Von Dr. phil. Clemens Heni, 29. Dezember 2020
Inhalt:
Antisemitismus und Holocaustverharmlosung beim Deutschlandfunk 1
Vordenker von DLF und Corodok: Césaire, Mbembe und der postkoloniale Antisemitismus 2
Achille Mbembe, ein Antisemit? Postkolonialismus und Antisemitismus 3
Nolte und seine Enkel 12
Leopoldina 13
Jenseits von DLF und Corodok: Nie wieder Deutschland 13
Antisemitismus und Holocaustverharmlosung beim Deutschlandfunk
Der Deutschlandfunk ist ein Kernelement der Corona-Panikindustrie. Seit Anfang März 2020 strahlt auch diese ARD-Sendeanstalt eine Panik aus, wie wir sie seit dem Ende des Nationalsozialismus nicht mehr erlebt haben. Natürlich gibt es hin und wieder auch etwas kritische Stimmen, aber der Haupttenor ist eindeutig: Merkel und die Politik machen das schon sehr gut und Kritiker sind tendenziell rechts, Verschwörungswahnsinnige, Nazis, Esoteriker, Covidioten, Impfgegner oder Coronaleugner. Das ist alles ganz einfach.
Den Antisemitismus der Corona-Szene kann man wissenschaftlich untersuchen, wie ich das in dem Buch „Gefährderansprache“ getan habe. Allerdings ist da entscheidend, in welchem Verhältnis und wie seriös man das tut. So sind in diesem Buch von 380 Seiten ca. 30 Seiten den verschwörungsmythischen und antisemitischen Tropen der Querdenken-Szene gewidmet, der Rest beschäftigt sich mit den viel gefährlicheren Tendenzen der Politik von Söder, Kretschmann, Michael Müller, allen Landesregierungen und der Bundesregierung, den Medien, der Öffentlichkeit.
Diese antisemitischen Teile der „Querdenken“-Bewegung haben keine Macht, keine Regierungsgewalt und bestehen aus nicht mehr antisemitischen Wirrköpfen wie wir sie schon seit vielen Jahren kennen – nehmen wir 9/11 als Startpunkt für eine besonders große antisemitische Verschwörungsszenerie, die jetzt wieder besonders viel Aufmerksamkeit bekommt durch „Querdenken“.
Das ist übel genug, aber der sich selbst als aufgeklärt dünkende Mainstream sieht die Querdenken-Bewegung als die größte Gefahr für das Land – und da ist die Lockdown-Politik eben die viel größere Gefahr, auch für die Gesundheit, denn ohne Geld wird das Gesundheitssystem noch weiter ausgetrocknet und der unerträgliche Status Quo des kapitalistischen Gesundheistsystems bleibt erhalten. Mehr Geld könnte ein besseres und nicht auf Rentabilität basierendes Gesundheitssystem bringen.
Antisemitische Gewalttäter gab es schon lange vor 2020, das brachte in dieser Hinsicht nichts Neues. Aber die Gewalt des Lockdowns und des Maskenwahnsinns, die sehr wohl viele Menschen in die Verzweiflung und in den Tod treiben kann, die ist neu und gefährlicher als verschwörungswahnsinnige Trottel, die es vor allem seit dem 11. September 2001 zu Millionen gab und eben weiterhin gibt.
Ich zeige auch, dass Prof. Hendrik Streeck, der eigentlich ein Kritiker der Panikindustrie sein möchte, dem Geschwätz vom Verschwörungswahnsinn, unter letzteren fällt nämlich in diesem Beispiel Streecks so gut wie jede abweichende Meinung (!) (während er echte Verschwörungsmythen wie aus Iran oder von Islamisten und Neonazis in den USA nicht einmal erwähnt), auf den Leim geht in einem Interview mit der Deutschen Welle bzw. der Fuldaer Zeitung.
Während nun also der DLF primär Teil der unwissenschaftlichen und antidemokratischen Panikindustrie ist, möchte er in einem aktuellen Beitrag gerade den Namensgeber des Robert Koch-Instituts näher untersuchen. Robert Koch war ein Kolonialist bzw. im deutschen Kolonialreich aktiv. So berichtet Julia Amberger am 26. Dezember 2020, zur kuschligen Weihnachtszeit:
Robert Koch und die Verbrechen von Ärzten in Afrika
Zu Kolonialzeiten war es üblich, dass Forscher skrupellos mit Afrikanern experimentierten, allen voran die Deutschen. Auch Robert Koch zwang kranke Menschen in Konzentrationslager und testete an ihnen neue Gegenmittel. Die Gräueltaten der kolonialen Tropenmedizin wirken bis heute.
Nun ist es wichtig, sich mit den Kolonialverbrechen zu befassen, das wird in der Wissenschaft auch seit Jahrzehnten getan. Auch viele politische Gruppen beschäftigen sich damit. Doch in der gesamten Diskussion wird fast immer, seit dem postkolonialen Vordenker Aimé Césaire, wie wir gleich sehen werden, der Holocaust verharmlost und dessen spezifische und unvergleichbare Dimension weggewischt.
Amberger und der DLF schreiben ganz ernsthaft:
Deutsche Ärzte erproben an Afrikanern, was sie später an Juden perfektionieren
Die Kolonialmedizin sollte nicht Menschen in Not helfen. Sie diente dem ökonomischen Aufschwung der Kolonie – und neuen Erkenntnissen für die deutsche Wissenschaft und die Pharmaindustrie. Deshalb haben die Kolonialärzte auch den Menschen ohne Grund extrem schmerzhafte Öl- und Salzlösungen gespritzt oder sie in der Wüste ausgesetzt, um zu sehen, wie lange sie dort überleben. Jahrzehntelang verbargen sich diese Horrorgeschichten hinter den Verbrechen des Naziregimes in den KZs. Derweil haben die deutschen Ärzte an Afrikanern erprobt, was sie später an Juden, Homosexuellen und politischen Gegnern perfektionierten. Eckart:
Es gibt keine unmittelbaren Analogien zu den Vernichtungslagern im zweiten Weltkrieg, beziehungsweise während der nationalsozialistischen Diktatur. Aber wenn man sich die Struktur dessen ansieht, was dort geschah: Die Humanexperimente in einer Sondersituation der Unfreiheit, die vollkommene Abhängigkeit, die körperliche Abhängigkeit in ihrer absoluten Totalität, der Aspekt, dass Todesfälle in Kauf genommen wurden – dann muss man schon sagen, dass diese Lager den späteren Vernichtungslagern beziehungsweise den Konzentrationslagern in gewisser Weise glichen. Hinzu kommt, dass es personale Kontinuitäten gab.
Der Kronzeuge in diesem Zitat ist der Historiker Wolfgang Eckart von der Universität Heidelberg. Er sagt, dass man zwar angeblich „keine unmittelbaren Analogien zu den Vernichtungslagern“ im Zweiten Weltkrieg ziehen dürfe, aber irgendwie halt doch – denn er sagt im gleichen Atemzug:
Die Humanexperimente in einer Sondersituation der Unfreiheit, die vollkommene Abhängigkeit, die körperliche Abhängigkeit in ihrer absoluten Totalität, der Aspekt, dass Todesfälle in Kauf genommen wurden – dann muss man schon sagen, dass diese Lager den späteren Vernichtungslagern beziehungsweise den Konzentrationslagern in gewisser Weise glichen.
Das ist falsch und eine sekundär-antisemitische Reaktionsweise. Sekundärer Antisemitismus ist bekanntlich nach Adorno und Peter Schönbach ein Schuldabwehr-Antisemitismus. Die Schuld wird hier abgewehrt indem sie universalisiert wird. Das Spezifische, nie Dagewesene der Shoah wird negiert.
Es gab vor dem Nationalsozialismus und Hitler zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit die Idee und die konkrete Politik, ein ganzes Volk zu vernichten, nie zuvor wurden Millionen Menschen zu keinem anderen Zweck wie der Vernichtung deportiert. Die Juden wurden aus Paris, Heidelberg, Griechenland oder Polen deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet. Das Skandalöse an Wolfgang Eckart ist die Tatsache, dass er sogar explizit von den „späteren Vernichtungslagern“, also Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Treblinka, Kulmhof, Belzec spricht. In der Holocaustforschung wird das Präzedenzlose dieser Vernichtungslager und des Holocaust seit Jahrzehnten betont, von Raul Hilberg über Yehuda Bauer hin zu Daniel J. Goldhagen, Robert Wistrich oder Jeffrey Herf.
Die Coronapolitik-Kritik goes Holocaustverharmlosung
Der eben zitierte Beitrag des DLF vom 26. Dezember 2020 wird von der der Coronapolitik kritisch gegenüberstehenden Internet-Seite Corodok geradezu freudestrahlend am 29.12.2020 angepriesen, was tief blicken lässt:
Ob es an der DKP- und junge Welt-Nähe des Corodok-Machers Artur Aschmoneit liegt oder daran, dass der Kronzeuge des DLF, Prof. Wolfgang Eckart, angeblich früher als Student beim MSB-Spartakus war (so Wikipedia ohne Quelle), das ist hier nicht so relevant, könnte gleichwohl auf das Erbe von Hans Mommsen hindeuten, der zeitlebens den Antisemitismus herunterspielte.
Wie Mommsen suchen auch typische linke oder linksliberale und Mainstream-Protagonisten nach Kontinuitäten bürgerlicher Herrschaft, um auf keinen Fall das Spezifische des Judenhasses zu untersuchen.
Es geht in diesen Kreisen immer um rationale Gründe für den Judenmord, um Analogien, Zufälle, Traditionen, um ein Sich-Hochschaukeln oder um Tendenzen und Zwänge, aber nie um die alles entscheidende DNA der Deutschen, die antisemitisch ist, wie jüngst wieder Henryk M. Broder festhielt – „Der Antisemitismus gehört zu Deutschland, er ist Teil der deutschen DNA, wie die Liebe zum Wald und die Angst vor dem Weltuntergang. Weil der Antisemitismus wie eine Sinus-Kurve verläuft, entsteht ab und zu der Eindruck, als habe er sich aus der Realität verabschiedet. Nur – bei der nächsten Gelegenheit ist er wieder da, pumperlgesund und zu allen Schandtaten bereit“ -, und was vielen in der rechten bis sehr rechten Leserschaft von Achgut übel auffiel (ich zitiere solche no-name Kommentare hier nicht, aber sie diffamierten Broder grade wegen diesem Hinweis auf die deutsche DNA).
Vordenker von DLF und Corodok: Césaire, Mbembe und der postkoloniale Antisemitismus
Die postkoloniale Ideologie, das Präzedenzlose, nie zuvor Dagewesene des Holocaust zu leugnen, geht auf Aimé Césaire zurück, dem vor einigen Jahren in Paris ein zentraler Quai, eine große Straße unweit des Louvre und direkt am Ufer der Seine im ersten Arrondissement gewidmet wurde.
Foto: Privat
Ich schrieb 2018 in dem Buch „Der Komplex Antisemitismus“ das Kapitel „Achille Mbembe, ein Antisemit? Postkolonialismus und Antisemitismus“. Damit klar wird, warum der Deutschlandfunk und die unter Kritiker*innen der Coronapolitik beliebte Seite Corodok (1 Mio Zugriffe in einem Monat), die gerade auch den antisemitischen Aspekt des DLF-Beitrags anpreist, problematisch und unwissenschaftlich agieren, sei etwas tiefer in das Thema Postkolonialismus und Antisemitismus eingestiegen und mein Kapitel aus diesem Buch wiedergegeben.
Achille Mbembe, ein Antisemit? Postkolonialismus und Antisemitismus
Der mit 100.000 Euro dotierte Gerda Henkel Preis geht 2018 an den Politikwissenschaftler und postkolonialen Theoretiker Achille Mbembe.[1] In einem Buch zu „Postkoloniale Theologien“ von 2018 heißt es in einem Text des Theologen Michael Nausner[2] von der Theologischen Hochschule Reutlingen:
Ich glaube, die Situation, die wir heute in Europa und nicht zuletzt in Deutschland vorfinden, wurzelt unter anderem auch in den Umständen, die Mbembe mit conditio nigra bezeichnet. Der Antisemitismus ist in Deutschland ausführlich und vielfältig analysiert worden. Aber diejenigen Aspekte des Antisemitismus, die im kolonialen Denken wurzeln, sind noch immer weitgehend unbekannt. Dabei würde ein ‚Zusammendenken der Gräueltaten des Kolonialismus sowie des Dritten Reichs […] erheblich dazu beitragen, ein nuanciertes Verständnis dafür zu entwickeln, ob und inwieweit der Kolonialismus und die Shoah als Fehler, die das Scheitern der europäischen Aufklärung signalisieren, wahrgenommen werden können oder ob beide Ereignisse eher als Teil des Projekts der Modern[e] zu verstehen sind.‘“[3]
Dieses Zitat im Zitat ist von Achille Mbembe aus seinem Band „Kritik der Schwarzen Vernunft“.[4] Diese Kritik an der Moderne kommt über 70 Jahre zu spät, die Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno von 1944/47 hat dieses Verhältnis von Aufklärung und Regression, Moderne und Nationalsozialismus analysiert, wie ich in Kapitel 2 zeige, wo ich auch versuche, die Grenzen dieser Analyse angesichts der Forschung von Daniel J. Goldhagen herauszuarbeiten. Vor allem aber wird in dem Zitat suggeriert, der Antisemitismus habe Elemente, die „im kolonialen Denken wurzeln“. Dieser Hypothese gilt es auf den Grund zu gehen, denn sie scheint der Kern vieler postkolonialer Theoretiker*innen zu sein. Namentlich für Achille Mbembe scheint sie, so Nausner, zentral zu sein. Für Nausner ist Mbembe
so etwas wie ein afrikanisches Pe[n]dant zum europäischen Henning Mankell, der kürzlich verstorben ist und viele Jahre lang den Sommer in Schweden und den Winter in Mosambik verbracht hat[5] –,
wenn Mankell nicht gerade auf dem antiisraelischen Terrorschiff Mavi Marmara auf dem Mittelmeer schipperte, sollte man hinzufügen.[6] Es geht Nausner um die „Hybridität der Kulturen“.[7]
Für was steht Mbembe? In seinem Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ analysiert und kritisiert der kameruner Politologe Achille Mbembe die Gewalt des Kolonialismus und des Rassismus. Zu Recht attackiert er sowohl den Islam wie das Christentum und den Kolonialismus als universalistische Ideologien, die Afrika unter sich aufteilten, auch wenn das Wort „Ideologie“ kaum auftaucht und er eine französisch-poststrukturalistische Sprache in Anlehnung an Foucault, Deleuze, Guattari, Leiris u.a. benutzt. Die Gewaltförmigkeit des „Neger“-Daseins, Mbembe verwendet absichtlich das Nomen „Neger“, wird plastisch und bedrückend dargestellt. Es ist nur so, dass Mbembe im Rassismus und Kolonialismus die einzige und die Welt beherrschende Ideologie sieht.
Die rassistische Unterwerfung über Jahrhunderte von Schwarzen oder people of colour sei das Muster für jede Form der Unterdrückung. Im heutigen digitalen Fingerabdruck- und Augen-Iris-Speicherfetischismus sieht er ein rassistisches Moment (z. B. das Suchen von Geflüchteten) und nicht etwa ein faschistoid-technisches Element von Herrschaft. Das wird alles zusammen mit einer arg altmodischen Form von Kapitalismuskritik vermischt.
Für die Antisemitismusforschung gilt es, Mbembe kritisch zu lesen. Es geht um folgende Stelle in seinem Band „Kritik der schwarzen Vernunft“, die alles auf den Punkt zu bringen scheint. Er bezieht sich auf den auf der karibischen Insel Martinique geborenen Schriftsteller, Politiker und Mitbegründer der „Négritude“ Aimé Césaire (1913–2008), und schreibt:
Was der Westen Hitler nicht verzeihe, sei ‚nicht das Verbrechen an sich, das Verbrechen gegen den Menschen […], nicht die Erniedrigung des Menschen an sich, sondern das Verbrechen gegen den weißen Menschen, die Erniedrigung des weißen Menschen, und dass er, Hitler, kolonialistische Methoden auf Europa angewendet hat, denen bislang nur die Araber Algeriens, die Kulis Indiens und die Neger Afrikas ausgesetzt waren‘.[8]
Dieses Zitat steht für weite Teile der postkolonialen Forschung und indiziert einen postkolonialen Antisemitismus: Es leugnet, dass die Shoah ein nie dagewesenes Verbrechen war. Juden wurden demnach nicht als Juden, sondern als „Weiße“ ermordet.
Somit leugnet Achille Mbembe in Anschluss an Aimé Césaire, dass die Shoah ein Verbrechen gegen die Juden als Juden war. Vielmehr werden Juden als „weiße“ Opfer bezeichnet, also als koloniale Täter, die Opfer anderer kolonialer Weißer wurden. Diese Perfidie ist zentral für fast die gesamte postkoloniale Literatur. Mbembe bezieht sich – wie wir sehen werden: paradigmatisch wie sehr viele postkoloniale Autor*innen – auf Aimé Césaire.
Nach Césaire ist sogar eine Straße im Herzen von Paris benannt, direkt um die Ecke vom Louvre an der Seine gelegen: der Quai Aimé Césaire im ersten Arrondissement, der am 26. Juni 2013 eingeweiht wurde.
Das zeigt, wie Césaire und das postkoloniale Denken hier und heute in Europa Mainstream ist. Achille Mbembe steht für den postkolonialen Zeitgeist, der sich selbst als „gut“ und kritisch empfindet und gar nicht zu merken scheint oder nicht merken möchte, dass der Ansatz auf einer antisemitischen Trivialisierung der Shoah basiert.
Auch Frantz Fanon (1925–1961) ist eine zentrale Quelle Mbembes. Fanon verglich in seinem Buch Schwarze Haut, weiße Masken den Rassismus gegenüber Schwarzen mit dem Antisemitismus und erinnerte an seinen Philosophielehrer von den Antillen, der meinte, er sollte achtgeben, wenn jemand etwas gegen Juden habe, da Antisemiten unausweichlich auch Rassisten seien. Das ist wissenschaftlich problematisch und ignoriert, dass auch viele Schwarze Antisemiten sind und sein können, ohne zwingend rassistisch zu sein.
Darüber und zu den Schwierigkeiten für Juden in der postkolonialen Theoriedebatte schreibt 2016 der israelische Literaturwissenschaftler Efraim Sicher.[9] Neben seiner Analyse von Fanon geht er auf den amerikanischen Menschenrechtsaktivisten W.E.B. Du Bois (1868–1963) ein, der von einem Jahrhundert des Rassismus sprach (1850–1950) und damit offenkundig den Holocaust mit einbegriff, was falsch ist und den Holocaust in seiner Präzedenzlosigkeit negiert. Der britische Soziologe Paul Gilroy sehe ebenso „Affinitäten zwischen Schwarzen und Juden“ und stelle Vergleiche von „Kolonialismus“ mit dem „rassischen Antisemitismus“ an.[10]
Seit den 1980er Jahren hat der Postkolonialismus die Debatte über die Geschichte auf den Kopf gestellt, so Sicher.[11] Antisemitismus wird seither und bis heute in Schul- und Lehrbüchern international als ein „Modell des europäischen Rassismus“ betrachtet, der wiederum aus dem „Nationalstaat“ und „totalitärer Ideologie“ entstanden sei. Und so argumentiert die postkoloniale Ideologie, der Zionismus sei schuldig, weil er ein „exklusiver Nationalismus“ sei. Der „antizionistische Historiker Ilan Pappe nennt diese mystische Umwandlung die ‚Transsubstantiation‘ der Juden von den Kolonisierten zu den Kolonisierern“ und der Philosoph Slavoj Zizek „beschuldigt den ‚Zionismus‘ sowohl am Nazismus wie am Antisemitismus schuld zu sein“, so Efraim Sicher.[12]
Die Palästinenser seien jetzt „der Andere“, ja sie seien zum „Juden“ geworden, wie schon 1920 der Schriftsteller T.S. Eliot (1888–1965) in seinem Stück „Gerontion“ schrieb, was der postkoloniale Vordenker Homi Bhabha 1998 aufgriff.[13]
Wie Sicher analysiert, basieren weite Teile postkolonialer Theoriebildung auf der Annahme, der Holocaust habe nicht primär etwas mit der Geschichte des Antisemitismus, sondern mit dem europäischen Kolonialismus zu tun, dessen „erstes Laboratorium“ der „belgische Kongo“ gewesen sei.[14]
Das ist grundfalsch und leugnet wiederum jedwede Spezifik des Antisemitismus wie die Präzedenzlosigkeit der Shoah. Diese Stilisierung des Kolonialismus zum zentralen Konflikt der modernen Geschichte und somit der Schwarzen zu dem Objekt des europäisch-amerikanischen Kolonialismus bzw. kapitalistischen Imperialismus ist auch zentraler Teil im Werk des Autors Heiner Müller, der sich selbst zum (Zitat) „Ich bin ein Neger“ stilisierte, und somit postkoloniale Theorie fürs Theater schon vor der Mode des heutigen Postkolonialismus promotete.[15]
Im Jahr 2017 begann eine Kontroverse über die Verharmlosung des Holocaust durch die postkoloniale Theorie, wobei der Journalist Alan Posener dem Historiker Jürgen Zimmerer vorwirft, mit seiner Forschung den Holocaust zu verharmlosen:
Der Historiker Jürgen Zimmerer stellt die Auslöschung des europäischen Judentums in die Tradition des europäischen Kolonialismus. Dadurch missversteht er den Holocaust und relativiert ihn.[16]
Der Ausgangspunkt, die Geschichte des Kolonialismus, die Posener eher positiv oder aber dialektisch sieht, wäre eine eigene Studie wert. Es geht hier um die Kritik an der Verharmlosung der Shoah durch den Postkolonialismus. In einem dann folgenden Gespräch von Posener mit Zimmerer, organisiert von der Wochenzeitung Freitag und dessen Herausgeber Jakob Augstein und dem Journalisten Michael Angele, lehnen sich die beiden Freitag-Journalisten an eine antisemitische Ideologie an und sagen:
Man kann das mit der Einzigartigkeit aber auch ganz anders sehen, oder? Die aus Jamaika stammende Kulturhistorikerin Imani Tafari-Ama kümmert sich gerade in Flensburg um die Kolonialgeschichte dieser Handelsstadt, und sie hat neulich gesagt, die Europäer müssten anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte sei – größer als der Holocaust. Offenbar hängt der Blick auf die Geschichte auch davon ab, welchem Kulturkreis man angehört.[17]
Darauf antwortet Posener:
Es gibt keinen ‚weißen‘ oder ‚schwarzen‘, ‚jüdischen‘ oder ‚christlichen‘ Blick auf den Holocaust; es gibt, wenn wir von Wissenschaft reden, und hier ist von einer Wissenschaftlerin die Rede, nur den wissenschaftlichen Blick auf den Holocaust. Und ‚das mit der Einzigartigkeit‘ des Holocausts kann man eben nicht ‚ganz anders sehen‘, bloß weil man aus Jamaika stammt.[18]
Die jamaikanische Kulturwissenschaftlerin Imani Tafari-Ama, von Juli 2017 bis März 2018 Fellow am Flensburger Schifffahrtsmuseum mit dem Projekt „KulturTransfer. Unser gemeinsames Kolonialerbe“, unterstützt von der Kulturstiftung des Bundes in deren Programm „Fellowship Internationales Museum“,[19] wurde in der taz Gelegenheit zur Verbreitung ihrer antijüdischen, den Holocaust als präzedenzloses Verbrechen leugnenden Ungeheuerlichkeiten gegeben:
Wenn ich Deutsche nach ihrer kolonialen Schuld befrage, heißt es oft, das kollektive Gedächtnis sei eben mit dem Holocaust viel zu sehr beschäftigt gewesen. Der habe alles andere verdrängt. Das mag stimmen. Trotzdem bleibt der Genozid an den Herero und Nama in Namibia bestehen; trotzdem bleiben die Unterdrückungsmaßnahmen in Togo, in Ruanda, in Tansania, in Kamerun – oder eben auf den Jungferninseln – Verbrechen, für die jemand haften muss. Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.[20]
Das ist eine offenbar im Mainstream angekommene neue Form der Holocaustleugnung, der Softcore-Variante, wie die Historikerin Deborah Lipstadt sagen würde. Das „größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ sei der transatlantische Sklavenhandel und der Kolonialismus gewesen – und nicht der Holocaust. Das ist eine antisemitische Geschichtsumschreibung. Im Kolonialismus wurde kein Volk aus keinem anderen Grund, als es zu vernichten, vernichtet.
Es gab kein cui bono in der Shoah. Die Sinnlosigkeit war das Unaussprechbare, das Unvorstellbare, der Bruch jeglichen zivilisatorischen Vertrauens. In der Sklaverei hingegen, so schrecklich und verabscheuenswert sie war, war das Ausbeuten lebendiger Arbeitskraft Kern des Verbrechens. Es ging um Profit und Macht. Nicht so im Holocaust, der auf einer anderen Grundlage basiert: dem Antisemitismus, der kein bloßer Rassismus ist, sondern panische Angst vor „dem“ Juden anzeigt. Die postkoloniale Agitatorin Tafari-Ama scheint sehr wohl zu wissen, was sie tut, sie möchte einen Trend setzen und Juden und Holocaustüberlebende sowie deren Nachkommen provozieren, indem sie den Sklavenhandel als das größte Verbrechen der Geschichte der Menschheit herbeifantasiert. Sie trivialisiert den Holocaust und die taz scheint das zu billigen, denn sie publizierte diesen Text ohne kritischen Kommentar. Doch Tafari-Ama fühlt sich wohl irgendwie als links und gut. Als Schwarze wähnt sie sich jenseits der Kritik.
Die Zeitschrift Peripherie („Politik Ökonomie Kultur“) teilt diese Form des postkolonialen Antisemitismus. In der Ausgabe 146/147 von August 2017 schreiben Aram Ziai und Daniel Bendix:
Ein entsprechendes ‚Pro und Kontra Kolonialismus‘-Tabu gilt in der heutigen BRD nicht. Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Deswegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völkermord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivilisationsbruch‘ wahrgenommen (Diner 1996).“[21]
Wiederum wird hier Aimé Césaire bemüht und mit seinem oben angeführten skandalösen Ideologem zitiert. Juden als „weiße“ Opfer zu bezeichnen und damit den eliminatorischen Antisemitismus rassismustheoretisch zu negieren, ist unglaublich. Sie leugnen mehrfach das Nie-Dagewesene der Vernichtung eines ganzen Volkes, der Juden. Sie sind keine Auschwitzleugner, sondern leugnen, dass es so etwas wie die Shoah nie zuvor gegeben hat.
Sie wollen den Begriff „Zivilisationsbruch“ vorverlegen und damit negieren, dass es vor Auschwitz, Sobibor, Treblinka, Belzec, Majdanek und Kulmhof niemals in der Geschichte der Menschheit Fabriken zur Vernichtung von Menschen gab. Sie stellen also in Abrede, dass die Juden als Volk ausgerottet werden sollten, was es nie zuvor in der Weltgeschichte gab. Es ging um die Vernichtung eines Volkes aus keinem anderen Grund, als dem, dem Volk der Juden anzugehören. Nichts dergleichen ist jemals im Kolonialismus oder einer anderen Zeit auf der Welt passiert.
Aram Ziai ist hingegen auch Herausgeber eines Buches über Postkoloniale Politikwissenschaft (2016).[22] Seine Obsession, Auschwitz mit dem Kolonialismus kurzzuschließen und somit in seiner Präzedenzlosigkeit zu leugnen, zeigt sich auch hier, gleich auf Seite zwei seiner Einleitung:
Auschwitz, Wannsee-Konferenz, Vernichtungskrieg im Osten, Nürnberger Rassegesetze – das sind alles Begriffe, die wir aus dem Geschichtsunterricht kennen. Aber dass auf der Berliner Afrika-Konferenz 1884 Bismarck und andere Europäer den ganzen Kontinent unter sich aufteilten – wer weiß das schon?[23]
Schließlich trivialisiert Ziai Auschwitz und Sobibor und die Shoah ein weiteres Mal, wenn er schreibt, dass Gier und Raub Zweck der Aktion gewesen sein könnten:
Die Diskussion über die Singularität des Holocaust kann hier nur angerissen werden. Über die Singularität jedes historischen Ereignisses hinaus ist aus der Perspektive einer vergleichen Genozidforschung festzuhalten, dass der Holocaust hinsichtlich der Bürokratisierung und Industrialisierung des Massenmordes tatsächlich historisch einzigartig ist (Chalk/Jonassohn 1990). Hinsichtlich der Brutalität seiner Praktiken kann dies erschreckenderweise nicht behauptet werden. Auch die (vom Verfasser früher selbst vertretene) These, dass die Vernichtung der Juden durch die Nazis im Unterschied zu anderen Genoziden nicht Mittel zum Zweck, sondern Zweck an sich war, muss angesichts der Forschungen zum mit Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung verbundenen Raub (z. B. Aly 2005) als umstritten gelten.[24]
„Umstritten“ ist die Analyse der Sinn- und Zwecklosigkeit des Holocaust nur unter Verharmlosern der Shoah. Das obige Zitat ist undurchdacht und konzediert lediglich aus taktischen Gründen, wie es scheint, dass die „Industrialisierung des Massenmordes tatsächlich historisch einzigartig ist“ – was aber gleich wieder dementiert wird, indem der Autor die Sinnlosigkeit der Vernichtung der Juden in Frage stellt und ökonomische Vorteilnahme vermutet, wie bei unzähligen Verbrechen in der Geschichte der Menschheit.
Die beiden postkolonialen Agitatoren der Peripherie, Ziai und Bendix, sind repräsentative Vertreter des heutigen Postkolonialismus.[25] Noch einmal: Die beiden Autoren negieren, dass es die geplante und durchgeführte Vernichtung eines Volkes ohne jedweden militärischen oder ökonomischen Aspekt niemals zuvor gab:
Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Deswegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völkermord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivilisationsbruch‘ wahrgenommen.[26]
Sie behaupten damit, dass die Shoah nicht präzedenzlos war, denn es habe schon zuvor den „Zivilisationsbruch“ gegeben. Diese Leugnung der Präzedenzlosigkeit wird von der Redaktion durchgewunken und unterstützt, also auch von dem Redaktionsmitglied Reinhart Kößler.[27] Das ist bemerkenswert, weil er beim Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main als stellvertretender Direktor des Pädagogischen Zentrums angestellt ist.[28]
Das Fritz Bauer Institut selbst intoniert jedoch diese Form der Holocaustverharmlosung via Komparatistik und Universalisierung, indem im Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust von 2004 mit dem Titel Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in der Einleitung ausgeführt wird:
Zurück nach Europa: Hier waren es keine Kolonialvölker, sondern Teile der eigenen Bevölkerung, die vom Hitler-Regime stigmatisiert, ausgegrenzt und schließlich ermordet wurden. Ähnlich und doch gänzlich unterschiedlich verfuhr die sowjetische Regierung mit den Bevölkerungsteilen, die ideologisch verfemt und angeblich ökonomisch überflüssig waren. Auch hier, beim so genannten ‚Hunger-Genozid‘ in Teilen der Sowjetunion, vor allem in der Ukraine, diente die gewollte Dezimierung weiter Bevölkerungsteile, wieder unter den Augen der Weltöffentlichkeit, der Durchsetzung einer Ideologie, die Menschen nicht nach ‚Rassen‘, aber nach ‚Klassen‘ einteilte.[29]
Diese Gleichsetzung von Rot und Braun trivialisiert den Nationalsozialismus auf bekannte Art und Weise, das ist die Ideologie der Rechten, aber auch vom deutschen Mainstream: Joachim Gauck, der Super-GAUck für dieses Land im Jahr 2012.
Jegliches Verständnis für das Nie-Dagewesene der Vernichtung eines Volkes, der Juden, geht hier im Orkus der Weltgeschichte unter. Die Juden seien nicht als Juden ermordet worden, sondern als „Weiße“, so die Ideologie vieler schwarzer Aktivist*innen im Zuge Aimé Césaires, wie dem eingangs zitierten Achille Mbembe oder auch der beiden Publizisten Henning Melber und Gottfried Kößler:
Der heutige namibische Premierminister Theo-Ben Gurirab hat die Weigerung der in der Rechtsnachfolge des Deutschen Reichs stehenden Bundesregierungen, sich für das deutsche Kolonialregime, das in seinem Land von 1884 bis 1914 währte, und insbesondere für die Völkermordstrategie, mit der der landesweite Aufstand 1904–1907 unterdrückt wurde, auch nur zu entschuldigen, anlässlich der Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Durban Anfang September 2001 scharf kritisiert. Er stellte die Vermutung an, diese sei nicht zuletzt darin begründet, dass die Opfer der deutschen Politik anders als im Zweiten Weltkrieg schwarz gewesen seien.[30]
Dieses Zitat möchte allen Ernstes Juden einen quasi privilegierten Opferstatus zusprechen. Das ist eine Art Holocaustleugnung der bemerkenswerten Art: Schwarze als Opfer von Weißen, Juden als „Weiße“ seien sozusagen nur zufällig zum Opfer gemacht worden. Das leugnet die gesamte Geschichte des „längsten Hasses“, des Antisemitismus. Jeglicher Versuch zu verstehen, was der Holocaust war, wird unterbunden, indem die typische Gewalt eines Kolonialstaates mit der nie dagewesenen Idee, ein spezifisches Volk zu vernichten, gleichgesetzt wird.
Das ist das immer wiederkehrende Muster der Verharmlosung der Shoah durch weite Teile der postkolonialen Forschungsliteratur. Wenn man sich anschaut, mit wie vielen Multiplikatoren das Fritz Bauer Institut und namentlich sein Pädagogisches Zentrum unter Kößler kooperiert – wie der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ), dem Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA), der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, der Uni Frankfurt und der Bundesregierung mit entsprechenden Förderprogrammen[31] –, zeigt sich, wie unkontrovers diese Form der Verharmlosung der Shoah heute bei Aktivist*innen gegen Antisemitismus und in Akademiker*innenkreisen durchgewunken und gefördert wird. Mehr Geld für solche Forschungszentren und Projekte, wie es seit Jahren gefordert wird, könnte kontraproduktiv sein für die Erforschung und Kritik des Antisemitismus.
Die Autoren Kößler und Melber verwenden selbst das entscheidende Wort bezüglich der deutschen Kolonialpolitik in Deutsch-Südwestafrika und dem Mord an den Herero und Nama ab 1904: es war eine Reaktion der deutschen Kolonialmacht auf einen „Aufstand“. Das ist einer der alles unterscheidenden Aspekte verglichen mit dem Holocaust.
Wenn ernsthaft eine Vergleichbarkeit von einer brutalen und massenmörderischen Reaktion auf einen Aufstand mit der Vernichtung der europäischen Juden durch die Deutschen formuliert wird, wird geleugnet, dass die Juden aus dem einzigen Grund ermordet worden, dass sie Juden waren. Kein Aufstand nirgends, der die Deutschen ‚provoziert‘ hätte etc. Wir kennen das hingegen von Holocaustleugnerkreisen, die eine „Kriegserklärung“ der Juden an die Deutschen herbeifantasieren, um damit jegliche Vernichtungsaktion der Deutschen zu rechtfertigen und als bloße Reaktion zu diminuieren.
Auch das Projekt Freiburg postkolonial publiziert Texte Kößlers, die den gleichen Duktus haben und nicht im Ansatz verstehen, warum Kolonialismus und der Holocaust nicht miteinander verbunden sind, da koloniale Gewalt z. B. eine Re-Aktion auf Aufstände war, während die Shoah grundlos war und Rassismus kategorial verschieden ist vom Antisemitismus. Kössler bezieht sich auf Zimmerer und andere einschlägige Literatur, die für dieses analytische Versagen der postkolonialen Theorie stehen.[32]
Die antizionistische Dimension weiter Teile der postkolonialen Theorie wird in dem Band Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung (2015) von Maria do Mar Castro Varela von der Alice Salomon Hochschule Berlin und Nikita Dhawan von der Universität Innsbruck sowie dem Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies[33] deutlich.[34] Sie stellen drei der führenden postkolonialen Denker*innen vor: Edward Said, Gayatri Chakravorty Spivak[35] und Homi Bhabha.
In ihrem Kapitel zu Said wird explizit auf seine Pro-Palästina-Aktivitäten eingegangen.[36] Sehr problematisch wird es, wenn sie Saids Ideologie zitieren, die arabische Seite solle den Holocaust nicht leugnen, da sie sonst schwerlich ihre eigene heutige Opferrolle betonen könne. Damit sind mit der Anerkennung der Shoah durch die Palästinenser aus Juden Täter geworden, die gegen die Palästinenser so handelten wie früher die Deutschen gegen die Juden.[37]
Der tief sitzende und in vielen Schriften Saids vorkommende Antizionismus und seine Ablehnung Israels als jüdischer Staat wird hingegen nicht erwähnt.
Zurück zur Debatte von Alan Posener mit den postkolonialen Autoren Zimmerer und Augstein et al. Es ist klar, dass einem mit antiisraelischen und antisemitischen Invektiven um sich werfenden Jakob Augstein, der namentlich 2012 das antisemitische Gedicht von Günter Grass feierte, die oben zitierte Leugnung, dass der Holocaust das schrecklichste Verbrechen der Geschichte der Menschheit ist, wie Tafari-Ama in der taz sagen durfte, gefällt. Also attackiert er mit seinem Kollegen Angele Alan Posener mit dieser Form des Antisemitismus. Die Rede vom „Kulturkreis“, so Augstein und Angele, ist schon problematisch und kann das Gleiche meinen wie die Neue Rechte, die vom „Ethnopluralismus“ spricht: universelle Werte gibt es nicht. Das scheint auch hier dahinter zu stecken.
Die Aussage von Tafari-Ama ist eine moderne Form der Holocaustleugnung, eine die nicht strafbar zu sein scheint und in der Forschung kaum je erkannt wird. Eine Softcore-Leugnung mit bestem Gewissen. Wenn der Holocaust lediglich eine Art rassistischer „Verschleppung“ war, dann war der Holocaust weder präzedenzlos, noch war sein Ziel, alle Juden zu ermorden, etwas Neues, Nie-Dagewesenes. Diese Auffassung ist offenkundig eine Geschichtslüge. Nie zuvor hat ein Land aus allen Teilen des Kontinents, von Paris über Athen, Berlin, Riga, Belgrad und Kiew Juden aufgespürt, deportiert und vernichtet.
Das gab es nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Sklaven wurden von Christen wie von Muslimen zu vielen Millionen qualvoll über den Atlantik oder in den Nahen Osten verschleppt – aber nicht, um sie zu ermorden, sondern um sie auszubeuten. Das ist der Unterschied ums Ganze, den postkoloniale Autor*innen, nicht sehen wollen oder können. Kein Mensch kann das Verbrechen der Sklaverei oder des Rassismus leugnen, wer es dennoch tut, ist rassistisch. Es ist aber ein anderes und nicht erst neuzeitliches Phänomen und in keinem Fall der Völkermord an einem bestimmten Volk. Es war kein Völkermord, sondern brutale Ausbeutung, die häufig im Tode endete. Kein Massaker der Weltgeschichte, und sie ist voll davon, hat jene Dimension wie der Holocaust.
Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit des Holocaust ist eine sehr weit verbreitete, aber nur sehr selten erkannte, geschweige denn analysierte und kritisierte Form des Post-Auschwitz-Antisemitismus. In der Forschung ist sie ein weltweiter Trend. Die Leugnung der Einzigartigkeit der Shoah ist bei Akademiker*innen wie dem Mob auf der Straße (nicht nur im Nahen Osten oder der muslimischen Welt) weit verbreitet. Ich habe dazu in meiner Studie Antisemitism: A Specific Phenomenon von 2013 ausführlich geschrieben.[38] So nennen im Jahr 2010 zwei Forscher, David Olusoga und Casper W. Erichsen ihre Studie Kaiser’s Holocaust. Sie behaupten:[39]
Our understanding of what Nazism was and where its underlying ideas and philosophies came from is perhaps incomplete unless we explore what happened in Africa under Kaiser Wilhelm.[40]
Erstens ist das falsch und zweitens nicht neu. 1975 hat der Historiker Peter Schmitt-Egner eine Studie über „Kolonialismus und Faschismus“ publiziert und Antisemitismus und den Holocaust nicht als spezifische Phänomene analysiert, sondern die kapitalistische Kontinuität behauptet.[41] Wie weit verbreitet diese Form der Verharmlosung des Holocaust ist, zeigt sich an einem Text des Publizisten Henning Melber im Jahr 1992. Melber bezieht sich auf den „Staatstheoretiker Nicos Poulantzas“ und schreibt:
Sind Völkermorde und Konzentrationslager in denselben totalitären Raum eingeschrieben und Teil der Wurzeln des modernen Totalitarismus, der die Massenvernichtung zum Bestandteil eines pervertierten Zivilisations- und Kulturverständnisses erhob, gehört die Praxis der deutschen Kolonialherrschaft in Südwestafrika zwischen 1884 und 1915 zu den ersten Formen einer solchen Zivilisierung durch Massenvernichtung, die im deutschen Falle ihren Höhepunkt ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der kolonialen Ära im eigenen Land erfuhr.[42]
Damit wird die Shoah nicht nur in ihrer Präzedenzlosigkeit geleugnet, vielmehr gesagt, sie sei eine Art „Zivilisierung durch Massenvernichtung“ gewesen. Sechs Millionen Juden wurden demnach ermordet, um sie oder die Länder, in denen sie lebten und wohin sie verschleppt wurden, zu „zivilisieren“. Das ist eine Art Holocaustleugnung, da sie negiert, dass der Grund der Shoah die Vernichtung der Juden war und behauptet, es wäre um eine „Zivilisierung“ gegangen. Auch der Ausdruck „im eigenen Land“ zeigt nur, dass Melber gar nicht bewusst war, dass der SS-Staat alle Juden ermorden wollte. Herausgegeben wurde das von Wolfgang Benz im ersten Jahrbuch für Antisemitismusforschung des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin.
Diese postkoloniale Position Melbers wird derzeit in der Bundesrepublik vielleicht am prominentesten von Poseners Diskussionspartner im Jahr 2017, dem Historiker Jürgen Zimmerer von der Uni Hamburg, vertreten. 2003 behauptete er in einem Artikel, die „Genozide in den Kolonien“ seien in der gleichen „Kategorie“ wie die nationalsozialistische Vernichtungspolitik.[43]
2011 kam dann eine Aufsatzsammlung Zimmerers auf den Markt, die schon im Titel die Leugnung des Nie-Dagewesenen von Auschwitz intoniert, leicht verdruckst mit einem Fragezeichen versehen: „Von Windhuk nach Auschwitz?“[44] Er zitiert eine bekannte Stelle von 1947 des amerikanischen Bürgerrechtlers W.E.B. Du Bois, der wenige Jahre nach Auschwitz behauptete, solche Kontinuitätslinien von Kolonialverbrechen hin zum Holocaust seien offenkundig und die „weiße“ Welt begehe solche Verbrechen schon lange:
There was no Nazi atrocity – concentration camps, wholesale maiming and murder, defilement of women or ghastly blasphemy of childhood – which Christian civilization or Europe had not long been practicing against colored folk in all parts of the world in the name of and for the defense of a Superior Race born to rule the world.[45]
Neben Hannah Arendt (1951) hat demnach[46] laut Zimmerer einer der Superstars des Postkolonialismus, Aimé Césaire, 1950 diese ungeheuerliche Passage geschrieben, die ich ja oben bei anderen postkolonialen Autoren schon zitiert habe:
(…) the humiliation of man as such, it is the crime against the white man, the humiliation of the white man, and the fact that he [Hitler] applied to Europe colonialist procedures which until then had been reserved exclusively for the Arabs, of Algeria, the colonies of India, and the blacks of Africa.[47]
Der weltweite Aufschrei – welcher eigentlich genau? – nach 1945 sei pure Heuchelei, so Césaire und seine unzähligen Epigon*innen, da die weiße kolonialistische Welt die gleichen Verbrechen, die die Deutschen verbrochen haben, schon seit sehr langer Zeit in den Kolonien begangen habe. Es wird auch davon abstrahiert, dass in der BRD das Schweigen über die Verbrechen der Deutschen das neue „Wir“ nach 1945 ausmachte.
Die Karrieren von Bischöfen, Philosophieprofessoren oder ZDF-Mitbegründern zeigen, dass antisemitische Autoren der NS-Zeit auch nach 1945 Karriere machen konnten und der Mord an den Juden kein Problem für die bundesrepublikanische Gesellschaft darstellte. Den „Aufschrei“ hat es in Deutschland überhaupt nicht gegeben.
Der Historiker Jakob Zollmann forscht zu Deutsch-Südwestafrika.[48] Entgegen Zimmerer kritisiert Zollmann vehement die behaupteten Kontinuitätslinien vom Kolonialismus hin zum Nationalsozialismus. So sei die deutsche Herrschaft in Deutsch-Südwestafrika, wie es seinerzeit hieß, keineswegs faschistisch gewesen, sondern es habe immer wieder Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht gegeben. Zudem habe Afrika eine eigene Geschichte, die nicht als bloße Vorläufer-Geschichte des europäischen Faschismus oder des deutschen Nationalsozialismus betrachtet werden dürfe.
Zimmerers These von der „Geburt“ des „Ostlandes“ aus dem Geist des Kolonialismus[49] weist Zollmann zurück. 2007 hatte Zollmann in einem wissenschaftlichen Beitrag für die Namibian Studies[50] die deutsche Debatte über die vorgeblichen Verbindungslinien von Kolonialismus und Nationalsozialismus kritisiert, namentlich die Publizisten Reinhart Kößler und Henning Melber. Jene würden Hannah Arendt heranziehen, um eine „direkte Beziehung zwischen dem Siedlerkolonialismus und der Nazidiktatur“ herzustellen.[51]
Die Historikerin Birthe Kundrus ist ebenfalls zurückhaltend mit diesen Kontinuitätslinien, wie sie Zimmerer und viele nicht-deutsche Forscher*innen aus dem Bereich des Postkolonialismus behaupten.[52] Sie erwähnt mehrere Autoren, die jene historische Kontinuität ebenfalls betonten, wie Aram Mattioli[53] oder Micha Brumlik.[54] Kundrus kritisiert (wenn auch moderat) ebenfalls Kößler und Melber und deren Behauptung einer direkten Beziehung von kolonialem Rassismus und Antisemitismus.[55]
Sie bezieht sich auf den Historiker Boris Barth, der den Massenmord an Herero und Nama nicht als gezielten Genozid begreift, sondern als eine „Strafaktion“, die viel brutaler ausfiel, als geplant, und zudem als eine Re-Aktion auf einen militärischen Angriff der Kolonisierten auf den Kolonisator. Das macht das Morden nicht besser, ordnet es aber kategorial anders ein.[56] Zollmann verdeutlicht noch einmal, dass das Zurückrudern von Zimmerer, er betreibe keine Gleichsetzung von kolonialem Genozid und dem Holocaust, schon an seiner eigenen Sprache scheitert, weil die von ihm verwendete Formulierung „die Geburt des Ostlands…“ doch recht eindeutig ist:
Indeed, Jürgen Zimmerer warns against, even rejects, an equation of the Holocaust with colonial genocide (…) German colonial experience is seen by Zimmerer to have acted as a cultural (re)-source (kulturelles Reservoir) from which the National Socialists would have drawn their ideas. These rather ominously formulated ideas of Zimmerer are repeated in his piece titled Die Geburt des ‚Ostlands‘ aus dem Geist des Kolonialismus. And they do not become clearer here, as the ominous title – ‚Birth of the ‚Ostland‘ conceived by the spirit of colonialism‘, demonstrates. His title gives the impression of answering a question which has been posed by those who want to emphasize the continuities, not to say causalities, Zimmerer had just denied in his article. A ‚birth‘ has only one reason – it is monocausal by its very nature. By choosing this title, Zimmerer has described a situation of a ‚because/therefore…‘ In his understanding the spirit of colonialism is the reason for the ‚Ostland‘ – and all that has happened there, including the extermination of the Jews. No colonialism, no ideas of Germanised Eastern Europe, no Holocaust? Zimmerer’s arguments do not convince, they confuse – not only the reader, but also the issues.[57]
Auch der Historiker Winfried Speitkamp weist das Argument, Deutsch-Südwestafrika sei ein Vorläufer des Nationalsozialismus gewesen, zurück.[58] Er kritisiert Zimmerer und dessen Kollegen Joachim Zeller, die Herero und Nama nur als Opfer betrachten ohne deren Widerständigkeit – ohne die es jenen Massenmord gar nicht gegeben hätte – entsprechend zu würdigen.
Es ging um Macht und Herrschaft und ein cui bono. All das fehlt vollkommen beim Holocaust. Der Holocaust wollte die europäischen Juden vernichten. Alle Juden. Und das sogar entgegen der militärischen Logik. Den Zweiten Weltkrieg verloren die Deutschen, den Holocaust haben sie bis zum letzten Tag durchgeführt auf den Todesmärschen.
Der Historiker Dan Diner hat 1988 den Band Zivilisationsbruch[59] herausgegeben und ist mit seinem Band Gegenläufige Gedächtnisse von 2007 ein Kritiker der Analogie von Kolonialgewalt und Holocaust.[60] Diner sagt über die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust:[61]
Die Kolonialmacht will ‚pazifieren‘, nicht vernichten.
Weiter:
Wie nahe kommen sich genozidale Kolonialkriege und Holocaust? Bei aller Absolutheit der kolonialen Gewalt – und dies im Unterschied zum konventionellen Krieg zwischen sich als Gleiche anerkennenden Gegnern – steht der Holocaust als eine bloße Vernichtung jenseits von Krieg, Konflikt und Gegnerschaft. Weder gilt es durch Gewalt einen Willen zu brechen noch etwas zu erzwingen. Der Vernichtungstod ist ein im Kern grundloser Tod.[62]
Es geht um eine grundfalsche linke Ideologisierung der deutschen Tat, die als faschistische Barbarei mit dem falschen Namen verbucht wurde und wird. Ja der Kampf gegen den Faschismus wurde im geschichtspolitischen, mehr noch eschatologischen Fortschrittsdenken nur als fürchterlichste Unterbrechung verstanden. Nach Diner führte das unter anderem dazu, dass viele französischen Opfer der Deutschen, die in KZs interniert und gefoltert wurden, Auschwitz nicht zur Kenntnis nahmen, es nicht konnten:
Die Emblematik der Tortur verdeckt die der Extermination. Dabei vermag gerade die Folter die Differenz zwischen Opferschaft aus Gründen einer politischen Entscheidung einerseits und der Vernichtung allein aus Gründen der Herkunft wegen andererseits anzeigen. So setzt die Folter einen zu brechenden politischen Willen voraus. Darin kommt – paradoxerweise – Anerkennung zur Geltung. Und so wie die Anwendung der Tortur den politisch handelnden Menschen voraussetzt, zahlt dieser den Preis der Pein und des Schmerzes in einem Kampf um den Erhalt seiner Würde. (…) Anders jene, die zur Vernichtung ausersehen waren – weder handelten sie dem Willen der Besatzer zuwider noch fielen sie ihrer Gesinnung wegen auf. Allein ihrer immer auch fiktiven Zugehörigkeit wegen, also ganz ohne Ansehen der Person, waren sie grundlos zur Ausrottung bestimmt. (…) Auch dass die Geschichte von Résistance und Deportation nicht zuletzt von jenen kanonisiert wurde, die im Ausgang des Weltkrieges eine Niederlage des Faschismus und den Sieg einer zukunftsfrohen Verheißung zu erkennen glaubten, trägt dazu bei. Das gilt auch für Jean Améry. In seinen Reflexionen stellt er die Tortur heraus, der er als belgischer Widerständler ausgesetzt war. Die an seine jüdische Herkunft gebundene Erfahrung von Auschwitz tritt dabei eher zurück. Im Anfang war der Widerstand. Das mit dem Ortsnamen Auschwitz verbundene Geschehen schuf sich erst später die ihm angemessenen Bilder und Begriffe.[63]
Schließlich weist Diner auf jene Menschenrechtsaktivist*innen und universalistischen Autor*innen hin, die in all ihrem Tun anthropologisieren und nicht unterscheiden, sie vergleichen und setzen gleich, um ja nicht das Unaussprechliche der Shoah in den Blick zu nehmen, sie „verfehlen“ somit „die Fundamente historischer Urteilskraft“.[64]
Wie gezeigt, ist der Postkolonialismus ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung und Propagierung von Antisemitismus. Die Gerda-Henkel-Stiftung sollte sich überlegen, ob es sinnvoll ist, Achille Mbembe, dessen Werk so zentral auf Aimé Césaires Trivialisierung des Holocaust, der Umschreibung der Geschichte, der Leugnung des Antisemitismus und der Stilisierung der Juden zu „weißen“ Opfern von anderen Weißen aufbaut, ein würdiger und angemessener Preisträger 2018 ist.
Nolte und seine Enkel
Der wohl bekannteste Vordenker der NS-Verharmlosung und der Trivialisierung von Auschwitz war der Historiker Ernst Nolte. Der Journalist Alan Posener hat dessen Funktion für die postkoloniale Holocaust-Trivialisierung analysiert. Dabei kritisiert Posener den Afrikahistoriker Jürgen Zimmerer, dessen Forschung ich oben zerpflückt habe. Posener schreibt:
„Weder die Klassenvernichtung durch die Bolschewiki 1918 ff. noch die Rassenvernichtung durch die deutschen Kolonisatoren ein Jahrzehnt davor stehen in einem ursächlichen Zusammenhang zum Völkermord an den Juden. Beide Verbrechen, die der russischen Revolutionäre und die der deutschen Konterrevolutionäre, richteten sich gegen Teile einer Bevölkerung, die sich aktiv und passiv ihren Zielen widersetzte: Die Herero und Nama hatten einen Aufstand gegen die neuen Herren ihres Landes gewagt, die neuen Herren Russlands hatten sich auch erst in einem blutigen Bürgerkrieg durchgesetzt, als Sinowjew davon träumte, den Gegnern den finalen Garaus zu machen.
Die Juden hingegen hatten den Deutschen gar nichts getan. Im Gegenteil.
Die Deutschen, die 1941 nach Osten zogen, sahen sich auch als Kolonisatoren. Ich fragte mich, ob ihnen dies erlaubte, sich über das Verbrecherische ihres Tuns hinwegzutäuschen.
So Zimmerer. Gerade so, als ob „Kolonisator“ sein einem erlaube, Verbrechen zu begehen. In Berlin war das Entsetzen über das Wüten der Truppe in Namibia groß. Aber davon abgesehen: Weder im „Generalplan Ost“, der Blaupause für die Kolonisierung, noch im Protokoll der Wannsee-Konferenz, noch in irgendeiner Notiz eines Nazigrößen oder einfachen Mörders findet sich irgendein Hinweis darauf, dass die Juden so betrachtet wurden, wie es die Kolonialtruppe vierzig Jahre zuvor die Herero betrachtet hatten. Und es war ja auch nicht so, dass die Juden nur im kolonisierten Osten „ausgerottet“ wurden. Im ganzen besetzten Europa – und in verbündeten Ländern wie etwa Vichy-Frankreich, Ungarn oder Italien – wurden sie aufgespürt und ermordet.
Tatsächlich hat selbst Ernst Noltes These vom „kausalen Nexus“ zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus mehr für sich, da die Nazis ausweislich ihrer eigenen Propaganda den Kommunismus und den Kapitalismus als zwei Varianten der „jüdischen Weltherrschaft“ ansahen, gegen die sie einen „nationalen Befreiungskampf“ führten. (Antisemiten „wehren“ sich immer, in Deutschland heute etwa gegen die „Auschwitzkeule“, die gemeinerweise von den Juden gegen sie geschwungen wird, oder in Ungarn gegen George Soros und seine „Rassenvermischungspläne“. Es ist geradezu ein Symptom des Phänomens. Es geht ihnen nicht um Unterwerfung der Juden, sondern darum, wie Hitler schrieb, sich „des Juden zu erwehren“.)“
Leopoldina
Wolfgang Eckart ist Mitglied der Leopoldina und hat auch hagiographische Schriften zu deren Geschichte verfasst. Anstatt sich nun kritisch mit der antidemokratischen, unwissenschaftlichen Politik der Leopoldina und ihrer Aufforderung, die für die Gesellschaft mörderischen Lockdowns fortzuführen, zu befassen, bevorzugt es Eckart offenkundig, lieber Kontinuitätslinien vom Kolonialzeitalter und Robert Koch hin zu Sobibor und dem NS zu ziehen. Damit schweigt er zur heutigen antidemokratischen Politik und verharmlost den Nationalsozialismus.
Jenseits von DLF und Corodok:
Nie wieder Deutschland
All das zeigt, warum die Parole „Nie wieder Deutschland“ so relevant ist. Es sind gerade jene vor Arroganz, moralischer Überheblichkeit und Unwissenschaftlichkeit triefenden Personen, Blogs und Institutionen, die wahlweise die Coronapolitik loben oder kritisieren, aber jeweils den Holocaust in seiner Präzedenzlosigkeit leugnen.
Wenn stimmen würde, was der Deutschlandfunk schreibt: „Deutsche Ärzte erproben an Afrikanern, was sie später an Juden perfektionieren“, dann war Auschwitz nicht präzedenzlos. Das ist aber eine Lüge. Eine soft-core Holocaustleugnung ist das, soft-core in Anlehnung an die Historikerin Deborah Lipstadt, die diesen Begriff vor Jahren einführte, um der neonazistischen hard-core Holocaustleugnung den wissenschaftlichen Begriff „soft-core Leugnung“, der auf die Verharmlosung des Holocaust zielt, zur Seite zu stellen.
Die Kritik an der antidemokratischen, irrationalen, unwissenschaftlichen, nicht evidenzbasierten Coronapolitik von Merkel, Spahn, Scholz, Klabauterbach & Co. wird links und antideutsch sein, oder sie wird nicht sein.
Wer jedoch lieber die Präzedenzlosigkeit des Holocaust in Zweifel und eine sekundär-antisemitische Reaktionsweise der wissenschaftlichen und rationalen Analyse vorziehen möchte, ist beim Deutschlandfunk (DLF) oder bei Corodok genau richtig.
[1] „Gerda Henkel Preis geht an Achille Mbembe“, 11.06.2018, https://www.tages
spiegel.de/kultur/kamerunischer-historiker-gerda-henkel-preis-geht-an-achille-mbembe/22670750.html (11.06.2018): „Die mit 100 000 Euro dotierte Auszeichnung wird Mbembe am 8. Oktober in Düsseldorf verliehen. Der Wissenschaftler wurde dieses Jahr auch mit dem Ernst-Bloch-Preis der Stadt Ludwigshafen und 2015 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet.“
[2] https://www.th-reutlingen.de/de/hochschule/lehrende/prof-dr-nausner.ht
ml (11.06.2018).
[3] Michael Nausner (2018): Ambivalenzen der Partizipation. Theologische Reflexionen zur Teilhabe unter postkolonialen Bedingungen, in: Andreas Nehring/Simon Wiesgickl (Hg.), Postkoloniale Theologien II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, S. 38–52, hier S. 43. Edward Said ist auch hier, wie wirklich in fast jedem Beitrag postkolonialer Theoriebildung, der Star schlechthin, vgl. ebd., S. 42, Anm. 19.
[4] Achille Mbembe (2014): Kritik der Schwarzen Vernunft. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, Berlin: Suhrkamp.
[5] Nausner 2018, S. 45
[6] Die Neue Zürcher Zeitung hat die antizionistische Ideologie von Mankell pointiert kommentiert: „Immer weiter treibt Mankell die Anklagen, die, frivol im Vergleich und infam in ihren Nazi-Allusionen, zuletzt in Zerstörungsphantasien münden. Die Israeli würden ‚Leben vernichten‘, so Mankell, und für den Staat Israel in seiner jetzigen Form gebe es keine Zukunft: ‚Der Untergang dieses verächtlichen Apartheidsystems ist das einzig denkbare Resultat, da er notwendig ist. Die Frage lautet also nicht, ob, sondern wann es geschieht.‘ Selbst eine Zwei-Staaten-Lösung würde die ‚historische Besatzung‘ nicht rückgängig machen, denn Mankell sieht ‚keinerlei Gründe dafür, dass [die israelische Staatsgründung] eine völkerrechtlich legitime Handlung war‘. Wenn aber die grosse ‚südafrikanische Lösung‘ dereinst Realität sein wird (sprich die freiwillige oder zwangsweise ‚Abwicklung‘ Israels), ‚wird es vom einzelnen Israeli abhängen, ob er oder sie bereit ist, auf seine Privilegien zu verzichten und in einem palästinensischen Staat zu leben‘. Was insofern kein Problem darstellt, als Mankell auf seiner Reise durch die palästinensischen Gebiete keinerlei Antisemitismus festgestellt hat, sondern lediglich ‚normalen Hass auf die Besatzer‘…“, Andreas Breitenstein (2010): Ein blinder Passagier, Neue Zürcher Zeitung, 09.06.2010, https://www.nzz.ch/ein_blinder_passagier-1.5999804 (11.06.2018).
[7] Nausner 2018, S. 45.
[8] Ebd., S. 290, Anm. 9. Es ist auch typisch, dass Mbembe gleich zu Beginn seiner Studie en passant, aber offenbar gezielt, in einer Fußnote Israel als Beispiel für „imperiale Praktiken“ mit einem Literaturhinweis kritisiert. Man kann Israel wie auch Neuseeland oder Frankreich oder andere westliche Demokratien kritisieren, aber es tendiert zum Ressentiment, wenn ein Autor nur ein einziges Mal auf den Judenstaat zu sprechen kommt, und das rein diffamatorisch, weder analytisch noch den Staat bejahend, aber gewissen Politiken – wie in anderen Demokratien – kritisierend, hier: die Besatzung des Westjordanlandes. In der Fußnote werden als heutige Beispiele für „imperiale Praktiken“ vor allem die USA und Israel kritisiert, Mbembe 2014, S. 18, Anm. 19.
[9] Efraim Sicher (2016): The Postcolonial Jew: Racialization, Delegitimization, Ambiguity, in: Robert S. Wistrich (Hg.), Anti-Judaism, Antisemitism, and Delegitimizing Israel, Lincoln und London: University of Nebraska Press (The Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism, Hebräische Universität Jerusalem), S. 79–91.
[10] Ebd., S. 81. Übersetzung dieses und der folgenden Zitate von CH.
[11] Ebd., S. 82.
[12] Ebd.
[13] Ebd., S. 84.
[14] Ebd., S. 87.
[15] Zur Kritik an Müller siehe die Doktorarbeit von Richard Herzinger (1992): Masken der Lebensrevolution. Vitalistische Zivilisations- und Humanismuskritik in Texten Heiner Müllers, München: Wilhelm Fink Verlag, S. 202–221, hier S. 221.
[16] Alan Posener (2017): Jürgen Zimmerer relativiert den Holocaust, 24.07.2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/07/24/juergen-zimmerer-relativiert-den-holocaust/ (10.06.2018).
[17] Jakob Augstein/Michael Angele (2017): Vor Auschwitz. War der Genozid an den Herero und Nama eine Blaupause für den Holocaust? Ein Streitgespräch über Rassismus und Antisemitismus, Der Freitag 34/2017, online 08.10.2017, https://
www.freitag.de/autoren/der-freitag/vor-auschwitz (03.05.2018).
[18] Alan Posener (2017a): Ernst Nolte, Jürgen Zimmerer, Jakob Augstein: Relativierer des Holocausts, 24.10.2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/10/
24/ernst-nolte-juergen-zimmerer-jakob-augstein-relativierer-des-holocausts/ (03.05.2018).
[19] https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/programme/fellowship_i
nternationales_museum/kultur_transfer.html (23.07.2018).
[20] David Joram (2018): „Koloniale Amnesie geht nicht“, 11.06.2017, http://www.
taz.de/!5416099/ (30.04.2018).
[21] Aram Ziai/Daniel Bendix (2017): Rassismus global und in Deutschland. Fünf Thesen, in: Peripherie, 37. Jg., 2017, Nr. 146/147, S. 319–325, hier S. 325.
[22] Aram Ziai (Hg.) (2016): Postkoloniale Politikwissenschaft. Theoretische und Empirische Zugänge, Bielefeld: transcript Verlag.
[23] Aram Ziai (2016a): Einleitung: Unsere Farm in Zhengistan. Zur Notwendigkeit postkolonialer Perspektiven in der Politikwissenschaft, in: Ders. (Hg.) (2016), S. 11–24, hier S. 12.
[24] Ebd., S. 16, Anm. 4.
[25] „Daniel Bendix, Dr., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien der Universität Kassel und Junior Fellow am Kolleg Postwachstumsgesellschaften der Universität Jena. Ferner ist er Mitglied von glokal e.V., einem Berliner Verein für machtkritische, postkoloniale Bildungsarbeit“; Aram Ziai, Dr., ist Heisenberg-Professor für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien an der Universität Kassel. Er ist im Vorstand der Sektion Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Mitglied der Bundeskoordination Internationalismus und aktiv bei kassel-postkolonial.de“, Peripherie, 37. Jg., 2017, Nr. 146/147, S. 375 (ohne Paginierung).
[26] Ziai/Bendix 2017, S. 325.
[27] Kößler sitzt ohnehin in der Redaktion, zudem saß er für diese Nummer in der „Schwerpunktredaktion für dieses Heft“.
[28] https://www.fritz-bauer-institut.de/mitarbeiter-paedagogik.html (12.06.2018).
[29] Fritz Bauer Institut (Hg.) (2004): Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben im Auftrag des Fritz Bauer Instituts von Irmtrud Wojak und Susanne Meinl, Frankfurt/New York: Campus; Irmtrud Wojak/Susanne Meinl (2004): Einleitung, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 7–18, hier S. 9.
[30] Reinhart Kößler/Henning Melber (2004): Völkermord und Gedenken. Der Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 37–76, hier S. 40. Auch 2015 bezieht sich Kößler weiterhin auf dieses antisemitische Zitat, dass der Holocaust primär deswegen vom Westen erinnert werden würde, weil die Opfer „Weiße“ gewesen seien, Reinhart Kössler (2015): Namibia and Germany: Negotiating the Past, Windhoek: University of Namibia Press, S. 80.
[31] So z. B. in der Tagungsreihe „Blickwinkel“ von 2011–2018: „‚Blickwinkel. Antisemitismuskritisches Forum für Bildung und Wissenschaft‘ ist ein Projekt der Bildungsstätte Anne Frank (Frankfurt/ Main) in Kooperation mit dem Pädagogischen Zentrum des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘ (Berlin) und des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin“, https://www.stiftung-evz.de/fileadmin/
user_upload/EVZ_Uploads/Handlungsfelder/Handeln_fuer_Menschenrechte/Anti
semitismus_und_Antiziganismus/Blickwinkel_2018.pdf (06.05.2018). Die Ankündigung zur Tagung im Juni 2018 zeigt die analytische Hilflosigkeit dieses Projekts, das Antisemitismus nur als „Vorurteil“ unter anderen zu fassen vermag: „Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit – Migrationsgesellschaft, Konkurrenzen, Bildungsstrategien: Diese Stichworte prägen zunehmend die gesellschaftliche, wissenschaftliche und pädagogische Auseinandersetzung mit Vorurteilen und mit ausgrenzenden Denk- und Deutungsmustern. Vielfach schwankt die Diskussion zwischen Eifer und Orientierungslosigkeit, zwischen eindeutigen Positionen und Differenziertheit“, ebd.
[32] Reinhart Kössler (2007): Genocide, Apology and Reparation – the linkage between images of the past in Namibia and Germany, Juli 2007, http://www.
freiburg-postkolonial.de/Seiten/Koessler-Linkages-2007.pdf (10.05.2018).
[33] https://www.frcps.uni-frankfurt.de/?page_id=200 (05.05.2018).
[34] Maria do Mar Castro Varela/Nikita Dhawan (2015): Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. 2., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage, Bielefeld: transcript Verlag.
[35] Spivak hat sich mehrfach für die antisemitische BDS-Bewegung ausgesprochen, z. B. im Januar 2017 angesichts einer Debatte innerhalb der Modern Language Association in USA, die über BDS abstimmte, siehe dieses Video mit ihr https://
vimeo.com/195907261#t=91s (05.05.2018); 2014 unterstützte sie mit Judith Butler und vielen anderen antiisraelischen Aktivist*innen einen BDS-Boykottaufruf, http://hyperallergic.com/wp-content/uploads/2014/06/BDS-Open-Letter-final.
pdf (05.05.2018).
[36] Castro Varela/Dhawan 2015, S. 140–150.
[37] Ebd., S. 144: „Für Said ist sowohl der unhinterfragte Zionismus als auch die Weigerung innerhalb der arabischen Welt, den Holocaust anzuerkennen, zu kritisieren. Wie bereits erwähnt, war eine der Reaktionen auf Saids Kritik [am Osloer Friedensabkommen von 1993, CH] Zensur, die von Zionisten als auch von arabischen Nationalisten gleichermaßen gefordert wurde.“
[38] Zur postkolonialen Ideologie „Von Windhuk bis Auschwitz“ siehe Heni 2013, S. 132–150; zur Einzigartigkeit des Holocaust ebd., S. 231–283; zur Universalisierung des Holocaust ebd., S. 301–383.
[39] David Olusoga/Casper W. Erichsen (2010): The Kaiser’s Holocaust. Germany’s Forgotten Genocide and the Colonial Roots of Nazism, London: faber & faber. Den Hinweis auf diese Studie verdanke ich Jakob Zollmann. Herzlichen Dank, Jakob.
[40] Olusoga/Erichsen 2010, S. 13.
[41] Peter Schmitt-Egner (1975): Kolonialismus und Faschismus. Eine Studie zur historischen und begrifflichen Genesis faschistischer Bewußtseinsformen am deutschen Beispiel, Giessen/Lollar: Verlag Andreas Achenbach.
[42] Henning Melber (1992): Kontinuitäten totaler Herrschaft: Völkermord und Apartheid in ‚Deutsch-Südwestafrika.‘ Zur kolonialen Herrschaftspraxis im Deutschen Kaiserreich, in: Wolfgang Benz (Hg.), Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1, Frankfurt/New York: Campus, S. 91–116, hier S. 91.
[43] Jürgen Zimmerer (2003): Holocaust und Kolonialismus. Beitrag zu einer Archäologie des genozidalen Gedankens, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 51, Nr. 12, S. 1098–1119, hier S. 1118.
[44] Jürgen Zimmerer (2011): Von Windhuk nach Auschwitz? Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust, Münster: Lit.
[45] Zitiert nach Zimmerer 2011, S. 16. Er bezieht sich auf einen Artikel von Robin Kelly (1999): „Poetics of Anticolonialism“ im Journal Monthly Review.
[46] Zimmerer 2011, S. 16.
[47] Aimé Césaire (1950): Discours sur le colonialisme, zitiert in Zimmerer 2011, S. 15. Zimmerer zitiert nach Andrew Zimmerman, Anthropology and Antihumanism in Imperial Germany, Chicago 2001, S. 246.
[48] Jakob Zollmann (2010): Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
[49] Zimmerer 2011, S. 254–289.
[50] Jakob Zollmann (2007): Polemics and other arguments – a German debate reviewed, in: Journal of Namibian Studies, Jg. 1, Nr. 1, S. 109–130, hier S. 110.
[51] Ebd., S. 110.
[52] Birthe Kundrus (2010): Kolonialismus. Imperialismus. Nationalsozialismus? Chancen und Grenzen eines neuen Paradigmas, in: Claudia Kraft/Alf Lüdtke/Jürgen Martschukat (Hg.), Kolonialgeschichte. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, Frankfurt/New York: Campus, S. 187–210; Birthe Kundrus (2006): Kontinuitäten, Parallelen, Rezeptionen. Überlegungen zur ‚Kolonisierung‘ des Nationalsozialismus, in: WerkstattGeschichte, Jg. 15, Nr. 43, S. 45–62.
[53] Kundrus 2006, S. 47.
[54] Ebd.
[55] Ebd.
[56] Ebd., S. 49.
[57] Zollmann 2007, S. 118. Der Grund für die postkoloniale Szene, den Mord an Herero und Nama als gewollten Genozid zu betrachten, ist auch ökonomischer Natur, wie Zollmann festhält, ebd., S. 116: „In 2001 former Namibian Minister of Foreign Affairs, Theo Ben-Gunrab, called his German counterpart Joschka Fischer, a racist because German exculpations of guilt had only been addressed to ‚Whites‘. German refusals to pay reparations, on the grounds that the Holocaust/Shoah was particularly singular and cannot be compared with instances of colonial genocide, are thought to be racist by Herero Paramount Chief Riruako because compensation was only given to ‚Jews‘, that is ‚Whites‘. These rather questionable allegations have been taken up on the German side quite vindictively. (…) Yet, the result of this argument is the collapse, on the most basic materialist level, of a distinction between Holocaust and colonial genocide.“
[58] Winfried Speitkamp (2006): Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart: Reclam, S. 186.
[59] Diner (Hg.) 1988.
[60] Dan Diner (2007): Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
[61] Über Diners Kritik am Zionismus angesichts des Nationalsozialismus und von Auschwitz (siehe z. B. ebd., S. 24 f.) wäre an anderer Stelle zu schreiben; zu seiner bis heute skandalösen, publizierten Habilitationsschrift von 1980, wo er forderte, Israel solle den „Abbau“ seiner „zionistischen Struktur“ betreiben und binational werden, wie auch über seine heutige Unterstützung von Israel attackierenden, der binationalen Ideologie anhängenden Forscher*innen, vgl. Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin: Edition Critic, S. 70–75.
[62] Diner 2007, S. 81.
[63] Ebd., S. 79 f.
[64] Ebd., S. 108.