Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Moshe Zimmermann

Die Zerstörung von Gaza im Schatten des Iran-Krieges und die Pulverisierung der jüdisch-zionistischen Ethik

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Das islamistische Regime in Teheran muss fallen. Es hätte nie an die Macht kommen dürfen und ist ein frauenverachtender Terrorstaat, der primitive Beweggründe – fanatische Religion – zu einer Staatsdoktrin gemacht hat. Der Hass auf Juden und Israel ist zentral für alle iranischen Politiker. Schon seit Jahrzehnten hätten alle Botschaften des Iran geschlossen gehört und das Land komplett isoliert – was natürlich nicht geschah, weil zumal der Kapitalismus mit dem Regime viel Geld verdient und der Welthandel von dem Land mit abhängt.

Doch jetzt sieht Israel die schrecklichen Folgen des Krieges vor Ort. Zerstörungen von Häusern, Wohnungen, ja ganzen Straßenzügen wie in Rehovot, Bat Yam, Haifa, Tel Aviv und vielen anderen Orten, schon über Dutzende Tote und Hunderte Verletzte.

Der linke Israeli, ehemalige Elitesoldat der IDF, Publizist und bekannte Menschenrechtsanwalt Michael Sfard schreibt heute in der Haaretz:

Wir müssen zugeben, dass dieses Phänomen so alt ist wie die Menschheit – gewalttätiger männlicher Tribalismus, der geradezu vor Stolz über die Fähigkeit, den stärksten Schlag auszuführen, platzt.

Ich bin kein Pazifist; manchmal ist die Anwendung von Gewalt notwendig. Aber Israel hat sich eine Weltanschauung zu eigen gemacht, nach der jedes Problem mit Gewalt gelöst werden sollte, und das israelische Volk ist zu einem Kollektiv geworden, das Gewalt und Brutalität bewundert, während es den Dialog und Kompromiss verachtet.

Sfar ist schockiert, wie die israelische Gesellschaft verroht und das völlige Plattmachen – im wörtlichen Sinne – des Gazastreifens propagiert, durchführt und feiert.

Verzeihen Sie mir also, wenn meine größte Befürchtung im Hinblick auf den Krieg mit dem Iran darin besteht, dass der geringe internationale und nationale Widerstand gegen die ethnische Säuberung und das Massenmorden im Gazastreifen vollends in sich zusammenbrechen wird.

Sfar ist Israeli, sein kurzes, einjähriges Leben in England war eine „Tragödie“ für ihn, er will in Israel leben – und kämpfen. Kämpfen gegen Rassismus, Ungerechtigkeit und Verbrechen wie die gezielte Vertreibung von Palästinenser*innen im Westjordanland und jetzt auch im Gazastreifen.

Und es ist wiederum der jüdische Philosoph Emmanuel Levinas, der einen Tag nach dem Massaker von christlichen Milizen an Palästinensern in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila in Beirut im Libanon – das die israelische Armee und Besatzungsmacht hätte verhindern können und müssen! – mit einigen Hundert bis zu 3000 Massakrierten im September 1982 in einem Radiogespräch vom 28. September im Radio-Communauté mit Shlomo Malka und Alain Finkielkraut Folgendes sagte:

Niemand hat den ‚Holocaust‘ vergessen, es gibt keine Möglichkeit, diejenigen Sachverhalte zu vergessen, die zur unmittelbarsten und persönlichsten Erinnerung eines jeden an seine Verwandten, bezüglich derer man sich bisweilen anklagt, überlebt zu haben, gehören. Das rechtfertigt keineswegs, daß man sich der Stimme der Menschen verschließt, in der ebenso die Stimme Gottes erklingen kann. Sich auf den ‚Holocaust‘ berufen, um zu sagen, daß Gott unter allen Umständen mit uns ist, ist ebenso verabscheuenswert, wie das ‚Gott mit uns‘, das sich auf den Gürtelschnallen der Henker befand.

(Emmanuel Levinas (2007): Verletzlichkeit und Frieden. Schriften über die Politik und das Politische, Zürich/Berlin: Diaphanes, S. 240.)

Sfard bezieht sich auf eine Analyse in der Haaretz vom 12. Juni 2025, worin es heißt:

Am Vorabend des Krieges hatte der Großraum Rafah im Gazastreifen 275.000 Einwohner. Das Flüchtlingslager Jabalya hatte 56.000 Einwohner. Beit Lahia hatte 108.000 Einwohner.

Da wurden ganze Städte einfach nahezu komplett zerstört. Die Gebäude wurden zerstört zu einem Zeitpunkt als alle Bewohner*innen bereits vertrieben waren. Es ist also kein Genozid. Es ist aber ein Kriegsverbrechen, gezielt die Infrastruktur eines bestimmten Volkes zu zerstören, damit dieses Volk keine Lebensgrundlage und keinen Ort zum Zurückkehren mehr hat.

Es geht Michael Sfard und vielen linkszionistischen Jüdinnen und Juden in Israel darum, dass diese Kriege die jüdische und zionistische Ethik beschädigen. Emmanuel Levinas würde massiv protestieren gegen das aktuelle Israel und die Politik im Westjordanland und in Gaza.

Der Zionismus hat mit religiösen Bedürfnissen rein gar nichts zu tun und „heilig“ ist dem Zionismus nicht das Land, schon gleich gar nicht das Westjordanland, ja nicht einmal die Klagemauer. Zionismus hieß für die Gründungsmütter und -väter: jüdische Souveränität!

Sfard findet es unerträglich, dass angebliche Verhandlungen über die Geiseln von Netanyahu nur benutzt wurden, um den Iran abzulenken. Doch die meisten Israelis scheinen das zu mögen, er ist deprimiert:

Leider weiß ich, dass diese Fragen die meisten Israelis nicht beunruhigen. Dass es hier fast niemanden gibt, mit dem man reden kann. Dass wir auf Drogen sind, voll von schwadronierenden Slogans und in militaristischer Ekstase schwebend.

Wir haben auch hier in Deutschland kaum jemanden, mit dem „wir“ – also die Linkszionist*innen – reden können. Die „Israel-Szene“ ist in einem bunkerfesten Kokon gefangen und sieht in nahezu jeder Stimme gegen „Bibi“ einen Antisemiten und die Palästina-Szene ist voll von blutlüsternen Antisemiten aller Geschlechter.

Das ist die Lage am 4. Tag des Israel-Iran Krieges und des 619. Tages des Krieges gegen die Hamas.

Es ist eine Lage, die viel tiefer blicken lässt, wenn man es sehen will, als es diese Fakten andeuten. Es geht um Millionen völlig kaputter Menschen im Gazastreifen, die Jahre oder Jahrzehnte brauchen werden, um ihre Häuser wieder aufzubauen. Damit züchtet Israel die nächste Hamas-Generation heran – das wiederum weiß die Elite in Israel, die militärische und geheimdienstliche und politische und will deshalb wie Trump alle Gaza-Palästinenser*innen zum Verlassen der Gegend zwingen („freiwillige“ Flucht).

Damit sie in Ägypten oder Jemen oder Jordanien die nächste Terrororganisation gegen die Juden aufbauen können?

Es braucht eine Allianz für den Zionismus und die Abraham Verträge waren ein wichtiger Schritt in diese Richtung, doch Israel verspielt dieses Vertrauen spätestens seit den nicht mehr nachvollziehbaren Aktionen in Gaza von Anfang 2024 bis heute.

Es muss um Angebote an Demokratie und Kooperation gehen, um die ganz konkrete Perspektive eines Staates Palästina, der nur existieren wird, wenn er Israel anerkennt. Wenn aber Israel einen solchen Staat Palästina nicht anerkennt, wird es keinen Frieden geben und weiter in regelmäßigen Abständen Bombenalarm, Tod und Verzweiflung. Auch ökonomisch wird Israel das nicht lange aushalten, zumal viele Junge dann doch auswandern werden, weil sie nicht von Rechtsextremen regiert werden wollen, von der Kriegssituation nicht zu schweigen.

Es kann auch sein, dass Israel sich Sympathien in Iran mit der dortigen eigentlich scharfen Anti-Mullah-Bevölkerung verspielt, weil die nicht sieht, ob all diese Angriffe nachvollziehbar sind und der Opposition im Iran auch helfen.

Natürlich muss das iranische Atomprogramm gestoppt werden – aber ob es gestoppt werden kann, ist offenkundig völlig unklar. Was ist dann das Ziel von Netanyahu? Hat er für Iran so wenig ein klares UND erfüllbares Ziel wie in Gaza? Will er wieder nur seine eigene Haut retten und die Geiseln dabei vergessen, wie schon so oft seit Oktober 2023?

In jedem Fall sieht die Zukunft für Israel und die ganze Region ohne eine starke linkszionistische Regierung in Israel trübe aus. Es wird weiter männliche Stärke, Gewalt und Brutalität geben und die jüdische und zionistische Ethik „des Anderen“ von Emmanuel Levinas, dem großen Zionisten, wird weiter im Geröllstaub von Gaza nicht zu sehen sein.

Der Haaretz-Text auf den Michael Sfar sich bezieht, betont die rechtsextreme Ideologie hinter der Zerstörung von Gaza:

In rechten Kreisen macht ein neuer Begriff die Runde: „Zarbiving“ Gaza, benannt nach Rabbi Avraham Zarbiv, einem Richter am Rabbinatsgericht in Tel Aviv und in der städtischen Siedlung Ariel sowie einem Reservisten in der technischen Einheit der Givati-Infanteriebrigade. Zarbiv hat mehrmals in Interviews auf dem Bibi-istischen Kanal 14 mit der Zerstörung geprahlt, die er und seine Kameraden mit den D9-Bulldozern in Gaza anrichten. „Wir haben begonnen, fünf-, sechs- und siebenstöckige Gebäude abzureißen. Das System wird immer besser, und es funktioniert.“

Viele „Pro-Palästinenser“, die gar nicht Pro-Palästina sind meistens, sondern primär den Judenmord und die Auslöschung des einzigen Judenstaates meinen, können solche Berichte wie in Haaretz auch zitieren – das darf aber niemals ein Grund sein, sie nicht zu zitieren, weil davon die jüdisch-zionistische Ethik wie im Sinne von Emmanuel Levinas abhängt.

Es geht um eine gemeinsame Zukunft und gegen den Hass, wie ihn einige in Israel jetzt schüren oder gar Schadenfreude empfinden, als eine iranische Rakete ein israelisch-arabisches Haus traf und vier Menschen tötete. Entgegen den Hetzern muss es um Koexistenz, gegenseitigen Respekt und Frieden gehen – das alles betont heute in einem kurzen Video der Knessetabgeordnete Rabbi Gilad Kariv und teilte das mit seiner WhatsApp-Gruppe. Kariv ist Mitglied der im Juli 2024 gegründeten Partei „Die Demokraten“.

Wir brauchen exakt solche Stimmen in und aus Israel.

Denn solange „Free Free Palestine“ heißt: Tod den Juden, ist kein Frieden möglich.

Sobald die Parole heißt „Palästina neben Israel in Frieden“ wird es endlich klappen.

Doch solange „Am Israel Chai“ heißt, das Leiden in Gaza oder dem Westjordanland oder die rechtsextreme Innenpolitik zu ignorieren oder zu feiern, ist auch das nicht immer ein zielführender Slogan.

So komplex ist die Welt – zu kompliziert für beide Seiten, fast immer.

 

P.S.:

Wenige Stunden nach meinem Text kommt jetzt ein Kommentar der Soziologin Eva Illouz in der ZEIT, der ziemlich exakt meine Position untermauert:

„Macht es euch nicht zu einfach. Anmerkungen zur großen Frage, wie man den israelischen Angriff auf den Iran beurteilen soll“.

P.P.S.:

Und noch ein Text aus der ZEIT von heute, ein Inteview mit dem Historiker Moshe Zimmermann, der aktuell in Berlin ist:

„Es wird nur besser werden, wenn sich Israel auf Verständigung mit der Umwelt einstellt und gleichzeitig auch die arabische Welt sich mit der Idee versöhnt, dass auch eine jüdische Minderheit in der Region leben und einen Staat haben kann.“

Viel Effekt: Antizionistische Veranstaltungen

Original auf hagalil, 27.02.2005

Für Wolfgang Dreßen, Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Düsseldorf, sind alle Vorschläge, Filme und Ideen, die den Selbstschutz von Israelis vor antisemitischen Gewalttätern und Massenmördern unterminieren, offenbar herzlich willkommen. Am 26./27. Februar 2004 lädt Dreßen nach Düsseldorf um über anti-israelische Propaganda zu reden.

Neben bekannten Antizionisten wie Ludwig Watzal, der von einem „palästinensischen Versailles“ spricht, kommen u.a. auch Israelis, die freilich selbst für eine antizionistische Politik stehen, neben Watzal Dr. Halima Alaiyan, Michaela Reisin, Moshe Zimmermann und Anis Hamadeh. Wolfgang Dreßen ist kein Unbekannter: Bereits in den 1980er Jahren publizierte er einen der einflussreichsten Rechtsextremisten der Neuen Rechten in der BRD, Henning Eichberg. Seine Liebe zum „nationalen Sozialismus“, der die „SA“ dazu befähigt hätte, sich „nicht in die staatliche Ordnung einbinden“ zu lassen, läßt es merkwürdig erscheinen, dass Dreßen eine Arbeitsstelle zur Analyse des Neonazismus leitet.

2002 wurde Wolfgang Dreßen vom Nordrhein-westfälischen Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport zurückgepfiffen als er beim Ausstellungsprojekt ex-Oriente die pro-iranischen Islamisten von muslim-markt als Ideengeber verlinkt hatte. Auch heute ist auf Dreßens offizieller Homepage der FH Düsseldorf ein Link zu einer offensichtlich islamistischen Site zu sehen auf der die Fatwa gegen Salman Rushdie verteidigt wird, wenngleich die Betreiber – wohl aus legalistischen Gründen – die Ermordung Rushdies in eine ewige Verdammnis umwandeln wollen. Diese Verlinkungspraxis Dreßens korrespondiert aufs Trefflichste mit seiner heutigen Veranstaltung in Düsseldorf. Damals verlinkte er eine Seite, die zum „Israel-Boykott“ aufrief, heute passiert das gleiche, nur nicht aus dem Munde von Islamisten sondern (auch) von antizionistischen Israelis.

Gleich drei Filme von Eyal Sivan, einem israelischen Filmemacher, werden am heutigen Samstag und morgen Abend gezeigt: SKLAVEN DER ERINNERUNG, DER SPEZIALIST und ROUTE 181. ROUTE 181 drehte Sivan zusammen mit dem Palästinenser Michel Khleifi. Während ‚Sklaven der Erinnerung‘ von jungen Israelis berichtet, die in einem Monat verschiedene israelische Gedenktage durchleben wobei Sivan den Antisemitismus gleichsam als quantité négligéable betrachtet und den Kampf Israels gegen Antisemitismus als böse Einbildung und ‚nationalen Mythos‘ angreift, ist Sivans Strategie in DER SPEZIALIST noch hinterhältiger: gleichsam als unspezifische Konstante moderner Industriegesellschaften, die auf abstrakter Arbeit und Bürokratie basierten, wird der Massenmörder Adolf Eichmann in seinem Prozess in Jerusalem dargestellt.

Eichmann ist darin ein bürokratisches (lächerliches) Monster – keineswegs ein deutsches Spezifikum – wie es heute auch welche geben könne. Dies gestaltet Sivan so, daß Eichmann am Ende wie ein Mann hinter einem Schreibtisch wirkt, der auch Israels Politik gegen die Palästinenser kennzeichnen könne, während der israelische Hauptankläger, Gideon Hausner, in sowohl liderlichen als auch widerlichen Einstellungen wie ein Spiegelbild des Nazi-Eichmann erscheint. Diese Projektionsleistung, Juden vom Opfer zum Täter zu phantasieren, ist nicht nur in Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus beliebt. Weltweit ist der Antisemitismus in der post-Holocaust Zeit dadurch gekennzeichnet, dass er sich stark auf Israel als Staat der Juden konzentriert, mithin der Antizionismus als der Antisemitismus der Demokraten erscheint. Der französische Philosoph Vladimir Jankélévitch sagte schon 1971:

„Wie werden sie sich von ihrem latenten Schuldgefühl befreien? Der ‚Antizionismus‘ ist in dieser Hinsicht ein ungesuchter Glücksfall, denn er gibt uns die Erlaubnis und sogar das Recht, ja selbst die Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist der gerechtfertigte, schließlich jedermann verständlich gemachte Antisemitismus. Er ist die Erlaubnis, demokratischerweise Antisemit zu sein. Und wenn die Juden selbst Nazis wären? Das wäre wunderbar. Es wäre nicht länger nötig, sie zu bedauern; sie hätten ihr Los verdient. So entlasten sich unsere Zeitgenossen von ihrer Sorge.“

Daß es nicht primär Antisemitismus gewesen sein soll, der Eichmann zum Judenmord trieb, vertritt in der Nachfolge Hannah Arendts auch der berühmte linke Historiker Hans Mommsen, der später auch Goldhagens Analysen zum „eliminatorischen Antisemitismus“ ablehnte. Die seriöse und kritische Forschung ist sich jedoch spätestens seit Hans Safrians Buch „Eichmann und seine Gehilfen“ darüber bewußt, daß Antisemitismus das zentrale Motiv für Eichmann darstellte, Juden zu suchen, zu finden und ermorden zu lassen.

„Unter Vernachlässigung der einfachsten Regeln der Quellenkritik wird zitiert, kolportiert, konstruiert. Man geht über ‚die Manipulation der Erinnerung‘ in den Aussagen Höß‘ oder Eichmanns hinweg. Sie haben, ‚als sie vor ihren Richtern standen (…), sich eine bequeme Vergangenheit konstruiert und schließlich selbst daran geglaubt‘(Primo Levi, Die Untergegangenen und die Geretteten): Wie Höß und die anderen nach 1945 angeklagten NS-Verbrechen stilisierte sich Eichmann zum absolut gehorsamen Befehlsempfänger, der persönlich nichts gegen Juden hatte, und schmückte diese grundsätzliche Linie mit Versatzstücken der Realität aus.“

Nun ist neben dem ohnehin äußert problematischen und den deutschen Vernichtungsantisemitismus Eichmanns komplett negierenden Plot des Films zudem bekannt geworden, dass Sivan in DER SPEZIALIST bewusst und gezielt filmisches Originalmaterial gefälscht hat. Sivan hat das 350stündige Roh-Filmmaterial der Prozeßdokumentation so geschnitten, daß Zeugenaussagen im Filmergebnis gefälscht sind. Z.B. erscheint ein Zeuge auf eine bestimmte Frage schweigend, wohingegen der Zeuge an besagter Stelle in den Originaldokumenten durchaus sofort antwortete. Auch an weiteren Stellen wurde gefälscht, wie jetzt durch den ehemaligen Direktor des Spielberg Film Archives in Jerusalem, Steward Tryster bekannt wurde. Die ‚kulturzeit‘-Sendung von 3sat am 22.02.2005 thematisierte die Kritik Trysters zwar, ärgert sich jedoch mit ihrem Interviewpartner um so mehr als sie die Intention Sivans, Israel anzugreifen, ja tatkräftig unterstützt. Jankélévitch hat diesen Reflex schon vor Jahrzehnten reflektiert und analysiert, wie das obige Zitat zeigt.

Am deutlichsten wurde kürzlich der Antizionismus und die Affirmation des suicide killing durch 3sat in dem Interview von Gert Scobel und dem Regisseur von PARADISE NOW, Hany Abu-Assad vom 16. Februar 2005. So wie Abu-Assad dort unter Lachen erzählen durfte, dass die Vorbereitungen auf ein Selbstmordattentat noch „viel lustiger sind“ als im Film dargestellt, so steht dieser Bejahung des suicide bombing der Kampf gegen den israelischen Schutzzaun durch Sivans Film ROUTE 181 zur Seite. Die Kultursendung von 3sat, die die Lügen und Fälschungen von Sivan aufdeckte, möchte trotz der aufgedeckten Manipulationen am Film DER SPEZIALIST festhalten, habe er doch – wie es in einem Interview mit den deutschen Regisseur Andreas Veiel heißt – die „gigantische Inszenierung“, die der Eichmann-Prozess dargestellt, aufgezeigt und somit die „Legenden, die den Staat“ Israel zusammen hielten, destruiert. Dass Juden als Juden vom deutschen Eichmann aufgesucht, deportiert und ermordet wurden, kommt nicht vor. Dass Israelis als Juden 1948 und 1967 und später „ins Meer getrieben werden sollten“ von ihren arabischen Nachbarn, leugnet diese Position. Israel brauche „Mythen“, wie Sivan sagt, um sich zu legitimieren. Dass Israel zum ersten Mal in der langen Geschichte des Antijudaismus und Antisemitismus seit 1948 für alle Juden Schutz vor Antisemitismus bedeutet, militärische Selbstverteidigung, wird einfach negiert.

Am Samstag, 26.02.2005 wird in Düsseldorf von den Veranstaltern „Kulturelle Entwicklung“ und „museum kunst palast“ unter der Leitung von Wolfgang Dreßen nach der Vorführung von ROUTE 181 unter der Moderation von Michel Khleifi zwischen ihm und Sivan diskutiert. Khleifi, der palästinensischer Regisseur des Films, passt gut zu dem Duo: Kleifi hat mehrere Filme gedreht, in denen es um die Situation der Palästinenser geht und anti-israelische Töne das Hauptmerkmal zu sein scheinen. So kritisierte z. B. die französische Tageszeitung Le Figaro den Film „Hochzeit in Galiläa“ von Khleifi unmissverständlich als „Aufruf zum Haß“.

Nicht nur zum Hass auf Israel sondern auch zur Verharmlosung von Auschwitz wird in dem Film ROUTE 181 von Khleifi und Sivan aufgerufen. Auschwitz sei darin kein Zivilisationsbruch gewesen, wie die Filmkritikerin Anne Heilmann analysiert:
„Die Kritik bezog sich vor allem auf die Anlehnungen von Route 181 an den Film Shoah von Claude Lanzmann, eine neunstündige Dokumentation über die Judenvernichtung während des Nationalsozialismus, die aus Interviews mit den Überlebenden der Vernichtungslager und ihren deutschen Henkern besteht. Eine der zentralsten und zugleich schrecklichsten Interviewsituationen in Shoah ist das Gespräch mit Abraham Bomba in seinem Friseursalon in Israel. Er musste den Häftlingen in Auschwitz, unter denen sich auch seine eigene Familie befand, die Haare scheren, bevor sie in die Gaskammern getrieben wurden.

Die Szenenanordnung in Route 181 ist auffallend ähnlich. Hier berichtet ein palästinensischer Friseur, während er Michel Khleifi die Haare schneidet, von einem Massaker an Palästinensern in Lod während des Unabhängigkeitskriegs von 1948. Er berichtet von Vergewaltigungen, von einem »Ghetto« genannten Ortsteil, in dem die palästinensische Bevölkerung versammelt wurde, und davon, wie die israelischen Soldaten von ihm verlangten, die Leichen zu verbrennen. Die Szene endet mit einer Einstellung der Eisenbahnschienen in Lod und greift damit ein Motiv auf, dass nicht nur in Shoah für die Deportationen der europäischen Jüdinnen und Juden in die Konzentrationslager steht. „Das Plagiat ganzer Sequenzen aus Shoah von Claude Lanzmann illustriert eine perverse und systematische Praxis, deren Logik die einer Umkehr der Opfer in Henker ist“, schreiben die Kritiker des Films in ihrem Protestbrief.“

In Wahrheit hat der israelische Schutzzaun vielen Menschen das Leben gerettet, die Anzahl der Anschläge sank beachtlich.

„Die Zahl der Terroranschläge auf israelische Ziele ist 2003 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zurückgegangen. Dabei gab es 50 Prozent weniger Todesopfer als 2002. Das geht aus einem am 8. Januar 2004 vorgestellten Bericht des israelischen Sicherheitsapparates hervor. Eine Ursache für diesen Rückgang ist nach Ansicht der Sicherheitskräfte der Bau des Sicherheitszaunes.
Arabische Terroristen haben im Jahr 2003 insgesamt 3.858 Attentate auf israelische Ziele verübt. Dabei wurden 213 Menschen getötet, darunter 50 Angehörige der Sicherheitskräfte und 163 Zivilisten. Im Jahr 2002 hatten 5.301 Anschläge insgesamt 451 Todesopfer gefordert. Die Zahl der Terrorwarnungen blieb hingegen konstant. Durchschnittlich gingen bei den Sicherheitskräften pro Tag 40 Informationen über mögliche Anschläge ein.“

Auch die Antisemiten erkennen den Zaun als Hinderungsgrund für ihre Mordanschläge:

„Ein Grund für den Rückgang der Anschläge ist nach Ansicht der israelischen Sicherheitskräfte der Bau des Sicherheitszaunes. Dieser zwingt palästinensische Terrorgruppen, ihre Taktik zu ändern. Ein hochrangiger Führer des Dschihad al-Islami sagte in einem Verhör, die Organisationen müssten völlig neue Wege finden, falls die Sperranlage fertiggestellt werde.“

Dreßens jahrelange, obsessive Kritik an Israel, seine Vorliebe für „nationalen Sozialismus“ und den Islam gleichermaßen prädestinieren ihn dazu „neue Wege“ in seinem speziellen Dialog suchen zu helfen. Solche „Neuen Wege“, wie sie der Dschihad al-Islami sucht? Vorträge, Filmvorführungen, internet-links, Ausstellungen und Diskussionen von und mit Antizionisten sind solche Wege. Ohne Blut aber mit viel Effekt. Wie PARADISE NOW.

Anmerkungen:
(1) http://www.palaestinaonline.de/watzal2.htm
(2) Betrifft: „Aktion 3“. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn. Dokumente zur Arisierung. Ausgewählt und kommentiert von Wolfgang Dreßen, Berlin (Aufbau-Verlag), S. 19.
(3) http://www.juedische.at/TCgi/TCgi.cgi?target=home&Param_
Kat=3&Param_RB=14&Param_Red=1732
(4) http://www.amana-online.de/pp/aa/mazrui_rushdie.shtml. Darauf heißt es: „Wenn es wirklich notwendig ist, so wäre die spirituelle Strafe einer Verfluchung angebrachter als die physische Strafe des Todes. Besser noch, überlasse Salman Rushdie dem Himmel! Ja, verbiete die Haßliteratur, wenn es sein muß, aber liebe den Autor als einen Mitmenschen“. Amana-online wird von Dreßen verlinkt, siehe: http://www.arbeitsstelle-neonazismus.de/frameset.htm.
(5) Vladimir Jankélévitch (2004): Das Verzeihen. Essays zur Moral und Kulturphilosophie, Frankfurt/Main (suhrkamp), S 245.
(6) Hans Safrian (1995): Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt/Main (Fischer), S. 15.
(7) http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/76204/ In kulturzeit wurde die Szene aus DER SPEZIALIST, die zeigt, wie der Bürokrat und eiskalte Schreibtischtäter Eichmann sich im israelischen Oberstaatsanwalt Hausner widerspiegelt, hofiert.
(8) http://www.iz3w.org/iz3w/Ausgaben/277/LP_s38.html
(9) http://www.israelaktuell.de/de/news_show.php?col=130&select=Texte&show=177
(10) Ebd.

hagalil.com 27-02-2005

 

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