Von Dr. phil. Clemens Heni, 21. Mai 2021
Wie ich immer sage: Es gibt Hoffnung. Ein Leser meines Blogs aus Ostfriesland, der mich immer wieder auf interessante Entwicklungen hinweist, berichtet mir letzte Nacht: Die Landesregierung in Niedersachsen plant, dass ab Dienstag, den 25. Mai 2021, ab einer sog. Inzidenz von unter 50 keine Testpflicht mehr besteht und unter 35 in Geschäften keine Maske mehr getragen werden muss. Hört sich für ZeroCovid-Wahnsinnige wie eine Dystopie an? Wird aber so sein, der NDR berichtet:
In Regionen mit stabilen Inzidenzwerten unter 50 soll frühestens ab Dienstag kommender Woche die Testpflicht für den Einzelhandel entfallen. Zudem wird die Maskenpflicht für den Einzelhandel in Regionen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen aufgehoben. Auch die Begrenzung der Kundenzahl nach Quadratmetern entfällt bei dieser Inzidenz. Das geht aus einem Entwurf hervor, der dem NDR vorliegt. Der Testnachweis für Gäste von Cafés und Restaurants im Außenbereich bleibt dagegen bestehen. In den vergangenen Tagen hatte die Landesregierung um Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stets betont, die Corona-Auflagen wegen Unsicherheiten bei den gemeldeten Infektionszahlen nur vorsichtig lockern zu wollen.
Das trifft unter anderem auf den großen Landkreis Cuxhaven zu, der ja an der Nordsee liegt, die Elbmündung und die Wesermündung umfasst und auch so schöne Gegenden wie den Harriersand nördlich von Bremen, vis-à-vis von Brake an der Unterweser, inkludiert.
Der Landkreis Cuxhaven hat seit Tagen eine „Inzidenz“ unter 35, aktuell liegt sie bei 13,1:
In allen Landkreisen in Schleswig-Holstein liegt die Inzidenz auch unter 35, nur im Stadtkreis Kiel nicht ganz (55,1), aber das liegt an der verständlichen Aufregung wegen dem möglichen direkten Aufstiegsplatz für Holstein Kiel (Fin Bartels, also Werder Bremen) am letzten Spieltag der Zweiten Bundesliga am kommenden Sonntag ab 15.30 Uhr. Bei Union Berlin (Max Kruse, also Werder Bremen) – Eisern Union! – wird es übrigens am Samstag zum Saisonausklang wenigstens etwas klingen: 2000 Fans werden beim Spiel gegen Leipzig dabei sein (allerdings zwangsweise getestet, wie zu befürchten ist).
Mit Nina Hagen:
Wir aus dem Osten geh’n immer nach vorn
Schulter an Schulter für Eisern Union
Hart sind die Zeiten und hart ist das Team
Darum siegen wir mit Eisern Union
Eisern Union
Immer wieder Eisern Union
Immer weiter ganz nach vorn
Immer weiter mit Eisern Union
Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen?
Eisern Union, Eisern Union
Den Sieg vor den Augen, den Blick weit nach vorn
Zieh’n wir gemeinsam durch die Nation
Osten und Westen – Unser Berlin
Gemeinsam für Eisern Union.
Wir werden ewig leben
Eisern Union, Eisern Union.
Was heißt das? Cuxhaven und Niedersachsen werden die Maskenpflicht abschaffen, schrittweise, aber sicher. Auch die Testpflicht wird fallen, das ist 100 Prozent sicher. Denn mit Tests besuchen die Leute auch nicht die Außengastronomie, warum wohl? Der NDR schreibt weiter:
Auch der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Niedersachsen hatte sich nach der ersten Woche mit offener Außengastronomie ernüchtert gezeigt.
Denn wie sieht es derzeit konkret aus? Stellen wir uns folgende alltägliche Begebenheit vor:
Wollte Markus nicht mit Katrin zu Luigi Essen gehen, den Jahrestag feiern? Ich hab ihn vorhin gar nicht dort gesehen, als ich mit dem Rad vorbei kam.
Ja, klar, das war der Plan, jetzt sitzt er 14 Tage in Quarantäne.
Bitter. Und das asymptomatisch. So wie Altmaier asymptomatisch magersüchtig ist…
Man darf dann ab Dienstag nach Pfingsten in Niedersachsen sogar innerhalb von Läden wieder atmen und muss die Luft nicht anhalten. Bislang unvorstellbar. Es dürfen sich auch mehr als zwei Personen in einem Laden aufhalten, genauer gesagt: unbegrenzt viele Menschen, egal wie eng der Laden ist, also z.B. 40 Leute in einem 50 Quadratmeter großen Jeans-Laden, so wie das früher immer war, die Älteren von uns erinnern sich.
Wie war das früher mit dem Besuch von Cafés und Restaurants? Sagen wir 1968?
Immerhin gibt es heute echt nachvollziehbare Gründe für den Rausschmiss aus einem Restaurant, Café oder Laden – bzw. heute kommt man erst gar nicht rein ohne Test oder Maske.
Das war früher anders. Peter Brückner berichtete 1976 über das Klima, die politische Kultur, die dazu führte, dass sich Demokratinnen und Linke wie Ulrike Meinhof radikalisierten und 1970 die RAF gründeten. Es geht natürlich um das legendäre Café Laumer, wo schon Horkheimer und Adorno Gäste waren, in Frankfurt am Main an der Bockenheimer Landstraße:
Im Café Laumer, 1968
Der Geschäftsführer des Café Laumer, Rimbach, in der Nähe der Universität Frankfurt, verbot im Herbst 1968 Studenten, oder jungen Männern und Frauen, die er für Studierende hielt, sein Café – angeblich störten sich seine anderen Gäste an der saloppen Kleidung und den langen Haaren der ‚Jungintellektuellen und Künstler‘. Studierende ziehen daraufhin vor das Café, belagern es und protestieren dagegen, daß der Wirt ihresgleichen nicht bedient oder vor die Tür setzt. Der Geschäftsführer alarmiert die Polizei.
(…)
Klaus passiert Herrn Rimbach. Er betritt das Café. Nach fünf Minuten kommt Klaus die Treppe wieder herunter. Ich sage, du hast dich wohl gelangweilt da drin? Klaus sagt, er hat mich wieder rausgeschickt. Ich sage, wieso denn? Er sagt, ich habe Zeitung gelesen. Ich sage, na und? Klaus sagt, ich lese Zeitung, da tritt Rimbach an mich heran und fragt, was lesen Sie denn da? Ich sage, eine englische Zeitung. Ich lese eine englische Studentenzeitung. Rimbach sagt, eine Studentenzeitung? Bitte lesen Sie draußen weiter.
(S. 92)
So etwas könnte heute gar nicht mehr passieren. Welcher Student kann heute noch lesen? Warum lesen? Netflix! Sehen Sie! Heute gibt es echte Gründe, um aus einem Café geworfen oder besser: gar nicht erst hineingelassen zu werden. Also: Auch wenn es heute keine langhaarigen Studenten mehr gibt, keine lesenden Studierenden, hat sich die Politik so einiges ausgedacht. Denn aufgrund der Erfahrungen im Café Laumer und in Zeiten von Corona sollte man vorab einiges abchecken. Also wird es in naher Zukunft folgende Fragebögen in Restaurants, Läden, an Grenzübergängen, Hotelrezeptionen, Freibädern etc. geben, in unser aller Interesse:
Haben Sie vor, den Besitzer dieses Cafés, den Grenzbeamten, die Lehrerin, den Ladenbesitzer, die Restaurantbetreiberin, den Bademeister, Kinopächter, den Hotelier etc.:
anzuhusten ja/nein
zu erdolchen ja/nein
ihm/ihr nicht-konformistische Gedanken zu unterbreiten ja/nein
klammheimlich kritische Bücher zu lesen ja/nein
sich über Atembeschwerden des Bademeinsters, der Ladenbesitzerin, des Kochs etc. unter einer FFP2-Maske lustig zu machen ja/nein
zu schmatzen ja/nein
englische Studentenzeitungen zu lesen (entfällt, gibt es nicht mehr)
während des Aufenthalts zu lachen ja/nein/vielleicht
Angaben wie immer ohne Gewähr.
Vielen Dank für Ihre Kooperation!
Das Corona-Regime wird also fallen. Warum bin ich mir da so sicher? Weil es Schweden und Florida, Texas und Georgia gibt. Weil in Schweden und Florida ohne jede Impfung und ohne Lockdown und Masken im Jahr 2020 weniger Menschen „an“ oder „mit“ diesem respiratorischen Virus SARS-CoV-2 gestorben sind als andernorts in den USA (New York, New Jersey, Michigan etc.) bzw. Europa (Frankreich, UK, Spanien, Belgien, Ungarn, Italien etc.).
Corona kann für alte und kranke Menschen gefährlich werden. Daher gibt es für DIESE Gruppe eine Impfung. Alle unter 70 und gesunde Menschen brauchen keine Angst haben, es kann gefährlicher werden unter 70 in einen zu tiefen Priel zu geraten und mit dem Pferd zu ertrinken, als an Corona zu sterben:
Und jetzt viel Spaß in Cuxhaven und im Landkreis Cuxhaven, einem der größten in Niedersachsen. Und immer dran denken: Das ist alles ganz beliebig, wenn die „Zahlen“ wieder steigen (Horst der Seehofer ist doch geimpft und wurde trotzdem „positiv“ getestet, wenn das mit 40 Millionen Deutschen oder der Hälfte von Ihnen passiert ab Oktober …), ist alles vorbei.
Also genießen wir ein paar schöne Tage an der Nordsee, eine Schnellfähre von Brake nach Sandstedt, gerade auch für Leute, die bislang nur die Donau, den Rhein (ok, das geht in Richtung Fluss), den Neckar, die Spree (selten so gelacht), die Havel, oder den Main, die Mosel etc. kannten und endlich mal einen richtigen Fluss wie die Weser unweit der Mündung erleben wollen, eine echte Attraktion.
Oder mit einer kleineren reinen Fahrrad- und Fußgängerfähre nach Harriersand tuckern:
Wichtig ist natürlich, dass wir Älteren, die schon vor 2020 so richtig lebten, den Jüngeren die Angst nehmen, ohne Test und ohne Maske einkaufen oder in ein Café zu gehen. Das wird nicht leicht, aber gemeinsam schaffen wir das. Ein Versuch ist es wert, oder nicht?
Update, 14:20 Uhr:
Es war klar, dass diese Idee der niedersächsichen Landesregierung, die Maskenpflicht ab einer Inzidenz von unter 35 abzuschaffen, erstmal nicht halten wird. Zu stark ist der Twitter-Wahnsinn und zu stark ist die nicht evidenzbasierte Panikindustrie am Agitieren. Denn plötzlich möchte die Gesundheitsministerin Niedersachsens keine Leben mehr gefährden, sondern angeblich schützen:
In der Debatte über ein kurzfristiges Aufheben der Maskenpflicht im Einzelhandel in Niedersachsen hat jetzt Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) Position bezogen. „Es wird keine Aufhebung der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung in Niedersachsen geben. Die Mund-Nasen-Bedeckung rettet Leben“, twitterte Behrens als Reaktion auf die Kritik an den ursprünglichen Plänen.
Das ist die Konsequenz aus einigen – zwei, drei, 234?, wir wissen es nicht – Twitter-Usern oder sonstigen Pöblern, die nach der gestrigen Ankündigung, die Maskenpflicht auszusetzen, durchdrehten. Vermutlich merkt die Gesundheitsministerin gar nicht, was für einen Blödsinn sie da verzapft – und von gestern auf heute ändert die niedersächsische Landesregierung ihre Meinung um 180 Grad. Gestern wollten sie nach der eigenen Logik die Menschen gefährden, denn keine Maske tragen heißt im irrationalen, nicht evidenzbasierten und die Forschung zu Masken (Prof. Ines Kappstein vorneweg, Zeitschrift Krankenhaushygiene up2date) ignorierenden Duktus, Menschen zu gefährden. Anders kann man ja den heutigen Tweet gar nicht interpretieren. Das erinnert so ein bisschen an die vulgären Pöbler, die es offenbar bei Eintracht Braunschweig oder unter HSV-, Kaiserslautern-, Magdeburg- etc. Anhängern gibt. Jetzt hat sich der Zeugwart und Busfahrer von Eintracht Braunschweig in einem bewegenden Video gegen diese sehr kleine, aber äußerst brutale und vulgäre Truppe von ‚Fans‘, die gegen die Spieler und den Verein hetzen, weil dieser kurz vor dem Abstieg steht, gewandt. „Christian Bussi Skolik“ betont gegen Ende auch, dass das nur paar Hundert ‚Fans‘ seien und die 10.000 bis 15.000 anderen Braunschweig Fans traurig seien ob der aktuellen sportlichen Situation, aber eben nicht gewalttätig und nicht auf a-sozialen Medien pöbelnd und hetzend, dass einem die Tränen in die Augen kommen vor so viel unanständigen, abstossenden Gestalten, Worten, Blicken, Tweets oder Facebook-Posts und Aktionen auf der Straße (Schalke!). Und exakt so geht es auch bei Corona zu. Schauen Sie sich an, welche paar Dauer-Twitterer oder a-sozialen Mediennutzer*innen jetzt gegen das mögliche Ende der nicht evidenzbasierten Maskenpflicht (und das ohnehin nur bei einer völlig (!) beliebigen Inzidenz von unter 35) hetzten und pöbelten und wie eine ich-schwache Person bzw. Regierung dann in wenigen Stunden ihre Meinung ändert.
So untergräbt man das letzte kleine Fitzelchen Vertrauen in die Politik. Kein Mensch – kein denkender, rational denkender Mensch – kann solche Regierungsumentscheidungen noch ernst nehmen. Aber das ist der pandemic turn. Was heute tödlich ist – ohne Maske einkaufen – ist morgen schon legal und vice versa. Wir werden es sehen. Aber ernstnehmen wird kein normaler Mensch solche Poltiker*innen jemals wieder.