Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: New York City

Jubel in New York City: Der neue Bürgermeister und der intellektuelle Niedergang der Democratic Socialists of America (DSA)

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Wie wurde aus einer linkszionistischen und sozialistischen Organisation wie den Democratic Socialists of America (DSA) eine antizionistische Kampforganisation? Warum wurde der Linkszionismus des Mentors von Bob Dylan, Pete Seeger, einfach vergessen von den ungebildeten jugendlichen Massen in New York City? Gibt es nach der Wahl Mamdanis noch eine Chance auf eine linkszionistische Kritik am Trumpismus und an Netanyahu? Und was sagt uns eine Postkarte von Theodor W. Adorno von 1967 über sein Verhältnis zu Israel?

Holocausterinnerung

Holocausterinnerung gibt es außerhalb Israels fast nur noch im Land der Täter.

Die Ironie der Geschichte ist zudem, dass ausgerechnet die antideutsche Bewegung seit dem Jahr 2000 dafür gesorgt hat, dass Deutschland als fast einziges Land eine zumindest hörbare Zahl von nicht-jüdischen zionistischen Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen hat und somit das Standing, wie es neudeutsch heißt, von Deutschland verbessert hat.

Amerika hingegen, das Land mit der größten jüdischen Bevölkerung außerhalb Israels und Sitz der Stadt mit den meisten Jüdinnen und Juden weltweit – New York City mit ca. einer Million Jüdinnen und Juden – hat ganz enorme Probleme mit dem Antisemitismus.

Auch die Bundesrepublik Deutschland hat ganz extreme Probleme mit Antisemitismus, der primär von Linken und Muslimen wie Islamisten kommt, aber natürlich traditionell auch von Nazis. Auch im Mainstream ist Antisemitismus in Deutschland weit verbreitet.

In den USA kommt der Judenhass wahlweise von der MAGA-Bewegung und ist durch Verschwörungsmythen oder christlichem Antijudaismus geprägt – Make America Great Again -, oder von Muslimen, Islamisten und Linken, die ihn primär als Israelfeindschaft artikulieren und sich im Gegensatz zu Rechten moralisch erhaben fühlen.

Nan Goldin in Berlin: Eine Fotografin gegen den einzigen Judenstaat

New York City ist in Aufbruchstimmung. „Die Bewegung“ hat einen der ihren zum Bürgermeister der größten amerikanischen Stadt und zentralen Metropole des Landes gewählt. Einige ältere Semester in USA wie in Europa oder der Bundesrepublik mögen sich an die Stimmung Mitte bis Ende der 1960er Jahre erinnert fühlen, als ebenfalls eine Aufbruchstimmung herrschte. Es dauerte ein paar Jahre vom Kampf gegen die Rassentrennung (Segregation), den Demonstrationen und Aktionen gegen den Vietnam-Krieg hin zum antizionistischen Ressentiment, den K-Gruppen und den Terrorgruppen.

Doch Kenner Amerikas und des Linksradikalismus in den USA wissen: diese Aufbruchstimmung ist diesmal von Anfang an antisemitisch und nicht erst nach einer gewissen Zeit.

In einem Beitrag in der dermaßen links-liberalen und traditionellen Wochenzeitung in den USA The Nation schreibt am 30. September 2025 eine Nikki Columbus wie „extrem“, ja extrem rechts Deutschland geworden sei. Damit meint sie, dass Kritik am Antisemitismus und an der geplanten Vernichtung des jüdischen Staates Israel rechts sei.

Der Text ist eine Ode an die antisemitisch-antizionistische Agitatorin und Fotografin Nan Goldin. Nur weil sie zwei-, dreimal ihre Foto-Kamera im richtigen Winkel zu einem Objekt positionierte, bekam sie von der Neuen Nationalgalerie in Berlin gleich eine Retrospektive, die sie gezielt als Agitationspolattform nutzte und bewies, dass sie gar nicht primär Künstlerin ist, sondern Großagitatorin.

Sie ist eine Anhängerin der antiisraelischen BDS-Boykottbewegung und behauptet ohne jegliches Fachwissen, dass Antizionismus nicht Antisemitismus sei. The Nation plappert diese judenfeindliche Ideologie in dem Artikel nach.

Besonders schlimm sei es ausgerechnet für antisemitische, also antizionistische Künstler*innen in Berlin seit dem 7. Oktober 2023. Wer nicht weiß, was am 7. Oktober passierte – und der Text sagt dazu so gut wie nichts – muss denken, dass am 7. Oktober Hunderte Palästinenser*innen auf unschilderbare Weise hingemetzelt wurden und danach auch die pro-palästinensischen Künstler*innen gecancelt oder angegangen worden seien.

Die 80er Jahre seien so cool gewesen in West-Berlin, erzählt Nan Golding der The Nation-Autorin. Und dann kam der 7. Oktober und es wurde ganz schlimm – für die Täter, nicht etwa für Israelis und ihre zionistischen Freund*innen. Es geht um eine Ausstellungseröffnung in der Neuen Nationalgalerie in Berlin:

Diese Freiheit scheint nun an ihre Grenzen gestoßen zu sein. ‚Die Zungen wurden zum Schweigen gebracht‘, erklärte Goldin bei der Ausstellungseröffnung, ‚durch die Regierung, die Polizei und die kulturelle Unterdrückung.‘ Goldin bezog sich dabei auf die aggressive Reaktion des Landes auf die Unterstützung Palästinas, insbesondere seit den Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des anhaltenden Völkermords Israels in Gaza. Diese Repressionen finden zwar landesweit statt, konzentrieren sich jedoch weitgehend auf Berlin. ‚Seit dem 7. Oktober wurden über 180 Künstler, Schriftsteller und Lehrer gecancelt‘, fuhr Goldin fort. ‚Viele von ihnen sind Palästinenser, 20 Prozent sind Juden.‘ (Ebd., Übersetzung CH)

The Nation spricht aktuell gar in Texten, die sich mit Antisemitismus und Antizionismus (bei den Rechten in USA) befassen, komplett unreflektiert von „Genozid„, wenn es um den Gaza-Krieg Israels geht, was eine Verharmlosung tatsächlicher Genozide ist.

Schreckliche Kriegsverbrechen Israels sind nicht das gleiche wie ein „Genozid“

In Gaza passierten bis zum Waffenstillstand im Oktober 2025 Kriegsverbrechen der israelischen Armee IDF. Insgesamt ca. 65.000 Menschen wurden getötet, darunter – niemand weiß es genau – 15.000 Hamas-Terroristen. Doch mindestens 50.000 Tote sind Zivilist*innen. Viele wurden unter Trümmern begraben, andere erschossen und viele sind auch verhungert.

Das ist Resultat der Kriegspolitik der rechtsextrem-religiös-messianischen Regierung unter Benjamin Netanyahu. Doch auch Kriegsverbrechen sind in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit einem Genozid, der primär das intentionale Töten eines Volkes meint.

Auf menschenverachtende Weise hat die IDF ihre Angriffe so durchgeführt, dass wissentlich auch viele Zivilist*innen zu Tode kamen. Das ist nicht zu rechtfertigen. Aktuell hat die Hamas geschätzt so viele Kämpfer wie vor dem 7. Oktober, obwohl 15.000 Hamas-Terroristen im Krieg ausgeschalten wurden. Das ist auch nur logisch, eine in der Bevölkerung breit verankerte Terrorgruppe bekommt problemlos Nachschub.

Viele in der Pro-Israel-Szene haben diese Verbrechen der israelischen Armee bejubelt oder schweigen dazu, auch in der wissenschaftlichen wie aktivistischen Pro-Israel-Szene in Deutschland.

Die immer aggressivere Kriegsführung speziell seit Sommer 2024 bis Oktober 2025 hat dazu geführt, dass viele ehrlich Verbündete Israels wie Frankreich oder Großbritannien und schließlich auch Deutschland Israel klar gemacht haben, dass es so nicht geht.

Doch Netanyahu hörte keine Sekunde zu. Nur ein faschistoider Politiker aus Washington, D.C., hat ihn überzeugt, doch zu einem Kompromiss bereit zu sein. Die Hamas ließ dann im Oktober 2025 die restlichen 20 lebenden Geiseln frei, Israel Hunderte palästinensische Straftäter und Terroristen.

Ein „Deal“, der gleichwohl nach allem was wir wissen, spätestens im April 2024 möglich gewesen wäre, wie die New York Times vor Monaten berichtete – er hätte damals Dutzenden Geiseln und Zehntausenden Palästinenser*innen das Leben gerettet, was selbstredend der Hamas egal ist.

Aber Zionist*innen darf das nicht egal sein. Doch Netanyahu ist es egal. Also kann er kein Zionist sein. Philosophie, Logik, erstes Semester.

Die Kritik an der rechtsextremen und verbrecherischen Politik Netanyahus, zu der auch und insbesondere das Unmöglichmachen einer Zweistaatenlösung durch finanzielles Aushungern der Palästinensischen Autonomiebehörde, durch Siedlungsbau wie dem Projekt E1 und anderen, durch Pogrome gegen Palästinenser*innen im Westjordanland, das Zerstören von Olivenbäumen, das Entführern oder Töten von Schafen und anderen Tieren gehören, hat jedoch mit dem Juden- und Israelhass weitester Teile der angeblichen Palästina-Solidarität gar nichts zu tun. Die hassen Israel unabhängig von seinen Taten.

Viele Vertreter*innen dieser Kreise sprechen seit vielen Jahren von „Genozid“, weshalb kein seriöser Mensch diesen Phrasendrescher*innen noch zuhört – bis auf Postillen, die historisch einiges an Renommee haben wie The Nation.

Oktober 2023: Maurice Isserman verlässt nach 41 Jahren die Democratic Socialists of America (DSA)

Der Historiker und Professor am Hamilton College im Bundesstaat New York Maurice Isserman (Jg. 1951) war in seinem Leben nur in zwei bundesweiten politischen Organisationen Mitglied. Im Alter von 18 ein Jahr beim SDS (Students for a Democratic Society). Der SDS in USA war 1960 gegründet worden, hatte 1965 ca. 15.000 Mitglieder, aber 1968 waren es schon ca. 100.000. Das erinnert Isserman in einem beeindruckenden biographischen, linksintellektuellen und tagespolitischen Text von Oktober 2023 – in The Nation -, wo er seinen Austritt aus der zweiten bundesweiten Organisation bekannt gab, der er je angehörte: Den Democratic Socialists of America (DSA). Er war 41 Jahre Mitglied beim DSA.

Die Anzahl der Mitglieder der Democratic Socialists of America hat sich von 2015 mit 5000 Mitgliedern bis 2025 auf ungefähr 100.000 Mitglieder enorm vervielfacht.

Doch warum trat Maurice Isserman im Oktober 2023 von den DSA aus?

Es geht um die Reaktion der DSA auf den 7. Oktober. Während Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez (AOC), beide Sympathisanten bzw. Mitglied bei den DSA, die Massaker an Jüdinnen und Juden durch die Hamas verurteilten, reagierte das DSA spontan anders.

AOC spricht mittlerweile auch von „Genozid“, den Israel begehe – was zur Gewalt neigenden antisemitischen Aktivist*innen in New York City nicht reicht, ihr Büro in der Bronx wurde im Juli 2025 beschmiert und sie beschuldigt, am „Genozid“ mitzuwirken, dazu wurde sie schockierenderweise mit dem Tode bedroht.

Maurice Isserman schreibt am 23. Oktober 2023:

Das Nationale Politische Komitee der DSA stimmte nicht mit den beiden prominentesten demokratischen Sozialisten [Sanders und Ocasio-Cortez] im öffentlichen Leben der USA überein. In seiner Erklärung vom 7. Oktober erwähnte es die Hamas mit keinem Wort – geschweige denn, dass es Kritik an ihr übte –, sondern erklärte stattdessen:

‚Die heutigen Ereignisse sind eine direkte Folge des Apartheidregimes Israels – eines Regimes, das Milliarden an Finanzmitteln aus den Vereinigten Staaten erhält.‘

Am selben Tag forderte die New Yorker Ortsgruppe der DSA ihre Mitglieder auf, an einer Kundgebung in Midtown Manhattan teilzunehmen, zu der eine andere linke Gruppe unter dem Motto ‚All Out for Palestine‘ für den nächsten Tag aufgerufen hatte. Bei dieser Veranstaltung am 8. Oktober, weniger als 24 Stunden nach dem Anschlag, kommentierte ein Redner die Ermordung von Hunderten junger Israelis, die das Nova-Festival besucht hatten, mit begeisterten Worten:

‚Der Widerstand kam in elektrifizierten Paraglidern und holte sich mindestens mehrere Dutzend Hipster.‘

Das sorgte für großes Gelächter. Es waren wahrscheinlich nicht viele DSA-Mitglieder im Publikum, und kein DSA-Mitglied sprach vom Podium aus, aber der Schaden war angerichtet – und nicht unverdient. Politisch wird man nach dem beurteilt, mit wem man sich umgibt.“ (Übersetzung CH)

Diese antisemitische Demonstration in New York City am 8. Oktober 2023 zeigte, wie diese Leute denken.

Mehr noch: lokale Chapter der DSA zeigten auch ganz explizit und nicht ’nur‘ durch Aufrufe auf Demos, die andere organisierten, wie antisemitisch sie ticken.

Die Gruppe der DSA in Seattle verbreitete eine Stellungnahme von wirklich ‚modernen‘ oder hippen eliminatorischen Antisemiten der BDS-Bewegung in den USA, die nach den Massakern vom 7. Oktober sofort dazu aufriefen, Israel ganz auszulöschen – damit sieben Millionen Juden zu ermorden, Israel aufzulösen (also die Juden in Israel zu massakrieren, nicht die 20 Prozent Araber):

Die DSA Seattle verbreitete ein ‚Toolkit‘ als Reaktion auf die Ereignisse vom 7. Oktober, das von einer Gruppe mit den Namen ‚National BDS & Palestine Solidarity Working Group‘ erstellt worden war und eine Liste mit Forderungen enthielt, von denen die ersten beiden lauteten:

Beendet ALLE US-Hilfe für Israel. Nicht nur Militärhilfe – jede Hilfe für Israel unterstützt die Kolonialisierung Palästinas und die anhaltende Gewalt gegen Palästinenser.
Entkolonialisierung – vom Fluss bis zum Meer. Nicht nur Gaza und das Westjordanland, wir wollen das gesamte Gebiet von 1948. (Übersetzung CH)

Ein Aufruf zu Völkermord. Eine Unterstützung der Hamas und der Massaker mit 1200 hingemetzelten Jüdinnen und Juden, Babies, Kinder, Frauen, Männer, Holocaustüberlebenden und vielen nicht-jüdischen Kibbutz-Freiwilligen oder Landarbeitern.

Die obige Reaktion der nationalen Zentrale der DSA, die in New York City sitzt, zum 7. Oktober war Anlass für die berühmte Comedian, Schauspielerin und Autorin Sarah Silverman, dies zu schreiben, was Maruice Isserman zitiert:

Die DSA, deren stolzes lebenslanges Mitglied ich war, hat mich für immer verloren… Bis jetzt wurden über 1000 Menschen abgeschlachtet. Mädchen wurden über den Leichen ihrer Freundinnen vergewaltigt. Das sind Kinder, Babys, Jugendliche, ältere Menschen, von denen viele wie meine Familie jeden Abend auf die Straße gehen, um gegen Netanjahu und die Besatzung zu protestieren. DAS SIND DIE MENSCHEN, DIE DIE HAMAS ERMORDET HAT, IHR ARSCHLÖCHER. Wisst ihr, dass Israel@sich rächen wird – versteht ihr, dass ihnen das Leben der Palästinenser scheißegal ist????? (Übersetzung CH)

Das DSA hat auch Maurice Isserman für alle Zeiten verloren. Wegen dem Antisemitismus der DSA. Und genau wegen diesem Antisemitismus ist das DSA so groß geworden in den letzten 10 Jahren. Isserman berichtet davon, dass 2017 auf dem nationalen Kongress der DSA antisemitische Sprüche wie “From the River to the Sea, Palestine Will Be Free” gerufen wurden. Der gleiche Spruch, der zum 7. Oktober führte und seither von der Antisemitischen Internationalen zu dem Schlachtruf des 21. Jahrhunderts überhaupt auserkoren wurde.

Und Millionen klatschen. Millionen, genau gesagt 1.036.051 wählen DSA-Mitglieder wie Zohran Mamdani, der sich im Wahlkampf zur Bürgermeisterwahl in New York mehrfach weigerte, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Ich hatte darüber im Juni 2025 berichtet.

Isserman nennt die Hamas eine „fanatische rechte religiös-fundamentalistische Gruppe“ und resümiert im Oktober 2023:

Warum verlasse ich also die DSA? Dafür gibt es viele Gründe. Aber letztendlich läuft es auf Sarah Silvermans Regel Nr. 1 für die Beurteilung der eigenen politischen Genossen hinaus. Eine Organisation, die es nicht schafft, eine rechtsextreme Terroristengruppe zu verurteilen, die sich zum Ziel gesetzt hat, so viele jüdische Zivilisten wie möglich zu ermorden, darunter auch Kinder und Säuglinge, hat das Recht verloren, sich als demokratisch-sozialistisch zu bezeichnen. Sie hat, wie Sarah sagt, ‚mich für immer verloren‘.

Zohran Mamdani ist bis heute Mitglied der Democratic Socialists of America. Und das sagt uns alles über sein Verhältnis zu Juden.

Von Pete Seeger (1951) zum Linkszionismus der DSA (1982 ff.)

Dabei waren die 1982 gegründeten Democratic Socialists of America (DSA) anfangs zionistisch, demokratisch und sozialistisch. Das lag an ihren Gründer*innen Barbara Ehrenreich und Michael Harrington. Ein Text von Dan Freedman im Moment Magazine vom 3. November 2025 klärt darüber auf:

Die allmähliche Verdrängung älterer DSA-Mitglieder hatte ihren Preis, da ein Großteil des historischen Gedächtnisses verloren ging. Zum Beispiel sangen Pete Seeger und die bald darauf auf die schwarze Liste [der antikommunistischen McCarthy-Ära, CH] gesetzten Weavers 1951 das temperamentvolle ‚Tzena, Tzena, Tzena‘, das Basssänger Lee Hays als ‚aus dem neuen Land Israel zu uns gekommen‘ beschrieb.

Während viele Vertreter der amerikanischen Linken in den 1960er Jahren Israel wegen der Notlage der Palästinenser verurteilten, erinnerten sich Harrington und die DSA-Mitglieder in den 1980er Jahren an ein Israel, in dem die Arbeiterbewegung stark war und das soziale Bewusstsein der Kibbuzniks weit verbreitet war.

Tzena, Tzena, Tzena – Hebräisch für „komm raus, komm raus“ – war der Folksong aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina von 1941, auf Hebräisch. Es geht um die Mädchen, die hinausgehen sollen auf die Felder und ins Land, um sich mit den coolen jüdischen Jungs und Soldaten zu treffen:

„Go out, go out, go out girls and see soldiers in the moshava; Do not, do not, do not hide yourself away from a virtuous man [a pun on the word for „soldier“], an army man.“

Der Song wurde von dem späteren Mentor von Bob Dylan, dem legendären Folk-Sänger und linken Aktivisten Pete Seeger (1919-2014) und seiner 1948 in New York City, Greenwich Village, gegründeten Band The Weavers 1951 auf der B-Seite ihrer Single-Platte „Goodnight, Irene“ gedruckt, die zwei Millionen Mal verkauft wurde. Das zeigt den Zionismus, den sozialistischen Zionismus von Pete Seeger.

Selbst das konservative Tablet Magazine und der Professor Ari Y. Kelman haben 2011 diesem Song und dem Linkszionismus und Sozialismus ein rauschenden Denkmal gesetzt:

‚Tzena Tzena‘ ist nicht nur wegen seiner Popularität wichtig, sondern auch wegen der Art und Weise, wie es überhaupt so populär wurde. Mit seiner romantischen Darstellung junger Frauen, die sich nach coolen und starken Soldaten sehnen, erfüllte das Lied die Erwartungen, die viele amerikanische Juden 1951 an Israel hatten. Doch dieses Bild brauchte einen in Harvard ausgebildeten amerikanischen Folksänger, um ein amerikanisches Publikum zu erreichen. Trotz der Herkunft des Songs bedurfte es Seegers ‚Hechsher‘ [rabbinisches Koscherzertifikat], um Israel für amerikanische Juden hörbar zu machen. (Übersetzung CH)

Friedman schreibt am 3. November 2025 und man denkt, das sind die zionistischen 1980er Jahre, eine gänzlich andere Zeit als jene der Mamdanis.

Und doch, es gibt diesen Kampf für den Zionismus hier und heute, den wir niemals verloren geben dürfen, auch nicht angesichts solcher herber Niederlagen wie in New York oder angesichts der Tatsache dass Netanyahu Israel beherrscht und an den Rand des Kollapses bringt – er möchte das demokratische und rechtsstaatliche Israel vollends zerstören, nachdem der Labour-Zionismus ohnehin seit Jahren am Boden liegt.

Doch dieser Text von Dan Freedman erweckt ihn wieder zum Leben:

Harrington würde die Unterstützung für Israel in den Zusammenschluss amerikanischer sozialistischer Gruppen einbringen, aus denen die DSA hervorging. Er begrüßte Israel als Verwirklichung des jüdischen Rechts auf Selbstbestimmung und schrieb, der Zionismus sei ‚die nationale Befreiungsbewegung eines jüdischen Volkes‘. Die Resolution 3379 der Vereinten Nationen von 1975, die den Zionismus mit Rassismus gleichsetzte, habe ‚dem Begriff Rassismus jede ernsthafte Bedeutung genommen‘, schrieb Harrington. Auf die Frage, welcher Religion er angehöre, bezeichnete sich der katholisch erzogene Harrington manchmal scherzhaft als ‚Arbeiterzionist‘. (Übersetzung CH)

Euphorisch schreibt hingegen auch das antizionistische Magazin Jacobin im September 2025 über die National Convention 2025 der DSA, die im August stattfand:

Eine weitere heiß umstrittene Abstimmung wurde mit 56 Prozent der Delegiertenstimmen zugunsten der Resolution 22: Für eine kämpferische antizionistische DSA, verfasst vom Springs of Revolution-Ausschuss, angenommen. Diese Resolution zielt darauf ab, die Unterstützung des BDS-Aufrufs zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegen Israel zu einem Lackmustest für die Unterstützung von DSA-Kandidaten zu machen und die Möglichkeit zu schaffen, DSA-Mitglieder auszuschließen, die sich ‚konsequent und öffentlich gegen BDS und die palästinensische Sache ausgesprochen haben‘. (Übersetzung CH)

Auch das hätte für jeden seriösen Politiker und Aktivisten bedeuten müssen, aus dieser antisemitisch-leninistischen Organisation auszusteigen. Doch Zohran Mamdani ist weiterhin eines der erfolgreichsten Pferde der DSA.

Exkurs: Der Sandwich-Mann aus Washington, D.C.

Der Wahlsieg des mit Antisemitismus kokettierenden und sich nicht vom Antisemitismus seiner Organisation Democratic Socialists of America (DSA) distanzierenden Zohran Mamdani als neuer Bürgermeister von New York City ist eine Katastrophe für Juden und den Westen.

Es wäre ein Leichtes gewesen für den 34-jährigen Newcomer, sich nach dem 7. Oktober von den antisemitischen Posts seiner Organisation, den Demokratischen Sozialisten Amerikas zu distanzieren. Er tat es nicht. Weil er selbst ein Feind des jüdischen Staates Israel ist.

Hierzu ein kleiner Exkurs, weil viele meinen, gerade Mamdani sei ein guter Fighter gegen Trump: Ein viel mutigerer und echter Held im Kampf gegen den Trump-Faschismus ist hingegen Sean Dunn.

Der damalige Angestellte im Justizministerium hatte am 10. August 2025 lautstark die an eine Militärdiktatur erinnernden Horden von Bundespolizisten in Washington, D.C, attackiert. Er nannte die Bullerei ‚Faschisten‘ und ‚eine Schande‘ und ließ nicht locker. Dunn war als US-Soldat und Flieger im Afghanistan-Krieg. Schließlich hat er gegen den durch eine Kampfuniform massiv geschützten Oberkörper eines dieser Bundespolizisten sein Salami-Sandwich geworfen.

Jetzt sprach eine Jury Dunn frei. Es ist eine große Blamage für die faschistischen Antidemokraten wie Donald Trump und sein Justizministerium, die auf ganzer Linie verloren haben. Im August hatte das Weiße Haus die unfassbar militaristische Festnahme Dunns in dessen Apartment gefilmt und online gestellt. Jetzt stellt sich heraus: Auch diese Festnahme war natürlich illegal. Und jetzt hat ein Gericht in den USA immerhin einen der berühmtesten Trump-Gegner freigesprochen:

Der österreichische Standard hält fest:

Dunns Anwalt hielt den Prozess für politisch motiviert. Die Verteidigung argumentierte, er habe mit dem weichen Salamisandwich der Kette Subway ohnehin niemanden verletzen können. Vielmehr sollten mit dem Gerichtsverfahren Menschen eingeschüchtert werden, die Trump kritisch sehen.

Bei Kundgebungen gegen Trump tragen Demonstranten seit dem Vorfall häufig Plakate oder Transparente, die den Sandwich-Wurf zeigen. Vor allem in der Hauptstadt Washington ist ‚Sandwich-Mann ein geflügeltes Wort.

Ich kenne Sean Dunns politische Positionen nicht, bis auf seinen Antifaschismus und seine Anti-Trump-Haltung. Ob er sich je zu Israel geäußert hat, weiß ich nicht. Aber zumindest ist ein zentraler Punkt für ihn die Kritik am Rassismus und der Anti-Einwanderungspolitik von Trump. Er ist ein Jurist und politisch mit dieser Aktion ein Anwalt für Menschenrechte, die unteilbar sind – und ein Anwalt gegen Polizeigewalt, Willkür und eben: Faschismus. In Zeiten, wo auf jeder Anti-Trump-Demo Palästinafahnen zu sehen sind, ist das Symbol des quasi Autonomen, der ein Sandwich auf einen Bullen wirft, ein geniales Zeichen für zivilen Widerstand. Und er wurde – es gibt ihn noch den Rechtsstaat in den USA – freigesprochen.

18-jährige jüdische Linkszionistin bekommt 10 Jahre Einreiseverbot nach Israel

Jetzt wurde der 18-jährigen amerikanische Zionistin und Friedensaktivistin Leila Stillman-Utterback, die Palästinenser*innen bei der Olivenernte beistand und sie vor den jüdischen Siedlern schützen wollte, mit einem 10-jährigen Einreiseverbot nach Israel belegt, weil sie kurzzeitig auf militärischem Sperrgelände sich aufgehalten habe.

Sie war mit der zionistischen Organisation Hashomer Hazair unterwegs, zudem mit Rabbinerinnen aus New York City. Frühere Teilnehmerinnen des Programms von Achvat Amim berichten von ihrem Zionismus und ihrem Engagement für Frieden mit den Palästinenser*innen.

Adorno für Israel – Springer-Konzern gegen Adorno

Für Mirna Funk ist die Kritische Theorie des Juden, Emigranten vor den Nazi-Deutschen und späteren Pro-Israelis Theodor W. Adorno ein Kern des Problems. Ihr Allheilmittel wie das aller Angepassten, Konservativen oder Liberalen, Antikommunistinnen und Bürgerlichen ist natürlich Karl Popper.

Sie schreibt am 6. November 2025 in der Welt:

Mamdani steht genau dafür. Für eine Welt, in der das Bessere nur entstehen kann, wenn das Bestehende abgeschafft wird. In der jüdische Souveränität als Störung erscheint. Und Geschichte als Hindernis. Die Philosophie kennt diese Struktur. Bei Ernst Bloch ist die Utopie ‚antizipierende Bewusstheit‘. Bei Adorno: das Nicht-Identische. Bei Badiou: das Ereignis. In allen Fällen: radikal, total, endgültig.
Karl Popper, 1902 in Wien geboren und vor den Nationalsozialisten nach Neuseeland geflohen, veröffentlichte 1945 sein Hauptwerk ‚Die offene Gesellschaft und ihre Feinde‘. Darin warnte er vor der Verführung geschlossener Utopien.

Angesichts einer antijüdischen Grundstimmung in den USA gerade einen linken Juden, pro-israelischen Intellektuellen und federführenden Kämpfer gegen den Antisemitismus in all seinen Formen, inklusive dem erinnerungsabwehrenden sekundären Antisemitismus, mitverantwortlich zu machen, kann man nur kommen wenn man Donald Trump oder Mirna Funk heißt oder halt beim Springer-Konzern publiziert.

Geradezu geschichtsklitternd ist es, wenn Mirna Funk zwar erwähnt, dass Popper vor den Nazi-Deutschen floh, aber unerwähnt lässt, intentional, dass Adorno ebenfalls nur im Exil überleben konnte und sich im Gegensatz zu Popper vor 1945 mit dem Antisemitismus in der ach-so-freien Welt wie den USA und nach 1945 sehr intensiv mit dem Antisemitismus der Deutschen in der BRD befasst hat.

Am 28. Juli 1967 schrieb der Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer eine fulminante und super scharfe Attacke auf seinen Kollegen der Gruppe 47 Peter Weiss. Weiss hatte in antizionistischer Manier Israel attackiert – wegen dem von dem einzigen Judenstaat gewonnen Sechstagekrieg. Dieser Text von Hildesheimer in der Wochenzeitung Die Zeit hat Theodor W. Adorno so gut gefallen, ja euphorisiert, dass er ihm aus seinem Urlaubsort schrieb, was ich in meiner Studie „Der Komplex Antisemitismus“ von 2018 beschrieb:

1970 trat Hildesheimer dem von Michael Landmann initiierten „Sozialistischen Arbeitskreis für Israel“, der Israel auch kritisiert, aber nach außen, bei Angriffen auf den Staat, selbstverständlich das „Lebens- und Selbstbestimmungsrecht Israel“ verteidigt, bei.[1] Hildesheimer damals hört sich an wie heutiger Linkszionismus, mit dem Unterschied, dass es den heute in der BRD so gut wie nicht mehr gibt.

Wie die Forschung zeigt, gibt es nur sehr wenige klare pro-zionistische oder proisraelische Äußerungen von Adorno, primär seinen Geburtstagsgruß an Gershom Scholem vom 2. Dezember 1967 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).[2]

In den 1999 publizierten Briefen Wolfgang Hildesheimers findet sich folgender sensationelle Fund: Theodor W. Adorno schreibt am 1. August 1967 aus sein­em Urlaubsort Crans-Montana an Wolf­gang Hildesheimer auf einer Postkarte:

„Lieber Herr Hildesheimer,

mit heller Begeisterung habe ich Ihren offenen Brief an Peter Weiss in der ZEIT gelesen. Ich bin in der sehr seltenen Situation, mit jedem Wort mich iden­ti­fi­zier­en zu können. Überdies haben Sie mir einen großen Gefallen getan. Ich hatte die Absicht, in genau derselben Angelegenheit, und bis ins Detail mit der gleichen Argumentation einen offenen Brief an Abendroth zu richten, wegen dessen grauslichen Israel-Vortrag. Das brauch ich jetzt nicht zu tun. Man ist also doch nicht so alleine wie es scheint. Hoffentlich findet Ihr Brief weiteste Ver­breitung.

Tausend Dank und die schönsten Grüße, auch von meiner Frau

Ihr wahrhaft ergebener

Th. W. Adorno.“[3]

Hildesheimer antwortete Adorno mit einer Postkarte aus Poschiavo vom 15.08.1967 (Poststempel):

„Lieber, sehr verehrter Herr Professor Adorno,

herzlichen Dank für Ihre Karte. Ich bin sehr froh, daß Sie mit mir ein­ver­standen sind. In Wirklichkeit war der Artikel von Peter Weiss so furchtbar und so dumm, daß es unmöglich war, ganz darauf einzugehen. Oft packt einen das Entsetzen angesichts der eigenen Freunde.

Mit vielen herzlichen Grüßen bin ich

Ihr Wolfgang Hildesheimer.“[4]

Was für ein enthusiastischer Ton bei Adorno. Man merkt, wie unendlich wichtig ihm Israel ist. Das sei jenen ins Stammbuch geschrieben, die bis heute meinen, Kritische Theorie habe zu Israel nichts zu sagen oder sei anti­is­ra­el­isch.[5] Das entschuldigt nicht wirklich, dass Adorno sich nicht selbst öffentlich gegen Peter Weiss, Wolfgang Abendroth und die anti­zion­ist­ische Stimmung, den krassen Wandel von Philosemitismus zu Anti­semi­tis­mus in der Neuen Linken wandte. Er hätte ja – und da gibt es Analogien zu heute – der einsamen linken Stimme für Israel öffentlich beistehen können. Aber die Postkarte zeigt, wie proisraelisch Adorno dachte und fühlte.

Da sich Adorno explizit hinter jedes Wort Hildesheimers stellt, beinhaltet das auch Hildesheimers keineswegs nur rhetorisches oder taktisches Zustimmen zu Weiss, der Dayan – wie zitiert – faschistisch nannte. Hildesheimer schloss sich dieser problematischen Charakterisierung Dayans durchaus an, wie auch Adorno, der jedes Wort in Hildesheimers Zeit-Artikel unterschreibt.

Doch Hildesheimer diffamiert und delegitimiert Israel überhaupt nicht, er kritisiert in sehr scharfem, unangemessenem Ton einen israelischen Politiker wie Moshe Dayan – der im Kampf gegen französische pro-deutsche Faschisten im Libanon im Zweiten Weltkrieg ein Auge verlor –, aber seine Position ist proisraelisch. Hildesheimer spricht bezüglich Israel auch nicht von der „Mentalität eines Herrenvolkes“, wie Weiss es tut. Das ist der entscheidende Unterschied.

Das verstehen heutzutage Viele gar nicht, die jede unerträgliche, den Rechtskurs in Israel zementierende Politik von Netanyahu („Bibi“) goutieren oder feiern. Viele in der Pro-Israel-Szene zeigen sich seit Jahren unfähig, Kritik an Israel zu üben, sie leugnen Massaker von 1967 oder 1948 oder heutigen Rassismus in Israel, den es wie in anderen Ländern auch gibt. Es gilt: Mit Hildesheimer und Adorno für eine differenzierte, aber kategorische Solidarität mit Israel.

[1] Stephan Braese (2016): Wolfgang Hildesheimer. Eine Biographie, Göttingen: Wallstein., S. 353 f.

[2] Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin: Edition Critic, S. 139 f.

[3] Wolfgang Hildesheimer (1999): Briefe. Herausgegeben von Silvia Hildesheimer und Dietmar Pleyer, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 152.

[4] Hildesheimer 1999, S. 153.

[5] Diese Postkarte Adornos hatte ich vor vier Jahren noch nicht entdeckt, aber schon damals Adornos proisraelische Haltung hervorgehoben, Heni 2014.

Nur selten ist Kritik an Mamdani offenkundig gefeit vor typischen konservativen, anti-utopischen bis reaktionären Status-Quo-Anhängerinnen wie Mirna Funk, die gerade angesichts des Wahlsiegs Mamdanis Groteskes schreibt.

Mirna Funk setzt den Holocaustüberlebenden Adorno, der wie sein Freund Max Horkheimer nur durch Zufall seinen Mördern entkam, in eine Reihe mit dem antizionistischen Zohran Mamdani. Viel perfider geht es kaum.

Sie steht damit in der Springer- und Die Welt-Tradition eines Richard Herzinger, der ja kürzlich verstorben ist. Er hatte Adorno auch vorgehalten, sich angeblich nie öffentlich pro-israelisch geäußert zu haben (weil er ein Marxist war, weil er ein Linker war?), was der Geburtstagswunsch Adornos an Gershom Scholem vom 2. Dezember 1967 in der Neuen Zürcher Zeitung – einer gedruckten Zeitung aus der Schweiz – widerlegt.

Aber Funk wie Herzinger eint bzw. einte eine abgrundtiefe Abscheu vor dem Sozialismus, Kommunismus und dem ‚ganz Anderen‘, dem Nicht-Identischen wie Adorno es formuliert hat.

Mehr noch: gerade der Zionismus hat doch mit dem Bestehenden gebrochen. Linkszionist*innen aller Generationen, ja sogar Rechtszionist*innen der frühen Generation lachen schallend über die konservativ-affirmative Ideologie der Mirna Funks, die wiederum Adorno und Mamdani meint, wenn sie schreibt:

Utopien erzeugen Reinheitsfantasien: eine perfekte Gesellschaft, ohne Widerspruch, ohne Ambivalenz, ohne Geschichte. Deshalb verwandeln sich viele utopische Projekte, kaum dass sie Macht gewinnen, in autoritäre Regime. Der Weg zur Hölle ist nicht mit Lügen gepflastert, sondern mit Idealen.

Zionismus als Utopie – Wer sind die wirklichen „Hot Girls“?

Der Zionismus von Theodor Herzl ware eine Utopie. Der Zionismus war und ist bis heute ein Ideal. Eines, von dem Benjamin Netanyahu keinerlei Ahnung hat, da er über Leichen geht, seinen Korruptionsprozess verschleppt, weil er zu feige ist, für seine vermuteten kriminellen Aktivitäten ins Gefängnis zu gehen.

In jedem Fall ist der Zionismus ein Ideal. Der Zionismus als „Weg zur Hölle“? In diesem Text zeigt sich mal wieder komprimiert die ganze reaktionäre wie konservative Ideologie des Springer-Konzerns und der bürgerlichen Klasse in der Bundesrepublik. Wie zu Helmut Schelskys oder Martin Heideggers Zeiten fällt ihnen bei jedem Thema der Name Adorno ein, kommt ihr regelrechter Hass auf einen linken Juden und Überlebenden zum Ausdruck.

Der Zionismus war ein Bruch mit dem Europa von Herzl, das auf Antisemitismus und dem Ausschluss der Juden basierte. Der Zionismus war eine Utopie und ist es bis heute, da in Israel ja die herrschenden religiösen Zionisten weder religiös noch zionistisch sind, wie es der Publizist Daniel Goldman selbst in der mainstreamigen und eher konservativen Jerusalem Post im Oktober 2024 auf den Punkt brachte.

Der Zionismus war auch ein Bruch mit dem jüdischen Establishment um 1900 und später, das sich weigerte, die Ideale von Freiheit, Selbstbestimmung und Sozialismus, wie sie für den frühen Zionismus bis weit in die 1970er Jahre und darüber hinaus standen, zu erkennen und zu verteidigen, ja was ganz Anderes aufzubauen: einen eigenen Staat, einen jüdischen und demokratischen Staat Israel.

Jüdische Souveränität, die Palästinenser im eigenen Land als gleiche Bürger*innen bei einer gleichwohl dezidierten jüdischen Mehrheit (von 1948 bis heute ca. 75 Juden zu 20+ Prozent Arabern) sieht und sich für eine Zweistaatenlösung einsetzt, war das ganz Andere – Tausende Jahre waren Juden nur Objekte von Christen, Muslimen und allen anderen. Seit 1948 sind sie wieder Subjekte, mit allen Vor- und Nachteilen, die damit einhergehen (inklusive dem Begehen von staatlichen Verbrechen).

Diesen einzigen Judenstaat möchten die Democratic Socialists of America zerstören. Sie sind also weder demokratisch, noch sozialistisch.

Denn ohne Demokratie und Sozialismus würde es Israel gar nicht geben.

Die Trump-Basis ähnelt strukturell jener von Mamdani: einfache Fragen, einfache Antworten und sehr viel Ressentiment gegen Minderheiten, bei Trump sind es die Migranten, bei Mamdani die Juden und Israel. Beide Lager sind sehr aggressiv, sehr erfolgreich, sehr populistisch. Beide Lager haben ihre Postergirls und -boys.

Früher wären Linkszionisten für kostenlosen ÖPNV, die Enteignung von Hauseigentümer*innen und für staatliche, günstige Supermärkte etc. pp auf die Straße gegangen.

Heute gehen die Israel- und somit Judenfeinde der Mamdani-Bewegung für solche Themen auf die Straße.

Rechtszionisten (m/w/d) hassen Adorno und Linkszionisten nicht weniger als Antizionisten Linkszionisten und Maurice Isserman oder Michael Harrington von den ursprünglichen Democratic Socialists of America (DSA) verabscheuen.

Zohran Mamdani: der lächelnde Antizionist

Zurück zum dauerlächelnden neu gewählten und ab 1. Januar 2026 neuen Bürgermeister von New York City, Zohran Mamdani. Die Wahlbeteiligung lag übrigens bei 39 Prozent, was zeigt, dass der größte Teil der Bevölkerung in New York Mamdani nicht gewählt hat, was aber vermutlich für viele solcher Lokalwahlen gelten mag. In Deutschland wie in Baden-Württemberg liegt die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen auch nur bei knapp 53 Prozent – was aber schon erheblich mehr ist als 39 Prozent.

Die taz und Jonathan Guggenberger nehmen sich Mamdani und sein Dauerlächeln vor. Guggenberger ist als Kritiker des Antisemitismus bekannt. Er besuchte am Wahlabend, Dienstag, den 4. November 2025, eine Wahlparty eines „Zohran“-Fanclubs in Brooklyn. Doch das erste was auffällt bei Mamdani ist sein penetrantes Lächeln, egal zu welcher Tageszeit und egal bei welchem Thema, die taz analysiert:

Auch das steckt also bei genauerem Hinsehen in Mamdanis Lächeln: eine leichte Unsicherheit, die signalisiert, man solle seine Aussagen, seine politischen Argumente und utopischen Vorschläge, nicht zu doll kritisieren. Schließlich gelte ja der Welpenschutz.

Der erste muslimische Bürgermeister New Yorks ist jedenfalls kein Freund des einzigen Judenstaates. Die taz schreibt:

Nur seine Spötter setzten ihn online lieber mit dem iranischen Rebellenführer Ajatollah Chomeini gleich, sprachen von einem ‚Mullah-Grinsen‘, und zogen Parallelen zwischen New York 2025 und Teheran 1979, kurz bevor die islamische Revolution aus der liberalen Stadt eine klerikal-faschistische No-go-Area machte.

Die taz resümiert das Phänomen Mamdani auf interessante Weise:

Mamdani ist kein Führer, und er ist kein Ideologe. Er ist eine Projektionsfläche.

Eine Eigenschaft, die auch erklärt, warum die Mamdani-Euphorie religiöse Züge angenommen hat. Die konnte man erleben, wenn man eine der vielen Zohran-Wahlpartys am Wahltag in New York besuchte. Zum Beispiel die der Kampagnen-Fundraiser ‚Hot Girls 4 Zohran‘ in Brooklyn. Circa 300 Fans waren deren Einladung in eine queere Stand-up-Comedy-Bar gefolgt. Viele der Partygäste hatten über Monate hinweg Straßenwahlkampf für ihr Politidol gemacht. (…)

Und folgte man dem Stimmungsbarometer der Publikumsreaktionen, schien es vor allem einen gemeinsamen Nenner zu geben, der die Mamdani-Bewegung im Inneren zusammenhält: der Hass auf Israel. Den meisten Applaus bekam an diesem Abend der Slogan: ‚Get AIPAC out of the city!‘ AIPAC ist die größte proisraelische Lobbyorganisation der USA. Mit New Yorker Lokalpolitik hat die zwar wenig zu tun, trotzdem bewog dieser Slogan hier mehr als das legendäre ‚Tax the rich!‘

Im Gegensatz zu diesen eingebildeten „Hot Girls 4 Zohran“, die Juden- und Israelhass als hippen Event zu verstehen scheinen, als Spiel oder Fun und eiskalten Israelhass, waren die jungen zionistischen Frauen der Tzena, Tzena, Tzena-Zeit der 1940er Jahre, die Orangenhaine anlegten, Olivenbäume pflanzten und politisch hellwach waren, wirklich heiß: zionistisch und sozialistisch.

Ein linker muslimischer Feind des jüdischen und demokratischen Staates Israel als nächster Bürgermeister von New York City? Geht’s noch?

Von Dr. phil. Clemens Heni, ehemals Post-Doc, YALE University, New Haven, CT, USA

Die folgenden Worte sprach der Bürgermeister-Kandidat von New York City von November 2025 Zohran Mamdani, den bis vor einem Jahr nahezu niemand kannte, im Mai 2025 in einer Talkrunde in New York City, als er gefragt wurde, ob er die Existenz Israels als jüdischer Staat akzeptiere:

Israel has a right exist. It has a right to exist with equal rights for all.

Man kann sich das hier anschauen (ab Min. 32). Und das ist der wirklich ganz neue Antisemitismus – der natürlich in der taz in der ganzen Euphorie vergessen oder goutiert wird („Lichtblick in New York„), die wie alle Medien jetzt über diesen linkspopulistischen Star schreibt, ohne seinen Israelhass zu erwähnen -, in zwei Sätzen.

Warum ist das der wirklich ganz neue Antisemitismus?

Er lehnt Israel als „zionistisches Gebilde“ zwar ab, aber viel raffinierter als die meisten bisherigen Antisemiten, da er ja so tut, als ob er Israel anerkenne. Der Trick geht exakt so:

In einem ersten Schritt wird so getan, als ob Israel akzeptiert würde.

Doch in einem zweiten Schritt wir sofort klar gemacht, dass Israel nicht als jüdischer Staat akzeptiert wird – also die Zerstörung des jüdischen Staates gemeint ist.

Mamdani wurde explizit gefragt, ob er Israel als jüdischen Staat akzeptiere – und er lehnt das ab. Aber er lächelt dazu und wirkt nicht unbedingt wie ein Totschläger oder Jihadist, trotz identitärem Bart.

Und so ein Typ wird vermutlich Bürgermeister der größten und mächtigsten Stadt des mächtigsten Staates dieser Erde. Zudem ist New York City die Stadt mit der größten jüdischen Bevölkerung weltweit, viel größer als Tel Aviv oder Jerusalem.

Dieser extrem schmierige, aalglatte, aber doch auch äußerst aggressive junge, muslimische, sozialistische „Demokrat“ möchte den einzigen Judenstaat, die einzige Demokratie im ganzen Nahen Osten, offenkundig durch einen binationalen Staat ersetzen, also den jüdischen Staat zerstören.

Er machte auch mit Kopftuch tragenden, also islamistischen Frauen Wahlkampf, wie man auf Bildern sehen kann.

Das schmierige und wirklich ekelerregende philosemitische Herumeiern um zentrale Fragen im Leben – wie die Anerkennung von Israel als jüdischer Staat – bei gleichzeitiger geheuchelter Trauer ob zweier massakrierter Zionist*innen am Abend zuvor in Washington, D.C., hat dieser Bubi mit seinen 33 Jahren schon mega drauf.

Aus so einem wird etwas, er hat ein aggressives Sendungsbewusstsein wie Donald Trump.

Gleich zu Beginn des Interviews betont dieser das Volk aufstachelnde Liebling der New Yorker, dass er total entrüstet sei ob des Mordes an den zwei jungen Zionist*innen, die von einem linken Antisemiten, der auch gegen den jüdischen und demokratischen Staat Israel ist, am Abend zuvor massakriert worden waren.

Vor Beginn des Gespräches möchte der Linkspopulist in einem Statement so tun, als sei er ein Freund der Juden und natürlich gegen Gewalt. Schon da wird klar: hier hat einer die Schleimspur eines großen Politikers schon von frühauf gelernt zu produzieren.

Das kommt gut an: Sich für Juden einsetzen, Krokodilstränen vergießen ob zweier Opfer des antiisraelischen Antisemitismus, aber zugleich Israel als jüdischen Staat ablehnen.

Seine offensive Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung, die er auch in diesem Gespräch im Mai 2025 zum Ausdruck bringt, die ja keineswegs ’nur‘ den Boykott von israelischen Institutionen meint, sondern vor allem das „Rückkehrrecht“ von Millionen von Palästinenser*innen, die keine Sekunde in Palästina (bis 1948) lebten, sondern Urenkel von damals tatsächlich vertriebenen oder gegangenen arabischen Palästinensern sind, zeigt seinen antiisraelischen Fanatismus.

Zohran Mamdani ist eine große Gefahr für Juden in den USA und eine riesige Gefahr für New York City.

Es ist noch viel abstoßender und vor allem gefährlicher, wirklich gemeingefährlich und linkspopulistisch, dass er sein antijüdisches Programm mit sozialistischen Markern garniert wie einem günstigen oder kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, einem Einfrieren von Mietpreisen, staatlichen Supermärkten mit günstigen Preisen – also Sozialismus, Religion (heute: Islam) und Antisemitismus/Antizionismus koppelt.

Oh Amerika, wenn die gesamtgesellschaftliche Alternative zum Fascho und Autokraten Trump, der jetzt auch noch in die unabhängige Justiz in Israel eingreift und seinen Buddy Netanyahu freischießen möchte von einem gerechten Prozess, ein solcher antiisraelischer und somit antisemitischer Linkspopulismus ist, dann ist das Ende jedenfalls des amerikanischen Traums wirklich nah.

Und vermutlich macht „The Boss“ kein Lied gegen die Mamdamis dieser Welt, sondern nur gegen Trump…

 

 

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner