Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Polizistin gegen Coronapolitik

Mögen Maskenfetischisten keine Lippen und keinen Lippenstift? Von 1931 bis 2021 – Prolegomena einer Kritischen Theorie des autoritären Corona-Charakters

Von Dr. phil. Clemens Heni, 21. März 2021

In Dutzenden Ländern und Städten, von London und Kassel über Italien, Serbien, Holland, Australien, Kanada, Belgien, Kroatien, Dänemark, Schweiz, Österreich bis nach Finnland und in die Ukraine demonstrierten am gestrigen Samstag Hunderttausende gegen die Coronapolitik. Allein in Kassel waren es über 20.000 Menschen, die ein Verbot der Demonstration in der Innenstadt einfach nicht beachteten und sich das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zurückholten. Die teils brutale Polizei hatte keine Chance, die 20.000 Menschen, die ohne Masken und ohne Abstand, singend und johlend („Oh wie ist das schön, oh wie ist das schön“ – Fußball-Song) durch die Stadt zogen, aufzuhalten. 20.000+ Menschen, die keine Maske trugen und keine a-sozialen Abstände einhielten. Und die Polizei musste großteils zuschauen, wie 20.000 Menschen gegen die a-soziale CoronaVerordnung in Hessen verstießen. Ein Fest der Liebe und der Freiheit! Yeah!! Das gleiche Bild in London und den genannten anderen Ländern.

Jetzt hat die Seite Corodok einen skandalösen Tweet des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo der Ramelow publiziert. Darauf ist eine Polizistin (mit Maske) in Uniform und im Dienst zu sehen, die zu Anti-Coronapolitik-Demonstrant*innen mit ihren Fingern eine Geste in der beliebten Herzform macht.

Was macht nun Bodo der Ramelow? Er denunziert die Polizistin und „mobilisiert den Mob“, wie das Blog Corodok schreibt:

 

Ramelow betätigt sich als Blockwart und möchte offenbar die Polizeibeamtin denunzieren, wenn er schreibt:

Ein verstörendes Foto! PolizeiBeamtin zeigt mit Ihren Händen Herz, solidarisiert sich mit dieser Demonstrantin, die offensichtlich gegen die gerichtlichen Auflagen verstößt, die AHA Regeln missachtet und den Schutz vor der Pandemie als Wahnsinn bezeichnet.

Mich erinnert dieser autoritäre Charakter von Bodo Ramelow an das Ende der Weimarer Republik, an die KPD und die SPD. Gehen wir einfach mal davon aus, dass Bodo der Ramelow keine schönen geschminkten Lippen mag und daher Lockdowns und Masken fanatisch verteidigt. Keep that in mind.

In seinen Vorlesungen im „Club Voltaire“ 1980/81 sprach der damals vom Dienst an der Universität Hannover suspendierte Professor und führende linxradikale Intellektuelle der 1968er Bewegung Peter Brückner über die legendäre Studie von Erich Fromm über „Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches, eine sozialpsychologische Untersuchung“, die Fromm 1929/30 begonnen und Anfang 1931 unter Kollegen bekannt gemacht hatte.

Brückner geht auf einige ausgewählte Aspekte ein, die anzeigen, wie weit verbreitet konservative bis reaktionäre Vorstellungen gerade unter Arbeitern und Angestellten aus dem Milieu von SPD und KPD waren. Auf die Frage:

Gefällt Ihnen die Verwendung von Puder, Parfum und Lippenstift bei einer Frau?

antworteten 8 % der SPDler, 11 % der KPDler und 14 % der Nazis (NSDAP) mit „Ja“, 86 % der SPDler sagten „Nein“, 82 % der KPDler und 84 % der Nazis.

Peter Brückner kommentiert:

Auch die Genossen sind prüde. Und: als Hauptgrund für das Nein wird von allen Befragten, ob Bürger, Nazi, Kommunist angegeben, die Verwendung usw. sei ‚unnatürlich‘. Zu den Nazis und Bürgern paßt’s. Aber was soll der Reflex ‚Natur (Unnatur)‘ bei den Linken?

Da Ramelows patriarchale und aggressive Sprache sich immer wieder Bahn bricht, ob er nun Antideutsche diffamiert („Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid„, hier mehr zur in Rede stehender Antifa-Aktion), was die Bezeichung von Tortenwürfen auf die patriotisch-linke Sahra Wagenknecht von linken Antideutschen als „menschenverachtend und asozial“ vom Linken Dietmar Bartsch ergänzt, oder aber wenn Bodo R. jüngst Merkel als „Merkelchen“ bezeichnete, all das könnte man mit einem anderen Beispiel von Brückner kommentieren und gewissen Analogien im autoritären Charakter von Kommunisten, Linken und Rechten erkennen. Es wäre jedenfalls eine sozialpsychlogische und psychoanalytische Studie wert, sich mit dem Fall Ramelow zu befassen – gerade vor dem Hintergrund der Gewalt und den Demütigungen, die Heinrich Mann’s Diederich Heßling in Der Untertan erfahren hatte, ehe er zum Burschenschafter und Nationalisten wurde.

Ramelow hat nach eigenen Aussagen als Kind Peitschenschläge seiner Mutter bekommen. Das sind jetzt keine Kausalketten, aber Kindheitserfahrungen und Erlittenes haben für die Persönlichkeitsentwicklung zweifelsohne eine Bedeutung.

Zurück zur Analogie von Kommunisten und Faschisten am Ende der Weimarer Republik. Peter Brückner schreibt:

Schon der Embryo kontrolliert ja die Frau. Ernst Meyer, führendes Mitglied der KPD, schrieb nach einer erregten Parteisitzung an seine Frau Rosa Meyer-Leviné: ‚Ruth (Fischer) den Bauch voll Wut und Rache und Freude auf Abrechnung (sie sollte lieber ein Kind drin haben)‘.

Wo, Genosse, Meyer, bleibt denn die Differenz zu den Faschisten?

Angesichts der Tatsache, dass aktuell nur noch 30 Prozent eine nochmalige Verschärfung der ohnehhin verfassungsfeindlichen und totalitären Lockdownpolitik von Angela Merkel, Markus Söder und Armin Laschet & Co. unterstützen, ist bemerkenswert, dass die Unterstützung für die krassesten Maßnahmen bei Unterstützer*innen der Grünen (47 Prozent), der SPD (37 %) und Linken (35 %) am höchsten ist, so eine repräsentative Umfrage von YouGov, die von der Zeit zitiert wird.

Das größte Problem stellen also die grünen Linken dar, neben der herrschenden CDU oder jedenfalls der Parteielite von CDU/CSU, bei der Basis mag es teils anders aussehen: Wobei die Übereinstimmung mit dem Staatsfetischismus und der deutschen pathologischen Liebe zum Gehorsam bei Linken und Grünen am stärksten ausgeprägt ist (wobei man nicht ganz vergessen sollte, dass Merkel in der DDR sozialisiert wurde, Söder in Bayern und Ramelow in Niedersachsen und Hessen – und sie unterscheiden sich nicht, alle sind typische Deutsche).

Die Vorliebe fürs Kontrollieren, Testen, Tracking und Überwachen ist bekanntlich beim Grünen Boris Palmer sehr stark ausgeprägt. Von diesem Milieu geht aktuell eine besonders große Gefahr aus, da sie das Testen als Alternative zum nicht minder totalitären Lockdown präsentieren. Das Testen gesunder Menschen auf ein Virus ist medizinischer Schwachsinn und totalitär – es sieht Menschen als Gefahr (für den STAAT) und hindert alle Menschen, ein ganz normales Leben zu führen, wie bis zum März 2020.

Eine rationale Analyse der Ungefährlichkeit von Corona für fast alle gesunden und immunstarken Menschen (das gilt auch für 86-jährige etc.) ist weiterhin nicht in Sicht, 12 Monate nach dem präzedenzlosen Zerstören der Demokratie von innen heraus und unter Klatschen und Anfeuern durch die gleichgeschalteten Medien und weite Teile der Bevölkerung.

Jedenfalls steht der übergroße Teil der Bevölkerung – mehr als 60 Prozent – jetzt, Ende März 2021, nicht mehr hinter der Regierung. Das ist in Dutzenden Ländern der Fall, was die Anti-Coronapolitik-Demonstrationen von gestern eindrucksvoll zeigen.

Der autoritäre Charakter jedoch, der ändert sich so schnell nicht.

Peter Brückner zitiert in seinem Text den Vertreter der Kritischen Theorie Leo Löwenthal, der 1977 über die Studie von Erich Fromm von 1929/30 sagte:

Und als wir die Resultate … bekamen, das war wohl Anfang 1931, da ist uns das Herz in die Hosen gefallen. Denn auf der ideologischen Oberfläche waren diese guten Sozialdemokraten … alle sehr liberal und republikanisch, aber auf einer tieferen, psychologischen Stufe war der größte Teil ganz autoritär, mit Bewunderung für Bismarck und strenge Erziehung und ‚die Frau gehört ins Haus‘ usw. Anstatt diese Studie weiter zu betreiben, haben wir uns gesagt: Um Gottes willen, was wird hier in Deutschland geschehen?

Angesichts eines ‚linken‘ Ministerpräsidenten, der Polizeibeamtinnen denunziert, so sich solidarisch zeigen mit Demonstrant*innen für Grundrechte, ja geradezu gegen diese Frau agitiert, sieht die Zukunft der offensiven Kritik an der Coronapolitik düster aus, gerade auch für Staatsbedienstete, die ja auch Menschen sind und Grundrechte haben wie alle anderen. Welches Gericht der Welt würde eine Herzgeste als unverhältnismäßig verurteilen – verglichen mit der unverhältnismäßigen, aggressiven und in Konsequenz mörderischen Politik (national wie international schaden Lockdowns extrem), für die Ramelow steht?

Aber die Ramelows dieser Welt werden zu den Verlierern gehören. Die Frage ist nur, wie viele Opfer wird die Lockdown- und Masken- sowie Testpolitik bis dahin kosten?

Der Journalist Andreas Rosenfelder schreibt in der Welt am Sonntag vom 21. März 2020 gegen die Lockdownverlängerung („Raus aus der Endlosschleife“). Dabei zitiert er einen der Hauptverantwortlichen für das unwissenschaftliche und antidemokratische Panikpapier von Horst Seehofer von März 2020, einen Herrn Kerber. Doch selbst in diesem Kontext von März 2020 ging jener Staatssekretär Kerber von im besten Fall 126.000 Toten aus – „was einer schweren“ Grippe entspräche! 126.000 Tote – wir haben aktuell maximal 74.000 an oder nur mit Corona Verstorbene. Und selbst 126.000 Tote wären laut Seehofers Staatssekretär harmlos!

Ja, Sie lesen richtig, dieser Mann, der für so viel Elend verantwortlich ist mit seinem in Auftrag gegebenen Panikpapier, der meinte, 126.000 Corona-Tote wären WENIG und würden einer „schweren Grippe“ entsprechen. Rosenfelder schreibt im Leitartikel der Welt Am Sonntag vom 21. März 2021:

Am 20. März 2020 bewertete Markus Kerber, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, verschiedene Szenarien für den Verlauf der Corona-Krise. Als ‚einigermaßen tröstlichen Best Case‘ bezeichnete er ein Modell, ‚das mit 126.000 Toten einer schweren Grippe entspräche‘. (…)

Warum Kanzlerin und Ministerpräsidenten nicht vom Lockdown abrücken, liegt auf der Hand. Sie klammern sich an die Richtigkeit ihrer Strategie, um ihre politische Haut zu retten, zumindest bis zur nächsten Wahl.

Höchste Zeit, dass andere die ‚Notbremse‘ ziehen. Sonst verwandelt sich der wachsende Unmut der Bevölkerung in eine politische Krise, die das Potenzial hat, nicht nur die für das Desaster verantwortlichen Parteien hinwegzuspülen.

‚Wir können doch jetzt nicht drei Jahre im Lockdown verharren‘, sagte Horst Seehofer, Markus Kerbers Chef, letzte Woche. Der Satz lässt aufhorchen. Wenn die Politik den Ausweg aus der Sackgasse nicht findet, wird aus einer Epidemie, die bisher harmloser verläuft, als es das ‚Best-Case-Szenario‘ vor einem Jahr vorsah, unter Garantie ein historisches Worst-Case-Szenario.

Der Journalist Heribert Prantl schreibt in seinem Buch „Not und Gebot“ (2021, eine Sammlung seiner Kolumnen zu Corona seit 2020), dass er überrascht oder gar schockiert ist, dass wir aktuell keine Aufstände haben – die wären nämlich mehr als not-wendig und gerechtfertigt:

Das Leben der Menschen wurde, wie man das sonst mit Geschenken und Geschenkpapier macht, in dieses Millimeterpapier eingewickelt. Noch nie in der Geschichte ist das Leben der Menschen außerhalb von Gefängnissen so strikt reguliert worden wie in der Corona-Zeit. Jede einzelne der vielen Verbots- und Kontrollregeln hätte in anderen Zeiten zu Aufständen geführt. (Herv. CH)

Heribert Prantl. Not und Gebot (Kindle-Positionen 39-41). C.H.Beck. Kindle-Version.

 

 

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