Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Türkei

Vanessa Vu, DIE ZEIT, die verkehrt dargestellte Nazi-Zeit und die verschleierten Früchte von „Migration“

 

Von Dr. phil. Clemens Heni, 6. Juni 2023

Ein Essay

 

Ein Text in der Wochenzeitung DIE ZEIT / ZEIT Online vom 30. Mai 2023 von Vanessa Vu zeigt, wie die selbstbewusste, faktenfreie und ideologisch aufgeladene Abwehr der Erinnerung an den Nationalsozialismus heute funktioniert. Die Autorin ist ganz glücklich, dass heute in der Bundesrepublik so dermaßen viele Migrant*innen leben. „Sie werden die Mächtigen sein“ heißt der Text und das kann man als Bedrohung auffassen.

Screenshot, https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-05/migration-gesellschaft-einwanderung-deutschland-demografischer-wandel/komplettansicht

Der Text hätte auch an beliebig vielen anderen Orten erscheinen können, er ist Ausdruck des Zeitgeistes und keine Marotte der ZEIT. Zurecht wendet sich die Autorin gegen rechte rassistische Schläger, die auch mal zur Waffe greifen und Menschen verletzten und einen rechten deutschen irgendwie Traditionsverein wie am rechten Rheinufer in Köln oder sie betont in ihrer kleinen Deutschlandtour, wie hipp es doch sei, dass jetzt in einem Schwarzwalddorf ein syrischer Flüchtling Bürgermeister wird.

Vu kommt ursprünglich aus Bayern. Dort wuchs sie auf und musste vermutlich Goethe lesen, womöglich gar den „Faust“. Aber sie jauchzt, dass das ab 2024 in bayerischen Schulen nicht mehr Pflichtprogramm sein werde:

Für Regina Riermeier-Wenninger ist das alles nichts mehr. Sie sei mal aus Liebe zur deutschen Literatur Lehrerin geworden, nicht aus Freude an Fremdsprachen- oder Grammatikunterricht. Sie mag die alten Klassiker und ihren Faust , der ab 2024 in Bayern keine Pflichtlektüre mehr ist, und der für die Kinder immer sperriger geworden ist. Einmal habe sie im Schullandheim Märchen aus aller Welt mitgebracht. ‚Die Schüler haben sie aufgesaugt und mich regelrecht angebettelt, noch eine Geschichte aus ihrem Herkunftsland vorzulesen‘, erinnert sie sich. Aber wenn es Weltliteratur ist, die die Kinder heute interessiert und Deutsch als Fremdsprachenunterricht, den sie brauchen – ist Frau Riermeier-Wenninger dann noch die Richtige?

Diese arrogante Multikulti-Attitüde und die Liebe zum Einfachen, zu Heimat, Provinz und Märchen, zum Irrationalismus mithin und zum Eigenen – die wird hier in der ZEIT eingefordert und von Vu proklamiert. War Faust nicht auch vor 40 Jahren schon „sperrig“? Was heißt das? Wird Literatur jetzt abgeschafft, weil sie zu kompliziert ist für Teenager? Doch das nur am Rande.

Aus antifaschistischer Perspektive ist Folgendes der Skandal in diesem Text. Denn der Kern des Elaborats in der ZEIT von Vanessa Vu ist folgender Satz:

Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch andere Ausländer und Minderheiten, zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

In der NS-Zeit seien „die ausländischen Zwangsarbeiter“ „zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben“ worden. Ernsthaft? Ja, das steht exakt so im Text von Vanessa Vu.

Ausländische Zwangsarbeiter seien „vertrieben“ worden? Vertrieben? Von den Nazi-Deutschen?

Der ganze Absatz in dem ZEIT-Artikel, der in diesem Satz kulminiert, lautet:

Fast vergessen scheint, dass Deutschland schon einmal „Arbeitseinfuhrland“ gewesen war. Die Preußen holten Hunderttausende Tagelöhner ins Kaiserreich. Im eigenen Land herrschte „Leutenot“, also ließen sie östlich der Elbe Wanderarbeiter aus polnischen, russischen und ukrainischen Gebieten die Felder bestellen. Im Ruhrgebiet und in Sachsen bauten zudem Italiener, Niederländer und Untertanen der österreich-ungarischen Habsburgermonarchie Kohle ab, sie errichteten Kanäle und Eisenbahnschienen. Von 1871 bis 1910 stieg die Zahl der registrierten Ausländer im Deutschen Reich von 206.000 auf knapp 1,3 Millionen, hinzu kamen zahlreiche nicht registrierte Saisonarbeiter. Das deutsche Kaiserreich mitsamt seinen rasant wachsenden Industriezentren war eines der Haupteinwanderungsziele der Welt. Auch in der Weimarer Republik gab es Arbeitsmigration, sie wurde mit der völkischen Bewegung zu Zwangsarbeitsmigration. Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch andere Ausländer und Minderheiten, zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

Schon die Vermischung von Arbeitsmigration und Zwangsarbeit irritiert. Der Satz zur Weimarer Republik ist völlig schleierhaft, was will die Autorin damit sagen?

Auch in der Weimarer Republik gab es Arbeitsmigration, sie wurde mit der völkischen Bewegung zu Zwangsarbeitsmigration.

Die völkische Bewegung war ein Zentrum des Antisemitismus. Inwiefern hat sie in der Weimarer Republik zu einer „Zwangsarbeitsmigration“ beigetragen? Will die Autorin damit sagen, dass es schon zu Weimarer Zeiten Zwangsarbeit gab? Und welche Rolle soll dabei die antisemitsiche völkische Bewegung gespielt haben? Es gab in der Weimarer Republik aber gar keine Zwangsarbeit wie im Nationalsozialismus, was soll dieser Satz  bedeuten?

Es wurden während der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg im Deutschen Reich ca. 26 Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wie Sklaven behandelt, ausgebeutet und viele starben oder wurden ermordet. 13 Millionen davon wurden im Deutschen Reich ausgenutzt und gequält. Sie wurden mit Zwang in das Land geholt – und doch nicht vertrieben! –, aus Frankreich, Holland, Italien und vor allem aus dem Osten, aus der Sowjetunion, aus Polen, Dänemark, Jugoslawien und vielen anderen Ländern.

Der Forschungsstand wird von der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ) so zusammengefasst:

Das NS-Regime baute eines der gewaltigsten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte auf. Etwa 26 Millionen Menschen wurden im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten zum Arbeitseinsatz gezwungen. Lange zählten sie zu den ,vergessenen’ Opfern des Nationalsozialismus – bis die Entschädigungsdebatte Ende der 1990er Jahre ihre Geschichte in die Öffentlichkeit trug.

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt:

Unter Zwangsarbeit im Nationalsozialismus versteht man insbesondere die Verschleppung und Ausbeutung von über 13 Millionen ausländischen KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und zivilen Arbeitskräften in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, Arbeitserziehungslagern und anderen Lagern im gesamten besetzten Europa und betraf insgesamt etwa zwanzig Millionen Menschen.

Wie kommt die ZEIT-Autorin Vu darauf, dass Zwangsarbeiter*innen im Nationalsozialismus „vertrieben“ oder „vernichtet“ worden seien?

Zwangsarbeiter wurden nach Deutschland geholt oder in den besetzten Ländern versklavt, aber doch nicht „vertrieben“. Wohin hätten die denn „vertrieben“ werden sollen? Hat Vu auch nur den leisesten Schimmer über die politisch-geographische Situation in Europa seit dem 1. September 1939 und dann seit dem 22. Juni 1941? Nahezu ganz Europa war von den Deutschen besetzt, wohin hätten denn „Zwangsarbeiter“ vertrieben werden sollen? Das ist vollkommen faktenfrei. Es ist ein völlig sinnfreier Satz, ohne jeden Gedanken, ohne jede historische Wahrheit, was die Zwangsarbeiter betrifft.

Und das Wort Jude taucht selbstredend gar nicht auf, nicht mal in diesem Nebensatz. Womöglich meint Vu unter „Minderheiten“ die Juden, neben anderen. Keine Kenntnis des eliminatorischen Antisemitismus nirgends und seiner Bedeutung für den Nationalsozialismus.

Wie aber kommt Vanessa Vu auf so eine groteske Fantasie?

Weil sie denkt, dass die Nazis nichts mit Nicht-Deutschen zu tun gehabt hätten?

Weil sie nicht weiß, wirklich nicht weiß, dass Millionen Sklavenarbeiter in der Landwirtschaft oder der Metallindustrie und im Bergbau im Nationalsozialismus arbeiten mussten und viele qualvoll starben, aber nicht gezielt „vernichtet“ wurden?

Wie kann frau so ignorant sein? Vielleicht hatte sie einen sehr schlechten Geschichtsunterricht in der Schule in Bayern oder wo immer sie zur Schule ging in Deutschland. Was schreibt Vu in der ZEIT über sich selbst?

Ich habe Ethnologie, Internationales Recht und Südostasien in München, Paris und London studiert und danach die Deutsche Journalistenschule (DJS) besucht. Im Anschluss ging es zu ZEIT ONLINE, zunächst ins Politik- und Gesellschaftsressort, seit 2019 bin ich im Ressort X für Schwerpunkte und Reportagen. Für meine Arbeit wurde ich u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Helmut-Schmidt-Preis und dem Lessing-Preis für Kritik ausgezeichnet. 2018 wählte mich das ‚Medium Magazin‘ zu den ‚Top 30 bis 30‘.

Ist dieser Text in der ZEIT also das Niveau der „Top 30 unter 30“?

Wenn Vu weder in der Schule, noch im Elternhaus, bei Freund*innen der Eltern, bei Eltern der Mitschüler*innen, den Mitschüler*innen selbst oder später im Studium oder vielleicht beim Zeitungslesen, Bücherlesen oder der Lektüre von fachwissenschaftlichen Artikeln nicht über die NS-Zeit gestolpert ist, dann hätte sie das allerspätestens als Journalistin oder einfach nur als Bürgerin in diesem Land BRD nachholen müssen. Lesen, recherchieren, diskutieren, lernen, denken.

Nun haben bekanntlich in Deutschland bis heute die allermeisten Familien, Dörfer, Städte und Gemeinden auch geschwiegen über die Taten ihrer Eltern, Großeltern, über die Zwangsarbeit, über die deportierten Juden, die militärische Tradition – Stichwort Wunstorf und „Air Defender 23“, die größte NATO Luftkriegs-Übung, die in Wunstorf Mitte Juni 2023 stattfinden wird, mit Hunderten NATO Kampffliegern und das in Wunstorf in Niedersachsen, wo doch auch einige der Nazi-Flieger herkamen, die 1937 Gernica dem Erdboden gleichgemacht haben, wie unter anderem der Historiker Hubert Brieden seit Jahrzehnten aufarbeitet.

Also von den ganz normalen Deutschen konnte Vu das häufig gerade nicht lernen, was für Verbrechen in Bayern, Niedersachsen oder wo immer passiert sind. Aber wäre sie eine Linke, dann hätte sie sich aus eigenen Stücken damit befasst. Aber Vanessa Vu ist keine politisch aktive Person, sie ist eine Wohlfühl-Multikulti-Autorin, die angesagt zu sein scheint und offenbar ganz wenig Wissen hat über den Nationalsozialismus. Und darauf ist sie von ihrem Tonfall her stolz, weil sie ahnt, merkt oder weiß, dass fast alle Migrant*innen keinerlei Wissen über die Nazi-Zeit besitzen, allerdings auch sehr viele der ganz normalen Deutschen.

Doch Wissen ob der Nazi-Vergangenheit ist die Grundbedingung jedes politischen Handelns in der BRD, ja aus antifaschistischer Perspektive weltweit.

Dass 2020 bis 2022 weiteste Teile der Antifa dann staatstreu mitgemacht haben bei der brutalen, mörderischen und irrationalen, wissenschaftsfeindlichen Corona-Politik – das ist der Schock unserer Zeit, die Epochenschwelle der Linken schlechthin. Das Kokettieren führender deutscher Soziologen mit der Deportation von über 10 Millionen nicht gegen SARS-CoV-2 Geimpften nach „Madagaskar“ führte zu überhaupt keinem Aufschrei.

Dennoch: Gibt es in der Redaktion der ZEIT niemanden, der oder dem (m/w/d) so etwas wie dieser oben zitierte absurde Satz von Vanessa Vu zu Zwangsarbeit und Vernichtung im NS noch auffällt?

Wird dieser Geschichtsrevisionismus einfach so durchgewunken, weil die Autorin sich ja Mühe gegeben habe und einen Migrationshintergrund von Seiten ihrer Eltern hat? Zählen historische Fakten nur für jene, die in dem jeweiligen Land geboren wurden und deren Eltern auch die Geschichte des Landes kennen oder zumindest die Sprache?

Vernichtet und vertrieben aus Deutschland wurden die Juden.

Doch das kümmert Vu wohl nicht sonderlich, denn warum erwähnt sie die Juden und die Shoah überhaupt nicht? Sie hat ein wunderbares Gewissen, falsch machen kann sie offenbar gar nichts, wenn es um die deutsche Geschichte geht – sie ist ja aus Bayern und eine der Top 30 unter 30, aber offenbar primär doch irgendwie aus Vietnam. Woher diese Ignoranz gegenüber der Geschichte des Nationalsozialismus?

Wie eiskalt muss ein Mensch sein, dass der Holocaust, das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Deutschen und ihre Kollaborateure, hier ohne die Nennung von Juden und nur in einem läppischen Nebensatz – „aber auch andere Ausländer und Minderheiten“ – indirekt erwähnt wird?

Ob sie überhaupt vom Holocaust weiß, ist völlig unklar. Meint sie, dass deutsche Juden „Ausländer“ oder „Zwangsarbeiter“ gewesen seien, die vertrieben und vernichtet wurden? Deutsche Juden waren Deutsche.

Nochmal: Dieser Satz hätte niemals in einem angeblich seriösen Medium wie der Wochenzeitung DIE ZEIT das Lektorat und die Redaktionssitzung überstehen dürfen:

Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch andere Ausländer und Minderheiten, zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

Der Hauptsatz heißt:

Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

Und das ist eine Falschaussage, Fake News, eine Lüge. Die Zwangsarbeiter wurden nicht vertrieben, sondern unter Zwang nach Deutschland geholt. Punkt. Viele wurden ermordet oder starben bei der Arbeit, was allerdings etwas kategorial Anderes ist wie die Vernichtung der europäischen Juden in der Shoah, in Auschwitz, Sobibor oder Treblinka.

Der Satz jedenfalls zeigt nicht nur die Niveaulosigkeit und völlige Fakten- und Wahrheitsferne von Vanessa Vu, sondern eben auch von der ZEIT, dem Flaggschiff des deutschen Bildungsbürgertums, das dies publizierte.

Was für ein Bildungsbürgertum? Vorbei die Zeiten, als in der ZEIT Ende Juli 1967 der pro-israelische Wolfgang Hildesheimer dem Antizionisten Peter Weiss angesichts des Sechs-Tage-Krieges und Israels Sieg die Leviten las, was Adorno so freute, dass er Hildesheimer aus seinem Urlaubsort Crans-Montana am 1. August 1967 eine vor Begeisterung sprühende Postkarte schrieb.

Aber natürlich hat Vu Recht. Welche Migrant*innen interessieren sich schon für die Geschichte des Nationalsozialismus, der Zwangsarbeit und der Shoah? Welche Türken interessiert ihr eigener oder der deutsche Antisemitismus? Welche Türken (m/w/d) befassen sich kritisch mit der genozidalen Politik im Osmanischen Reich und der Jungtürken gegenüber den Armeniern im Ersten Weltkrieg?

Auch folgender Satz von Vu strotzt nur so von Unkenntnis:

Man kann also argumentieren: Die nostalgisch beschworene Homogenität der Fünfziger, dieses normativ besetzte ‚Früher‘, war eine Ausnahmeerscheinung der deutschen Geschichte. Seit Jahrhunderten gehört Einwanderung zu Deutschland, seit wenigen Jahren räumen auch konservative Spitzenpolitiker ein, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.

Es war eine Homogenität, die auf Vernichtung der Juden basierte und alle wussten es. Es war keine „Ausnahmeerscheinung“, sondern eine schweigend-brüllende antisemitische Normalität. Die 1950er Jahre: Das war eine die eigene Schuld beschweigende, sekundär-antisemitische, erinnerungsabwehrende post-nationalsozialistische Volksgemeinschaft. Doch davon hat Vu so wenig Ahnung wie der Rechte Thilo Sarrazin, der die 50er Jahre auch positiv darstellt, nur eben ohne die migrantische Brille. Er findet das Wirtschaftswunder und die Sekundärtugenden, den Fleiß und die Tüftelei der Deutschen der 1950er so faszinierend (in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“, 2010).

Sarrazin wie Vu ignorieren die Situation für die ganz wenigen überlebenden Juden in diesem Land und das ist die einzige relevante Perspektive, nicht die der ganz normalen „Otto Normalvergaser“ (Eike Geisel). Auch das kennt Vu nicht, weil sie nicht weiß, wer Eike Geisel war, wüsste sie es, hätte sie nicht so einen Text in der ZEIT fabriziert.

Beide, Sarrazin wie Vu sagen nicht, dass die Täter damals alle unbescholten davonkamen, es ist einfach nicht das Thema. Vu geht gar nicht näher auf die 50er Jahre ein. Nazis wurden wieder in hohe Staatsämter befördert, wurden Chef im Bundeskanzleramt (Globke, 1953), Bundeskanzler (Kiesinger, 1966) oder Bundespräsident (Carstens, 1979).

Und Einwanderung gab es in den 1950er Jahren auch, das sog. Anwerbeabkommen mit Italien ist aus dem Jahr 1955.

Wenn Fu schreibt, dass „Bei Kindern unter zehn Jahren haben etwa 40 Prozent einen Migrationshintergrund“, ist das eine katastrophale, realistische Tatsachenbschreibung, wenn die Zahl so stimmen sollte.

Laut dem Statistischen Bundesamt wurden 2021 23,9 Prozent aller Neugeborenen von nicht-deutschen Müttern geboren. In der alten BRD liegt die Zahl bei 24,8 und in der Ex-DDR bei 12,8. Bremen hat den höchsten Prozentsatz nicht-deutscher Mütter mit 37,6 Prozent, Berlin hat 33,9, Mecklenburg-Vorpommern 10,7 Prozent.

Viele dieser Migrantinnen und Migranten, jedenfalls die muslimischen und davon ein großer Prozentsatz, wollen gar nicht, dass ihre Kinder ankommen in diesem Land, in dem sie geboren werden.

Sie wollen, dass die Kinder zu großen Teilen wie Monster verkleidete Mütter mit Kopftuch haben und die Eltern fast nur Türkisch (oder Arabisch) zu Hause reden. Bei anderen Migrant*innen ist es eine andere Sprache und die Bildungsferne hat sehr wohl etwas mit der Religion zu tun. Je muslimischer, je bildungsferner, das kann man empirisch zeigen. Viele dieser Kinder gehen nicht in den Kindergarten, häufig eben aus ideologischen Gründen: die Eltern haben gerade Panik, dass die Kinder mit nicht-muslimischen Kindern und Eltern in Kontakt kommen und möchten diesen Kontakt solange hinauszögern, wie es nur geht. Die Schulpflicht können sie jedoch nicht umgehen. Doch die Kinder lernen häufig bis zum Alter von sechs keine deutschen Kinder kennen, lernen somit auch die deutsche Sprache überhaupt nicht richtig.

Im weltlichen Frankreich gibt es seit 2004 ein Kopftuchverbot an Schulen. In Deutschland wurde jüngst in Berlin per Gericht das Kopftuchverbot gerade für Lehrerinnen an Schulen aufgehoben – der Islamismus hat in Deutschland freiere Fahrt als im laizistischen Frankreich. In Frankreich nehmen dafür groteske Kleidungsstücke wie die Abaya zu – eine Ganzkörperbedeckung, eine Art Sack, der vom Hals bis zu den Fußspitzen reicht. Auch in Deutschland sieht man zunehmend viele junge Frauen, die sich so islamistisch kleiden – plus Kopftuch natürlich, das ja hier im Gegensatz zu Frankreich an Schulen nicht verboten ist.

Auf die Gefahr des Islamismus in Frankreich weist zum Beispiel ein Artikel im Magazin der Neuen Zürcher Zeitung im Dezember 2022 hin:

Die Stimmung an Frankreichs Schulen ist extrem angespannt, seit vor zwei Jahren in einem Pariser Vorort der Geschichtslehrer Samuel Paty auf dem Nachhauseweg von einem Islamisten enthauptet wurde. Der 47-Jährige hatte im Staatskundeunterricht zum Thema Meinungsfreiheit die Mohammed-Karikaturen durchgenommen und war dafür in den sozialen Netzwerken angefeindet worden. So hatte der Attentäter, ein 18-Jähriger aus Tschetschenien, den Weg zu dem Lehrer gefunden.

Dass ich-schwache Personen sich der Religion zuwenden, war auch ein typisches Kennzeichen des christlichen Mittelalters in Europa, inklusive der Hexenverbrennungen. Ein Kopftuch ist ein äußeres Zeichen von Schwäche, nicht von Selbstbewusstsein oder Stärke. ‚Muslimische‘ Kleidung ist ebenfalls ein Zeichen äußerer Schwäche, ein Zeichen, dass frau oder mann nicht ankommen möchte im Westen. Doch warum leben diese Menschen dann im Westen? Weil sie ihn islamisieren wollen, das ist ja der Auftrag des Islamismus: die Irrlehre ihres Gottes zu verbreiten, sich imperialistisch auszubreiten, wie es das Christentum über Jahrtausende mit äußerster Brutalität auch getan hat – wobei der Islam im Mittelalter auch imperialistisch war und die Sklaverei gab es bei den Christen wie bei den Muslimen.

Doch welche andere Gruppe indoktriniert hier und heute im 21. Jahrhundert ihre Kinder und die Öffentlichkeit mit einem Kopftuch und zeigt erstens, dass die Frauen offenkundig am Wahn leiden, dass Männer ganz grundsätzlich auf ihr Haupthaar abfahren würden und zweitens, dass sie offenbar was ganz Besonders seien, die muslimisch-islamistischen Frauen, weil ja sonst unter den Dutzenden Millionen Frauen in Deutschland keine andere Gruppe irgendwie äußerlich sich so dermaßen grotesk verkleidet im 21. Jahrhundert. Was denkt sich ein zwei oder fünf Jahre altes Kind, wenn es sieht, dass nur die eigene Mutter und Tante sich so absurd anziehen, aber alle anderen Frauen, die sie zumindest auf der Straße zu sehen bekommen, das nicht tun?

Es gibt auch kaum eine andere Gruppe von Menschen wie Muslime, die auf Toiletten in der Schule oder mitten in der Bibliothek an Universitäten beten, ich könnte von widerlichen Beispielen an der Staatsbibliothek Berlin (Stabi), der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (WLB) oder der Universitätsbibliothek Heidelberg berichten. Es gibt kaum einen größeren Widerspruch als Wissenschaftlichkeit, Bibliotheken und Freiheit versus religiösem Wahn. Warum reicht es diesen Extremist*innen nicht, privat ihre Religion zu leben oder sich in ihren Gotteshäusern zu treffen, wo sie dann andere, die dem gleichen Irrationalismus frönen, treffen können? Warum reicht das nicht?

Diese Fanatiker*innen wollen den öffentlichen Raum – darum geht es! – islamisieren. Sie wollen öffentlich ihrem Wahn Folge leisten und belästigen damit den denkenden Teil der Gesellschaft. Ähnlich ist es mit Kreuzen im Klassenzimmer, auch das ist ein reaktionäres Zeichen religiösen Fanatismus, vom Balkensepp an jeder Dorfkreuzung in katholischen Gegenden nicht zu schweigen. Ein unglaublich brutaler Anblick, der zudem immer noch mit Antisemitismus in Verbindung steht, da Juden angedichtet wird, an der Kreuzigung Jesu schuld zu sein.

Oder nehmen wir islamistische Fußballer, die auf dem Platz beten, vor dem Spiel oder nach einem Torerfolg, auch das ein Zeichen des Fanatismus, der im Sport nichts verloren hat.

So wie manche extremistischen Türkinnen und Türken im Hof von Mehrfamilienhäusern ihre Hochzeit feiern, auf traditionell türkische Art und Weise mit nationalistischem Pathos und riesiger Türkeifahne. Hochzeit und natürlich der patriarchale Imperativ des Kinderkriegens ist bei diesen islamistischen Türken durchgesetzt, was nicht heißt, dass auch sehr viele der jüngeren Deutschen sich wieder eifriger als noch vor Jahren reproduzieren, was angesichts von Corona besonders perfide ist gegenüber den Kindern (maskiert gezeugt und geboren, WAS für ein Leben erwartet eine oder einen da, angesichts des ohnehin vorhandenen Schockes der Geburt, wie existentialistische Philosoph*innen schon immer sagten?).

Laut einer wissenschaftlichen Studie von 2015 haben nur fünf von 100 Frauen (im Alter von 35–49, Stand 2015), die aus der Türkei nach Deutschland einwanderten, keine Kinder. In Deutschland sind es 27 Frauen / 100, die keine Kinder haben. Von den in Deutschland geborenen Türkinnen sind es 18 /100, die ein kinderfreies Leben bevorzugen, in der Türkei sind es demnach bis heute (also 2015) nur völlig schockierende 4 Frauen von 100, die sich gegen den patriarchalen natalistischen Imperativ entscheiden. Die Studie spricht negativ von „kinderlos“, dabei ist der soziologisch-feministische Fachterminus „kinderfrei“, so wie es auch kinderfreie (und nicht kinderlose) Hotels gibt etc.

Auch und gerade angesichts des blutigen Krieges in der Ukraine wäre es doch aus menschlicher Perspektive naheliegend, wenigstens mal fünf Jahre ein weltweites Moratorium fürs Kinderkriegen umzusetzen, aus freien Stücken. Wer bekommt angesichts des sicher immer und immer wieder fortsetzenden Gemetzels auf der Welt noch Lust, anderen diese Welt zuzumuten? Wie kalt oder zynisch muss man sein, um da weiter Kinder in die Welt zu setzen?

Wenn Mädchen die Chance genommen bekommen, mit wehenden Haaren Fahrrad zu fahren? Das ist ein Verbrechen an der Kindheit und Jugend und es ist ein muslimisch-islamistisches Verbrechen. Dabei gibt es moderate Muslime, aber sie sind kaum sichtbar, da sie ohne Kopftuch nicht auffallen und die moderaten muslimischen Männern sind auch uninteressant für jene, die lieber konservative Traditionen tätscheln wollen und eher der rechten ethnopluralistischen Ideologie anhängen: „so sind sie halt, die Türken“ und „so sind wir halt, wir Deutschen“, jeweils schön getrennt, anti-emanzipatorisch, anti-kosmopolitisch, auf Familie, unreflektierte Werte und Traditionen festgelegt.

Ein Schulrektor aus Rheinland-Pfalz berichtet Ende Mai 2023:

Als ich vor 15 Jahren noch als Klassenlehrer vor der Klasse stand, war es so: Sie hatten zwei, drei Kinder in der Klasse, die einen besonderen Aufmerksamkeitsbedarf hatten, weil sie beeinträchtigt waren, weil zu Hause Probleme waren, weil sie vielleicht nicht so gut lernen konnten. Und das haben sie als Klassenlehrer gut auffangen können. Heutzutage haben sie fast das Gegenteil. Das heißt, sie haben ganz, ganz viele Kinder, die mit Problemen in die Schule kommen. Sie haben eher drei Kinder, die durchschnittlich begabt sind und der Rest hat ein Problem.

Das ist die Realität, die wir hier und heute haben mit Migration. Wobei ja fast alle diese Kinder hier geboren wurden, wie schon ihre Eltern. Aber die Eltern weigerten sich ganz aggressiv, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden, sie lernten selbst die deutsche Sprache nicht richtig und reden zuhause nur Türkisch (oder Russisch, Arabisch etc.). Sie lesen vor allem zu wenig, was jeder Blick beim Schlendern durch wirklich jede deutsche Stadt zeigt: wer hat schon noch Bücherregale zu Hause stehen?

Das war früher bei den Deutschen nicht anders und viele sind bis heute auch nicht gerade Buch affin. Aber bei Nicht-Deutschen hat das viel weitergehende Folgen, weil ihr ganzes Leben sich weder in der Geschichte, noch der Sprache und Kultur Deutschlands bewegt, sie leben in einer anderen Welt, hören andere Musik, ziehen sich anders an – wiederum ist das aggressive Kopftuch einer der größten Hinderungsgründe für Integration, aber ebenso das migrantische Macho-Gehabe und der Sexismus, den nur leugnen kann, wer nicht mit solchen Milieus konfrontiert ist.

Natürlich müsste der Lehrer aus Rheinland-Pfalz auch betonen, dass die brutale und dermaßen irrationale, wissenschaftsferne Coronapolitik, für die gerade die Lehrerverbände einstanden, das Lesen und Schreiben ganz extrem behindert hat. Schulschließungen haben eine ganze Generation von kleinen Kindern traumatisiert und ihnen die Chance genommen, die deutsche Sprache wenigstens in den Grundzügen zu lernen.

Jene, die in der Grundschule kein Deutsch können, das werden nicht die kommenden „Mächtigen“ sein, von denen Vanessa Vu fabuliert – oder doch? Weil die Masse sich immer durchsetzt?

Wer sich in Betrieben umhört merkt, dass an verantwortlicher Position sehr selten Migrant*innen stehen und das hat Gründe. Wobei es auch da Unterschiede gibt, was für ein Migrationshintergrund vorliegt und wie integriert die Person ist – es gibt zum Beispiel, das könnte man in empirischen Studien näher untersuchen, massive Unterschiede zwischen häufig stärker integrierten russischen Einwander*innen und türkischen, wobei die ca. 2,3 Millionen Deutschrussen fast alle deutsche Staatsbürger*innen sind, aber gleichwohl wie Hunderttausende der heute in der BRD lebenden Türken aus einem Elternhaus stammen, wo Deutsch eine Fremdsprache ist.

Es liegt nicht primär am Rassismus, sondern daran, dass viele gar nicht motiviert sind, hier in der Gesellschaft und auch der deutschen Sprache anzukommen. Einige deutsch-türkische Spitzenpolitiker*innen sind die Ausnahme. In den Innenstädten gerade der Großstädte sieht es anders aus und häufig auch auf den Dörfern, insoweit sie nahe an den großen Industriebetrieben liegen.

Der Schock deutsch-türkischer Politiker*innen ob der erneuten Wiederwahl des islamistischen Diktators Erdogan in der Türkei durch viele Türken in Deutschland zeigt, dass es hier einen Bruch gibt in der Migrationsgesellschaft. Es gibt jene, die Deutsche sind, aber zum Beispiel türkische Eltern haben, und es gibt jene, die hier geboren wurden, aber Deutschland, ein Land der „Ungläubigen“ aus islamistischer Perspektive, verabscheuen und an Wahlen in der Türkei teilnehmen.

Und davon schweigt dieser Text von Vu wissentlich. Sie will nicht über die massiven Probleme reden, die Migration verursacht, gerade aus muslimischen Ländern. Sie will auch nicht über die massiven Probleme reden, die jene verursachen, die hier geboren wurden und alle Chancen gehabt hätten, die deutsche Sprache richtig zu lernen und Teil einer säkularen Gesellschaft zu werden.

Oder sich im besten Fall für die Kritik an der Gesellschaft, am Patriarchat, am Kapitalismus, am Antisemitismus, an der Technokratie, für die Kritik an der Umweltpolitik und gegen die Verleugnung der extremen Gefahr des Klimawandels, für die Kritik an der Coronapolitik, an der Kriegs- und Ukrainepolitik einsetzen. So gesellschaftskritisch und engagiert, wie es viele häufig sozialdemokratisch oder sozialistisch gesinnten türkischen, italienischen, griechischen, jugoslawischen, portugiesischen etc. Migrant*innen der ersten Generation in den 1970er Jahren waren.

Und doch bleibt der empirisch verifizierbare Tatbestand: die größten gesellschaftlichen Probleme, was hier und heute die Nicht-Integration betrifft, verursachen Migrant*innen mit muslimischer Herkunft. Gibt es außer verschleierten muslimischen Frauen andere Menschen, die mitunter so a-sozial sind, dass sie andere Männer einfach gar nicht als Menschen sehen und „hallo“ sagen auf der Straße, im Büro oder Treppenhaus, sondern zu Boden blicken? Was sind das für religiöse Witzfiguren? Welches andere Land hält in Deutschland Wahlen ab und Hunderttausende nehmen an diesen Wahlen teil und feiern die Wahl eines Diktators mit Hupkonzerten und Auto-Konvois? Das gibt es nur bei einer Gruppe von Menschen und das sind die Türken. Nicht bei Russen, nicht bei Italienern, Griechen, Ex-Jugoslawen oder irgendeiner anderen größeren Gruppe von ehemals oder aktuellen Migrantinnen und Migranten. Dieses Problem muss man beim Namen nennen.

In Frankreich sind es die algerischen oder marokkanischen Migrant*innen, die sich nicht als Franzosen sehen und beim Fußball für Algerien oder Marokko sind, aber nicht für das laizistische Frankreich, das Land, in dem sie geboren wurden und das ihnen immerhin eine soziale Absicherung gibt, so es sie eben im Kapitalismus gibt, im Zweifelsfall als Arbeitsloser mehr Geld in Frankreich als mit Arbeit in Algerien oder Marokko.

Auch hier ist es nicht zufällig der muslimische Hintergrund Algeriens und Marokkos, der  mit dazu beiträgt, dass es zu den Parallelgesellschaften kommt. Wie die Zukunft der sehr großen Migrationsgruppen aus Syrien und der Ukraine in der BRD sein wird, ist völlig ungewiss, auch hier besteht die Gefahr von Parallelgesellschaften, wenn die Leute selbst wie die Gesellschaft dem nicht entgegenwirken. Wobei die jahrzehntelange häufig ehrenamtliche Tätigkeit mit Sprachkursen oder Nachbarschaftshilfen gerade bei den türkischen Migranten so überhaupt gar nichts bewirkt haben, ja die gewollte Islamisierung schritt seit 9/11 noch massiv voran.

Nach der Wahl Erdogans gibt es massive Kritik an seinen Wählerinnen und Wählern in Deutschland. Denn Erdogan und seine Partner stehen für Frauenverachtung, Nationalismus, Rassismus wie gegen Kurden und für Antisemitismus, wie die Zeitschrift Cicero berichtet:

Mit HÜDA-PAR ist ein Ableger der kurdischen Hizbullah ins Parlament gewählt worden. Abgeordnete von HÜDA-PAR kündigten vor den Wahlen an, im Falle eines Wahlsiegs die Rechte von Frauen massiv einzuschränken. Gemeinsam mit dem ebenfalls ins Parlament gewählten Bündnispartner Yeni Refah Partisi drohten sie, nach einem Wahlsieg mit ‚Feinden‘ einer vermeintlich islamischen Familienordnung, also queeren Menschen und emanzipierten Frauen, abzurechnen.

Beide Parteien möchten die Kinderehe legitimieren und die Lehrpläne an Schulen islamisch prägen, ‚die Jugend werde in Bildungseinrichtungen ab sofort auf das Jenseits vorbereitet‘ ließ Fatih Erbakan von der Partei Yeni Refah Parti verkünden. Das neue Regierungsbündnis fiel in den letzten Wochen durch Drohungen und Hasstiraden gegen Oppositionellen und westlich geprägte Türken auf, die sie gern als ‚Agenten Amerikas und der Zionisten‘ bezeichnen.

Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir schreibt auf Twitter:

Die #Autokorso|s sind keine Feiern harmloser Anhänger eines etwas autoritären Politikers. Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie & Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr.

Die Themen Islam und Islamismus kommen in dem Text von Vu nicht vor, obschon es um muslimische Jugendliche geht. Das einzige, was sie diesbezüglich schreibt, ist:

Es gibt jene Einwanderer, die deutscher werden als Deutsche, und solche, die autoritäre Systeme in ihren Herkunftsländern unterstützen.

Irgendwie alles egal, manche sind westlich, andere nicht. Alles easy going. Und diese Entwirklichung der enormen Gefahr des Islamismus ist sehr problematisch, aber seit 9/11 ganz typisch in gewissen Milieus.

Die Frankfurter Rundschau bringt noch weitere Zitate von Kritiker*innen des türkischen Islamismus und Rechtsextremismus:

Auch die Abgeordnete Cansu Özdemir (Linke) in der Hamburgischen Bürgerschaft hat kein Verständnis für die Feierlichkeiten der Erdogan-Anhänger. ‚Auf europäischen Straßen sieht man wieder, wie munter der faschistische Wolfsgruß gezeigt wurde. Hatte die Bundesregierung nicht vor, die Grauen Wölfe zu verbieten‘, schreibt Özdemir auf Twitter und ergänzt: ‚Der türkische Faschismus und Islamismus hat in Deutschland weiterhin freie Hand.‘

Das sind Zitate aus einem Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 29. Mai 2023, also nur einen Tag, bevor der Text von Vanessa Fu in der ZEIT erschien. Somit hat sie auch gekonnt ignoriert, was Türkei- und Migrationsforscher zur aktuellen Situation von Migrant*innen in Deutschland sagen. Nochmals der Bericht in der FR:

Prof. Burak Copur, Türkei-Forscher aus Essen, zeigt im Gespräch mit unserer Redaktion ebenfalls keinerlei Verständnis für solche Aktionen. ‚Die Autokorsos in Deutschland sind auch ein Ausdruck der Ablehnung und Verachtung demokratischer Werte und Normen. Wer als Politiker mit der Ditib und der AKP-Lobbyorganisation UİD kuschelt und diese damit hoffähig macht oder als Stadt Köln die Au[s]stellung des Völkermords an den Armeniern verhindert und damit vor den türkischen Nationalisten und Islamisten einknickt, muss sich über diese einem Diktator huldigenden Erdogan-Anhänger auf deutschem Boden nicht wundern. Das sind keine feiernden Folklore-Tänzer, sondern besorgniserregende türkische Reichsbürger.‘

Im Januar 2023 hetzte der Abgeordnete der AKP Mustafa Açıkgöz auf einer Wahlkampfveranstaltung für Erdogan und dessen Bündnis in Neuss in Nordrhein-Westfalen und sprach davon, in der Türkei wie in Deutschland die „Kurden“ „vernichten“ zu wollen, ebenso die islamistischen Gegenspieler der AKP, die Gülen-Bewegung.

Die rechtsextremen Grauen Wölfe, das Netz der DITIB-Moscheen und islamistisch-nationalistisch türkische Vereine sind sehr einflussreich und wie man an dem Wahlerfolg sehen kann, auch äußerst erfolgreich. Wie man in der Bebilderung des Beitrags im Cicero sieht, feierten in Berlin auch weltlich wirkende Frauen ohne Kopftuch den Sieg der Rechtsextremen und Islamisten und Erdogans. Der Wolfsgruß ist dabei ein Symbol dieser Rechtsextremist*innen, die eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland und für die oppositionellen und säkularen Türkinnen und Türken in der Türkei sind.

Screenshot, https://www.cicero.de/aussenpolitik/liberale-turken-verzweifeln-der-mann-hat-wieder-gewonnen

Laut FR sind in Deutschland 1,5 Mio. türkische Staatsbürger*innen in der Türkei wahlberechtigt, von denen 700.000 auch zur Wahl gingen. 67 Prozent der Wählenden haben für Erdogan gestimmt. Das heißt, dass eine sehr große Zahl, Hunderttausende der hier lebenden Türken mit türkischem Pass Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen sind oder zumindest rechtsextrem und islamistisch wählen.

Haben Vu und die ZEIT von alledem nur keine Ahnung oder finden sie das harmlos oder gar gut? Denn die Hoffnung von Vu und der ZEIT, dass Migranten bald die Mächtigen sein werden, die inkludiert ja gerade solche sehr aktivistischen und aggressiven Menschen wie AKP- und Erdogan-Wähler*innen.

Der Historiker Walter Laqueur (1921–2018) hat diese Entwicklungen schon vor Jahrzehnten geahnt und befürchtet. 2006 publizierte er sein Buch „Die letzten Tage Europas“, worin er insbesondere auf die Gefahr des Islamismus in ganz Europa eingeht und sich auch näher mit der konkreten Situation in England, Deutschland, Belgien, Frankreich oder den Niederlanden beschäftigt. Ich hatte die Ehre, ihn 2009 in seinem Apartment in Washington, D.C., besuchen zu dürfen. Laqueur floh vor den Nazis nach Palästina, baute den Staat Israel mit auf, hatte keinen universitären Abschluss und wurde ein sehr bedeutender Historiker des Kommunismus, des Zionismus, Europas und des Islamismus und Totalitarismus.

Er beschreibt den großen Unterschied der Einwanderung von Juden Anfang des 20. Jahrhunderts nach Westeuropa und Deutschland verglichen mit der heutigen zumal muslimischen Einwanderung. Die Juden, selbst die religiös-orthodoxen oder ultraorthodoxen hatten keinerlei Interesse, sich imperialistisch auszubreiten, das Judentum ist im Gegensatz zum Christentum und dem Islam keine imperialistische, keine proselytische Religion. Ich kann mich gut an Demonstrationen oder Spaziergänge in den USA wie in New York City oder in Jerusalem in der Altstadt erinnern, als ich mit weißem Hemd und schwarzem Jackett von Juden für einen Juden gehalten wurde, manche wollten mir von ihrer bestimmten Richtung im Judentum erzählen oder ein bestimmtes Gebetsritual machen, doch sobald sie merkten, dass ich gar kein Jude bin, war das ganz egal, sie wollten mich nicht überzeugen vom Judentum oder missionieren.

Laqueur beschreibt in „Die letzten Tage von Europa“ schon vor bald 20 Jahren wie gefährlich für ein vielfältiges Europa es ist, wenn sich der Islamismus in England, Deutschland, Frankreich, Belgien, Holland und anderen Ländern ausbreitet. Ungefähr zur gleichen Zeit gab es bei dem Portal Perlentaucher eine internationale Debatte über den „Islam in Europa“, wobei Pascal Bruckner schreibt:

Der Kampf gegen den Fundamentalismus ist nicht möglich ohne die Muslime, da sie dessen vorrangige Opfer sind. Die hellsichtigsten, die moderatesten untern ihnen beschwören uns, ihnen zu helfen. (Bruckner 2007, S. 206)

Vanessa Vu und die ZEIT fallen nun weit hinter den Forschungsstand zum Thema Islam (und Migration) in Europa der letzten Jahrzehnte zurück.

Wobei Vu und viele andere in ihrem Schweigen zur Gefahr des Islamismus von vielen ‚Linken‘ und weit im Mainstream Unterstützung bekommen. Gerade von Linken, die an 9/11 lachten und Schadenfreude ob des Einsturzes der World Trade Center und dem Zerquetschen, Pulverisieren und Verbrennen von 3000 Menschen in New York City an jenem Dienstag im September 2001 empfanden. Seit 9/11 begann der Siegeszug des Islamismus und des Kopftuchs im Westen erst so richtig, während die iranische Revolution und das islamistische Regime der Mullahs seit 1979 zeigen, wie mörderisch und brutal ein islamistisches Regime vorgeht – und das bis heute.

Ein Kernpunkt des Islamismus ist immer und überall die Frauenverachtung, sei es in Saudi-Arabien, in Afghanistan, der Türkei oder dem Iran und vielen anderen muslimischen Ländern in Afrika und Asien. Antisemitismus, autoritäres Denken und Irrationalismus kommen noch dazu.

Entgegen dem linken Antiamerikanismus und Antisemitismus sowie Pro-Islamismus habe ich gerade aus linker Perspektive versucht, der problematischen Beziehung von Islamforschung und Antisemitismus wissenschaftlich nachzugehen (Heni 2011). Von 2010 bis 2017 verfasste und ergänzte ich den Beitrag über Deutschland in einem der weltweit ersten umfassenden Handbücher zur Situation des Islamismus, dem World Almanac of Islamism (American Foreign Policy Council (Hg.) (2010)).

Zum Islamismus in der Forschung wie auf der Straße kommt die Israelfeindschaft im Westen, die wiederum viele Migrant*innen mit dem deutschen Mainstream teilen, gerade in der kulturellen Elite, Stichwort: Documenta 15 von 2022.

Das Schlimme ist: gerade jene, die gar kein Interesse an Bildung haben, pflanzen sich fort. Richtig, das ist das Einfallstor für die Rechten, für Sarrazin und die AfD, die nur ‚arische‘ Kinder möchten. Dabei ist die Welt schon heute massiv überbevölkert, nicht nur der Anzahl nach in den armen Gegenden in Afrika und Asien, sondern gerade auch in den kapitalistischen Industriegesellschaften.

Dabei sind sieben ‚arische‘ adlige Kinder genauso ein Zeichen für patriarchale Herrschaft wie vier Kinder einer muslimischen Familie, die nur unter ihresgleichen lebt (wie deutsche Adlige auch). Weniger ist mehr, gerade was Kinder betrifft. Mehr Selbstreflektion, mehr Dissidenz wagen und gerade nicht das Migrantische an und für sich hochjazzen. Es ist reiner Zufall, wo man geboren wurde und keine Leistung. Auch Migrant-Sein ist keine Leistung.

Die Erinnerungsabwehr, der sekundäre Antisemitismus ist bei Migrant*innen noch deutlich weiter verbreitet als im Mainstream der Gesellschaft, wobei die wissenschaftliche Elite und Teile der NGO-Szene seit Jahren postkoloniale Ideologien promoten, die ebenfalls auf eine Abwehr der Erinnerung, häufig auf eine Leugnung des präzedenzlosen Charakters des Holocaust hinauslaufen, von Aimé Césaire über Edward Said bis Achille Mbembe verläuft eine gerade postkolonial-antisemitische Traditionslinie.

Migrantinnen und Migranten hier und heute sind nicht nur Opfer rechtsextremer Gewalt und von rassistischer Ausgrenzung, sondern häufig auch Täter, nicht nur bei Anschlägen auf Synagogen, sondern auch im Entwirklichen der deutschen Geschichte. Sie machen sozusagen mit ganz anderen Vorzeichen das Geschäft der AfD: Schweigen wir von den deutschen Verbrechen in der Nazizeit, Schwamm drüber und „Vorsprung durch Technik“, wie der Audi-Slogan heißt. Weder die deutschen noch die migrantischen Arbeiter*innen störten sich die letzten Jahrzehnte daran, dass ihr Audi-Werk oder ihre Bosch-Werkstatt sich zum Beispiel in einer nach den Nazis Felix Wankel oder Hanns-Martin Schleyer benannten Straße befinden.

Volksmusik und Märchen wiederum sind in jedem Land Teil des Irrationalismus und der Affirmation des Bestehenden. Die beiden einzigen Musikarten, die kosmopolitisch ausgerichtet sind, sind klassische Musik und Heavy Metal.

Vu hat kein Foto von lesenden Studierenden oder Forscherinnen oder gar Migranten in einer Bibliothek (Gott steh uns bei!) als Bebilderung für die von ihr geliebten „neuen Mächtigen“ gewählt, sondern vier junge Männer in einem Auto, wenigstens drei davon mit Bart, offenbar sollen dieses Typen „den Migranten“ schlechthin repräsentieren. Und das tun sie. Und gerade das ist das Problem.

Es ist auch eine soziale Frage. Im Kapitalismus geht es um das Sich-Verkaufen, alles wird zur Ware. Und doch gab es in den 1920er Jahren zum Beispiel die Büchergilden, wo die Arbeiterinnen und Arbeiter sich nach einer Kräfte zehrenden Schicht noch trafen, Bücher kauften, tauschten, ausliehen, lasen und diskutierten. Es ist eine persönliche Entscheidung, die man auch als Teil einer Klasse machen kann, die gesellschaftlich sehr niedrig steht. Doch wer, egal ob migrantisch oder nicht, hat heute noch Interesse an Diskussionen, wenn es doch viel aufregender ist, am Auto zu basteln, Laub zu blasen, den Rasen zu mähen mit ohrenbetäubendem Lärm (ging früher auch mechanisch!) oder am Handy zu spielen, am Freitag in die Moschee oder am Samstag oder Sonntag zum Fußball oder auf die Kirmes zu gehen und sich einfach überhaupt nicht um die riesigen gesellschaftlichen Probleme zu kümmern.

Von dieser Atomisierung lebt die bürgerliche Gesellschaft in Zeiten der Kulturindustrie, das geht nicht erst seit den Zeiten von Horkheimers und Adornos „Dialektik der Aufklärung“ (1944/47) so. Diese Entpolitisierung ist von den Herrschenden gewollt und sie wird täglich reproduziert.

Die ach-so-demokratisierend wirkende Digitalisierung bewirkte bislang primär einen extremen Bildungsverlust. Bei Kindern kam noch der Sprachverlust durch die irrationale und gemeingefährliche Coronapolitik in den Jahren 2020 bis 2022 hinzu. Jede Schul- und Kitaschließung war völlig sinnfrei, es wurde damit die Pandemie nicht bekämpft, kein Mensch geschützt, aber Millionen ins Elend gestürzt, jedenfalls was das Sozialverhalten, die psychische Stabilität, das Sprachvermögen und auch was die Gesundheit betrifft.

Die Verharmlosung und faktenfreie Umschreibung der Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, die juckt diese Typen im Titelbild des Textes vermutlich genauso wenig wie es die ZEIT-Autorin Vanessa Vu juckt. Sie merken es alle gar nicht. Sie sind glücklich. Sie sind die neuen Mächtigen. Jedenfalls bald. Ganz bald. Da lacht die AfD und es bereitet ihr Panik zugleich.

Das Nicht-Thematisieren beziehungsweise falsche Thematisieren der deutschen Schuld und das Vergessen der Shoah und der deutschen Geschichte wird auch von diesen Migranten besorgt, wie selbstverständlich.

Das wird die neue Volksgemeinschaft sein, die stolzdeutschen Rechten und die AfD Hand in Hand mit diesen mächtigen und geschichtsblinden Migranten (m/w/d), die gar nicht wissen, wo die Grenzen Deutschlands 1942 lagen und was in Sobibor passierte. Beide, die Rechten wie viele Migrant*innen, lieben Traditionen, Volksmusik und die Familie. Selber denken, Dissidenz leben oder allein in Richtung Meer fahren und Heavy Metal hören, kennen sie nicht, sie leben lieber in konformistischen Gruppen, heiraten, danken Allah für Erdogan oder umgekehrt und führen Volkstänze auf.

Was diese einfachen migrantischen Leute, die keine Deutschen werden wollen, umtreibt, ist türkische Folklore (oder arabische, afrikanische, osteuropäische etc.), ein Job bei Porsche, Mercedes oder Bosch (für Frauen eher im Pflegebereich, patriarchale Arbeitsteilung wie gehabt) sowie das Kopftuch und Erdogans Wille und Macht.

Ganz bezeichnend also hat Vu ihren Text in der ZEIT mit vier in einem Cabrio sitzenden jungen Männern, die wohl „Migranten“ sein sollen, bebildert. Bildungsfern, autogeil und deutsch – da lachen die Vorstandsetagen von Tesla oder VOLKSwagen (VW).

Es gibt Rassismus, in der Tat, und dagegen muss man sich täglich wehren. Brandanschläge und Morde an Nicht-Deutschen oder als nicht-deutsch Kategorisierten, speziell seit den 1990er Jahren, haben zu Hunderten ermordeten Migrant*innen geführt.

Doch der Islamismus und Jihadismus speziell seit 9/11 führten zu Hunderten Toten allein in Europa bei islamistischen Anschlägen wie in Paris (Mord mit Sturmgewehren an 12 Journalist*innen der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, 7. Januar 2015, Geiselnahme und Mord an vier Juden in einem jüdischen Supermarkt, 9. Januar 2015, 89 Ermordete beim Massaker während eines Konzerts im Bataclan, 39 weitere Tote durch Angriffe auf der Straße, in Cafés und Restaurants in der Umgebung, dazu drei detonierte Bomben am Stade de France, wo ein Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland lief, 13. November 2015), Madrid (Anschläge mit zehn Bomben in vier Zügen, 191 Tote, 11. März 2004) oder Berlin (Breitscheidplatz, Angriff auf den Weihnachtsmarkt mit einem LKW, 19. Dezember 2016, 12 Tote).

Hinzu kommt die politische Unkultur des in der Forschung so genannten legalen Islamismus, den auch ein Antisemitismus kennzeichnet, wahlweise als Erinnerungsabwehr an die Shoah oder als antizionistischer Hass auf den jüdischen und demokratischen Staat Israel. Insgesamt ist der Islamismus, in seiner terroristischen wie ‚legalen‘ Ausprägung wenigstens ein so großes Problem wie der Rechtsextremismus und Neonazismus.

Vom 17. Februar bis zum 4. Juni 2023 lief in Milano Marittima, einem beliebten Urlaubsort südlich von Ravenna an der Adria-Küste, eine Ausstellung unter dem Titel „Make Art not War“ des amerikanischen Skateboarders und Künstlers Shepard Fairey, alias Obey. Es ist eine Show mit Dutzenden seiner bekanntesten Werke, aber primär soll es offenkundig um den Ukraine-Krieg gehen, so der Titel – bebildert ist das Plakat für die Ausstellung, Überraschung!, mit einer Frau mit Kopftuch.

Screenshot, https://www.turismo.comunecervia.it/de/events/veranstaltungen-und-initiativen/ausstellungen/cervia-street-art-ausstellung#null

Fairey ist jener bekannte Künstler, der das beliebte „Hope“-Obama-Plakat gestaltet hat. In den gleichen Farben – blau, weiß, rot – ist auch das Plakat mit der verschleierten Frau zu „Make Art not War“ gestaltet, ein Wiedererkennungszeichen. Dabei sind ein Kopftuch und eine verschleierte junge Frau das Gegenteil von Hoffnung: es ist der Niedergang der Freiheit, des unabhängigen Denkens, der Kritik und Selbstreflektion und Ausdruck für Irrationalismus, Gewalt, Fanatismus, Religion und den Islamismus insgesamt.

Screenshot, https://en.wikipedia.org/wiki/Barack_Obama_%22Hope%22_poster

Man sieht die popkulturelle Dominanz des islamistischen Kopftuch-Wahns auch in Bereichen, die gar nichts mit Islam zu tun haben wie dem Ukraine-Krieg.

Es ist absolute Mode und in äußerst hippen, ach-so-sensiblen oder ‚woken‘, doch de facto ideologisch rückschrittlichen, aufgeheizten Milieus seit Jahren der letzte Schrei, religiös-fanatische Frauen mit Kopftuch zu promoten, völlig egal, um welches Thema es geht.

Doch von diesen Problemen wie vom Kopftuch-Wahn junger, hier geborener Frauen, schweigt Vanessa Vu. Die größte migrantische Gruppe in Deutschland sind nun mal die Türkinnen und Türken. Und von diesen sind ein sehr großer Teil islamistisch fanatisiert. Seit 9/11 hat sich das ganz extrem verschärft. Wenn man auf Fotoalben der 1970er Jahre nach türkischen Frauen in der BRD mit Kopftuch sucht, findet man wenige. Ähnlich säkular war damals die Situation in Afghanistan oder natürlich dem Iran der 1960er und 1970er Jahre.

Nein, Vu schweigt nicht nur zu all diesen problematischen Phänomenen, namentlich der Zunahme des Islamismus seit Jahrzehnten in Deutschland und im Westen. Sie stimmt dem allem insofern zu, als sie es nicht thematisiert.

Vor allem aber: Vu verharmlost auf gewisse Weise den Nationalsozialismus oder schreibt ihn um, wenn sie ernsthaft meint, dass Zwangsarbeiter ausgewiesen, ja „vernichtet oder vertrieben“ worden seien im NS – dabei wurden mit brutaler Gewalt 13 Millionen nach Deutschland verschleppt! Weitere Millionen wurden wie zitiert in den besetzten Ländern versklavt und zur Arbeit gezwungen. Womöglich verwechselt sie die Vertreibung und Vernichtung der Juden – die ja gar nicht erwähnt werden! – mit der Situation der Zwangsarbeiter, die weder vertrieben noch vernichtet wurden.

Der Holocaust ist in dieser migrantischen Perspektive nicht einmal mehr eine Petitesse, er kommt einfach als solcher gar nicht mehr vor.

Wer vom Autoritarismus, der anti-emanzipatorischen politischen Kultur, der islamistischen Ideologie, dem Antisemitismus und der Frauenverachtung des aktuellen türkischen Regimes und seinen Hunderttausenden Fans und Wähler*innen in der Bundesrepublik Deutschland nicht reden will, soll von Migration schweigen.

Und wer von der Geschichte des Nationalsozialismus keine Ahnung hat, soll von Zwangsarbeit und der damaligen Vernichtung von allen möglichen „Minderheiten“ schweigen.

 

Literatur:

„10 Jahre Terroranschläge in Madrid“, 10. März 2014, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/180328/10-jahre-terroranschlaege-in-madrid/

„Begriffe: Fremdarbeiter – Zwangsarbeiter – Sklavenarbeiter“, https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/ns-zwangsarbeit/227269/begriffe-fremdarbeiter-zwangsarbeiter-sklavenarbeiter/

„Die nationalsozialistische Zwangsarbeit – Hintergrundinformationen“, https://www.zwangsarbeit-archiv.de/zwangsarbeit/zwangsarbeit/zwangsarbeit-hintergrund/index.html

„Lehrervertreter RLP: „Wir brauchen von außen mehr Unterstützung“, 29.05.2023, https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/lars-lamowski-interview-lehrermangel-vorschulfoerderung-100.html

„NS-Zwangsarbeit: Ausgebeutet und ,vergessen’“, https://www.stiftung-evz.de/themen/zwangsarbeit-im-nationalsozialismus/

„Obey Make Art Not War“, https://www.turismo.comunecervia.it/de/events/veranstaltungen-und-initiativen/ausstellungen/cervia-street-art-ausstellung#null

 

https://ak-regionalgeschichte.de/veranstaltungen/

https://twitter.com/cem_oezdemir/ (28. Mai 2023)

https://www.auepost.de/stadtgespraech/friedensinitiative-wunstorf-wuerde-zum-vorrangigen-ziel-71295/

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/lebendgeborene-staatsangehoerigkeit-laender.html

https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1052912676

https://www.zeit.de/autoren/V/Vanessa_Vu/index

 

American Foreign Policy Forum (Hg.) (2010): World Almanac of Islamism, https://almanac.afpc.org/

Bruckner, Pascal (2007): Vom Recht auf Differenz gelangt man rasch zur Differenz der Rechte, in: Chervel/Seeliger (Hg.), S. 200–207

Chervel, Thierry/Seeliger, Anja (Hg.) (2007): Islam in Europa. Eine internationale Debatte, Frankfurt a.M.: Suhrkamp

Evisen, Ilgin Seren (2023): Liberale Türken verzweifeln – „Allahu Akbar“, 30. Mai 2023, https://www.cicero.de/aussenpolitik/liberale-turken-verzweifeln-der-mann-hat-wieder-gewonnen

Heni, Clemens (2011): Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, Berlin: Editon Critic

Laqueur, Walter (2006): Die letzten Tage von Europa. Ein Kontinent verändert sein Gesicht, Berlin: Propyläen

Pehlivan, Erkan (2023): AKP-Abgeordneter hetzt in Moschee von Grauen Wölfen in Neuss, 15. Januar 2023, https://www.fr.de/politik/akp-abgeordneter-moschee-graue-woelfe-neuss-hetze-gewalt-erdogan-tuerkei-92028541.html

Pehlivan, Erkan (2023a): Nach Erdogan-Sieg: Empörung über Autokorsos türkischer Nationalisten in europäischen Städten, 29. Mai 2023, https://www.fr.de/politik/europa-tuerkei-wahl-erdogan-sieg-regierung-opposition-chp-kilicdaroglu-autokorsos-feier-92308927.html

Stenke, Wolfgang (2018): Zum Tod des Historikers und Publizisten Walter Laqueur Skeptiker und Zeitzeuge, 01.10.2018, https://www.deutschlandfunk.de/zum-tod-des-historikers-und-publizisten-walter-laqueur-100.html

Vu, Vanessa (2023): Sie werden die Mächtigen sein. Deutschland will nicht begreifen, was es heute ist: ein Land, in dem Migranten nicht mehr Minderheit sein werden, sondern gefragter denn je. Kommen da noch alle mit?, 30. Mai 2023, https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-05/migration-gesellschaft-einwanderung-deutschland-demografischer-wandel

 

 

 

 

Die verschleierte islamistische Parallelgesellschaft und die „Generation Allah“ feiern Erdogan – auf den Straßen in der BRD

Von Dr. phil. Clemens Heni, 28. Mai 2023

Vorhin bei einem relativ harmlosen Ausflug mit dem Fahrrad kommt plötzlich ein Auto mit lautem Gehupe und Geschrei und einer widerlichen, verschleierten jungen Frau – mit Mann am Steuer – auf die Straße. Sie kreischen und jubeln – weil sie offenbar direkt aus der Türkei die ersten Hochrechnungen, Prognosen oder Ergebnisse der Stichwahl zwischen dem islamistischen Diktator Erdogan und seinem Herausforderer erfahren haben.  Sie wedeln mit einer Türkeifahne. Mitten in Deutschland.

Kürzlich feierten hier ‚Nachbarn‘ mit riesiger Türkeifahne Hochzeit im Hof. Sie sehen die patriarchale Gewalt einer Hochzeit als Akt des Nationalismus und des religiösen Fanatismus. Ähnlich fanatisch mit Fahne feiern sonst fast nur katholische Kroaten die Hochzeit.

Man muss sich das klarmachen: in Deutschland lebende verschleierte Existenzen mit wirklich hässlichen Fratzen feiern, dass Tausende Kilometer entfernt eine Diktatur weiterbesteht – auch dank der Stimmen solcher antidemokratischen, islamistischen und hirnlosen jungen Frauen, von denen es in Deutschland ja Hunderttausende gibt, also alleine jene mit türkischem Pass.

Man muss sich weiterhin klarmachen, dass es sich um Menschen handelt, die Deutschland nicht aus politischen, sondern religiös-diktatorischen Gründen in allen Bereichen ablehnen. Sie lehnen die Demokratie ab, sie bringen sich auf keiner Ebene in der Gesellschaft ein, sie schicken ihre Kinder nicht in den Kindergarten und nur äußerst widerwillig in die Schule.

Sie gehen nicht zu einer deutschen Frisörin, sie öffnen dem Paketboten niemals ohne Kopftuch oder gar nicht, sie indoktrinieren ihre vielen Kinder – keine Islamistin bleibt kinderfrei, das würde ja bedeuten, sie kann kritisch denken – und sie arbeiten ausschließlich, um spätestens mit 63 oder 65 ihre Rente in der Türkei im islamistischen Hinterland zu verbraten (sicher nicht in Izmir oder Istanbul). Das sagte mir ein Nachbarn ganz offen (er wird bald 63), er will doch nicht hier bis zum Ende leben!

Klare Ansage: diese Menschen sollen bitte jetzt sofort dorthin auswandern, gerade auch die 17-jährigen oder 28-jährigen. Wir brauchen sie hier nicht. Und wir wollen nicht, dass diese islamistischen Menschen hier leben.

Menschen, die mit ihrer Stimme dazu beigetragen haben, dass der islamistische Dauer-Diktator Erdogan in der Türkei vermutlich weiter regieren wird, diese Menschen haben in Europa und Deutschland (oder Frankreich, Belgien, Holland, Österreich etc.) nichts verloren. Sie haben nirgendwo etwas verloren.

Solche Frauen sind Täterinnen. Sie machen aus ihren Kindern islamistische Monster und sie zeigen mit ihren lächerlichen, aber extrem brutalen Kopftüchern, dass sie Männer nur akzeptieren, wenn sie ihnen devot ergeben sein können – also die Kommunikation mit Männern ablehnen und sie als Gefahr betrachten – bis auf den Islamisten, der sie schwängert natürlich, der ja selbst ein fanatischer Islamist ist -, weil sie ernsthaft glauben – es ist ein Wahnglaube – dass alle Männer aufgrund ihres Haupthaars verrückt werden könnten und sie anziehend finden könnten. Emanzipation und Gleichberechtigung sind die Feindbilder Erdogans und seiner türkischen weiblichen Fans in aller Welt, vor allem in Deutschland.

Dieser Sexismus ist reaktionär und nicht minder gefährlich wie der Sexismus deutscher Männer gegenüber Frauen, wie die Homophobie der AfD oder der Rechten. Der islamistische Fanatismus, der wie der Rechtsextremismus eng mit Antisemitismus wie auch dem Hass auf Israel verbunden ist, der ist eine der größten Gefahren für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland – und natürlich eine Gefahr für Dutzende Millionen in der Türkei, die keine Islam-Faschisten sind!

Auf diese antidemokratische Gefahr mitten unter uns, unsere Nachbarn (!), gibt es eine klare linke Antwort:

Jenseits von Ausnahmezustand und Verschwörungswahnsinn: Kritiker*innen der Corona-Massenhysterie aller Länder vereinigt euch

Von Dr. phil. Clemens Heni, 20. März 2020

 

Die Bundesrepublik Deutschland steht 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus am Abgrund, das Ende der Demokratie ist sichtbar. Das liegt daran, dass eine Naturwissenschaftlerin Bundeskanzlerin ist, die wie eine Getriebene einem einzigen Institut – dem Robert-Koch-Institut in Berlin – Folge leistet und aufgehört hat, kritisch zu reflektieren.

Naturwissenschaften sind sehr wichtig – aber in der Gesellschaft braucht es mindestens genauso stark die Sozial- und Geisteswissenschaften, die die Politik mitbestimmen müssen, wenn eine Demokratie nicht Gefahr laufen will, ein technokratischer Polizeistaat zu werden.

Es wird so getan, als müsste alles – wirklich alles – getan werden, um vor allem alte und kranke Menschen zu schützen. Das Coronavirus hat in Italien Menschen getötet, die im Schnitt 79,5 Jahre alt und massiv vorerkrankt waren. Das ist schrecklich, zeigt aber auch, dass es eine sehr spezifische Gruppe von Menschen trifft und gerade nicht die Pest ist, die teils 30 Prozent der Bevölkerung Europas im Mittelalter hinwegraffte, und zwar unterschiedslos welchen Alters.

Dass es angeblich um den Schutz von besonders bedrohten Menschen geht, ist zudem eine Lüge. Darauf weisen nun zwei Jura-Professoren in der FAZ hin, Florian Meinel von der Humboldt Universität zu Berlin und Christoph Möllers von der Universität Würzburg:

„So ist auch der Konsens, Alte und Vulnerable vor dem Virus zu schützen, weniger unschuldig, als er klingt. Eine vergleichbare individuelle und vor allem ökonomische Opferbereitschaft gab und gibt es weder zur Eindämmung der Erderwärmung und der HIV-Epidemie noch zur Rettung von Flüchtlingen und der Reduzierung von Verkehrstoten.“

Auch für Allergiker*innen gibt es keine Hilfen, es ist eine schleichende Krankheit, chronisch, aber nicht weniger tödlich als dieses Virus, betrifft zudem viele Millionen Menschen, die häufig nicht mal 79,5 Jahre alt werden. Und wir wissen, dass z.B. Ambrosia durch den Verkehr und die Umweltbelastung noch aggressiver wird.

Ebenfalls in der FAZ im Feuilleton analysiert der Jurist Hinnerk Wißmann von der Universität Münster:

„Wir müssen nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unsere Freiheit verteidigen.“

Er unterstreicht, dass eine Gesellschaft völlig in sich zerfällt, in eine Monade, wie man geschichtsphilosophisch sagen könnte, wo nur noch einzelne Gruppen oder das nackte Individuum existieren, aber keine Gesellschaft mehr. Vor allem wird klar gesagt, was wichtig ist und was eigentlich unnötig ist. Buchläden, Kneipen, Schulen, Universitäten sind verzichtbar, nur Teile der Verwaltung, vor allem aber die Polizei und die Krankenhäuser sind wichtig. Das ist Element eines Polizeistaats und keiner parlamentarischen Demokratie. Wißmann betont, dass ein Seuchen-Notstand oder Ausnahmezustand in einer sehr kleinen lokalen Situation möglich ist, aber niemals auf staatlicher oder jetzt gar fast weltweiter suprastaatlicher Ebene.

Wie Meinel und Möllers betonen, ist das größte Problem beim „Ausnahmezustand“ nicht der Zeitpunkt, ihn zu verhängen, „sondern darin, ihn zu beenden“. Sie sehen eine extreme Gefährdung der Demokratie, die sich via Ausnahmezustand selbst ein Misstrauensvotum ausspräche.

Eine ganz ähnliche Gefahr für die Demokratie sieht der Historiker René Schlott vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. In einem Gespräch mit dem Radiosender WDR 5, „Neugier genügt“, ist er fassungslos, wie heutzutage von Technokraten Politik gemacht wird, wie Virologen quasi alle politischen Entscheidungen nicht nur beeinflussen, sondern festlegen – und Soziologen oder Politikwissenschaftler*innen und Philosoph*innen und Jurist*innen keinerlei Mitsprache haben. Es wird so getan, als ob nur die Medizin entscheiden könne, was eine Gesellschaft braucht. Dabei kann die ganze Gesellschaft zerstört werden, wenn wegen einiger Tausend Toten in Europa (in Deutschland bislang unter 50) die Grundrechte von 80 Millionen – bzw. ganz Europas, der ganzen USA etc. pp. – außer Kraft gesetzt werden. Dass aufgrund dieser Ausgehverbote und ausgerufenen Katastrophenfälle viel Tausende, Zehntausende, Hunderttausende schwer kranke Menschen, die z.B. psychisch sehr labil sind, in den Suizid, in die völlig Vereinsamung und Isolation oder den wirtschaftlichen Bankrott (egal wie hoch die Rettungspakete sind) getrieben werden, dass Menschen, die regelmäßig Physiotherapie benötigen, um am Leben gehalten zu werden, viele Wochen oder gar Monate einfach dem Verfall hingegeben werden, dass Kindern und Schüler*innen gesagt wird, es ist nicht so wichtig, ob ihr was lernt und gemeinsam was lernt, es gibt doch das Internet und Aufgaben kann man auch alleine zu Hause machen: das alles zerstört jede demokratische Vereinbarung, auf der unsere westlichen Gesellschaften basieren.

Denn alle wissen: dieses Virus ist nicht gefährlicher als die schleichende Zerstörung der Natur, die Milliarden Menschen bedroht, und nicht nur ein paar Tausende.

Dazu kommen die extrem rechten, autoritären Maßnahmen des Technikfaschismus, das Sammeln und Benutzen aller Handydaten von Menschen, die im Verdacht stehen, mit Corona-Infizierten Kontakt gehabt zu haben, wie auch das Einfordern von Blockwartmentalität, wie wir es heute noch aus China kennen. Deutschland ist aber nicht China.

China wiederum, wie ein Sprecher des dortigen Außenministeriums, fantasiert, die USA stünden hinter dem Virus und wollen China schaden. Solcher Verschwörungswahnsinn kommt in anderer Form auch im Iran, der Türkei oder in Russland vor. Schon wird der Coronavirus, sein Entstehen und die Verbreitung etc. antisemitisch gedeutet.

Selbst hierzulande als Linke bekannte Leute werden jetzt zu autoritären Demokratiegefährdern und werfen Kritikern der Massenhysterie vor, die alten oder kranken Menschen zu gefährden – der Publizist Sascha Lobo spricht als Kritiker der Hysterie von „Vernunftpanik“. Es gibt bei sehr vielen Menschen in der Bundesrepublik, von Österreich oder Frankreich ganz zu schweigen, ein sehr großes Bedürfnis nach dem starken Führer. Das zeigt auf nie gekannte Weise seit 1945, wie wenig der demokratische Aushandlungsprozess verinnerlicht wurde.

Es muss jetzt um eine gesellschaftliche Diskussion gehen, die den geplanten Ausnahmezustand zurückweist und bekämpft. Andernfalls wird die Demokratie in ihren Grundfesten zerstört. Schon jetzt wissen die extremen Rechten wie autoritären Linken, dass es von heute auf morgen möglich ist, alle Theater zu schließen, Demonstrationen zu verbieten, das Asylrecht auszusetzen (also grundgesetzwidrig zu handeln) und Menschen zu Hause einzusperren und nur zum Einkaufen unter Polizeischutz raus zu lassen. Das hat alles gar nichts mit der angeblichen Sorge um die Alten und Kranken zu tun, sondern mit der Vorliebe für autoritäres undemokratisches Verhalten.

Es muss jetzt um Gelassenheit, Ruhe und Besonnenheit gehen, vor allem aber um menschliche Solidarität und demokratisches Handeln.

Spatial turn goes Antifa – Arch+ 235, die Neue Rechte und der antisemitische Fleck des Postkolonialismus

Ein Rezensionsessay

Von Dr. phil. Clemens Heni, 4. September 2019

Man musste nicht bis zum 1. September 2019 warten, als ein Viertel der Wähler*innen in Brandenburg bzw. Sachsen eine Partei wählten, die Spitzenkandidaten[1] hat, die vor wenigen Jahren mit einer Hakenkreuzfahne auf dem Balkon in Griechenland im Kreis von anderen Neonazis aktiv waren,[2] um die enorme Bedeutung des Themas Rechtsextremismus und Neue Rechte zu sehen. Das Volk ist nicht gut oder neutral, sondern häufig sehr böse. Das deutsche Volk liebt es offenkundig, Nazis zu wählen, nicht nur 1933 und davor, auch 2019, was moralisch noch unendlich schlimmer ist – diese deutschen Wähler*innen wissen, was nach 1933 passierte, sie wissen, dass sechs Millionen Juden vergast und massakriert wurden und sie haben damit kein Problem.

Am 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs wählen die Deutschen wieder Nazis in extremer Anzahl in zwei Landesparlamente und alle Mainstreamjournalist*innen interviewen freudestrahlend die AfD-Rechtsextremen. Kein/e Journalist*in weigerte sich, solchen Nazis die Hand zu geben oder sie einfach zu boykottieren, weil das Leute sind, die alle Antifas oder weltoffenen CDUler bei nächster Gelegenheit erschießen würden (die Frauen davor vergewaltigen). Zum ersten Mal seit 1945 haben wir Neonazis im Bundestag und allen Landesparlamenten. Die Fernseh-Journalist*innen grinsen blöd um die Wette, machen Späßchen am Wahlabend und laden seit Jahren die neuen Nazis in die unerträglichen, nicht nur kulturindustriellen, sondern den Faschismus mit vorbereitenden Talkshows ein und bewerfen die neuen Nazis mit Wattebällchen und schauen blöd, wenn mit scharfer Munition zurückgeschossen wird.

Die Journalistin Mely Kiyak ist fassungslos ob Bettina Schausten, stellvertretende Chefredakteurin des ZDF, die nur pars pro toto für wirklich alle Mainstream-Journalist*innen steht, die am Wahlabend in ARD und ZDF moderieren durften, und bringt es auf den Punkt:

Der Faschismus hat keinen moderaten Flügel.[3]

Daher ist seit jeher die Analyse rechter Räume eine Unabdingbarkeit für jede linke Theorie und Praxis. Das Heft 235 von Arch+. Zeitschrift für Architektur und Urbanismus von Mai 2019 hat das aktuelle Thema „Rechte Räume. Bericht einer Europareise“. Die 27 Autor*innen plus ein Autorenteam von Arch+ 235 haben im Editorial, der Einführung und 33 Texten (oder Fotoessays) sehr wichtige, eingreifende, kritische, faszinierende, häufig klar antifaschistische und teils scharfe Texte gegen die (Neue) Rechte und ihre Räume vorgelegt.

Literaturwissenschaftliche, soziologische, politologische, historische, kulturwissenschaftliche, geografische, kunsthistorische, polit-ökonomische und architekturtheoretische Zugänge ergänzen sich auf vielfältige Weise. Die europäische Dimension des Projektes macht es umso spannender und bedeutender: es geht um eine 7-tägige Reise durch Europa und seine extrem rechten Räume. Der Großteil der Texte ist in diese 7 Tage eingeteilt, beginnend in Rom und endend in Berlin – die Achse Berlin-Rom. Die Reise im November 2018[4] führte also von Italien über Österreich nach Deutschland. 7 Tage (oder 7 x 24 Stunden) dauerte auch meine Rezension des Heftes 235 von Arch+.

Der folgende Rezensionsessay würdigt den großen Einsatz Trübys und seines Teams, die sich der Neuen Rechten in der Architektur, dem Feuilleton und der Gesellschaft insgesamt entgegenstellen. Je länger und intensiver meine Beschäftigung mit dem Heft jedoch wurde, desto klarer traten dann zwar vereinzelte, aber eben doch massive Irritationen auf, die wiederum viel über den postkolonialen Mainstream in den Sozial- und Geisteswissenschaften aussagen.

In dem Heft gibt es ergänzend zu den Reiseberichten eine Vielzahl an Beiträgen über das Gebiet von Ex-Jugoslawien, Ungarn, Spanien, Griechenland, Frankreich, die Schweiz, Holland, Polen, England, USA und die Türkei. Neu-rechte Agitator*innen drehten schon im Frühjahr 2018 durch, als der Protagonist des Heftes, Professor Stephan Trüby vom Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGmA) der Universität Stuttgart, seine Analyse und Kritik der Rekonstruktionsarchitektur am Beispiel der von Neuen Rechten wie Claus M. Wolfschlag initiierten neuen Altstadt von Frankfurt am Main am 8. April 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vorgelegt hatte:[5]

Ganz anders die neue Frankfurter Altstadt: skandalös ist hier, dass die Initiative eines Rechtsradikalen ohne nennenswerte zivilgesellschaftliche Gegenwehr zu einem aalglatten Stadtviertel mit scheinbar bruchlosen Wiederholungsarchitekturen führte; historisch informiertes Entwerfen verkommt damit zum unterkomplexen Heile-Welt-Gebaue, das Geschichte auf ein eindimensionales Wunschkonzert reduziert. Vergangenheit soll für dieses Publikum wie geschmiert laufen, und zwar in Richtung einer alternativen Historie für Deutschland: Einer Historie, in der der Nationalsozialismus, die deutschen Angriffskriege und der Holocaust allenfalls noch als Anekdoten einer ansonsten bruchlosen Nationalgeschichte überleben.

Arch+ wird von der Bundeszentrale für politische Bildung, der Volksbühne Berlin, dem Arch+ Foerderverein und einigen anderen Institutionen gefördert, kostet 22€ und ist derzeit (Stand Anfang September 2019) vergriffen. Das Heft 235 von Arch+ hat 239 Seiten (etwas größer als DinA4) und wurde unter der Regie Trübys mit seinem Team erarbeitet. Ein zentrales Kapitel und Aufhänger ist Trübys Kritik der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt. Seine These ist wohlbegründet: Der Bruch, den der Nationalsozialismus bedeutet, soll z.B. via Rekonstruktion und Zerstörung von Bauten, die nach 1945 in den betroffenen und zuvor bombardierten Städten gebaut wurden, verleugnet werden und Städte so wiederaufgebaut werden, wie sie zuvor waren. Die deutsche Geschichte soll wieder in einem architektonischen Kontinuum stehen, natürlich ohne Juden, die vertrieben und vernichtet wurden, aber das macht nichts.

Trübys sehr wichtige und mutige – für eine Professur in Architektur an einer führenden Universität im Bereich Architektur, der Uni Stuttgart, womöglich bahnbrechende – Arbeit hat einen massiven Shitstorm der extremen Rechten verursacht und reicht bis weit in den bürgerlichen Mainstream. Die extrem rechte Hetzseite Politically Incorrect (PI News), Facebookposts von no-names oder auch die „rechtsantideutsche“ Hauspostille Bahamas diffamieren ihn wegen seiner Kritik der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt, die wie gesagt auf die Idee von Rechtsradikalen zurückgeht wie auch der Wiederaufbau der Garnisonskirche in Potsdam.[6]

In dem Heft 235 von Arch+ gegen die rechten Räume geht es um Hitlers wie Mussolinis Geburtsorte, den rechtsextremen und AfD-Wallfahrtsort Kyffhäuser in Thüringen, um die Dresdner Frauenkirche und das nationale Pathos der breiten Mitte, um die größte Christus-Statue (36 Meter) im fanatisch-katholischen Polen oder die völkischen Siedler*innen in Mecklenburg-Vorpommern. In einem sehr instruktiven Rundblick über rechte Architektur- und heimattümelnde Vordenker geht Trüby auf Wilhelm Heinrich Riehl, Ernst Rudorff, Paul Schultze-Naumburg,[7] aber auch auf Alexander Senger ein, der ebenso als „Protagonist einer ‚Konservativen Architekturrevolution‘“ vorgestellt wird und in Richard W. Eichler einen Kollegen aus der Zunft der extrem rechten Kunsthistoriker hatte.

Die Zeitschrift Tumult oder andernorts im Heft die jüngere neurechte Postille Cato oder die schweizer Zeitschrift DU und das neu-rechte schweizer Netzwerk um Blocher (im Text von Rebekka Kiesewetter) werden hervorragend dargestellt und kritisiert. Es findet sich bei Trüby auch eine nachträgliche Selbstkritik der Arch+, die z.B. 1985 den von vielen erst in den letzten Jahren und posthum als extrem rechts erkannten Historiker Rolf Peter Sieferle mit einem Text zu „Heimatschutz und das Ende der romantischen Utopie“ publiziert hatte.

In einem Gespräch über das Arch+ Heft mit der Wochenzeitung Die Zeit vom 12. Juni 2019 analysiert Trüby detailliert, was an der Rekonstruktionsarchitektur speziell in Dresden so problematisch ist und wie das mit Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und der AfD zusammenhängt:

In der Sporergasse 12 steht zum Beispiel das sogenannte Triersche Haus, rekonstruiert im Jahre 2016 nach dem Vorbild eines 1695 errichten Barockhauses. Ins Vorgängerhaus zog im Jahr 1920 ein jüdisch-orthodoxer Verein ein. Auf die einstigen jüdischen Bewohner wird auch am Erinnerungsschild aufmerksam gemacht, das seit Kurzem am Neubau angebracht wurde. Darauf steht korrekterweise zu lesen: ‚Ab 1940 wurden jüdische Familien gezwungen, hier im ‚Judenhaus‘ zu wohnen, bevor sie in andere Lager deportiert wurden.‘ Aber der Schlusssatz lautet: ‚Bei der Zerstörung des Hauses am 13. Februar 1945 fanden zahlreiche jüdische Bewohner den Tod.‘ Was hier auf engstem Raum gesagt wird, ist eine ungeheuerliche Geschichtsfälschung. Die könnte man so zusammenfassen: ‚Ja, die Nazis haben Juden deportiert, das war nicht gut, aber getötet wurden sie von den Alliierten mit ihren Bomben.‘ Was sich hier geschichtspolitisch abzeichnet, summiert sich zu einer mehr als Besorgnis erregenden Tendenz. Am Trierschen Haus, am Neumarkt und der Frauenkirche ist die ‚erinnerungspolitische Wende um 180 Grad‘, die der AfD-Politiker Björn Höcke fordert, bereits vollzogen.[8]

Das ist eine ganz hervorragende Analyse und Kritik zum städtebaulichen sekundären Antisemitismus der Erinnerungsabwehr in Dresden. Dazu etwas in Kontrast steht hingegen seine Forderung einer Re-Ideologisierung und möglichen Zurückerkämpfung völlig kontaminierter Begriffe und Ideologeme. Denn zur heutigen Debatte schreibt er in dem Arch+ Heft:

Der Frankfurter Altstadtstreit zeigt auch, dass ein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Wort zurück auf die Tagesordnung (nicht nur) architektonischer Debatten kommen sollte: die Ideologie. Denn der revisionistischen Architektur-Ideologisierung der Neuen Rechten, die mit Camouflage-Slogans wie ‚Schönheit‘, ‚Heimat‘, ‚Tradition‘, ‚Identität‘ oder ‚Seele‘ hantiert, ist nur mit einer emanzipatorischen Gegen-Ideologisierung beizukommen, mit der entweder diese Begriffe zurückerkämpft oder verlockende Alternativen angeboten werden.

Da ist man dann allerdings durchaus ganz schnell (bestenfalls) bei Habecks Grünen oder bei Cem Özdemir, der ernsthaft den neuen Nazis im Bundestag vorwarf, zu wenig deutsch zu sein und bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer für Russland anstatt für „unsere“ Deutschen zu sein.[9] Solcherart gründeutsches, linksdeutsches oder liberaldeutsches Gerede, das sich die geliebte „Heimat“ so wenig madig machen lässt wie Steinmeier, der Heimatminister oder Robert J. De Lapuente[10] vom Neuen Deutschland, kann im Architekturdiskurs über rechte Räume keine Option sein.

Da schließlich neu-rechte Attacken wie auf Trüby nerven und nicht ungefährlich sind, wäre die positive Rezeption seiner Kritik der Rekonstruktionsarchitektur womöglich eine Erwähnung wert gewesen.[11]

Matteo Trentini geht auf den Faschismus in Italien im 21. Jahrhundert ein, die Lega Nord (bzw. mittlerweile nur noch Lega) und Matteo Salvini sowie vor allem auf die rechtsextreme identitäre Bewegung CasaPound, die als Ikone die Schildkröte hat. Dieses liebevolle und harmlose Tier wird von diesen Faschos identitär, nationalistisch, faschistisch bzw. national-sozialistisch instrumentalisiert, da die Schildkröten immer ihr eigenen Haus bei sich haben, was Neonazis auf die Gesellschaft übertragen wollen. Die natalistische Ideologie, „Zeit Mütter zu sein“ („Tempo di essere madri“) war ein Slogan von CasaPound von 2007, wobei ja auch viele Linke dem patriarchalen natalistischen Dogma strahlend Folge leisten, in jedem Alter. Treffend fasst Trentini zusammen:

Wie im Faschismus geht es um das Propagieren von Wohnen und Familie als Grundrechte, die der Staat durch direkten Eingriff garantieren muss.

Der Beitrag von Silke Hünecke über den Faschismus bzw. Franquismus in Spanien und dessen „fortwährende Präsenz“ wie in der riesigen Gedenkstätte Valle de los Caidos besticht durch die nachdrückliche Betonung des Skandalons der Abwehr der Erinnerung in Spanien bis auf den heutigen Tag.

Eine ähnliche, aber anders gelagerte Erinnerungsabwehr, wird in einem Gespräch von c/o now mit dem politischen Theoretiker Gal Kirn via einer Kritik der Kapitalisierung der ehemals staatseigenen Gebäude in Ex-Jugoslawien auf den Punkt gebracht:

Mit dem Verkauf des gesamten kommunalen Eigentums – und als Jugoslaw*innen hatten wir dazu eine besondere Beziehung – hat man unsere Geschichte getötet und unsere Zukunft verkauft. Das Kapital hat die alleinige Verfügungsgewalt über die Zukunft errungen, den nationalen Apparaten bleibt die Spekulation mit der Vergangenheit. Ich würde diesen Prozess als eine ursprüngliche Akkumulation von Erinnerungen bezeichnen.

Über diese interessante Transformation des Marx’schen Terminus „ursprüngliche Akkumulation“ auf die Geschichtspolitik könnte man diskutieren. Immerhin geht Kirn auf den Islamismus ein, ohne das Wort allerdings zu verwenden, und kritisiert die „wahhabitische König-Fahd-Moschee“ und „eine salafistische Zelle“ wie auch „Insignien“ vom „Islamischen Staat (IS)“.

Die Hinweise auf Nationalismus und reaktionäres Pathos wie eine „22 Meter hohe Statue Alexander des Großen“ in Mazedonien sowie das Verkleiden von brutalistischer Architektur mit „dorischen Architekturelementen“ ergänzen den skeptischen Blick Kirns. Es stimmt jedoch nachdenklich, dass er aktuell ankündigt, alsbald im relativ kleinen, linksradikalen Verlag „Pluto Press“ zu publizieren,[12] was ein hardcore antiwestlicher und antizionistischer Verlag aus Großbritannien ist, wo antisemitische Autoren wie Edward Said, Ilan Pappé oder der kosmopolitische Israelhasser und Vertreter einer „islamischen Befreiungstheologie“ Hamid Dabashi publiziert werden.[13] Auch Kirns enge Beziehung zum Institute for Cultural Inquiry (ICI) in Berlin lässt zumindest die Frage aufwerfen, wie er selbst zu dortigen, skandalösen Pro-BDS Events wie 2018 steht.[14]

Neben Trübys Beitrag „Altstadt-Opium fürs Volk“ über die Rekonstruktionsarchitektur ist die Forschung von Verena Hartbaum in diesem Heft Arch+ 235 von besonderer Bedeutung für eine Kritik der heutigen Architektur in Deutschland. Sie untersucht in ihrem wunderbar „Rechts in der Mitte. Hans Kollhoffs CasaPound“ betitelten Beitrag den von dem Architekten Hans Kollhoff gestalteten Walter-Benjamin-Platz in Berlin, der 2001 fertig wurde. Der Platz ist 108 Meter lang und 32 Meter breit, er erinnert die Autorin zudem an einen Abschnitt der Via Roma in Turin, der 1936 von Mussolinis Architekt Marcello Piacentini entworfen wurde.

Der Bezug zu Mussolini wird noch extrem verstärkt, indem Kollhoff in das Granitsteinpflaster folgenden Spruch des amerikanischen Dichters Ezra Pound (1885–1972) eingelassen hat: „Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein / die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, / dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert.“ Man kann nicht sofort erkennen, dass der Spruch von Pound ist, da der Autor nicht genannt wird. Der Antisemitismus spricht aus dem Wort Wucher oder Usura.

Hartbaum resümiert:

Mit dem Ezra-Pound-Zitat auf dem Walter-Benjamin-Platz machte sich Kollhoff Pounds antisemitisch konnotierte Kapitalismuskritik als die Wurzel allen wirtschaftlichen, sozialen und nicht zuletzt schöpferischen Übels zu eigen: Dort, wo der Wucher, im antisemitischen Jargon das ‚zinstreibende Judentum‘, herrscht, kann keine gute Architektur entstehen, verlieren Handwerk und Wertigkeit des Materials ihre Bedeutung.

Kollhoff war im Trend der Zeit, 2003 gründete sich die Neo-Nazi oder Identitäre Bewegung CasaPound in Rom. Auch CasaPound vertritt neben dem Nationalismus eine „Kapitalismuskritik mit antisemitischen Motiven“, wie Hartbaum festhält. Selbst den FAS-Autoren Stephan Trüby will die FAZ, hier Niklas Maak, via einer Kritik an Hartbaum und Arch+ diffamieren.

In einer Besprechung von drei Büchern zu Hans Poelzig, Paul Bonatz und Paul Schmitthenner kritisiert ein Altmeister der kritischen Architekturgeschichte, Winfried Nerdinger, den nationalistischen, monumentalistischen und alsbald nazistischen Einsatz der drei Protagonisten. Der Text wurde original 2011 auf Italienisch publiziert, schon 2010 hatte ich selbst auf zentrale nationalsozialistische Aktivitäten von Bonatz hingewiesen.[15]

Zu Nerdinger passt der Beitrag von Tina Hartmann, auch bei ihr geht es um rechtes Denken im Mainstream. Ihr Beitrag „Die Zeit als Scheibe. Der rechtspatriarchale Raum in der Literatur“ betont die Beziehung von Misogynie und Antisemitismus und glücklicherweise unterstreicht sie hierbei auch, dass die weit verbreitete These, der revolutionäre 1848er Richard Wagner sei ein anderer als der antisemitische deutsch-nationale, falsch ist. Ihre Analyse der Berliner „Bibliothek des Konservatismus“ ist bedeutsam.

Ob Hundt von Radowsky „der Begründer des eliminatorischen Antisemitismus“ ist, mag bezweifelt werden, weil allein schon Achim von Arnim 1811 in „Versöhnung in der Sommerfrische“ die Pulverisierung der Juden durchdeklinierte, was in der literaturwissenschaftlichen Forschung als „der schlimmste antisemitische Text der deutschen Romantik“ bezeichnet wird.[16] Darüber hinaus geht Hartmann auf die wohl erste politisch motivierte Bücherverbrennung der modernen deutschen Geschichte ein, das Verbrennen von Schriften des Aufklärers Christoph Martin Wieland durch den Göttinger Hainbund im Jahr 1772.[17]

Schließlich ist Hartmanns Hinweis auf einen ideologischen Anker des Rechtsextremismus und der Neuen Rechten sehr relevant: der „Ethnopluralismus“. Gleichwohl transformiert der Ethnopluralismus nicht 1:1 den Antisemitismus in heutige rassistische Ideologie, sondern indiziert eigenständig das Neue am Rechtsextremismus nach 1945: Weg von der „Rasse“ hin zur „Kultur“. „Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken oder Polen den Polen“ ist der Kern des rassistischen Ethnopluralismus-Konzepts, auf das auch Philipp Krüpe in seinem Beitrag „Reaktionäre Architektur-Memes in den sozialen Medien. Von Paul Schultze-Naumburg zu 4chan“ eingeht.[18]

Trüby übernimmt in seinem einführenden Text ein „politisches Positionenmodell“ des slowenischen Philosophen Slavoj Zizek, das in einem Quadrat links eine „doppelte Linke“, gegenüber die „doppelte Rechte“, oben einen „Progressiven Liberalismus“ und unten die „Querfront“ verortet. So interessant dies sein mag und zumal Trübys sehr treffende Attacken auf Kollegen wie den Architekten Patrik Schumacher, „der Chef von Zaha Hadid Architects, der sich zum rechtslibertären Anarchokapitalisten und Brexit-Fan entwickelt hat“, wichtig sind, so reduktionistisch ist die Definition bzw. Nicht-Definition von Antisemitismus. Denn es werden eine „antisemitische Linke“ und eine „antisemitische Rechte“ erkannt, aber Zizek meint damit reduktionistische Kapitalismusdefinitionen oder völkische Hetzer, jedoch nicht sich selbst.

Gerade nach der Bundestags-Resolution gegen die antisemitische BDS-Bewegung vom Mai 2019 drehen weite Teile der linken kulturellen Elite und der Nahost-, Islam- und Jüdische Studien-Forschung völlig durch[19] und Zizek ist Teil davon. Er wendet sich gegen die Bezeichnung, dass BDS antisemitisch ist (wie es der Deutsche Bundestag tut), das würde den Holocaust „entwerten“[20] und schmiegt sich somit an Leute an, die Juden wenn nicht sofort töten, so doch vertreiben wollen, denn das ist das Ziel der BDS-Bewegung: „Palestine – from the river to the sea.“

BDS ist gerade keine Kritik am Rechtsdrall in Israel oder an der Besatzung des Westjordanlandes, nein: BDS ist antisemitisch, wie die Forschung gezeigt hat,[21] weil es das herbei fantasierte „Rückkehrrecht“[22] der Palästinenser einfordert, die 1948 aus freien, arabisch-antisemitischen Stücken das Land verließen, um nicht den Judenstaat zu legitimieren, oder aber in der Tat vertrieben wurden. Dieses Rückkehrrecht, das völlig absurderweise auch noch alle Nachkommen inkludiert und somit eine Zahl von über 5 Millionen Menschen bedeutet, gibt es nicht. Es ist ein antijüdisches „Recht“, das den jüdischen Charakter Israels zerstören würde. Es gibt keine Indizien, dass Trüby BDS teilt oder damit kokettiert – aber wie sieht es mit Arch+ aus? Wir kommen darauf zurück!

Etwas merkwürdig ist ein Gespräch von Stephan Trüby mit seinem 10 Jahre älteren Stuttgarter Architektur-Kollegen Hartmut Mayer über „Germanische Tektonik“. Der Architekt Paul Ludwig Troost wird gewürdigt und namentlich Mayer fühlt sich geradezu in die Gedanken der frühen Nazizeit ein. Troost starb 1934 und Trüby stellt die merkwürdige Frage, warum Troost „doppelte Eingänge“ für den Münchener „Führerbau“ und ein Nazi Verwaltungsgebäude plante. Zumal bei Mayer hat man das Gefühl, dass er nicht einmal das Wort „Antifa“ je gehört hat. Wie Nazi-Gebäude auf Juden und deren Nachfahren und andere Opfer der Nazizeit und deren Nachkommen wirken – diese Frage wird nicht gestellt. Dabei ist das die einzig relevante Frage, nicht die, die nach dem Unterschied von Säule und Wand, korinthisch oder dorisch fragt oder die vor Affirmation der Geschichte strotzenden Positionen von Mayer, Karl Bötticher habe „die Schinkelschen Ideen fast ein halbes Jahrhundert lang gerettet“ und die „griechische Ornamentik für Berlin bewahrt“. Nicht ein Ton z.B. über den deutsch-nationalen Revanchismus Schinkels und seine Denkmäler für die antifranzösischen „Befreiungskriege“.

Ergänzt wird dies en passant durch nicht weniger problematische, Holocaust verharmlosende, formalistische Analogien von NS- und Stalinscher Architektur. Gleiche Fassade, aber einmal Hakenkreuz, das andere Mal Hammer und Sichel auf der Stirnseite des Gebäudes. Da lachen vielleicht estnische, litauische, ukrainische oder lettische Antisemiten wie auch Joachim Gauck[23] und weitere Unterzeichner der „Prager Deklaration“ von 2008. Letztere setzt kategorial Rot und Braun auf eine Treppenstufe und hält explizit die EU an, das gedenkpolitisch umzusetzen – was die vor Antikommunismus und NS-Verharmlosung triefende EU auch machen wird, wie am Jean-Ray-Platz in Brüssel, was ja in Architekturkreisen 2018 bekannt, oder sagen wir besser wie selbstverständlich goutiert wurde.[24] Das wird ein extrem rechter Raum werden, der die Opfer der Shoah mit Stalinismusopfern mit in den Boden eingelassenen Briefen und Dokumenten gleichsetzen und damit das Nie-Dagewesene von Auschwitz leugnen wird, ein Raum mithin, den auch Arch+ im Auge behalten sollte.

Die beiden letzten Texte des Arch+-Heftes sind nichts weniger als skandalös. Anna Yeboah schreibt über die „Rekonstruktion der Potsdamer Garnisonskirche“ und vor allem über das Humboldt Forum in Berlin, das wieder aufgebaute Berliner Stadtschloss im Herzen des alten Ost-Berlin unweit des Alexanderplatzes. Die Kritik am Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche, die wie kein zweiter Ort für die Kollaboration von Hitler und Hindenburg, Nazis und dem Konservatismus steht, ist sehr wichtig. Das gilt auch für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses bzw. des Humboldt Forums, dessen koloniale Geschichte die Autorin aufzeigt. Die Kritik an beiden Bauten ist allerdings viel zu bedeutsam, um sie einem solchen postkolonial-ideologisierten Text zu überlassen. Denn am Ende schreibt Yeboah, wie es zu ihrem Text kam:

Die Verfasserin bedankt sich beim Bündnis Decolonize the City, ohne deren Arbeit dieser Text nicht möglich gewesen wäre.

Schaut man sich allein den Twitter-Account dieses Bündnisses Decolonize the City an, sieht man den üblichen anti-israelischen Antisemitismus in vielen Tweets.[25] Trüby hingegen bezieht sich mehrfach völlig affirmativ auf Yeboah, so in dem Zeit-Gespräch von Juni 2019 oder auf einer Heftpräsentation in der Volksbühne (siehe dazu unten mehr), wo er erwähnt, dass sie ihm und einer Gruppe von Leuten die postkoloniale Kritik am Beispiel Berlin in einem Stadtrundgang näher brachte.

Die koloniale Geschichte des wieder errichteten Berliner Stadtschlosses, also des Humboldt Forums, ist offenkundig.[26] Die Betonung Yeboahs – die auch den Alltagsrassismus von Neonazis in Brandenburg benennt, den sie persönlich als schwarze Deutsche, die auch einen ghanaischen Pass hat, regelmäßig erlebt –, dass das historische Schloß auf dem Profit basierte, den die Hohenzollern aus dem Kolonialismus zogen, ist wichtig. Es wäre auch naheliegend gewesen zu betonen, dass eine zentrale Motivation für den Bau dieses Forums/Schlosses der Abriss des Palasts der Republik der DDR war.[27] Dieser moderne Bau war ein architektonisches Glanzlicht für Ost-Berlin und die DDR-Bürger*innen. Der nicht weniger als obsessive Antikommunismus der Berliner Republik basiert städtebaulich auf der Auslöschung der Erinnerung an die DDR an diesem zentralen Platz im Herzen Ost-Berlins.

Die koloniale Geschichte des nun wieder aufgebauten Schlosses kommt additiv hinzu. Während eine solche anti-links motivierte Zerstörung oder kapitalistische Vereinnahmung von Bauten aus der Zeit des Realsozialismus im Kapitel zu Jugoslawien im Arch+ Heft unterstrichen wird, ist sie hier plötzlich gar kein Thema mehr. Ist das nicht merkwürdig? Der Postkolonialismus vernebelt auch hier alle Köpfe.

Der entscheidende und kategoriale Denkfehler von Anna Yeboah (und weiter Teile der postkolonialen Autor*innen weltweit), zeigte sich öffentlich auf einer über 2 Stunden dauernden Vorstellung des Heftes 235 von Arch+ in der Berliner Volksbühne am 24. Mai 2019[28] unter der Regie von Trüby und mit einer euphorischen Einführung durch den Arch+ Mitherausgeber Anh-Linh Ngo. Letzterer betonte, dass die rechte Ideologie vom „großen Austausch“ gefährlich und falsch ist, womit er selbstredend völlig Recht hat, und er wie alle anderen natürlich nicht gehen wird.

Im Laufe des Events der Heftvorstellung in der Volksbühne kamen unterschiedliche Beiträger*innen des Heftes auf die Bühne und präsentierten die Ergebnisse. Die Architektin Yeboah sagte, die Idee des „Anders-Seins“ sei „erst mit dem Kolonialismus“ aufgekommen. Da wird man stutzig. Also nochmal: Ausgrenzung und Grenzziehung seien erst mit dem Kolonialzeitalter aufgekommen und hätte es unter Weißen nicht gegeben; „der Standard des weißen Mannes wurde bis heute beibehalten“. Das sagte Yeboah so. Kein Widerspruch von niemand. Warum ist dieser Satz so ungeheuerlich postkolonial und falsch? Weil er die jahrtausendealte Unterdrückung der Juden nicht sehen kann. Die christlichen Kreuzzüge und das Abschlachten der Juden hat demnach wohl nichts mit dem erfundenen „Anders-Sein“ der Juden zu tun gehabt, die ja auch „Weiße“ waren, wie der postkoloniale Antisemitismus es immer sagt, seit Aimé Césaire und W.E.B. Dubois etc.pp.[29] In ihrem Text in Arch+ vertritt Yeboah den gleichen postkolonialen linken Geschichtsrevisionismus:

Mit dem Kolonialismus wurden binäre Macht- und Identitätsmodelle etabliert, die Menschen diskriminatorisch in ‚Zugehörige‘ und ‚Fremde‘ unterteilen.

Sie schreibt mit keinem Wort, dass es zuvor schon viel tiefer gehende „binäre Macht- und Identitätsmodelle“ gab, den Antisemitismus. Sie schreibt nicht, dass mit dem Kolonialismus ein anderes „binäres Macht- und Identitätsmodell“ auftaucht. Nein, sie schreibt, dass „mit dem Kolonialismus“ „binäre Macht- und Identitätsmodelle etabliert“ wurden. Etablieren meint etymologisch „befestigen“ oder „sich niederlassen“. Synonyme sind z.B. laut Duden „sich ansiedeln, aufbauen, auf die Beine stellen, begründen, einrichten, einsetzen, eröffnen, errichten, gründen, ins Leben rufen“. Demnach hat es vor dem Kolonialismus also keine „binäre[n]“ Macht- und Identitätsmodelle“ gegeben. Yeboah hat den Antisemitismus, der viel älter und unendlich tiefer in die europäische Geschichte und Gesellschaft eingeschrieben ist, einfach vergessen oder übergangen oder bewusst weggewischt, wir wissen es nicht. Die Kritik am kolonialen Denken und den kolonialen Verbrechen ist von sehr großer Bedeutung. Aber es scheint bei postkolonialen Autor*innen nicht ohne eine Diminuierung oder Vernebelung zu gehen.

Fakt ist: das ist eine unwissenschaftliche und politisch skandalöse Aussage von Yeboah in Arch+ und auf der Heftvorstellung, wo sie jeweils das exakt gleiche sagte bzw. schreibt, einmal lang diskutiert und formuliert, redigiert und lektoriert, das andere Mal spontan und live. Demnach wurden die Juden zuvor, nehmen wir das Mittelalter, nicht als „Fremde“ ausgeschlossen. Die Juden wurden also nicht als der „Antichrist“, als die Brunnenvergifter oder Blutsauger und Pestverbreiter aus der christlichen Mehrheitsgesellschaft Europas ausgeschlossen und wahlweise massakriert oder in Ghettos gesteckt. Das vierte Laterankonzil von 1215 mit seinen antijüdischen Beschlüssen hat es gar nicht gegeben, weil es ja nicht gegen Schwarze ging und nichts mit dem Kolonialismus zu tun hatte. Die jahrtausendealte Ausgrenzung der Juden wird hier einfach verleugnet und postkolonial die Geschichte umgeschrieben.

Die Juden wurden also nicht als „Fremde“ ausgeschlossen, das Muster des Ausschlusses ganzer Gruppen von Menschen würde es erst seit dem Kolonialismus geben. Das ist ein antijüdisches Märchen von Anna Yeboah, die nur pars pro toto für den postkolonialen Irrsinn steht. Weder der Gastredaktion (Stephan Trüby, Matteo Trentini, Philipp Krüpe, Verena Hartbaum, Tobias Hönig, Hartmut Mayer, Sandra Oehy, Andrea Röck, Zsuzsanne Stanitz) noch den beteiligten „Stipendiat*innen“ und der Redaktion (Nikolaus Kuhnert, Anh-Linh Ngo, Mirko Gatti, Christian Hiller, Max Kaldenhoff, Alexandra Nehmer, Nora Dünser, Angelika Hinterbrandner, Christine Rüb, Frederick Coulomb, Dorothea Hahn, Melissa Koch, Jann Wiegand), also einer geballten Ladung akademischer „Bildung“, ist da was aufgefallen. Ausgrenzung und „binäre Macht- und Identitätsmodelle“ gebe es erst seit dem Kolonialismus.

Eine solche Leugnung der jahrtausendlangen Ausgrenzung der Juden im Jahr 2019 ist beachtlich – und sie wird geschrieben, diskutiert, gedruckt und öffentlich vorgestellt, kein Widerspruch, nirgends. Alle fühlen sich als „die Guten“, es geht ja gegen rechts.

Exkurs: Postkoloniale Geschichtsumschreibung und Antisemitismus

Da sich die Arch+-Autorin Anna Yeboah so euphorisch auf ihre Freund*innen von „Decolonize the City“ bezieht, ohne deren Hilfe das Schreiben ihres Artikels nicht möglich gewesen sei, und das Team um Trüby und Arch+ sich mit „Decolonize the City“ offenkundig nicht befasst hat oder deren Ideologie unhinterfragt goutiert, mag ein Blick in das Buch dieses Bündnisses hilfreich sein. Als Herausgeber*in des Bandes „Decolonize the City! Zur Kolonialität der Stadt – Gespräche | Aushandlungen | Perspektiven“ fungiert ein „Zwischenraum Kollektiv“.[30]

„Decolonize the City“ war eine Konferenz vom 21.–23.09.2012 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung,[31] um den aktivistischen Charakter zu unterstreichen. 2017 kamen die Beiträge als Buch im Unrast Verlag heraus,[32] 2018 dann als E-Book.[33] Eine der Beteiligten von 2012 war Anna Younes,[34] die später vom Twitter-Account von „Decolonize the City“ mit einem anti-israelischen Text verlinkt wurde. 2016 wurde Younes wegen einem Festival im Ballhaus Naunynstraße in Berlin Kreuzberg kritisiert:

Von Kuratorin Anna-Esther Younes etwa ist laut ‚Berliner Zeitung‘ der Satz dokumentiert, dass ‚mit der Gründung Israels ein weiteres Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurde‘.[35]

Die BDS-Vertreterin und antisemitisch-antizionistische Jüdin Judith Butler, für die der Zionismus nicht Teil des Judentums ist, wird in dem Buch in einem Text von Paola Bacchetta, Fatima El-Tayeb und Jin Haritaworn über „Queer-of-Color-Politik und translokale Räume in Europa“ völlig positiv dargestellt und dafür gelobt, einen Preis des CSD (Christopher-Street-Day) u.a. wegen „antimuslimischem Rassismus“ oder weil die schwul/lesbisch/transsexuellen etc. Organisator*innen zu westlich, kapitalistisch, kriegerisch etc. seien, nicht angenommen zu haben.

Der ganze Ansatz des Buches „Decolonize the City“ wie weiter Teile des Postkolonialismus weltweit wird in einem Beitrag von Ramón Grosfoguel zu „Was ist Rassismus? Die ‚Zone des Seins‘ und die ‚Zone des Nicht-Seins‘ in den Werken von Frantz Fanon und Boaventura de Sousa Santos“ deutlich:

Für Fanon ist Rassismus eine globale Machthierarchie von Über- und Unterlegenheit an der Grenze zum Menschlichen, die jahrhundertelang für die moderne/koloniale, kapitalistische/patriarchale, imperialistische/westlich zentrierte Weltordnung politisch produziert und reproduziert wurde (Grosfoguel 2011). Personen, die sich oberhalb dieser Grenze befinden, werden gesellschaftlich in ihrer Menschlichkeit anerkannt und mit Rechten und Zugang zu Subjektivität und Mensch-/Bürger_innen-/Arbeitnehmer_innenrechten ausgestattet. Personen, die unterhalb dieser Grenze eingeordnet werden, werden als nicht-menschlich oder gar unmenschlich betrachtet; ihre Menschlichkeit wird infrage gestellt und ihnen abgesprochen (Fanon 2010).

Das ist völlig falsch. Das Mensch-Sein würde also einer unglaublich riesigen Zahl von Menschen seit Jahrhunderten abgesprochen, farbigen Menschen aller Art aller Zeiten, seit Kolumbus die neue Welt entdeckte (1492). Es geht hier nicht um eine völlig notwendige Herrschaftskritik, um Kritik am Rassismus Europas – sondern um eine Verleugnung des Regimes, das tatsächlich Menschen zu Nicht-Menschen deklarierte und vergaste: der Nationalsozialismus. Logisch bleiben Antisemitismus, Shoah und die deutsche Spezifik völlige Leerstellen in diesem Konzept des Postkolonialismus, der ernsthaft meint (man sieht das in jedem Text, namentlich bei Grosfoguel) die ganze Welt erklären zu können. Das kann der Postkolonialismus gerade nicht, vielmehr ist er Teil des Problems. Und das Problem heißt Antisemitismus.

Demnach gibt es für Autoren wie Grosfoguel nur Rassismus auf der Welt, Höher- und Niederwertigkeit, ja eine universell anzutreffende „Rassifizierung“, was nur andeutet, dass der Autor noch nie ein Buch oder einen Text von einem nationalsozialistischen Autor gelesen und von Nazi-Deutschland schlichtweg keinerlei Ahnung hat. Die einzige „Gegenrasse“, die jemals konstruiert wurde und vernichtet werden sollte, waren die Juden und niemand sonst. Das wird im gesamten Postkolonialismus verleugnet.

Der regelrechte sprachliche Stumpfsinn des Konzepts „Nicht-Sein“ in dem Band „Decolonize the City“ hört sich z.B. so an:

Ein nicht-westlicher, heterosexueller Mann in der Zone des Nicht-Seins lebt privilegiert und unterdrückt nicht-westliche heterosexuelle Frauen und/oder Schwule/Lesben innerhalb der Zone des Nicht-Seins. Obwohl ein nicht-westlicher, heterosexueller Mann ein unterdrücktes Subjekt in der Zone des Nicht-Seins im Vergleich zur Zone des Seins darstellt, gestaltet sich die gesellschaftliche Situation für eine Frau oder einen Schwulen oder eine Lesbe in der Zone des Nicht-Seins schlechter.

Die Kritik am Patriarchat, an Homophobie, Sexismus und Rassismus wie der bürgerlich-kapitalistischen Vergesellschaftung ist von sehr großer Bedeutung – sie wird hier aber so dermaßen absurd als „Zone des Nicht-Seins“ gefasst, dass man dieses Konzept des Postkolonialismus nicht ernst nehmen kann. Mit Gesellschaftsanalyse hat das überhaupt nichts zu tun, mit einer identitären Selbstvergewisserung, das arme Opfer zu sein und gar in einer „Zone des Nicht-Seins“ zu sein und eigentlich gar nicht da zu sein, sehr viel. Da fallen dann antisemitische Ressentiments namentlich von Schwarzen, people of colour, Muslimen, Christen, Säkularen oder anderen Menschen aus nicht-westlichen Gesellschaften völlig durch das Raster. Antisemitismus taucht als Kategorie auch überhaupt nirgends auf. Dafür umso stärker die sekundär antisemitische Analogie von Kolonialismus und Holocaust.

Der „Intersektionalismus“, also die Überschneidung verschiedener Herrschafts- oder Unterdrückungsformen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Klassismus – früher hieß das 3:1[36] – ist nichts Neues. Auffallend aggressiv sind heute jedoch z.B. muslimisch-islamistische Aktivist*innen und ihre Fans. Die Feministin Alice Schwarzer hat das 2017 bei einem Vortrag an der Universität Würzburg erlebt.[37]

Eine Handvoll aggressiver Aktivist*innen haben ihr genau das vorgeworfen, was sie gar nicht gesagt hatte: dass Islamismus und Islam das gleiche seien, dass es nur unter Nicht-Deutschen Sexismus gebe oder dass sie Algerien hassen würde, wobei Schwarzer erst kurz zuvor zwei Wochen bei Freund*innen in Algerien zu Gast war und das Land kennt und schätzt – aber zumal die Traumatisierungen durch den mörderischen islamistischen Bürgerkrieg der 1990er Jahre mit 200.000 Toten erlebte. Da hörten die jungen verschleierten und nicht verschleierten Hetzer*innen einfach nicht hin. Schwarzer fasst zusammen:

Das Phänomen ist meiner Politikgeneration wohlbekannt. In den 1968er und 1970er Jahren hießen diese Politsekten KBW oder KPDML oder Maoisten oder Trotzkisten. Ihr Diskurs war genauso verhetzt, wirklichkeitsfremd und stellvertretend (für ‚das Proletariat‘) wie der dieser heutigen, pseudolinken Szene (für ‚die Muslime‘), der jedoch fatalerweise zur Verbreitung ihrer wirren Ideen auch noch das Internet zur Verfügung steht. Und die Schlagworte heute lauten nicht mehr ‚Internationale‘ und ‚Klassenkampf‘, sondern ‚Intersektionalismus‘ und ‚Antirassismus‘.

Intersektionalismus und Antirassismus sind auch Kernpunkte des Bandes „Decolonize the City“. Es geht um die „koloniale/kapitalistische/imperiale“ Welt und man fühlt sich wie Schwarzer zurückversetzt in die primitivsten ökonomistischen Analysen der K-Gruppen der 1970er Jahre oder noch früher an die Zeiten der KPD der Weimarer Republik etc.pp.

Der „Decolonize the City“ Autor Grosfoguel steigert das noch massiv, indem er von der „Zone des Seins“ und der des „Nicht-Seins“ daher redet. Damit sind nicht Sobibor, Treblinka oder Auschwitz gemeint – sondern er meint Typisches für unsere Welt:

In der Zone des Nicht-Seins erleben Subjekte, die als unterlegen eingeordnet werden, rassistische Unterdrückung anstatt Privilegierung aufgrund von Rassismus.

Natürlich ist rassistische Diskriminierung schrecklich und gehört bekämpft, hier und heute und an jedem Ort. Aber die Menschen leben doch und das wird mit dem grotesken Terminus „Zone des Nicht-Seins“ geleugnet. Wenn der alltägliche Rassismus in London, Berlin, Paris oder Rio de Janeiro etc. eine „Zone des Nicht-Seins“ bedeutet, dann ist die eigentliche Zone des Nicht-Seins der KZ- und Vernichtungslager des Nationalsozialismus völlig trivialisiert, ja verleugnet. Der ganze Text strotzt nur so von Nichtwissen und Ignoranz gegenüber den historisch existenten Zonen des Nicht-Seins in NS-Deutschland und während des Holocaust.

Diese postkoloniale, absurde Sprache steht für das obsessive Verweigern einer Beschäftigung mit dem Holocaust. Würde sich der Postkolonialismus mit der Shoah befassen, würde er merken, dass das nicht das gleiche ist wie koloniale Gewalt wo und wann auch immer. Aber die Postkolonialist*innen fühlen sich als „die Guten“ und befassen sich weniger mit der Realität als ihren krampfhaften Analogien von NS und Kolonialismus. Da wird dann aus einer völlig lebendigen Lebensrealität hier und heute eine „Zone des Nicht-Seins“, wie bescheuert, gewalttätig, rassistisch, sexistisch oder klassistisch dieser Alltag auch immer aussieht – die Leute leben und niemand plant sie zu vergasen.

In einem Gespräch der Frankfurter Rundschau vom 4. September 2019 angesichts des Gießener Kultursommers mit zwei Aktivist*innen gegen Antisemitismus und den Sänger Xavier Naidoo, der auf dieser Veranstaltung am 31.8. vor 5000 Leuten auftrat (25 protestierten gegen ihn), kann man lernen, was der Unterschied von Rassismus und Antisemitismus ist:

Nur weil sich jemand für eine gute Sache einsetzt, schließt das nicht aus, dass dieselbe Person bei einer anderen Thematik fragwürdige Sichtweisen öffentlich äußert. Außerdem sind Rassismus und Antisemitismus zwei unterschiedliche Phänomene. Antisemitismus ist das Narrativ der übermächtigen kleinen Gruppe, die für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht wird und ein imaginiertes ‚Wir‘ durch Zersetzung bedroht. In der logischen Konsequenz können ‚Wir‘ nur gerettet werden, wenn die übermächtige Gruppe vernichtet wird. Rassismus dagegen ist die Idee, dass es unterlegene, oder gar als unzivilisiert geltende Menschen gibt, die nicht zu ‚Uns‘ gehören.

Eine solche Differenzierung kann man von typischen postkolonialen Autor*innen nicht erwarten. Kien Nghi Ha moniert in „Die fragile Erinnerung des Entinnerten“, dass zwar seit den 1960er Jahren der Holocaust erinnert werde, aber nicht der Kolonialismus, womit schon gesagt ist, dass beides irgendwie ähnlich schlimme Verbrechen gewesen seien:

Die über Jahrzehnte hinweg verweigerte Aufarbeitung des Holocaust und der nazistischen Tradierungen konnte gegen große gesellschaftliche Widerstände letztlich noch erfolgreich institutionalisiert werden, sodass diesem Aufklärungsprozess eine kontinuierliche Struktur verliehen wurde.

In dem Band schreiben zudem Vanessa E. Thompson und Veronika Zablotsky über „Nationalismen der Anerkennung – Gedenken, Differenz und die Idee einer ‚europäischen Kultur der Erinnerung‘“:

Der politische Umgang mit dem Holocaust, dem Völkermord an den Herero und Nama durch das Deutsche Kaiserreich und dem Völkermord an den Armenier_innen und anderen Minderheiten im Osmanischen Reich spannt ein Feld auf, innerhalb dessen strategisch zwischen materiellen Entschädigungen (‚Wiedergutmachung‘), politischer Anerkennung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ohne Rechtsfolgen (‚politische Äußerungen‘) und dem moralischen ‚Stehen‘ zu historischer Verantwortung ohne politische Verhandlungen im eigentlichen Sinne (‚ehrliche Aufarbeitung‘) gewählt werden kann, um ‚Unrechtsschulden“ zu ‚tilgen‘.

Ohne jegliche wissenschaftliche Differenzierung oder Analyse, ob denn das überhaupt ein Völkermord war und selbst wenn, dass ihm ein militärisch antikolonialer Angriff vorausging und so weiter – das wird alles nicht diskutiert, sondern autoritär gesetzt. Man soll es glauben, nicht wissen. Verbrechen gegen die Menschheit sollen demnach alle möglichen Kolonialverbrechen gewesen sein, so wie die Shoah. Das ist eine Universalisierung, die wiederum gesetzt wird, ohne jegliche Diskussion.

An anderer Stelle wird gerade die Architektur des Jüdischen Museums Berlin, das den Bruch, den der Zivilisationsbruch Auschwitz bedeutet, visuell andeuten möchte, diffamiert, da es sich „scharf vom übrigen Stadtbild“ im Multikulti-Bezirk Kreuzberg „absetzt“ und so

lässt sie die Umgebung im Umkehrschluss unbeteiligt erscheinen, als sei diese nun nicht länger in koloniale, imperiale, und nationalsozialistische Vernichtungspolitik impliziert.

Das hört sich so absurd an, dass man den Satz mehrfach lesen muss und ihn immer noch nicht versteht. Ein jüdisches Museum sei aufgrund der Architektur, die gerade den BRUCH, den die Shoah bedeutet, versucht diesen irgendwie in kleinsten Ansätzen darzustellen, höchst problematisch, weil es die (vor allem muslimischen oder migrantischen etc.) Nachbarn nicht dort abholen würde, wo sie wohnen, sondern mit so einer intellektuell gleichsam anmaßenden Architektur nur ausgrenzten.

Das Zitat oben ist zudem ein sekundär antisemitischer Sprech, eine Erinnerungsabwehr, die nur vorgibt, zu erinnern. Warum? Weil sie das Wort „Vernichtungspolitik“ im Kolonialismus und Imperialismus verortet und das 1:1 auf die Shoah überträgt und somit die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz, Treblinka und den Wäldern von Litauen leugnet.

In einer Analyse an der Art des Erinnerns oder gerade Nicht-Erinnerns der Spezifik der Shoah zeigte der Historiker Saul Friedländer bereits 1982 (frz., 1984 auf dt.) in seinem Essay „Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus“ in seiner Kritik marxistischer Analysen bzw. Reduktionismen des Antisemitismus, was die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust bedeutet:

Eine solche Interpretation [wie vom Marxisten Abraham Léon, CH] sagt uns jedoch nicht, wie ein auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Antagonismus basierender Rassenhaß – der in anderen Fällen zu Plünderung, Vertreibung, Versklavung oder sporadischen Tötungen (so etwa in den Kolonien) – hier den festen Vorsatz zur totalen Vernichtung annehmen konnte.[38]

Ganz offensiv wird hingegen diese Leugnung des Nie-Dagewesenen des Holocaust in „Decolonize the City“ von Thompson und Zablotsky propagiert bzw. damit kokettiert:

Kritische Haltungen in Bezug auf die Singularität des Holocaust als erstem industriellem Massenmord und der Unmöglichkeit, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als solche darzustellen, werden somit für die Belange der Mehrheitsgesellschaft instrumentalisiert, welche die Kontinuitäten von Kolonialismus und Eugenik mit Verweis auf Erinnerungskultur und Gedenkorte in Abrede stellt.

Was sind denn „kritische Haltungen in Bezug auf die Singularität des Holocaust“? Lacht da nicht die AfD, wenn das Nie-Dagewesene des Holocaust in Abrede gestellt wird, was ja ein zentrales Ziel jedes Antikommunismus und Antisemitismus seit Ernst Nolte und zuletzt bei Timothy Snyder ist?

Sandrine Micossé-Aikins schreibt über „Vorwärtsgehen, ohne zurückblicken – eine kolonialismuskritische aktivistische Perspektive auf das Humboldtforum“ über die „brandenburgische Kolonie Großfriedrichsburg“, die in „Princess Town“ „von 1683–1717“ bestand und im kolonialen Dreieckshandel Europa-Afrika-Amerika involviert war und die Hohenzollern profitierten davon.

Dieser Text von Micossé-Aikins ähnelt in vielen Aspekten dem Text von Yeboah im Arch+ Heft 235 von 2019, was verständlich ist, da es sich heute um einen häufig sehr unkritischen bis affirmativen Diskurs handelt. Hier merkt man am deutlichsten, warum sich Anna Yeboah bei „Decolonize the City“ so herzlich bedankt. In dem Text von Micossé-Aikins wird jedoch wie selbstverständlich wiederum die Kontinuität von Kolonialismus und Nationalsozialismus und Shoah aufgemacht:

Die Geschichte dieser Gebeine markiert die in der dominanten Geschichtsschreibung weitgehend ignorierten historischen Verbindungen zwischen Kolonialzeit und dem Nationalsozialismus bzw. dem Genoziden in Deutsch-Südwest Afrika und dem Holocaust.

Da merkt man dann durchaus, woher Anna Yeboah ihre eigene Rede- und Schreibweise hat, wenn sie wie zitiert schreibt:

Mit dem Kolonialismus wurden binäre Macht- und Identitätsmodelle etabliert, die Menschen diskriminatorisch in ‚Zugehörige‘ und ‚Fremde‘ unterteilen.

Das ist exakt die Tonlage des ganzen „Decolonize the City“ Buches. Der Bezug auf Aimé Césaire ist ganz typisch für die postkoloniale Literatur. Die Zeitschrift Peripherie („Politik Ökonomie Kultur“) teilt diese Form des postkolonialen Antisemitismus. In der Ausgabe 146/147 von August 2017 schreiben Aram Ziai und Daniel Bendix:

Ein entsprechendes ‚Pro und Kontra Kolonialismus‘-Tabu gilt in der heutigen BRD nicht. Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Deswegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völkermord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivilisationsbruch‘ wahrgenommen (Diner 1996).

Demnach war die Shoah kein Zivilisationsbruch, sondern koloniale Verbrechen seien auch Zivilisationsbrüche gewesen. Damit wäre Auschwitz gerade nicht präzedenzlos. Das ist ein Antisemitismus mit bestem postkolonialem Gewissen, trendig und preisgekrönt jüngst via Achille Mbembe, der sich exakt auf diese Passage von Césaire bezieht.

Der Schriftsteller Heiner Müller hatte in dieser Hinsicht die gleiche Holocaust trivialisierende und universalisierende Ideologie. 2017 wurde bei Suhrkamp ein Band mit Texten Müllers gegen den Kapitalismus herausgegeben, der zeigt, wie ungeniert heute im Mainstream der Antisemitismus trivialisiert und der Nationalsozialismus und Auschwitz universalisiert werden. In Anlehnung an ein Wort des später Müller von 1995 – „Für alle reicht es nicht. Daraus folgt die Selektion“ – wird von den beiden Herausgeber*innen Helen Müller und Clemens Pornschlegel der Nationalsozialismus als bloße Epoche in der Geschichte des Kapitalismus herunter dekliniert. Der Antisemitismus hat da nicht nur keinen Platz, Auschwitz wird in seiner Sinnlosigkeit geleugnet:

Die Behauptung, dass es einen systematischen Zusammenhang gebe zwischen Hitlers massenmörderischen Selektionen und der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, zwischen Auschwitz und der Deutsche Bank (aber auch: I.G. Farben, VW, Thyssen, Bertelsmann, Audi, Hugo Boss, Oetker usw.), erschien verrückt. (…) In den Jahrzehnten nach 1990 haben nicht Frieden und Wohlstand, nicht blühende Landschaften und das kindlich-naive Vertrauen in die Gesetzlichkeiten oder harmonischen Gleichgewichte des freien Marktes zugenommen, sondern zugenommen haben (vom Reichtum der Reichen und Superreichen einmal abgesehen) Arbeitslosigkeit, Kriege, soziale und politische Gewalt (…).“[39]

Das ist Suhrkamp 2017. Von Auschwitz in wenigen Sätzen zu Arbeitslosigkeit zu gelangen ist an links-antikapitalistischer Obszönität und antijüdischem Ressentiment unüberbietbar. Das ist sekundärer Antisemitismus, eine Abwehr der Erinnerung dessen, was Auschwitz war. Es indiziert die analytische Hilflosigkeit wie auch die unverschämte linke Ignoranz gegenüber dem, was in Auschwitz geschah: der Zivilisationsbruch.

Das intellektuell nicht nur dürftige, sondern regelrecht widerwärtige, sich selbst immer nur obsessiv als Opfer des Kapitals imaginierende Niveau Heiner Müllers passt exakt zu seinen postkolonialen Epigon*innen oder literaturwissenschaftlichen Herausgeber*innen und Fans Helen Müller und Clemens Pornschlegel, wenn Heiner Müller 1984 schrieb:

Es gab ein Gastspiel mit der Aufführung SCHLACHT in Belgrad, bei BITEF, diesem Theaterfestival. Hinterher war eine Diskussion, ein Jugoslawe polemisierte gegen irgendwas, und dann habe ich gesagt, daß man doch auch sehen müßte, daß der deutsche Faschismus nur eine besonders blutige Episode war in dem kapitalistischen Weltkrieg, der schon vierhundert Jahre dauert.[40] Und das Besondere daran, daß zum ersten Mal mitten in Europa etwas gemacht wurde, was in Afrika, in Asien und in Lateinamerika völlig normal war seit Jahrhunderten: die Vernichtung von Völkern, die Versklavung von Bevölkerung. Der Jugoslawe war sehr empört, er war Partisan gewesen und sagte: Für mich war das keine Episode. Für ihn war das sein ganzes Leben. Er hat recht, aber trotzdem ist es richtig, daß man das mal sehen muß in einem globalen Kontext.“[41]

Damit universalisiert und rationalisiert Heiner Müller den Holocaust und die nie dagewesenen Verbrechen der Deutschen und ihrer Alliierten. Nie zuvor gab es den Plan, ein ganzes Volk zu vernichten, alle Juden sollten ermordet werden auf der ganzen Welt. Das gab es nie zuvor und nie seither.

Die Juden wurden mit Verschwörungsmythen wie den „Protokollen der Weisen von Zion“ (um 1905, russisch) für alles Übel auf der Welt verantwortlich gemacht, den Kapitalismus, den Kommunismus, die moderne Zivilisation und ihnen eine Weltverschwörung angedichtet. Nichts dergleichen gab es jemals zuvor oder seither mit irgendeiner anderen Gruppe von Menschen. Das zu leugnen und einen jahrhundertelangen, kapitalistischen, kolonialistischen und imperialistischen Krieg der Weißen gegen die Nicht-Weißen oder des Kapitalismus gegen den Rest der Welt zu imaginieren, ist nicht nur ahistorisch, sondern exkulpiert darüber hinaus die jeweiligen Ideolog*innen von ihrem eigenen Antisemitismus, der allein schon darin besteht, in sekundär antisemitischer, erinnerungsabwehrender Weise die Präzedenzlosigkeit von Treblinka, Sobibor, Chelmno, Majdanek, Auschwitz, den Wäldern von Litauen oder der Schlucht von Babi Yar zu leugnen.

Das passt darüber hinaus zu einer Art postkolonialer Geschichte, die Müller erzählte (wie mir berichtet wurde): In Afrika wurden demnach Filmaufnahmen aus den deutschen KZs gezeigt, um Aufklärung über die deutschen Verbrechen im Nationalsozialismus und den Holocaust zu leisten. Doch beim Anblick der Toten und fast Toten lachten viele afrikanische Zuschauer*innen und hielten sich die Bäuche. Warum? Weil sie es komisch fanden, „Weiße“ als Opfer von Weißen zu sehen. Auch das deutsche Publikum von Müller lachte einmal herzhaft, als er das erzählte. Diese Form des (sekundären) Antisemitismus, der Juden zu Weißen macht, ist der Kern der Geschichtspolitik des Postkolonialismus. Heiner Müller, der sich ja selbst als „Neger“ bezeichnete, war ein Vordenker hiervon, in den Fußstapfen von Aimé Césaire.

Auch Decolonize the City vertritt exakt diesen Césaire‘schen Antisemitismus, wenn Thompson/Zablotsky schreiben (in Anm. 4 zu ihrem Text):

Obwohl die Entnazifzierungspolitik der alliierten Besatzungsmächte häufig aus unterschiedlichen Gründen als unzureichend kritisiert worden ist, wurde nur selten ein expliziter Zusammenhang zur kolonialen Vergangenheit hergestellt. Als Ausnahmen sind hier insbesondere Aimé Césaires Diskurs über den Kolonialismus (1950) und Hannah Arendts Elements und Ursprünge totaler Herrschaft (1951) hervorzuheben.

Dass Césaire Juden zu Weißen machte und gerade nicht den Zivilisationsbruch Auschwitz auch nur ansprach, wird damit akzeptiert.

Andernorts spricht Kien Nghi Ha in dem gleichen universalisierenden und Auschwitz als präzedenzlos leugnenden Duktus, der nicht nur für Decolonize the City, sondern weiteste Teile postkolonialer Literatur (die Autor*innen beziehen sich auf viel Literatur, die das jeweils genauso sieht) steht:

Die strukturelle Verankerung überkommender Ideologeme, die nicht ohne die kolonialrassistische und antisemitische Vergangenheit Deutschlands denkbar sind und analysiert werden können, wirft unweigerlich politisch unangenehme Problemlagen auf.

Der Historiker Dan Diner hat seit den späten 1980er Jahren bei der Analyse des Zivilisationsbruchs Auschwitz Wegweisendes geleistet. Er sagt 2007 über die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust:

Die Kolonialmacht will ‚pazifieren‘, nicht vernichten.

Weiter:

Wie nahe kommen sich genozidale Kolonialkriege und Holocaust? Bei aller Absolutheit der kolonialen Gewalt – und dies im Unterschied zum konventionellen Krieg zwischen sich als Gleiche anerkennenden Gegnern – steht der Holocaust als eine bloße Vernichtung jenseits von Krieg, Konflikt und Gegnerschaft. Weder gilt es durch Gewalt einen Willen zu brechen noch etwas zu erzwingen. Der Vernichtungstod ist ein im Kern grundloser Tod.[42]

Von diesen kritischen Erkenntnissen ist „Decolonize the City“ unendlich weit entfernt und steht damit exemplarisch für den Postkolonialismus. Der Afrika-Historiker Jakob Zollmann hat dieselben haltlosen Positionen einer Linie von Windhuk nach Auschwitz am Beispiel des postkolonialen Gurus Jürgen Zimmerer seit 2007 bis heute detailliert durchdekliniert und scharf kritisiert.[43] Der sekundäre Antisemitismus via Universalisierung der deutschen Tat und der Shoah wird durch den unverblümten antizionistischen Antisemitismus auf dem Twitter-Account von „Decolonize the City“ noch potenziert. Das also sind offenkundig nach Selbstauskunft die Freund*innen von Anna Yeboah, der Arch+-Autorin.

***

Der abschließende Text von Arch+ 235 von Merve Bedir ist nicht weniger desaströs als der Text von Yeboah. Es geht um die Türkei, doch das Wort Islamismus sucht man vergeblich. In einem polit-ökonomischen Reduktionismus, wie wir ihn bis heute von Sekten von MLPD, DKP bis hin zu vielen sonstigen „antiimperialistischen“ Gruppen weltweit kennen, wird der Kapitalismus als einzige Macht herbei fantasiert, die einen faschistoiden Ideologen wie Erdogan determiniere. Der Ausdruck „religiöser Nationalpopulismus“ ist ein Euphemismus und weigert sich beständig, von Islamofaschismus oder Islamismus zu reden. Doch das ganze kulminiert in dieser Suada:

Die Raumpolitik der Neuen Türkei kann nicht ohne diesen erweiterten politischen Kontext verstanden werden. Den populistischen und autoritären Nationalismus, die Entwicklung hin zu einer illiberalen Demokratie, die Ablehnung von Immigrant*innen und Globalisierung und vor allem die Tatsache, dass diese Politik bereits an der Macht ist, hat die Türkei mit Staaten  wie Ungarn, Italien, Ägypten, Israel, Indien, den Philippinen, Brasilien oder den USA gemein.

Die Kritik an Ungarn, Brasilien oder Italien ist von Bedeutung, aber der Kern ist hier der Judenstaat. Der wird einfach so denunziert, ohne jegliche Differenzierung, was zum Israel bezogenen Antisemitismus passt. Es gibt kein Land der Erde, dem mit Vernichtung gedroht wird – außer Israel, wie von der Islamischen Republik Iran. Ich bin seit Jahren ein scharfer Kritiker der rechten Politik von Benjamin Netanyahu[44] – aber als Linkszionist und nicht als antiimperialistisch herum fuchtelnde Autorin, die mit Verve den Judenstaat mit Faschisten in eine Linie setzt. Das ist keine innerzionistische Kritik an Israel, wie sie weite Teile der linken, Demokraten wählenden amerikanischen Juden und weite Teile der jüdischen Intellektuellen in Israel üben.[45]

Was Bedir nicht erwähnt, sind islamfaschistische Regime wie (schiitisch) in Teheran oder (sunnitisch) in Riad. Der Islamismus ist schlichtweg kein Thema. Bei Erdogan nicht von Islamismus zu reden, ist völlig grotesk und zeugt von einem Realitätsverlust.

Auf der Heftvorstellung in der Volksbühne wurde von Trüby am Ende die Leninsche Frage „Was tun“ gestellt, nun: Es gibt eine „Alternative zu Deutschland“,[46] sie heißt intellektuelle Kritik an den gegenintellektuellen Tendenzen. Übrigens gibt es keine rechten „Intellektuellen“, was sich die meisten Autor*innen merken sollten, die Forschung spricht bei Rechten von „Gegenintellektuellen“, auch die häufige Verwendung von „Rechtspopulisten“ oder anderen Formen von „Populismus“ ist fragwürdig und verschleiernd. In Anschluss an Siegfried Kracauer ist ein Intellektueller eine Person, die Mythen knackt und nicht reaktiviert.[47] Also kann kein Rechter je ein Intellektueller sein.

Unterm Strich war auf der Heftvorstellung die postkoloniale Ideologie überall der große Gewinner, sie überlagerte alle noch so guten und wichtigen Analysen der Neuen Rechten. Tina Hartmann sagte auf der Heftvorstellung, heutzutage bzw. seit langer Zeit (seit 9/11 meinte sie wohl) würde ein Gegensatz von Abendland und Morgenland aufgemacht, was sich sehr saidianisch anhört und noch bestärkt wurde durch ihr Betonen, dass die Position, „der Islam“ „bedrohe die Errungenschaften der Aufklärung“, falsch sei.

Doch was ist daran falsch, die Geschlechterapartheit des Islamismus, der ja eine massive Schnittmenge mit „dem“ Islam hat, ohne in ihm aufzugehen, als antiaufklärerisch zu bezeichnen? Was ist daran falsch, nach dem Pulverisieren, Zerquetschen und Verbrennen von 3000 Menschen im World Trade Center durch Mohammed Atta und die anderen Jihadisten am Dienstag, den 11. September 2001, den Islamismus als riesige Gefahr für die Menschheit, den Westen und die aufgeklärte Welt zu erkennen? Die Bemerkungen von Hartmann in der Volksbühne über den armen Islam, der zum Antipoden der Aufklärung gemacht werde und dies somit nicht sei, sind wissenschaftlich und politisch bedenklich. Diese Derealisierung von Jihad und legalem Islamismus ist weit verbreitet im sich links dünkenden kulturellen Establishment, von Arch+ bis zur Volksbühne Berlin und unzähligen Lehrstühlen und Forschungsprojekten aller Art.

Hartmanns Betonen, es gehe der „Bibliothek des Konservatismus“ um eine „Akademisierung“ der Neuen Rechten ist richtig. Nur sieht sie nicht, dass dies bereits in den 1970er Jahren durch den tatsächlich neu-rechten Henning Eichberg geschah. Dieser war national-sozialistisch, nationalrevolutionär, neu-rechts, rechtsextrem und Begründer der Querfront und nicht Siemens-kapitalistisch oder konservativ wie der selbst ernannte Faschist Armin Mohler oder die „Bibliothek des Konservatismus“, was nicht heißt, dass beide Gruppen deutsch-nationale und völkische Schnittmengen haben.

Sicherlich ist schließlich der Antisemitismus nicht mit der deutschen Nationalversammlung von 1848 entstanden, der Gegensatz von „wir“ oder „das Volk“ gegen die Juden, der ist viel älter. Hartmann meinte jedoch auf der Heftvorstellung in der Volksbühne, bis 1848 hätte es den Antijudaismus gegeben, nicht den Antisemitismus, dabei ist diese Unterscheidung in der internationalen Forschung längst ad acta gelegt und widerlegt worden.[48]

Sodann wurde auch auf dieser Heft-Präsentation zu den rechten Räumen am 24. Mai 2019 mit keinem Wort eine der antisemitischsten Kampagnen seit 1945 in der Bundesrepublik Deutschland auch nur erwähnt: die Wahlplakate zur Europawahl der Neonazi-Partei „Die Rechte“: „Zionismus stoppen. Israel ist unser Unglück.“ Ist das kein rechter Raum, wenn Neonazis im Mai 2019 solche Plakate aufhängen? In den Tagen vor der Veranstaltung gab es viele Berichte in Tageszeitungen über diese rechtsextreme antisemitische Aktion.[49]

Man fragt sich, was die letztlich 13 Leute auf dem Podium für Zeitungen lesen oder was für Medien sie konsumieren, wenn nicht eine Person die exakt in dieser Woche vom 24. Mai 2019 bundesweit diskutierte anti-israelische Hetze dieser Neonazis auch nur erwähnte (so ich es nicht überhört habe). Könnte es sein, dass die meisten Leute einfach gar nicht hinhören, sobald es gegen Israel geht, weil man selbst (wie Decolonize the City oder Zizek) gegen ein demokratisches und jüdisches Israel ist? Kein Wort bei der Heftpräsentation von Arch+ zu dieser Neuauflage von Heinrich von Treitschkes Slogan, den die NSDAP dann aufgriff: „Die Juden sind unser Unglück“.

Ja, mehr noch: Leider scheint die Arch+ tatsächlich keinerlei Problem mit dem Antizionismus oder dem Antisemitismus von BDS zu haben, in Heft 231 von 2018 publizierte sie die deutsche Übersetzung eines Kapitels aus dem Buch über Klimawandel und Kapitalismus der Bestsellerautorin und seit 2009 als antiisraelische und BDS-Unterstützerin berüchtigten kanadischen Publizistin Naomi Klein.[50] Neben Judith Butler aus den USA oder dem Musiker Roger Waters aus Großbritannien ist Klein eine der bekanntesten Unterstützerinnen dieser antisemitischen Bewegung, die immer so tut, als ob sie es nicht wäre.

Angesichts der Beiträge von Bekir und Yeboah im Heft, den internationalen Kontakten von Kirn – der Publizist und taz-Kolumnist Micha Brumlik würde hier wieder aggressiv von der angeblichen „Kontaktschuld“ oder so reden und sieht immer nur bei Kritikern des Antisemitismus einen McCarthy, aber ahnt nicht, dass er selbst zum Kommunistenfresser von damals eine viel größere Nähe haben mag, als ihm lieb sein möchte, nur frisst Brumlik keine Kommunisten, sondern Kritiker*innen des antizionistischen Antisemitismus –, der engen Beziehung von Yeboah zu „Decolonize the City“, dem Publizieren von Naomi Klein durch Arch+ und nicht zuletzt durch das Hofieren Zizeks just im Mai 2019, steht man fast sprachlos vor diesem Heft.

Die Kritik an den rechten Räumen mit teils wirklich guten Beiträgen trifft die Neue Rechte, der Aufschrei des bürgerlichen Feuilletons und der rechtsextremen Pöbler im Netz zeigen, wie gut getroffen die Autor*innen und namentlich Trüby oder Hartbaum haben – aber dann dieses selbstverliebte Schweigen und Hinnehmen des postkolonialen oder säkular-leninistisch-hegelianisch-trendigen Mainstream-Antisemitismus oder das Verleugnen der islamistischen Gefahr.

Noch nicht mal Zizeks wirklich vulgärer Patriarchalismus und seine Angst vor weiblichen Entdeckungsreisen zur Vulva sind offenbar in diesen Kreisen ein no-go, obschon doch gerade die Neue Rechte so massiv patriarchal pöbelt. Demnach spricht ein Kommentar von Margarete Stokowski, die zeigt, wie ähnlich männlich-sexistisch misogyn Superstars der Rechten (Jordan Peterson) und Linken (Slavoj Zizek) ticken, offenbar ins Leere, die Kulturelite à la Volksbühne und Arch+ ignoriert ihre Kritik jedenfalls, Zizek bleibt der Star.[51]

Die perfide Logik des Heftes von Arch+ ist nun folgende: die Autor*innen geben vor, gegen Antisemitismus zu sein. Doch darunter wird der Antizionismus gerade nicht gefasst. Auch der Postkolonialismus taucht in diesem Schema gerade nicht als überaus reduktionistische und bisweilen antisemitische Ideologie auf. Der überaus beliebte Hetzer Zizek (von der Süddeutschen Zeitung über die Arch+ bis hin zu jedem hippen Uni-Seminar in den Sozial- und Geisteswissenschaften) spricht im Mai 2019, nur einen Tag nach dem Bauchpinseln durch Trüby, vom „zionistischen Antisemitismus“,[52] weil Israel sich gegen Juden wenden würde, die nicht pro-israelisch sind.

Wer letztendlich die islamistisch organisierte Landnahme via öffentlichem Massengebet auf dem Tempelhofer Feld in Berlin im August 2019 durch die Neuköllner Begegnungsstätte sieht, die mit Tausenden Muslimen, fanatisch getrennt nach Geschlechtern, verschleiert und mit Teppichen ausgestattet, Angst und Schrecken bei weltlichen und antiislamistischen Besucher*innen des Tempelhofer Feldes evozierten (ich selbst wohnte sechs Jahre unweit des Tempelhofer Feldes und besuchte den Ort fast täglich), kann nur der liberal-muslimischen Anwältin und Feministin Seyran Ates zustimmen:

Das sind muslimische Identitäre.[53]

Man könnte sprachlich geschickter vielleicht auch von identitären Muslimen sprechen, denn der Islamismus ist ja keine Unterkategorie des Rechtsextremismus, sondern eine eigenständige Ideologie, die historisch viel mit den Nazis gemein hatte, so wie der neu-rechte Vordenker Eichberg mit Gaddafi kooperierte und die Muslimbruderschaft und die Verschleierung feierte[54] – aber heute kooperiert der Islamismus ideologisch intensiv mit der Linken.[55]

Die Schadenfreude weiter Teile der Kulturelite nach 9/11[56] wie auch das Schweigen oder klammheimliche Klatschen und Kichern angesichts des Jihad von denselben Kreisen wird in dem Band nicht erwähnt. Dabei ist das für nicht wenige heutige neu-rechten Hetzer ein Ausgangspunkt, wobei die not-wendige Kritik am Islamismus und Jihad zu einem deutsch-nationalen Furor gegen „den“ Islam, „die“ Genderideologie oder „die Flüchtlinge“ und das „rot-grün versiffte Gesocks“ sich schnell wandelte.

Vom Antisemitismus zu reden und damit „nur“ den NS oder die Neo-Nazis, die Neue Rechte und Teile der bürgerlichen Mitte zu meinen, aber nie den Antizionismus der Linken, ja nicht mal den antiisraelischen Judenhass von Neonazis, ist reduktionistisch und falsch. Das hatte mich schon im Sommer 2002 angesichts ganz typischer linker und migrantischer Invektiven bei der Hans-Böckler-Stiftung, wo ich seinerzeit Doktorand war, zu folgendem Spruch in meinem Text für die Gewerkschaftlichen Monatshefte (9/2002) bewogen:

Deutsche mögen nur tote Juden, Islamisten gar keine.[57]

Der Bundestag beschließt im Mai 2019 eine nicht verbindliche Anti-BDS-Resolution, die Bundeszentrale für politische Bildung wird vom Bundesinnenministerium finanziert und unterstützt ihrerseits z.B. die Zeitschrift Arch+, die BDS-Unterstützer*innen publiziert.

Die Frage, ob Fotos von Neuen Rechten einen Erkenntnisgewinn haben oder nicht eher affirmativ sind, stellt sich bei dem Heft 235 von Arch+ überall. Das gilt auch für geradezu einfühlend gelayoutete Aufnahmen von NS-Architektur. Solche Bilder passen dann doch besser in Cato, DU, die Junge Freiheit oder auf rechte (Architektur-)Blogs. Es behindert das Lesen nicht unwesentlich und hat teils fragwürdigen Charakter, wenn einfach fröhliche Neo-Nazis abgelichtet werden und gerade nicht Bilder, wie rechtsextreme Politiker*innen oder Akteure eine Sahnetorte ins Gesicht geworfen bekommen oder wie eine Antifa-Demo sich gegen einen rechten Aufmarsch positioniert. Eine antifaschistische Nachricht in Split beim Einmarsch der Wehrmacht 1943 ist die große Ausnahme von der pro-rechten Bebilderung. Hitler-Bilder oder Hitlergrüße etc. haben nichts in einem sich antifaschistisch gebenden Heft zu suchen.

Die Kritik an der „Metapolitik“ in dem Arch+ Heft ist von eminenter Bedeutung. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat es schon vor Jahren in seinem Buch „Die Anti-Europäer“ pointiert auf den Punkt gebracht und dabei nicht nur den Rechtsextremismus, sondern auch den Islamismus und „Eurasier“ im Visier:

Man könnte die selbsternannten Erben der Konservativen Revolution belächeln, würden sie es bei verbalem Radikalismus belassen und ohne Resonanz bleiben. Führt auch heute ein Weg von einsamen Wölfen wie Breivik und den Cliquen eines Dugin oder al-Suri in breitere weltanschauliche Milieus und etablierte Machtzirkel? Zahlenmäßig schwach, betreiben Konservative Revolutionäre eine ‚metapolitische‘ Strategie: Erst sollen die Köpfe erobert werden, dann eventuell Positionen, Territorien und Ressourcen. Das war bereits der Ansatz der Neuen Rechten seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts.[58]

Die Rechten versuchen nicht nur, ihre Ideologie in den Mainstream zu tragen, sondern praktizieren das auch ganz konkret mit architektonischen Mitteln: mit Denkmälern, wieder aufgebauten Stadtteilen oder Schlössern und Kirchen, entsprechenden Plätzen und so weiter. Die europäische Dimension wird in dem Arch+ Heft herausgestellt, man könnte das in zukünftigen Studien z.B. mit der Analyse von Würdigungen ehemaliger Nazikollaborateure und Antisemiten in der Ukraine, Lettland oder Litauen empirisch unterfüttern.

Auch die unerträglichen Jahn-Straßen oder –Sportplätze (z.B. Jahn Sportpark Berlin, Jahn-Denkmal auf der Hasenheide in Berlin-Neukölln, Fußball-Bundesligist (2. Liga) Jahn Regensburg), Hermann-Löns-Straßen oder Richard-Wagner-Plätze, -Straßen wie ‑Festspiele verdienten eine Kritik als extrem rechte Räume, mit dem Vorschlag, die jeweils umzubenennen, bundesweit, von den Treitschke- oder Hindenburg-Straßen etc. pp. nicht zu schweigen. Bezüglich der Straßen mit kolonialistischer Geschichte werden solche Änderungen im Heft auch angemahnt.

Unterm Strich gilt: Dank Stephan Trüby, seinem Institut IGmA an der Uni Stuttgart und dem Heft 235 von Arch+ hat die interdisziplinäre Forschung zur Neuen Rechten vielfältige kritische Einblicke in die europaweite ubiquitäre rechtsextreme Raumnahme erhalten, die bis weit in den bürgerlichen Mainstream ausstrahlt. Insofern hat der hypermodische und meist so affirmative wie elfenbeinturmmäßige spatial turn jetzt womöglich einen nicht zuletzt deutschlandkritischen und zur Aktion aufrufenden Touch von Antifa.

Für jene, die im gegenintellektuellen Zeitalter von Twitter und Facebook keine langen Texte zu lesen imstande oder willens sind, eine knappe Zusammenfassung:

1) Die Zeitschrift Arch+. Zeitschrift für Architektur und Urbanismus attackiert in ihrem Heft 235 von Mai 2019 zu dem Thema „Rechte Räume. Bericht einer Europareise“ den sekundär antisemitischen Charakter der Rekonstruktion der Altstadt von Frankfurt am Main.

2) Arch+ 235 skandalisiert den antisemitischen Charakter von Hans Kollhoffs Ezra Pound Zitat auf dem Walter-Benjamin-Platz in Berlin.

3) Arch+ 235 betont das völlig ungenierte Vergessen oder Feiern des Faschismus in Italien oder Spanien.

4) Arch+ 235 unterstreicht die europaweite Dimension der Neuen Rechten, von der Schweiz über Polen, Frankreich, Österreich, Holland und natürlich Deutschland und weiteren Ländern.

5) Arch+ 235 hat unnötigerweise und ohne jeden Erkenntnisgewinn viele hochauflösende Bilder von Neonazis, Neuen Rechten und von Nazi-Gebäuden, die es erschweren, das Heft zu lesen. Diese Bilder passen eher zu rechtsextremen Publikationsorten, aber haben in einem Heft, das vorgibt Antifa zu sein, schlicht nichts zu suchen.

6) Arch+ 235 bedankt sich bei einer postkolonialen Gruppe („Decolonize the City“), die gegen Israel agitiert.

7) Arch+ publizierte 2018 eine der führenden BDS-Vertreter*innen weltweit, Naomi Klein.

8) Arch+ folgt ohne jede wissenschaftliche Differenzierung dem postkolonialen Hype, dessen Antisemitismus in diesem Rezensionsessay analysiert wurde.

9) Arch+ schreibt über die heutige Türkei, ohne das Wort Islamismus auch nur einmal zu verwenden und trivialisiert die Situation mit Ausdrücken wie „Nationalpopulismus“ oder „religiöser Nationalpopulismus“. Zudem agitiert der Text gegen Israel.

10) Mit keinem Wort wird im Heft Arch+ 235 auf den Antizionismus der Neuen Rechten und Neonazis eingegangen.

 

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler, im Dezember 2002 hielt er seinen ersten Vortrag in Israel, er war 2003 und 2004 Felix Posen Fellow des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) der Hebräischen Universität Jerusalem; dortselbst war er von Oktober 2010 bis Mai 2015 Research Fellow. Er war 2008/09 Post-Doc in Yale und von Juli bis Oktober 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hannover, Fakultät für Architektur und Landschaft, Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur, Projekt: Hachschara, Landwirtschaft, Architektur. Anfang 1989 hatte er seinen Schulfreund und Mitabiturienten Stephan Trüby eingeladen, ihn auf eine Tagung über die „Dialektik der Aufklärung und die Antiquiertheit des Menschen“ nach Frankfurt am Main zu begleiten.

 

Endnoten

[1] https://www.belltower.news/afd-spitzenkandidat-in-brandenburg-die-rechtsextreme-karriere-von-andreas-kalbitz-89325/.

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-andreas-kalbitz-war-mit-npd-funktionaeren-bei-neonazi-aufmarsch-in-athen-a-1284319.html.

[3] https://www.zeit.de/kultur/2019-09/landtagswahlen-fernsehberichterstattung-afd-rechtsextremismus-demokratie.

[4] https://www.zeit.de/kultur/2019-06/stephan-trueby-architektur-professor-rechte-raeume-kritik/komplettansicht.

[5] https://www.mousonturm.de/events/rechte-raeume-in-frankfurt-stadtspaziergaenge/?fbclid=IwAR0gjLVU9-2T8MSdPq56w0FkArPGQ-E_npmN8GgWi2gxzqCZ7D_APJrDgi0.

[6] Der Rezensent selbst steht auf einer der aktuellen quasi Abschusslisten von Neo-Nazis, „Judas Watch“, die jüngst von der Tagesschau-Sendung um 20 Uhr vom 18. August 2019 als Beispiel dafür genommen wurde, warum das Bundeskriminalamt (BKA) den Kampf gegen den Rechtsterrorismus, Hasskriminalität und den Rechtsextremismus forcieren und 10 neue Referate mit 440 neue Stellen einrichten wird, https://www.tagesschau.de/ausland/rechtsextremismus-129.html.

[7] Zu einer Kritik an Riehl, der antisemitischen Naturschutzgeschichte wie der NS-Landschaftsarchitektur siehe Clemens Heni (2009): Antisemitismus und Deutschland. Vorstudien zur Kritik einer innigen Beziehung, Morrisville.

[8] https://www.zeit.de/kultur/2019-06/stephan-trueby-architektur-professor-rechte-raeume-kritik/komplettansicht.

[9] https://www.clemensheni.net/liebende-in-new-york-city-oder-gegen-das-stolzdeutsche-nationalmannschaftsgeschwafel-von-der-heimat-von-edgar-reitz-ueber-robert-habeck-zu-cem-oezdemir-die-antiquierthei/ (07.03.2018), https://www.clemensheni.net/von-walser-1998-bis-oezdemir-2018-das-seminar-fuer-allgemeine-rhetorik-der-uni-tuebingen-die-rede-des-jahres-deutscher-antisemitismus-und-nationalismus/ (13.12.2018).

[10] https://www.clemensheni.net/kein-quentchen-linker-gesellschaftskritik/; Peter Bierl/Clemens Heni (2008): Eine deutsche Liebe. Über die braunen Wurzeln der Grünen und die Lücken der Naturschutzforschung, Konkret 1/2008, S. 24–26.

[11] Clemens Heni (2018): Der Komplex Antisemitismus. Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch: Deutsch, Berlin, S. 289–291.

[12] https://www.berlinerfestspiele.de/de/berliner-festspiele/programm/bfs-kuenstler/bfs_kuenstler_detail_279509.html.

[13] Siehe Clemens Heni (2013): Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin, S. 406–415.

[14] https://www.clemensheni.net/how-german-is-the-jewish-museum-berlin/; Heni 2018, S. 450–454.

[15] Clemens Heni (2010): Stuttgart ist doch keine „Vorstadt von Jerusalem“…Paul Bonatz, der Nationalsozialismus und Die Grünen (K21), 24. August 2010, https://www.clemensheni.net/stuttgart-ist-doch-kein-vorort-von-jerusalem/.

[16] Heni 2018, S. 82, Zitat von der Literaturwissenschaftlerin Susanna Moßmann.

[17] Vgl. zum Göttinger Hainbund und zu einer weiteren Bücherverbrennung von Schriften Wielands nur ein Jahr später, 1773, Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970–2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg, S. 315, Fußnote 1306.

[18] Der Mitbegründer des Konzepts Ethnopluralismus seit den späten 1960er Jahren war Henning Eichberg, siehe Heni 2007, S. 47–50.

[19] https://blogs.timesofisrael.com/the-jewish-museum-fuels-the-anti-jewish-climate-in-germany/ (14.06.2019).

[20] https://www.rt.com/op-ed/460228-anti-semitic-bds-israel-zizek/. Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Zionismus siehe Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin.

[21] Cary Nelson/Gabriel Noah Brahm (Eds.) (2015): The Case against academic boycotts of Israel. Preface by Paul Berman, Chicago/New York.

[22] https://www.clemensheni.net/koennen-die-juden-in-deutschland-ueberhaupt-eigenstaendig-denken/.

[23] Clemens Heni/Thomas Weidauer (Hg.) (2012): Ein Super-GAUck. Politische Kultur im neuen Deutschland, Berlin.

[24] Heni 2018, S. 547.

[25] Tweet vom 14. Oktober 2015 zu einem Beschluss einer Gruppe von Geographen, sich dem Boykott Israels anzuschließen (https://iccg2015.org/resolution-english/); Tweet vom 26. September 2014 zur antiisraelischen schwarzen „Feministin“ Angela Davis (https://www.colorlines.com/articles/angela-davis-connects-movement-free-palestine-black-feminism), Tweet vom 28. Juli 2014 zu einem Text von Anna-Esther Younes (plötzlich heißt sie Anna-Esther, nicht mehr nur Anna wie 2012 im offiziellen Programm der Tagung „Decolonize the City“, und wird als „deutsch-palästinensische Akademikerin“ präsentiert), wo sie ihre Abscheu vor „Pro Zionisten“ freien Lauf lässt (http://www.migazin.de/2014/07/28/nahost-konflikt-rassismus-und-deutschland/), Tweet vom 25. Juli zu James Baldwins Antizionismus (http://socialistworker.org/2014/07/23/how-baldwin-saw-palestine), Tweet vom 24. Juli 2014 zu Ilan Pappé, der BDS als „legitim“ erachtet. Ebenso Bezüge zu Holocaustverharmlosenden Autoren wie Jürgen Zimmerer auf diesem Twitter Account wie auch im Text von Yeboah via einem von diesem edierten Band zur deutschen Kolonialgeschichte.

[26] https://www.humboldtforum.org/de.

[27] Ich selbst habe als Teenager bei einem Besuch in Ost-Berlin 1986 den Palast der Republik auch von innen gesehen.

[28] https://www.youtube.com/watch?v=4OFykZrIEEs.

[29] Zudem: „Die jamaikanische Kulturwissenschaftlerin Imani Tafari-Ama, von Juli 2017 bis März 2018 Fellow am Flensburger Schifffahrtsmuseum mit dem Projekt ‚KulturTransfer. Unser gemeinsames Kolonialerbe‘, unterstützt von der Kulturstiftung des Bundes in deren Programm ‚Fellowship Internationales Museum‘, wurde in der taz Gelegenheit zur Verbreitung ihrer antijüdischen, den Holocaust als präzedenzloses Verbrechen leugnenden Ungeheuerlichkeiten gegeben: ‚Wenn ich Deutsche nach ihrer kolonialen Schuld befrage, heißt es oft, das kollektive Gedächtnis sei eben mit dem Holocaust viel zu sehr beschäftigt gewesen. Der habe alles andere verdrängt. Das mag stimmen. Trotzdem bleibt der Genozid an den Herero und Nama in Namibia bestehen; trotzdem bleiben die Unterdrückungsmaßnahmen in Togo, in Ruanda, in Tansania, in Kamerun – oder eben auf den Jungferninseln – Verbrechen, für die jemand haften muss. Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.‘ Das ist eine offenbar im Mainstream angekommene neue Form der Holocaustleugnung, der Softcore-Variante, wie die Historikerin Deborah Lipstadt sagen würde“, Heni 2018, S. 367.

[30] Zwischenraum Kollektiv (Hg.) (2017): Decolonize the City! Zur Kolonialität der Stadt – Gespräche | Aushandlungen | Perspektiven, Münster.

[31] https://www.rosalux.de/dokumentation/id/13988/decolonize-the-city-1/.

[32] https://unrast-verlag.de/neuerscheinungen/decolonize-the-city-detail.

[33] https://unrast-verlag.de/ebooks/decolonize-the-city-473-detail.

[34] https://www.decolonizethecity.de/talks.

[35] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/das-ballhaus-und-die-bds/.

[36] http://www.idverlag.com/BuchTexte/DreiZuEins/DreiZuEinsViehmann.html.

[37] https://www.emma.de/artikel/ein-abend-wuerzburg-334477.

[38] Saul Friedländer (1982)/1984: Kitsch und Tod. Über den Widerschein des Nazismus, München/Wien, S. 109.

[39] Helen Müller/Clemens Pornschlegel (2017): Vorwort, in: Heiner Müller (2017): „Für alle reicht es nicht“. Texte zum Kapitalismus. Herausgegeben von Helen Müller und Clemens Pornschlegel in Zusammenarbeit mit Brigitte Maria Mayer, Berlin (zitiert nach dem E-Book).

[40] Das erinnert an die den Holocaust ebenfalls universalisierende und in seiner Spezifik leugnende Kampagne „500jähriges Reich“ von Medico International von Anfang der 1990er Jahre: Bruni Höfer/Heinz Dieterich/Klaus Meyer (Hg.) (1990): Das Fünfhundertjährige Reich. Emanzipation und lateinamerikanische Identität 1492–1992, Frankfurt am Main; Stefan Armborst/Heinz Dieterich/Hanno Zickgraf (Hg.) (1991): Sieger und Besiegte im Fünfhundertjährigen Reich. Emanzipation und lateinamerikanische Identität: 1492–1992, Bonn; Heinz Dieterich (1990a): Ironien der Weltgeschichte. Strukturparallelen zwischen Nazi-Lebensraum und Erster/Dritter Welt heute, in: Höfer/Ders./Meyer (Hg.) (1990), S. 69–147.

[41] In Müller 2017.

[42] Dan Diner (2007): Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen, S. 81.

[43] Jakob Zollmann (2007): Polemics and other arguments – a German debate reviewed, in: Journal of Namibian Studies, Jg. 1, Nr. 1, S. 109–130; Jakob Zollmann (2010): Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen; Jakob Zollmann (2019): From Windhuk to Auschwitz – old wine in new bottles? Review article* (im Erscheinen).

[44] https://www.clemensheni.net/please-give-me-some-latkes-before-you-kill-me-jews-and-neo-nazis-in-germany/ (11.02.2019), https://www.clemensheni.net/kenneth-l-marcus-oxymoron-trump-and-civil-rights/ (12.03.2018), https://www.clemensheni.net/was-erlauben-lizaswelt-ueber-die-notwendigkeit-einer-selbstkritik-der-pro-israel-szene/ (24.03.2015), https://www.clemensheni.net/do-not-distract-attention-from-our-homemade-extremists/ (07.04.2014).

[45] Fania Oz-Salzberger/Yedidia Z. Stern (Hrsg.) (2017): Der israelische Nationalstaat. Politische, verfassungsrechtliche und kulturelle Herausforderungen. Aus dem Englischen von Clemens Heni und Michael Kreutz, Berlin.

[46] Clemens Heni (2017): Eine Alternative zu Deutschland. Essays, Berlin.

[47] Heni 2007, S. 87 f.

[48] Robert S. Wistrich (1991): Antisemitism. The Longest Hatred, London; New York; Robert S. Wistrich (2010): A Lethal Obsession. Antisemitism from Antiquity to the Global Jihad, New York.

[49] https://www.hna.de/kassel/israel-unser-unglueck-wirbel-wahlplakate-anti-israel-slogan-ngz-12284359.html, https://www.juedische-allgemeine.de/politik/judenhass-im-wahlkampf-muss-gestoppt-werden/, https://www.nrz.de/staedte/moers-und-umland/die-rechte-kamp-lintfort-entfernt-wahlkampf-plakate-id221160357.html.

[50] https://www.archplus.net/home/archiv/artikel/46,4909,1,0.html. Im Januar 2009 kritisierte der bekannte linke Soziologe David Hirsh aus London die Pro-BDS-Position von Klein, https://engageonline.wordpress.com/2009/01/10/klein-hirsh/. Im Juli 2019 ist Naomi Klein wie gehabt im BDS-Aktivismus voll involviert, http://bdsberlin.org/2019/07/04/talib-kwelis-ausladung-vom-festivalprogramm-ist-teil-des-anti-palaestinensischen-trends-zu-zensur/.

[51] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/die-angst-der-maenner-vor-weiblicher-sexualitaet-kolumne-a-1258544.html, 19.03.2019.

[52]  Im oben bereits zitierten Text, https://www.rt.com/op-ed/460228-anti-semitic-bds-israel-zizek/ (25.05.2019).

[53] Seyran Ates zum Gebet auf dem Tempelhofer Feld „Das sind muslimische Identitäre“, 12.08.2019, https://www.tagesspiegel.de/berlin/seyran-ates-zum-gebet-auf-dem-tempelhofer-feld-das-sind-muslimische-identitaere/24895706.html. Zum Islamismus siehe Clemens Heni (2011): Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, Berlin; Clemens Heni (2011a): Entry „Germany“ in World Almanac of Islamism, Washington, D.C., American Foreign Policy Council (ed.), auch online (letztes Update September 2018) auf http://almanac.afpc.org/Germany.

[54] Vgl. Heni 2007.

[55] Siehe das Kapitel „The Red-Green Axis“ in Wistrich 2010, S. 399–434.

[56] Heni 2011.

[57] http://clemensheni.net/wp-content/uploads/Gewerkschaftliche-Monatshefte-2002-Heni.pdf.

[58] Claus Leggewie (2016): Anti-Europäer. Breivik, Dugin, al-Suri & Co., Berlin, S. 9 f.

©ClemensHeni

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner