Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: verfassungswidrig

Helios-Kliniken in BaWü kaum belegt – Kretschmann dreht weiter durch

Von Dr. phil. Clemens Heni, 17. März 2021

Baden-Württemberg hat viele üble Politiker erlebt. Von Nazi Hans Filbinger in den 1960 und 1970er Jahren, über den deutsch-nationalen Deutschlandliedfanatiker Gerhard Mayer-Vorfelder und den turbokapitalistischen Lothar Späth hin zu katholischen Gemeinderäten wie Max Müller in Freiburg im Breisgau in den 1950er Jahren, nachdem später der Max-Müller-Steg benannt wurde. Müller war Mitglied im katholischen Bund Neudeutschland, Heidegger-Schüler und nach 1945 wie selbstverständlich Professor in München und Freiburg. Der beim Antisemiten Martin Heidegger promovierte Neudeutsche Max Müller (1906–1994) bringt 1933 im neudeutschen Leucht­turm[1] die freudige Bejahung der ‚Braunen Revolution‘ auf den Punkt:

Wir Neudeutsche Jugend bejahen den neuen Staat: a) als Überwindung des Parteienstaates (…) b) als die Überwindung des liberalen Staates (…), c) als eine Überwindung des parlamentarischen Staates (…), d) als eine Über­wind­ung des Klassenstaates (…) Das heißt aber, unser Reich ist ein hierarchisch aufgebauter Führerstaat mit einer ständischen Ordnung in weitestem Sinn, wie sie unser Hl. Vater in seiner Enzyklika ‚Quadragesimo anno‘ in Vorschlag bringt.[2]

 

1976 wurde nach Müller in Freiburg der Max-Müller-Steg benannt, 2010 wurde der Steg für 120.000 Euro renoviert. Bis heute hat sich in Freiburg niemand mit der antisemitischen und nationalsozialistischen Vergangenheit des Max-Müller-Stegs in Freiburg beschäftigt, obwohl die Stadt großspurig so tut, als wäre ihr die kritische Aufarbeitung des NS-Erbes wichtig.

Es gibt also sehr viele antidemokratische und sonst problematische Politiker nach 1945 in Baden-Württemberg.

Doch keiner hat das geschafft, was Kretschmann geschafft hat: Die Demokratie zu beschädigen, ja als Regierungschef so konsequent gegen die Verfassung aktiv zu sein. Laut Amtsgericht Ludwigsburg ist der § 3 der CoronaVerordnung des Landes Baden-Württemberg „verfassungswidrig“:

  1. § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 IfSG (in der Fassung bis zum 18. November 2020) ist keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die weitgehenden Eingriffe gemäß § 3 CoronaVO BW i.d.F. vom 9. Mai 2020, sodass § 3 CoronaVO BW schon aus diesem Grund verfassungswidrig ist.

Sprich: Mindestens von März bis November 2020 hat Kretschmann gegen die Verfassung verstoßen. Die dumpfen Schwaben haben ihn wiedergewählt.

Auch der Strafrichter am Landgericht Berlin, Pieter Schleiter, hat vor wenigen Tagen in einem Aufsehen erregenden langen Gespräch in der Tageszeitung Die Welt verdeutlicht:

Völlig klar – was wir erleben, ist verfassungswidrig.

Dabei ist diese Wahl von Kretschmann meines Erachtens (und damit stehe ich kaum alleine) auch ohne Corona-Irrsinn grotesk: Ein so alter Mann wie Kretschmann (Jg. 1948) hat in der Politik nichts zu suchen. Schon die letzte Wahl war absurd. Mit 65 Jahren sollten Politiker in Rente gehen oder in die Pension. Doch Kretschmann hat ja alle Pensionen geschlossen. (Dieser Witz war nicht lustig.) Was also will der alte Mann in der Politik? Das ist eine ernsthafte Frage, die auch Trump oder jetzt Biden betraf und betrifft. Das ist gerade nicht ageist, sondern demokratisch.

Warum kümmert sich auch jetzt Kretschmann nicht um seine krebskranke Frau (das wurde – so sind leider die medialen Zeiten – öffentlich bekannt) anstatt tagtäglich in die Arbeit zu fahren und Online-Konferenzen abzuhalten? Hat er ein so extremes Ego, dass er meint, seine brutale Politik dem Land nochmal vier Jahre zumuten zu müssen? Im Schwäbischen ist der Spruch „Sie kennen mich“ eine Drohung. Und exakt dieser Spruch war ein Wahlkampfslogan des katholisch-grünen Gurus der Schwaben.

In jedem Fall wird Kretschmann als der Politiker erinnert werden, der mithalf, die Demokratie zu zerstören.

Schauen Sie sich diese Zahlen an: In den Helios-Kliniken im Ländle, das sind von Süd nach Nord

  • Breisach
  • Müllheim
  • Titisee-Neustadt
  • Rottweil
  • Karlsruhe
  • Pforzheim
  • Erlenbach

liegen aktuell sage und schreibe geradezu läppische 11 (elf) Menschen mit Corona (oder einem positiven Test auf Corona, ohne daran erkrankt zu sein) auf der Intensivstation. 11 von 106 Intensivpatienten, zwei Kliniken haben null C-Patienten, drei jeweils einen. Jeder einzelne Fall ist tragisch und traurig – aber keine gesamtgesellschaftliche Katastrophe!

DAS soll ein Notstand sein? Ja, ein seit 1945 oder in der gesamten Geschichte der Menschheit nie dagewesener Notstand? Glauben Sie das wirklich? Können Sie mir in die Augen schauen und sagen, dass allein diese 11 Patienten in den ausgewählten Helios-Kliniken und die 16 Prozent freien Kapazitäten allein auf Intensivstationen in allen meldenden Kliniken in BaWü mitten in der Grippesaison es rechtferigen, 11 Millionen Menschen allein in Baden-Württemberg einzusperren, alle Theater, Restaurants, Bars, Sportveranstaltungen, Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstagsfeste und alles, wirklich alles andere zu verbieten, vom Fressen und privat Saufen mal abgesehen? Wer braucht schon Opern- oder Theateraufführungen und live Konzerte, wenn es doch kulturindustriell zurechtgeformte Netflix- oder Amazon-Serien gibt?

Wie gesagt, ganz nüchtern immer und immer wieder auf das Amtsgericht Ludwigsburg verweisen: die CoronaVerordnung allein bis Nov. 2020 war „verfassungswidrig“. Natürlich werden Politiker sagen, in ein paar Jahren – sagen wir 2027, wenn der vorletzte Lockdown beschlossen ist -, „man muss jetzt nach vorne schauen“. Aber täuschen Sie sich nicht: Diese Mega-Krise wird ein juristisches und politisches Nachspiel haben.

Es werden Menschen zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings nicht in Baden-Württemberg, wo selbst fanatische antisemitische Katholiken wie Max Müller mit einem Steg geehrt werden – zu Lebzeiten.

Wie wäre es mit einem „Winfried-Kretschmann-Boulevard“ in Stuttgart, anstatt der veralteten „Königstraße“, der Fußgängerzone und ehemaligen Einkaufsmeile in der Landeshauptstadt?

 

[1] Max Müller (1933c): Neudeutsche Jugend und neuer Staat, in: Leuchtturm, 27. Jg., Heft 6, September, S. 136–138.

[2]Ebd., S. 136.

 

 

Amtsgericht Ludwigsburg: CoronaVerordnung BaWü „verfassungswidrig“

Von Dr. phil. Clemens Heni, 10. März 2021

Das Wunderbare für einen Publizisten und Public Intellectual ist es, dass andere Menschen auf einen zukommen, man Informationen erhält, die man sonst nicht erhalten hätte, und somit ein Sich-gegenseitiges-Beflügeln entsteht. So auch hier. Ein Leser meines Blogs schickte mir ein Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg (AG Ludwigsburg, Urteil vom 29. Januar 2021 – 7 OWi 170 Js 112950/20), das Hoffnung gibt, dass dieses Land doch noch als Rechtsstaat funktioniert – jedenfalls teilweise und jedenfalls in diesem Fall im Ländle. Auch das Wissenschafts-Blog von Peter F. Mayer aus Österreich hat heute  bereits über den Fall berichtet. Dort ist das Urteil des Gerichts auch verlinkt.

In einem Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 29. Januar 2021 (rechtskräftig seit dem 9. Februar 2021) wird ein zentraler Teil der baden-württembergischen Corona-Verordnung als verfassungswidrig erklärt. Es handelt sich um ein geradezu sensationelles Urteil, das zeigt, wie verfassungsfeindlich die baden-württembergische Landesregierung unter Winfried Kretschmann (Grüne) und Thomas Strobl (CDU) agiert.

Am kommenden Sonntag will Kretschmann erneut die Landtagswahl in Baden-Württemberg gewinnen und Ministerpräsident bleiben. Ein Ministerpräsident, der gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstößt und das seit Monaten?

Im „Leitsatz“ des Urteils von Amtsrichterin Dr. Fabian heißt es:

1. § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 IfSG (in der Fassung bis zum 18. November 2020) ist keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die weitgehenden Eingriffe gemäß § 3 CoronaVO BW i.d.F. vom 9. Mai 2020, sodass § 3 CoronaVO BW schon aus diesem Grund verfassungswidrig ist.

Das Urteil spricht einen Mann frei, der die ‚Frechheit‘ besaß, am 20. Mai 2020 um 21 Uhr 10 mit zwei anderen Männern sich ohne ausreichenden „Abstand“ im öffentlichen Raum der Stadt Ludwigsburg aufzuhalten. Die Polizei war sofort zur Stelle und zeigte den Mann an bzw. stellte eine Ordnungswidrigkeit fest. Doch jetzt wurde er vollumfänglich freigesprochen.

Es heißt weiter im „Leitsatz“ des Urteils:

2. Wird das gesellschaftliche Leben in grundrechtssensibelsten Bereichen im Ganzen auf nicht vorhersehbare Dauer beschränkt, bedarf es des förmlichen Verfahrens parlamentarischer Gesetzgebung
(Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt).
3. Der Verordnungsgeber hat mit den Regelungen in § 3 CoronaVO BW den ihm zustehenden exekutiven Gestaltungsspielraum überschritten.

Was stand in § 3 Corona VO BW vom 09.05.2020?

§ 3 Einschränkungen des Aufenthalts im öffentlichen Raum und von Ansammlungen,
Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen

Abs. 1: Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist bis zum 5. Juni 2020 nur alleine oder im Kreis der Angehörigen des eigenen sowie eines weiteren Haushalts gestattet. Zu anderen Personen ist im öffentlichen Raum, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 11 – von 1,5 Metern einzuhalten. Personen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr müssen zum Schutz anderer Personen vor einer Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus

1. im öffentlichen Personenverkehr, an Bahn- und Bussteigen sowie in Flughafengebäuden und
2. in den Verkaufsräumen von Ladengeschäften und allgemein in Einkaufszentren eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung tragen, wenn dies nicht aus medizinischen Gründen oder aus sonstigen zwingenden Gründen unzumutbar ist oder wenn nicht ein anderweitiger mindestens
gleichwertiger baulicher Schutz besteht.

Die baden-württembergische Landesregierung bzw. der „Verordnungsgeber“ hat nun laut dem Amtsgericht Ludwigsburg „mit den Regelungen in § 3 CoronaVO BW den ihm zustehenden exekutiven Gestaltungsspielraum überschritten.“

Und Menschen, die den ihnen „zustehenden exekutiven Gestaltungsspielraum überschritten“ haben, sollen weiter als seriöse Politiker betrachtet werden? Ernsthaft? Solche Menschen sollen wir, die Bürgerinnen und Bürger, wieder wählen am kommenden Sonntag, den 14. März 2021? Geht’s noch?

Wer hingegen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, ist das Amtsgericht Ludwigsburg, wenn es urteilt:

Der Betroffene war bereits aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da § 3 CoronaVO BW in der Fassung vom 9.5.20 verfassungswidrig und damit nichtig ist.
1. Das Gericht hat über die Verfassungsmäßigkeit der Norm vorliegend selbst zu entscheiden.
Vorlagefähig gem. Art. 100 GG sind nur deutsche förmliche Gesetze, d.h. Parlamentsgesetze des Bundes und der Länder einschließlich der Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen (zu letzterem BVerfGE 95, 39 (44)). Da es sich bei der CoronaVO als Rechtsverordnung um rein materielles Recht handelt, hat der Richter über deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht selbst zu entscheiden.

Man stellt sich also die Frage, wie dieses Land – exakt solche Corona-Verordnungen gibt es ja bis heute in jedem der 16 Bundesländer – regiert wird: Mit verfassungswidrigen Verordnungen! Wie wir alle wissen, kennen Politiker*innen kein Schamgefühl, das gilt auch für Kretschmann und Strobl. Hätten beide Anstand oder ausreichend Schamgefühl, würden sie nach so einem Urteil zurücktreten und den Wahlkampf beenden.

Nochmal das Amtsgericht Ludwigsburg:

1. § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 IfSG (in der Fassung bis zum 18. November 2020) ist keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die weitgehenden Eingriffe gemäß § 3 CoronaVO BW i.d.F.
vom 9. Mai 2020, sodass § 3 CoronaVO BW schon aus diesem Grund verfassungswidrig ist.
2. Wird das gesellschaftliche Leben in grundrechtssensibelsten Bereichen im Ganzen auf nicht vorhersehbare Dauer beschränkt, bedarf es des förmlichen Verfahrens parlamentarischer Gesetzgebung
(Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt).
3. Der Verordnungsgeber hat mit den Regelungen in § 3 CoronaVO BW den ihm zustehenden exekutiven Gestaltungsspielraum überschritten.

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