Von Dr. phil. Clemens Heni, 13. Dezember 2020
Update, 14.12.2020: Prof. Michael Esfeld, Mitglied der Leopoldina, hat seine wissenschaftliche Kritik an der Leopoldina und der Lockdown-Politik der Regierungen in einem ausführlichen Papier erweitert, das hier eingesehen werden kann, und resümiert:
Es erweist sich somit wiederum als fatal, die in der Aufklärung angelegte Spannung zwischen Freiheit und Szientismus zugunsten des Szientismus und seiner politischen Verwendung aufzulösen. Die Rolle von Wissenschaft darf nicht die der Staatsreligion in vor-aufklärerischer Zeit sein: Es gibt kein Wissen, mit dem sich eine Planung der Gesellschaft rechtfertigen liesse, die sich über die Freiheit der Individuen hinwegsetzt. Aufklärung ist auch heute der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, in die unsere Gesellschaft diesbezüglich hineinzulaufen droht.
Die Lockdown-Politik der Bundesregierung und den 16 Landesregierungen wird mehr Menschen töten als Corona. Woher wissen wir das? In UK gab es im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 acht Prozent mehr Tote durch Herzkreislauferkrankungen. Dabei starben 10 Prozent weniger Menschen in Krankenhäusern, dafür 10 Prozent mehr zu Hause. Darüber berichtet der schwedische Arzt und Publizist Sebastian Rushworth. Er betont, dass weltweit keine Regierung eine wissenschaftliche Abwägung gemacht hat, was Lockdowns an Menschenleben kosten können.
Es ging und geht ausschließlich um das völlig irrationale Ziel, eine einzige Krankheit und ihr Vorkommen zu reduzieren. Ob unterm Strich mehr Menschen sterben, ist der Politik völlig egal. Es geht nur darum, dass die Zahl der positiv auf SARS-CoV-2 Getesteten zurückgeht.
Das ist mörderisch, zynisch und menschenverachtend.
Auch der Philosoph und Suhrkamp-Autor Michael Esfeld, Professor für Wissenschaftsphilosophie in Lausanne in der Schweiz, der seit 2010 Mitglied der Leopoldina ist, ist völlig schockiert.
Esfeld ist Teil des Establishments, was seine frontale Attacke auf die Leopoldina von innen heraus so enorm bedeutsam macht.
In einem offenen Brief schreibt er:
Diese Stellungnahme verletzt die Prinzipien wissenschaftlicher und ethischer Redlichkeit, auf denen eine Akademie wie die Leopoldina basiert.
Im Gegensatz zu Merkel, Kretschmann, Laschet, Scholz und Müller hat Esfeld Empathie mit den alten Menschen, die gezielt geschützt gehörten.
Esfeld vertritt eine wissenschaftliche Position, die sich bewusst ist, dass es immer mehrere Seiten gibt, die gehört werden müssen. Wissenschaft besteht gerade darin, sich weiter zu entwickeln, gerade die Physik, von der Angela Merkel so wenig Ahnung hat, ist ein Beispiel dafür. Es gibt nicht „die“ wissenschaftliche Wahrheit, man sollte schon kontrovers Annahmen der Antike über Newton, Einstein oder Heisenberg diskutieren, um nur dieses Beispiel der Physik zu nehmen. Wenn Merkel tatsächlich gut studiert hat, sollte sie wissen, dass es Diskurs und Debatte braucht, dass es Abwägungen benötigt und nicht autoritäre „Wahrheiten“, die exekutiert werden, ohne Kompromiss, ohne Anhörung, ohne Abwägung der Pros und Contras.
Was das gesamte Land in 10 Monaten nicht verstanden hat: Es ist sehr gut, wenn sich der Großteil der Menschen mit Corona ansteckt, da es eine für fast alle sehr harmlose Sache ist, ein Virus neben vielen anderen eben. Das nennt die Wissenschaft Herdenimmunität, die wir auch bei unzähligen anderen Viren haben – die haben wir nur, weil wir uns tagtäglich mit irgendwelchen Viren konfrontieren, andere Menschen umarmen, mit ihnen reden, Sex haben etc. pp., nur dadurch, durch Kunst, Kultur und soziale Interaktion sind wir erstens soziale Wesen und zweitens bauen wir nur und ausschließlich durch den Kontakt mit anderen Menschen eine Herdenimmunität auf. Wer ein Jahr allein zu Hause eingesperrt ist, wird danach massive Probleme bekommen und kann beim ersten Zusammentreffen mit anderen Menschen in schwere Not geraten, von der psychischen Belastung nicht zu schweigen.
Corona hat eine Infektionssterblichkeit von 0,14 bis 0,23 Prozent, sagt die Weltgesundheitsorganisation, die ihre eigene Mega-Panik von Februar und März 2020 wissenschaftlich revidiert hat – das ist Forschung.
Die Infektionssterblichkeit von Corona ist also sehr gering, ohne zu ignorieren, dass jeder einzelne von uns daran sterben kann. Das kann man nie ausschließen, das wäre ja lachhaft zu behaupten, dass man nicht jeden Tag sterben kann, egal an was.
Woher aber kommt diese unfassbare Panik vor dem Tod? Das mag daran liegen, dass die meisten Menschen nie wirklich lebten und ihre Sinnlosigkeit jetzt erkennen und sich an dieses sinnlose Leben so unsagbar brutal klammern, dass man Nicht-Maskenträger am liebsten an die nächste Wand stellen würde und abschießen (ich kann Gedanken lesen, liebe Spiegel-, Tagesspiegel- oder ARD-, DLF-Redaktion etc.).
Michael Esfeld ist hingegen nicht Teil der Panikindustrie, sondern kann selbst denken und mahnt:
Innerhalb des engeren Kreises der Experten von Virologie und Epidemiologie ist die Strategie zum Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus umstritten. Der Seite von Virologen und Epidemiologen, die scharfe politische Maßnahmen fordern, steht eine andere Seite von Virologen und Epidemiologen gegenüber, die mit Gründen einen nur auf die Risikogruppen fokussierten Schutz empfehlen, ausgedrückt zum Beispiel in der von führenden Medizinern verfassten Great Barrington Declaration.
Der denkende Teil der Bevölkerung weiß, wie gering das Risiko ist, an Corona schwer zu erkranken und zu sterben, nochmal: laut WHO für Menschen unter 70 Jahren liegt das Risiko an Corona zu sterben bei 0,05 Prozent, das ist weniger als bei einer Grippe. In vielen Landkreisen starb seit März 2020 nicht ein einziger Mensch unter 60 an Corona und auch nur wenige, die älter sind und ohnehin bald gestorben wären. Corona ist jetzt endemisch und gehört ganz normal zu den Viren, die wir bislang schon hatten. Kein Problem, keine Panik, das ist Teil des Lebens.
Was die Öffentlichkeit auch nicht wissen möchte, sind die vielen „Kollateralschäden“. Warum? Weil die Medien es nicht sagen – Ausnahmen sind die als Komiker ignorierten Richling, Nuhr oder Monika Gruber, deren Positionen wären in einer politischen Sendung in der ARD undenkbar – und weil kein Mensch mehr weiß, wie Aufklärung geht und was Denken ist:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. (Immanuel Kant)
Was ignoriert und entwirklicht wird, sind die Toten hierzulande, die am vorzeitigen Herzinfarkt mit 56 sterben, weil sie alles verloren haben, was sie sich als Geschäfteinhaber aufgebaut haben, weil sie isoliert sind und 80 Jahre alt, im Rollstuhl sitzen und nicht mal mehr mit dem Zivildienstleistenden zweimal die Woche Essen gehen dürfen. Die Millionen Singles in Hamburg, Berlin, Köln oder München, in jeder Stadt und auch auf dem Land.
Diese Isolierten und in das Elend oder den Tod Getriebenen haben Kretschmann, Laschet, Müller, Merkel & Co. und die Medien und namentlich die Leopoldina zu verantworten – und dazu kommen die unzähligen Verhungerten in den Nicht-Industrieländern.
Anti-Leopoldina Leopoldina-Mitglied Michael Esfeld hat sie jedoch im Blick:
Im weiteren Kreis der Wissenschaftler ist höchst umstritten, ob der Nutzen scharfer politischer Maßnahmen wie ein Lockdown die dadurch verursachten Schäden aufwiegt – und zwar Schäden an zukünftigen Lebensjahren, die in Deutschland und anderen entwickelten Ländern infolge eines Lockdown verloren gehen, Todesfälle durch einen erneuten Anstieg der Armut in den Entwicklungsländern usw.
Es ist auf viele Jahrzehnte die größte Schande der politischen Linken, nicht mal auf diesen Aspekt der Millionen „Kollateraltoten“ hingewiesen und die mörderische Lockdown-Politik abgelehnt zu haben.
Wenn nicht mal der zu erwartende Tod von vielen Kindern und Erwachsenen in den Nicht-Industrieländern beachtet wird, ist es mit der Würde des Menschen hierzulande auch nicht besser bestellt.
Es gab keine Bundesregierung und keine Landesregierung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die der Würde des Menschen mehr Schaden zugefügt haben, als Angela Merkel und die Bundesregierung und die 16 Landesregierungen.
Der Philosoph Michael Esfeld, Lehrstuhl für Wissenschaftsphilosophie der Universität Lausanne, hält erschüttert fest:
Ethisch gibt es insbesondere in der auf Immanuel Kant zurückgehenden Tradition Gründe, grundlegende Freiheitsrechte und die Würde des Menschen auch in der gegenwärtigen Situation für unantastbar zu halten. Zur Würde des Menschen gehört dabei insbesondere die Freiheit, selbst entscheiden zu dürfen, was die jeweilige Person als ein für sie würdiges Leben erachtet und welche Risiken sie für diesen Lebensinhalt einzugehen bereit ist in der Gestaltung ihrer sozialen Kontakte.
Esfeld fordert:
In einer solchen Situation wissenschaftlicher und ethischer Kontroverse sollte die Leopoldina ihre Autorität nicht dazu verwenden, einseitige Stellungnahmen zu verfassen, die vorgeben, eine bestimmte politische Position wissenschaftlich zu untermauern. Ich möchte Sie daher höflichst bitten, die entsprechende Stellungnahme umgehend als Stellungnahme der Leopoldina zurückzuziehen.