Von Dr. phil. Clemens Heni, 20. April 2021
Ich möchte gar nicht viele Worte machen. Es geht um die Regentänze. Dazu stehen ja ein paar Gedanken in dem Band “Gefährderansprache”.
Was auch zum Lachen ist, das ist die Arbeitsweise am Robert Koch-Institut.
Am 19.4.21, gestern, schreibt das RKI in seinem Tagesbericht zu Corona:
Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die VOC B.1.1.7. führt aktuell zu einer ansteigenden Anzahl von Hospitalisierungen und intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten. Bundesweit ist seit Mitte März wieder ein deutlicher Anstieg der COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen (ITS) zu verzeichnen.
Am 20. April, also heute, publizierte das RKI seine aktuellen Zahlen über die Hospitalisierungen zu Corona:
Kalenderwoche (KW):
11/21 (15.-21.03.): 5135
12/21: 5908
13/21: 5611
14/21: 5424
15/21: 3965.
So krass sieht also die jüngste Steigerung der Hospitalisierungen aus: Sie sank von 5424 in der Osterwoche (5. bis 11. April) auf 3965 in der letzten Woche (12.-18. April). Zwar haben die Deutschen keine Eier (sonst gäbe es Aufstände gegen den Corona-Totalitarismus), aber das Eiersuchen hat die Zahlen nach unten getrieben. Wie man unschwer in der Excel-Tabelle vom 20.4.21 sehen kann, sanken die Zahlen der Hospitaliseriungen “an” oder auch nur “mit” Corona seit der zweiten Woche 2021 im Januar.
(Auf das teils äußerst abstruse “Nachmelden” von Fällen gehe ich jetzt mal nicht an, die Tendenz des Rückgangs in den letzten Wochen zieht sich durch die Berichte der letzten Wochen, auch wenn das RKI jede Woche die Zahlen teils für Vorgänge die viele Monate zurückliegen, einfach ändert – und kein Mensch kann das überprüfen, bis auf eine Staatsanwaltschaft ggf.)
Vom 6. Januar bis zum 1. März 2021 sanken die Zahlen aller Hospitalisierungen – damit sind alle gemeint, das RKI spezifiziert das nicht in der Excel-Tabelle – also primär die Normalstation, aber auch die Intensivstationen, von 9547 (2/21) auf 4059 (6/21). In den Wochen 10 bis 12 stiegen die Werte an, aber seit drei Wochen sinken sie wieder auf aktuell eben 3965. Das ist der niedrigste Wert wöchentlicher Hospitalisierunen seit dem 18. Oktober 2020. Das wäre ne Meldung wert. Aber das RKI hat bereits seine “alternative” Wahrheit kundgetan und berichtet, wie oben zitiert,
Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die VOC B.1.1.7. führt aktuell zu einer ansteigenden Anzahl von Hospitalisierungen.
Das stimmt nicht mit den Zahlen desselben RKI überein, man könnte auch sagen: das ist glatt gelogen. Wäre ein Fall für eine Staatsanwältin in Berlin, denke ich. Denn mit diesen Zahlen werden ja die größten Freiheitsbeschränkungen seit 1945 in diesem Land gerechtfertigt. Die Zahlen auf ICUs steigen, aber wie soll das in Einklang zu bringen sein mit den massiv sinkenden Zahlen der Hospitalisierungen allgemein? Und wie soll das mit der gleichbleibenden Zahl der Intensivpatient*innen insgesamt in Einklang zu bringen sein?
Ein Ins-Verhältnis-Setzen aller Hospitalisierungen in Deutschland, die 2019 ca. 19 Millionen betrugen, und den Hospitalisierungen wegen oder “mit” Corona (ca. 260.000, wenn wir von 12 Monaten und im Schnitt 5000 Patienten pro Woche ausgehen), wäre eine eigene Studie wert. Denn diese 260.000 Hospitalisierungen würden läppische 1,3 Prozent aller Hospitalisierungen ausmachen – das soll eine “epidemische Lage von nationaler Tragweite sein”? Lachen Sie und holen sie tief Luft und vergegenwärtigen Sie sich diese Zahlen.
Das ist aber mit den Zahlen, dem Sinken und Steigen, wie mit den Regentänzen: Steigen die Zahlen oder regnet es nicht, dann haben Sie und ich zu wenig getanzt (wie auch, alle Clubs geschlossen, Wacken und das Oktoberfest nicht in Reichweite), dann sind “wir” alle Schuld, doch sinken die Zahlen, dann lag es an Annalenas Nomination oder an Söders Pressekonferenz und den Lockdowns und Ausgangssperren, am “Krieg gegen ein Virus”.
Wenn dann die Zahlen wieder steigen liegt das nicht an steigenden Tests oder falsch-positiven, sondern daran, dass wir zu wenig getanzt haben (also uns zu oft getroffen haben), dann gibt’s wieder Lockdown – nur äußerst naive Menschen wie der Amtsrichter und CDU-Politiker Jens Gniesa glauben ernsthaft, dass eine Befristung bis Ende Juni ernst gemeint ist von der Regierung und dem Bundestag, das totalitäre Gesetz wird einfach kurz davor bis Ende September verlängert, damit Merkel mit dem ruhigen Gefühl des Lockdowns im Rücken in Rente gehen kann.
Am Anfang ging es auch nur um “flatten the curve”, um den R-Wert unter “1”, das war schnell erreicht, dann ging es um Maskenpflicht, dann um Testpflicht, Quarantäne und sodann um die Inzidenz.
Ein typischer Anhänger des Mythos des Regentanzes ist der alleroberste, erste und regierende Bürgermeister in Hamburg, Peter Tschentscher. Er meinte jetzt, dass das leichte Sinken der 7-Tages-Inzidenz in Hamburg der Ausgangssperre zu verdanken sei. Das weiß er natürlich nicht, er kann da nur fantasieren, wie halt SPD-Politiker oder Mediziner in Hamburg öfters mal fantasieren.
Aber er hat natürlich Recht, wie alle Regentänzer immer Recht behalten: Fallen die Zahlen oder regnet es, dann lag es an den totalitären Maßnahmen beziehungsweise am Tanzen, doch steigen die “Zahlen”, dann lag es natürlich nicht am Lockdown, an Reden von Merkel oder Scholz, sondern dann lag es an a-sozialen Hamburger*innen, die womöglich sogar im Freien atmen und das ohne Maske. Pfui Teufel.
Es leben die Regentänze. Ein Ethnologiestudium oder die Lektüre der Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor Wiesengrund Adorno von 1944/47 könnte hierbei sehr hilfreich sein. Nie war die Gefahr der Mathematisierung oder Verblödung der Welt größer als zur Corona-Zeit.
Horkheimer/Adorno schreiben in der Vorrede zur Dialektik der Aufklärung:
Die Flut präziser Information und gestriegelten Amüsements witzigt und verdummt die Menschen zugleich.
Es geht nicht um die Kultur als Wert, wie die Kritiker der Zivilisation, Huxley, Jaspers, Ortega y Gasset und andere, im Sinn haben, sondern die Aufklärung muß sich auf sich selbst besinnen, wenn die Menschen nicht vollends verraten werden sollen. (…) War die respektable Bildung bis zum neunzehnten Jahrhundert ein Privileg, bezahlt mit gesteigerten Leiden der Bildungslosen, so ist im zwanzigsten der hygienische Fabrikraum durch Einschmelzen alles Kulturellen im gigantischen Tiegel erkauft.