Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Peter Viereck

Dorothy Thompson (1940) und Peter Viereck (1941) über die deutsche Mentalität oder: Wie viel Romantik steckt in Olaf Scholz?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), 26. Dezember 2021

 

Die meisten Menschen laufen eher weg vom Gefängnis und von der Unfreiheit, die Deutschen aber weisen sich lieber selbst präventiv in ein Gefängnis ein, als auf rationale Weise eine Sucht zu behandeln und vor allem ihre individuelle Freiheit zu verteidigen oder zu erkämpfen. Und die dicksten Mauern und best geschmiedeten Gitter haben die deutschen Gefängnisse, die aus Wörtern bestehen.

Das ist im Kern die These von zwei der bedeutendsten Publizist*innen der 1930er und frühen 1940er Jahr in den USA: Dorothy Thompson (1893–1961) aus Lancaster in upstate New York, unweit von Buffalo und ca. 60 Meilen westlich von den Finger Lakes (die man wie den Lake Erie, den Lake Ontario und die Niagara Falls gesehen haben sollte zu Lebzeiten), die legendärste Journalistin in Amerika der ganzen 1930er Jahre, die bis zu 10 Millionen Leser*innen täglich erreichte in Dutzenden Publikationen, die ihre Kommentare und Berichte publizierten, die auf das Titelblatt der „Times“ als quasi einflussreichste Frau (nach Eleanor Roosevelt) kam, eine Thompson, die 1932 Hitler interviewte, ihn lächerlich machte (und unterschätzte) und kritisierte und dafür als erste Auslandskorrespondentin 1934 aus Deutschland verbannt wurde.

Dorothy Thompson hatte einigen Einfluss in den USA, sie war mit Bertolt Brecht, Thomas Mann, Odön von Horváth und Carl Zuckmayer bekannt und mit Letzterem befreundet, einigen konnte sie Stipendien in den USA verschaffen, oder sie nach deren Ankunft in Amerika zeitweise in ihrem Haus, wo sie mit dem ersten Literaturnobelpreisträger der USA (1930) Sinclair Lewis (1885-1951) lebte, behausen. Sie hatte eine lesbische Liebe mit der Schriftstellerin Christa Winsloe (1888–1944). Darüber hinaus jedoch vertrat Thompson eine eher herkömmliche Geschlechter-Vorstellung und sah in reaktionärer Diktion das Frau-Sein wohl doch primär als Mutter-Sein und war 1948 eine Gründerin von W.O.M.A.N – World Organization of Mothers of all Nations. Das mag als Kritik am Staatsversagen von Männern nach 1945 nachvollziehbarer Weise als weibliche Reaktion gemeint gewesen sein. Aber der Kurzschluss, dass Frauen primär Mütter seien oder sein sollten oder nur oder vor allem als solche für Frieden kämpften, was 1948 ein großes Thema war, der ist doch bis heute offenkundig. Dass es zum Frieden beitragen kann, wenn die Welt weniger bevölkert ist, das kam ihr nicht in den Sinn. Aber gleichwohl war Dorothy Thompson eine herausragende Persönlichkeit, vor allem wegen ihrer Analysen zu Deutschland.

Zudem war Thompson trotz aller Kritik an Deutschland, auf die ich unten eingehen werde, eine große Freundin der Deutschen gewesen, ganz unkritisch sah sie gerade während der NS-Zeit immer das „andere Deutschland“, wandte sich gegen den Morgenthau-Plan und die Deindustrialisierung. Sie mochte ihr Deutschland immer noch, sogar nach 1945, einem Land, das ja selbst ein Thomas Mann später nicht mehr sehen konnte und nie mehr in dieses Land zurückkam, wie Marlene Dietrich: „Deutschland? Nie Wieder!“

Dabei sind fast alle jene, die 1989 ff. „Nie wieder Deutschland“ als Parole hatten, mittlerweile regrediert und unterstützen den deutschen Staat in seiner nicht evidenzbasierten und antidemokratischen, panischen wie irrationalen Coronapolitik. Lustig ist, dass der konservative oder liberal-konservative Teil der Coronapolitik-Kritiker-Szene panische Angst davor hat, sein Deutschland zu verlieren:

Der andere bedeutende Publizist, der sich fast zeitgleich wie Thompson mit der deutschen Psyche, Philosophie, Politik, Kultur und Gesellschaft kritisch befasst hat, ist der Student Peter Viereck (1916–2006), über den ich auf Dorothy Thompson stieß. Viereck hat einen lustigen Nachnamen, er gewann 1949 den Pulitzer Preis für Lyrik und war Professor für Geschichte am Mount Holyoke College. Er hat nach 9/11 eine Neuauflage seines Buches „Metapolitics“ mit einem Vorwort angereichert, das sich mit der Gefahr des Islamismus befasst. Er ist der Enkel des Sozialdemokraten Louis Viereck (1851-1922) aus Berlin, der für die SPD im Reichstag saß, wie August Bebel aufgrund der antisozialistischen Gesetze einige Monate ins Gefängnis kam und später in die USA auswanderte. Der Sohn von Louis Viereck und Laura Viereck und Vater von Peter Viereck war George Sylvester Viereck (1884-1962).

Bevor wir uns Thompson und Viereck zuwenden, schauen wir uns an, wie 1934 von einem typischen katholischen Publizisten das „Gemeinwohl“, das Verhältnis von Individuum, Staat und ‚Volksgemeinschaft‘ dargestellt wurde. Von da aus geht es dann zurück zu Adam Müller, Novalis, den Gebrüdern Schlegel und der deutschen Romantik. Dazu werde ich versuchen, einen kurzen Blick auf die Kritik am heutigen deutschen Konservativismus zu werfen, exemplarisch dargestellt bei Ulrich Greiner und der Kritik an ihm von Wolfgang Brosche, und das zumindest in Ansätzen zu kontrastieren mit der Definition von „konservativ“ in den USA im Jahr 1940.

Eine zentrale Frage ist: Woher kommt die deutsche Vorliebe für Prävention und das Einsperren? Können wir das mit Quellen um 1800 und sodann 1940/41 beantworten?

 

In Freiburg im Breisgau gibt es seit 1976 einen „Max-Müller-Steg“. 2010 wurde der Steg für 100.000€ renoviert. Max Müller war ein katholischer Nazi, Heidegger-Schüler, euphorisch-deutscher Publizist beim Bund Neudeutschland und nach 1945 wie selbstverständlich Stadtrat (1956-60) in Freiburg und Professor für Philosophie in München sowie Freiburg. Folgende anti-individualistische Trope könnte von Olaf Scholz, Robert Habeck oder Christian Lindner oder den Zeugen Coronas bei der Zeit, dem Spiegel, der taz, der SZ, der FAZ, ja mittlerweile auch von Konkret, der jungle world, dem Freitag, der Evangelischen und Katholischen Kirche etc. stammen, es ist aber – man merkt es allerdings nur leicht, am Duktus – vom Neudeutschen Max Müller, der 1934 schrieb:

Das Gemeinwohl des deutschen Volkes besteht nicht darin, daß sich jeder Einzelne in der besten körperlichen oder seelischen Verfassung befindet und so in der Erfüllung seiner individuellen Anlagen und Bedürfnisse sich glücklich fühlt. Sondern vielmehr darin, daß das Deutschtum als solches, geformt und getragen von einer starken Gemeinschaft, nach innen hin in allen Gliedern dieser Gemeinschaft wirklich wird, daß dieses deutsche Wesen sich auf allen Lebensgebieten ausprägt und Gestalt erlangt in den Werken und Leistungen der deutschen Menschen.[1]

Das habe ich 2018 in meiner Studie „Der Komplex Antisemitismus“ zitiert und analysiert:

Man kann darin eine Rechtfertigung des blutigen Alltags des Nationalsozialismus wie auch der Konzentrationslager (KZ) sehen, denn es gehe nicht darum, dass „sich jeder Einzelne in der besten körperlichen oder seelischen Verfassung befindet“, sondern um die Stärkung des „Deutschtums“. Ein solches Volk wie das der Deutschen solle auch im Notfall zum eigenen „Untergang“ bereit sein, um das Deutschtum zu retten, was auch Christen eigen sei, wenn das „gloria dei“ nur möglich sei mit dem eigenen Untergang.[2] Ganz nationalsozialistisch gedacht, schreibt Müller von den „drei Schichten des Lebens im Menschen“, dem Menschen als „Exemplar“, als Teil einer „Rasse“ und als „Individuum“.[3] Der „Ständestaat“ sei die einzig sinnvolle, „echte Totalität und Universalität“.[4] Aristoteles wird als Kronzeuge der „Lehre von der Überordnung der Gemeinschaft über den Einzelnen“ herangezogen[5] und jede Staatlichkeit seit dem Ausgang des Mittelalters bis 1914 mehr oder weniger als Teil des Liberalismus verworfen. Als ob das Deutsche Kaiserreich oder die deutschen Länder in dieser Zeitspanne jemals liberal gewesen wären. Nur der Nationalsozialismus sei echte Staatlichkeit:

„Erst in der Staatsentwicklung und im Staatsdenken der neuesten Zeit wird der seit dem Ausgang des Mittelalters bestehende liberale Individualismus all­mäh­l­ich überwunden, und in einem neuen, völkisch fundierten Uni­ver­sa­lis­mus der echte Zusammenhang von Person und Werk im öffent­lich­en Bereich, d.h. der Zu­sammenhang von Volk und Staat wieder echt erkannt und Staat wieder als die Erfüllung bestimmten Volkstums begriffen. Dadurch wird dem Staat seine hohe Würde zurückgegeben und er dennoch an das Wesen des Men­schen, die ihn aufbauen, unlöslich normativ gebunden. (…) Der völkische Staat will seiner Idee nach keine grenzenlose Machtsteigerung, weil er von seinem Staatsbegriff aus die Berechtigung der anderen Staaten in der Erfüllung und Formung des ihnen zugeordneten Volkstums anerkennt.“[6]

Der Romantiker Adam Müller von Nitterdorf wiederum wird als Vordenker dieser „gerechten Ordnung der Staaten“ erwähnt.

 

Und jetzt lese ich wieder in „Metapolitics. From Wagner and the German Romantics to Hitler“ (1941) von Peter Viereck (1916–2006) und finde folgende Passage unten auf Seite 32 und dann auf Seite 33 oben:

Nun ist der Kanzler natürlich ein ‚Linker‘, ein ganz normaler Deutscher und ganz sicher gegen Antisemitismus, wie alle Deutschen und die „Guten“, das ist klar. Aber das sagt gar nichts aus über die tief sedimentierten Ideologeme, die wir alle in uns haben, die deutschen Traditionen, die wir alle zu beackern haben, wenn wir denn merken, dass es da etwas zu beackern gibt und Instrumente haben, die zu einer solche Bearbeitung dienlich sein könnten. Um es vorweg zu nehmen: die Idee, dass wir „noch nicht lebten“ und die große Erlösung erst noch kommen müsse, die ist der deutschen Romantik so gemein wie Marx, dem Marxismus oder den Antideutschen (bis März 2020, jetzt haben viele ihr Heil in der Impfung gefunden, für alle Zeiten, die neue deutsche Volksgemeinschaft der Antifa, SPD, Grünen, weiten Teilen der FDP, fast der ganzen CDU/CSU und fast der gesamten kulturellen und politischen Elite). Aber selbst „wir“ Kritiker*innen, so wir links dachten und immer noch denken, tragen das schwere Gepäck der deutschen Romantik mit uns herum. Ich muss mich fragen, ob das weiter unten Stehende von Dorothy Thompson und Peter Viereck auch meine politische und intellektuelle Sozialisation geprägt hat.

Daher stellt sich die Frage: gibt es eine Kritik an den deutschen Zuständen und der Fantasie, dass am „deutschen Wesen die Welt genesen“ soll, die es eben gerade auch und vor allem zuerst von Leuten gab, die wir irgendwie schnucklig, verträumt, herzig oder begeisternd fanden und lasen und rezipieren oder zu rezitieren hatten und haben in der Schule, im Bildungsbürgerhaushalt, und im Studium und bei kulturellen wie politischen Veranstaltungen in ganz unterschiedlichen rationalisierten Formen goutierten? Liegt darin ein Schlüssel zum Verständnis, warum gerade und vorneweg die Linken und Liberalen wie Jürgen Habermas so an vorderster Front stehen bei den Zeugen Coronas, der Coronareligion, die mit einem gezielten Schutz der Vulnerablen so viel zu tun hat wie die Stellungnahmen des Robert Koch-Instituts (RKI) mit Verhältnismäßigkeit, Public Health und einer demokratischen und rationalen Analyse, nämlich so gut wie nichts? Wenn aus der ach-so-staatskritischen Antifa, aus der ich selbst komme, jetzt Staatsfetischist*innen und Impf- wie BigPharma-Fanatiker*innen werden, die keinen Bezug mehr zur Realität haben, was hat das dann mit mir und den deutschen Traditionslinien zu schaffen, die Peter Viereck unter anderem an Adam Müller und dessen Staatsidee festmacht, derzufolge die Individuen ihre Freiheiten aufzugeben haben für das „sich entwickelnde Ganze“, wie oben zitiert?

Ich schrieb 2018 zu Adam Müller, ohne zu ahnen, dass ich in einer Pandemie wenige Jahre später auf ihn zurückkommen sollte:

Als ich im März 2018 im offenen Magazin der FU Berlin Bücher auslieh, entdeckte ich unter den Neu­an­schaffungen des Jahres 2018 ein Werk von Adam Müller. Das Buch steht da einfach so, die Studierenden könnten denken, es sei vielleicht ein wichtiges Buch, neu angeschafft 2018. Wer war dieser Adam Müller? Die Literaturwissenschaftlerin Susanna Moßmann, die sich Mitte der 1990er Jahre mit der christlich-deutschen Tischgesellschaft befasste, kritisiert nam­ent­lich den Antisemitismus dieses so legen­dären und für die deutsche Rom­an­tik maßgeblichen Zirkels. In seiner „letzten Rede als Sprecher der Ge­sellschaft am 18. Juni 1811“ sagte Adam Müller:

„Wir führen Krieg […] gegen die Juden, gegen ein Gezücht, welches mit wunderbarer Frechheit ohne Beruf, ohne Talent, mit wenig Muth und noch weniger Ehre, mit bebendem Herzen und unruhigen Fußsohlen, wie Moses ihnen prophezeit hat, sich in den Staat, in die Wissenschaft, in die Kunst, in die Gesellschaft […] einzuschleichen, einzudrängen, einzuzwängen bemüht ist. Vom Staat, von der Wissenschaft und von der Kunst es zurückzuweisen, stehet nicht in unsrer Macht; aber vom Hufeisen dieses Tisches es zu verbannen, das steht nicht blos in unsrer Gewalt, sondern halten wir für unsre Pflicht.“[7]

Wie weit ist es von hier zum „Stürmer“ des Nationalsozialismus? Wie weit ist es zum Sänger Heino und seinem Geschenk einer Platte mit dem Lied „Wenn alle untreu werden“ von Max von Schenkendorf von 1814 an die „Heimat“-Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach (CDU), im März 2018?[8] Max von Schenkendorf hatte dieses Lied dem berüchtigten „Turnvater“ Jahn gewidmet, der 1810 mit seinem Buch „deut­sches Volkstum“ den völkischen Ton vorgegeben hatte. Am 10. Dezember 1933 wurde unter Absingen des, auch heute noch von Heino in allen drei Strophen geliebten, Deut­sch­land­liedes (und des Horst-Wessel-Liedes) in Koblenz am Rhein der 150. Geburtstag Schenkendorfs von NSDAP-Kreisleiter Rudolf Klaeber und anderen ge­fei­ert.[9] Neben seiner deutsch-nationalen Positionierung kennzeichnen solche Auslassungen wie zu dieser allzu deutschen Tisch­ge­sell­schaft, zum antisemitischen Kern der deutschen Romantik, zu Heideggers antijüdischer wie genuin nationalsozialistischer ‚Philosophie‘[10] das Werk des Ex-K-Gruppen-Manns (KPD/AO) Rüdiger Safranski. Seinen autoritären Charakter – in seiner Dissertation 1976 an der Freien Universität Berlin (FU) war er strammer Anhänger des Marxismus-Leninismus[11] – konnte er mühelos von der K-Gruppen-Zeit in die heutige nationalistische Zeit des stolzdeutschen Wahnsinns mitnehmen.

Wie rechts diese Zeiten heute sind, zeigt eine Verteidigung Tellkamps, Safranskis und deren Kameraden und Kameradinnen durch den Ex-Feuill­e­­ton­chef der Zeit, Ulrich Greiner:[12] Keine der Äußerungen Tellkamps bei seinem Auftritt in Dresden sei „skandalös“ gewesen. Es sei erforderlich, „einander aufmerksam zuzuhören“. Greiner weiß, dass er der Rechten damit Vorschub leist­et. Der Skandal, der keiner mehr ist, liegt darin, dass er sein völkisches Ge­rau­ne nicht etwa in der Jungen Freiheit veröffentlicht, vielmehr main­strea­m­iger in der Zeit.

Wenn wir heute die Zeit als Flaggschiff der irrationalen Verteidigung der Coronapolitik wahrnehmen, wie fast alle Mainstreammedien, dann sollte nicht vergessen werden, für was die Zeit (oder Suhrkamp mit Tellkamp) schon vor 2020 standen.

Zu Ulrich Greiner hat der Publizist Wolfgang Brosche in seinem Buch „Panoptikum des Grauens. Üble Zeitgenossen, Zombies und andere neue Rechte“ (Edition Critic, 2019) geschrieben:

Der bürgerliche Konservatismus ist als Zombie der Ideengeschichte nicht totzukriegen und immer bestrebt, das freie Leben und die lebendige, der Neuerung aufgeschlossene Politik in der Entwicklung zu behindern mit einem Ziel: Grabesruhe ist die erste Bürgerpflicht. Zombies und Konservative sind Jammergestalten – manchmal gut gekleidet und mit bemerkenswerten Tischsitten, aber zumeist zähneklappernd und greinend schlurfen sie umher: heimatlos, denn sie sind noch nicht im Reich der Toten und machen noch immer das Reich der Lebenden unsicher. Wie dieses Zombietum von innen aussieht, beschreibt Ulrich Greiner in seinen „Bekenntnissen eines Konservativen“, denen er bezeichnend den Titel „Heimatlos“ gegeben hat. Mit diesem Wimmergesang exhibitioniert sich das Trauerspiel des deutschen Konservatismus.

Ulrich Greiner, viele Jahre Feuilletonchef der einstmals bürgerlich-liberalen Zeit, versucht mit diesem Büchlein auf seine alten Tage (er ist Jahrgang 1945) seinen politischen Standpunkt zu sichern und stellt mit dem Untertitel fest, dass er ein Konservativer ist und fühlt sich dabei auch ganz kommod. Was das nun sei, beschreibt er in zehn Kapitelchen (caput, lat. „das Haupt“ nicht zu verwechseln mit „kaputt“ – Verzeihung, wenn wir hier durch sind, wird man sehen, dass der Kalauer seine Berechtigung hat). Es sind Maulereien und Beschwichtigungen eines wieder fromm gewordenen, männlichen Mitteleuropäers älteren Jahrgangs. Was Greiner aufs geduldige Papier gebracht hat, beschrieb Kurt Tucholsky so: „Wenn der Mensch fühlt, dass er hinten nicht mehr hoch kann, wird er fromm und weise; er verzichtet auf die sauren Trauben der Welt. Dieses nennt man innere Einkehr. (…)

Greiner erschreckt auch die „Genderideologie“, die erhebliche Verwirrung ins herkömmliche Ehe- und Familienleben bringe. Ein nichtssagender Luftikus-Begriff aus dem Nebelwerfer-Vokabular der reaktionären Rechten, die Angst haben, man werde zum Unisex durch die internationale Homolobby verdammt und verliere dadurch die sowieso bedrohte männliche Vorherrschaft in der Vater-Mutter-Kind-Konstellation, der Keimzelle des Staates. Als das Bollwerk gegen all die erfundenen oder wirklich bedrohlichen Veränderungen betrachtet Greiner nicht nur in Sachen Kunst und Kultur, sondern vor allem in der Politik das Vergangene, den heimeligen Konservatismus, der obendrein auch noch, das bittet er sich aus, christlich zu sein hat. Kronzeugen, die er für seine konservativen Geständnisse beibringt sind die üblichen Verdächtigen der Retardierung des Denkens: Peter Sloterdijk, Botho Strauß, Sibylle Lewitscharoff und sogar Martin Mosebach… unwirsche bis frömmelnde Gegenwartsberauner bis Zukunftsverächter.“[13]

 

Und nun gehen wir zurück ins Frühjahr 1940. Der 23-jährige Peter Viereck, Student der Geschichte und Literatur in Harvard und Oxford, der, wie er betont, kaum noch Geld hat und die ideologische Blindheit der Linken („liberals“) in den USA attackiert, schreibt im Atlantic im April 1940 einen Artikel, warum er ein „Konservativer“ ist:

What do I mean by ‚conservative‘? Conservatism must include what Thomas Mann calls humanism: the conservation of our cultural, spiritual, and individualist heritage.[14]

Auch wenn Viereck hier als junger Mann schon die Post-Auschwitz-Sprache der NS-Verharmloser von heute drauf hat, die Rot und Braun gleichsetzen oder von „nationalen Sozialisten“ sprechen und damit Hitler und Stalin meinen (exemplarisch: die Prager Deklaration von 2018 und deren riesiges publizistisches, politisches und kulturelles Umfeld in Europa und den USA), und obwohl er keinen demokratischen Marxismus sich vorstellen kann, so hat er doch einiges Kritisches zu sagen. Peter Viereck wendet sich gegen seinen Vater Sylvester Viereck, einem glühenden Hitler-Anhänger schon seit Anfang der 1920er Jahre, als er den Nazi-Führer interviewte, und sieht im Konservativen gerade das Antifaschistische.

Peter Viereck wendet sich gegen den Hitler-Stalin-Pakt und möchte die westlichen Freiheiten bewahren oder konservieren. Das ist sein humanistischer und zumal individualistischer Ansatz, den er mit Thomas Mann unterstreicht. Kurz danach sollte Thomas Mann die spätere Doktorarbeit von Peter Viereck – Metapolitics[15] – von 1942 an der Harvard University, die schon 1941 als Buch erschien, wie folgt belobigen. In einem Brief an den Verlag und Mr. de la Torre Bueno vom 7. September 1941 schreibt Thomas Mann:

I have long esteemed this young author as an intellect with profound historical knowledge and keen psychological observation, and after a few samples of the book which I read in magazines, I expected much of it. To one of those samples, an essay about Wagner and National Socialism, I have given my detailed comment in Common Sense. The book as a whole, however, has still surpassed my expectations. I have read it with great interest, and consider it an excellent contribution to the critique of the German Nationalism and Racism, and with it to the clarification of the spiritual backgrounds of this war.

Of course, such a book may also have its dangers inasmuch as it lends a spiritual excuse to the actual crimes of the German Nationalism, and a sort of historic legitimacy to the political outrages of Hitler, and could thus weaken the physical defense against him. On the other hand, nothing is more important than understanding and recognition, and I consider it most meritorious how Viereck goes back to the sources of German Nationalism which is the most dangerous in existence, because it is mechanized mysticism.”[16]

Wenn Thomas Mann hier 1941 vom „mechanisierten Mystizismus“ der Deutschen spricht, dann spielt er exakt auf die Mischung aus Blut-und-Boden SA-Schlägertrupps und der kalten technokratischen SS-Elite an, die den Holocaust durchführte. Der Lebenskult der Romantik ist es, der Viereck umtreibt, den er als Gefahr und Vorläufer des neuen Deutschland untersucht. Warum, so fragt er, mochten die Deutschen die Preußen anfangs gar nicht und folgten ihnen später, nach der Reichsgründung, umso fanatischer? Weil die Preußen so „undeutsch“ gewesen seien, so auf Zucht und Ordnung und gar nicht auf Innerlichkeit, Sehnsucht und Lebensphilosophie erpicht.[17] Der romantische Aufbruch der Gebrüder Schlegel und ihrem Periodikum Athenäum (1798–1800), von 1976–1982 Namensgeber eines Verlags, „Tempel der Athene“, war einer der das „Werden“ ins Zentrum stellt, nicht das So-Sein oder Dasein.[18] Das mag als Weltbeglückungsideologie decodiert werden. Viereck geht auf Goethe ein, der nur ein klein wenig Romantiker gewesen sei und sich später von den Romantikern als „den Kranken“ gegenüber den „gesunden Klassikern“ abgrenzte.[19] Schellings „Weltseele“ ist für Viereck ein typischer romantischer Ausdruck, dass „das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile“, diese Abkehr von der euklidischen Mathematik sei „der mathematische Irrtum“ der Romantik.[20] Die Suche nach „Unendlichkeit“, ja das „ewige Suchen“ nach Halt und Sinn im Leben führt nun – und das ist der Kern der Analyse von Viereck und sogleich Dorothy Thompson – dazu, dass die Deutschen einen besonders starken Staat brauchen, der kein Werkzeug mehr ist, sondern Sinn an und für sich – gerade gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger.

Und diese Eiseskälte ist es, die sprachlich (!) heute wieder in Begriffen wie „Absonderung“ im Kontext eines Virus, das für fast alle Menschen harmlos ist, verwendet wird oder wenn Menschen an ihre Schaufenster schreiben „Ungeimpfte unerwünscht“ – was KEINE Übertreibung ist, das gibt und gab es und 2G meint ja das gleiche, nur verdruckster. Das ist eine Kälte, eine soziale Ausgrenzung, die es in der Geschichte der BRD bislang noch nicht gab und die wir alle für undenkbar hielten.

Dorothy Thompson schreibt im April 1940 in der Zeitschrift „Foreign Affairs“ einen faszinierenden Artikel:

„The Problem Child of Europe“.[21]

Der auf problematische Weise pädagogisch anmutende Titel, der von „Problemkindern“ spricht und immanent Erziehungsanstalten einem in den Sinn kommen lässt oder rigide, gar schwarze Pädagogik, wie wir sie zuletzt in nie gekannter Weise seit 1945 von Horst Seehofer (CSU) und der letzten wie der aktuellen Bundesregierung serviert und indoktriniert bekommen, soll uns vom Inhalt nicht ablenken. Dorothy Thompson hat eine „unglückliche Liebe“ zu Deutschland[22], betont, dass sowohl Goethe als auch Nietzsche Deutschland „verachtet“[23] und die Deutschen eine symbiotische Nähe zum „Fürsorgestaat“[24] hätten.

Und dann kommt sie zum Kern ihrer Analyse des deutschen Problems. Die Deutschen, von der Romantik über Wagner hin zum SS-Staat würden den Staat nicht als Werkzeug oder rationale Ordnungsmacht lieben, sondern als Zwangseinrichtung, die die zu Chaos und Anarchie tendierenden romantischen Deutschen mit ihrem sprühenden Unsinn zügeln würden. Da die Deutschen aber nicht abwarten wollen, wie man auf demokratische Weise ein Problem löst, weisen sie sich lieber wie ein Alkoholiker in ein Sanatorium ein – oder eben in ein Gefängnis:

Even prison, since it means four walls and a routine, may be attractive to him.[25]

Sobald sie aber im Gefängnis sitzen, fangen sie wieder an zu jaulen und schreien nach dem „Kosmos“ und ewiglicher Liebe und Freiheit. Goethes „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust“ werden von Thompson angeführt[26] und sie konnte es während ihrer Zeit in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik und dann ab 1933 bis zu ihrer Ausweisung 1934 kaum fassen, dass deutsche Männer bei trivialen Anlässen losheulten, was ihr als Amerikanerin oder Anglo-Sächsin peinlich oder läppisch vorkam.[27] Aber es war eine toxische Sentimentalität!

Peter Viereck hat also Dorothy Thompsons Artikel gelesen und in seine zeitgleich entstehende Doktorarbeit eingebaut. Bevor er naiver- und tragischerweise von dem möglichen Umschwung in Deutschland fantasiert (1941) schreibt er in einer herausragenden Analyse, die nicht nur Thomas Mann, sondern uns heutige Kritiker*innen des Corona-Regimes begeistern kann:

In fact, nothing is more typical of the chaotic romantic temperament than this very attempt to escape from itself into the prison of limitless authoritarianism.

Germans have a strange habit of fleeing not from prisons but into prisons.[28]

„Die Deutschen haben eine merkwürdige Art, nicht aus, sondern in die Gefängnisse zu fliehen“ – kann man die deutsche Mentalität und den Staatsfetischismus besser in Worte fassen?

Das trifft exakt of Lothar Wieler (RKI), Angela Merkel, Jens Spahn (CDU), Olaf Scholz, Frank Walter Steinmeier, Franziska Giffey, Stephan Weil (SPD), Winfried Kretschmann, Robert Habeck, Annalena Baerbock (Grüne), Bodo den Ramelow, Klaus Lederer (Die Linke), Markus Söder (CSU) und nahezu die gesamte politische und kulturelle Elite in diesem Land seit März 2020 im Zuge der Coronakrise zu, die offenbar zumal eine Romantik-Krise in Deutschland ist. Innerlich unsichere Existenzen, die keinen Halt im Individuellen, in der Rationalität, der Wissenschaft haben, die weder die Gleichheit der Menschen schätzen, noch vom juristischen Prinzip der Verhältnismäßigkeit je etwas gehört haben, Menschen, die so in Panik gebadet haben, dass sie nicht nur sich selbst, sondern alle in den Abgrund, ergo: Quarantäne, Lockdown, in den Maskenwahn und die Impfpflicht verabschieden, all diese Menschen sollten Dorothy Thompson und Peter Viereck lesen.

Viereck schreibt weiter:

Wordsworth, the English Lake-school romantic, found salvation in that same process when he reacted against the excessive freedom of his youthful ‘French ideas.’ He expressed that reaction, more perfectly than anyone before or after, in his pæn to the narrow stone ‘cell’ as the sweetest refuge from ‘the weight of too much liberty’.

‘Stone walls do not a prison make,’ or at least not nearly so unbreakable a one as – words. The cell into which generation after generation of German romantics have finally fled from liberty’s weight is a word-cell. Their cell is their fanatic faith in some rigid authoritarian dogma, whether of church or state.

This apparent paradox behind German discipline has found its most striking summary in no German writer but in America’s widest read feminine columnist [Dorothy Thompson]. ‘The German does not accept discipline because of neat love of order. He accepts it the way a drunkard delivers himself into a sanatorium. He wants some one to impose it on him because he cannot impose it on himself.’”

Diese Analyse von Dorothy Thompson ist brillant. Sie wird zu Recht als eine der bedeutendsten Warnerinnen vor dem Nazismus und als Unterstützerin der Juden vom United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C., erinnert:

Ihre Analyse und jene von Peter Viereck reichen aber weit über die Nazi-Zeit hinaus. Denn das antiwestliche Denken in Deutschland schon und gerade zu Zeiten der Romantik um 1800 ist ein tief sedimentiertes Element der deutschen Mentalität oder der politischen Kultur.

Nehmen wir heute die Diskussionen zu Corona: weil die Leute keine Selbständigkeit, kein Verantwortungsgefühl, kein rationales Denkvermögen haben, delegieren sie jede – jede – auch private Entscheidung an den Staat. Da sitzen dann die Geboosterten in ihren Wohnungen in Köln, Hamburg oder Hintertupfingen und kriegen Omikron und schließen sich in der eigenen Wohnung in das Gästezimmer ein, damit die anderen komplett und mega turbo Geimpften nicht mit ihm oder ihr in Kontakt kommen. So stark glauben die Geimpften an die Wirkung der Gentherapie, dass sie voreinander panische Angst haben wie sie noch nie im Leben vor irgendetwas Angst hatten. Gestern eine ca. 29-jährige Radfahrerin im Freien mit Maske, ganz allein. Sie will die Panik verbreiten, die sie selbst einsaugt, tagtäglich durch die Panikschleudern und Hetze-Superspreader gmx oder web oder Tagesschau, Heute-journal etc. pp.

Das Zitat von Peter Viereck zeigt aber, dass auch in England die romantische Regression und Angst vor der Freiheit ein literarischer Topos war – aber im Gegensatz zu Deutschland nie hegemonial wurde und es immer demokratische Gegenkräfte gab. Das ist der Unterschied ums Ganze zwischen dem Westen, England, Amerika, Frankreich und “Rom” auf der einen, Hermann dem Cherusker, Luther, dem ersten „SA-Stormtrooper“ (Viereck über „Turnvater Jahn“), der Romantik, Wagner und dem Nationalsozialismus auf der anderen Seite. Fünf antiwestliche “Revolten” untersucht Peter Viereck in Metapolitics.[29]

Vor allem zeigt der Corona-Diskurs seit März 2020, wie die Deutschen sich ein Gefängnis aus Worten basteln und alle reinstecken, gerade jene, die keine Panik vor einem Virus, anderen Menschen oder sich selbst haben. Und dieser Totalitarismus hat viel mit der Weltbeglückungsideologie der deutschen Romantik und der unfassbaren deutschen Angst – German angst – vor sich selbst, vor zu viel Freiheit, zu tun. Daher: Lest Peter Viereck und Dorothy Thompson.

Solange es in Deutschland keine demokratische, auf der Individualität basierende Revolution gibt, solange wird der Lockdown – Impf-Apartheid oder Impf-Pflicht sind nichts anderes als Lockdowns für die nicht mehr als Bürger angesehenen Exemplare – Alltag sein oder immer wieder werden können. In den USA gab es von Anfang an sehr starken Widerstand gegen Maskenmandate – Florida hat sie im September 2020 (!) aufgehoben und dort sind nicht mehr Menschen an oder mit Covid-19 gestorben als im fanatischen New York oder Kalifornien, ja in Florida sind Impf-Mandate, auch für Polizist*innen oder medizinisches Personal, unter Strafe untersagt – und in England gibt es weiterhin ein starkes Bürgertum und eine medizinische Elite, die sich in Teilen auch explizit mit der Arbeiterklasse gegen die Zeugen Coronas solidarisiert (Professorin Sunetra Gupta von der Eliteuniversität Oxford). All das gibt es in Deutschland nicht. Und das liegt auch an Adam Müller, Novalis, Tieck, Schlegel, Schelling, Schleiermacher, Jahn und unzähligen anderen deutschen Ideologen.

Peter Viereck analysiert den Unterschied von „individuellem Wahnsinn“, den niemand positiv würdigen würde (bis auf Hölderlin?), und einem „kollektiven Wahnsinn“, der für Deutsche gerade „keine Beleidigung“ darstelle, sondern im Sinne von Novalis „aufhört, Wahnsinn zu sein und etwas Magisches wird.“[30] Viereck ergänzt das mit Bemerkungen zum „totalitären National-Sozialismus“ bei Fichte, zu Hegels Staatsverständnis als „Organismus“ und zu Adam Müllers Ideologie, wie oben zitiert, dass „der Staat aufhöre, ein Instrumente in der Hand einer Person zu sein“ und stattdessen „selbst eine Person werde, ein frei entstehendes Ganzes“.

Es ist exakt dieses Ganze, das Olaf Scholz in seiner ersten Regierungserklärung Mitte Dezember 2021 im Deutschen Bundestag meinte.[31] Niemand kann leugnen, dass 3G, 2G und die in einer Demokratie und in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 nie dagewesene Spaltung in Geimpfte und Ungeimpfte – obwohl das laut der Pharmaindustrie (Bayer) eine „Gentherapie“ ist und keine herkömmliche Impfung und jeder Geimpfte mit der exakt gleichen Viruslast und exakt gleichen Dauer an Tagen infektiös sein kann wie ein nicht geimpfter Mensch (so das US Justizministerium und das RKI der USA, das CDC) – Realität ist. Nicht so für den Kanzler. Scholz hat einen Realitätsverlust, wenn er ernsthaft sagt:

Viel ist ja zurzeit von der angeblichen Spaltung unserer Gesellschaft die Rede. Dazu stelle ich fest: Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten.

Er kann in jedes geöffnete Restaurant gehen, in 2G-Krankenhäusern Verwandte oder Freund*innen besuchen, Sie und ich können das nicht. Weil wir eine Impf-Apartheid haben und ohne jede medizinische Evidenz Menschen nach dem Impfstatus selektiert werden. Es gibt in Mainstream-Kultureinrichtungen beschäftige Personen, die nicht Geimpfte mit einem „Blinddarm“ vergleichen und entmenschen. Diese Realität zu leugnen, ist dramatisch. Es sind ca. 12 Millionen Menschen über 18 Jahren, die nicht gegen Corona geimpft sind, so viele, wie bei der letzten Bundestagswahl SPD gewählt haben. Und die meint Scholz, wenn er sagt:

Aber was es eben heute in Deutschland auch gibt, das ist Wirklichkeitsverleugnung, das sind absurde Verschwörungsgeschichten, mutwillige Desinformation und gewaltbereiter Extremismus. Um es klar zu sagen: Eine kleine extremistische Minderheit in unserem Land hat sich von unserer Gesellschaft, unserer Demokratie, unserem Gemeinwesen und unserem Staat abgewandt, nicht nur von Wissenschaft, Rationalität und Vernunft.

Für die gesamte Bundesregierung sage ich: Wir haben Respekt vor ernst gemeinten Einwänden. Wir hören zu. Wir suchen die Debatte. Wir sind offen für Kritik und Widerspruch. Wir geben auch den Versuch nicht auf, bislang noch Zurückhaltende davon zu überzeugen, dass sie sich doch impfen lassen – mit der Kraft der Fakten, der Kraft der Vernunft oder der Kraft des besseren Arguments.

Scholz geht auf das Wort Impfpflicht nicht einmal ein. Dabei wäre eine solche das totalitärste Projekt in der Geschichte der BRD. Und eine Impfpflicht wäre ein Wortbruch von Olaf Scholz, der sich noch vor wenigen Monaten gegen eine Impfpflicht ausgesprochen hatte, wie fast alle Regierenden und Politiker*innen. Er sagt auch nicht, dass sich der Ex-Bundesinnenminister Otto Schily, der auch aus der SPD ist, vehement gegen eine Impfpflicht ausspricht, wie auch führende Rechtswissenschaftler*innen wie Professorin Katrin Gierhake von der Universität Regensburg, kritische Richter und Staatsanwälte (eine Impfpflicht verstößt gegen die Würde des Menschen und 1 Abs. 1 GG, auch, da statistisch aufgrund der Erfahrungen von 2021 ganz sicher ist, dass die Impfung („Gentherapie, so Bayer“) zu vielen Todesopfern führen wird, da wir schon jetzt die offiziellen Nebenwirkungen und über 1400 Tote alleine in Deutschland haben) und viele weitere gewichtige bürgerliche, linke, liberale Stimmen, vorneweg wesentliche Teile der FDP-Bundestagsfraktion um Kubicki. Die alle unter „Wirklichkeitsverleugnung“ mehr oder weniger zu subsumieren, ist an Unverschämtheit und unwissenschaftlicher Agitation nicht zu überbieten.

Nun: Es gibt Nazis, Esoteriker*innen und Leute, die jede Impfung aus irrationalen und antiwissenschaftlichen ablehnen, das ist eine große Gefahr. Daher habe ich mich auch in vielen Texten gegen Rechtsextremismus, Verschwörungswahnwichtel, Antisemiten und Esoteriker*innen in der Coronapolitik-Kritiker*innen-Szene gewandt und sie namentlich und öffentlich kritisiert. Aber darum geht es Scholz gar nicht primär. Denn wenn wir 12 Millionen Nazis hätten, sähe dieses Land anders aus, das weiß der SPDler. Das wäre eine politische Katastrophe. Also vermischt er die marginale Gruppe von totalen Impfgegnern und Rechtsextremisten mit allen Kritiker*innen der Gentherapie, die als Impfung verkauft wird und schon viele Tausende Tote in den USA, Europa und Deutschland, weltweit verursacht hat. Es handelt sich um Impfschäden, wie es sie in ihrer Häufigkeit und Schwere in den letzten 50 Jahren weltweit nicht gegeben hat. Und vor allem: kaum jemand unter 65 oder 70 ist von Corona stark bedroht, wer das behauptet, sagt absichtlich die Unwahrheit.

Damit meint Scholz also in seiner Rede alle nicht Geimpften – dass die Impfung kaum wirkt und ohnehin nur für alte und vorerkrankte Menschen sinnvoll sein kann, dazu kein Wort. Es gibt also viele Linien vom Staatsfetischismus von Olaf Scholz zurück zu einem Adam Müller und vielen Ideologemen der deutschen Romantik, die sich gegen das Individuum und für das große Ganze, gar die Weltseele einsetzten. Da die Deutschen Angst vor sich selbst haben, vor dem Anarchischen in ihnen, sperren sie sich gerne ein – und wie zitiert bei Peter Viereck sind die dicksten Mauern und sind die sichersten Gefängnisse jene, die wir mit Worten bauen, „wir“ Deutschen. Und das verlangt Kritik, intellektuelle Kritik an den deutschen Traditionen und Ideologemen. Ironischerweise könnte es sein, dass Bauern in Bayern oder sonstwo, die in vielen Bereichen sicher alles, nur nicht fortschrittlich oder gar antideutsch denken, weniger staatstragend sind als die hippe, urbane, irrationale Masse der Vollgeimpften und Gentherapie-Abonnent*innen.

***

Schließen möchte ich diesen Essay mit Thomas Mann, der 1948 angesichts eines Beschlusses der USA, ihre Zustimmung zur Errichtung eines jüdischen Staates zurückzuziehen, sich klar auf die Seite der Juden schlug, wie schon die ganze Zeit seit 1933 und schon zuvor, obwohl auch zumal im Frühwerk Manns gewisse sprachliche antijüdische Elemente decodiert werden können.[32] Als es darauf ankam, stand Thomas Mann an der Seite der Juden, angesichts von Auschwitz und angesichts der Vernichtungsdrohungen der Araber gegenüber Israel.

Es mag durchaus als eine Rationalisierung seines Ressentiments gegen Politik (und seiner Zustimmung zum Gemetzel im Ersten Weltkrieg, „Betrachtungen eines Unpolitischen“, 1915–1918) gelesen werden, was der Literaturnobelpreisträger und berühmteste deutsche Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts hier am Ende dieses Zitats mit Flaubert sagt – und was wir auf die unfassbare Coronapolitik, ihre biopolitischen und demokratiefeindlichen, gesundheitsschädlichen Dimensionen münzen können:

Was man den Juden nun raten, wozu sie ermutigen soll, ist eine Frage voller Verantwortung. Ich überlasse es anderen, sie zur verzweifelten Fortsetzung des Blutvergießens, zur Verteidigung ihres schon etablierten Staates mit den Waffen anzuspornen – unter dem berühmten Embargo natürlich, das den Arabern Waffen gewährt, ihnen aber nicht. Es mag der empörte Aufschrei der moralischen Welt zur Revision des schimpflichen Beschlusses führen. Wo nicht, so wäre erwiesen, daß die ungeheure Enttäuschung aller Hoffnungen auf eine bessere, gerechtere Welt schon zur Apathie, zur dumpfen Ergebung der Menschheit in das heraufziehende Unheil geworden ist, und uns geistigen Menschen bliebe als letzte Form des Protestes nur der Hohn Flauberts, des Menschenverächters:

‚Ah le progrès, quelle blague! Et la politique – und belle saleté!‘[33]

[„Ah, der Fortschritt, was für eine Plage! Und die Politik – was für ein schöner Dreck!“]

Mit Thomas Mann, Dorothy Thompson und Peter Viereck gegen die irrationale Coronapolitik. Es gibt schlechtere Verbündete.

Und dazu für uns Punk-Rocker natürlich wie immer Erich Mühsam, der jüdische Anarchist, den die Nazis 1934 im KZ Oranienburg ermordeten:

 

[1] Müller (1934): Staat, in: Werkblätter, 7. Jg., Heft 3, Oktober, S. 129–141, hier S. 129.

[2] Ebd., S. 130.

[3] Ebd., S. 131.

[4] Ebd., S. 135.

[5] Ebd., S. 137.

[6] Ebd., S. 140.

[7] Adam Müller, Rede vor der Tischgesellschaft am 18. Juni 1811, zitiert nach Susanne Moßmann (1996): Das Fremde ausscheiden. Antisemitismus und Nationalbewußtsein bei Ludwig Achim von Arnim und in der „Christlich-deutschen Tischgesellschaft“, in: Hans Peter Herrmann/Hans-Martin Blitz/Dies., Machtphantasie Deutschland. Nationalismus, Männlichkeit und Fremdenhaß im Vaterlandsdiskurs deutscher Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 123–159, hier S. 144.

[8] https://www.focus.de/kultur/musik/nach-nazi-kritik-heino-verteidigt-sich-die-lieder-koennen-doch-nichts-dafuer_id_8656894.html.

[9] Erich Mertens (1988): Neue Beiträge zu Max Schenkendorfs Leben, Denken und Dichten, Koblenz: Stadtbibliothek Koblenz, S. 101 f.

[10] Faye 2009. Zu Heideggers Antisemitismus und seinem Weißwäscher und Epigonen Peter Trawny vom Martin-Heidegger-Institut der Bergischen Universität Wuppertal, https://www.heidegger.uni-wuppertal.de/ (15.08.2018), siehe Michèle Cohen-Hali­mi/Fran­cis Cohen [2015]/(2016): Der Fall Trawny. Zu Heideggers Schwarzen Heften. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort ver­sehen von Oliver Precht, Berlin/Wien: Turia + Kant.

[11] Auf der letzten Seite heißt es: „Eine solche Literatur, die im Leninschen Sinne als ‚Rädchen und Schräubchen‘ einer entwickelten revolutionär-kommunistischen Parteiarbeit fungieren könnte, gibt es noch nicht“ – Rüdiger Safranski (1976): Studien zur Entwicklung der Arbeiterliteratur in der Bundesrepublik. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie dem Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vorgelegt von Rüdiger Safranski aus Rottweil, S. 270.

[12] Ulrich Greiner (2018): Zweierlei Maß, Die Zeit, 22.03.2018, S. 46.

[13] Wolfgang Brosche (2019): Panoptikum des Grauens. Üble Zeitgenossen, Zombies und andere neue Rechte, Berlin: Edition Critic, S. 12–14.

[14] Peter Viereck (1940): But I’m a Conservative, The Atlantic, https://www.theatlantic.com/magazine/archive/1940/04/but-im-a-conservative/304434/.

[15] Peter Viereck (1941)/2004: Metapolitics. From Wagner and the German Romantics to Hitler. Expanded edition. With a new foreword by the author, New Brunswick / London: Transaction Publishers.

[16] Thomas Mann (1941): Letter from Thomas Mann, in: Viereck 2004, S. lx–lxi.

[17] Viereck 1941, S. 26f.

[18] Ebd., S. 28.

[19] Ebd.

[20] Ebd., S. 29ff.

[21] Dorothy Thompson (1940): The Problem Child of Europa, Foreign Affairs, Vol. 18, No. 3, April 1940, S. 389–412.

[22] Ebd., S. 397.

[23] Ebd., S. 398.

[24] Ebd., S. 393.

[25] Ebd., S. 399.

[26] Ebd.

[27] Ebd., S. 399f.

[28] Viereck 1941, S. 27.

[29] Ebd., S. 10–15.

[30] Ebd., S. 33.

[31] Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2021 in Berlin:  https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/regierungserklaerung-von-bundeskanzler-olaf-scholz-1992008.

[32] Yahya Elsaghe (2000): Die imaginäre Nation. Thomas Mann und das ‚Deutsche‘, München: Wilhelm Fink Verlag; Yahya Elsaghe (2004): Thomas Mann und die kleinen Unterschiede. Zur erzählerischen Imagination des Anderen, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag.

[33] Thomas Mann (1966): Gespenster von 1938, in: Ders., Sieben Manifeste zur Jüdischen Frage 1936–1948, Darmstadt: Joseph Melzer Verlag, S. 83–85, hier S. 84f.

 

Liebende in New York City oder: Gegen das stolzdeutsche Nationalmannschaftsgeschwafel von der „Heimat“ – von Edgar Reitz über Robert Habeck zu Cem Özdemir: die Antiquiertheit von Ernst Bloch …

Von Dr. Clemens Heni, 7. März 2018

Update, 13.12.2018 (Zudem teilweise neu publiziert hier)

Alle sind ganz ergriffen und wollen dabei sein, wenn es um das deutsche Wort seit den späten 1970er Jahren schlechthin geht: Heimat. Niemand wollte und will sich das Wort und das Gefühl für Deutschland von den „Bösen“ (Nazis, Juden, Amerikaner) wegnehmen lassen. Es läuft also ein Wettkampf der guten Deutschen, die besser sein wollen als die Alternative für Deutschland (AfD). Dass es überhaupt um Deutschland geht, das ist als nationales Apriori gesetzt. Von Edgar Reitz über Martin Walser[1] zu Norbert Lammert: alle sind sie stolz auf die Leistungen dieses Landes.

Edgar Reitz: Heimat, 1984

Das Wort Heimat ist nicht übersetzbar und wurde im Herbst 1984 durch die monumentale Fernsehserie „Heimat“ von Edgar Reitz – es geht um das Leben zwischen 1918 und 1982 in einem Dorf im Hunsrück, Rheinland-Pfalz – zu dem Stichwort neudeutscher Ideologie schlechthin:

„Nach der Terroristenverfolgung im Deutschen Herbst 1977, die eine volksgemeinschaftliche Dimension hatte und gefährliche Topoi wie ‚Sumpf‘ oder ‚Sympathisant‘, dem gerade nichts ‚nachgewiesen werden kann, und der deshalb schuldig ist‘, generierte, wird diese Formierung nach innen nun offenbar festgezurrt. (…) Das Schweigen sollte endlich gebrochen werden – jedoch nicht das über die deutschen Vernichtungsaktionen während des Nationalsozialismus oder jenes über das ‚zugedeckte‘ Wissen um Arisierungen in der Nachbarschaft, nein: Nationalismus – die nationale Frage‘ – sei zu Unrecht ‚zugedeckt‘ gewesen und müsse nun auf die nationale Tagesordnung der BRD. Deutschland kurz vor dem ‚Ende der Schonzeit‘, dem ‚Ende des Schonbezirks‘  für Juden oder gar schon mittendrin? Die die Erinnerung an die jüdischen Opfer des deutschen Vernichtungswahns bewahrende und überhaupt erstmalig massenhaft ins Bewusstsein bringende vierteilige TV-Serie Holocaust [vom Januar 1979] konnte nicht verhindern, dass die wenige Monate zuvor, als schon kräftig über die mögliche Ausstrahlung von Holocaust im deutschen Fernsehen gestritten wurde [was zur Folge hatte, dass die Serie nicht im Ersten, sondern nur in den Dritten Programmen der ARD lief], aufs deutsche (Bildungs-) Tableau gesetzte ‚deutsche Frage‘ weiterhin die politische Kultur nachhaltiger prägen sollte als das vorübergehende Reden über Holocaust. Der national orientierte Filmregisseur Edgar Reitz erklärte, dass gerade diese Serie ihn zu einem deutschen Film, ‚Heimat‘, bewogen habe, alles ‚made in germany‘:

‚Der tiefste Enteignungsvorgang, der passiert, ist die Enteignung des Menschen von seiner eigenen Geschichte. Die Amerikaner haben mit Holocaust uns Geschichte weggenommen.‘“[2]

Auf diesem Heimatdiskurs basieren alle seitherigen. Die ach-so-anständigen Deutschen – bei Lammert ist es Richard von Weizsäcker[3] – hat der Publizist Eike Geisel 1994 in einer Kritik an Kurt Schumachers (erster Vorsitzender der SPD nach 1945) pro-deutscher Ideologie von 1946 im Visier:

„In Deutschland war es nicht einmal nötig, ‚die wirklich Schuldigen vor dem Zorn der Leute zu schützen‘, wie Hannah Arendt 1950 in einem Bericht über die Nachwirkungen der Naziherrschaft notierte. ‚Diesen Zorn gibt es nämlich heute gar nicht, und offensichtlich war er auch nie vorhanden.‘ Zu dieser Zeit hatten die Sozialdemokraten das Wirtschaftswunder noch vor, ein anderes Wunder aber bereits hinter sich, nämlich ‚das eine große Wunder, daß nach zwölf Jahren Diktatur noch so viele Menschen anständig geblieben sind‘ (Kurt Schumacher 1946).“[4]

Cem Özdemir und die „gute“ Heimat, 2018

Sprung ins Jahr 2018, von der BRD ins neue Deutschland: Es gibt kaum einen besseren Indikator für die politische Kultur in diesem Land, wenige Monate nach dem Einzug der rechtsextremen AfD in den Deutschen Bundestag, als die Rede des Grünen Cem Özdemir in jenem Parlament am 22. Februar 2018 und die überschwängliche Begeisterung derer, die sich im Anti-AfD-Lager befinden. Aufhänger für die neuen Nazis im Bundestag waren vorgeblich „antideutsche“ Texte des Journalisten Deniz Yücel, der dank des Einsatzes der Bundesregierung aus dem Gefängnis in der Türkei entlassen wurde. Zu Recht attackierte Özdemir in seiner Wutrede am 22. Februar 2018[5] die AfD als „Rassisten“, attackierte lautstark die rassistische Hetze gegen ihn, den die AfD am liebsten „abschieben“ wolle, während er aber natürlich ein Deutscher aus „Bad Urach“ ist. Das ist alles sehr gut und treffend. Özdemir sagte aber auch:

„Wie kann jemand, der Deutschland, der unsere gemeinsame Heimat so verachtet, wie Sie es tun, darüber bestimmen, wer Deutscher ist und wer nicht Deutscher ist? (…) Sie verachten alles, wofür dieses Land in der ganzen Welt geachtet und respektiert wird. Dazu gehört beispielsweise unsere Erinnerungskultur, auf die ich als Bürger dieses Landes stolz bin. (…) Dazu gehört – das muss ich schon einmal sagen; da fühle ich mich auch als Fußballfan persönlich angesprochen – unsere großartige Nationalmannschaft. Wenn Sie ehrlich sind: Sie drücken doch den Russen die Daumen und nicht unserer deutschen Nationalmannschaft. Geben Sie es doch zu!“

Gerade den aggressivsten Nationalisten, die jemals in solch einer Fraktionsstärke im Bundestag gesessen haben, vorzuwerfen, nicht deutsch-national genug zu sein, ist völliger Blödsinn. Es ist eine absurde Idee und wird exakt auf jene zurückschlagen, mit schwarzrotgoldenem Fanatismus, wie wir ihn namentlich und verschärft seit dem ach-so-zarten „Sommermärchen“ 2006 alle zwei Jahre erleben, die eben tatsächlich nicht für dieses Land mitfiebern, sondern für seine sportlichen Konkurrenten zum Beispiel, oder denen das schnuppe ist. Und das Argument, quasi „Volksverräter“ zu sein, kann bei Nazis nur dazu führen, dass bei nächster Gelegenheit die Anti-AfDler mal wieder als solche bezeichnet werden. Heimat ist auch für Neonazis von allerhöchster Bedeutung.[6]

Selbstredend hat Özdemir recht, wenn er sich gegen die Hetze gegen das Holocaustmahnmal aus dem Munde von Björn Höcke wendet, was aber wiederum gar nichts darüber aussagt, was für eine stolzdeutsche Ideologie in diesem Mahnmal, zu dem man „gerne gehen soll“ (Gerhard Schröder), und wieviel Degussa-Material darin steckt.

Warum Stolz auf die deutsche Erinnerungskultur? Eine „Kultur“, die es gar nicht ohne die sechs Millionen von Deutschen ermordeten Juden geben könnte?

Stolz zudem auf die Verdrängung der deutschen Verbrechen bis in die 1980er Jahre hinein und dann das unerträgliche Eingemeinden der jüdischen Opfer mit SS-Tätern in Bitburg durch Bundeskanzler Helmut Kohl und später die Trivialisierung des Holocaust durch Typen wie den späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck, der den Kommunismus wie den Nationalsozialismus als ähnlich schrecklich empfindet und Beiträge in den Holocaust verharmlosenden Büchern wie „Roter Holocaust“ (Herausgeber war der Historiker Horst Möller, 1998) publizierte und 2008 die aus dem gleichen totalitarismustheoretischen und Auschwitz nivellierenden Eichenholz geschnitzte Prager Deklaration unterschrieb? Stolz auf ein Land, das derzeit Phänomene erlebt wie Dorfbevölkerungen in Rheinland-Pfalz oder in Niedersachsen, die mit Hitlerglocken oder Nazi-Glocken in ihren Kirchen kein Problem haben, ja stolz auf die lange Tradition sind?

Das sind nur einige wenige Elemente der Kritik, warum Özdemir einen großen Fehler begeht, wenn er ernsthaft meint, Nazis rechts überholen zu können mit noch mehr Stolz auf Deutschland und namentlich auf dessen „So geh’n die Deutschen“[7]-Fußballnationalmannschaft (2014). Das „Sommermärchen“ 2006 war absolut grundlegend für den schwarzrotgoldenen Wahnsinn von Pegida im Oktober 2014 bis zum Einzug der AfD in den Bundestag und bis heute.[8]

Das Bittere, das so gut wie niemandem auffällt, an Özdemirs Vorwurf an die Nazis, doch nicht deutsch genug zu sein, hat wiederum Pohrt schon am Beispiel eines Textes vom 14.5.1982 in der taz untersucht, dessen Autor Hilmar Zschach die Nazivergangenheit des schleswig-holsteinischen Landtagspräsidenten Helmut Lembke erwähnt, aber das als untypisch für die feschen Schleswig-Holsteiner abtut. Pohrt kommentierte:

„Die gemeinsame völkisch-nationalistische Basis bringt Linke und Rechte dazu, einander undeutsche Umtriebe vorzuwerfen. So irrational, wie die Kontroverse dann geworden ist, so mörderisch sind auch ihre potentiellen Konsequenzen. Es geht eigentlich darum, den Volkskörper von volksfremden Elementen zu säubern, damit endlich das andere, das wahre Deutschland erscheine. Unter dieser Voraussetzung ist es gleichgültig, ob die ‚Antifaschisten‘ oder die Faschisten gewinnen, denn die Verlierer werden allemal Leute sein, die keine Lust haben, sich Deutsche zu nennen.“[9]

Das zeigte sich dann auch bei einem Plattdeutsch redenden Bundestagsabgeordneten im Februar 2018, der die Lacher auf seiner Seite hatte und der AfD zu wenig Deutsch-Sein vorwarf, weil sie die deutsche Sprache in der Verfassung verankert wissen will. Was der MdB nicht sagte: auch unter den Nazis war der Stolz auf die Mundarten enorm, gerade als Teil des ‚Volkskörpers‘. Gab es nicht beim Film „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl einen Einzug der Regionen (und somit auch der Dialekte)?[10]

Das alles wird die AfD sicher bei nächster Gelegenheit hervorkramen, denn zu wenig Deutsch-Sein wird sie sich nicht vorwerfen lassen, on the long run.

Robert Habeck, tote Wale, Narzissmus und Heimat

Ein anderer Grüner, der jetzt einen „linken Patriotismus“ (S. 59) einfordert, namentlich „Schrebergärten“, und sein Spießerleben jauchzend anpreist, ist Robert Habeck. In seinem Buch von 2016 „Wer wagt beginnt. Die Politik und ich“ zeigt sich sein Narzissmus, der auch nicht davor zurückschreckt, tote Walkadaver, die er im Wattenmeer in der Nordsee aufsuchte, für sein Erweckungserlebnis zu benutzen, um weiter in der Partei der Grünen Karriere zu machen (S. 286):

„Es wurden dicke Seile um die Schwanzflosse geschlungen und Bagger schleiften die Wale dann zum Deich, von wo aus die Wale in die Tierkörperbeseitigung transportiert würden. Einer der Bagger fuhr sich fest und Pressetross und Mitarbeiter scharten sich um die Matschkuhle, in der er steckte. Kurz achtete niemand auf mich. Da schlich ich mich von dem geschäftigen Treiben weg und stapfte allein raus ins Watt, wo die restlichen Walkadaver lagen. Dieser Gang, diese halbe Stunde alleine im Watt, in der ich alle Zeitpläne durcheinanderbrachte und die Presse warten ließ, veränderte noch einmal etwas für mich. Es war nicht so, dass ich an mir und meiner Entscheidung, zur Urwahl anzutreten, gezweifelt hätte. Viele Fragen waren ungelöst. Die Auswirkungen meiner Kandidatur für die Landtagswahl waren unklar. Viele Leute, darunter enge Freunde, provozierte ich damit und brachte ihren Ehrgeiz und ihre Lebensplanung durcheinander. Einige hatten mich inzwischen gebeten, nicht zur Urwahl anzutreten. Oft genug lag ich nachts wach und dachte alles durch und wieder durch. Aber jetzt, hier im Watt zwischen den toten Walen, sortierte sich wieder, was richtig und wichtig war.“

Was sich anhört wie eine präpubertäre Geschichte eines Nordsee-Lüttjen, hat der 1969 geborene Habeck (lt. Buchumschlag hat er im Jahr 2000 eine „Promotion zum Doktor der Philosophie“ vorgelegt) ernsthaft so geschrieben und publiziert: Er geht über Leichen, das wird auf geradezu obszöne Weise in dieser für ihn so wichtigen Szene im Wattenmeer deutlich. Das spricht für eine rosige Karriere in diesem Land. Grenzenlose Ich-Verliebtheit ist Kennzeichen dieser neuen, eher yuppimäßigen, denn nazistischen Heimatliebhaber, die sich aber gegenseitig die Bälle zuspielen. In einem Interview mit dem Stern fabuliert Habeck im Januar 2018:

„Stern: Die AfD redet auch gern über Heimat. Als Ort, der verloren geht.

Habeck: Ernst Bloch hat mal gesagt: Heimat ist das, was allen wie die Kindheit scheint und worin noch niemand war. Das meine ich mit Versprechen oder Utopie. Das ist der Denkfehler der AfD: die Verklärung einer Vergangenheit, die es so nie gegeben hat. Früher war eben nicht alles besser, auch wenn die Menschen das seit der Vertreibung aus dem Paradies gern glauben.“[11]

Diese völlig ahistorische Äußerung zeigt nur, dass Habeck gar nicht mitbekommt, was in diesem Land passiert. Die AfD ist stolz auf die deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen, darum geht es. Diese Vergangenheit gab es sehr wohl. Und sie sind stolz darauf. Und dieses Lob eckt in Deutschland auch nicht an, da es ein Großteil des Landes teilt, oder eben absichtlich weghört wie Habeck.

Die Antiquiertheit von Ernst Blochs Heimat

Dieses Herauskramen von Blochs letztem Wort aus dem „Prinzip Hoffnung“ – „Heimat“ – ist seit Jahrzehnten bei jenen Linken, die Dissidenz und Kritik nicht wirklich radikal, sondern affirmativ verstehen, en vogue.

Mit Ernst Bloch ging der neue Heimat-Diskurs der „Linken“ los, nicht mit seinem „Prinzip Hoffnung“, sondern weit populärer zum damaligen Zeitpunkt mit dem „Kursbuch“, jener Zeitschrift, die immer ganz nah am links-deutschen Zeitgeist war.

Das Heft 39 von April 1975 hatte das Thema „Provinz“ und darin gleich zu Beginn ein Gespräch mit Ernst Bloch, wo dieser resümiert:

„Schön, das wäre ja Wasser auf meine Mühle, daß Ungleichzeitigkeit nicht nur schlecht war. Ja, es gibt – oder gab – eine deutsche Mentalität, etwas, das nur eingehakte Liebespaare auf einer Pappelallee empfinden können – eine typisch deutsche Situation, wo keine Autos sind usw. Romain Rolland hat von französischer Sehnsucht her den Roman Jean Christophe geschrieben und darin, Deutschland betreffend, das Wort geprägt: ‚Der traumtrübe Strom, aus dem Europa trank‘ – wobei ich auf das Trübe weniger Wert lege als auf das Traumhafte, das darinsteckt in der ehemaligen deutschen Kultur – man nehme nur die deutsche Romantik oder die deutsche Musik. Dieses Wach-Traumhafte ist ein spezifisch deutsches Erbe. Und das müssen wir uns zurückholen, wir müssen also wieder deutsche Phantasie in den Marxismus bringen. Die Verschmelzung von Phantasie und Marxismus ist etwas, das in Deutschland besonders viel Material gefunden hat, aber beinahe täglich immer weniger findet.“[12]

Die Liebe, die Menschen morgens um halb sechs auf der Fifth Avenue in New York City bei Sonnenaufgang zu den Klängen einer Hardrock-Band, die sich vor einem der Skyscraper aufgebaut hatte, empfinden mögen, ist dann wohl nicht nur undeutsch, sondern suspekt (und links könnte sie gar nicht sein, inmitten des Herzens des von Autos umspülten Imperialismus!). Dieser antiurbane Tübinger Provinzialismus, der zudem den deutschen und antisemitischen Kern der deutschen Romantik von Arndt über Jahn bis Wagner entwirklicht,[13] war also auch noch der letzte Schrei des Marxismus Mitte der 1970er Jahre – und ist es bis heute.

Der Publizist Wolfgang Pohrt hat Anfang der 1980er Jahre Bloch und den Heimatfimmel kritisiert:

„So ist die gegenwärtige unter deutschen Linksintellektuellen weit verbreitete Neigung, gemeinsam mit Bloch im Heimatgefühl einen metaphysischen guten Kern, ein prospektives Moment zu entdecken, kein Ausdruck einer neuen Erkenntnis, sondern ein ideologischer, fast instinktiver Reflex auf die veränderten eigenen Lebensumstände, zu deren tragenden Säulen nun der Beruf, Familie und Kinder, Möbel und Bibliothek, Wohnung und Eigenheim geworden sind, Dinge also, die deshalb, weil sie auf dieser Welt nicht selbstverständlich sind, als Privilegien legitimiert und verteidigt werden wollen und folglich ihren Besitzern einen emotionalen Schutz- und Trutzbund abverlangen, nämlich das Heimatgefühl – ein Gefühl, welches als sublimierter Trieb, das als eigenes Jagdrevier beanspruchte Terrain durch Hinterlassen von Duftmarken zu okkupieren, rein logisch zwischen der berechtigten und der unberechtigten Anwesenheit auf einem Fleckchen Erde unterscheidet und namentlich von den Rechtsradikalen in diesem Sinne verstanden und benutzt worden ist, nämlich als Mittel zur Selektion und Vertreibung, zur Vertreibung derer, die in der Bundesrepublik leben, ohne hier auch beheimatet zu sein (…).“[14]

Wenn die Deutschen ihrer Vergangenheit eine Zukunft geben wollen, sagen sie „Heimat“. Schon um 1980 herum vereinte dieses Wort ökologische Wendland-Hippies, Sonnen- wie SS-Runen-Anbeter*innen, Neue Rechte und alte Linke. Pohrt hatte das Anfang der 1980er Jahre seziert:

„Den Häuserkampf sah man als Winterhilfswerk mit anderen Mitteln, und in seinen Protagonisten witterte man, mit feiner Nase für den Stallgeruch, die Trümmerfrau. Auch dort, wo die Jugend dem Staat entgegentritt, um wie in Gorleben mit Klampfe, Erbswurst, Ringeltanz und anderem deutschen Brauchtum den Thingplatz ihrer neugermanischen Wendenrepublik zu verteidigen, leistet sie Widerstand nur im übergeordneten nationalen Interesse. Die alten Neulinken haben unterdessen ihre patriotischen Gefühle entdeckt und diskutieren über die Wiedervereinigung. Volkslied und Mundart haben Konjunktur, man spricht viel von der Heimat, in der Frauenbewegung breitet sich Gebärfreude aus. Das Land hat also wieder eine Zukunft – eine Zukunft für seine Vergangenheit.“[15]

Während es auch 2018 bei den extrem Rechten kein Wunder ist, dass sie auf den Schmalz aus Heidi, Kitschpanorama und völkischer Uniformität wie althergebrachter Tradition stehen, soll es bei den anderen Genannten gerade Zeichen der Kritik an der extremen Rechten sein. Man dürfe den Nazis doch nicht die Hoheit über Begriffe überlassen, raunt es wie früher. So fantasiert Roberto J. De Lapuente im Neuen Deutschland,[16] den Rechten dürfe man den Heimatbegriff nicht überlassen und überhaupt wäre es ja neoliberale Ideologie, dass alle Menschen ortlos seien und umherzögen. Was jedoch das Wohnen an bestimmen Orten mit dem immer vagen, immer völkisch aufladbaren Heimatbegriff zu tun haben soll, kann er nicht erklären.

So kontert auch Alexander Nabert und erinnert daran: „links ist da, wo keine Heimat ist“.[17] Und zwar auch keine prospektive, wie es der Marxist Bloch meinte.

Auschwitz brachte Bloch nicht davon ab, weiter vom „Prinzip Hoffnung“ zu reden und 1600 Seiten dazu zu schreiben (zwischen 1938 und 1947). Eschatologie kann die Sinnlosigkeit der Welt nach Sobibor nicht wegreden. Der Philosoph Günther Anders hat Bloch – den er gleichwohl schätzte und ihm seinen „Blick vom Mond“ 1970 widmete – auch deswegen kritisiert, weil Bloch in der Tat nicht verstand, dass die Menschheit nur noch eine Frist zu leben hat. Im Atomzeitalter, das in den 1950er Jahren, zu Zeiten der Publikation des „Prinzips Hoffnung“ in der DDR wie dann in der BRD, wie heute existiert, gibt es nur noch ein „Gerade-noch“, kein „Noch-Nicht“. Anders, damals noch mit bürgerlichem Namen Günther Stern, hatte sich selbst als 16jähriger am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 in einer Art „messianischer Geschichtserwartung“[18] wiedergefunden und 1978 dazu geschrieben („Die Antiquiertheit der Geschichte I“):

„Deren letzten Vertreter war der professionelle Hoffer Ernst Bloch gewesen, der sich durch kein Auschwitz und kein Hiroshima einschüchtern oder enttäuschen ließ.“[19]

Nochmal Anders, 1982:

„Chormusik, vor allem a capella-Gesang, gaukelt uns eine angeblich harmonische Gemeinschaft vor, die es nirgendwo gibt, gegeben hat, geben wird. Der strahlende Dur-Akkord ist nicht, wie Bloch in seiner Unfähigkeit, nicht zu hoffen, glaubt, ‚Vorschein‘ eines künftigen Zustandes, sondern bloßer Schein und lügenhafter als die verlogenste Ideologie.“[20]

Die Deutschen sind 1945 „sehr glimpflich davongekommen“

Und dann erinnern ja die Deutschen jedes Jahr mit enormer Penetranz an den Bombenkrieg, kaum eine größere Stadt sei verschont geblieben und diese oder jene Stadt sei „platt“ gemacht worden, nicht nur Dresden. Regelmäßig gibt es Räumaktionen für nicht explodierte Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, was dann viele Deutsche daran erinnert, wie schlimm es ihnen damals angeblich erging.

Kaum wird erörtert, dass dieses Land extrem gut davongekommen ist, wie der Publizist Jochen Köhler 1988 schrieb:

„Eines muß klargestellt werden: Die Deutschen kamen sehr glimpflich davon. Es dabei zu belassen, das unheilschwangere Wespennest so zu zerteilen, daß die beiden Resthälften halbwegs intakt weiterbestehen und über kurz oder lang auch noch prosperieren konnten, entsprach einer konstruktiven und ‚humanen‘, wenngleich nicht uneigennützigen Logik der Siegermächte. Hätten die Tage von Jalta für das am Boden liegende Nazi-Deutschland nicht ungleich schwärzer ausfallen müssen? Man hieb es nicht in viele kleine Stücke, nahm ihm nicht seine industrielle Zukunft und wollte es nicht für immer unter Besatzungsstatut halten. Man war seinerzeit sogar darauf bedacht, treuhänderisch seine nationalstaatliche Identität zu wahren. In jüngster Zeit besinnen sich etliche Deutsche wieder verstärkt, als käme ihnen eine Amnes(t)ie zugute, mit penetranter Sentimentalität auf ‚ihre‘ verlustig gegangene ‚Heimat‘. Verwunderlich – oder auch nicht? – ist dabei, wie viele aus der 68er Generation in den nostalgischen Chor sich einreihen.“[21]

30 Jahre später wird dieses Land ein „Heimatministerium“ als Teil des Innenministeriums bekommen, wie es einzelne Bundesländer schon haben. Der ehemalige langjährige Chef des Feuilletons der Wochenzeitung Die Zeit Ulrich Greiner beginnt im Alter das Heulen ob seiner vermeintlichen „Heimatlosigkeit“[22]. Und das in Zeiten, in denen die politische Kultur so rechtsextrem und heimattümelnd ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wenn überhaupt jemals – denn wann saßen über 90 Abgeordnete einer massiven Fraktion und einer Partei, die mit einer Neo-Nazi-Volksbewegung wie Pegida kooperiert, im Bundestag?

Yascha Mounks antikosmopolitischer Trugschluss

Und dann wird auch noch von Nachwuchsforschern wie Yascha Mounk aus München, der derzeit in Harvard lehrt, ein „inklusiver Nationalismus“ gefordert, in expliziter Attacke auf den Kosmopolitismus, wie es in einem Interview mit Mounk in der Süddeutschen Zeitung heißt:

„Mounk: Die Vorstellung, dass das Gros der Menschen jemals wirklich kosmopolitisch denken und handeln wird, halte ich für unrealistisch.

SZ: Kann man es nicht versuchen? Es kann doch nicht schaden.

Mounk: Es kann schaden. Die Forderung danach führt oft zu einem vollkommenen Mangel an Solidarität. Wenn ich mich für alle Menschen engagieren soll, mich das aber nicht motiviert, dann engagiere ich mich am Ende für niemanden – oder ich verfalle einem fremdenfeindlichen anstatt einem inklusiven Nationalismus.“[23]

Kritikern an Deutschland fehle es also an „Solidarität“ – damit kann er prima ein Kaffeekränzchen mit Sahra Wagenknecht, Frauke Petry und auch Cem Özdemir abhalten. Diese Diffamierung von Dissidenz ist Zeichen der aggressiven Affirmation des Bestehenden. Und im Gegensatz zu den letzten Jahrzehnten gibt es heute nicht einmal mehr marginalen Widerspruch. Wir hatten vor der Bundestagswahl im September 2017 ein Agenda-Setting für mehr Nation, mehr Liebe zur Heimat und mehr Stolz auf dieses Land, und das alles führte zu dem Wahlerfolg (12,6%) der rechtsextremen AfD.

Und gerade in Bayern, wo der Nationalismus am stärksten von der Regierung verbreitet wird, war in den alten BRD-Bundesländern die AfD am stärksten. Mehr nationaler Diskurs führt also zu mehr Nationalismus im Parlament, doch davon will Mounk nichts wissen und lieber weiter dem bereits widerlegten Märchen Glauben schenken, es gäbe einen „guten“ Nationalismus, der den bösen Nationalismen das Wasser abgrabe. Mounk scheint die Dynamik des nationalen Diskurses nicht zu begreifen: die positive Bezugnahme auf Nation schlägt sich auf Seiten der Nazis nieder. Die Hilfe der große TV-Anstalten, ARD, ZDF, RTL und Sat1 tut ein Übriges, den nationalen Diskurs zu pushen. Die Äquidistanz der großen Medien – links=rechts, wie wir es exemplarisch in einem Gespräch im Aktuellen Sportstudio des ZDF mit dem Präsidenten von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, erlebten, stärkt die extreme Rechte obendrein.

Das „Lied der Deutschen“ ist den Deutschen das „heiligste“ Lied (Hitler)

Das alles wird noch massiv verschärft durch das Fehlen einer Linken, die den Namen verdiente. Die Linke ist inexistent oder selbst auf einem Heimattrip. Als Feind sowohl der AfD wie ihrer lautstarken Gegner*innen werden jene fertig gemacht, die das Problem beim Namen nennen, die keinen Stolz auf die Erinnerungs“kultur“ an die präzedenzlosen Verbrechen empfinden, die sich als Menschen und nicht als Deutsche definieren und die die deutsche Hymne als das bezeichnen, was sie ist, ein Lied für die antisemitische deutsche Volksgemeinschaft, das auch beim Reichserntedankfest in Hameln am 30. September 1934 von Hunderttausenden gebrüllt wurde,[24] also ein Lied für den Müllhaufen der Geschichte.[25]

Özdemir sollte sich doch mal anschauen, wo die deutsche Hymne herkommt, bevor er mit Stolz auf die deutsche Fußballnationalmannschaft verweist, zu deren Spielen dieses Lied millionenhaft gesungen wird.

1977 analysierte der Literaturwissenschaftler Jost Hermand (Jg. 1930) die deutsche Hymne:

„Kein Wunder daher, daß im Frühjahr 1933 nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten diese Hymne – neben dem Horst-Wessel-Lied – von der neuen Reichsregierung ausdrücklich als Deutschlands Nationalhymne bestätigt wurde. Hitler nannte sie am 1. August 1937 in Breslau ‚das Lied, das uns Deutschen am heiligsten erscheint.‘ (…) Ihren Höhepunkt erlebte die faschistische Begeisterung für das Lied der Deutschen im Jahre 1941, als sich die Niederschrift dieses Gedichts zum hunderstenmal jährte und die deutschen Truppen noch immer ‚über alles in der Welt‘ siegten. Alle vier Bücher, die aus diesem Anlaß geschrieben wurden, nämlich Rudolf Alexander Moißls Das Lied der Deutschen (1941), Kurt Eggers‘ August Hoffmann von Fallersleben in seinen Liedern (1941), Wilhelm Marquards Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1942) und Ernst Haucks Das Deutschlandlied. Aus dem Kampf um unsere Einheit (1942) bekennen sich überschwenglich zum Dichter der ‚unsterblichen deutschen Nationalhymne.‘“[26]

Später nötigte Konrad Adenauer Bundespräsident Theodor Heuss, diese Nazi-Hymne zur BRD-Hymne zu machen.[27]

Was dieses Land braucht, ist Kritik und Distanz, nicht noch mehr Heimat und auch kein verändertes Lied der Deutschen, sondern das Ende dieser Nazihymne.

Von Cicero bis Erasmus von Rotterdam: Ubi bene, ibi patria

Gegen Ende der Weimarer Republik im Jahr 1932, offenbar den NS-Staat gedanklich vor Augen, heißt es bei einem typischen Autor des katholischen Bundes Neudeutschland in dessen Werkblättern[28]:

„In der Sache z.B. stärkere Berücksichtigung von Heimatboden und Volksgemeinschaft; denn meine Beziehung zum Vaterland geht über den Mutterboden, auf dem ich zu Hause bin und meine Beziehung zum Gesamt-Volk über meine engere und weitere Nachbarschaft. Die Hinkehr des Volkes zum Nationalismus ist zugleich eine Abkehr vom Sozialismus-Bolschewismus, der den Menschen zu einem internationalen (außerhalb der Nation stehenden) aus Boden und Familie entwurzelten Allerweltsbürger macht, dessen Grundsatz lautet: ‚Wo ich gut zu essen bekomme, fühle ich mich zu Hause‘ (Ubi bene, ibi patria).“

Dieser Kosmopolitismus, der aus dem Spruch Ubi bene, ibi patria Ciceros zu hören ist und auch von dem Humanisten Erasmus von Rotterdam (1466–1536) positiv übernommen wurde, wurde also bereits zu demokratischen Weimarer Zeiten rabiat abgewehrt und ein Nationalismus auch beim Essen eingefordert. Eine Diffamierung ‚entwurzelter Allerweltsbürger‘ kennzeichnet diesen katholischen Bund Neudeutschland schon vor 1933.

Heute ist die AfD die rassistische und antisemitische Partei, die stolz ist auf die „deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen“, die das Deutschlandlied nach ihrem Wahlsieg am 24.09.2017 in Berlin sang und ein Hauptpromoter deutscher Heimatideologie ist.

Schluss: was heißt Heimat 2018?

Heimat heißt Wirtshausschlägereien, besoffene Männer, die Frauen misshandeln, dazu paar rassistische, antisemitische, Schwulen- oder Transvestitenwitze, doitsche Musik statt amerikanischer Kulturindustrie, Liebe zu Familie und sich reproduzierenden Frauen, das heißt Posaunenchor, Hitlerglocke, Karneval und freiwillige Feuerwehr, Skatrunden, Kirmes und Helene-Fischer-Abende, Eichen- wie Lindenbäume und germanische „Thingplätze“ ehren, alles natürlich ökologisch verträglich und biologisch abbaubar. Am Ortsrand gibt es, klar, ein Ausflugslokal mit veganer Küche als Kontrast zum derben Gasthof Hirsch mit Wildragout, soviel links-deutsche Heimat mit Bionade und Veggie-Day ist selbstredend akzeptiert, hier und heute Hauptsache: Heimat. Und wem es auf dem Dorf oder der Kleinstadt zu eng wird und es dort zu wenige Kund*innen gibt, der oder die geht einfach nach Berlin-Kreuzberg zu den „Blutsgeschwistern“ und verbindet locker-flockig deutsche Ideologie und Tradition mit schickem urbanem Flair, auch das ist Heimat im heutigen Deutschland. Früher schneiderte Hugo Boss für die Wehrmacht,[29] heute gibt es

„Blutsgeschwister“, die versuchen

„unverwechselbare Mode für Seelenverwandte zu kreieren und die Modewelt mit ‚German Schick‘ und fantasievollen Geschichten zu verzaubern.“[30]

Mode reicht nicht, es muss schon „German Schick“ sein und der Name sollte was mit „Blut“ zu tun haben.

Oder nehmen wir neben Autos und Antisemitismus den deutschen Export-Schlager und das Symbol allzu „deutscher Identität“ schlechthin: Bier. Als es Ende 2016 eine Kampagne gegen die Neue Rechte gab, u.a. mit dem Werbeexperten Gerald Hensel, der sich zu Recht die extrem rechte Plattform „Achse-des-Guten“, die AfD und andere vorgeknöpft hatte, gab es eine gewisse Ironie. Diese Ironie oder Absurdität ist auch heute bei den linksdeutschen Heimatfans erkennbar: Es gab also bei Werbekampagnen der Firma Scholz & Friends, für die Hensel arbeitete, wenn er nicht als Politikaktivist gegen die Neue Rechte aktiv war, einen sehr pro-deutschen Drive – vor allem Stolz auf das deutsche „Handwerk“ („Ich braue kein Bier. Ich verteidige den Ruf Deutschlands“[31]) und auf Mercedes-Benz und viele andere allzu deutsche Marken ist dort angesagt. Das ist Affirmation pur und müsste der stolzdeutschen Achse des Guten eigentlich gefallen.

Heimat heißt aber vor allem eines in Deutschland: eine Kontinuität deutscher Geschichte zu behaupten und Auschwitz, Bergen-Belsen und Sobibor im Orkus der Geschichte untergehen zu lassen. Für die Deutschen gab es keinen Zivilisationsbruch, Edgar Reitz steht dabei pars pro toto, bis heute:

„Diese Gefahr der ‚Umschreibung‘ der Geschichte, derzufolge die ‚einfachen Deutschen‘ als letztlich unschuldige Opfer eines von den sogenannten ‚Nazi-Verbrechern‘ begangenen Unrechts erschienen, war sich Reitz wohl bewußt. Gefragt von Heike Hurst in Nuit Blanche, warum er den Holocaust in Heimat ausgespart habe, sagte er: ‚Die Frage der Juden und des Nationalsozialismus ist eine Thematik, zu der unendlich viel erzählt worden ist, und in dem Moment, wo ich mich auf dieses Terrain begeben hätte, hätte die Geschichte eine andere Wendung genommen.‘ Der Holocaust hätte die positiv besetzte Vorstellung von Heimat gesprengt, sie zunichte gemacht.“[32]

 

 

[1] Walsers deutsch-nationaler Einsatz und sein „Heimatlob“ von 1978  – André Ficus/Martin Walser (1978): Heimatlob. Ein Bodensee-Buch, Friedrichshafen: Verlag Robert Gessler – sind untrennbar mit seiner Abwehr von Auschwitz verbunden, er kann Auschwitz den Juden nie verzeihen, wie es dann 1979 in einem von Habermas edierten Band heißt: „Auschwitz. Und damit hat sich’s. Verwirkt. Wenn wir Auschwitz bewältigen könnten, könnten wir uns wieder nationalen Aufgaben zuwenden“ (Martin Walser (1979): Händedruck mit Gespenstern, in: Jürgen Habermas (Hg.) (1979): Stichworte zur ›Geistigen Situation der Zeit‹, 1. Band: Nation und Republik, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 39–50, hier 48). Zu Walser, seiner Beziehung zu Marcel Reich-Ranicki und Ignatz Bubis siehe: „Dem deutschen Romanverfasser verdirbt die Kritik die paradiesische Heimat; wie die Schlange nagt der Kritiker an der Wurzel seines Literatur-Baumes, zersetzend wirkt er auf die schöpferische Kraft des deutschen ‚Großschriftstellers‘. Wer würde es wagen, ihn des Antisemitismus zu bezichtigen?“, 19.09.2013, http://junesixon.blogsport.de/2013/09/19/reread-aus-gegebenem-anlass-en-attendant-walser/.

[2] Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970–2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum, 242f.; Zitat: Edgar Reitz: Unabhängiger Film nach Holocaust, zitiert nach Anton Kaes (1987): Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film, München: edition text+kritik, 197. Durchschnittlich neun Millionen Zuschauer haben das monumentale Geschichtswerk Heimat, das als 11-Teiler im September/Oktober 1984 in der ARD lief, gesehen, vgl. ebd.: 242, Anm. 2. Ein Text des Historikers Jens Jäger von der Uni Köln (http://neuere-geschichte.phil-fak.uni-koeln.de/568.html) von November 2017 schafft es, in einem typischen sine-ira-et-studio Elfenbeinturm-Duktus – also ohne jeden kritischen Anspruch – „Heimat“ zu analysieren, ohne mit einem Wort auf diesen für den BRD-Heimatdiskurs alles prägenden Reitzschen Heimatfilm von 1984 auch nur en passant einzugehen, Auschwitz und Antisemitismus sind ebenso Anathema, Jens Jäger, Heimat, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 9.11.2017, URL: http://docupedia.de/zg/Jaeger_heimat_v1_de_2017?oldid=128264 Versionen: 1.0. Aber natürlich zitiert auch er Ernst Blochs Heimat, zu Bloch siehe unten.

[3] „Lammert ist ein beliebter Redner. Seine Rede zur 16. Bundesversammlung [12.02.2017] bringt den Kern der politischen Kultur der Bundesrepublik seit 1985 auf den Punkt. Weizsäcker junior mochte die toten Juden so sehr wie sein Vater, der ja mithalf, sie zu produzieren. Lammerts Promoten Deutschlands als der einzig wahren Alternative zu Trump oder Putin, ist an Selbstbeweihräucherung schwer zu überbieten. Antifaschistische Kritik an Trump braucht keinen Lammert, der die Erinnerung an den Holocaust nur dazu nutzt, die ‚deutsche Identität‘ als die beste aller Zeiten unserer so ‚wechselvollen‘ Geschichte zu betrachten. Wechselvoll. Mal produzierten wir jüdische Leichen, mal erinnern wir sie. Aber niemand kann das jeweils so gründlich und durchdacht wie wir. Das ist der Tenor, 1985 wie 2017“ (Clemens Heni (2017): Erlösendes Gedenken – Norbert Lammert und die „wechselvolle“ deutsche Geschichte, 15. Februar 2017, https://www.clemensheni.net/allgemein/erloesendes-gedenken-norbert-lammert-und-die-wechselvolle-deutsche-geschichte/). Weizsäckers Nationalismus und Gerede über „nationale Identität“ hat der Publizist Lothar Baier 1985 luzide kritisiert: „Wem es zu der eigenen nicht gereicht hat, dem wird seit neuestem als Trost das Aufgehen in der ‚nationalen Identität‘ in Aussicht gestellt. Seltsamerweise hat der Aufstieg der nationalen Identität in dem Augenblick begonnen, als der nationale Untergang auf die Tagesordnung rückte. Der atomare ist nur die eine Spielart, die andere ist der Untergang der Art. Nicht nur gegen die Raketen soll sich das deutsche Selbst ermannen, sondern auch gegen das herandrängende Artfremde. Richard v. Weizsäcker bekam den großen Kirchentagsbeifall, als er von ‚unserer eigenen Identität‘ sprach, mit der Erfurt und Dresden mehr zu tun haben ‚als so mancher schöne Sonnenstrand am Mittelmeer‘. Vom Mittelmeer kommt es ja, das heimtückisch in die Poren des Volkskörpers einsickert. Dagegen müsse biologisch verteidigt werden, sagen die zeitgenössischen Verhaltensbiologen, was sie aseptisch ‚europäische Identität‘ nennen und wozu ihre Doktorväter seinerzeit ‚arische Rasse‘ sagten. Wenn diese Identität ex cathedra zum Leitgestirn erhoben wird, kann es nicht ausbleiben, daß sich mancher ermutigt fühlt, auszugraben, was früher immer erfolgreich Identität gestiftet hat: den Antisemitismus. ‚Es ist auffällig, daß das aufklärerische Judentum in der Regel keinen besonderen Sinn für das besitzt, was deutsche Eigenart ist, etwa die romantische Sehnsucht, die Verbundenheit mit der Natur oder die nicht auszurottende Erinnerung an eine heidnisch-germanische Vergangenheit‘, heißt es in einem Buch des Verlags Matthes & Seitz von 1984“ (Lothar Baier (1985): Gleichheitszeichen. Streitschriften über Abweichung und Identität, Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 17f.) Dieser hier zitierte antisemitische Autor war natürlich Gerd Bergfleth („Zur Kritik der palavernden Aufklärung“, ebd., 19, FN 15).

[4] Eike Geisel (1994): Runder Tisch mit Eichmann. Über den kleinen Unterschied zwischen dem »anderen Deutschland« und der zivilisierten Welt, Konkret 7/94, 12.

[5] http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19014.pdf.

[6] Zur Kritik siehe z.B. Lucius Teidelbaum (2018): Kritische Heimatkunde, 05.03.2018, http://emafrie.de/kritische-heimatkunde/.

[7] https://www.youtube.com/watch?v=6lcaRA4sr4o.

[8] Clemens Heni (2017a): Sommermärchen bereitete der AfD den Boden, Frankfurter Rundschau, 16./17. Dezember 2017, online: http://www.fr.de/kultur/antisemitismus-sommermaerchen-bereitete-der-afd-den-boden-a-1409276.

[9] Wolfgang Pohrt (1982): Endstation. Über die Wiedergeburt der Nation. Pamphlete und Essays, Berlin: Rotbuch Verlag, 127f., Fußnote 4.

[10] Eine Synopsis des Films ist hier zu finden: http://www.eye-can-see-film.de/wp/synopsis-zur-dokumentation-triumph-des-willens-1935/.

[11] https://www.stern.de/politik/deutschland/robert-habeck–umweltminister-in-schleswig-holstein–im-interview-7827514.html.

[12] Ernst Bloch (1975): Gespräch über Ungleichzeitigkeit, in: Kursbuch 39, April 1975, 1–9, 9. Ich hatte mir dieses Heft für 1 DM am 10. Januar 1994 bei „Ivo Lavetti“ in Tübingen gekauft und schon damals ins Heft meine scharfe Kritik an exakt dieser Stelle notiert.

[13] Eine der schärfsten und frühesten Kritiken am Nationalsozialismus legte Peter Viereck 1941 vor (Doktorarbeit in Harvard im Alter von 25), Peter Viereck (1941)/2004: Metapolitics. From Wagner and the German Romantics to Hitler. Expanded edition. With a new introduction by the author, New Brunswick, London: Transaction Publishers.

[14] Pohrt 1982, 101f.

[15] Pohrt 1982, 51.

[16] „Progressive Heimatgefühle“, 22.02.2018, https://www.neues-deutschland.de/artikel/1080200.linker-heimatbegriff-progressive-heimatgefuehle.html.

[17] „Links ist da, wo keine Heimat ist“, 25.02.2018, https://www.neues-deutschland.de/artikel/1080543.debatte-um-heimatbegriff-links-ist-da-wo-keine-heimat-ist.html.

[18] Günther Anders (1980)/1988: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 2. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, München: C.H.Beck, 277.

[19] Anders 1980, 452, Fußnote 11.

[20] Günther Anders (1982)/1991: Ketzereien, München: C.H.Beck, 159f.

[21] Jochen Köhler (1986): „Deutschland im Herzen Europas.“ Vom Sonderbewußtsein in der Mittellage zur Westorientierung, in: Wieland Eschenhagen (Hg.), Die neue deutsche Ideologie. Einsprüche gegen die Entsorgung der Vergangenheit, Darmstadt: Luchterhand, 182–195, 183.

[22] Ulrich Greiner (2017): Heimatlos. Bekenntnisse eines Konservativen, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

[23] Yascha Mounk (2018): „Die liberale Demokratie zerfällt gerade“, Süddeutsche Zeitung, 15.02.2018, http://www.sueddeutsche.de/politik/populismus-demokratie-bricht-auseinander-1.3860653.

[24] Siehe dazu Clemens Heni (2018): Fanatische Begeisterung. Über die Reichserntedankfeste, die Euphorie der Massen und die Bedeutung der Erinnerung, Deister- und Weserzeitung, 24.02.2018, online: https://www.dewezet.de/hintergrund/themendossiers/gedenkstaette-bueckeberg_artikel,-fanatische-begeisterung-_arid,2442178.html.

[25] Und schon die lächerliche, läppische, ja groteske Idee, das auch im Nationalsozialismus gesungene Deutschland-Lied zu gendern – so soll aus „Vaterland“ „Heimatland“ werden –, wie es von Kristin Rose-Möhring, der Gleichstellungsbeauftragten des Bundesfamilienministeriums vorgeschlagen wurde, trifft auf aggressivste Reaktionen wie von Ariane Bemmer im Tagesspiegel, 04.03.2018, https://www.tagesspiegel.de/politik/heimatland-statt-vaterland-gegenderte-nationalhymne-ein-vorschlag-zur-unzeit/21030152.html. Bundeskanzlerin Angela Merkel wie Bundespräsident Frank Walter Steinmeier stellen sich vehement hinter die Nationalhymne, was angesichts des ersten Bundespräsidenten Heuss (siehe unten) sehr wohl bemerkenswert ist, „Steinmeier lehnt Änderung der Nationalhymne ab“, 7. März 2018, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/nationalhymne-bundespraesident-frank-walter-steinmeier-lehnt-aenderung-ab-a-1196846.html.

[26] Jost Hermand (1977): Zersungenes Erbe. Zur Geschichte des Deutschlandliedes, in: Basis. Jahrbuch für deutsche Gegenwartsliteratur. Band 7 (1977). Herausgegeben von Reinhold Grimm und Jost Hermand, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 75–88, 82f.

[27] Hermand 1977, 84f.

[28] Karl Gies (1932): Nationale Haltung, in: Werkblätter, 5. Jg., H. 3, Juni 1932, 55–63, 61.

[29] „Mit Uniformen für die Wehrmacht und die Waffen-SS gelang Hugo Boss während des Zweiten Weltkriegs der Aufstieg“ (Christopher Onkelbach (2011): Der Nazi-Schneider, 07.09.2011, https://www.derwesten.de/politik/der-nazi-schneider-id5038856.html.)

[30] https://www.blutsgeschwister.de/de/news/home/history;jsessionid=C109386BD9BF62B8C3FC4C511E119D95.

[31] http://s-f.com/arbeiten/case/deutsches-handwerk/ (alle URLs in diesem Text wurde zuletzt am 07.03.2018 abgerufen).

[32] Kaes 1987, 198.

©ClemensHeni

2014: Ein Jahr der Klarheit

Die Bundesrepublik zwischen grünem (Hamas) und braunem (HOGESA) Nazismus und dem schwarzrotgoldenen Extremismus der PEGIDA-»Mitte«. 

Mit einem Exkurs: War Deutschland Teil des Abendlandes?

 

Das Jahr 2014 brachte Klarheit. Eine schreckliche Klarheit. Soviel Antisemitismus, soviel Pro-Hitler und Pro-Holocaust Statements, Hetze gegen Juden und Israel, muslimischen Judenhass, aber auch soviel Islamhass und Rassismus und soviel Deutsch-Nationalismus gab es selten so offen in einem Jahr. Niemand außer den Deutschen kann aufrecht gehen, dafür sind sie Weltmeister, das beliebteste Land der Welt, Angela Merkel wird zwar vom rechten »wir träumen-reden- lachen-und-fühlen-deutsch« Rand der CDU/CSU verabscheut, aber weltweit als führende Politikerin geehrt. Wenngleich Merkel sich in ihrer Neujahrsansprache von PEGIDA explizit abgrenzt, sind ihr weltpolitisches Hin- und Herschwanken, ihre Standpunktlosigkeit und die Affirmation des Bestehenden erfolgreich.

Dabei ist das Bestehende eine Mischung aus deutsch-iranischen Geschäften, sozialer Krise und Kapitalismus in Europa sowie politischen Konflikten über die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zwischen Lobhudelei für Nazis wie den Ukrainer Stepan Bandera, einer Derealisierung der Präzedenzlosigkeit der Shoah und der Stilisierung der Deutschen zu ganz normalen »Opfern« der bösen Nazis (»Unsere Mütter, unsere Väter«), was wiederum gewissen germanophilen Kreisen der weltweiten kulturindustriellen Elite gefällt (»International Grammy Award«).

Jene Kritiker, die 1989 Wi–dervereinigung ohne »e« schrieben, wurden von Helmut Kohl und der SPD, die nicht erst damals die deutsche Hymne anstimmte, diffamiert. Heute geht es so gut wie niemand mehr um eine »Alternative zu Deutschland«. Dafür gibt es die »Alternative für Deutschland« (AfD). Die Mehrheit sei a priori gut drauf, so lautet das Mantra der »Extremismustheorie« vom Schlage Uwe Backes‘, Eckhard Jesses oder Werner Patzelt, wie der Politologe Miro Jennerjahn in Anlehnung an Gesine Schwan analysierte.

 

Exkurs: War Deutschland Teil des Abendlandes?

Der Historiker Peter Viereck (1916–2006) hat in seiner Dissertation 1942 – Metapolitics. From Wagner and the German Romantics to Hitler – gezeigt, dass Deutschland nicht Teil des Abendlandes war beziehungsweise immer wieder antiwestliche »Revolten« hervorbrachte. Seine Doktorarbeit, die bereits 1941 publiziert und von Thomas Mann belobigt wurde, analysiert das antiwestliche Denken der Deutschen. Viereck macht fünf »Revolten« aus, die Deutschland vom Westen trennen. Das macht die Rede von der »Rettung des Abendlandes« gerade in Deutschland oder Dresden so ahistorisch und grotesk. Dabei schrieb Viereck seine Arbeit vor Auschwitz.

 

Die erste »Revolte«: Deutschland, das es natürlich unter diesem Namen damals gar nicht gab, kämpfte als »Germanien« gegen den »römischen Universalismus«, was sich exemplarisch in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 CE zeigte. Heinrich von Kleists »Hermannsschlacht« von 1808 setzte dieser allzu deutschen Schlacht ein literarisches Denkmal. Der Politik- und Literaturwissenschaftler Andreas Dörner hat die »Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen» am Beispiel des »Hermannsmythos« untersucht. Dabei spielt die »schwarze Fahne« eine wichtige Rolle, da sie »als Zeichen totaler Zerstörung das Ende des Kampfes« anzeigt. Der antirömische Zug Deutschlands zeigte sich auch beim antisemitischen Agitator in Österreich Ende des 19. Jahrhunderts, Georg von Schönerer, der proklamierte: »Ohne Juda, ohne Rom bauen wir Germaniens Dom«. Für den Nationalbolschewisten Ernst Niekisch war Hitler zu »mittelmeerisch«, er habe als Österreicher ein zu »sonniges Gemüt« und sei quasi »römisch«. Für den Antisemiten Niekisch (»Hitler – ein deutsches Verhängnis«, 1932) stand Hitler nicht rechts, deutsch und preußisch genug da. Auch Niekisch-Jünger wie die »ethnopluralistische«, rassistische Neue Rechte in der Folge von Henning Eichberg sind konsequent antirömisch. Rom steht für »Reich« analog zu den USA heute.

Das steht in direkter Beziehung zu Peter Vierecks zweiter »Revolte« der Deutschen: die Abwehr des Christentums durch die mittelalterlichen Sachsen und der Einsatz des heidnischen »Wotan«. Drittens steht für einen »deutschen Weg« die lutherische Reformation, die ja offenkundig anti-römisch war. Viertens analysiert Viereck die »Revolte gegen das römische Imperium, wie es sich in der westlichen Welt« zeigte. Der deutsche »Sturm und Drang« und die Neoromantiker wandten sich gegen 1789 und Frankreichs Universalismus. Das Ressentiment gegen »zuviel« Vernunft, das Promoten von Gefühlsduselei, Heimat und Ideologeme von Klopstock, Herder, vielen anderen und das »Volkslied«, das bei PEGIDA so beliebt ist wie bei Hansi Hinterseer und den schmalzigen »Volksmusikanten«, die seit Jahrzehnten ein Millionenpublikum bedienen, stehen dafür exemplarisch. Die fünfte »Revolte« war der »radikalste Bruch jemals mit der westlichen Zivilisation«:

der Nationalsozialismus.

Selbst nazistische Termini wie »Lügenpresse« evozieren nicht die Erinnerung an die übelste braun-schwarze, antiintellektuelle, reaktionäre Moderne der völkischen Bewegung, von Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg, sondern lösen Begeisterung aus. Das ist nicht nur Unwissen und Dummheit. Vielmehr ein gewolltes Liebäugeln. Für Cora Stephan ist es lediglich ein »Trick« Nazis bei PEGIDA und ähnlichen völkischen Aufmärschen als solche zu bezeichnen. Kluge »Bürger« wie Lutz Bachmann oder NDR-Autorin Cora Stephan haben hingegen erkannt, dass es bei der Kritik an PEGIDA um ein »Ablenkungsmanöver« handele. Auch Forderungen wie »Deutschland raus aus der NATO«, die auf PEGIDA-Demonstrationen großformatig propagiert werden, stören den neoliberalen, konservativen, angeblich pro-amerikanischen Kurs von Blogs wie Achgut gar nicht.

Henryk M. Broder kokettiert mit dem Extremismus der Mitte, den (nicht nur) ostdeutschen Spießbürgern, den Nationalisten, Rechtsextremisten, Neonazis und Rassisten und Antisemiten von PEGIDA und seine Gefolgschaft wie Matthias Matussek, der Kritiker der völkischen Dresdner Bewegung mit der Hitlerjugend (HJ) vergleicht, Hamed Abdel-Samad, der auch auf Facebook eine »irrationale Angst« der PEGIDA-Kritiker sieht, oder Cora Stephan sekundieren die Agitation gegen »den« Islam oder entwirklichen die rechtsextreme Gefahr. Broder ist blind ob der Teilnahme von antijüdischen Beschneidungsgegnern an den PEGIDA oder HOGESA Aufmärschen – wie Michael Stürzenberger, Bundesvorsitzender von der Kleinstpartei Die Freiheit, oder der großen Website Politically Incorrect (PI) – und schreibt:

»Wenn sich aber eine nationale Einheitsfront formiert, in der die christlichen Kirchen, der Zentralrat der Juden, die Gewerkschaften, das Handwerk, die Arbeitgeber und die üblichen Verdächtigen aus dem Kulturbetrieb Seit an Seit marschieren und alle, die an dieser Prozession nicht teilnehmen wollen, zu Dumpfbacken, Nationalisten, Rassisten, Nazis und einer ›Schande für Deutschland‹ erklärt werden, dann stimmt irgendetwas nicht mit der gelebten Demokratie in unserem Land.«

Wenn Nazis und Nationalisten, die mit Nazi-Vokabular und Deutschlandfahne »Wir sind das Volk« grölen, nüchtern im Gegensatz zu PEGIDAs Zwillingsbruder HOGESA (Hooligans gegen Salafisten), erhebt sich Broders Stimme gegen Kritiker und nicht gegen den rassistischen Mob. Er sieht gar nicht, dass es PEGIDA nicht um die islamistische Gefahr wie aus Iran oder den Judenhass von Islamisten geht. Viele PEGIDA-Aktivisten sind selbst Antisemiten und waren seit 9/11 auf Demonstrationen gegen Antisemitismus und Islamismus nicht zu sehen, und jene wenigen, die kamen, wie mit einer neonazistischen, Anti-Antifa »German Defence League (GDL)«-Flagge, hätten von den Organisatoren pro-israelischer und anti-islamistischer Kundgebungen besser des Platzes verwiesen gehört.

Dabei ist Broders Kritik an der antiamerikanischen Schadenfreude ob des 11. September und der Trivialisierung des Islamismus so aktuell wie zuvor. Denn weiterhin schreiben Altlinke wie der Herausgeber der einzigen linken Publikumszeitschrift in diesem Land, Konkret, Hermann L. Gremliza, im Dezember 2014 über den islamistischen Massenmord im World Trade Center am 11. September 2001 und die islamistischen Enthauptungen, Pogrome und Massenmorde in den letzten Jahren:

»Der Krieg, der seit dem Ende des Kalten geführt wird, spielt sich nicht da ab, sondern dort, wo die USA von Natur aus zuständig sind: weit hinten in der globalen Türkei. Er heißt war on terror und hat eine sechs-, bald siebenstellige Zahl an Menschen jeden Alters und Geschlechts umgebracht. Nicht Menschen im engeren Sinn, versteht sich, um die ein Aufhebens zu machen sich lohnte wie um die drei bis vier in Allahs Namen abgeschlachteten Amerikaner, Briten und Franzosen, die tagelang die Bildschirme füllten.« (Konkret 12/14)

Nach einer knappen Übersicht über weltweite »Sprenggürtel«-»Märtyrer«, »failed states«, »Islamisten und Mörderbanden« von »Nord- und Zentralafrika«, Erdogan, Syrien, Irak, Pakistan, Hindukusch, Hongkong bis hin nach Korea resümiert Gremliza:

»Überall legen die USA Lunten, ziehen sie ›rote Linien‹, stellen Ultimaten, schicken Drohnen, werfen Bomben.«

Dieses perfide, antiamerikanische, den Jihadismus und Islamismus als Phänomene sui generis negierende, delirierende, linke Gerede bekommt im antiwestlichen, die USA dämonisierenden Verschwörungswahnsinn der »Russia Today« / »Friedenswichtel«-Szene um das »Compact«-Magazin und Jürgen Elsässer, der früher als quasi Nachfolger Gremlizas aufgepäppelt worden war, ehe es zum Bruch kam, ein Echo.

Viele, die im Sommer angesichts des Pro-Hitler- und Pro-Holocaust-Gebrülle von (organisierten) Islamisten und (unorganisierten) Muslimen und ihren extrem rechten und linken Freunden schwiegen, sind jetzt lautstarke Kritiker von PEGIDA. Doch warum nur Nationalismus und Rassismus kritisieren und zum Antisemitismus schweigen? Linke zelebrierten mit ihren islamistischen und neonazistischen Kolleg_innen ein antizionistisch-antisemitisches Hassfestival auf den Straßen EUropas.

Was viele in der »Pro-Israel«-Szene sich jedoch weigern zu sehen: es gibt eine zunehmende Zahl von Leuten, die gegen Antisemitismus und Israelhass wie auch gegen PEGIDA, Nationalismus, Rassismus, Agitation gegen »den« Islam und Muslime und Flüchtlinge sich wenden.

2014 war somit ein Jahr der schrecklichen Klarheit: Viele Kritiker des antizionistischen Antisemitismus schweigen nicht nur zu PEGIDA, sondern stimmen in den völkischen Chor gegen Flüchtlinge, Muslime, »den« Islam, »die Lügenpresse«, »die Parteien« und »das System« mit ein, sei es offen, verbrämt oder klammheimlich.

Schließlich haben sich einige Liberale und Linke als Kritiker sowohl des Antisemitismus als auch des Rassismus, Deutsch-Nationalismus und Islamhasses erwiesen.

Wer vom Extremismus der deutschen Mitte und von PEGIDA nicht reden will, soll von der islamistischen Gefahr schweigen.

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, promovierte 2006 über »Ein völkischer Beobachter in der BRD. Die Salonfähigkeit neu-rechter Ideologeme am Beispiel Henning Eichberg« an der Universität Innsbruck; 2011 publizierte er die Studie »Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11«, 2013 das Buch »Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism«.

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