen oder beschäftigen. Das Jüdische Museum geht soweit wie viele den Holocaust und die Vorgeschichte des Holocaust verharmlosende Ideologen und behauptet, den Muslimen von heute würde es durchaus so gehen wie den Juden in den 1930er Jahren während des Nationalsozialismus, so der Direktor dieses weltweit seit längerem in die Kritik geratenen Museums, Michael Blumenthal.

Diese Zentren, Museen, NGOs oder postkolonialen, multikulturalistischen, post- bzw. antizionistischen Events und Forscher_innen werden sich weder durch christliche Gebete, Start-Up-Unternehmen im Bereich Hirnforschung oder IT-Technologie und auch nicht durch köstlichen Matsch aus dem Toten Meer oder Rotwein von den Golanhöhen irritieren lassen. Eine Kritik gerade der Aktivitäten des Jüdischen Museums Berlin, das pars pro toto für das gesamte links-deutsche kulturelle Establishment in der BRD steht, wäre enorm wichtig gewesen auf einem pro-israelischen Kongress.

Besonders abstoßend war das Auftreten von evangelikalen Missionaren im Umfeld des „Marsch des Lebens“, der von der Tübinger Offensiven Stadtmission (TOS) 2007 initiiert wurde. Die TOS schreibt über sich selbst: „Die TOS bekennt sich zu Gott, dem Vater, zu Jesus Christus, dem Sohn Gottes als Retter und Herrn der Welt, und zum Heiligen Geist.“ Diese zwischen Lachhaftigkeit und Antijudaismus oszillierende Ideologie, die den Holocaust in seinen unerträglichen „Märschen fürs Leben“ benutzt um christliche „Gnade“, „Versöhnung“, ja „Heilung“ und „Jesus Christus“ als Herr und Retter zu propagieren, wurde wie selbstverständlich auf dem Israelkongress und der Kongressbroschüre promotet und goutiert.

Es braucht weiterhin einen Raum, wo die wissenschaftliche und politische Analyse und Kritik des Antisemitismus bundesweit ein Forum bekommt.



[i] Es wurden folgende Stiftungen und Einrichtungen bezüglich ihrer Unterstützung von NGOs in Israel bzw. den Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde untersucht:

Political Foundations:

 

Rosa Luxemburg Stiftung

Heinrich Böll Stiftung

Friedrich Ebert Stiftung

Willy Brandt Center Jerusalem

Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF)

Konrad Adenauer Stiftung

Hans-Seidel-Stiftung

 

Independent Development NGOs

 

Medico International

 

Church organizations

 

Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst

MISEREOR

 

Governmental organizations

 

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ)

Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) Remembrance, Responsibility and Future

Institute for Foreign Cultural Relations (IFA).”

Breakfast with Voltaire and Kant? About Tunisian-French philosopher Abdelwahab Meddeb

Times of Israel, September 19, 2013

 

On September 12, 2013, in the leading German weekly Die Zeit, prize-winning Tunisian-French poet, philosopher and university professor in France, Abdelwahab Meddeb (born 1946 in Tunis) argued against Islamism. On the same page there is an article by co-editor of Die Zeit, Josef Joffe, on the Syrian crisis.

Meddeb is in favor of a possible “world government” following German philosopher Immanuel Kant, who in 1795 wrote his so-called political testament, “Perpetual Peace.” Meddeb writes about a “cosmopolitan world government,” and he is following mainstream liberal and academic discourse in North America, Europe, and even worldwide.

To be sure, Meddeb is an anti-Islamist, he really and honestly detests Salafi and Wahhabi Islamism, in particular, and religious fundamentalism in general. But there is a remarkable and truly (and sadly) future-oriented ideological trope in his thinking, which we can find in the entire post-colonial, and cosmopolitan debates around the globe, and in particular in Europe, the Middle East and North America. In his interview with Die Zeit he argues that a Syrian civil war could result in the emergence of several “micro-states” based on religion, ethnicity and language. He asks himself “Who has a cui bono,” or who would be the winner or who would profit in such a “scenario?” “Israel,” he answers himself, because Israel is based on a “religious, ethnic and language identity.” Israel “could live in harmony with such an environment of [Syrian] micro-states,” he claims.

Remember: You simply have to mention Kant, cosmopolitanism, and world government, to be up to date. In addition, mention Hannah Arendt, another German philosopher, and you are a super trendy scholar. If you have by birth a so-called hybrid identity, in the best case an Islamic legacy in your family and a European touch, too, your career is made from the very beginning. Europeans in particular embrace this kind of Arab-Muslim-European identity, which can only be matched by anti-Israel Jews. However, Meddeb presents such a wonderful bilingual French-Arab and religious (Islamic) identity and he mentions both Kant and Arendt in his short interview with Die Zeit. He is truly fashionable.

The core point of Meddeb’s well chosen remark about Israel is his reference to Kant at the very end of that interview. Here you have the true European speaking to his fellow Kantian colleagues, journalists, and fans.

In June 2002, Meddeb gave a speech in Germany about 9/11. In it, he mourned the decline of Islam in recent centuries and decades. He is against terror, of course, but his main argument and interest is the history of Islam. Before, between October 19 and December 9, 2001, he wrote his book “La Maladie de l’Islam,” “The Malady of Islam.” In it he argues against Islamism and he was not at all happy on 9/11, contrary to his fellow Muslims and Arabs. He does not like them. But he tries, to some extent, to understand them or to put them in the broader picture.

Therefore, he also argues against the West, and, most prominently, against America and against some Jews, the ‘bad ones,’ the Zionists, while he quotes other Jews rather positively. A cosmopolitan against Zion, really? Yes, particularly because he is a secular, open-minded man, a cosmopolitan, Meddeb is promoting troubling tropes, I believe. Take his reference to famous French philosopher Voltaire from the 18th century. In his book “The Malady of Islam,” he quotes Voltaire who said that a “reasonable intolerance” would be intolerance towards the “Israelites” who try to go back home to Zion. Writing in the mid 18th century, Voltaire has ever since been infamous for his antisemitic tropes. But well-educated Meddeb refers to Voltaire close to the end of his 250 pages book on 9/11 and “The Malady of Islam.”  He is rationalizing the murder of 9/11 at least in part, for example when referring to Ariel Sharon as someone who was involved in “war crimes” (in 1982), when there is no connection between those accusations and 9/11 at all or to the ideology of Bin Laden, al Qaida and Islamism of the Muslim Brotherhood that was established in 1928 in Egypt by Hasan al-Banna. In many of his articles, like during the Gaza war in January 2009, both sides are equally horrible, cruel and disgusting: Hamas is as bad as Israel. At the end, Israel is even worse, of course, because it is Goliath, not David, in his view, and he argues that those rockets from the Gaza strip did not do much harm at all, killing just a very few Israelis, but the retaliation of Israel was horrible. German newspapers like the left-wing Frankfurter Rundschau and newspapers and online pages in other languages published and printed his anti-Hamas and anti-Israel article.

The rejection of Israel as a Jewish state is the core of the problem. We are facing two huge movements: on the one hand, we have Islamism, including Shia-style terror from Hezballah and of course the Iranian threat, Sunni-style Islamism by the Muslim Brotherhood or by Turkey, or Saudi-style antisemitism, and of course Qatar-style mainstreaming of Islamism via public relations.

On the other hand, we have European-style cosmopolitanism Kantian-style, promoted by almost the entire liberal or left-wing and mainstream academia on every single campus in Europe, in EU institutions, in trans-national governments, and by philosophers like Abdelwahab Meddeb, who oppose Saudi-style Islamism, the language of hatred of the Muslim Brotherhood or of Yusuf al-Qaradawi while embracing the more tender aspects of Islamic history in their view. They are obsessed with portraying Islamic history as nice without ignoring the more troubling aspects. But they are perhaps even more obsessed with Immanuel Kant or Voltaire and the rejection of Jewish re-settling in Zion, the land of King David.

Meddeb has been published by leading German papers like the Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit, he has been interviewed by leading radio stations in Germany and his books and talks have been reviewed very positively. Kantian Muslims are heroes in Europe. And they are an almost completely overlooked danger to the Jewish state of Israel.

This is also the reason why another German philosopher, Hannah Arendt, is so famous and extremely trendy. Today you are an outsider at EU universities and at European collogues on contemporary political thinking or on political philosophy if you are not a full-bearded hipster and if you are not always referring to Arendt, or Kant, or their followers like Judith Butler from Berkeley and Seyla Benhabib from Yale, the latter having just been awarded prestigious prizes in Germany last year. Being a student today is simple. You do not need researching many years with thousands of books on your bookshelves at home. Today, at EU or North American campuses you need essentially four things to succeed: an Apple MacBook, an I-phone, a book by Kant, and one by Arendt …

We have to emphasize the close connection between Zionism and free thinking. It is not cool to quote Kant and Arendt all day long or to refer positively and with a smile to Voltaire’s prejudice and “intolerance” towards Zion. It’s vice versa: it is cool to be a Zionist.

The really dramatic story goes like this: we have to start thinking that some of our allies in the fight against Islamism and Jihad are our enemies when it comes to defending Israel as a Jewish state. If we fail and just focus on fighting Islamism and have night-long vibrant debates about the importance (and, yes, it is important!) of the Western world, of free thinking and writing, of being nice and friendly to everyone everywhere (call it “hospitality”) we might wake up and have breakfast with a happily secular fellow who quotes Voltaire’s “reasonable intolerance” towards Zionism from the 18th century.

And this seems to be the story of philosopher Abdelwahab Meddeb. The cultural and scholarly elite in Germany and Europe is eager to embrace him. And there is a French and a German reason for that. Voltaire. Kant.

 

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