Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Schlagwort: Yad Vashem

Antisemitismus im Jahr 2022: Vier Beispiele (Teil 3)

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Der folgende Text ist Teil 3 eines Working Paper des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) zum Thema Antisemitismus im Jahr 2022: Vier Beispiele.

3. Antizionistischer Antisemitismus

Dieses Working Paper des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) untersucht vier aktuelle Beispiele von Antisemitismus, genauer gesagt sind es vier unterschiedliche Kategorien: Sekundärer Antisemitismus und Universalisierung („Ukraine“, „Zivilisationsbruch“…), Sekundärer Antisemitismus und Derealisierung („Heidegger, Auschwitz, motorisierte Ernährungsindustrie“), Antizionismus und viertens Antijudaismus. Mehrere dieser Kategorien sind aber miteinander verwoben, es handelt sich um einen „Komplex Antisemitismus“.

In diesem Teil drei geht es um Antizionismus, der aber in die aktuelle politische Situation eingebettet wird. Die ausführlichere Analyse der Coronapolitik in Teil 1 und 2 wird hier kursorisch fortgeschrieben, da die moralische Überheblichkeit vieler irrationalen Verfechter*innen der Corona-Maßnahmen, die jedwede substantielle Kritik am Corona-Regime als mehr oder weniger antisemitisch diffamieren, so weit verbreitet ist, gerade unter den Jüngeren und an Universitäten, dass selbst die wichtige Kritik am Antizionismus darunter leidet. Es ist jedoch kein gänzlich neues Phänomen, dass sich Menschen gegen die eine Form von Unterdrückung oder Herrschaft wenden, aber zu anderen Formen schweigen. So ist eine bürgerliche Kritik am Antisemitismus häufig verkürzt, wenn sie nicht typische Abspaltungsprozesse in den Blick nimmt wie die Lobpreisung ‚konkreter Arbeit‘ und die Ablehnung virtueller Prozesse wie Geld, Börse, Spekulation. Als ob das eine von dem anderen zu trennen wäre. Hingegen hat die linke Kritik am Kapitalismus seit langer Zeit keinen Blick für die antisemitischen Tendenzen ihrer Ablehnung der Geldwirtschaft, was bis auf Marx zurückgeht, der allerdings seine eigene verkürzte Kapitalismusmuskritik in späteren Jahren zurücknahm.

Viele wollen aktuell die Panik bezüglich der Ukraine noch weiter aufrechterhalten oder gar massiv erhöhen. Dabei hat die russische Kriegspartei sich bereits aus der gesamten Region Kiew zurückgezogen und befindet sich nur noch im ohnehin seit acht Jahren im Krieg befindlichen Donbass sowie den südlichen Regionen bis hin zur Krim, die sich seit Jahren eindeutig pro-russisch positioniert hat. Die deutsche Bundesregierung möchte offenbar Russland als Teil Europas beerdigen, sich von Russland ökonomisch, kulturell, sozial vollständig abkoppeln. Dieser Rassismus ist ein ungeheuerlicher Vorgang und wird nicht ohne Konsequenzen für die BRD bleiben. Dabei gibt es seit Jahren viel not-wendige Kritik am Putinismus, an den autoritären Tendenzen in Russland, doch es gab auch bis Anfang 2022 scharfe Kritik an der Oligarchenherrschaft, der Korruption und den Neonazi-Banden in der Ukraine.

Wir leben in der politisch gefährlichsten Zeit seit 1945. Ein Atomkrieg zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen ist im Bereich des Möglichen. Damit auch die Selbstauslöschung der ganzen Menschheit. Auch die USA sollten sich gewahr sein, dass Russland Hunderte, ja Tausende Atom-Raketen hat, die auch das Festland der USA treffen und alles Leben auslöschen können. Die Provokationen der USA und des Westens mit NATO-Manövern in der Ukraine vor allem seit 2014 sind ein zentraler Faktor im aktuellen völkerrechtswidrigen Krieg Russlands und dieser Gefahr eines alles Leben vernichtenden Atomkriegs.

Dazu kommen ungeheuerliche antisemitische Äußerungen. Zuerst verglich der ukrainische Präsident Selenskyi in einer Ansprache an das israelische Parlament, der Knesset, den Angriff Russlands mit dem Holocaust, ja das Datum des Einmarsches der Russen in der Ukraine, 24. Februar, mit der Gründung der NSDAP. Das ist hochgradig verschwörungswahnsinnig – als ob Putin dieses Datum gewählt habe, um eine Kontinuität zu den Nazis herzustellen! – und antisemitisch.[21] Die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem hat auch umgehend Selenskyi der Trivialisierung des Holocaust beschuldigt. Einige Wochen später fantasiert, deliriert und hetzt der russische Außenminister Lawrow, dass Hitler „jüdisches Blut“ in sich gehabt habe und „Juden seien selbst die größten Antisemiten“. Dieser Antisemitismus des russischen Außenministers ist genauso wahnhaft wie die Fantasien von Selenskyi. [Update: für diesen Antisemitismus hat sich Putin persönlich bei Bennett entschuldigt, Times of Israel, 05. Mai 2022]

Es läuft ein Wettbewerb des Sich-Hochschaukelns mit den absurdesten Vorwürfen, wozu ja auch wie in Teil 1 dieses Working Paper gezeigt die in Deutschland von führenden Politikern benutzte Rede vom „Zivilisationsbruch“ gehört.

Olaf Scholz hat nach seinem Scheitern mit der irrationalen und demokratiefeindlichen Impfpflicht jetzt noch deutlicher als Politiker versagt, indem er als Reaktion auf die Aggression Russlands die Bundeswehr in nie dagewesener Weise aufrüstet – 100 Milliarden Sondervermögen, jährlich mehr Geld für das Kriegsministerium („Verteidigungsministerium“). Jetzt liefert er sogar schwere Waffen an die Ukraine und – das ist noch heftiger – bildet ukrainische Soldaten (vielleicht auch Neonazis der Asow-Bataillone) in Deutschland an diesen schweren Waffen aus, was laut des wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag juristisch einem Kriegseintritt gleichkommt.

Waffenstillstand statt Waffenlieferung – das ist die Parole der Stunde, auch wenn für Argumente nicht mehr zugängliche Agitatoren wie Scholz, von den noch viel brutaleren HetzerInnen wie von der FDP, den Grünen und der CDU/CSU ganz zu schweigen, das zu old-school diplomatisch und reflektiert, weitblickend ist. Mehr Waffen haben seit 1945 noch nirgendwo zu weniger Krieg geführt. Mehr Waffen führen zu mehr Toten, hier: in der Ukraine.

 

Der gegen Israel gerichtete Antisemitismus, der antizionistische Antisemitismus, ist der sichtbarste Ausdruck von Judenfeindschaft. Bevor wir näher auf aktuelle Fälle in Berlin und den USA eingehen, muss das Thema Corona noch einmal kurz gestreift werden.

Die 2015 gegründete und vom Berliner Senat und anderen Einrichtungen wie der Amadeu Antonio Stiftung finanzierte „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)“ schreibt Ende Januar 2022 in einem Bericht über „Antisemitische Vorfälle und Erscheinungsformen im Kontext der aktuellen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland“ Folgendes:

Der aktuell unvermindert starke Zulauf bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen geht mit einer vermehrten Sichtbarkeit von antisemitischen Inhalten auf diesen Versammlungen einher. Als Reaktion auf die angekündigte Impfpflicht und die Einführung der 2G- und 3G-Regeln häufen sich die Analogien zur Schoa und insbesondere zur antisemitischen Markierungspraxis im Nationalsozialismus.

Was hier auffällt ist ein ungeheuerliche Bias, eine Vorurteilsstruktur gegen jedwede Kritik an den „Corona-Maßnahmen“. Es gibt in der Tat vielfältige antisemitische Verharmlosungen des Holocaust und des Nationalsozialismus, wenn Menschen sich Armbinden mit einem Judenstern und dem Wort „Jude“ oder „ungeimpft“ darin umbinden, wenn sie Plakate tragen, auf denen Kontaktverbote als „sozialer Holocaust“ bezeichnet werden, wenn „Rothschilds“, „Soros“ und „Bill Gates“ als eine Art Verschwörergruppe imaginiert werden, wenn die antisemitische Verschwörungsideologie von QAnon intoniert oder wenn Israel beschuldigt wird – wie von Neonazis in den USA oder vom Iran oder arabischen Antisemiten – an Corona schuld zu sein. Das alles gibt es und das ist sehr gefährlich und problematisch. Es ist ebenso sehr gefährlich, wenn organisierte Rechtsextremisten in einigen Fällen bei der Organisation der „Montagsspaziergänge“ zur Kritik der Coronapolitik federführend aktiv waren wie die Gruppe „Patriotic Opposition Europe“ in Berlin-Mitte, wie die NZZ berichtete.

Es ist erstmal faktisch falsch, wenn RIAS behauptet, ab dem „13. Dezember 2021“ hätte es solche Montagsspaziergänge gegeben, schon am 22. November 2021 berichtete die Presse von einem solchen gegen die Coronapolitik gerichteten Montagsspaziergang in der sächsischen Stadt Freiberg.

Diese harmlose Ungenauigkeit mag aber Ausdruck einer Ignoranz gegenüber dieser sozialen Bewegung sein, die nur aus Gründen der Abwehr überhaupt in den Fokus von RIAS gerät. Es ist ebenso faktenfrei, wenn RIAS behauptet, es würde nur eine „breite bundesweite Mobilisierung zu suggerieren“ (Herv. CH) versucht von den Protagonist*innen der Coronapolitik kritischen Montagsspaziergängen. Bei bis zu 1500 oder mehr zeitgleich an Montagen stattfindenden Demonstrationen bzw. Montagsspaziergängen bundesweit und bis zu 300.000 Teilnehmer*innen – wöchentlich! – muss man schon empirisch, faktenbasiert von einer tatsächlichen Massenmobilisierung sprechen. Vermutlich waren die Montagsspaziergänge zur Kritik der Coronapolitik die größte soziale Bewegung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das wird die sozialwissenschaftliche Protest- und Bewegungsforschung weiter erforschen.

Und es ist ganz sicher nicht übertrieben, wenn man sagt, dass eine einzige Demonstration von einigen Hundert BDS-Anhänger*innen in Berlin eine weit größere Gefahr für Juden darstellt, als diese im Winter 2021/22 bis zu 1500 oder mehr gleichzeitig am Abend stattfindenden Montagsdemonstrationen (allein in Baden-Württemberg, dem bundesweiten Spitzenreiter, waren es mitunter knapp 300 Demonstrationen bzw. Spaziergänge), die nicht in aggressiven Sprechchören „Palestine from the river to the sea“ brüllten.

Es gab es in der der Bundesrepublik noch nicht, dass gleichzeitig zum selben Thema 1500 Demonstrationen stattfanden, und das ohne zentrale Organisation, mit einem breiten Spektrum an Teilnehmenden. Darunter waren sicher auch üble Personen, Antisemiten oder Rechte, Sexisten, SUV-Fahrer*innen etc. pp., aber ob z.B. Rechte mehr als zwei, fünf oder 10 Prozent ausmachten, wurde bislang noch nicht erforscht.

Viele der Spaziergänge hatten keine Parolen, keine Fahnen oder Plakate, mitunter Trillerpfeifen und Musik. Wer schaute früher bei linken Demonstrationen, wer für Mao ist? Dabei war Mao ein größerer Verbrecher als heutige Coronapolitik-Kritiker*innen. Holocaustleugner und Nazis müssen von jeder Demonstration ausgeschlossen werden. Doch unter diesem strafrechtlich relevanten Bereich gibt es eine Vielzahl von Positionen, die man höchst abstoßend finden kann und politisch bekämpfen sollte, aber tolerieren muss, wenn man in einer Demokratie leben will und nicht einem totalitären Staat wie in ZeroCovid-China.

Damit wird der von einigen Coronapolitik kritischen Demonstrant*innen vertretene strukturelle, erinnerungsabwehrende oder auf Verschwörungsmythen basierende Antisemitismus nicht weniger schlimm – aber man muss wissenschaftlich ganz genau differenzieren und kann nicht wie RIAS wenigstens vom Duktus her so tun, als ob so gut wie jede Kritik an den Coronamaßnahmen irgendwie mit Antisemitismus in Verbindung stünde. Das ist schlicht falsch und schadet dem so wichtigen Kampf gegen den Antisemitismus.

Es ist ebenso problematisch, wenn RIAS ohne jeden analytischen Bezug zur wissenschaftlichen Kritik an der irrationalen Coronapolitik von Merkel oder Scholz, Spahn oder Lauterbach einen eindeutigen Konnex von „Protesten gegen die Corona-Maßnahmen“ und einer angeblichen oder tatsächlichen Häufung von Antisemitismus herzustellen.

RIAS konzediert zwar der Form halber, dass die Coronapolitik-Kritiker*innen-Szene irgendwie „divers“ sei, aber von der Wissenschaftsfeindlichkeit von RIAS, das hier wie auch sonst primär seinen Unterstützern wie dem Berliner Senat Folge zu leisten scheint, wird nicht gesprochen. Denn folgender Satz von RIAS widerspricht der virologischen und epidemiologischen internationalen Forschung bzw. möchte mit dem Wörtchen „konsequenter“ offenkundig andeuten, dass die „2G- und 3G-Regel“ exakt richtig gewesen wären:

Ab Anfang Dezember 2021 wurden die Auflagen für Versammlungen aufgrund der hohen Inzidenz regional verschärft und die 2G- und 3G-Regel konsequenter umgesetzt.

Am 19. November 2021 publizierte ein großes Forschungsteam der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und dem amerikanischen Justizministerium eine Studie, die empirisch zeigt, dass gegen SARS-CoV-2 geimpfte Personen exakt so lange und intensiv ansteckend sein können wie nicht geimpfte Personen. Ich habe darüber am 9. Dezember 2021 berichtet. Das macht jede Unterscheidung von geimpft versus ungeimpft zu einem antidemokratischen, medizinischen Willkürakt. Und im Gegensatz zu den Vorstellungen von RIAS ist ein Großteil der Demonstrant*innen gegen die Coronapolitik wissenschaftlich ziemlich gut informiert, jedenfalls besser als der überwiegende Teil der Gesellschaft, der sich mit solchen Studien oder der internationalen Forschung kaum beschäftigt und nur die der Regierung hörigen – so muss man das leider sagen – Mainstreammedien konsumieren. Dass wiederum nicht wenige Teilnehmende an der Coronapolitik-Kritik so wie viele andere Deutsche Verschwörungsmythen zum Beispiel zum 11. September 2001, der ein „inside job“ gewesen sein soll, anhängen, ist dramatisch und ob da noch Aufklärung hilft, über 20 Jahre nachdem wir die Fakten kennen, ist unwahrscheinlich. Doch das betrifft auch sehr viele ganz normale Coronapolitik-Anhänger*innen.

Dass die „2G“-Regel tatsächlich eine Apartheid bedeutet, das wird soweit ich sehe, von RIAS und seinem Leiter in Berlin Benjamin Steinitz nicht einmal diskutiert, sondern jede Kritik von vornherein – a priori – tendenziell ins antisemitische Lager gepackt oder eingerahmt, also geframt, wie das neudeutsch heißt.

Es wäre seriös und wissenschaftlich gewesen, wenn RIAS zum Beispiel sinngemäß geschrieben hätte, dass die 2G- und 3G-Regeln epidemiologisch, demokratietheoretisch und auch virologisch gar keinen Sinn machen und bloße Willkür sind. RIAS hätte auch dazu sagen können, dass Politiker mitunter ganz ehrlich waren im Herbst 2021 und betonten, dass es epidemiologisch völlig sinnlos ist, 2G oder 3G einzuführen, aber die Menschen zum Impfen gedrängt werden sollen, was dann durch eine Impfpflicht in Deutschland mit nie dagewesenem Zwang verbunden gewesen wäre. Nun ist vor wenigen Wochen die Impfpflicht krachend im Deutschen Bundestag gescheitert.

Soweit ich sehe, ging RIAS auch mit keinem Wort auf die Israelfahnen ein, die auf einer der bekanntesten Anti-Coronapolitik-Demonstrationen geschwungen wurden, und zwar am 20. März 2021 in Kassel.

Wie antisemitisch ist eine politische Szene, die Israelfahnen mit sich führt? Bei allen Widersprüchen und allen klar erkennbaren antisemitischen und Holocaust verharmlosenden Tendenzen im Lager der Coronapolitik-Kritik muss doch eine Dokumentationsstelle Antisemitismus wie RIAS hellhörig werden, wenn da immer wieder positive Bezüge zu Israel auftauchen, was bei BDS-Demonstrationen oder islamistischen und muslimischen Anti-Israel-Aktionen niemals passieren würde, genausowenig wie bei Neonazi-Demonstrationen. Selbst bei den Anti-Coronapolitik-Demos in Berlin im August 2020, wo nachweislich Rechtsextremisten mit dabei waren, flatterten mitunter, man konnte das in Livestreams am Computer verfolgen, Reichskriegsflaggen unweit von einer Israelfahne, die offenkundig erstere überdecken wollte, wobei die größte Fahne auf einer dieser Großdemonstrationen eine riesige Deutschlandfahne war, was ja zeigt, wie deutschnational die ganze Szene ist – aber eben in Teilen auch klar pro-israelisch.

RIAS versagt auch insofern, als man in seinen Berichten nicht entdecken kann, dass die Befürchtung vieler Kritiker*innen seit 2020, es würde auf eine Impfpflicht hinauslaufen, was von Merkel bis Scholz, Lindner und Habeck bis September 2021 geleugnet wurde – Bundestagswahl! – richtig war. Ja, das war offenkundig keine Verschwörungsideologie, sondern entsprach den Tatsachen. Das ist noch viel interessanter und demokratietheoretisch von höchster Bedeutung zu eruieren, warum gerade in den Ex-Nazi- bzw. ehemals faschistischen Staaten Deutschland, Österreich und in Teilen in Italien (nicht aber z.B. in Spanien, Rumänien, Griechenland oder Argentinien, auch ehemals faschistische Länder bzw. Ex-Militärdiktaturen) eine Impfpflichtdebatte geführt und eine Impfpflicht in Teilen eingeführt (und in Österreich aktuell wieder ausgesetzt) wurde. Warum in diesen drei Ländern und sonst weltweit so gut wie nirgends? Was sagt das über die politische Kultur des Autoritarismus, der Willkür oder der Bedeutung von staatlichem Zwang aus? Selbst in Israel gab es keine wirkliche Debatte über eine Impfpflicht, obwohl unter Netanyahu und später unter Bennett eine sehr aggressive Coronapolitik – unter anderem mit Maskenzwang im Freien! – exekutiert wurde.

Diese Befürchtung nach dem Ruf einer Impfpflicht in Deutschland hatte sich seit November 2021 bewahrheitet, plötzlich waren Scholz, Habeck und Lindner für die Impfpflicht. Exakt das Gleiche war schon ganz zu Beginn der Pandemie passiert, als Mitte März 2020 der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn es als Fake News diffamierte, dass einige Leute befürchteten, dass gravierende „Maßnahmen“ zur Einschränkung des Lebens angesichts von Corona bevorstünden. Wenige Stunden bzw. Tage später wurde der erste Lockdown beschlossen. Wer Fake News, also Unwahrheiten verbreitet hatte, waren Spahn und die Bundesregierung.

Ich habe mich zum Beispiel in einem Working Paper des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) im Januar 2021 ausführlich mit antisemitischen Tendenzen in der Coronapolitik-Kritiker*innen beschäftigt und diese Kritik in Dutzenden Texten ergänzt und untermauert – „Antisemitismus im Zeitalter von Corona“.

Aber das war eben immer eingebettet in eine wissenschaftliche Analyse der Fehler der Coronapolitik und des Irrationalismus sowie der Willkürlichkeit und verfassungsmäßigen Fragwürdigkeit der Coronapolitik der Bundesregierung und der 16 Landesregierungen.

Es ist dramatisch, dass gerade Antisemitismusforscher*innen weltweit die antidemokratische, unwissenschaftliche, irrationale, medizinisch nicht evidenzbasierte, juristisch häufig verfassungsfeindliche, rein auf die Exekutive und nicht auf Diskussion und Kompromiss basierende Coronapolitik nicht nur durchgewunken haben, sondern sogar Kritiker*innen fast komplett in die Kategorie „rechts“, „Verschwörungsideologe“ oder „Schwurbler“ gesteckt haben. Es wirkt selbstbeweihräuchernd und eben unwissenschaftlich, wenn nicht zuletzt Nachwuchsforscher*innen immer nur von der Gefahr der Querdenken-Bewegung sprechen ohne auch nur einmal ein Referat über den Irrationalismus von Merkel, Scholz, Spahn oder Lauterbach zu halten oder wenigstens juristisch die Unhaltbarkeit einer Unzahl von Maßnahmen zu thematisieren. Wer vom Irrationalismus, der Unwissenschaftlichkeit und der Impf-Apartheid wie von 2G nicht reden will, soll vom Rechtsextremismus von Teilen der Coronapolitik-Kritik schweigen.[22]

Schauen wir uns nun den antizionistischen Antisemitismus, der im Vergleich zu den Anti-Coronapolitik-Demonstrationen ein viel höheres Gewaltpotential hat, etwas näher an. Die problematische Position der Leitung des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, von Stefanie Schüler-Springorum und vielen ihrer Kolleg*innen im Bereich Jüdische Studien, Geschichte und Sozialwissenschaften, bezüglich Israel und der BDS-Bewegung habe ich im Januar 2021 in einem Working Paper näher untersucht („Initiative GG 5.3 Weltoffenheit„). Schon damals ging es wie auch wenig später in der „Jerusalem Decoaration“ um eine Verharmlosung der antisemitischen Parole „Palestine from the River to the Sea“.[23]

Am Samstag, den 23. April 2022 gab es eine Demonstration gegen Israel in Berlin-Neukölln. Angesichts von mörderischen Anschlägen in Israel durch Palästinenser, von Polizei- und Militäreinsätzen auf dem Tempelberg, in den palästinensischen Gebieten und in Israel, demonstrierten ca. 500 Personen gegen Israel – und gegen Juden. Dabei wurden antisemitische Parolen geschriene wie „dreckiger Jude“, „Kindermörder Israel“, „Frauenmörder Israel“.

Organisiert worden war die Hetzveranstaltung von einer Gruppe mit dem Namen „Palästina spricht“. Schockierend war auch das Verhalten der Polizei, für das der Berliner Senat verantwortlich ist, der aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2021 es ermöglicht, dass willkürlich Pressevertreter*innen von Demonstrationen ausgeschlossen werden können:

Journalisten-Gewerkschafter Jörg Reichel von der Deutschen Journalisten-Union hat das Geschehen beobachtet. Er schildert WELT den Vorfall so: Der Veranstalter und Teilnehmer hätten die Pressevertreter auf unterschiedliche Weise als „zionistische, rassistische, jüdische Presse“ markiert. Dann seien Ordner gekommen und hätten gedrückt und geschoben. „Teilnehmer haben aus diesem Pulk heraus zugeschlagen. Dann wurde die Polizei vom Veranstalter zugezogen und ein Ausschluss gefordert.“ Im Vorgehen der Polizei sieht Reichel eine „presserechtliche Katastrophe“.

(Die Welt, 26.04.2022, S. 6)

Auf der „Revolutionären 1. Mai“-Demonstration der linksradikalen Szene Berlin liefen am 1. Mai 2022 auch viele BDS-Anhänger*innen und Palästinenser*innen mit Fahnen mit. Wie am 22.4. wurde auch da wieder „Palestine from the river to the sea“ geschrien, also die Auslöschung des jüdischen Staates Israel gefordert.

Der antizionistische, auf Israel bezogene Antisemitismus spricht Juden das Recht ab, in einem eigenen Staat zu leben. Dabei ist Israel bereits ein sehr multikultureller Staat mit ca. 20 Prozent Arabern – welche europäische Demokratie würde eine so riesige nationale Minderheit ertragen, ohne zu einem antidemokratischen Regime zu mutieren (einmal abgesehen davon, dass ganz Europa bis auf Schweden während der Corona-Krise nicht mehr rechtsstaatlich und demokratisch war, sondern irrational, antidemokratisch und nur auf die Exekutive sowie ein einziges Virus fokussiert, ohne gesundheitliche Schäden, massive, für die ganze Bevölkerung durch Lockdown, Quarantäne, Masken usw. zu berücksichtigen, von den „Kollateraltoten“ im Globalen Süden nicht zu schweigen, die nach Millionen zählen).

Also: Israel ist ein jüdischer und demokratischer Staat. Das heißt nicht, und da ist die Pro-Israel-Szene zumal in Deutschland und Österreich häufig blind, dass Israel nicht auch Fehler macht. Es gibt Rassismus gegen Araber, Muslime und Palästinenser in Israel bzw. den palästinensischen Gebieten. Es gibt auch gezielte Provokationen von jüdischen Extremisten, die z.B. den Tempelberg zum Beten nutzen wollen, was eben nun mal für Muslime eine extreme Provokation darstellt. Daher hat auch jüngst der stellvertretende Ministerpräsident und Außenminister Lapid betont, dass es keinerlei Erlaubnis geben wird für nicht-muslimische Menschen, auf dem Tempelberg zu beten. Die Räumung bzw. Enteignung von palästinensischen Wohngebieten ist ebenso heftig umstritten. Es gibt in Israel viele zionistische Stimmen, die sich gegen den Nationalismus Israels wenden und die weiterhin eine Zweistaatenlösung anstreben.

Antisemiten, die so wie in Berlin krakeelen und Juden bedrohen, Journalist*innen angreifen und ausschließen von der Berichterstattung, die sind völlig verloren für eine rationale Diskussion. Da muss man mit aller Härte durchgreifen und antisemitische Gewalttäter zur Rechenschaft ziehen.

Das heißt aber nicht, dass man politisch die Situation in Israel näher betrachten muss. Darauf weist die Politologin an der Hebräischen Universität, Stadträtin in Jerusalem seit vielen Jahren für die linke Partei Meretz und Publizistin Dr. Laura Wharton hin. In einem Text vom 19. Februar 2022 erläutert sie die Situation in Jerusalem und vor allem in Ost-Jerusalem. Die Enteignungen, die dort im Viertel Sheik Jarrah stattfinden, hält sie für höchst problematisch. Jüdische Siedler und andere melden plötzlich Anspruch auf Eigentum an, weil sie 1948 im Krieg vertrieben worden seien. Wharton betont, dass dies doch genauso andersherum passieren könne, Palästinenser, die aus West-Jerusalem oder jedem anderen heutigen Ort in Israel vertrieben wurden. So wie Israel zu Recht gegen jedes Recht auf Rückkehr sich ausspricht, weil dies das Ende des jüdischen Staates bedeutete, so sollten auch jüdische Israelis solche Enteignungen von Palästinensern in Ost-Jerusalem sofort stoppen. Dabei ist es ohnehin zynisch, da die jüdischen Ex-Eigentümer dieser Häuser oder Wohnungen bereits vor Jahrzehnten entschädigt wurden, wie Wharton betont:

1. Many of the Palestinians now living in East Jerusalem were refugees in 1948 from what is today Israel proper. They were settled in their current homes by the Jordanian government and the U.N., in return for which they waived their rights as refugees. To evict them would make them refugees twice over, an unthinkable prospect from a humanitarian perspective.

2. Jewish families who lived in parts of Jerusalem that were taken over by Jordan in 1948 were compensated and given abandoned property by the Israeli government. This offering them title to the property they left constitutes double compensation, as Adv. Michael Ben-Yair (ex-Attorney General), who was born in Sheikh Jarrah, explains in his eponymous book on the subject.

Es ist also eine Sache, sich gegen den rabiaten, handgreiflichen und zu Gewalt anstachelnden Antisemitismus wie letzten Samstag in Berlin zu wenden. Es ist eine komplementäre Sache, sich konkret mit der Situation in Israel im Sinne des Projekts Zionismus und jüdischer und demokratischer Staat Israel sich mit dem Rassismus gegen Araber und Palästinenser sowie der rechtsextremen Siedlerpolitik kritisch zu befassen.

Wie weit verbreitet mittlerweile die BDS-Bewegung ist, zeigt ein sehr besorgniserregendes Beispiel aus den USA, das uns auch gleich zurückführt auf Jerusalem und den Stadtteil „Sheikh Jarrah“. Am 29. April 2022 publizierte die Redaktion der ältesten kontinuierlich erscheinenden Studentenzeitung in den USA, The Harvard Crimson von der Eliteuniversität der Ivy League Harvard, ein Editorial, das sich hinter die antisemitische BDS-Bewegung stellt:

 

In dem Artikel beziehen sie sich unter anderem auf den ehemaligen CNN Kommentator Marc Lamont Hill, der den sowohl islamistischen wie säkular-antisemitischen Slogan „From the River to the Sea“ für den arabisch-israelischen Konflikt benutzt.

Der Harvard Crimson ist eine sehr einflussreiche Studierendenzeitung und hat fast 90 Mitglieder in der Redaktion, wozu auch eine eigene Druckerei gehört. Viele einflussreiche Politiker*innen und Prominente waren früher als Studierende Teil von Crimson. Die Texte des Herausgebergremiums bzw. der Redaktion (Editorial Board) werden mit Mehrheitsbeschluss gefasst. Bislang hatte sich Crimson gegen die BDS-Bewegung ausgesprochen. Solche Elitestudierenden wie in Harvard, wo 2021 nur 3,4 Prozent der Bewerber*innen als Student*in aufgenommen wurden, haben ein scharfes Sendungsbewusstsein, wer in Harvard, Yale oder Columbia etc. war, wird eine wichtige gesellschaftliche Position bekommen. Das ist also ein sehr schlechtes Zeichen, wenn jetzt so ein studentisches Gremium von 18-25-jährigen Studierenden so eine antisemitische Bewegung wie BDS gutheißt.

Der Direktor der Anti-Defamation League (ADL) Jonathan Greenblatt ist sichtlich angewidert von der Pro-BDS-Positionierung der jungen Harvard-Studierenden von Crimson, wie der Algemeiner berichtet:

Responding to the editorial on Twitter, Anti-Defamation League (ADL) CEO Jonathan Greenblatt called it “beyond disturbing.”

“Contrary to its claims, endorsing BDS does nothing to help Palestinians & only serves to delegitimize Israel’s existence, and isolate & intimidate the Jewish community, especially on campus,” he wrote. “Before publishing blanket statements on such complex and important issues, the Crimson editors should check their own blind spots in this matter and ask why they deem it necessary to expressly single out the state of Israel.”

“Just imagine if the Crimson would have instead promoted engagement and dialogue, and sponsored efforts on campus & beyond to build foundations for a future of self-determination, security and peace for both Israelis and Palestinians,” Greenblatt continued.

Wie stark gegen Israel sich die jungen Studentinnen und Studenten in Amerika, hier in Harvard, wenden, zeigte bereits ein Artikel von Oktober 2021, der den palästinensischen Aktivisten und Publizisten Mohammed El-Kurd vorstellte. El-Kurd kommt aus Jerusalem und Sheikh Jarrah, hat 250.000 Follower auf Twitter, wurde 2021 Palästina-Korrespondent der Zeitschrift The Nation, die Times wählte ihn und seine Zwillingsschwester zu zwei der einflussreichsten Personen des Jahres 2021. Was macht ihn so außergewöhnlich und erfolgreich mit 23 Jahren? Seine Familie wohnt in einem Haus, das zu den umstrittenen Gebäuden und Grundstücken in Sheikh Jarrah gehört. Über den Fall wurde ein Film gedreht. El-Kurd hat 2021 ein Buch publiziert, Rifqa, worin er wie selbstverständlich die jahrhundertealte antisemitische Blutbeschuldigung aufgreift und zitiert:

In 2009, Swedish photojournalist Donald Boström published an essay titled “Our Sons Are Being Plundered for Their Organs,” in which he exposed the decades-long Israeli practice of returning the bodies of young Palestinian men to their families with organs missing.[24]

Organhandel ist weltweit ein sehr lukratives Geschäft. Auch in Deutschland gab es Organhandelskandale, wie in vielen Ländern, auch in Israel. Was hier aber bei Boström vorliegt, ist eine klassische antisemitische Blutbeschuldigung. Es wird in einem Text von Boström in der größten schwedischen Tageszeitung Aftonbladet behauptet, dass die israelische Armee IDF absichtlich Organe von Palästinensern verwenden würde. Dafür hatte er keinerlei Beweise, wie er im israelischen Radio selbst zugab. Es gab in Schweden allerdings wie auch in Israel und weltweit einen Aufschrei, dass so eine antisemitische Verschwörungsideologie und Blutbeschuldigung in einer großen und als seriös betrachteten Tageszeitung in Schweden publiziert wurde. Eine andere große schwedische Zeitung kritisierte Aftonbladet scharf:

Writing in rival newspaper Sydsvenskan, Mats Skogkär attacks Aftonbladet’s decision. In an Op-Ed piece called Antisemitbladet, he gets to the heart of the issue:

Whispers in the dark. Anonymous sources. Rumors. That is all it takes. After all we all know what they are like, don’t we: inhuman, hardened. Capable of anything. Now all that remains is the defense, equally predictable: ‘Anti-Semitism’ No, no, just criticism of Israel.

El-Kurd tweetet besonders vulgär, sexistisch, antisemitisch und aggressiv,

er trat im Frühjahr 2022 auf der Israeli Apartheid Week in den USA auf, wie die Anti-Defamation League (ADL) berichtet. Die ADL hat auch ein ganzes Dossier über den Antisemitismus von El-Kurd publiziert,

der regelmäßig Israel mit dem Nationalsozialismus vergleicht. Sein Twitter-Account ist voll von solchen antisemitischen Vergleichen von Nazis und Israel, israelischer Politik und der „Kristallnacht“, „der Zionismus“ sei „blutdürstig“ und so weiter. Es ist absolut schockierend, was für Hetze tagtäglich auf Twitter und anderen a-sozialen Medien möglich ist. Und der von der Harvard Law School’s Middle Eastern Law Student Association eingeladene und von Crimson promotete Mohammed El-Kurb ist ein typischer antisemitischer Agitator, der im Mainstream der USA angekommen ist.

Die Tatsache, dass ein Typ wie El-Kurb in Harvard auftreten darf und sogar von einer Zeitung für seine Agitation bezahlt wird (The Nation) ist skandalös. Aber es passt in ein antisemitisches Klima in Harvard, das jetzt vor wenigen Tagen zu dieser Pro-BDS-Position des Harvard Crimson führte. Die linksradikale Szene Berlin und Harvard Hand in Hand gegen die Juden und den jüdischen Staat Israel.

Wer Israel als jüdischen Staat auflösen möchte, handelt antisemitisch. Das macht BDS und das machen jene, die „Palestine from the River to the Sea“ schreien. Das sind Gewaltandrohungen. Ganz im Gegensatz dazu versuchen linkszionistische Lokalpolitikerinnen wie die Publizistin und Politologin Laura Wharton wie gezeigt auf pragmatischem Weg eine Lösung für Jerusalem, die Palästinenser und den arabisch-israelischen Konflikt zu finden. Sie setzt sich gegen Gewalt von Siedler*innen und gegen den anti-palästinensischen Rassismus ein.

Doch BDS wie auch auf ganz anderer Ebene das Corona-Regime kennen nur Schwarz und Weiß. „From the River to the Sea“ oder „Wir impfen euch alle”, wie die Berliner Antifa und andere Antifas krakeelen, haben jeweils wissenschaftlich und politisch keinen Sinn, außer Gewalt anzudrohen.

Ein riesiges Problem für die Demokratie ist also das Schwarz-Weiß-Denken, wie auch das Gruppendenken. Durch die Regierung Merkel und jetzt durch Scholz werden diese beiden autoritären Denkweisen auf nie dagewesene Weise seit 1945 verschärft. Zuerst – und bis heute – ist es die Corona-Ideologie, die jede Kritik an den willkürlichen, medizinisch wie verfassungsrechtlich fragwürdigen Maßnahmen diffamierte, heute ist es die unglaubliche Dämonisierung alles Russischen. Eine rationale Analyse dieses Krieges bleibt aus, ja Deutschland sieht sich zum ersten Mal seit 1945 wieder in einem Krieg mit einem der Befreier vom Nationalsozialismus, nachdem es schon 1999 im Luftkrieg gegen Serbien einen Tabubruch begangen hatte: Nie wieder Krieg. Heute heißt es: Nie wieder Krieg ohne schwere deutsche Waffen auch in Europa!

Die so wichtige Einrichtung RIAS aus Berlin, die Antisemitismus dokumentiert, hat wie gezeigt keinen Blick für die medizinisch und demokratisch äußerst fragwürdige Coronapolitik und diffamiert jedwede substantielle Kritik als irgendwie dem antisemitischen Lager zugehörig. Damit leistet RIAS der Kritik an allen Formen von Antisemitismus einen Bärendienst. Übrigens gab es auf der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ am 1.5.22 in Berlin auch wenigstens eine Person im Schwarzen Block, die ein Plakat hielt mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus“ (so ein Live-Blog im Berliner Tagesspiegel), womit seit vielen Jahren gerade auch der antizionistische Antisemitismus mit gemeint ist.

Schließlich ist das Schwarz-Weiß-Denken auch im arabisch-israelischen Konflikt deutlich. Während die kulturelle Elite häufig Israel als Staat der Juden ganz grundsätzlich ablehnt (Judith Butler und die BDS-Bewegung vorneweg) und die Palästinenser nur als Opfer betrachtet werden – es also nur „Gut“ und „Böse“ gebe, ignorieren auf der anderen Seite Pro-Israel-Aktivist*innen die offenkundigen Fehler israelischer Politik seit 1967 und der Besatzung.

Der Unterschied jedoch zwischen CDU-Politikern, die vom „Zivilisationsbruch“ daherreden, ohne jede historische Kenntnis, aber viel psychischem Bedarf nach Entlastung von der deutschen Schuld, und jenen antisemitischen, häufig, aber nicht immer islamistischen Hetzern, die vom Gazastreifen als „KZ“ fabulieren oder von Coronapolitik-Kritikern, die meinten, Israel würde eine noch schlimmere (Corona-)Politik betreiben als die Nazis, dieser Unterschied ist gering und kaum zu erkennen.

Es geht seit Jahren um maximale Erregung, Propaganda, Headlines, was nicht zuletzt Folge der schnelllebigen Welt der a-sozialen Medien Twitter, Telegram, Facebook oder Instagram und YouTube etc. ist.

Diese Sensationsgeilheit und zumal eines der ältesten antijüdischen Ressentiments führt uns zum letzten der vier Beispiele für heutigen Antisemitismus: die Beschneidungsdebatte.

 

 

[21] Selensky sagte wörtlich: “On February 24, 1920, the National Socialist Workers‘ Party of Germany (NSDAP) was founded. A party that took millions of lives. Destroyed entire countries. Tried to kill nations. 102 years later, on February 24, a criminal order was issued to launch a full-scale Russian invasion of Ukraine”, https://www.president.gov.ua/en/news/promova-prezidenta-ukrayini-volodimira-zelenskogo-v-kneseti-73701. Die Holocaustverharmlosung von Selenskyi, selbst Jude, ist unerträglich und auch in Israel kam diese Hetze sehr schlecht an: „Listen to what the Kremlin says. Just listen! There are even terms that sounded then. And this is a tragedy. When the Nazi party raided Europe and wanted to destroy everything. Destroy everyone. Wanted to conquer the nations. And leave nothing from us, nothing from you. Even the name and the trace. They called it ‚the final solution to the Jewish issue‘. You remember that. And I’m sure you will never forget! But listen to what is sounding now in Moscow. Hear how these words are said again: ‚Final solution‘. But already in relation, so to speak, to us, to the ‘Ukrainian issue’.” Schließlich möchte der ukrainische Präsident gerade Israel dazu bringen, gegen die Ukraine zu kämpfen und damit zu „Gerechten unter den Völkern“ zu werden, das ist so ahistorisch und so Holocaust verharmlosend, da fehlen einem fast die Worte: „Ukrainians have made their choice. 80 years ago. They rescued Jews. That is why the Righteous Among the Nations are among us. People of Israel, now you have such a choice.”

[22] Ein Beispiel ist die auch mit Bundesmitteln finanzierte Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA) an der Universität Trier, https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-iii/faecher/geschichte/studium-und-lehre/initiative-interdisziplinaere-antisemitismusforschung/aktuelles/archiv-1. Sicher arbeitet diese Initiative zu vielen wichtigen Themen, aber die Art und Weise wie die häufig sehr wichtige und richtig Kritik an der Coronapolitik, nehmen wir exemplarisch die Great Barrington Declaration von Oktober 2020, präsentiert wird – ausschließlich als antisemitisch und rechtsextrem – ist jedenfalls hier fragwürdig: „Gerade die Verbreitung von Verschwörungstheorien während der Corona Pandemie verstärkt stereotype Vorurteile gegen Jüdinnen und Juden“. Diese sehr einseitige Vorstellung der Coronapolitik-Kritik gilt auch für Veranstaltungen, die Impfkritik nur in Bezug auf Antisemitismus thematisieren, https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-iii/faecher/geschichte/studium-und-lehre/initiative-interdisziplinaere-antisemitismusforschung/projekte-1-1-1. Da wird nicht mal angedeutet, dass viele Kritiker*innen der Corona-„Impfung“ gegen andere Krankheiten sehr wohl geimpft sind, aber hier, gerade auch als Medizinerin oder Mediziner, skeptisch sind, was ja die nie dagewesene Zahl von Impfnebenwirkungen auch bestätigt. Die Ankündigung der VA, die für den 24. Juni 2021 angekündigt war, zeigt wie undifferenziert hier vorgegangen wird: „Vortrag von Mathias Berek (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin) | Online | Facebook-Veranstaltung | Livestreamaufzeichnung. Mit dem Fortschreiten der Impfkampagne gegen die Covid19-Pandemie wächst auch die öffentliche Präsenz der Impfkritik. Vergleicht man den heutigen Zustand der deutschen impfgegnerischen Bewegung mir ihrem Beginn im 19. Jahrhundert, zeigt sich, dass sich seit 1874 nicht nur an ihren Argumenten wenig geändert hat, sondern auch am Vorhandensein antisemitischer Inhalte. Die Bewegungen gegen das Impfen waren und sind sehr heterogen, und es gibt gravierende Unterschiede zwischen der Situation heute und der vor 100 Jahren. Dennoch lassen sich übereinstimmende Muster im antisemitischen und impfgegnerischen Denken identifizieren, die sich in all der Zeit kaum geändert haben. Diese Gemeinsamkeiten, aber auch strukturelle Parallelen der impfgegnerischen Bewegungen wird der Vortrag diskutieren.“ Dass zudem die mRNA-„Impfstoffe“ von der Firma Bayer ganz offiziell auf dem World Health Summit im Oktober 2021 in Berlin gar nicht als Impfung, sondern als „Gentherapie“ (Video) bezeichnet werden, wird nicht einmal angetippt. Der von der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung an der Uni Trier hier angekündigte Vortragende Mathias Berek vom Zentrum für Antisemitismusforschung ist Unterstützer der unwissenschaftlichen, irrationalen und sich an China orientierenden „Zero Covid“-Bewegung von Januar 2021, die auch von einigen radikalen Linken scharf kritisiert wird, unter anderem von dem Altlinken und Mediziner Karl-Heinz Roth (Jg. 1942): „Zero Covid war eurozentristisch und extrem staatsfixiert“, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1161466.karl-heinz-roth-zero-covid-war-eurozentristisch-und-extrem-staatsfixiert.html. Die Initiative aus Trier unterstützt auch den völlig einseitigen Offenen Brief von „Genozidforschern“ zum völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine vom 27.02.2022, der mit Schaum vor dem Mund, aber ohne jede rationale Analyse, ohne mit einem Wort auf den Krieg der Ukraine im Donbass seit 2014 mit 14.000 Toten, die NATO-Provokationen in der Ukraine seit Jahren, den von den USA mit finanzierten Putsch 2014 auf dem Maidan oder das antirussische Klima in der Ukraine, das mit staatlichen Sprachverboten einhergeht, einzugehen, https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-iii/faecher/geschichte/studium-und-lehre/initiative-interdisziplinaere-antisemitismusforschung/aktuelles. Der Krieg Russlands ist völkerrechtswidrig. Der Krieg entstand aber nicht aus einem Vakuum oder purer russischer Aggression, sondern hat eine ukrainische Vorgeschichte, die alle kennen. Die Forderungen nach einem Nicht-Beitritt der Ukraine zur NATO hatte Russland zuletzt im Dezember 2021 an die USA geschickt, aber ohne eine richtige Antwort zu erhalten. Diese Ignoranz war gewollt, gerade die USA hatten offenbar kein Interesse an einer Stabilisierung, sondern an einer Destabilisierung. Diese Erklärung einiger Hundert Forscher*innen und Student*innen hat nach der Holocaust trivialisierenden Rede Selenskyis vom 20. März 2022 keine Ergänzung erfahren, soweit ich sehe, diese Holocaustforscher*innen und Studierenden haben sich nicht in gleicher Weise gegen diese Art von Antisemitismus wie in der Rede von Selenskyi an die Knesset gewandt. Und wo waren oder sind diese Hunderten Historiker*innen und Studierenden, als es um den Krieg im Jemen (andauernd) oder dem Krieg der Türkei gegen die Kurden ging und geht? Wo waren sie, als die NATO völkerrechtswidrig Serbien angriff 1999? Der US-Außenminister James Baker wie auch Bundeskanzler Helmut Kohl, ich habe es oft betont und wissenschaftlich dokumentiert in den letzten Monaten, haben Gorbatschow und der Sowjetunion im Februar 1990 mehrfach und nachdrücklich (!) versprochen, dass die NATO nach einer möglichen Wiedervereinigung von BRD und DDR „not one inch“ ostwärts sich erweitern würde. Und was ist seither passiert? So gut wie ganz Osteuropa ist NATO-Mitglied geworden. Jeglicher Versuch Russlands in die NATO aufgenommen zu werden – Putin hat das nachweislich versucht – wurde zurückgewiesen und dafür mit höchster Aggressivität osteuropäische Staaten aufgerüstet und zu NATO-Mitgliedern gemacht. Schließlich verlinkt die Trierer Initiative auf eine Tagung in Essen am 6./7. Mai 2022 mit dem Titel „Warum Antisemitismus? Zur Politischen Theorie der Judenfeindschaft – 06./07. Mai Campus Essen“, auch hier zeigt sich das Muster, dass interessante Themen vermischt werden mit einer Denunziation offenbar der gesamten Coronapolitik kritischen Szene, anders kann man diese Ankündigungen kaum lesen: „Der Antisemitismus der Corona-Protestbewegungen als Element des Autoritarismus und seiner Refiguration in der Gegenwart“, Paul Erxleben und Dr. David Jäger (Leipzig)“ sowie der Vortrag „Gefühl als Entscheidung. Emotionstheoretische Überlegungen zur Rolle von Gefühlen im Antisemitismus am Beispiel der Querdenken-Bewegung. Johanna Bach und Valerie Schneider (Berlin)“, https://warum-antisemitismus.de/tagungs-programm/. Es geht also um den „Antisemitismus der Corona-Protestbewegungen“, was schon im Titel falsch ist, da es eine Coronapolitik-Protestbewegung gibt, aber „Coronaprotestbewegung“ ist ja ein völlig absurder Begriff, als ob diese politische Bewegung gegen Corona, das Virus, protestieren würde. Die Politik, die Medien, die Gesellschaft werden kritisiert – von einigen auf sehr problematische Weise, wie ich gezeigt habe, aber von sehr vielen Leuten auf oft sehr differenzierte und kritische Weise. Eines der wenigen etwas größeren Medien, das sich einigermaßen kritisch mit der Coronapolitik wie auch der Ukrainepolitik beschäftigt, Telepolis, wird aktuell von einem neuen Chefredakteur geleitet, Harald Neuber (der auch politisch wohl in die Fußstapfen von Florian Rötzer tritt), der früher bei der nicht gerade israelfreundlichen Tageszeitung junge Welt beschäftig war und zumal Mitarbeiter der Ex-MdB Heike Hänsel (Die Linke, Wahlkreis Tübingen) war, die insbesondere für einen Antisemitismusskandal bekannt ist, über den ich 2014 berichtete. Seriöse linksintellektuelle Coronapolitik-Kritik, wie auch Kritiker*innen der aktuellen Militarisierung und Kriegstreiber in der Bundesrepublik Deutschlands müssen sich – wie bislang, nur jetzt verschärft –, ihre für Publikationen verfügbaren Orte suchen (Nicht-NATO-Länder sind aktuell sehr begehrt bei unabhängigen Denker*innen, Schweiz? Österreich?) und dazu selbst gestalten. Dazu gibt es immer wieder Kompromisse und große, massenwirksame Aktionen wie jetzt am 29. April 2022 einen Offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz von 28 Intellektuellen, von der Feministin Alice Schwarzer über den Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Merkel, den Schauspieler Edgar Selge bis hin zu den Kabarettisten Gerhard Polt und Dieter Nuhr, die sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine wenden: „Wir teilen das Urteil über die russische Aggression als Bruch der Grundnorm des Völkerrechts. Wir teilen auch die Überzeugung, dass es eine prinzipielle politisch-moralische Pflicht gibt, vor aggressiver Gewalt nicht ohne Gegenwehr zurückzuweichen. Doch alles, was sich daraus ableiten lässt, hat Grenzen in anderen Geboten der politischen Ethik. Zwei solche Grenzlinien sind nach unserer Überzeugung jetzt erreicht: Erstens das kategorische Verbot, ein manifestes Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt in Kauf zu nehmen. Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen allerdings könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen. Die zweite Grenzlinie ist das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung. Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis. Wir warnen vor einem zweifachen Irrtum: Zum einen, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt allein den ursprünglichen Aggressor angehe und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern. Und zum andern, dass die Entscheidung über die moralische Verantwortbarkeit der weiteren ‚Kosten‘ an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung ausschließlich in die Zuständigkeit ihrer Regierung falle. Moralisch verbindliche Normen sind universaler Natur.“ https://www.emma.de/artikel/offener-brief-bundeskanzler-scholz-339463 In wenigen Tagen haben diesen Offenen Brief über 180.000 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben, Tendenz steigend: https://www.change.org/p/offener-brief-an-bundeskanzler-scholz?recruiter=1263059096&recruited_by_id=707cc780-c7b0-11ec-b13c-f51ede250610. Im Gegensatz zur tatsächlich volksgemeinschaftlichen Unterstützung der irrationalen Coronapolitik, wie von Alice Schwarzer, sind jetzt die Reihen der Intellektuellen und der Regierung nicht mehr geschlossen, vielmehr gibt es massiven Widerstand gegen die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine, gegen die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland (!) und dem ganz offenkundig geradezu herbeigeschrienen NATO-Bündnisfall, damit Russland ein für alle Mal aus der Völkergemeinschaft ausgeschlossen wird. Um die Ukraine geht es dabei überhaupt gar nicht, so wenig wie die Deutschen an den Kriegsopfern in Kurdistan oder im Jemen je interessiert waren, um nur diese beiden Beispiele von blutigen Kriegen (einer davon geführt von einem NATO-Land) zu erwähnen. Das ist alles deshalb von Bedeutung, weil es den wichtigen wissenschaftlichen Einsatz auch von Nachwuchswissenschaftler*innen wie hier in Trier oder Essen trübt, wenn diese sich so undifferenziert gegen die Kritik an der Coronapolitik wenden und die wichtige Kritik an antisemitischen Facetten der Coronapolitik-Kritik damit auch noch verharmlosen, wenn so gut wie die ganze Szene der Kritiker*innen der Coronapolitik (und das suggerieren die zitierten Ankündigungen) antisemitisch codiert wird. Es ist nicht weniger problematisch, wenn solche Kreise von Nachwuchswissenschaftler*innen dann auch noch völlig einseitige, antirussische Propaganda unterstützen und nicht wirklich an einer Friedenslösung Interesse zu haben scheinen (oder haben sie etwa auch den Offenen Brief an Olaf Scholz unterschrieben?), sondern es muss gegen Russland gehen, das ist ja der Tenor des oben zitierten Offenen Briefes der „Genozidforscher“. Dass gerade ein in den letzten Jahren wegen seiner Verharmlosung des Holocaust in seinem Buch „Bloodlands“ in die Kritik geratener Historiker von Yale wie Timothy Snyder ein Erstunterzeichner dieses Briefes ist, ist symptomatisch, siehe zu Snyder: „Banalisierung des Bösen: Hannah-Arendt-Preis für die Trivialisierung des Holocaust 2013“.

[23] Angesichts einer Diffamierung der Coronapolitik-Kritikerszene und jener legendären Demonstration in Kassel – Nena brachte es auf den Punkt: „Danke Kassel“ – durch das Internationale Ausschwitz Komitee schrieb ich in einem Offenen Brief Ende März 2021: „Es wäre politisch womöglich weitaus wichtiger, wenn sich das Auschwitz Komitee um die Kritik am Antisemitismus kümmern, und nicht die Kritik am Corona-Hygienestaat diffamieren würde. So wäre es vor allem naheliegend, wenn sich das Internationale Auschwitz Komitee, wenn es sich gegen Antisemitismus aussprechen möchte, auch gegen die „Jerusalem Declaration on Antisemitismus“ wenden würde. Diese Erklärung (vermutlich vom März 2021, sie hat kein Datum) von seit vielen Jahren als Förderer des antizionistischen Antisemitismus in Verdacht stehenden Agitator*innen, von Wolfgang Benz und Gudrun Krämer über Stefanie Schüler-Springorum hin zu ein paar frustrierten jüdischen Israelfeinden, schreibt nämlich Folgendes:

It is not antisemitic to support arrangements that accord full equality to all inhabitants ‚between the river and the sea,‘ whether in two states, a binational state, unitary democratic state, federal state, or in whatever form.

Diese Ausdrucksweise „from the river to the sea“ ist ein Schlachtruf der Palästinenser, von der PLO über die PFLP hin zur jihadistischen Hamas. Der CNN-Kommentator und Professor an der Temple University in den USA Marc Lamont Hill verwendete den Slogan in einer Rede vor den Vereinten Nationen (UN) im November 2018. Der ehemalige Botschafter der USA in Israel unter Barack Obama, Dan Shapiro, kritisierte die Äußerung als „antisemitisch“. Während jedoch das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin weiterhin staatliche Gelder bekommt, wurde Lamont Hill für die gleiche antisemitische Äußerung von CNN entlassen.“

[24] Mohammmed El-Kurd (2021): RIFQA (Kindle-Positionen 424-426). Haymarket Books.

Germany alone started WW II – Why is TOI running riot against Yad Vashem?

Dr. Clemens Heni, The Times of Israel (Blogs) |Feb 10, 2020, 6:34 PM

In an article for the Times of Israel (TOI), journalist Sam Sokol, with the help of JTA and TOI staff, chastises Holocaust memorial museum Yad Vashem in Jerusalem, for supposedly inaccurate or even “revisionist” videos, screened at the 5th Holocaust Forum at Yad Vashem on January 23, 2020, commemorating the 75th anniversary of the liberation of Auschwitz. Sokol’s article “Scholars urge transparency to restore Yad Vashem credibility after Putin fiasco” raises questions about the quality of TOI’s journalism as well as about the political culture of Holocaust remembrance in Israel and among Jews.

I am not talking about the speeches or remarks at the event (including troubling facts or completely false numbers of Jewish victims in the Soviet Union by Putin in his speech) in question on January 23, 2020, at the 5th World Holocaust Forum. I am only analyzing the major video of that day (7:45 minutes), which is now attacked by the Times of Israel and Sam Sokol and many others, quoted in Sokol’s piece.

We already know about the attempts of gentiles to distort the Shoah. It started shortly after 1945, when Germans compared Auschwitz to the bombing of Dresden. Then, historian Ernst Nolte wrote in the 1970s that Stalin was first, not Hitler and the Germans. This Red equals Brown has become a major ideology of the European Union in the last few decades.

In 1997, French anti-communist (former Maoist) Stéphane Courtois edited the “Black Book of Communism,” claiming that communism killed many more people than Nazism and the Germans: Communism was worse than the Shoah – that is the antisemitic ideology of that kind of people. Those people deny the unprecedented character of Auschwitz, Sobibor and Treblinka, where for the very first time in world history, an entire people was chosen to be eliminated: Germans wanted to eradicate Jews and Judaism from the earth. They almost succeeded and killed six million Jews in the Holocaust. Post-colonialism, for those interested in the field, follows an equally troubling denial of the unprecedented character of the Shoah, by the way.

In 2008, the Prague Declaration, signed by Vaclav Havel and Joachim Gauck, along with Czech, Lithuanian and other politicians and activists, urges the EU to rewrite all textbooks and to warn everyone about the evils of both Nazism and Communism. That downplaying of National Socialism is common among many in Europe and the US.

Professor Dovid Katz dealt extensively with the dangerous “double Genocide ideology” of the Prague Declaration, Baltic politics and European activists alike.

It is to some extent news, however, that Jews and Israelis join the chorus of downplaying the role of Nazi Germany when it comes to the Second World War. Sokol claims that the Soviet Union holds a co-responsibility for the outbreak of WWII because of the Hitler-Stalin-Pact from August 23, 1939. That is a lie, though – as Germany wanted to invade and destroy Poland and the Soviet Union and other states in the East anyway. Realpolitik did not change Hitler’s and Germany’s intention to invade Eastern Europe and to kill European Jews, who were seen behind both Western capitalism and Eastern communism.

While it is unclear how many and which videos he talks about, the main video of that event is linked in the article. It is a 7:45 minute video about the development of German antisemitism and the rise of Nazi Germany to power. The video depicts some famous Jews like Einstein, Freud and Walter Benjamin to emphasize the role Jews played in European culture prior to World War II.

It shows how antisemitism spread in Nazi Germany, from boycotts (1933) and harassment to racial laws, the nights of pogroms (Nov. 9, 1938) to deportation, ghettos, starving, torture, murder and extermination. It then shows Sir Winston Churchill who spoke about the importance to stand “together” against Germany.

Then, the video deals with the fact that only an allied pact of the West and East, the US, Great Britain and the Soviet Union was able to fight, stop and finally defeat National Socialism. Correctly, the video says that the Red Army was the first one to fight back against the Germans.

From the time of the Nazi invasion of the Soviet Union in June 1941 through to the first landings at Normandy in June 1944, millions of Soviet troops and citizens perished in the battle to push the Nazi armies back. D-Day, June 6, 1944, is correctly shown as the start of the major Western front against the Germans, alongside the Eastern front and the Soviet Union that had been fighting effectively from later 1941 onward.

On July 24, 1944, the Red Army liberated the extermination camp of Majdanek, without realizing, before their entry, the unspeakable catastrophe of the Holocaust that transpired there. Then, the Holocaust of Hungarian Jews in some two months in 1944 is reported, with 450.000 Jews being exterminated. Tens of thousands of Jews would then die in the death marches (from the camps westward to Germany).

The video clearly shows the Allies working together in the liberation of Europe. The Red Army liberated Auschwitz-Birkenau, the US Army Buchenwald and Dachau. British troops liberated Bergen-Belsen. The fall of Berlin (to the Soviet and American armies) and the liberation of Theresienstadt ended the war against Nazi Germany.

I had seen that video — which is linked in the TOI article by Sam Sokol —when it was screened in Jerusalem via the Yad Vashem livestream. I have watched it again now: What is the problem with that accurate video? As in any concise synopsis, many things are of necessity left out. But, it rightly explains how the Allies, including, and most importantly in the actual history as it unfolded, the Red Army, liberated Europe from Nazi Germany and indeed, how Auschwitz was liberated on January 27, 1945.

Obviously Holocaust distorting people with a political agenda to “equalize” Nazi and Soviet crimes as per the far right’s campaign led by East European governments, now notice that the Hitler-Stalin pact of August 23, 1939, is missing. Well, for that matter, so are the capitulations of Chamberlain at Munich and all the others. It has nothing to do with January 27, 1945.

Some might see Yad Vashem as nothing but a loudspeaker of Bibi Netanyahu, and I share skepticism about his policies, no doubt about this. However, this is a huge fight about how to commemorate the outbreak of WWII.

If Sokol and his allies succeed in saying that it HAS TO BE MENTIONED that there was the Hitler-Stalin pact when it comes to Auschwitz – antisemitism has succeeded in bringing even Jewish and Israeli scholars and activists in line with right-wing extremist revisionism.

Why? Because that is an antisemitic and far-right revisionist narrative, modified in fine Western style from its far-right East European originators by historian Timothy Snyder, former German President Joachim Gauck and right-wing extremist historians such as Jorg Baberowski of Germany.

The same people say that fact that Poland was occupied by the Soviets is missing!

Yes, after war’s end, completely true. But what has that got to do with a film about defeating Nazi Germany and liberating Auschwitz?

To focus on crimes by Stalin not as a separate issue, but mixed up with the Holocaust, is wrong and historically misleading. It is precisely what German antisemites since Ernst Nolte tried to pursue: both sides are evil, Nazis and Communists, everything is the same, one big mishmash.

Stalin committed many horrendous crimes. These crimes, though, have literally no place in a video dedicated to the liberation of Auschwitz-Birkenau. The video does not focus on the failure of the US or Great Britain. – It could have mentioned the widespread antisemitism in America and Britain, the closure of the US border as well as Palestine by the British.

However, the aggressive tone of Sam Sokol and many historians he quotes – from Deborah Lipstadt to Dan Michman and even Efraim Zuroff – speaks volume about the intention to follow the revisionist narrative: Red equals Brown. Sokol goes so far and writes:

The videos presented at the ceremony — which was attended by dozens of world leaders, among them Russian President Vladimir Putin — focused almost exclusively on the Soviet Union’s role in defeating the Nazis, while downplaying the role of America, Britain, and other countries. They also failed to mention Joseph Stalin’s deal with Adolf Hitler in the Molotov–Ribbentrop Pact that preceded the war, Russia’s occupation of parts of Poland, and other facts uncomfortable for Moscow.”

As shown, that is simply incorrect – that video does indeed emphasize the role of the allies! Watch it and you will see.

If Jews now start using anti-Jewish historical revisionism such as that of Ernst Nolte, claiming that Stalin was first or at least as evil as Hitler – then Yad Vashem should stand strongly and clearly against the revisionists.

This is not about belittling the evil intentions of the Stalin-Hitler pact. It is about the misrepresentation by that pact by those in the far right East European antisemitic camp, and their followers in the West, to elevate it to a Holocaust-grade event as part of the effort to downgrade the Holocaust. Many Jews are alive today in Eastern Europe and beyond because from Sept 1, 1939 onward, their forebears escaped from the Nazi to the Soviet held sectors.

It is time for the West, Israel and Yad Vashem to understand which modes of discourse signal the very revisionism that is anathema to all that Yad Vashem stands for.

Finally, let me teach you a lesson about fascism in the 21st century: a few days ago, February 5, 2020, the fascist Björn Höcke and the right-wing extremist Alternative for Germany (AfD) voted in favor of the candidate for the head of the State of Thuringia (some 2 million inhabitants) from the conservative-libertarian FDP, a no-name called Kemmerich. Mr. Kemmerich even accepted the vote after it was clear that he did only win because of the votes by the fascists. Shake-hands with wannabe-Goebbels Björn Höcke followed. Shockwaves through the democratic parts of Germany. That was the first time that a Nazi like party voted for a Prime Minister of a German state since 1945 and their vote was crucial. A few days later, the FDP politician had to resign, due to political pressure from the ruling Christian Democratic Party and the FDP, while both parties had supported Kemmerich just a few hours before!

The main reason for the Conservatives and the libertarian-conservatives to vote alongside with the fascists of the AfD was to avoid the left-wing Prime Minister of Thuringia, Bodo Ramelow from the Party of the Left, who is rather a Social Democrat. The fascists and conservatives frame him as “communist” or “socialist” and preferred fascism over communism or socialism.

Those Israeli journalists or Jewish-American and other historians who claim that the Soviet Union allegedly played a pivotal or any role in the outbreak of World War II follow the very same kind of what I call “existential anti-communism.”

Those who want so speak about the crimes of communism when asked about the liberation of Auschwitz, distort the worst crime in history and follow antisemitic revisionism.

The video in question by Yad Vashem is a video dedicated to teach a big audience about the liberation of Auschwitz and that video is correct in not at all focusing on Soviet policies in other aspects, it does equally not focus on the failure of the US and Great Britain to stop Hitler and the Germans long before September 1, 1939.

Sam Sokol seems to be following the very European antisemitic trope of equating Red and Brown and I am wondering why and if historians such as Deborah Lipstadt (““I am absolutely heartbroken that Yad Vashem, which has such a stellar reputation and stayed above the political fray, should have become part of this politicization of history,” she lamented), Dan Michman (“Unfortunately, the short films that accompanied the event, and especially the film that was meant briefly to present the key points of World War II and the Holocaust, included a number of inaccuracies that resulted in a partial and unbalanced presentation of the historical facts”), or Efraim Zuroff (“Yad Vashem has never engaged in Holocaust distortion; exactly the opposite,” commented Efraim Zuroff, a Nazi-hunter who runs the Simon Wiesenthal Center’s Jerusalem office, surmising that the “material was not reviewed by the leading historians of Yad Vashem” before being presented publicly”) play that game, as he quotes them accordingly.

It is not by accident that historian Dina Porat did not say anything in public so far, which is sad, because she could perhaps tell us a different story about that very video by Yad Vashem.

Nazi Germany was all alone responsible for the outbreak of World War II.

Germans wanted the war, they wanted to invade Poland, the Soviet Union and all of Europe. They wanted to eradicate Jews and Judaism from the earth.

To even mention Soviet or other realpolitik when it comes to the anniversary of the liberation of Auschwitz-Birkenau and to insinuate September 1, 1939 was not Germany’s responsibility alone, promotes an old right-wing extremist lie.

Everybody who rejects the historical truth of the German and only German guilt of starting World War II is part of the problem.

Dovid Katz puts it splendidly:

While the Soviets’ 1939 invasion of eastern Poland was one of thousands of disgraceful and contemptible invasions in world history, it was not “the same” as Hitler’s 1939 invasion of western/central Poland. In the German sector, Hitler’s forces unleashed the Holocaust, the worst genocide in the history of humankind. In the Soviet sector, all of the various peoples were granted full equality to live equally under (lousy, autocratic, freedom-stifling, wealth-stealing) Soviet law. Any Jew that could flee to the Soviet sector was quick to do so. Many thousands of Jews today exist on the planet precisely because their parents, grandparents and others fled to the Soviet sector.

 

Von Weimar nach Berlin – Antisemitismus vor Auschwitz und im Jahr 2012

Von Susanne Wein und Clemens Heni

 

Das Jahr 2012 ist so dicht an antisemitischen Ereignissen, dass ein vorgezogener Jahresrückblick lohnt. Das Jahr zeigt wie flexibel, vielfältig, codiert und offen sich Antisemitismus äußern kann. Drei Forschungsfelder seien hier knapp vorgestellt, um schließlich ein besonders markantes und schockierendes Beispiel von 2012 mit einem Fall aus dem Jahr 1925 zu vergleichen.

1)     Holocaustverharmlosung.

Im Januar wurde in Leipzig bekannt gegeben, dass der amerikanische Historiker Timothy Snyder den Leipziger Buchpreis 2012 erhalten wird.

Snyder hat 2010 das Buch Bloodlands publiziert, worin er leugnet, dass der Holocaust ein spezifisches Verbrechen war, ohne Vergleich in der Geschichte. Vielmehr konstruiert der „Genozid“-Forscher, der dem sog. spatial-turn folgt (eine Modeerscheinung der Kulturwissenschaft, die den Raum als zentrale Größe postuliert), einen Raum in Osteuropa zwischen dem Baltikum und der Ukraine, den er Bloodlands nennt und in dem zwischen 1932 (!) und 1945 ca. 14 Millionen Menschen starben bzw. ermordet wurden. Hitler und Stalin sind für ihn gleich schlimme historische Figuren. Snyder bemüht die veraltete Great Man Theory und hat keinen Blick für die sehr ausdifferenzierte Forschung zum Nationalsozialismus und zum Holocaust.

Vielmehr kooperiert er mit dem litauischen Staat und unterstützt eine dortige, weltweit in Misskredit geratene historische Kommission, die die Verbrechen von Hitler und Stalin wiederum gleichsetzt. Dramatisch ist, dass selbst die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und ihr wissenschaftliches Personal in Person der neuen Chefhistorikerin Dina Porat  mit dieser Kommission in Litauen kooperiert, was zu scharfen Protesten von Holocaustüberlebenden führte.

Kurz gesagt: Timothy Snyder ist ein geistiger Enkel Ernst Noltes, er möchte die Deutschen entschulden und die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz verwischen oder leugnen. Historiker wie Omer Bartov (Brown University), Dan Michman (Yad Vashem) oder Jürgen Zarusky (Institut für Zeitgeschichte, München) haben Snyder dezidiert kritisiert. Der Jiddisch-Forscher Dovid Katz dokumentiert und analysiert seit Jahren den Antisemitismus in Osteuropa, insbesondere in Litauen, auch er hat sich intensiv mit Snyders Bloodlands befasst und zeigt, warum extrem rechte Kreise in Osteuropa Snyder feiern.

Die Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten im März 2012 verstärkt die Holocaustverharmlosung, da Gauck die „Prager Deklaration“ vom Juni 2008 unterzeichnet hat, die – ganz im Sinne von Snyder – rot und braun gleichsetzt und die Verbrechen des Holocaust trivialisiert. Die Unterzeichner wollen als gesamteuropäischen Gedenktag den 23. August (der Tag des Ribbentrop-Molotow Paktes von 1939) etablieren und schmälern damit implizit die Bedeutung des Holocaustgedenktages am 27. Januar, wenn sie diesen Gedenktag nicht sogar ganz abschaffen wollen. Gauck sprach zudem 2006 davon, dass jene, die die Einzigartigkeit des Holocaust betonen, nur einen Religionsersatz suchen würden. Auch Neonazis, Holocaustleugner, manche christliche Aktivisten, Forscher oder auch Autoren der tageszeitung (taz) frönen einer solchen Sprache und reden von der „Holocaust-Religion“ oder einer „Pilgerfahrt“, wenn es um Auschwitz geht. Ohne den Dammbruch durch Martin Walsers Paulskirchenrede von Oktober 1998 wäre das alles nicht so ohne Weiteres im Mainstream der deutschen Gesellschaft denk- und sagbar.

2)     Antizionismus.

Der zweite Aspekt des Antisemitismus ist der seit der zweiten Intifada im September 2000 und nach dem islamistisch motivierten Massenmord vom 9/11 weltweit bei den wenigen Kritikern im Zentrum der Aufmerksamkeit stehende antizionistische Antisemitismus bzw. die Israelfeindschaft.

Am 4. April 2012 publizierte der Literaturnobelpreisträger Günter Grass in der größten deutschen Tageszeitung (nach der Boulevardzeitung BILD), der Süddeutschen Zeitung aus München, ein Gedicht mit dem Titel „Was gesagt werden muss“. Darin schreibt der deutsche Denker:

„Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden?“

Nicht der Iran droht Israel mit Vernichtung, die Juden („Atommacht Israel“) seien die Gefahr. Diese Leugnung der Wirklichkeit, die Derealisierung, Schuldprojektion und die Schuldumkehr sind ein typisches Muster des neuen oder Post-Holocaust Antisemitismus. Israel gefährde den Weltfrieden und nicht der „Maulheld“ Ahmadinejad, wie er vom deutschen Dichter verniedlichend genannt wird; dabei haben die Verharmlosung der iranischen Gefahr bzw. das klammheimliche Liebäugeln mit dem vulgären, iranischen, islamistischen aber natürlich auch dem arabischen Antisemitismus Konjunktur. Die Diffamierung Israels ist auch unter deutschen Wissenschaftlern, Journalisten, Politikern, NGO-Aktivisten und der Bevölkerung gern gesehen. Die ARD jedenfalls war von Grass so begeistert, dass der Tagesthemen-Anchorman Tom Buhrow ein Exklusivinterview mit dem Schriftsteller führte und tags darauf Grass das Gedicht in der ARD vortragen durfte.

Das wird ergänzt durch die Verleihung des Adorno-Preises der Stadt Frankfurt am Main am 11. September 2012 an die amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Judith Butler von der University of California in Berkeley. Butler ist als antiisraelische Agitatorin weltweit berüchtigt, wenn sogar der Präsident der Harvard University im Jahr 2002, Lawrence Summers, unter anderem sie meinte als er den Hass auf Israel und die Boykottaufrufe gegen den jüdischen Staat thematisierte. Butler steht für einen Antizionismus, der sich in der Tradition von Martin Buber und Hannah Arendt verortet und die Gründung eines explizit jüdischen Staates (der zudem so tolerant ist und 20% Araber und Muslime und andere zu seiner Bevölkerung zählt) ablehnt. Mit fast vollständig homogenen islamischen Staaten wie Saudi-Arabien, Iran oder Jordanien und ihren antidemokratischen, homophoben und misogynen politischen Kulturen hat Butler selbstredend kein Problem. Die Wochenzeitung Die Zeit publizierte gar einen Text der BDS-Unterstützerin Butler und unterstützt somit den Aufruf zum Boykott Israels. Früher wäre das fast nur in der jungen Welt oder der Jungen Freiheit propagiert worden, doch längst sind solche antisemitischen Positionen Mainstream.

Eine Vertraute und Freundin von Butler, die Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib (Yale University) wurde 2012 in Deutschland ebenfalls geehrt. Sie erhielt am 8. Mai den Dr. Leopold Lucas-Preis der Universität Tübingen für ihren Einsatz für Hospitalität und „universelle Menschenrechte“ – auch dieser Preis ist mit 50.000€ dotiert, was ja von der schwäbischen Alma Mater freundlich ist, wenn man bedenkt, wie schlecht bekanntlich die Yale University ihre Professoren bezahlt. Benhabibs Vorbilder sind Immanuel Kant („Der Ewige Frieden“ von 1795) und Hannah Arendt. Die problematischen Aspekte dieser Art von Kosmopolitanismus oder vielmehr die anti-israelische Dimension bei Arendt,  kehren bei Benhabib verstärkt wieder. 2010 diffamierte sie Israel  indem sie es mit der südafrikanischen Apartheid und mit den „1930er Jahren in Europa“ (sie erwähnt den Slogan „Eine Nation, Ein Land, Ein Staat“ und spielt offensichtlich auf Nazi-Deutschland an) verglich – während selbstverständlich auch sie den Jihadismus z.B. der Gaza Flottille ignorierte und ihn bis heute ausblendet. Dies sind die eigentlichen Gründe für die Ehrungen und den Beifall aus Deutschland für Personen wie Butler und Benhabib. Kritik an Arendt, Kant und der europäischen Ideologie (wie sie auch Jürgen Habermas vertritt) eines Post-Nationalstaats-Zeitalter, wie sie von dem israelischen Philosophen Yoram Hazony bekannt ist, wird in Deutschland entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder abgewehrt.  Aufgegriffen und promotet wird sie höchstens von problematischen, nicht pro-israelischen, vielmehr deutsch-nationalen, rechten und konservativen Kreisen wie der Zeitschrift Merkur (dessen Autor Siegfried Kohlhammer den Islam mit seinen Dhimmi-Regelwerken für Nicht-Muslime schlimmer findet als den Nationalsozialismus und die Nürnberger Gesetze, und der zudem gegen Israel argumentiert).

3)     Antijudaismus.

Diese älteste Form des Antisemitismus spielt auch im nachchristlichen Zeitalter eine zunehmende Rolle. 2012 tritt ein in seiner Vehemenz seit 1945 ungeahnter und ohne Vergleich dastehender Angriff auf Juden und das Judentum auf: Hetze gegen die Beschneidung und religiöse Rituale. Alles, was Juden im Post-Holocaust Deutschland dachten, als selbstverständlich annehmen zu können, steht jetzt in Frage: Juden als Juden werden hinterfragt. Wie im Holocaust sollen männliche Juden die Hosen runter lassen, damit die arischen Deutschen nachschauen, ob er ein Jude ist oder nicht; sie durchleuchten Juden auf ihre Gesundheit, sexuellen Praktiken und Fähigkeiten und finden diese Art von Zurschau-Stellung von Juden notwendig und emanzipatorisch. Heute wird diese antijüdische Propaganda nicht unter dem Schild der SS oder der Wehrmacht durchgeführt, nein: heute geht es um „Kinderrechte“ und die angebliche Freiheit, nur als nicht-beschnittener Mann im Erwachsenenalter über die Religionszugehörigkeit entscheiden zu können.

Am 7. Mai 2012 befand das Kölner Landgericht in einem die politische Kultur in Deutschland für immer verändernden Urteil die Beschneidung von Jungen als gegen „dem Interesse des Kindes“ stehend und somit als nicht vertretbar. Die Beschneidung von jüdischen Jungen am achten Tag bzw. die Beschneidung von muslimischen Jungen im Alter zwischen 0 und 10 Jahren, sei somit nicht legal. Ein deutsches Gericht urteilt über das Judentum, das die Beschneidung vor über 4000 Jahren einführte. Der Volksgerichtshof des Nationalsozialismus hätte seine Freude gehabt an diesem 7. Mai 2012. 600 Ärzte und Juristen, angesehene normale Deutsche, agitierten sodann unter Federführung des Mediziners Matthias Franz von der Universität Düsseldorf am 21. Juli 2012 in einem Offenen Brief in der Zeitung für Deutschland (Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ) gegen die Beschneidung und forderten politische und rechtliche Konsequenzen aus dem Kölner Urteil. Selbst pro-israelische Aktivisten zeigen nun ein ganz anderes Gesicht und machen sich über das Judentum lustig. Offenbar hatten diese Leute schon immer ein Israel ohne Judentum im Sinn. Die Zeitschrift Bahamas

aus Berlin folgte dem Ruf aus Köln, der FAZ und dem Zeitgeist und sprach sich gegen eine Kundgebung für Religionsfreiheit/für die Beschneidung aus und forderte ihre 23 oder 34 Anhänger auf, dieser ohnehin kleinen Manifestation vorwiegend deutscher Jüdinnen und Juden am 9. September 2012 in Berlin fern zu bleiben, da sie „den kulturellen und religiösen Traditionen von Kollektiven grundsätzlich misstraut“. Autoren dieses Sektenblattes wie Thomas Maul und Justus Wertmüller bezeichnen die Beschneidung als „archaisch“ und diffamieren dadurch mit Verve das Judentum. Derweil kringeln sich die Neonazis, die NPD und autonome Nationalisten, da doch der deutsche Mainstream das Geschäft des Antisemitismus (bis auf die Verwüstungen jüdischer Friedhöfe und von Gedenktafeln, bis heute eine typisch neonazistische Form des Antisemitismus) übernommen hat. Die Wochenzeitung jungle world 

mit ihrem Autor Thomas von der Osten-Sacken machte gegen die Beschneidung mobil und stellte Bezüge zur kriminellen Klitorisverstümmelung bei Mädchen, der Female genital mutilation (FGM), her. Sein Kollege Tilman Tarach war auf Facebook nicht weniger obsessiv dabei,

die Beschneidung und somit das Judentum zu schmähen. Eine Internetseite, Politically Incorrect (PI), die aus dem Umfeld von Parteien wie Die Freiheit, der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), der Pro-Bewegung und anderen Gruppierungen der extremen Rechten oder des Rechtspopulismus kommt, droht Juden:

„Wenn sich aber jüdische Verbände und Organisationen beispielsweise so an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammern, zeigen sie damit, dass sie sich in diesem Punkt nicht vom Islam unterscheiden. So etwas können wir nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nicht zulassen.“

Die Giordano Bruno Stiftung (GBS) mit ihrem Vorbeter Michael Schmidt-Salomon (übrigens sitzt Hamed Abdel-Samad im wissenschaftlichen Beirat der GBS),

die Deutsche Kinderhilfe, Evolutionäre Humanisten Berlin Brandenburg e.V., der Zentralrat der Ex-Muslime, die Freidenkervereinigung der Schweiz, der pflegeelternverband.de und einige andere Organisationen und Gruppen agitieren besonders aggressiv gegen Juden (und Muslime) und starten im Herbst 2012 die perfide Anzeigenkampagne

„Mein Körper gehört mir“. Zu sehen ist das Bild eines Jungen, der sich völlig verängstigt in den Schritt fasst und darunter steht: „Zwangsbeschneidung ist Unrecht – auch bei Jungen.“ Damit wird nicht nur die kriminelle und zumal islamistische Praxis der Klitorisverstümmelung mit der harmlosen Beschneidung von Jungen gleichgesetzt, vielmehr wird in Stürmer-Manier gesagt: vor allem das Judentum basiert auf Unrecht! Hieß es 1879 bei Heinrich von Treitschke „Die Juden sind unser Unglück“, was zu einem der Propagandasprüche des Nationalsozialismus avancierte, so wird im Jahr 2012 von Atheisten, Positivisten und anderen Aktivisten (die sich teils anmaßend Humanisten nennen) die Beschneidung als das Unglück für Kinder dargestellt oder Juden (und Muslime) gar als Kinderschänder diffamiert. Das liest sich wie eine post-christliche Version der Blutbeschuldigung, der antisemitischen Blood Libel.

Der Professor für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel, Alfred Bodenheimer, ist zutiefst schockiert über den Anti-Beschneidungsdiskurs und hat im Sommer 2012 ein kleines Büchlein dazu verfasst: „Haut-Ab! Die Juden in der Besschneidungsdebatte“ (Göttingen: Wallstein). Darin analysiert er:

„Aus christlich-theologischer Sicht war die Kreuzigung ein sehr ähnliches Vergehen wie das Beschneiden der Kinder aus der heutigen säkularen: Denn die Taufe als unmittelbare Partizipation des einzelnen Gläubigen an der Kreuzigung Christi (und der damit verbundenen Sündenvergebung) machte letztlich jeden Getauften zum partiell von den Juden Gekreuzigten ­– und damit jenes Ereignisses, in dem gerade Paulus die Beschneidung aufgehoben hatte. Der säkulare Ausgrenzungsdiskurs folgt dem christlichen auf dem Fuße, er ist kultur- und mentalitätsgeschichtlich so leicht abrufbar, dass insbesondere den dezidierten Säkularisten die Ohren sausen dürften, wären sie sich der Sensoren gewahr, die ihren Furor geweckt haben. Der säkularistische Anspruch, Gleichheit in allen Belangen zur Ausgangslage eines frei auslebbaren Individualismus zu machen, trägt mehr vom Paulinischen Universalismus in sich (dessen Gegenbild die auf defensiver Differenz bestehenden Juden waren), als dem Gros seiner Vertreter klar ist.“ (ebd., 58f.)

Die Internetseite HaOlam mit ihrem Vertreter Jörg Fischer-Aharon, die sich jahrelang als pro-israelisch gab, hat den Anti-Beschneidungsvorkämpfer Schmidt-Salomon exklusiv interviewt und macht damit Werbung für obige Anzeigenkampagne.

Manche Organisationen, die häufig mit HaOlam bzw. deren Umfeld und vielen anderen aus der nie näher definierten „pro-Israel-Szene“ kooperierten, werden ins Grübeln kommen.

Sei es Ressentiment auf Religion oder kosmopolitisch inspirierte Universalität, jedenfalls wird mit bestem Gewissen jedwede Partikularität – wie die des jüdischen Staates Israel und des Judentums, inklusive seiner religiösen Traditionen, die auch von nicht-gläubigen Juden mit überwältigender Mehrheit praktiziert werden – abgelehnt.

Es ist unerträglich, mit welcher Arroganz, Obszönität und Dreistigkeit ausgerechnet deutsche Areligiöse,  Christen, selbsternannte Israelfreunde und „Antifas“ sich de facto zu den islamistischen und neonazistischen Judenfeinden gesellen und völlig geschichtsvergessen das Nachdenken einstellen.

Kaum jemand hat heute in Deutschland noch Beißhemmungen wenn es um Juden geht.

Dieser hier skizzenhaft aufgezeigte neu-alte Antisemitismus zeigt sich in dramatischer Form in vier antisemitischen Vorfällen in wenigen Wochen bzw. Tagen allein in Berlin:

  • Am 28. August 2012 wurde in Berlin-Friedenau am helllichten Tag der Rabbiner Daniel Alter von mehreren vermutlich arabischen Jugendlichen und Antisemiten krankenhausreif geschlagen. Er trug eine Kippa und wurde gefragt, ob er Jude sei. Das „Ja“ führte zu einem Jochbeinbruch und Todesdrohungen gegen seine 6-jährige Tochter. Die Täter sind bis heute nicht ermittelt.
  • Am 3. September wurde gegen 10 Uhr vormittags eine Gruppe von jüdischen Schülerinnen vor der Carl-Schuhmann-Sporthalle in der Schlossstraße in Berlin-Charlottenburg von vier ca. 15-16-jährigen Mädchen muslimischer Herkunft (eine der Antisemitinnen trug ein Kopftuch) diffamiert und u.a. als „Judentussen“ beleidigt.
  • Am höchsten jüdischen Feiertag, Yom Kippur, am Mittwoch, den 26. September 2012, rief Esther Dobrin aus Berlin gegen 11 Uhr ein Taxi, um mit ihrer 11-jährigen Tochter und zwei weiteren Personen zur Synagoge in die Pestalozzistraße zu fahren. Der Taxifahrer verhielt sich reflexhaft feindselig, als der genaue Bestimmungsort als „Synagoge“ benannt wurde; er warf die vier Fahrgäste sozusagen aus dem Wagen.
  • Wenig später, gegen 18 Uhr an diesem 26. September, wurden drei andere Juden in Berlin verbal attackiert. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, kam gerade mit seinen beiden Töchtern im Alter von 6 und 10 Jahren von der Synagoge, ebenfalls in Charlottenburg, unweit des Kurfürstendamms, als er offenbar wegen eines klar ersichtlichen jüdischen Gebetsbuches beleidigt wurde. Im Laufe eines aggressiven Wortgefechts hat Kramer nicht nur die Polizei zu Hilfe gerufen, vielmehr auch auf seine Waffe gezeigt, die er seit acht Jahren zum Selbstschutz und als ausgebildeter Sicherheitsbeauftragter bei sich trägt. Die Polizei hat nun zwei Anzeigen zu bearbeiten, Kramer zeigte die Beleidigungen des Antisemiten an, während derselbe Kamer wegen Bedrohung anzeigte, wozu er, nach unbestätigten Informationen,  von der Berliner Polizei durchaus ermutigt worden war.

Kramer kennt die Zusammenhänge des GraSSierenden Antisemitismus in Deutschland und weiß, dass sich die geistigen Zustände und Debatten in gewalttätigen Straßenantisemitismus entladen können – darum ist er bewaffnet. Welche zwei komplett disparaten Lebensrealitäten – eine jüdische und eine nicht-jüdische – werden von nichtjüdischen Deutschen tagtäglich stillschweigend hingenommen? Wie fühlt es sich an, ständig in den Einrichtungen der eigenen Religion/Gruppe, Kindergarten, Schule, Synagoge etc. unter Polizeischutz stehen zu müssen?

1925, einige Jahre vor NS-Deutschland, im demokratischen Rechtsstaat der Weimarer Republik passierte in Stuttgart Folgendes:

„An einem Sonntag im November 1925 las der Kaufmann Ludwig Uhlmann in der Gastwirtschaft Mögle Zeitung und trank ein Bier. In provozierender Absicht beleidigte ihn der am Nachbartisch sitzende Franz Fröhle mit spöttischen Bemerkungen und ließ mehrfach die Bezeichnung ‚Jude Uhlmann‘ fallen. Dieser reagierte nicht. Daraufhin sagte Fröhle: ‚Was will der Judenstinker hier, der Jude soll heimgehen‘, was Uhlmann sich verbat. Als die Pöbeleien anhielten, zog Uhlmann eine Pistole, mit der Bemerkung, dass Fröhle damit Bekanntschaft machen könne, falls er nicht aufhöre. Schließlich setzten der Wirt und die Polizei den Beleidiger vor die Tür. Die Staatsanwaltschaft beantragte nicht nur einen Strafbefehl gegen Fröhle wegen Beleidigung in Höhe von 50 RM Geldstrafe, sondern auch einen gegen Uhlmann wegen Bedrohung und abgelaufenen Waffenscheins. Bei der Hauptverhandlung des Amtsgerichts wurde er zwar von der Anklage der Bedrohung freigesprochen, aber wegen der Bagatelle des abgelaufenen Waffenscheins von wenigen Monaten zu einer Geldstrafe von 30 RM verurteilt.“ (Martin Ulmer (2011): Antisemitismus in Stuttgart 1871–1933. Studien zum öffentlichen Diskurs und Alltag, Berlin: Metropol, S. 350)

 

Dieses Schlaglicht zeigt die Normalität antisemitischer Beleidigungen, die in der deutschen politischen Kultur bereits damals, wie sich an unzähligen Beispielen aufzeigen lässt, tief verankert und sedimentiert war.

Heute nun, im Jahr 2012, über 67 Jahre nach dem Holocaust und Auschwitz – welch ein Unterschied ums Ganze! –, müssen sich Juden wieder bewaffnen. Sie sind fast täglich Angriffen, Beleidigungen und Hetzkampagnen ausgesetzt und es kann sich eine Szene abspielen, die der in einer Stuttgarter Kneipe von 1925 gruselig ähnelt.

 

Auf der einen Seite haben wir diese Vorfälle aus dem Jahr 2012 und insbesondere die „Beschneidungsdebatte“ mit all ihren antisemitischen Internet-Kommentaren -und Forenbeiträgen, die einen an Max Liebermanns Ausspruch zum 30. Januar 1933 denken lassen. Auf der anderen sucht man vergebens die arrivierten Antisemitismusforscherinnen und -forscher, die sich der skizzierten Forschungsfelder annehmen. Werner Bergmann schrieb 2011 in einer Festschrift für einen Kollegen:

„Im historischen Vergleich mit der Zeit vor 1945, aber auch in den letzten 60 Jahren in Deutschland […] war Antisemitismus gesamtgesellschaftlich wohl selten so sehr an den Rand gedrängt wie heute.“

Antisemitismus ist in Deutschland nicht erst, aber insbesondere im Jahr 2012 gesamtgesellschaftlich so weit verbreitet wie vielleicht noch nie seit 1945.

 

 

Susanne Wein ist Historikerin und promovierte im September 2012 an der Freien Universität Berlin  mit einer Arbeit über „Antisemitismus in der politischen Kultur der Weimarer Republik. Eine Untersuchung anhand der Debatten im Reichstag“.

Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und promovierte im August 2006 an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck mit einer Arbeit über die „Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970 – 2005: Henning Eichberg als Exempel“.

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