Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Judith Butler

Linksradikale kritisieren die #ZeroCovid-Bewegung

Von Dr. phil. Clemens Heni, 22. Januar 2021

Ein linkes Bündnis um die Rechtsanwältin Christina Clemm aus Berlin, die im Impressum steht, fordert #ZeroCovid. Sie wollen einen europaweiten totalen Lockdown, auch die Industrie soll komplett lahmgelegt werden. Sie wollen, dass es null weitere SARS-CoV-2 Infektionen gibt.

Der Aufruf setzt so ein:

Nach einem Jahr Pandemie sind wir in ganz Europa in einer äußerst kritischen Situation. Tausende Menschen sterben jeden Tag und noch viel mehr erkranken. Das neue Coronavirus breitet sich rasend schnell aus, von Mutationen noch beschleunigt. Die Maßnahmen der Regierungen reichen nicht aus: Sie verlängern die Pandemie, statt sie zu beenden, und gefährden unser Leben.

Daran sieht man bereits wie unwissenschaftlich und Panik getrieben hier agitiert wird. Es gibt nicht den Hauch eines wissenschaftlichen Belegs, dass es nun auch noch eine gefährlichere Variante von Corona gibt. Wer stirbt und wo? Seit wann sterben im Winter nicht schon immer mehr Menschen? Wie gefährlich soll ein Virus für die gesamte Menschheit sein, wenn die Weltgesundheitsorganisation wissenschaftlich belegt zeigt, dass die Infektionssterblichkeit bei ca. 0,23 Prozent oder darunter liegt wie bei 0,14 Prozent – basierend auf über 750 Millionen „Infektionen“ weltweit, Stand Oktober 2020, mittlerweile werden es noch weit mehr Menschen sein, die mit SARS-Cov-2 in Berührung kamen, wobei fast alle davon nichts merkten oder kaum Symptome hatten.

Nach einer ganz aktuellen neuen Festlegung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 20. Januar 2021 ist ein bloßes positives PCR-Testergebnis kein Beweis dafür, dass ein Mensch infektiös, also ansteckend ist. Ohne das Öffentlichmachen des Ct-Wertes, also des Anreicherungswertes, der nicht über 26 oder 30 liegen darf, aber de facto fast überall weit über 30 liegt (darüber berichtete die New York Times schon vor Monaten) und ohne ärztliche Untersuchung eines positiv getesteten Patienten ist überhaupt keine Krankheit oder eine Ansteckungsgefahr für andere vorhanden. Damit ist einer der Hauptgründe der nicht definierten „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, wie sie der Deutsche Bundestag festlegte, dahin. Die ganze Krise basiert ja zu 100 Prozent auf diesen PCR-Tests. Zu keinem Zeitpunkt seit März 2020 war das deutsche Krankenhaussystem überlastet, auch das hat von Anbeginn diese „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ als illegal und absurd erscheinen lassen, bis heute.

Eine echte medizinische Krise sieht anders aus: Während 1918 bei der Spanischen Grippe das durchschnittliche Todesalter bei 28 Jahren lag, liegt es heute in Deutschland bei ca. 82 Jahren. Es sind 1918 von ca. 1,5 Milliarden Menschen auf der Welt zwischen 50 und 100 Millionen an der Grippe gestorben. Das sind nicht weniger als mindestens 3,3 Prozent (bei 50 Mio Toten) der Weltbevölkerung. Heute starben von 7,8 Milliarden auf der Erde nur 2 Millionen an – oder „mit“ – Corona. Das sind 0,025 Prozent der Weltbevölkerung. Wenn man also die Weltbevölkerung in Beziehung setzt zu den Grippetoten 1918 und den Coronatoten 2020/21, dann starben 1918 132 mal mehr Menschen an der Grippe als heute an Corona starben und sterben. Das zeigt, wie harmlos Corona ist. Es kann jeden treffen, aber die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, namentlich im Vergleich zu echten Seuchen wie der Pest oder auch der Grippe von 1918.

1970 bei der Hongkong-Grippe starben in der alten BRD 40.000 Menschen an der Grippe, die Infektionssterblichkeit – also der Prozentsatz derjenigen, die sich infizierten und daran starben – lag laut Robert Koch-Institut bei 0,29 Prozent. Laut WHO liegt die Infektionssterblichkeit von Corona, basierend auf über 60 internationalen Studien, bei 0,23 Prozent. Es mag sich jede und jeder nun selbst Gedanken darüber machen, wie seriös die tageszeitung (taz) arbeitet, die jüngst in einem von der NGO und den Kampagnenmacher*innen von Campact gepushten und vertriebenen Dossier fabuliert, „Covid-19 ist im Schnitt aller Altersgruppen zehnmal so tödlich als die Grippe“. Die Chefredakteurin der taz Ulrike Winkelmann, die für die Kampagne mit ihrem Namen im Impressum steht, scheint es so zu sehen. Wird es nach Covid wieder einen einigermaßen seriösen Journalismus geben oder ist der für alle Zeiten gestorben?

Erstunterzeichner*innen von #ZeroCovid, dieser Kampagne des Wahnsinns, die man #ZeroBrain nennen könnte, sind zwar keine richtig bekannten Leute, aber dennoch Multiplikatoren und typische Vertreter*innen der links-liberalen kulturellen Elite wie der ARD-Moderator Georg Restle, die Marxisten Wolfgang Fritz und Frigga Haug, der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba, der Satiriker der Titanic Leo Fischer, die Konkret-Autorin Veronika Kracher, der ehemalige Linkspartei-Politiker und Publizist Winfried Wolf, die deutsche Stimme der israelhassenden Feministin Judith Butler, Sabine Hark, wahnsinnig ‚antideutsche‘ Musiker wie Torsun von Egotronic, die früher mal so taten, als ob sie den Bombenkrieg der Engländer gegen Nazi-Deutschland gut fanden und sich jetzt hinter den totalitären Lockdown stellen, ja den Lockdown der herrschenden Klasse um Angela Merkel noch extrem verschärfen wollen und damit auch das Nazi-Blockwartverhalten der Bevölkerung wie der Polizei aktiv unterstützen, und Hunderte weitere sind dabei. Dazu kommen über 78.000 weitere Unterschriften (Stand 22.01.2021). Besonders frappierend ist die Unterschrift dieses Mannes:

Dr. Mathias Berek, Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin, Standort Berlin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Was für ein „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ wird durch Lockdowns gestärkt, die, so die Befürchtung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, dem Friedensnobelpreisträger 2020, bis zu 130 Millionen zusätzliche Menschen in den Nicht-Industrieländern in den Hunger oder gar den Hungertod führen kann? Wie ignorant muss mensch sein, um die weltweiten Kollateralschäden zu goutieren, ja einzufordern, die die Schließung von Schulen in Afrika oder Asien bedeuten, wo viele Kinder nur in der Schule eine warme Mahlzeit erhalten? Wie ignorant und mittelklassen-arrogant-weiß muss man sein, um diese unabschätzbaren Gefahren nicht zu sehen?

Wie ignorant muss mann und frau sein, um nicht zu sehen, dass häusliche Gewalt in Berlin, Köln, Duisburg, Esslingen am Neckar (die Zeitschrift Argument, Wolfgang Fritz + Frigga Haug wie auch Georg Restle kommen da her) oder Euskirchen, München, Heinsberg und Stuttgart, Leipzig, Greifswald und Lübeck im Jahr 2020 zugenommen hat, weil die Menschen wie Tiere zu Hause eingesperrt waren und sind? Und dieses Eingesperrtsein wollen die Protagonist*innen von #ZeroCovid noch verschärfen. Wie kinderfeindlich muss ein Mensch sein, um nach insgesamt bald sechs Monaten Schulschließungen noch mehr Schulschließungen und Kita-Schließungen zu fordern? Wie unglaublich erbärmlich und menschenverachtend muss man sein, wenn man noch krassere Lockdowns fordert, wenn wir erschütternde Bilder von Kleinkindern sehen, die im Alter von 2 Jahren beim Gang  ins Haus sich die Hände desinfizieren?

Dabei ist die medizinische Situation ganz einfach: Es hätte von Anfang an nur und ausschließlich um den Schutz der vulnerablen Gruppen gehen müssen. Das sind Menschen über 80, die noch dazu krank sein müssen, um in Lebensgefahr zu geraten. Und an irgendwas werden Menschen in diesem Alter immer sterben.

Aus medizinischer Sicht ist ZeroCovid also erstmal vollkommen unmöglich. Eine Atemwegserkrankung wie die Grippe/Influenza oder ein Virus wie SARS-CoV-2 kann man nicht stoppen. Coronaviren waren schon immer Teil von Grippeerregern und haben schon immer auch zu Tod geführt.

Warum starben 1918 vor allem Menschen im Alter von 28 Jahren im Durchschnitt? Womöglich deshalb, so die internationale Forschung (wie von Prof. Sunetra Gupta von der Universität Oxford), weil sie die schwere russische Grippe von 1889/90 nicht erlebt hatten und somit keinerlei T-Zellen oder sonstige Immunität erwerben konnten.

Es wird ein dramatisches ‚Spiel‘ werden, wenn Australien und Neuseeland sich in zwei oder vier Jahren wieder für die Welt öffnen sollten und die Bewohner*innen dann merken, dass sie viel zu wenig Immunität gegen Corona haben, weil ihnen der Kontakt mit harmlos Infizierten fehlte.

Der Kern ist aber nicht dieser medizinische Irrsinn von ZeroCovid. Der Kern ist ein totalitäres Denken.

Am 17. Januar publizierte eine Gruppe von vier linksradikalen Leuten eine sehr wichtige Stellungnahme gegen ZeroCovid. Darin heißt es:

Dieser Text wird aus schierer Verzweiflung geschrieben. Verzweiflung darüber, dass Menschen, welchen wir bisher als unsere Verbündeten angesehen haben, im Dauerfeuer der medialen Covid-Panik wohl das Hirn geschmolzen sein muss; darüber, dass Gruppen, welche wir als Teil einer progressiv-subversiven Zivilgesellschaft angesehen haben, alle ihre Ideale über Bord werfen und päpstlicher werden als der Papst (…).

Die Schreibenden (4Stück an der Zahl) arbeiten alle im Gesundheitssektor. 1x Ärzt_in für Innere Medizin, 1x Intensivpfleger_in, 1x Onkologiepfleger_in, 1x Notfallsanitäter_in. Alle sind auf die eine oder andere Art täglich mit den Auswirkungen von Covid19 konfrontiert. Zu bagatellisieren ist nicht unser Ziel. Covid19 stellt uns alle vor immense Herausforderungen und die Entscheidungen, denen manche von uns fast täglich ausgesetzt sind, hätten wir uns nie gewünscht treffen zu müssen.

Aber trotzdem fragen wir uns wie es sein kann, dass sich die politischen Koordinaten in derart kurzer Zeit so gravierend verschoben haben, dass antiautoritäre und linksradikale Gruppen, Strukturen und Einzelpersonen in kompletter Ignoranz der sozialen Verhältnisse in diesem Land Forderungen nach dem staatlichem Totalzugriff aufstellen.

Statt den Diskurs des medizinischen Totalitarismus aktiv zu bekämpfen, wird die „solidarische“ Gefängnisgesellschaft gefordert. Der biopolitisch legitimierte Angriff, angst-gerechtfertigt als lebensschützender Absolutheitsanspruch, umgesetzt vom Staat samt polizeilichen Sondervollmachten wird nicht nur stillschweigend hingenommen, sondern noch proaktiv gefordert. Es geht den linksradikalen Akteuren nicht mehr um eine Dialektik der Befreiung, stattdessen setzen sie im kompletter Unkenntnis der Funktionsweise von moderner Herrschaft eine Dialektik der Repression in Kraft.

Wir sind entsetzt darüber und können es nicht verstehen, wie das Gerede vom Totalshutdown ernsthaft geglaubt werden kann, ohne wissen zu wollen, dass die europaweite Umsetzung weite Teile der unteren europäischen Gesellschaftsschichten einer bis dato nie dagewesenen Repression aussetzen wird. Glaubt etwa allen ernstes jemand, dass große Teile der „gefährlichen Klassen“ sich freiwillig einsperren lassen?“

Zwar haben die vier Autor*innen einen typisch linksradikalen Bezug auf den „Kampf gegen den Terror“, den sie ablehnen und sich offenkundig wenig mit der bis heute existenten enormen Gefahr des Islamismus, Jihad und des islamistischen Antisemitismus befassen, und darüber hinaus haben sie auch noch einen affirmativen Zugang zum Begriff der „Sexarbeiter*innen“ (vulgo Prostitution, Ware Körper gegen Geld), doch sie treffen die fanatische ZeroCovid-Bewegung (wo es die gleichen ProtagonistInnen Pro-Sexarbeit und Pro-Islamismus-Verharmlosung gibt) frontal:

Jetzt haben wir den Ausnahmezustand. Beispielloses Aushebeln bürgerlicher Freiheiten und Persönlichkeitsrechte; jede Woche wird weiter diskutiert, welche Einschränkungen noch stärker vorgenommen werden. Nicht nur Schweigen viel zu viele von uns aufgrund der schieren Geschwindigkeit des autoritären Staatsumbaus, mit #ZeroCovid fordert der sich selbst als „linksradikal“ bezeichnende Teil der Zivilgesellschaft auf einmal 100%ige Zuspitzung desselben.

Wir fassen uns wirklich an den Kopf und fragen uns, wo die politische Analyse geblieben ist bzw. ob jemals überhaupt eine vorhanden war. Dass es eine Diskrepanz zwischen Sein und Schein gibt, daran haben wir uns schon gewöhnt, aber dass Gruppen wie die Interventionistische Linke und FAU Forderungen supporten, bei denen ein Franz-Josef Strauß Pipi inne Augen und Hose bekäme, lässt uns den Mund offen stehen unter unseren FFP Masken.

Als Feigenblatt der autoritären Staatstransformation liefern sie dem Extremismus der Mitte nicht nur ein absolutes Deus Ex Machina, sondern große Teile der widerständigen Zivilgesellschaft auf dem Silbertablett gleich mit. Ihre Forderung nach der staatlich verordneten und durchgesetzten Totaleinsperrung kann nur, da sie nicht freiwillig geschehen wird, mit staatlichen Sondervollmachten geschehen, welche, einmal etabliert und erprobt den Maßstab politischer Freiheiten dauerhaft aushöhlen werden. Ein Staat, welcher seinen Bürgern sämtliche Freiheitsrechte verwehren kann, nimmt sie dauerhaft, selbst wenn er sie gütigerweise irgendwann wieder zugestehen sollte.

Eine friedliche Transformation der Gesellschaft, welche besagte Akteure nach eigenem Verlautbaren anstreben, wird so auf Dauer verunmöglicht. Darin besteht die Dialektik der Repression und es ist ein schrecklich bitterer Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die gesellschaftliche Linke es war, welche sich ihr eigenes Grab geschaufelt haben wird.

Die Kritik am „medizinischen Totalitarismus“ passt exakt zur Kritik am „medizinischen Imperialismus“ des Soziologen und Professors Robert Dingwall aus England. Er beschreibt, wie 1655/56 Puritaner das Weihnachtsfest kontrollieren wollten und jeder fröhlichen, ausgelassenen Stimmung den Kampf ansagten. Das führte jedoch zu Aufständen in London und anderen Orten. 1657 wurde die Regel wieder abgeschafft. Gesunde Ernährung oder nicht selten unsinnige Untersuchungen, auch manche Vorsorge-Untersuchungen, oder der Verkauf von Alkohol sind regelmäßig Themen der „medizinischen Imperialisten“, also jenen, die ihren Einflussbereich ausbreiten wollen.

So wurde 2005 die Lizenz zum Ausschank von Alkohol in Großbritannien gelockert und viele dachten, es würde jetzt wie in Europa Alkohol primär zum Essen getrunken. Doch daran hielten sich bis heute die Pub-Besucher*innen in England bzw. UK gerade nicht. Doch mit Covid wird nun versucht, das wieder einzuführen: Alkohol nur in Verbindung mit Essen.

Dingwall kritisiert auch die patriarchale und antifeministische Dimension des „medizinischen Imperialismus“, der seit den 1960er Jahren sehr wohl zurückgedrängt werden konnte, jedenfalls in manchen Bereichen wie den Frauenrechten (z.B. Abtreibung), aber jetzt mit Covid-19 ein extremes Revival und eine ungeahnte Ausdehnung erlebt:

Medical sciences are different from other life sciences. Biologists study nature as it is. If one organism damages or kills another, that is simply how the world works. Medical sciences make moral judgements: a virus is a Bad Thing not just an interesting research topic. Mostly, this moralizing is not a problem.

We all prefer to live longer lives, free of pain and suffering. Sometimes, though, ordinary people are willing to tolerate a risk because this brings other benefits. Medical science can struggle to accept this choice because its ideal society gives absolute priority to health. The result is what sociologists call ‘medical imperialism’, the extension of medical rules over ever greater areas of everyday life. It is paternalist, and often patriarchal.

Since the 1960s, there has been a big pushback against this project. Ordinary people have demanded better justifications for medical actions and the right to share in making decisions that affect them. Homosexuality is no longer defined as a mental disorder. Women have taken more control over what happens to their bodies.

Dingwall geht auf einen Kern der ganzen Pandemie ein: die anlasslosen Massentests. Anlasslos deshalb, weil ja fast alle getesteten Personen keine Symptome haben und nicht krank sind. Das gab es in der Geschichte der Medizin noch nie, dass die ganze Welt auf ein Virus getestet wird, ohne dass die Menschen krank sein müssen. Sie werden erst durch einen positiven SARS-CoV-2-Test krank gemacht, von denen abgesehen, die tatsächlich an Corona erkrankt sind, die aber auch keinen Test benötigen, weil offenkundig ist, dass sie krank sind und nur noch schwer atmen können.

Dingwall, der auch Berater der britischen Regierung in medizinisch-soziologischen Fragen ist, sieht eine große Gefahr und eine perfide Strategie hinter diesen Massentests. Wollen damit etwa der Staat, das Gesundheitssystem oder auch private Firmen kostenlos Unmengen an Material sammeln von Menschen, die später eventuell auch im Kampf gegen die ganz normale Grippe eingesetzt werden sollen?

The COVID-19 mass testing program has been strongly criticized as unscientific and unethical by scientists of the standing of Sir Muir Gray, formerly the health department’s chief adviser on screening and co-author of the international standard textbook on the subject. Its claimed benefits should not go unquestioned. How has it come to be accepted? Some medical scientists have seen the program as an opportunity to do research without the usual inconveniences of peer review and ethics approval.

It is a way to get lots of data about the virus and the population without asking about the justification or the relevance of the knowledge. Others have pushed the argument that testing for COVID might be a pilot for eliminating other respiratory infections.

Dingwalls messerscharfe Analyse trifft exakt die totalitären Monster von ZeroCovid:

This is a particularly sinister movement. There is a small, but articulate and well-connected, body of medical opinion that would like to maintain social distancing, face covering and other restrictions indefinitely because this might reduce the transmission of influenza, common colds and other respiratory viruses that we have lived with for thousands of years.

The emergency is an opportunity to redesign everyday life around this single goal. Such actions are not scientific but an assertion of the morality of medical imperialism, that any infection is a blot on the face of humanity and must, if possible, be eradicated rather than managed. There is a moral alternative that says we must balance the management of respiratory viruses against the harms of control.

Given that most respiratory infections – even Covid-19 – are trivial inconveniences for most people, we also need to think about their wider impacts on social and economic life, on child development, on the stigmatization of people who cannot comply, and on the social conflict that may be generated.

Zurück zur Kritik an ZeroCovid auf Indymedia, dem bekanntesten online Portal der linxradikalen, autonomen und anarchistischen Szene. Die vier Autor*innen schreiben:

Wir können nicht anders, als allen Verrat und Versagen vorzuwerfen, welche sich mit #ZeroCovid gemein machen. #ZeroCovid ist nicht die Antwort, sondern erwächst sich als unser schlimmster Alptraum. Dass ausgerechnet ein Teil unserer Genoss_innen diesen Alptraum ohne Zögern promoted, stößt uns nur weiter von diesen Teilen linker Segmente ab.

Wir rufen jede und jeden einzelnen, der oder die diese Zeilen hier liest dazu auf, die Solidarität mit #ZeroCovid und allen, welche sich mit ihnen gemein machen, aufzukündigen und sie als das zu benennen, was sie in unseren Augen sind: autoritäre politische Kräfte, welche vermeintlich in unserem Namen sprechen, unsere Worte und Sprache benutzen, aber nur eines sind: unsere Feinde.

Die unfassbare Enttäuschung über das Verhalten vieler ihrer linken „Genoss*innen“ führt die Autor*innen zu einer weiteren, persönlichen, Leben und Tod kritisch und realitätsnah reflektierenden – es sind alle vier im medizinischen Bereich tätige Aktivist*innen -, sehr wichtigen und klaren Distanzierung:

An dieser Stelle sind ein paar weitere Worte zu uns, den Schreibenden angebracht: Wir gelten, wie das so schön gesagt wird, als systemrelevant. Wir sind in diesem Leben nicht von dem Fluch der Arbeitslosigkeit betroffen, werden in diesen überalterten Gesellschaften nicht zum Surplusproletariat gezählt. Keine Maschine wird uns zu unserer Lebenszeit ersetzen können, wir sind also von den Verwerfungen der Automatisierung und Zwangsdigitalisierung so nicht betroffen.

Unsere Arbeit ist (zum größeren oder kleineren Teil) körperlich, egal wie hart der Shutdown wird, wir sind nicht gefährdet. Unsere Patienten schon. Täglich mit dem Ausschuss dieser Gesellschaft konfrontiert zu sein bei dem Anspruch, Egalität, Staatsferne und antiautoritäre Umgangsweisen umzusetzen ist nicht leicht.

Was nicht heißt, dass wir alle unsere unterschiedlichen Arbeiten nicht als explizit politisch begreifen. Leider sind wir damit auf weiter Flur alleine, zeichnen sich Ärzte und Pflegekräfte unserer Erfahrung nach leider durch einen überproportional hohen Anteil an statusbewussten Menschenfeinden aus.

Aus dem politischen Anspruch an unsere Arbeit erwächst eine zentrale Sache: Der Schutz unserer Patienten gegenüber anderen Pfleger_innen und Ärzten, gegenüber dem Krankenhaus als Institution, gegenüber der Polizei, Behörden, Gerichten, Schließern, teilweise ihren Angehörigen.

Diese Schutzfunktion ist eine permanente Gratwanderung zwischen Paternalismus, Autonomie, unserer jeweiligen fachlichen Kompetenz und der damit einhergehenden Wissenshierarchie und dem Willen des Patienten. Im Namen von abstrakter Gesundheit „Leben“ zu schützen ist für uns undenkbar, schließlich sind wir alle häufig mit dem Wunsch nach Sterben konfrontiert.

Der Wunsch zu Sterben ist selten primär, er ist fast immer ein Nicht-Leben-Wollen-um-jeden-Preis. Das heißt, dass jede_r von uns sich damit auseinandersetzen muss, dass Patienten für sich Entscheidungen treffen, von denen wir wissen, dass sie später oder früher (meist früher) mit dem Tod des Patienten einher gehen. Und das ist nicht nur in Ordnung, sondern alternativlos.

So wie wir zwischen der Erde unter unseren Füßen und dem Himmel über unseren Köpfen kein anderes transzendentes System akzeptieren (sei es Gott, der Staat, der Kapitalismus, o.ä.), so undenkbar ist es für uns eine Kampagne zu unterstützen, welche von ihren inhärenten Prinzipien zutiefst dem zuwider läuft, was wir täglich jede_r von uns in seinem Bereich versuchen als gelebte anarchistische Ethik umzusetzen.

Endlich ergreifen somit auch explizit linkradikale Autor*innen das Wort, etwas, was Gerald Grüneklee, Peter Nowak und ich bereits im Mai 2020 mit unserer Buchpublikation „Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik“ versucht hatten:

Und das sei hier explizit als Kampfansage an #ZeroCovid verstanden: wir werden unseren Überzeugungen gemäß alles tun, um uns und unsere Patienten gegen euren Angriff auf uns und die Prinzipien, welche wir für richtig halten, zu schützen. Aus tiefster Überzeugung kündigen die Schreibenden ihre Solidarität mit euch auf.

Ihr entspricht dem, was wir, als explizit im Gesundheits(un)wesen Tätige, zutiefst verachten. Uns ist nicht entgangen, wie viele Pflegende und Ärzte unterschrieben haben bei euch. Wir können uns wiederholen, was wir an anderer Stelle bereits geschrieben haben: aus dem deutschen Gesundheitswesen erwachsen uns nur Blüten der Reaktion. Gesundheitsarbeitenden, welche sich mit #ZeroCovid verbünden, unterstellen wir, ihr autoritäres Begehren auszuleben, welches sie auch bei uns als unsere Kolleg_innen tagtäglich hundertfach zeigen.

Auch die Abgrenzung von Querdenken ist wichtig:

Der Kampf, welchen wir täglich gegen Covid19 führen ist der gleiche, welchen wir gegen #ZeroCovid und jegliche Form des staatlich-kapitalistischen autoritären Angriffes führen. Es gäbe an dieser Stelle noch sehr viel zu schreiben und zu sagen, aber mehr schaffen wir heute nicht. Als letztes wollen wir allerdings noch klarstellen, dass wir mit den drecks Faschisten von Querdenken nichts zu tun haben.

Amore Anarchia Autonomia.“

Immerhin hat selbst ein Autor der taz den Irrsinn von ZeroCovid erkannt: Thomas Gerlach, bekannt als „Bester Lehrling beim Pflügen der Herbstfurche im Kreis Burg b. Magdeburg (1983)“. Gerlach schreibt am 14. Januar 2021:

Halbtotalitäre Fantasie. Die Initiative „Zero Covid“ will das Coronavirus durch einen mehrwöchigen Total-Lockdown bezwingen. Die Ideen sind weltfremd und wenig zielführend.

Deutschland stand und steht für den Untertan, für autoritäre Charaktere, für Nazi-Blockwartdenken, für Denunziation, Polizeistaat, Behördenwillkür, Monsterbegriffe aus dem Wörterbuch des Unmenschen, in der Coronakrise auch besonders eklatant für Unwissenschaftlichkeit, Irrationalismus, Gruppendenken und Antiintellektualismus quer durch alle politischen Lager. Eine Volksgemeinschaft des medizinischen Imperialismus.

Wer links, antitotalitär, antiimperialistisch und antifaschistisch ist, wendet sich gegen ZeroCovid und alle seine Unterstützer*innen.

Schluss mit den Lockdowns, Schluss mit dem Maskenwahnsinn, Schutz den Schutzbedürftigen und das NUR in Absprache mit diesen zumeist sehr alten und vereinsamten Menschen.

Es gab in der Geschichte der BRD-Linken keinen größeren Feind der Emanzipation wie die Protagonist*innen von #ZeroCovid.

 

Gespräche über „Der Komplex Antisemitismus“ im Radio von WDR 5 und WDR 3

Das Radio hat mich jüngst wieder eingeladen und mit mir über mein neues BuchDer Komplex Antisemitismus“ gesprochen.

Am Montag, 3. Dezember 2018, sprach die Moderatorin Stefanie Junker mit mir in Ihrer Sendung „Scala – Hintergrund Kultur“, die Sendung lief von 14:05 bis 15 Uhr:

Der Komplex Antisemitismus

WDR 5 Scala – Hintergrund Kultur | 03.12.2018 | 10:23 Min.

Die neue Studie des Antisemitismusforschers Clemens Heni untersucht an neuen Beispielen, wie sich das destruktive alte Muster durch unser gesellschaftliches Leben zieht. „Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, „lechts, rinks“, postkolonial, romantisch, patriotisch: Deutsch“.

 

Am nächsten Tag, 4. Dezember 2018, sprach ich bereits ab 8:05 Uhr in der Sendung Mosaik von WDR 5 mit dem Moderator Raoul Mörchen:

„Der Komplex Antisemitismus“

WDR 3 Mosaik | 04.12.2018 | 10:31 Min.

„Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch, deutsch“ – so beschreibt Clemens Heni den „Komplex Antisemitismus“ in seinem neuen Grundlagenwerk.

 

Herzlichen Dank für die Einladung an den WDR und an die Redakteurinnen und die Moderator*innen!

Journalisten zwischen Fischgräten, Neurosen und Psychosen

Der Realitätsverlust angesichts der Brüsseler jihadistischen Anschläge, dargestellt am Beispiel von Constantin Seibt, Dunja Hayali & Co.

Der Schweizer Journalist Constantin Seibt publiziert am 25. März 2016 angesichts der islamistischen Massaker in Brüssel am Flughafen und der U-Bahn einen Text im schweizerischen Tagesanzeiger. Gleich zu Beginn schreibt er:

„So grausam jeder dieser Morde ist, es gibt Gefährlicheres. Allein in Deutschland sterben pro Jahr über 500 Leute an einer Fischgräte.“

Fischgräten seien gefährlicher als der Jihad. Das führt den preisgekrönten Schweizer Denker zu folgender Konsequenz:

„Die Verteidiger des Abendlands sind heikler als die Terroristen: Diese haben zwar Bomben. Doch die wirklichen Zerstörungen können wir nur selber anrichten. Etwa wenn man durch geschlossene Grenzen die Wirtschaft ruiniert. Oder durch einen Überwachungsstaat die Freiheit. (…) Was tun? Eigentlich nur eines: Die Polizei ihre Arbeit machen lassen. Und sonst Haltung bewahren: also die eigenen Prinzipien, kühles Blut, Freundlichkeit. Das genügt. Denn das eigentliche Ziel der Attentäter sind nicht Flughäfen oder Metrostationen, sondern die Köpfe. Ihr Ziel ist der Verlust an Haltung.“

Wenige Tage nach einem weiteren islamistisch motivierten Massaker mitten in Europa solche Zeilen zu schreiben, macht nachdenklich. Das Ziel der Attentäter sei nicht der Mord an einer möglichst großen Zahl von Menschen, sondern es seien „die Köpfe“. Der IS im Speziellen und der Jihad im Allgemeinen wollten, dass Europa nach rechts dreht, damit möglichst viele Muslime sich dem Jihad anschließen. Als ob es dazu rechter Tendenzen, die es in ganz Europa gibt, bräuchte. Viele Muslime werden aus islamistischer Überzeugung zum Jihadisten (oder auch „legalen“ Islamisten, die es ja in noch viel größerer Anzahl gibt, beiden gemein ist die Vorliebe für Religion und Scharia). Der Islamismus bietet eine autoritäre Antwort auf die Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit der Moderne. Er ist gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter, verachtet Homosexuelle oder die Zinswirtschaft und natürlich die Meinungssfreiheit (Erdogan).

Extra 3 Erdogan Palästina

Zudem ist der Islamismus die Hauptströmung der Internationale des Antizionismus, der gefährlichsten Form des heutigen Antisemitismus, neben dem eher „kosmopolitischen Antizionismus“ des Westens und vieler Intellektueller.

Doch so zu schreiben wie Seibt, so eiskalt angesichts von dutzenden Ermordeten – ist das noch Zynismus angesichts von völlig zerfetzten Menschen, die auch ihre Köpfe verloren, so zu schreiben, oder noch krasser? Gibt es dafür ein Wort?

Denn was ist in den Köpfen derer, die noch einen haben, drin? Etwas alltagssprachlich formuliert: sind die Leute, die angesichts von Jihad und zerfetzten Menschen in Brüssel von gefährlicheren Fischgräten daher reden, noch ganz „knusprig“?

Fragen wir Sigmund Freud. Er schrieb 1924 in „Der Realitätsverlust bei Neurose und Psychose“:

„Ich habe kürzlich einen der unterscheidenden Züge zwischen Neurose und Psychose dahin bestimmt, daß bei ersterer das Ich in Abhängigkeit von der Realität ein Stück des Es (Trieblebens) unterdrückt, während sich dasselbe Ich bei der Psychose im Dienste des Es von einem Stück der Realität zurückzieht. Für die Neurose wäre also die Übermacht des Realeinflusses, für die Psychose die des Es maßgebend. Der Realitätsverlust wäre für die Psychose von vorneherein gegeben; für die Neurose, sollte man meinen, wäre er vermieden. Das stimmt nun aber gar nicht zur Erfahrung, die wir alle machen können, daß jede Neurose das Verhältnis des Kranken zur Realität irgendwie stört, daß sie ihm ein Mittel ist, sich von ihr zurückzuziehen, und in ihren schweren Ausbildungen direkt eine Flucht aus dem realen Leben bedeutet.“

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Und weiter mit Freud:

„Die Neurose begnügt sich in der Regel damit, das betreffende Stück der Realität zu vermeiden und sich gegen das Zusammentreffen mit ihm zu schützen. Der scharfe Unterschied zwischen Neurose und Psychose wird aber dadurch abgeschwächt, daß es auch bei der Neurose an Versuchen nicht fehlt, die unerwünschte Realität durch eine wunschgerechtere zu ersetzen. Die Möglichkeit hiezu gibt die Existenz einer Phantasiewelt, eines Gebietes, das seinerzeit bei der Einsetzung des Realitätsprinzips von der realen Außenwelt abgesondert wurde, seither nach Art einer ‚Schonung‘ von den Anforderungen der Lebensnotwendigkeit freigehalten wird und das dem Ich nicht unzugänglich ist, aber ihm nur lose anhängt. Aus dieser Phantasiewelt entnimmt die Neurose das Material für ihre Wunschneubildungen und findet es dort gewöhnlich auf dem Wege der Regression in eine befriedigendere reale Vorzeit.“

Trifft das nicht ziemlich exakt auf das Jahr 2016 zu? Flüchtet nicht ein Constantin Seibt in eine „Phantasiewelt“ und regrediert er nicht in eine Zeit, in der z.B. Fischgräten womöglich gefährlicher waren als jihadistische Massaker, wenn sie je gefährlich waren – verglichen mit geistiger Regression, die vielleicht schon immer unsagbar gefährlicher war denn Fischgräten? Es ist auch eine Infantilisierung des Journalismus, sich auf Allgemeinplätze zurückziehen, auf Beispiele, die auch Kinder verstehen.

Ja, trifft Freuds Analyse des Realitätsverlust sowohl bei Psychose wie Neurose nicht weite Teile unserer europäischen wie westlichen Gesellschaften, unsere gesamte Situation seit dem 11. September 2001?

Jene, die nicht offen mit dem Jihad sympathisieren (angenommen das tun sie auch nicht klammheimlich zu Hause, beim Café auf Stehempfängen, auf islamwissenschaftlichen Konferenzen oder in der Kneipe um die Ecke), derealisieren die Gefahr oder/und verfallen in eine „Regression in eine befriedigendere reale Vorzeit“. Das wäre die Zeit bevor der Jihad anfing, gezielt wie wahllos westliche Gesellschaften zu terrorisieren und Tausende Menschen zu ermorden, angefangen mit den Anschlägen von 9/11 im World Trade Center in New York City, dem amerikanischen Verteidigungsministerium Pentagon und den vier entführten Flugzeugen. Wollen also solche Autoren, die angesichts der größten öffentlichen Gefahr, der sich Europa seit dem Ende des Nationalsozialismus im Mai 1945 gegenübersieht, von Fischgräten statt von Jihad reden, in ihre Kuschelzeit des Kalten Krieges der 1960er bis 1980er Jahre zurück? Oder in die „neutrale“ Alpenidylle der Schweiz mit Enzianblümchen, Naturjodlern und Züricher Schickeria? War nicht der unfassbare Hype um Volksmusik seit vielen Jahren gerade Ausdruck dieser Realitätsverweigerung, zudem natürlich eine Regression geistiger und musikalischer Natur, die uns wöchentlich en masse im Fernsehen vorgedudelt wird?

Eine Nicht-Thematisierung der islamistischen Gefahr ist ja gerade das Kennzeichen schlechthin westlicher Reaktionen auf 9/11. Eine fast völlig unpolitische Jugend, die im Selfie-Narzissmus weiter Teile der Gesellschaft gefangen ist, tut ein Übriges – und jene, die aktiv sind, Jung und Alt, sind fast alle wahlweise gegen Freihandelsabkommen oder/und hetzen gegen Israel, geben Judith Butler den Adorno-Preis (Axel Honneth etc.), gehen zur BDS-Bewegung, organisieren den al-Quds-Tag, unterhalten gute Beziehungen zu Iran (Bundesregierung) oder entfernen israelische Fahnen von Gedenkorten für Opfer des Jihad wie in Brüssel.

Seit jenem Dienstag sprechen doch alle nur darüber, dass „der“ Islam nicht zum Thema gemacht werden dürfe und der Islamismus keine spezifische Gefahr sei. Darüber, dass der Westen mit solchen Hochhäusern wie dem World Trade Center doch einen „Doppelphallus“ errichtet hätte, den zu „fällen“ gleichsam OK gewesen sei („ein Tritt in die Eier“, so Klaus Theweleit, „Männerforscher“), dass „Symbole von Stolz und Reichtum und von Arroganz“ sich in diesen Gebäuden Ausdruck verschafft hätten (so der damalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, Wolfgang Benz) oder aber dass der damalige US-Präsident George W. Bush und der al-Qaida-Führer Osama bin Laden die „gleichen Denkstrukturen“ hätten (so der damalige ARD-Vordenker Ulrich Wickert). Die PDS (heute die Partei Die Linke) redete von „sowas kommt von sowas“, der Neonazi Horst Mahler jubelte ob der Anschläge am WTC von „Independence Day Live“. Kritiker des Jihad und Islamismus werden seither wahlweise als „Hassprediger“ (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung) oder „Panikmacher“ (Patrick Bahners, FAZ) diffamiert und jede substantielle Analyse und Kritik des Islamismus und Jihad abgewehrt.

Seibt rennt also sperrangelweit offene Türen und Tore ein, wenn er meint, nun fast 15 Jahre nach 9/11 und Zehntausenden Toten durch suicide bomber und andere islamistische Attacken später, die Kritik am nach Europa kommenden Jihad abzuwehren.

Wie der FAZ-Blogger Don Alphonso [zum extrem rechten Potential Alphonsos siehe weitere Beiträge auf diesem Blog, z.B. hier] am 29. März 2016 schreibt („Terrorverharmlosung mit der Fischgrätenlüge“), wurde Constantin Seibts Artikel umgehend vom politischen und journalistischen Establishment auf Twitter geteilt und promotet,  von Felix Werdermann, Politikredakteur beim Freitag, Michael Karnitschnig, Büroleiter von EU-Kommissar Johannes Hahn, Catrin Bialek, Redakteurin beim Handelsblatt über Mike Beckers, Redakteur bei der Wissenschaftszeitschrift Spektrum hin zu Dunja Hayali vom ZDF-Morgenmagazin, Thomas Leidel von N-TV oder Maik Nöcker, Moderator bei SKY.

Angesichts von zerfetzten Menschen in Brüssel, die Opfer jihadistischer Gewalt wurden, von den vorgeblich viel gefährlicheren Fischgräten zu reden und das zu teilen, ist Ausdruck eines Realitätsverlusts, Ausdruck der womöglich von Psychosen und Neurosen erkrankten kulturellen Elite im Westen, Europas und der Schweiz. Da aber fast alle mitmachen bzw. am selben Leiden leiden, fällt das niemand (außer Kritikern wie Don Alphonso) auf. Es läuft für den Jihad.

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

The Obsession to fight the Jewish state – The binational option, from Martin Buber and Hannah Arendt to Micha Brumlik and Judith Butler

The Times of Israel, September 3, 2013

On September 9 and 10, 2013, the Center for Research on Antisemitism (ZfA) at Berlin’s Technical University, together with the huge German Foundation on “Remembrance, Responsibility, and Future”, which spends up to seven million Euros a year for events (and spent over 70 million Euros since its inception in the year 2000), the group “Berlin-Kreuzberg Initiative against Antisemitism (Kiga)” and several other organizations as well as a German ministry of the Federal Government, will held a conference in Nuremberg on the Middle East conflict and its perception among immigrants in Germany.

The ZfA and its former head Wolfgang Benz have been criticized in recent years for promoting research on “Islamophobia” instead of Muslim antisemitism. In addition, Benz has been questioned about his silence about the Nazi legacy of his PhD advisor Karl Bosl, who awarded Benz a doctorate in 1968. In 1964, Bosl had compared the Holocaust to the expulsion of Germans from the East, and during Nazi Germany Bosl was on the payroll of the SS, an active historian in Nazi circles, and a member of the Nazi party NSDAP. Wolfgang Benz even collaborated with hardcore Islamist activists from the German online project Muslim Market and gave those pro-Iranian antisemites a very friendly interview in November 2010. Muslim Market is among those groups that organize the pro-Iran, pro-Hezballah and anti-Israel al-Quds rallies every year at the end of the Muslim month of Ramadan. On their homepage Muslim Market promotes the boycott of Israel with a scratched-out Star of David. Is this an appropriate place for the best known German scholar on antisemitism to be interviewed?

Then, in 2012, the new Center head since summer 2011, historian Stefanie Schüler-Springorum, appointed Edward Said follower and anti-Zionist Islamic studies scholar Achim Rohde. I analyzed the problematic tropes of Rohde’s scholarly approach and he left (or had to leave) the ZfA in 2013. Schüler-Springorum, though, is far from being an expert on research on antisemitism, let alone Israel, the Middle East, or the history of anti-Zionism. She has not published a single book on antisemitism so far, which is remarkable for the head of the leading European institute for research on that topic.

A speaker at the event in Nuremberg will be Islamic studies scholar and journalist Alexandra Senfft. In November 2012 she interviewed Wolfgang Benz and welcomed his new book on “How fear of Muslims threatens our democracies” – a strange topic for a scholar on antisemitism who is silent on jihadism and Islamist Jew-hatred. Senfft even mentioned that Benz frequently is interviewed by Muslims and Muslim journals in Germany but she had no problem and did not mention Benz’ interview with the hardcore Islamist and antisemitic Muslim Market. Senfft argues against critics of antisemitism like Holocaust survivor Ralph Giordano and journalist Henryk M. Broder because they are critics of “Islam,” in fact they are critics of Islamist antisemitism in particular and Islamism in general.

One of the best known speakers at the September 9 event, invited by Schüler-Springorum and her allies, is Professor Micha Brumlik, a pedagogue by profession. Brumlik has been known in recent decades as a critic of some forms of antisemitism in Germany. But he is even better known today for his kosher stamps for antisemitic agitators like Judith Butler who received the very prestigious Adorno-Prize of the city of Frankfurt in 2012. Butler calls Israel an apartheid state, she supports the anti-Jewish Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) movement and she is in favor of German-Jewish philosophers Hannah Arendt (1906–1975) and Martin Buber (1878–1965). Both Arendt and Buber agitated against a Jewish state of Israel and favored a binational Israel.

In the July issue of the leading left-wing German monthly, Konkret, Brumlik promoted a “Plan B.” In his article he argued against Israel as a Jewish state and followed Buber’s plans for a binational Israel. Konkret and Brumlik went so far as to say that Jews may not have a principled right of return to Zion – rather humanitarian and economic aspects should regulate immigration to Israel/Palestine.

Brumlik and Konkret are not stupid, they are not pro-Hamas or pro-Hezballah, they are rather critics of Islamist antisemitism and the Iranian threat. Konkret is even known as one of the very few self-declared pro-Israel journals in Germany. If it is pro-Israel to plead for a binational state – then you can imagine the anti-Zionist climate in Germany.

A few days after Brumlik’s piece was published by Konkret, I wrote a critique of this anti-Israel article. I said that this approach for a binational Israel, coming from a well-known Jewish professor and a self-declared pro-Israel monthly, is perhaps more dangerous than anti-Israel hatred coming from all kinds of hardcore right-wing or left-wing circles. I said that Brumlik and Konkret are perhaps more dangerous thanks to their distinguished style, their clear and calm strategy for this “Plan B” aiming at a binational Israel and rejecting Jews’ principled right of return.

Konkret became rather angry about my critique and attacked my person in a nasty and completely unprofessional way in the following editorial. Such attacks against pro-Israel scholars are normal when it comes to typical extreme right-wing or left-wing hate mongers, but Konkret always pretended to be pro-Israel. But well, Martin Buber was pro-Israel, too. He was a Zionist and this is the problem we are facing: what is Zionism?

This is a strategic question, going beyond the actual debates and conflicts.

There is the political Zionism of Theodor Herzl (1860–1904) and his followers. Herzl was not religious but desperate for a Jewish state. Others, like Achad Ha’am (1856–1927) preferred a cultural Zionism, urging Jews to become more Jewish in an inner, philosophical or religious and cultural way. This awakening of being Jewish was also a main element of Martin Buber’s approach in the early 20th century. Buber was a strong Zionist but did not want a Jewish state at all. Like Arendt, who was much younger than him and less religious, he was in favor of a homeland for Jews, but not a Jewish state. Sounds strange to today’s ears? This convoluted logic is behind today’s proposals for a binational state. And this is what we have to struggle with, in the next years and decades.

Influential German historian Dan Diner from Leipzig and Tel Aviv Universities argued for a binational Israel in his super PhD (habilitation) in 1980, too. I am not sure if this is still his point of view, but I fear it is. Historian Siegbert Wolf, known for books on Buber or anarchist and friend of Buber, Gustav Landauer (who was killed by sadistic, antisemitic, nationalistic and anti-socialist pre-Nazi German soldiers in 1919), argued for a binational Israel as well and referred to Diner. Like Diner, Konkret or Brumlik, Wolf is not stupid at all. He is aware of the Nazi collaboration of the leading Arab and Muslim politician at the time, Grand Mufti of Jerusalem Amin al-Husseini, and refers to pro-Israel and anti-Islamist critics of the Mufti like political scientist Matthias Küntzel, and historians Klaus-Michael Mallmann and Martin Cüppers. Despite these facts, Wolf supports antisemitic and so called post-Orientalist superstar Edward Said (1935–2003) and his plea for a binational Israel. Wolf’s pro-Buber article was published by the official German Martin-Buber-Society in 2011.

Butler likes the idea of a binational Israel, and therefore she refers to Arendt and Buber. For Butler, though, in her anti-Israel book from 2012, “Parting Ways. Jewishness and the Critique of Zionism,” Buber was still a problem, because he was in favor of Jewish “settler colonialism” and Jewish immigration to Palestine (prior to 1948). In fact, Buber wanted limited immigration even after the Shoah. In 1947, together with the co-founder and later President of Hebrew University, Judah Magnes (1877–1948), he wrote a pamphlet “Arab-Jewish Unity,” a “Testimony before the Anglo-American Inquiry Commission for the Ihud (Union) Association.” In it, they argued against a Jewish state of Israel and wanted a limited immigration of 100,000 Jews a year, in order to not disturb the Arabs.

In 1958, Martin Buber wrote that the “philosophy of violence” of the “national socialist evil” kept on “having an effect” “in a part of our people,” the Jewish people. This (antisemitic) comparison of Jews to Nazis was remembered, quoted and not at all criticized in 1961 in an afterword to a big study by Hans Cohn on Buber, written by the Brit Shalom member (1925–1933), co-founder of the Leo Baeck Institute and first editor of its Yearbook (1956–1978), Israeli journalist Robert Weltsch (1891–1982). Cohn’s book with Weltsch’s afterword appeared in a second printing in 1979, published by the Leo Baeck Institute New York, with a foreword by German historian Julius H. Schoeps, today head of the 1992 founded Moses Mendelssohn Center for European-Jewish Studies (MMZ) in Potsdam.

As historians and co-editors of the “New Essays on Zionism” in 2006, David Hazony, Yoram Hazony, and Michael B. Oren, observed, there is a need to justify Zionism in our times after the Cold War, an era that for Israel was relatively harmless, predictable, and largely free of today’s jihadist threat. Thanks to “European ideology,” they wrote, the “future of mankind” is seen “in the dissolution of state sovereignty.” Therefore Zionism, political Zionism and not spiritual or cultural Zionism, to be sure, needs philosophical, historical, political and religious justification.

We have to confront European and German ideology of Immanuel Kant and the end of the nation-state in the late 18th century. Kant is still very influential in philosophy and politics alike, take Yale’s Seyla Benhabib as an example. In 2012 she was awarded a prize in Germany, despite her outspoken anti-Zionist articles in recent years and her friendship with Judith Butler. Even pro-Israel young scholars embrace Benhabib and are unwilling or unable to decode the dangerous ideology of Kant, and his followers in the anti-nation-state tent.

Israel is a Jewish state and has to be a Jewish state and has to be accepted as a Jewish state. Israel as a Jewish state with unlimited immigration could have saved hundreds of thousand Jews, if not millions. Jews have by far the longest and most intense relationship to Zion and the territory of Israel. Jerusalem is of minor importance to Islam, just take the Quran as an example. Finally, no one in the humanities and social sciences is questioning the Muslim character of almost all Arab states, or of Iran.

Martin Buber and Hannah Arendt, perhaps today the two most influential Jewish anti-Israel-as-a-Jewish-state celebrities in the humanities and social sciences from the 20th century, did a bad job. They attacked and defamed the very idea of Israel as a Jewish state in the 1940s, take the time frame from 1942 until 1948, when the Holocaust happened and the Biltmore conference in May 1942 in New York City argued in favor of a Jewish state of Israel.

The question is not only if someone is pro-Israel, but also what kind of Israel. What do people refer to when they are in favor of Israel – a cultural Zionist or spiritual Judaistic Israel with no Jewish majority, a binational Israel? Or, a political Zionist Israel, the Jewish state of Israel?

It is a scandal that proponents of a binational Israel and authors who attack critics of antisemitism and Muslim antisemitism are invited to that conference to be held in Nuremberg, September 9, 2013.

Finally, even among self-declared friends of Israel there is a huge gap of knowledge about the history of Zionism and Israel as a Jewish state. There is much work to be done for serious scholarship.

How Does Modern-day Germany deal with Antisemitism? Lecture by Dr. Clemens Heni, WJC, Jerusalem

Lecture by Dr. Clemens Heni, Director, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA, www.bicsa.org) at the World Jewish Congress Institute for Research and Policy, Jerusalem, 9a Diskin Street, Monday, May 27, 2013, 4 pm (with special thanks to Dr. Laurence Weinbaum, chief editor of the Israel Journal of Foreign Affairs, who organized the event, who was a great host and who is a wonderful ally!)

CAM00414On Facebook, the World Jewish Congress wrote: „On May 27, 2013, the WJC Institute for Research and Policy hosted a talk at the offices of the Institute given by Dr. Clemens Heni, director of The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA). Dr. Heni spoke on „How Does Modern-Day Germany Deal with Antisemitism?“ He described the three main categories of antisemitism and how those are manifested in modern-day Germany. He stressed the widespread antisemitism in the guise of anti-Zionism that flourishes in German academia and political life. A spirited Q&A session followed his talk, in which Judge Gabriel Bach, a prosecutor at the Eichmann Trial and a native of Germany, took an active part. Institute member Dr. Nir Boms, a fellow at Tel Aviv University’s Dayan Center, moderated the event.“

 

Der World Jewish Congress und sein Institute for Research and Policy luden mich ein, am 27. Mai 2013 einen Vortrag über das heutige Deutschland und sein Verhältnis zum Antisemitismus zu halten. Unter anderem waren mehrere ehemalige Botschafter Israels anwesend. Es war eine besondere Ehre und Freude, dass sich der Staatsanwalt und stellvertretende Ankläger gegen Adolf Eichmann, Gabriel Bach (Jg. 1927), für meinen Vortrag interessierte und aktiv an der anschließenden Diskussion teilnahm. Unten stehend ist das hand-out, das ich verteilte. Der Vortrag selbst war länger und ausführlicher (13 Seiten mit 97 Fußnoten) als das Paper, das nur einige zentrale Aspekte aufführt. Vom Vortragsort in der Diskin Street hat man übrigens einen wundervollen Blick über Jerusalem und sieht vis-à-vis das israelische Parlament, die Knesset.

CAM00415

View from WJC Jerusalem to the Knesset

Gabriel Bach and Clemens Heni, Jerusalem, May 27, 2013, World Jewish Congress

How does Modern-Day Germany deal with Antisemitism?

 

What is Antisemitism and what categories of antisemitism can be analyzed?

 

Antisemitism in the 21st century is hatred of Jews, hatred of the Jewish state of Israel, and the distortion of the Holocaust.

 

There are mainly three categories of antisemitism:

 

1)      Old-style anti-Judaism and antisemitism up until 1945, which still exists today

2)      Antisemitism after the Holocaust, including Holocaust distortion or “secondary antisemitism” which is closely related to the

3)      Anti-Zionism and hatred of Israel since 1948

 

Category 1) Old-style anti-Judaism and antisemitism up until 1945, which is still existent today

 

1)                  Anti-circumcision since antiquity; anti-shechting and other anti-Judaism resentments

2)                  Jews as Christ-killer

3)                  Anti-Ahasver, the “eternal Jew” (in Germany in particular, framed Der Ewige Jude as early as 1694)

4)                  Blood Libel, Jews accused of killing innocent non-Jewish (mostly Christian and since 1840 (Damascus Blood Libel) Muslim children)

5)                  Anti-Mammonism, Jews accused of being behind capitalism and money (examples are Karl Marx 1844 or leftists in winter 2003 dancing in Davos at the World Economic Forum around a golden calf and combining anti-Americanism and antisemitism.)

6)                  Conspiracy Myths, in particular the most horrible conspiracy fraud ever, The Protocols of the Elders of Zion from the early 20th century (a Russian forgery), today disseminated throughout the Muslim and Arab worlds, and among neo-Nazis, and others. Jews being behind the “Black Death” in the Middle Ages in Europe is another conspiracy myth, for example. The same holds for talks about an “Israel lobby” controlling the US, among many other conspiracy driven myths. Jews being behind modernity and liberalism, sexual politics, the emergence of big cities and the destruction of traditions, and Jews being behind Socialism and Communism, or the French and Russian Revolutions fit conspiracy myths, too.

Me and moderator Dr. Nir Boms, World Jewish Congress, May 27, 2013, Jerusalem. You see the four books on antisemitism, Germany, the New Right, Islamic Studies and antisemitism after 9/11, I’ve written since 2002, when I was a doctoral candidate and when I first spoke at an international conference in Jerusalem at the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), Hebrew University

 

Category 2) Antisemitism after the Holocaust, including Holocaust distortion or “secondary antisemitism” (Antisemitism after and because of Auschwitz)

 

7)                  Projecting German guilt onto modernity like equating of the Holocaust with “motorized agriculture” (Martin Heidegger, 1949); bomb war against Germany framed as “bombing Holocaust” and related terms (the latter is promoted, for example, by leading boulevard daily BILD-Zeitung and its author Jörg Friedrich, who used the term “crematoria” for the city of Dresden); projecting German guilt onto the Soviet Union and Eastern Europe like Czechoslovakia, when Germans are portrayed as victims of a “Holocaust of expulsion.”

8)                  Using the term Holocaust for all kind of things, therefore universalizing the Shoah: terms like “biological Holocaust,” “atomic” or “nuclear Holocaust,” “high-tech Holocaust,” “for the animals it is like Treblinka,” “Golden Holocaust,” when talking about the tobacco industry, or “Holocaust of abortion” are examples.

9)                  Denial of the Uniqueness of the Shoah. Some post-colonialists and post-Orientalists, for example, talk about “Kaiser’s Holocaust” or talk about “From Windhuk to Auschwitz” (historian Jürgen Zimmerer, Hamburg University) and frame the mass murder of natives in German South-West Africa (today: Namibia) as a Holocaust. Others compare colonialism, imperialism or slavery with the Shoah and confuse exploitation with destruction.

10)               Red equals brown, the Prague Declaration (June 2008) and the rewriting of the Second World War have become major tropes in contemporary historiography.

11)               Talking about “Islamophobia” and comparing racist attacks against immigrants, including Muslims, in Germany and elsewhere, to genocidal antisemitism.

12)               Holocaust denial by neo-Nazis, Islamists, and others.

 

Category 3) Anti-Zionism and hatred of Israel

 

13)               Jewish anti-Zionism prior to the establishment of Israel (e.g. Martin Buber, Hannah Arendt)

14)               Soviet-style anti-Zionism after 1948

15)               Arab anti-Zionism (rejection of UN division plan 1947)

16)               Islamist anti-Zionism

17)               Liberal and left-wing anti-Zionism after 1967 in the West

18)               Right-wing anti-Zionism immediately after 1945 and even before, Nazi antisemitism was also anti-Zionist

19)               Mainstream European anti-Zionism in several countries who see Israel as a “threat to world peace,” particularly since the year 2000 and after 9/11

20)               Particularly since the Second Intifada in 2000, anti-Zionism and Islamism increased dramatically via electronic media and the Internet (take, as examples, anti-Israel pages online, including the Boycott Divestment Sanctions (BDS) movement, leading Islamist Yusuf al-Qaradawi and his online activities)

 

Germany and Category 1) Old-style anti-Judaism and antisemitism:

Anti-circumcision court ruling in Cologne May 2012; supportive of the anti-circumcision climate in Germany: Frankfurter Allgemeine Zeitung, small and tiny pro-Israel left-winger (jungle world, Bahamas), “evolutionary humanists” (=aggressive atheists) of the Giordano Bruno Foundation; particularly the extreme right-wing Politically Incorrect (blog), and the tiny party Die Freiheit (Michael Stürzenberger)

 

Germany and Category 2) Holocaust Distortion and secondary Antisemitism:

Award in Germany in 2012 for historian Timothy Snyder’s Bloodlands › Holocaust distortion, implicitly following Ernst Nolte, denial of unprecedented character of the Shoah; equating of Hitler and Stalin; pro-Snyder: Christoph Dieckmann, Michael Wildt, Jörg Baberowski; contra-Snyder: Dan Diner, Dan Michmann, Dovid Katz, Robert Rozett, Efraim Zuroff, Jürgen Zarusky, Richard Evans, for example

 

Prague Declaration (2008): red equals brown (promoted by Lithuania and other East European countries and individuals), rewriting of textbooks; support by newly elected (2012) German President Joachim Gauck

Dr. Clemens Heni, World Jewish Congress, May 27, 2013

Germany and Category 3: Anti-Zionism and hatred of Israel:

 

Journalist Jakob Augstein (Der Freitag, Spiegel Online) supports Günter Grass’ anti-Zionism

 

Awards in Germany in 2012 for anti-Israel philosopher and gender studies celebrity Judith Butler (BDS, Israel Apartheid Week Toronto 2012) and anti-nation-state, Kantian political scientist Seyla Benhabib (“Israel committed possible crimes against humanity” in the Gaza war 2008/2009)

 

Scholar in political psychology Wolfgang Kempf says: comparing Israel to Nazis might urge Jews not to “lose their high moral standard”; in his view, suicide bombing against Jews in Israel is “not necessarily antisemitic” if not followed by the denial of Israel’s right to exist

 

Leading German expert on antisemitism, Wolfgang Benz (former head, Center for Research on Antisemitism (ZfA), Technical University Berlin): charming interview with leading Islamist, pro-Iranian, antisemitic and anti-Israel homepage Muslim-Markt, November 2010; equation of antisemitism and Islamophobia (Dec. 2008); equation of critics of antisemitism and Islamism with “preachers of hate” (Jan. 2010);

 

Center for Research on Antisemitism (ZfA) and its head Stefanie Schüler-Springorum (newcomer in the field) appointed Islamic Studies scholar Achim Rohde (2012); pro-pan-Arabism Rohde is a follower of antisemite Jacqueline Rose and of anti-Zionist Edward Said; Rohde is explicitly supposed to work with Said’s concept of Orientalism in relation to Islamophobia and antisemitism. The ZfA focuses on research on antisemitism seen as “research on minorities.” International research on antisemitism, though, has shown that antisemitism has close to nothing to do with the existence of Jews in a country or region (take post-Holocaust European antisemitism, Saudi-Arabian or Qatari antisemitism as examples)

 

Leading German Islamic Studies scholar Gudrun Krämer (Free University Berlin) promotes Yusuf al-Qaradawi as a “moderate.” Her former students are Rohde as well as Bettina Gräf, who embraced al-Qaradawi in her edited book Global Mufti. In Global Mufti al-Qaradawi is portrayed, for example, as a moderate because he allows females to commit suicide bombing against Jews without the allowance of their fathers or husbands, and even unveiled. That’s feminism, Islamist-style …

 

 

Von Weimar nach Berlin – Antisemitismus vor Auschwitz und im Jahr 2012

Von Susanne Wein und Clemens Heni

 

Das Jahr 2012 ist so dicht an antisemitischen Ereignissen, dass ein vorgezogener Jahresrückblick lohnt. Das Jahr zeigt wie flexibel, vielfältig, codiert und offen sich Antisemitismus äußern kann. Drei Forschungsfelder seien hier knapp vorgestellt, um schließlich ein besonders markantes und schockierendes Beispiel von 2012 mit einem Fall aus dem Jahr 1925 zu vergleichen.

1)     Holocaustverharmlosung.

Im Januar wurde in Leipzig bekannt gegeben, dass der amerikanische Historiker Timothy Snyder den Leipziger Buchpreis 2012 erhalten wird.

Snyder hat 2010 das Buch Bloodlands publiziert, worin er leugnet, dass der Holocaust ein spezifisches Verbrechen war, ohne Vergleich in der Geschichte. Vielmehr konstruiert der „Genozid“-Forscher, der dem sog. spatial-turn folgt (eine Modeerscheinung der Kulturwissenschaft, die den Raum als zentrale Größe postuliert), einen Raum in Osteuropa zwischen dem Baltikum und der Ukraine, den er Bloodlands nennt und in dem zwischen 1932 (!) und 1945 ca. 14 Millionen Menschen starben bzw. ermordet wurden. Hitler und Stalin sind für ihn gleich schlimme historische Figuren. Snyder bemüht die veraltete Great Man Theory und hat keinen Blick für die sehr ausdifferenzierte Forschung zum Nationalsozialismus und zum Holocaust.

Vielmehr kooperiert er mit dem litauischen Staat und unterstützt eine dortige, weltweit in Misskredit geratene historische Kommission, die die Verbrechen von Hitler und Stalin wiederum gleichsetzt. Dramatisch ist, dass selbst die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und ihr wissenschaftliches Personal in Person der neuen Chefhistorikerin Dina Porat  mit dieser Kommission in Litauen kooperiert, was zu scharfen Protesten von Holocaustüberlebenden führte.

Kurz gesagt: Timothy Snyder ist ein geistiger Enkel Ernst Noltes, er möchte die Deutschen entschulden und die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz verwischen oder leugnen. Historiker wie Omer Bartov (Brown University), Dan Michman (Yad Vashem) oder Jürgen Zarusky (Institut für Zeitgeschichte, München) haben Snyder dezidiert kritisiert. Der Jiddisch-Forscher Dovid Katz dokumentiert und analysiert seit Jahren den Antisemitismus in Osteuropa, insbesondere in Litauen, auch er hat sich intensiv mit Snyders Bloodlands befasst und zeigt, warum extrem rechte Kreise in Osteuropa Snyder feiern.

Die Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten im März 2012 verstärkt die Holocaustverharmlosung, da Gauck die „Prager Deklaration“ vom Juni 2008 unterzeichnet hat, die – ganz im Sinne von Snyder – rot und braun gleichsetzt und die Verbrechen des Holocaust trivialisiert. Die Unterzeichner wollen als gesamteuropäischen Gedenktag den 23. August (der Tag des Ribbentrop-Molotow Paktes von 1939) etablieren und schmälern damit implizit die Bedeutung des Holocaustgedenktages am 27. Januar, wenn sie diesen Gedenktag nicht sogar ganz abschaffen wollen. Gauck sprach zudem 2006 davon, dass jene, die die Einzigartigkeit des Holocaust betonen, nur einen Religionsersatz suchen würden. Auch Neonazis, Holocaustleugner, manche christliche Aktivisten, Forscher oder auch Autoren der tageszeitung (taz) frönen einer solchen Sprache und reden von der „Holocaust-Religion“ oder einer „Pilgerfahrt“, wenn es um Auschwitz geht. Ohne den Dammbruch durch Martin Walsers Paulskirchenrede von Oktober 1998 wäre das alles nicht so ohne Weiteres im Mainstream der deutschen Gesellschaft denk- und sagbar.

2)     Antizionismus.

Der zweite Aspekt des Antisemitismus ist der seit der zweiten Intifada im September 2000 und nach dem islamistisch motivierten Massenmord vom 9/11 weltweit bei den wenigen Kritikern im Zentrum der Aufmerksamkeit stehende antizionistische Antisemitismus bzw. die Israelfeindschaft.

Am 4. April 2012 publizierte der Literaturnobelpreisträger Günter Grass in der größten deutschen Tageszeitung (nach der Boulevardzeitung BILD), der Süddeutschen Zeitung aus München, ein Gedicht mit dem Titel „Was gesagt werden muss“. Darin schreibt der deutsche Denker:

„Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden?“

Nicht der Iran droht Israel mit Vernichtung, die Juden („Atommacht Israel“) seien die Gefahr. Diese Leugnung der Wirklichkeit, die Derealisierung, Schuldprojektion und die Schuldumkehr sind ein typisches Muster des neuen oder Post-Holocaust Antisemitismus. Israel gefährde den Weltfrieden und nicht der „Maulheld“ Ahmadinejad, wie er vom deutschen Dichter verniedlichend genannt wird; dabei haben die Verharmlosung der iranischen Gefahr bzw. das klammheimliche Liebäugeln mit dem vulgären, iranischen, islamistischen aber natürlich auch dem arabischen Antisemitismus Konjunktur. Die Diffamierung Israels ist auch unter deutschen Wissenschaftlern, Journalisten, Politikern, NGO-Aktivisten und der Bevölkerung gern gesehen. Die ARD jedenfalls war von Grass so begeistert, dass der Tagesthemen-Anchorman Tom Buhrow ein Exklusivinterview mit dem Schriftsteller führte und tags darauf Grass das Gedicht in der ARD vortragen durfte.

Das wird ergänzt durch die Verleihung des Adorno-Preises der Stadt Frankfurt am Main am 11. September 2012 an die amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Judith Butler von der University of California in Berkeley. Butler ist als antiisraelische Agitatorin weltweit berüchtigt, wenn sogar der Präsident der Harvard University im Jahr 2002, Lawrence Summers, unter anderem sie meinte als er den Hass auf Israel und die Boykottaufrufe gegen den jüdischen Staat thematisierte. Butler steht für einen Antizionismus, der sich in der Tradition von Martin Buber und Hannah Arendt verortet und die Gründung eines explizit jüdischen Staates (der zudem so tolerant ist und 20% Araber und Muslime und andere zu seiner Bevölkerung zählt) ablehnt. Mit fast vollständig homogenen islamischen Staaten wie Saudi-Arabien, Iran oder Jordanien und ihren antidemokratischen, homophoben und misogynen politischen Kulturen hat Butler selbstredend kein Problem. Die Wochenzeitung Die Zeit publizierte gar einen Text der BDS-Unterstützerin Butler und unterstützt somit den Aufruf zum Boykott Israels. Früher wäre das fast nur in der jungen Welt oder der Jungen Freiheit propagiert worden, doch längst sind solche antisemitischen Positionen Mainstream.

Eine Vertraute und Freundin von Butler, die Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib (Yale University) wurde 2012 in Deutschland ebenfalls geehrt. Sie erhielt am 8. Mai den Dr. Leopold Lucas-Preis der Universität Tübingen für ihren Einsatz für Hospitalität und „universelle Menschenrechte“ – auch dieser Preis ist mit 50.000€ dotiert, was ja von der schwäbischen Alma Mater freundlich ist, wenn man bedenkt, wie schlecht bekanntlich die Yale University ihre Professoren bezahlt. Benhabibs Vorbilder sind Immanuel Kant („Der Ewige Frieden“ von 1795) und Hannah Arendt. Die problematischen Aspekte dieser Art von Kosmopolitanismus oder vielmehr die anti-israelische Dimension bei Arendt,  kehren bei Benhabib verstärkt wieder. 2010 diffamierte sie Israel  indem sie es mit der südafrikanischen Apartheid und mit den „1930er Jahren in Europa“ (sie erwähnt den Slogan „Eine Nation, Ein Land, Ein Staat“ und spielt offensichtlich auf Nazi-Deutschland an) verglich – während selbstverständlich auch sie den Jihadismus z.B. der Gaza Flottille ignorierte und ihn bis heute ausblendet. Dies sind die eigentlichen Gründe für die Ehrungen und den Beifall aus Deutschland für Personen wie Butler und Benhabib. Kritik an Arendt, Kant und der europäischen Ideologie (wie sie auch Jürgen Habermas vertritt) eines Post-Nationalstaats-Zeitalter, wie sie von dem israelischen Philosophen Yoram Hazony bekannt ist, wird in Deutschland entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder abgewehrt.  Aufgegriffen und promotet wird sie höchstens von problematischen, nicht pro-israelischen, vielmehr deutsch-nationalen, rechten und konservativen Kreisen wie der Zeitschrift Merkur (dessen Autor Siegfried Kohlhammer den Islam mit seinen Dhimmi-Regelwerken für Nicht-Muslime schlimmer findet als den Nationalsozialismus und die Nürnberger Gesetze, und der zudem gegen Israel argumentiert).

3)     Antijudaismus.

Diese älteste Form des Antisemitismus spielt auch im nachchristlichen Zeitalter eine zunehmende Rolle. 2012 tritt ein in seiner Vehemenz seit 1945 ungeahnter und ohne Vergleich dastehender Angriff auf Juden und das Judentum auf: Hetze gegen die Beschneidung und religiöse Rituale. Alles, was Juden im Post-Holocaust Deutschland dachten, als selbstverständlich annehmen zu können, steht jetzt in Frage: Juden als Juden werden hinterfragt. Wie im Holocaust sollen männliche Juden die Hosen runter lassen, damit die arischen Deutschen nachschauen, ob er ein Jude ist oder nicht; sie durchleuchten Juden auf ihre Gesundheit, sexuellen Praktiken und Fähigkeiten und finden diese Art von Zurschau-Stellung von Juden notwendig und emanzipatorisch. Heute wird diese antijüdische Propaganda nicht unter dem Schild der SS oder der Wehrmacht durchgeführt, nein: heute geht es um „Kinderrechte“ und die angebliche Freiheit, nur als nicht-beschnittener Mann im Erwachsenenalter über die Religionszugehörigkeit entscheiden zu können.

Am 7. Mai 2012 befand das Kölner Landgericht in einem die politische Kultur in Deutschland für immer verändernden Urteil die Beschneidung von Jungen als gegen „dem Interesse des Kindes“ stehend und somit als nicht vertretbar. Die Beschneidung von jüdischen Jungen am achten Tag bzw. die Beschneidung von muslimischen Jungen im Alter zwischen 0 und 10 Jahren, sei somit nicht legal. Ein deutsches Gericht urteilt über das Judentum, das die Beschneidung vor über 4000 Jahren einführte. Der Volksgerichtshof des Nationalsozialismus hätte seine Freude gehabt an diesem 7. Mai 2012. 600 Ärzte und Juristen, angesehene normale Deutsche, agitierten sodann unter Federführung des Mediziners Matthias Franz von der Universität Düsseldorf am 21. Juli 2012 in einem Offenen Brief in der Zeitung für Deutschland (Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ) gegen die Beschneidung und forderten politische und rechtliche Konsequenzen aus dem Kölner Urteil. Selbst pro-israelische Aktivisten zeigen nun ein ganz anderes Gesicht und machen sich über das Judentum lustig. Offenbar hatten diese Leute schon immer ein Israel ohne Judentum im Sinn. Die Zeitschrift Bahamas

aus Berlin folgte dem Ruf aus Köln, der FAZ und dem Zeitgeist und sprach sich gegen eine Kundgebung für Religionsfreiheit/für die Beschneidung aus und forderte ihre 23 oder 34 Anhänger auf, dieser ohnehin kleinen Manifestation vorwiegend deutscher Jüdinnen und Juden am 9. September 2012 in Berlin fern zu bleiben, da sie „den kulturellen und religiösen Traditionen von Kollektiven grundsätzlich misstraut“. Autoren dieses Sektenblattes wie Thomas Maul und Justus Wertmüller bezeichnen die Beschneidung als „archaisch“ und diffamieren dadurch mit Verve das Judentum. Derweil kringeln sich die Neonazis, die NPD und autonome Nationalisten, da doch der deutsche Mainstream das Geschäft des Antisemitismus (bis auf die Verwüstungen jüdischer Friedhöfe und von Gedenktafeln, bis heute eine typisch neonazistische Form des Antisemitismus) übernommen hat. Die Wochenzeitung jungle world 

mit ihrem Autor Thomas von der Osten-Sacken machte gegen die Beschneidung mobil und stellte Bezüge zur kriminellen Klitorisverstümmelung bei Mädchen, der Female genital mutilation (FGM), her. Sein Kollege Tilman Tarach war auf Facebook nicht weniger obsessiv dabei,

die Beschneidung und somit das Judentum zu schmähen. Eine Internetseite, Politically Incorrect (PI), die aus dem Umfeld von Parteien wie Die Freiheit, der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), der Pro-Bewegung und anderen Gruppierungen der extremen Rechten oder des Rechtspopulismus kommt, droht Juden:

„Wenn sich aber jüdische Verbände und Organisationen beispielsweise so an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammern, zeigen sie damit, dass sie sich in diesem Punkt nicht vom Islam unterscheiden. So etwas können wir nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nicht zulassen.“

Die Giordano Bruno Stiftung (GBS) mit ihrem Vorbeter Michael Schmidt-Salomon (übrigens sitzt Hamed Abdel-Samad im wissenschaftlichen Beirat der GBS),

die Deutsche Kinderhilfe, Evolutionäre Humanisten Berlin Brandenburg e.V., der Zentralrat der Ex-Muslime, die Freidenkervereinigung der Schweiz, der pflegeelternverband.de und einige andere Organisationen und Gruppen agitieren besonders aggressiv gegen Juden (und Muslime) und starten im Herbst 2012 die perfide Anzeigenkampagne

„Mein Körper gehört mir“. Zu sehen ist das Bild eines Jungen, der sich völlig verängstigt in den Schritt fasst und darunter steht: „Zwangsbeschneidung ist Unrecht – auch bei Jungen.“ Damit wird nicht nur die kriminelle und zumal islamistische Praxis der Klitorisverstümmelung mit der harmlosen Beschneidung von Jungen gleichgesetzt, vielmehr wird in Stürmer-Manier gesagt: vor allem das Judentum basiert auf Unrecht! Hieß es 1879 bei Heinrich von Treitschke „Die Juden sind unser Unglück“, was zu einem der Propagandasprüche des Nationalsozialismus avancierte, so wird im Jahr 2012 von Atheisten, Positivisten und anderen Aktivisten (die sich teils anmaßend Humanisten nennen) die Beschneidung als das Unglück für Kinder dargestellt oder Juden (und Muslime) gar als Kinderschänder diffamiert. Das liest sich wie eine post-christliche Version der Blutbeschuldigung, der antisemitischen Blood Libel.

Der Professor für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel, Alfred Bodenheimer, ist zutiefst schockiert über den Anti-Beschneidungsdiskurs und hat im Sommer 2012 ein kleines Büchlein dazu verfasst: „Haut-Ab! Die Juden in der Besschneidungsdebatte“ (Göttingen: Wallstein). Darin analysiert er:

„Aus christlich-theologischer Sicht war die Kreuzigung ein sehr ähnliches Vergehen wie das Beschneiden der Kinder aus der heutigen säkularen: Denn die Taufe als unmittelbare Partizipation des einzelnen Gläubigen an der Kreuzigung Christi (und der damit verbundenen Sündenvergebung) machte letztlich jeden Getauften zum partiell von den Juden Gekreuzigten ­– und damit jenes Ereignisses, in dem gerade Paulus die Beschneidung aufgehoben hatte. Der säkulare Ausgrenzungsdiskurs folgt dem christlichen auf dem Fuße, er ist kultur- und mentalitätsgeschichtlich so leicht abrufbar, dass insbesondere den dezidierten Säkularisten die Ohren sausen dürften, wären sie sich der Sensoren gewahr, die ihren Furor geweckt haben. Der säkularistische Anspruch, Gleichheit in allen Belangen zur Ausgangslage eines frei auslebbaren Individualismus zu machen, trägt mehr vom Paulinischen Universalismus in sich (dessen Gegenbild die auf defensiver Differenz bestehenden Juden waren), als dem Gros seiner Vertreter klar ist.“ (ebd., 58f.)

Die Internetseite HaOlam mit ihrem Vertreter Jörg Fischer-Aharon, die sich jahrelang als pro-israelisch gab, hat den Anti-Beschneidungsvorkämpfer Schmidt-Salomon exklusiv interviewt und macht damit Werbung für obige Anzeigenkampagne.

Manche Organisationen, die häufig mit HaOlam bzw. deren Umfeld und vielen anderen aus der nie näher definierten „pro-Israel-Szene“ kooperierten, werden ins Grübeln kommen.

Sei es Ressentiment auf Religion oder kosmopolitisch inspirierte Universalität, jedenfalls wird mit bestem Gewissen jedwede Partikularität – wie die des jüdischen Staates Israel und des Judentums, inklusive seiner religiösen Traditionen, die auch von nicht-gläubigen Juden mit überwältigender Mehrheit praktiziert werden – abgelehnt.

Es ist unerträglich, mit welcher Arroganz, Obszönität und Dreistigkeit ausgerechnet deutsche Areligiöse,  Christen, selbsternannte Israelfreunde und „Antifas“ sich de facto zu den islamistischen und neonazistischen Judenfeinden gesellen und völlig geschichtsvergessen das Nachdenken einstellen.

Kaum jemand hat heute in Deutschland noch Beißhemmungen wenn es um Juden geht.

Dieser hier skizzenhaft aufgezeigte neu-alte Antisemitismus zeigt sich in dramatischer Form in vier antisemitischen Vorfällen in wenigen Wochen bzw. Tagen allein in Berlin:

  • Am 28. August 2012 wurde in Berlin-Friedenau am helllichten Tag der Rabbiner Daniel Alter von mehreren vermutlich arabischen Jugendlichen und Antisemiten krankenhausreif geschlagen. Er trug eine Kippa und wurde gefragt, ob er Jude sei. Das „Ja“ führte zu einem Jochbeinbruch und Todesdrohungen gegen seine 6-jährige Tochter. Die Täter sind bis heute nicht ermittelt.
  • Am 3. September wurde gegen 10 Uhr vormittags eine Gruppe von jüdischen Schülerinnen vor der Carl-Schuhmann-Sporthalle in der Schlossstraße in Berlin-Charlottenburg von vier ca. 15-16-jährigen Mädchen muslimischer Herkunft (eine der Antisemitinnen trug ein Kopftuch) diffamiert und u.a. als „Judentussen“ beleidigt.
  • Am höchsten jüdischen Feiertag, Yom Kippur, am Mittwoch, den 26. September 2012, rief Esther Dobrin aus Berlin gegen 11 Uhr ein Taxi, um mit ihrer 11-jährigen Tochter und zwei weiteren Personen zur Synagoge in die Pestalozzistraße zu fahren. Der Taxifahrer verhielt sich reflexhaft feindselig, als der genaue Bestimmungsort als „Synagoge“ benannt wurde; er warf die vier Fahrgäste sozusagen aus dem Wagen.
  • Wenig später, gegen 18 Uhr an diesem 26. September, wurden drei andere Juden in Berlin verbal attackiert. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, kam gerade mit seinen beiden Töchtern im Alter von 6 und 10 Jahren von der Synagoge, ebenfalls in Charlottenburg, unweit des Kurfürstendamms, als er offenbar wegen eines klar ersichtlichen jüdischen Gebetsbuches beleidigt wurde. Im Laufe eines aggressiven Wortgefechts hat Kramer nicht nur die Polizei zu Hilfe gerufen, vielmehr auch auf seine Waffe gezeigt, die er seit acht Jahren zum Selbstschutz und als ausgebildeter Sicherheitsbeauftragter bei sich trägt. Die Polizei hat nun zwei Anzeigen zu bearbeiten, Kramer zeigte die Beleidigungen des Antisemiten an, während derselbe Kamer wegen Bedrohung anzeigte, wozu er, nach unbestätigten Informationen,  von der Berliner Polizei durchaus ermutigt worden war.

Kramer kennt die Zusammenhänge des GraSSierenden Antisemitismus in Deutschland und weiß, dass sich die geistigen Zustände und Debatten in gewalttätigen Straßenantisemitismus entladen können – darum ist er bewaffnet. Welche zwei komplett disparaten Lebensrealitäten – eine jüdische und eine nicht-jüdische – werden von nichtjüdischen Deutschen tagtäglich stillschweigend hingenommen? Wie fühlt es sich an, ständig in den Einrichtungen der eigenen Religion/Gruppe, Kindergarten, Schule, Synagoge etc. unter Polizeischutz stehen zu müssen?

1925, einige Jahre vor NS-Deutschland, im demokratischen Rechtsstaat der Weimarer Republik passierte in Stuttgart Folgendes:

„An einem Sonntag im November 1925 las der Kaufmann Ludwig Uhlmann in der Gastwirtschaft Mögle Zeitung und trank ein Bier. In provozierender Absicht beleidigte ihn der am Nachbartisch sitzende Franz Fröhle mit spöttischen Bemerkungen und ließ mehrfach die Bezeichnung ‚Jude Uhlmann‘ fallen. Dieser reagierte nicht. Daraufhin sagte Fröhle: ‚Was will der Judenstinker hier, der Jude soll heimgehen‘, was Uhlmann sich verbat. Als die Pöbeleien anhielten, zog Uhlmann eine Pistole, mit der Bemerkung, dass Fröhle damit Bekanntschaft machen könne, falls er nicht aufhöre. Schließlich setzten der Wirt und die Polizei den Beleidiger vor die Tür. Die Staatsanwaltschaft beantragte nicht nur einen Strafbefehl gegen Fröhle wegen Beleidigung in Höhe von 50 RM Geldstrafe, sondern auch einen gegen Uhlmann wegen Bedrohung und abgelaufenen Waffenscheins. Bei der Hauptverhandlung des Amtsgerichts wurde er zwar von der Anklage der Bedrohung freigesprochen, aber wegen der Bagatelle des abgelaufenen Waffenscheins von wenigen Monaten zu einer Geldstrafe von 30 RM verurteilt.“ (Martin Ulmer (2011): Antisemitismus in Stuttgart 1871–1933. Studien zum öffentlichen Diskurs und Alltag, Berlin: Metropol, S. 350)

 

Dieses Schlaglicht zeigt die Normalität antisemitischer Beleidigungen, die in der deutschen politischen Kultur bereits damals, wie sich an unzähligen Beispielen aufzeigen lässt, tief verankert und sedimentiert war.

Heute nun, im Jahr 2012, über 67 Jahre nach dem Holocaust und Auschwitz – welch ein Unterschied ums Ganze! –, müssen sich Juden wieder bewaffnen. Sie sind fast täglich Angriffen, Beleidigungen und Hetzkampagnen ausgesetzt und es kann sich eine Szene abspielen, die der in einer Stuttgarter Kneipe von 1925 gruselig ähnelt.

 

Auf der einen Seite haben wir diese Vorfälle aus dem Jahr 2012 und insbesondere die „Beschneidungsdebatte“ mit all ihren antisemitischen Internet-Kommentaren -und Forenbeiträgen, die einen an Max Liebermanns Ausspruch zum 30. Januar 1933 denken lassen. Auf der anderen sucht man vergebens die arrivierten Antisemitismusforscherinnen und -forscher, die sich der skizzierten Forschungsfelder annehmen. Werner Bergmann schrieb 2011 in einer Festschrift für einen Kollegen:

„Im historischen Vergleich mit der Zeit vor 1945, aber auch in den letzten 60 Jahren in Deutschland […] war Antisemitismus gesamtgesellschaftlich wohl selten so sehr an den Rand gedrängt wie heute.“

Antisemitismus ist in Deutschland nicht erst, aber insbesondere im Jahr 2012 gesamtgesellschaftlich so weit verbreitet wie vielleicht noch nie seit 1945.

 

 

Susanne Wein ist Historikerin und promovierte im September 2012 an der Freien Universität Berlin  mit einer Arbeit über „Antisemitismus in der politischen Kultur der Weimarer Republik. Eine Untersuchung anhand der Debatten im Reichstag“.

Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und promovierte im August 2006 an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck mit einer Arbeit über die „Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970 – 2005: Henning Eichberg als Exempel“.

Pro-Circumcision Rally Held in Berlin, German Activists Seek a “Fantasy Israel with no Judaism”

Algemeiner.com, September 12, 2012

On Sunday, September 9, 2012, the first ever pro-circumcision and Jewish (and Muslim) life rally in Germany, was held in Berlin. In May 2012 a Cologne court ruled against a Muslim circumcision and generalized that the rights of children are threatened by every single circumcision, regardless at what age it is made.

This is probably the most hardcore attack by a first world country against the practice of Brit Milah and Jewish life in recent decades. Jews and Muslims are extremely irritated, sad, and frightened.

At the event, in downtown Berlin, one of the rabbis openly said that circumcision, the Brit Milah, is seen by Jews as a connection with god, and is among the observances that almost all Jews, regardless if they are true believers, orthodox, liberal, agnostic, non-believing, atheist or whatever, practice. At the rally he said that over 90% of Israeli male Jews are circumcised and that it is an essential part of Israeli and Jewish identity.
Interestingly, the German activists behind the anti-circumcision fervor, actually believe they are being seen as pro-Israel, but their Israel is a fantasy Israel with no Judaism.

Some 300 people joined the rally, orthodox rabbi Yitzchak Ehrenberg as well as liberal Rabbi Tovia Ben-Chorin spoke, united on the podium. The event was organized by the Berlin based Forum for Democracy and against Antisemitism (JFDA), lead by former head of the Jewish Community of Berlin, Lala Süsskind, and her colleague Levi Salomon. They are both known for their tireless efforts to fight against all forms of anti-Semitism.

A few weeks ago, they organized another rally against the anti-Zionist and anti-Semitic al-Quds day, an Iranian propaganda event to denounce Israel and its capital, Jerusalem. At the rally to protect circumcision, the head of the (liberal) Turkish Community in Germany, Kenan Kolat, spoke as well in support of the Jewish fight against the anti-circumcision climate in Germany. A young German-Turkish actor gave his first speech ever, because he was so upset about the discussion in Germany.
Earlier, organizations like the Giordano-Bruno Foundation (known for their work against Islamism, too) announced that they are going to launch a campaign later this month to attack circumcision and to fight for the “rights of children,” and against the decision-making of parents vis-à-vis the Brit Milah. Jews are accused of abusing children, in effect, if not intent. This is a new form of blood libel, framed in nice German words, always suggesting that Germans love children. In fact many Germans hate Jews and Judaism and some do not like children either. These worrying developments provided the backdrop for the important rally.

Several Israeli flags were displayed at the event, too. However, compared with a rally just a week ago prompted by an anti-Semitic attack against a rabbi on the streets of Berlin by (according to eye-witnesses) German-Arab-Muslim youngsters, where some 1500 people, many Christians among them, showed up, the 300 people were a small group.

The very same Christians and liberal Germans who always love to pretend to be open-minded and pro-Jewish, dislike Judaism as soon as it comes to circumcision. The political elite in Germany did not show up at the event, with the exception of one social democratic Member of Parliament, who did not join the rally in his political function as vice President of the German Bundestag, rather as an individual. This speaks volumes.

In recent weeks there has been a huge debate over circumcision in many parts of German society. Right-wing extremists like those writing for the website Politically Incorrect (known for its support of groups like the party Die Freiheit, the Bürgerbewegung Pax Europa, the so called Pro-Germany movement and the campaign “Stop the left” or “Linkstrend stoppen”) said that Jews will not have a place in Germany if they keep on practicing circumcision. 600 mainstream doctors and others published a letter in leading conservative daily, the Frankfurter Allgemeine Zeitung, arguing against circumcision. Others, like marginal left-winger and NGO-activist (in Iraq and the Middle East) Thomas von der Osten-Sacken, equated Brith Milah more or less with female genital mutilation (FGM). They’ve lost perspective and run riot.

It is also interesting to note that the very same people who have opposed the anti-Zionist Judith Butler, who will be awarded the prestigious Adorno-Prize on September 11, 2012, in the city of Frankfurt, now attack Judaism and the Brit Milah. Their opposition to anti-Zionism contradicts their anti-Jewish feelings (framed as pro-child ideology).

A tiny journal in Berlin, called Bahamas, closely related to the publishing house Ça ira, has pretended to be pro-Israel in recent years. They publish articles against Islamism, anti-Semitism and hatred of Israel. However, they urged their readers and followers in a short statement on September 4 not to join the pro-circumcision rally because they detest “religious traditions.”

They support Israel but have an Israel in mind without circumcised Jews. Maybe they just want a female Israel with a few un-circumcised gentiles?

The Bahamas journal is not favored by Anti-Zionist Germans and the German state. However, self-declared friends of Israel seem to like the publication, despite its urging of its followers not to join a Jewish (and Muslim) rally to protect Judaism, Jewish tradition and circumcision. Bahamas was not just silent about the pro-circumcision rally. They were so outraged about this Jewish practice that they urged their “friends of Israel” not to participate in the event. Non-Jewish Germans explaining what it really means to be pro-Israel. That’s fun.

Laudatio für Judith Butler wird von einer antiamerikanischen Verharmloserin des Nationalsozialismus und des Holocaust gehalten: Eva Geulen

Von Dr. Clemens Heni

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Am 11. September 2012 wird der Adorno-Preis der Stadt Frankfurt verliehen. An diesem Tag im Jahr 1903 wurde Theodor W. Adorno geboren. Was liegt nun näher, für ganz normale Deutsche, als an diesem Tag, dem 11. Jahrestag des islamistisch motivierten Massenmordes von 9/11, eine antiamerikanische, den Holocaust und den Nationalsozialismus verharmlosende Frau die Laudatio auf die Israelhasserin Judith Butler, die sich als zärtliche Freundin von Seyla Benhabib, Martin Buber und Hannah Arendt vorstellt und Israel im Sinne eines (deutsch-jüdischen) „kulturellen Zionismus“ zerstört wissen möchte, halten zu lassen?

Eva Geulen heißt die Laudatorin

 

und in meinem Buch Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11 schrieb ich über sie. 

 

Sie hat ein Büchlein zur Einführung in das Denken des italienischen Philosophen Giorgio Agamben geschrieben. Darin wendet sie sich wie der modische Vorzeigeverniedlicher des Nationalsozialismus im Suhrkamp-Verlag gegen „biopolitische Interventionen im Alltag“ und findet es total angemessen mit der „Auschwitz-Insinuation“ herum zu fuchteln. Daher schrieb ich also im August 2011:

2004 wurde deutlich, wie Antiamerikanismus, eine Verharmlosung des Antisemitismus sowie die Rede vom ubiquitären ‚Lager‘ bei Agamben jeglichen Realitätsbezug vermissen lassen. Denn ein Buch der Literaturwissenschaftlerin Eva Geulen[i] zur Einführung in das Denken Agambens stellt sich unverhohlen hinter diesen modischen, antimodernen und antisemitischen Vordenker. Es ist eine typische Antwort heutiger Gegenintellektueller auf den Islamismus und den 11. September. Ein Gegenintellektueller ist in der Tradition der Mandarine zu sehen, also der früheren chinesischen Berater des Kaisers. Gegenintellektuelle wenden sich gegen Herrschaftskritik und Gesellschaftsanalyse im aufklärerischen Sinn, eher stehen sie für Gegenaufklärung und Restauration.[ii] Viele Wissenschaftler und von der Öffentlichkeit als „Intellektuelle“ wahrgenommene Personen sind eher Gegenintellektuelle, so kritisch sie sich auch gerieren mögen. Ein antiwestliches Ressentiment ist häufig grundlegend, so etwa die Diffamierung der USA als eine Art ‚Nazi-Land‘ bei Agamben; seine Verteidigerin Eva Geulen kokettiert damit:

„Viel Ärger und viel Lob hat sich Agamben eingehandelt, als er unter skandalträchtigem Verweis auf die Tätowierung von KZ-Häftlingen im Frühjahr 2004 eine Gastprofessur an der New York University nicht antrat, weil er sich exemplarisch und öffentlich der von den USA nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 von allen Einreisenden verlangten Abnahme eines DNA-Fingerabdrucks verweigerte (wer im Besitz einer green card ist, hat ihn längst hinterlegt). (…) Ihm einen direkten Vergleich zwischen der Immigrationszone des New Yorker Kennedy-Flughafens und einem Konzentrationslager zu unterstellen ist offensichtlich verfehlt. Schockiert könnte man sich aber darüber zeigen, dass wir uns an biopolitische Interventionen im Alltag offenbar schon so sehr gewöhnt haben, dass es der Auschwitz-Insinuation bedarf, um die Lethargie zu unterbrechen. Was in solchen Räumen geschieht, ist nicht mehr rechtlich abgesichert, sondern hängt ‚von der Zivilität und dem ethischen Sinn der Polizei‘ ab, die vorübergehend in solchen Räumen als Souverän agiert.“[iii]

Es ist antisemitisch, eine Kontinuität von den Lagern und den KZs hin zu vergleichsweise harmlosen DNA-Fingerabdrücken im 21. Jahrhundert zu imaginieren. Letztere sind zudem als Reaktion auf den von Islamisten verübten Massenmord im World Trade Centereingeführt worden. Die Forschung redet jedoch lieber von „Bio-Politik“ statt von antimodernem Islamismus.

Wurde das Gedenken an Theodor W. Adorno jemals so sehr in den Dreck gezogen wie am 11. September 2012 in Frankfurt am Main in der Paulskirche? Das deutsche Establishment, nicht nur Axel Honneth und Micha Brumlik, wird klatschen und innerlich johlen und frohlocken ob soviel Antisemitismus, Hass auf Amerika und Israel, Banalisierung von Auschwitz und Abscheu vor Theodor W. Adorno.


[i] Geulen ist Professorin am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft, Abteilung für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bonn, http://www.zfkw.uni-bonn.de/zentrumsrat/mitglieder/profile/geulen.html (21.02.2011).

[ii] Zum Begriff des Gegenintellektuellen vgl. Heni 2007, 87–89.

[iii] Eva Geulen (2005): Giorgio Agamben zur Einführung, Hamburg: Junius, 101. Auch an anderer Stelle verharmlost die Autorin selbst den Nationalsozialismus, wenn sie in Anlehnung an Agamben die „Schutzhaft im Nationalsozialismus“ mit der Situation „der Gefangenenlager in Guantanamo Bay“ gleichsetzt und jeweils als „Ausnahmezustand“ bezeichnet (vgl. ebd., 96f.); Letzteres ist eine Begrifflichkeit des Nazijuristen Carl Schmitt, einer Referenzquelle Agambens.

 

The German city of Frankfurt awards the „Professor of Parody“ and hatred of Israel: Judith Butler

By Clemens Heni

(updated August 28, 2012)

On June 1, 2012, it was announced that Judith Butler will be awarded the Theodor-W.-Adorno-Prize of the city of Frankfurt, Germany, on September 11, 2012. September 11 is the birthday of Adorno, though, today we associate 9/11 with that date, particularly when it comes to scholars like Butler. She is “Maxine Elliot Professor in the Departments of Rhetoric and Comparative Literature and the Co-director of the Program of Critical Theory at the University of California, Berkeley.”[1] The prize (50,000 Euro) is named after philosopher Theodor W. Adorno (1903–1969), a co-founder of Critical Theory in the 1930s, who fled National Socialism in 1934 and was in exile in the United States since 1938 until he returned to Frankfurt. His father was Jewish. The Adorno-Prize is awarded every three years only.[2] While Adorno fled the German boycott of Jews, Butler is known for endorsing the boycott of the Jewish state of Israel.

 

The core problem is that Israel is not accepted as a Jewish state by many leftist, Islamist, neo-Nazi and other antisemites. It is particularly important to focus on Jewish anti-Zionists because neo-Nazi, leftist and Islamist activists and authors often refer to them and Jewish anti-Zionists give hatred of Israel a kind of kosher stamp.

Many scholars are obsessed with the only diverse society in the Middle East, the only democracy and the only safe haven for Arab and Muslim homosexuals, for example: Israel.

It is important to focus on the Jewish character of Israel. Some anti-Zionists claim that they are not anti-Israel, because they like Israel but reject the Jewish character of the state. A bi-national state as envisioned by Martin Buber or Hannah Arendt is still seen as an option by those anti-Zionist activists. The exodus of almost one million Jews from Arab and Muslim countries since 1948 indicates what would happen if Jews no longer comprised the majority in their own country. Everyone can see that scholars like Judith Butler single out Israel and equate Israel with South African apartheid, while they are silent about the really violent and oppressive, antidemocratic countries in the Middle East, like Saudi Arabia, Iran (the Iranian threat!), Syria, Turkey, Egypt, among many others.

 

In 2009 in her book Frames of War Judith Butler equates the criticism of Adorno and Horkheimer in their Dialectics of Enlightenment with US policies in the War on Terror.

“The legal move by which the US claimed that prisoners at Camp Delta were not entitled to protection under the Geneva Conventions is one that institutes the expectation that those prisoners are less than human. They are considered enemies of the state, but they are also not conceptualizable in terms of the civilizational and racial norms by which the human is constituted. In this sense, their status as less than human is not only presupposed by the torture, but reinstated by it. And here we have to see – as Adorno cautioned us – that violence in the name of civilization reveals its own barbarism, even as it ‘justifies’ its own violence by presuming the barbaric subhumanity of the other against whom that violence is waged.”[3]

Adorno and Horkheimer wrote their book in defense of the West and as an attack on Nazi Germany. They applied a Dialectic of Enlightenment, while Butler equates the West and America with National Socialism and the Holocaust when she refers to that study. Despite all their shortcomings, Adorno and Horkheimer already focused on antisemitism. They were completely shocked and paralyzed by the Holocaust; they had a specific chapter on antisemitism, along with other chapters on modern rationality, Greek mythos, and modern capitalist and technical society. A close colleague and friend of Adorno and Horkheimer, Herbert Marcuse, worked for the Office of Strategic Services (OSS) after 1943 – supporting the US in its war against Nazi Germany.

For Butler, the “Professor of Parody” as philosopher and feminist Martha Nussbaum from the University of Chicago has criticized her,[4] post-9/11-warfare of the US is the same as the war of Nazi Germany against the Jews. In this completely distorted and absurd world of fantasy, jihadists are implicitly portrayed as the Jews of today. In 2011 Butler was published in a volume alongside with Jürgen Habermas, Charles Taylor, and Cornel West. Editors Eduardo Mendieta and Jonathan Vanantwerpen aggressively support Butler’s stand against Harvard President Lawrence Summers and his criticism of the anti-Israel boycott and academic antisemitism.[5] Butler herself[6] attacks Israel[7] and the entire Zionist project, based on Hannah Arendt,[8] Martin Buber and Edward Said and his claim that Palestinians and Jews share a history of displacement.[9] Butler portrays herself as a girl walking in the footsteps of Arendt and Buber:

“I’d like to turn now, briefly, to thinking about Hannah Arendt, Jewish to be sure, but someone whose political views made many people doubt the authenticity of her Jewishness. Indeed, as a result of her salient criticisms of political Zionism and the state of Israel in 1944, ’48, and ’62, her claim to belong to the Jewish people was severely challenged, most famously by Gershom Scholem. Scholem quickly embraced a conception of political Zionism, whereas Martin Buber in the teens and twenties actively and publicly defended a spiritual and cultural Zionism that, in his early view, would become ‘perverted’ if it assumed the form of a political state. By the 1940s, Arendt, Buber, and Nudah Magnes argued in favor of a binational state, proposing a federation in which Jews and Arabs would maintain their respective cultural autonomy; of course, there are other versions of binationalism that do not presume the monolithic cultural integrity of ‘two peoples’ as Buber did, and I hope to gesture toward that at the end of my remarks. It is worth noting as well that Franz Rosenzweig also elaborated a diasporic opposition to Zionism in his The Star of Redemption, in which he argues that Judaism is fundamentally bound up with waiting and wandering but not with the claim of territory.”[10]

Butler prefers a “cultural Zionism” even after the Holocaust, while Buber developed that concept, how bad or mistaken it might have been, between 1910 and 1930, before the Shoah. Buber could also not anticipate genocidal threats from Iran or Arab countries; Butler knows them, but ignores or affirms Iranian, Arab and Muslim Jew-hatred.

 

It is remarkable (though not astonishing in the case of the German) that Habermas and Taylor join such an outstanding voice like that of Butler, who literally aims at organizations like “AIPAC,”[11] and Jewish support for Israel in the US and abroad.

 

In a very important statement on September 17, 2002, President of Harvard University, Lawrence Summers, criticized antisemitism among academics and said:

“I speak with you today not as President of the University but as a concerned member of our community about something that I never thought I would become seriously worried about — the issue of anti-Semitism. I am Jewish, identified but hardly devout. In my lifetime, anti-Semitism has been remote from my experience. My family all left Europe at the beginning of the 20th century. The Holocaust is for me a matter of history, not personal memory. To be sure, there were country clubs where I grew up that had few if any Jewish members, but not ones that included people I knew. My experience in college and graduate school, as a faculty member, as a government official – all involved little notice of my religion.”[12]

He was shocked about the growing antisemitism since 2001 in particular:

“Consider some of the global events of the last year: There have been synagogue burnings, physical assaults on Jews, or the painting of swastikas on Jewish memorials in every country in Europe. Observers in many countries have pointed to the worst outbreak of attacks against the Jews since the Second World War. Candidates who denied the significance of the Holocaust reached the runoff stage of elections for the nation’s highest office in France and Denmark. State-sponsored television stations in many nations of the world spew anti-Zionist propaganda. The United Nations-sponsored World Conference on Racism – while failing to mention human rights abuses in China, Rwanda, or any place in the Arab world – spoke of Israel’s policies prior to recent struggles under the Barak government as constituting ethnic cleansing and crimes against humanity. The NGO declaration at the same conference was even more virulent.”

Summers also noted that “it would have been inconceivable a generation or two ago that Harvard could have a Jewish President.” There is a long history of antisemitism on American campuses and at the Ivy League in particular, as historian Stephen Norwood has shown.[13]

In a response to Lawrence, who did not mention specific scholars by name, Judith Butler ran riot and wrote a piece in 2003:

“When the president of Harvard University declared that to criticise Israel at this time and to call on universities to divest from Israel are ‘actions that are anti-semitic in their effect, if not their intent’, he introduced a distinction between effective and intentional anti-semitism that is controversial at best. The counter-charge has been that in making his statement, Summers has struck a blow against academic freedom, in effect, if not in intent.“[14]

Criticism of antisemitism is called “a blow against academic freedom” while in fact Judith Butler is against academic freedom, when it comes to criticism of antisemitism. One could argue with Freud that Butler projects her own lust of restricting academic freedom onto others. Butler signed an “Open Letter from American Jews” although it was not anti-Israel enough for her, because it did not call for “the end of Zionism.” Did she ever call for “the end of Saudi-Arabian Wahhabi rule”? Did she ever call for “end the misogynistic policies of the Taliban in Afghanistan”? Did she ever call for the end of airing pro-Holocaust statements on Egypt or Al-Jazeera TV from Qatar? Did she ever call to stop publishing antisemitic cartoons in Arab, state sponsored newspapers, like in Syria, Egypt, or Iraq? Did she ever call to stop the hanging of homosexuals in the Islamic Republic of Iran? Did she ever call on German firms to stop their trade with Islamofascist regimes like in Iran, or did she ever call to stop German trade with Arab dictators like Saddam Hussein, who in March 1988 killed some 5000 Kurdish Iraqis with German lethal gas in the city of Halabja? Did she ever call to halt the persecution of non-believers and critics of Islam in Muslim countries from Morocco to Indonesia?

 

In 2006 philosopher Elhanan Yakira initiated a vibrant debate in Israel about post-Zionism, anti-Zionism and antisemitic academics. His study was published in English in 2010 and is a seminal work for scholars, students and the public who want to understand how anti-Israeli propaganda works. For example, he criticizes Judith Butler and her above-quoted article from 2003, where the Californian activist wrote that some “95,000 Palestinians” will be “homeless” thanks to the anti-terror fence. Yakira gives the context:

“In fact, very few, if any, Palestinians have been made ‘homeless’ by the construction of the security barrier, and only a small part of it is actually a wall. It is true that some Arabs have lost part of their land (not their homes). However, Israelis also have lost something: an unknowable number of them have lost the privilege of being killed by infiltrating Palestinian resistance fighters. In areas where the barrier is complete, suicide bombing and other attacks on Israeli civilians – in buses, restaurants, discothèques, and shops – have virtually stopped. Given the fact that Butler’s article was written at the height of the suicide-bombing campaign, it is hard to avoid the suspicion that she is not, after all, immune to the kind of affectivity [Serge] Thion [a close ally of French Holocaust denier Robert Faurisson] exhibits toward Israel and Israelis.”[15]

Judith Butler is a long-time supporter of boycotts of Israel. Before the BDS (Boycott Divestment Sanctions) movement was launched by Palestinians in 2005 she was already singling out the Jewish state. In March 2011 she spoke at the “Israel Apartheid Week” in Toronto.[16] While Blacks in South Africa Apartheid could not vote, for example, Arabs and Muslims can vote in Israel. The defamation of Israel as apartheid is not just antisemitic because it spreads lies about Jews and throws oil on the Arab, Muslim and Iranian hatred of Jews and Israel. It is also a distortion of South African racism and real apartheid. Germany, though, is a hotbed for anti-Zionist Jews.

There is a committee, consisting of ten members, who decided to award Butler this prize, headed by the major of Frankfurt, Petra Roth (from the conservative Christian Democratic Union, CDU). Among those who should best know about antisemitism, one might think, is Axel Honneth, himself professor at Frankfurt University and head of the Institute for Social Research in Frankfurt, the very same institution founded by Horkheimer and others and joined by Adorno. Adorno and Horkheimer were lucky and could flee Nazi antisemitism and the Holocaust. They witnessed boycotts of Jews and Jewish firms while being in exile, out of reach of the Nazis and Germans. To award a prize to a scholar who is in favor of boycotting Jews and Israelis is a slap in the face of Adorno. Contrary to Butler, Adorno was an intellectual and a scholar who preferred theory and criticism to anti-Jewish activities like Israel Apartheid weeks.

 

German professor Micha Brumlik gives Butler his Jewish kosher stamp.[19] He is known for doing so for anti-Zionist antisemitism. He is against obvious antisemitism like that of Hamas, but he is in favor of Jewish anti-Zionism. He even equated Butler’s pro-Hezballah and pro-Hamas stand with supposedly or indeed problematic paragraphs from philosopher Adorno about jazz. Therefore criticism of music is the same as hatred of Jews and incitement to genocide from Hamas. I learned that this is mainstream in Germany; after I alerted professor Honneth to Butler’s antisemitism he replied that this is rather respectable “criticism of Israel” and he referred to Brumlik’s article.

 

It may not be true and it may not be possible that one of the leading anti-Israel voices of the world, Judith Butler, who wants to destroy the Jewish character of Israel by allowing the return of Palestinian “refugees” from 1948, and who opposes philosophically the Jewish character of Israel with reference to Hannah Arendt and Martin Buber, will be awarded the Adorno Prize of the city of Frankfurt. Butler is among the most aggressive critics of “Campus-Watch,”[20] an institution of the Middle East Forum (MEF), established in 2002.[21] As quoted, in a book of hers in 2009, Butler even equates, like another highly fashionable philosopher of our time, Italian Giorgio Agamben, US policies during the War on Terror with Nazi policies and concentration camps. “The other” is the jihadist, seen as victim of America and not as mass murderer. “The other” is the Islamist and he is seen as the Jew of today. More delusion is hardly possible.

Brumlik, though, the German professor of pedagogy, refers to above quoted article of Butler from 2011 (“Is Judaism Zionism”) and likes it very much. American scholar Russell Berman, an expert on Germany, the left, Critical Theory, antisemitism and anti-Western ideology, puts Butler’s ideology in a nutshell – this analysis fits for most liberal and left-wing anti-Zionists, worldwide:

“It is as if for Butler a concern with anti-Semitism anywhere, and, in particular, in the academy were, in her view, incompatible with any criticism of Israel. Yet that absurd presumption is undermined by Butler’s own prose: for she too, despite herself, has to come to grips with anti-Semitism in the academy and not – this would be the easy case – with Nazi flag-wavers or right-wing populists – but in the very core of her chosen political community, the academic anti-Zionist movement.”[22]

The city of Frankfurt has to rethink its decision to award Judith Butler. Antisemitism should not be rewarded in Germany again. Too many anti-Israel scholars and activists already have been honored, tenured, or given prizes. This has to stop and serious research on antisemitism, particularly on anti-Zionist antisemitism and Islamism, has to be supported.

 

In 2007 Lawrence Summers repeated his criticism of academic and mostly left-wing and liberal antisemitism in an interview he gave to the prestigious Podcast Series “Voices on Antisemitism” of the United States Holocaust Memorial:[23]

“I found it shocking and deeply troubling that a substantial group of faculty members at major universities would propose seriously, and indeed seek to pressure, for universities like Harvard to sell, to divest, any stock, any company that did any business with Israel. It seemed to me that such a boycott that singled out Israel was profoundly misguided. And so I raised the question of whether this action, because of its singling out of Israel, was antisemitic in its effect if not necessarily in its intent.“

He has probably Judith Butler’s attack on him in mind, when he concludes:

“I think the magnitude of the reaction I got was not something I fully anticipated. I had the reaction that, if people had felt so inhibited from speaking on these issues that they praised my courage, that there must be a larger problem around these issues on university campuses than I had previously supposed. I think it might have been a more difficult decision if I had known just how much attention those remarks would generate, but while it would have been a more difficult decision, I think I would have been even more convinced of the importance of speaking out in the way that I did.”

The President of the leading University of the world spoke out against academic antisemitism as early as 2002. In 2012 German academics and politicians still do not understand what anti-Zionism means or they affirm hatred of the Jewish state of Israel. It is not acceptable to call Israel an apartheid state, as Butler does, and it is not acceptable to boycott Israel, as Butler propagates. Adorno told us that antisemitism has to be fought and not to be awarded!

 

Dr. Clemens Heni is a political scientist and the founding Director of the Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) http://bicsa.org/ . 2008/2009 he was a Post-Doctoral researcher at Yale University. He published three books on antisemitism so far, including his study Schadenfreude. Islamic Studies and Antisemitism in Germany after 9/11 (410 pages, in German, 2011). He can be reached at c.heni@gmx.de

 



[1] http://rhetoric.berkeley.edu/people.php?page_id=1056&p=54 (visited June 6, 2012).

[2] http://www.kulturpreise.de/web/preise_info.php?preisd_id=495 (visited June 6, 2012); “Judith Butler erhält den Theodor-W.-Adorno-Preis,“ http://www.focus.de/kultur/buecher/
literatur-judith-butler-erhaelt-den-theodor-w-adorno-preis_aid_760909.html (visited June 6, 2012); “Theodor-W.-Adorno-Preis an Judith Butler,“ http://www.hr-online.de/website/
rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=72824&key=standard_document_44944250 (visited June 6, 2012).

[3] Judith Butler (2009): Frames of War. When is Life Grievable, London/New York: Verso, 93.

[4] Martha Nussbaum (1999): Professor of Parody, February 22, 1999, The New Republic, http://www.akad.se/Nussbaum.pdf (visited June 6, 2012). Butler was awarded the “first prize in the annual Bad Writing Contest sponsored by the journal Philosophy and Literature”, for example, ibid. Nussbaum criticizes that Butler rejects feminist activism towards better laws to protect women, and that Butler stays away from the struggle for more social equality for women, too.

[5] Eduardo Mendieta/Jonathan Vanantwerpen (2011): The Power of Religion in the Public Sphere, in: Eduardo Mendieta/Jonathan Vanantwerpen (eds.), The Power of Religion in the Public Sphere. With an Afterword by Craig Calhoun, New York: Columbia University Press. The book is result of an event in New York City on October 22, 2009, ibid., vii.

[6] Judith Butler (2011): Is Judaism Zionism, in: Mendieta/Vanantwerpen (eds.), 70–91.

[7] „And, of course, it makes a difference whether one is criticizing the principles of Jewish sovereignty that characterize political Zionism since 1948, or whether one’s criticism is restricted to the occupation as illegal and destructive (and so situates itself in a history that starts with 1967), or whether one is more restrictively criticizing certain military actions in isolation from both Zionism and the occupation, i.e., last year’s assault on Gaza and the war crimes committed there, the growth of settlements, or the policies of the current right-wing regime in Israel,“ Butler 2011, 75.

[8] Butler 2011, 77ff.

[9] Butler 2011, 77.

[10] Butler 2011, 77.

[11] Butler 2011, 74.

[12] Lawrence Summers (2002): Address at morning prayers, Memorial Church, Cambridge, Massachusetts, September 17, 2002, http://www.harvard.edu/president/speeches
/summers_2002/morningprayers.php (visited June 5, 2012).

[13] Stephen H. Norwood (2009): The Third Reich in the ivory tower: complicity and conflict on American campuses, Cambridge/New York: Cambridge University Press.

[14] Judith Butler (2003): No, it’s not anti-semitic, London Review of Books, August 21, 2003, http://www.lrb.co.uk/v25/n16/judith-butler/no-its-not-anti-semitic (visited June 5, 2012).

[15] Elhanan Yakira (2010): Post-Zionism, Post-Holocaust. Three Essays on Denial, Forgetting, and the Delegitimation of Israel, Cambridge etc.: Cambridge University Press, 315.

[16] http://toronto.nooneisillegal.org/node/572 (visited June 5, 2012).

[17] Micha Brumlik (2012): Die Philosophin im Brunnen, June 4, 2012, http://www.taz.de/
Kolumne-Gott-und-die-Welt/!94612/ (visited June 6, 2012). Resentment against Adorno is very widespread in Germany, because he was a son of a Jew and he survived National Socialism. Adorno even came back to Germany, taught Germans about antisemitism and there is resentment against him because Adorno was a critic of right-wing newspapers and their hatred of liberals around 1968, like Axel Springer’s BILD daily. Therefore, it is remarkable that a German author equates anti-Zionist Butler with pro-Israel philosopher Adorno, Michael Kreutz (2012): Versöhnung der Differenzen, June 3, 2012, http://www.transatlantic-forum.org/index.php/archives/2012/13541/versoehnung-der-differenzen/ (visited June 8, 2012). Kreutz accuses Adorno of having been a typical German “antiliberal,” which isn’t but resentment. Adorno was a victim of German antiliberal German nationalism as early as during the First World War, he wrote about this. Kreutz is a newcomer when it comes to philosophy, history, and research on antisemitism (he studied Oriental Philology). Adorno knew about antisemitism in the US in the 1940s, too. About antisemitism in America and the Ivy League and their pro-Nazi stand see Norwood 2009. Extremely naïve and badly educated authors ignore Western antisemitism completely, they are blinded by their hatred of the left (everyone who is analyzing Western antisemitism, in addition to Islamic or left-wing antisemitism, is considered an evil left-winger or liberal from their point of view).

[18] William Brand (2002): Professors accuse Web site of witch hunt
Campus Watch.org lists critics of U.S. Mideast policy, September 30, 2002, http://www.campus-watch.org/article/id/255 (visited June 6, 2012).

[19] Steven Plaut (2010): Collaborators in the War against the Jews: Judith Butler, March 9, 2010, http://frontpagemag.com/2010/03/09/collaborators-in-the-war-against-the-jews-judith-butler/ (visited June 6, 2012).

[20] Russell Berman (2008): From ‘Left-Fascism’ to Campus Anti-Semitism: Radicalism as Reaction, Democratiya, 13, 14–30, 26, http://dissentmagazine.org/democratiya/
article_pdfs/d13Berman.pdf (visited June 6, 2012).

[21] Lawrence Summers (2007): Voices on Antisemitism – A Podcast Series, United States Holocaust Memorial, http://www.ushmm.org/museum/exhibit/focus/antisemitism/voices/
transcript/?content=20070215 (visited June 6, 2012).

Ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden. Eine retrospektive Kritik an Aimée und Jaguar

Original auf LizasWelt am 17. September 2006

Die deutsche Selbstversöhnungsrhetorik erreichte mit dem Film Aimée und Jaguar von Max Färberböck, der auf seine Weise das Textmaterial des gleichnamigen Buches von Erica Fischer umsetzte, im Jahre 1999 einen weiteren Höhepunkt. Das wurde insbesondere von der Schriftstellerin Esther Dischereit bereits damals deutlich festgehalten:

„Die feministischen Reflexionen über nazideutsche Täterinnen waren immer recht spärlich und spät gefallen. Und Aimée wirkt entlastend, so wurde letztlich nicht die Geschichte der Felice Schragenheim geschrieben, sondern die von Lilly Wust. Die Stilisierung zur Love-Story, wie die Geschichte im Titel eines Dokumentarfilms über Jaguar und Aimée genannt wurde, und zu einem – wenn möglich – neuen deutschen Kultfilm entspräche dem fortschreitenden Wir-Gefühl. Da haben die Täterinnen schon fast so viel gelitten wie die Opfer, und die Nicht-Opfer sind den Opfern emphatisch jedenfalls beinahe gleich. Alle handelnden Personen im Film haben verdeckte Namen, nur Jaguar nicht. Sie heißt Felice. Sie kann keinen Einspruch erheben. Es fehlt nicht mehr viel, bis Auschwitz als das kollektive Massada der Deutschen in eine geläuterte nationale Selbstdefinition eingeht. Opfer sind alle und Erinnerung gemeinsam: die Toten aber könnten beiseite bleiben. Die stören. Überlebende manchmal noch mehr. Ehre, Würde, Vermögen, Leben der Opfer waren schon gestohlen, bleibt noch deren Geschichte.“

Dischereit hat gründlich recherchiert, Akten studiert, die Stationen des Überlebens der Jüdin Felice Schragenheim in Berlin zwischen 1941 und 1944, ihr Fliehen von der Prager Straße 29 zur Claudiusstraße, vom Nollendorfplatz nach Friedenau etc. erkundet sowie den Konnex von Deportation, Untertauchen und einer letzten Möglichkeit – der Beziehung zu einer ganz normalen, deutschen Frau, die Schutz bieten könnte – dargestellt. Liebe als Rettungsanker, wie Dischereit aufzeigt:

„Im Vorwort [von Erica Fischer] heißt es, dass die Überlebenden keinen Frieden mit Lilly Wust schließen können und wollen. Nein, können sie auch nicht, wenn da Schuld wäre, gäbe es keinen Grund, ‚Aimée’, Lilly Wust, zu einer Retterin zu stilisieren. Die Buchautorin Erica Fischer äußerte unlängst, ihr scheine es im Film immerhin gelungen, ‚mit dem Thema nicht voller Schuld, Selbstbezichtigung und Schwere umzugehen’. Nun ja, es gibt wohl Themen, da gibt es Schuld und Schwere, und auf Selbstbezichtigung warten die Staatsanwaltschaften noch immer.“

Dabei ist es gewiss kein Zufall, dass das Material einer arischen Deutschen wie Lilly Wust nicht den Behörden, sondern einem Regisseur vorgelegt wurde. Schlimmer noch: Der Film ist ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden. Er basiert auf den Fantasmen der Lilly Wust, die von Erica Fischer lanciert wurden und in Deutschland, dem Land der großen Wiedergutmachung mit sich selbst, bestens ankommen. Denn das Publikum ist eine Volksgemeinschaft der besonderen Art: Künstler, Kulturtheoretikerinnen und Kulturtheoretiker, Feministinnen, Berlinale-Fans und programmatische Lesben kommen gleichermaßen auf ihre identitären Kosten. Am Ende des Streifens wird Felice Schragenheim ermordet; die Vorgeschichte wird dabei jedoch vollkommen entstellt. Dass Felice beispielsweise ihrer Geliebten Lilly noch auf dem Sammelplatz der Gestapo einen Erbschein unterschrieb, den letzere – vormals stramme Nationalsozialistin – nach dem Krieg bei der überlebenden Schwester sowie Freundinnen und Freunden von Felice einlösen wollte, kommt gar nicht erst vor. Esther Dischereit stellt klar:

„Am 28.7.44 erhält Lilly Wust eine Schenkungsurkunde von Felice Schragenheim; am 21.8.1944 wird Felice Schragenheim deportiert. Also drei Wochen später. In den Krimis kommt an dieser Stelle immer eine Lebensversicherung vor, anschließend der Tote. Das hätte uns stutzig gemacht.“

Dischereit berichtet darüber hinaus von vielen Geschenken, die Felice Lilly machte bzw. machen musste: „Frauenkleider aus Foulardseide und feinem Leinen, Abendkleid aus Taft…“ Und selbst Lillys Besuch im Konzentrationslager Theresienstadt – von dem der Deutschen mit Mutterkreuz und der Manie, ihre jüdische Geliebte bevorzugt vor ihren SS-Freunden auf Partys zu präsentieren, alle im Untergrund lebenden Juden und Jüdinnen abgeraten hatten – wird in dem Film nicht in seiner für Felice eine Todesgefahr heraufbeschwörenden Dimension dargestellt. Doch weder das noch die Tatsache, dass Lilly Wust eine waschechte Nationalsozialistin war, hat die Szene, insbesondere die Frauen-Lesben-Szene, nachhaltig irritieren können – offenbar aber auch nicht die Leiterin des Jüdischen Museums Berlin, Cilly Kugelmann.

Elenai Predski-Kramer jedoch, jüdische Überlebende und Freundin von Schragenheim, stellt die Fragen, die sich aufdrängen. Sie ist enttäuscht und traurig ob der Geschichtsfantasmen von Wust, die Erica Fischer als Wahrheit niederschrieb und verkaufte. Wer sich kritisch mit Aimée und Jaguar beschäftigen möchte, dem sei daher neben dem bereits zitierten Beitrag von Esther Dischereit der auf einem Gespräch mit Predski-Kramer basierende und im Gegensatz zu Erica Fischer deren Stimme sehr ernst nehmende Artikel von Katharina Sperber empfohlen, „Eine andere Version: Schmerzhafte Erinnerungen einer Überlebenden“. In ihm heißt es zu Beginn:

„Wie vor den Kopf geschlagen fühlte sich Elenai Predski-Kramer, als sie vor acht Jahren die Auslage einer Buchhandlung betrachtete. Zwischen all den Titeln, die da ausgestellt waren, entdeckte sie einen Buchdeckel mit einem großen Schwarz-Weiß-Foto. Darauf zwei Frauen im Badeanzug am Havelstrand. Beide Frauen kannte sie. Die eine ist die Jüdin Felice Schragenheim, die andere Lilly Wust, eine mit dem Mutterkreuz dekorierte Nazi-Mitläuferin.“

Fischers Geschichten interessierten seinerzeit sofort mehrere Verleger; das Buch erfuhr zahlreiche Auflagen – weltweit, wie sie stets betont – und wurde in dreizehn Sprachen übersetzt. Selbst die unwissendsten, sich aber irgendwie zum Thema „Juden“ hingezogen fühlenden Menschen haben nicht selten zumindest ein Buch in ihrem kleinen Bücherregal: Erica Fischers Aimée und Jaguar eben – eine allzu deutsche Story, die nicht aneckt und daher gefällt.

Ihr Plot hat den Fokus auf die arische Lilly gerichtet; das ist die Basis sowohl für den Film als auch für das Buch. In ersterem wird das bereits zu Beginn deutlich, in der Szene mit dem „lesbischen Blick“ nämlich, die die Perspektive Wusts einnimmt – eine Sicht, die den ganzen Film bestimmt und somit keine Brüche, Zweifel oder gar die Frage nach Schuld aufkommen lässt. Denn es geht nicht um Kritik, es geht um Identität. Gleichwohl ist es falsch, die Vereinnahmung von Felice für derlei Identitätspolitiken – durch lesbische Frauen einerseits und durch Jüdinnen andererseits – in einem Dritten, einem vermeintlichen Ort der Nicht-Identität, aufgehen zu lassen, wie es im 2001 veröffentlichten Beitrag „Of Death, Kitsch, and Melancholia – Aimée und Jaguar: ‚Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943’ or ‚Eine Liebe größer als der Tod’?“ von Anna M. Parkinson geschieht*.

Parkinson argumentiert dabei in Anlehnung an Judith Butlers Konzept von gendered Melancholie. Demnach habe Lilly nach der Deportation und Ermordung von Felice sich selbst „zur Jüdin gemacht“ und das verlorene Objekt der Begierde verinnerlicht – eine melancholische Introversion also, die Parkinson mit Freud untermauert wissen möchte. Dass Lilly Wust aufgrund einer möglichen Verantwortung für die Deportation von Felice selbst Anteil an deren Ermordung haben könnte, zieht Parkinson in ihrem beredten Abstrahieren von diesen realen Fragen und Fakten jedoch nicht in Betracht. Doch wie kam die Gestapo an eines der wenigen Fotos von Felice, die außer Lilly nur andere Jüdinnen in Besitz hatten? Und weshalb ließ Lilly sich einen Erbschein unterschreiben? Warum, schließlich, hat sie ihre Freundin – so dies denn stimmt – in Theresienstadt besucht, obwohl alle Jüdinnen ihr abgeraten hatten von diesem narzisstisch motivierten Besuch, der – in einem Konzentrationslager! – nur die Liebe bestätigt sehen wissen wollte?

Wären das nicht alles Gründe für eine radikale Infragestellung der Erinnerungen einer Lilly Wust? Es sind jedenfalls die Fragen der jüdischen Freundin von Felice, die Fragen Elenai Predski-Kramers. Parkinsons Analyse ist demgegenüber geradezu grotesk: Ohne die Frage nach all diesen Schuldanteilen auch nur zu stellen, zimmert sie sich eine kultur- und gender studies-theoretische Analyse zusammen, die im typischen Stil der Sozial- und Kulturwissenschaft Täter und Opfer in einem sehen möchte – alles sei im Fluss, lautet die Botschaft. Dass eine solche Analyse eine Derealisierung der Wirklichkeit darstellt, ist jedoch offensichtlich. Denn wenn sich beispielsweise die arische Deutsche Wust beim Einmarsch der Roten Armee in Berlin Anfang 1945 den gelben Stern gleichsam stolz ans Revers heftet, ist das gerade nicht „ironically“, weil Felice ihn nie trug. Parkinson lässt letztlich die Geschichten von Wust und Fischer unbeanstandet und zeigt eine die Empathie gleichsam eskamotierende Ferne zu der realen Überlebenden Elenai Predski-Kramer. Man könnte also von einer kulturtheoretischen Derealisierung sprechen.

Im Rekurs auf Freud kann Parkinson zwar interessante Elemente von Melancholie, Identitätsverweigerung und -wandel auftun, nicht aber die konkrete Historie erhellen. Denn die Leidensgeschichte der Jüdin Felice wird nicht aus ihrer Sicht oder aus der ihrer noch lebenden Freundin Elenai Predski-Kramer erzählt und festgehalten, sondern aus der die jüdische Perspektive derealisierenden Perspektive einer arischen Deutschen.

Zudem: Wie kommt es zu dem unglaublichen Spitznamen „Jaguar“? Gerade die existenziell bedrohte, vom Verhalten ihrer deutschen Umwelt abhängige Jüdin wird dadurch zur Jägerin gemacht, die sich eine deutsche Geliebte sucht. Würde die Geschichte aus Felices Sicht erzählt, wäre es nie zu so einem grotesken und infamen Namen gekommen. Doch gerade mit ihm reüssieren Buch und Film. Es wird kokett mit der – nach Parkinsons bloß „ironischen“ – Verkehrung von Opfer und Täterin, Jägerin und Geliebter hantiert. Doch es ist natürlich keine Ironie, sondern der deutsche Fokus, der hier dominiert.

Die Abstraktion von der deutschen Volksgemeinschaft – auch nach 1945 – durch das Fokussieren der lesbischen Liebe lässt das von Dischereit so treffend bezeichnete „Massada der Deutschen“ traurige Wirklichkeit werden. Zu suggerieren, weder die eine noch die andere „Seite“ habe Recht, wie Parkinson es tut, mag zwar der Diskursanalyse, den gender studies mithin, schmeicheln, schlägt sich jedoch wenigstens subkutan auf die Seite der Siegerin, der egomanischen Nazisse Lilly Wust. Es geht um deren Identität – eine deutsche Identität mit Feder und Kamera im Gefolge. Noch einmal Esther Dischereit:

„Das Leben der in Auschwitz getöteten Jüdin Felice Schragenheim scheint durch die Akteurin ‚Aimée’, real Lilly Wust, hindurch und über diese vermittelt. ‚Jaguar’ – im Kosenamen eine grotesk absurde Verkehrung darüber, wer hier Jäger und wer hier Gejagte ist. Das ist eine Übernahme aus dem gleichnamigen Buch, in dem die Geschichte bereits so angelegt ist, dass wir letztlich erfahren, wie sehr die Nicht-Jüdin, Kosename ‚Aimée’, leidet. Durch den Filter ihrer Person erfahren wir von der Verfolgungsgeschichte der Jüdin, die die Deutsche ‚Aimée’ wie in einem Mysterienspiel auf sich nimmt und posthum zu ihrem Leiden macht. In Talk-Sendungen in Deutschland verstieg sich die authentische, nun schon betagte ‚Aimée’, Lilly Wust, zu der Bemerkung, die Tote erscheine ihr gegen Abend. Statt Hitler-Bild ist nun ein siebenarmiger Leuchter in Betrieb. Und – mit dem jüngst zur Welt gekommenen Baby der Maria Schrader sei nun wieder eine wunderbare Felice auf der Welt.“

Heute nun werden die Dokumente der Lilly Wust einem allzu deutschen Publikum dargeboten; von „Arierin“ und „Tränen“ ist viel die Rede. Ganz normale Deutsche, die auf dem Rücken ihrer jüdischen Opfer oder „Freundin“ ihre pekuniären, emotionalen und politischen Geschäfte mach(t)en, wollen das letzte Wort behalten, Geschichte bestimmen und umschreiben. Für immer. Auch mit „jüdischen Kronzeugen“ des Jüdischen Museums Berlin.

* In: Helmut Schmitz (Hrsg.): German Culture and the Uncomfortable Past, Aldershot u.a. (Ashgate), Seite 143–163

 

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